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Gerherd Marcks. Seraphita

Der Bildhauer *). Von Dr. W ill Grohmann

Gerhard Marcks ist 48 Jahre alt. Seit fünfzehn Jah­ Marcks begann 1919 in als Leiter der ke­ ren ist er am \iVerk, und es gibt kaum ein Darstel­ ramischen Abteilung am , seine freien Ar­ lungsmittel plastischen Schaffens, das er nicht mit beiten denken alle an den Bau, sind weniger frei­ E rfolg angewandt hätte. In Ton, Holz, Bronze, plastisch als im Zusammenhang mit der Architektur Stei n ~ · Kunststein, Marmor sind in einem halben empfunden. 1925 wurde er von Thiersch an die Menschenalter eine Fülle von Gestalten entstanden, auf dem Giebichenstein () an denen wir die stetige und folgerichtige Entwicke­ berufen, wo er zu dem wurde, was er heute noch lung des Meisters ablesen können. ist: einer unserer führenden, stark im Geist der Ge­ ') Die Veröffentlichung erfolgt auf Grund eine; Ausstellung der genwart wurzelnden, deutschen Bildhauer. Die da­ Kunst- und Buchhandlung K ar! Buchholz, . maligen Arbeiten (Das große H andbuch [ 19~5],

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Gerhard Morcks. Still allein. Bronze Nationolgolerie, Berlin

Kunst, B.and 16, Het\: \1, Au&"ust 19Si 329 Gerhard Marcks. Mädchen mit Aplel

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il.' I~ I I Gerherd Marcks. Bildnis Herbert 1

Adam [19\26], Schreitende [1926], :\Iaria und Jo­ vergleicht, selbst ohne die dazwischenliegenden seph [ 1926, Albertinum ], David [ 1927]) Werke zu kennen, so liegt kein Bruch in der verschafften ihm 1928 den Villa-Romana-Preis. In­ Entwicklung vor. Seine ersten Arbei ten sind ar­ zwischen ist ;vrarcks unabhängig geworden und chaisch, primitiv, wenn man so will, aber nicht im arbeitet in Ahrenshoop an der Ostsee. Aus einem Sinne einer Anlehnung an Exoten, sondern in der .. Gelegenheitsarbeiter" im besten Sinne des Wortes, Art der griechischen Plastik des achten bis sechsten für den Haus, vielköpfige Familie und Atelier ein vorchristlichen Jahrhunderts. Die Stärke des inne­ und dasselbe waren, der immer wieder Frau und ren Ausdrucks behielt ~VIarcks in den folgenden Jah­ Kinder zum Vorwand seiner Gestaltungsabsichten ren bei; dieser A usdruck war so kraftvoll, daß viele verwendete, ist ein Künstler geworden, der inner­ den Zugang zu Marcks nicht fanden, seine Arbeiten lich und äußerlich sein Format erweitert hat und erschienen ihnen häßlich. Einmal waren sie ihnen h eute Anspruch auf größere Aufträge hätte. Sie um der Proportion und der plastischen Gesetzlich­ werden nicht ausbleiben, denn die Deutschheit die­ keit willen zu naturfern, ein anderes :Mal wegen ses :Menschen und die Überzeugungskraft seiner pla­ ihrer spirituellen und seelischen Tiefe fremd. stischen Form bahnt sich von Jahr zu Jahr einen In den letzten Jahren ist aus dem Suchenden ein breiteren "\V eg in die Öffentlichkeit. Erfüller geworden. Die Spannung zwischen nor­ Das Entscheidende bei Marcks ist, daß er dau­ di scher Übersinnlichkeit und südlicher Formenkraft ernd den Kreis seines Schaffens erweiter t, ohne je­ ist geblieben, aber beglichen. In manchem Werk mals Früheres zu desavouieren. vVenn man seine scheint dem flüchtig Hinsehenden das Antikische frühen Arbeiten mit den letzten Ausformungen vorzuherrschen. So ist es übrigens oft bei Darstellun-

331 gen. derenBezeichnungGriechisches suggeriert (Trau­ 'phita" (1932), "Still allein" (1932, Nationalgalerie, ernder Eros, Pan, Danae, Selene). Beim näheren Zu­ Berlin) wird man in den angenehmen Zustand ver­ sehen muß man erkennen, daß gerade in diesen Skulp- . setzt, nicht mehr nach Gründen der Vollkommen­ tureninA usdruck,Physiognomik und plastischem Bau heit zu fragen, man begnügt sich damit, einer Wir­ das Deutsche überwiegt. Andere seiner vVerke wirken kung zu erliegen, die aus einer Verschränkung umgekehrt auf den ersten Blick restlos deutsch. menschlicher und künstlerischer Anlagen resultiert. Nachträglich entdeckt man die Freude des Bild­ War Marcks eine Zeitlang Lehmbruck nahe, so hauers an den elementaren griechisch-ar_chaischen heute einer Durchdringung gotischen und renais­ Figuren auch an ihnen. ,.Ein straffer Bau. Die Beine sancistischen Geistes (Riemenschneider). sind etwas voreinander gesetzt, eine offene Schere ... Wer sich in die frühen Arbeiten von Marcks ver­ Rücken und Beine sind ein Pfeilerpaar, oben ver­ sehen hat, fürchtet als eine ihm drohende Gefahr bunden, dann getrennt, rhythmisch gestaucht zu die abstrahierende Schönheit. Ich glaube, die Be­ Schultern, Gesäß, Oberschenkeln, Unterschenkeln fürchtung ist gegenstandslos, denn Marcks ist so und Hacken. Ebene schiebt sich an Ebene, Berg an erdennah und gesund und so deutsch, daß er dau­ Höhlung, in klarer , männlicher Zucht." Diese ernd ein Suchender bleiben wird, einer, der nicht Worte, die Marcks gelegentlich über eine archaische stehen bleibt, sondern aus jeder Gefahr eine neue Bronzestatuette schrieb, könnten für einige seiner · Stärke gewinnt una so sich und sein vVerk:vollendet. Werke geschrieben sein. Vor Arbeiten wie "Sera-

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Gerhard Marcks

Trauernder Eros

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