PHILIPPIA 1/2: 57-64 1971

ALBERT NIESCHALK und CHARLOTTE NIESCHALK

Ein Beitrag zur Kenntnis der Gattung (ZINN) SW. emend. L. C. RICH. (Sektion Epipactis, Stendelwurz) in Spanien

Abstract The genusEpipactis (), distributed in especially in the deciduous forests of the submeridional and temperate zone, is represented in Spain only by a restricted number of species in a limited area: (EHRH.) SW. has been recorded the first time for the Mediterranean region of Spain, whilst the occur­ rence of Epipactis helieborine (L.) CRANTZ could be confirmed for the southern provinces. From the Mountains of Alcaraz, Cazorla, and Segura (South-east Spain), the new subspecies Epipactis atrorubens (HOFFM.) SCHULT. subsp. parviflora A. et C. NIESCHALK subsp. nov. is described. A special form of Epipactis helieborine (L.) CRANTZ from the Province of Gerona (North-east Spain) seems to be identical with the dubious Epipactis tremolsii PAU, indicated for the same zone.

Einleitung In Europa ist das Vorkommen der GattungEpipactis (ZINN) SW. emend. L C. RICH. vor­ zugsweise an die Laubwaldgebiete der submeridionalen und temperaten Zone gebunden (MEUSEL, JÄGER und WEINERT 1965). Eine reiche Entfaltung, wie wir sie im nördlichen Teil Hessens, in einem vorwiegend subatlantisch beeinflußten Bereich der mitteleuropäischen Laubwaldregion, nachgewiesen haben (NIESCHALK und NIESCHALK 1970), ist in der meridio- nalen Zone Europas daher nicht zu erwarten. Für Spanien geben WILLKOMM und LANGE (1870) aus der Sektion Epipactis lediglich Epipactis microphylla und E. atrorubens mit einer auf bestimmte Gebiete beschränkten Verbreitung an. Später wird aus Katalonien noch E. tremolsii beschrieben (SCHLECHTER 1928). Wir sahen in Spanien E.microphylla , E. atro­ rubens und E. helieborine an wenigen zerstreuten Wuchsorten.

Epipactis microphylla (EHRH.) SW., Kleinblättrige Stendelwurz Die Verbreitung vonEpipactis microphylla liegt in der europäischen Laubwaldregion, hier aber mehr auf das westliche subatlantische und zentrale Mitteleuropa konzentriert (MEUSEL, JÄGER und WEINERT 1965). Die Art wächst in Mitteleuropa in Buchenwäldern auf Kalk. In Nordhessen liegen die Vorkommen in kollinen und unteren montanen Lagen bis etwa 400, selten bis 500 m ü. d. M. In Spanien kommt Epipactis microphylla in Katalonien, Aragonien, Neukastilien und Valencia vor (WILLKOMM und LANGE 1870), häufiger jedoch nur „in Katalonien bis zu den Pyrenäen“ (WILLKOMM 1893). Außer E. microphylla enthalten die Wälder im Nordosten Spaniens, vor allem in der montanen Stufe Kataloniens und Aragoniens, eine Anzahl weiterer mitteleuropäi- 58 ALBERT NIESCHALK und CHARLOTTE NIESCHALK

scher Pflanzenarten (vgl. WILLKOMM 1896). Nach RIVAS-GODAY (1956) gehört der Nord­ osten der Iberischen Halbinsel nach Vegetation und Flora weitgehend noch zum mittel­ europäischen und atlantischen Bezirk der eurosibirischen Region.

In dieser von den Vertretern der GattungEpipactis bevorzugten Vegetationszone Spaniens sahen wir Epipactis microphylla in den Pyrenäen in einem lichten Eichenwald bei Foradada de Toscar (Provinz Huesca) um 1200 m ü. d. M. zusammen mit E.atrorubens (1965) und in Katalonien zerstreut an einigen Stellen im Hügelland zwischen Figueras und Gerona, hier in lichten Eichen-Kiefern-Mischwäldern um 150 m ü. d. M. (1968, 1969).

Anfang Juni 1970 fanden wirEpipactis microphylla in der mediterranen Region Spaniens. In dem bewaldeten Teil der reich gegliederten, bis 1700 m ü. d. M. ansteigenden Sierra de Segura im Südosten Spaniens wächst E.microphylla zerstreut an mehreren Stellen in dem durch eine artenreiche Orchideenflora ausgezeichneten Gebiet zwischen Siles und dem Forsthaus Acebeas östlich von Orcera (Provinz Jaén). Die Wuchsstellen liegen zwischen 1300 und 1400 m ü. d. M. Der ausgedehnte Kiefernwald ist in dieser hochmontanen Lage von sommer- und immergrünenQuercus- Arten durchsetzt und muß dem „Gemischten Vege­ tationsgürtel mit laubabwerfenden und immergrünen Gehölzen“ (RIVAS-GODAY 1956) zuge­ rechnet werden, der an Lagen mit warmem Mittelmeerklima, aber strengen, kalten und regen­ reicheren Wintern gebunden ist. Dem ökologischen Verhalten der Art gemäß finden wir E. microphylla auch in der Sierra de Segura jeweils nur in kleinen Populationen an vege­ tationsfreien und nicht zu schattigen Stellen des Waldes auf trockenen, hier jedoch sandigen Böden. Im Habitus und in den Einzelmerkmalen bestehen zwischen den südspanischen, den kata- lonisch-pyrenäischen und den mitteleuropäischen Pflanzen keine Unterschiede; sie stimmen alle mit dem Typus dieser wenig variablen Art überein. Auch in der Blütezeit sind zwischen den verschiedenen Wuchsbereichen von E.microphylla keine wesentlichen Abweichungen vorhanden. Eine eventuell zu erwartende frühere Blütezeit im mediterranen Gebiet wird durch die hohe Lage der dortigen Wuchsorte ausgeglichen. Am 3. VI. 1970 hatten in der Sierra de Segura erst wenige Pflanzen mit der Blüte begonnen, die meisten zeigten noch den nach unten hängenden Blütenstand mit fest geschlossenen Knospen.

Eine Beobachtung zur Blütenbiologie vonEpipactis microphylla an einem Wuchsort bei Medina (Katalonien) ist geeignet, unsere Auffassung der obligaten Selbstbestäubung dieser Art (vgl. NIESCHALK und NIESCHALK 1970) zu stützen. Auch bei diesen Pflanzen war in den soeben geöffneten Blüten ein gut entwickeltes RosteUum (kugelige Klebdrüse auf dem oberen Narbenlappen) vorhanden, das sich jedoch zur Entfernung der Pollinien als unbrauch­ bar erwies, da ihm die dafür notwendige Festigkeit fehlte. Fremdbestäubung durch Insekten setzt jedoch ein funktionsfähiges Rosteilum voraus.

Epipactis atrorubens (HOFFM.) SCHULT., Dunkeirote Stendelwurz Das Areal von Epipactis atrorubens erstreckt sich über weite Teile Europas, umfaßt sowohl das gesamte ozeanische Westnorwegen als auch über den sarmatischen Raum hinweg weite kontinentale Bereiche Westsibiriens (MEUSEL, JÄGER und WEINERT 1965 mit Arealkarte) und läßt die größere ökologische Anpassungsfähigkeit dieser Art erkennen. Auf der Iberischen Halbinsel ist die Verbreitung von E.atrorubens in mehrere Teilareale aufgelockert, die sich Epipactis in Spanien 59

über den Westen, Nordwesten, Nordosten und Süden der Halbinsel verteilen (vgl. auch WILL­ KOMM und LANGE 1870; WILLKOMM 1893). Wir sahen Epipactis atrorubens im Nordosten Spaniens in den katalonischen Pyrenäen bei Orgaña (Segretal, Provinz Lérida) in einem lichten Eichen-Kiefern-Mischwald Buxus mit sempervirens auf trockenem Kalksteinboden auf der Höhe von Santa Fé bei etwa 1200 m ü. d. M. (1964); bei Foradada de Toscar (Pyrenäen, Provinz Huesca) in einem lichten Eichen­ wald ebenfalls mit Buxus sempervirens auf Kalk, zusammen mitE. microphylia, um 1200 m ü. d. M. (1965); in der Sierra del Moncayo (Südaragonien), in der Umgebung von Vera bei Borja (Provinz Zaragoza), zusammen mitCephaianthera rubra (1966); ferner in der medi­ terran-atlantischen Küstenregion Südspaniens in der Sierra de Luna bei Algeciras (Provinz Cádiz). Hier wächstE. atrorubens in größerer Anzahl an den Hängen des Mieltales etwa 150 m ü. d. M. in einem sehr lichten Korkeichenwald auf trockenem, sandigem Silikatgestein (1960, 1969). An allen genannten Wuchsstellen, selbst noch bei Algeciras an der Südspitze Spaniens, kommt E. atrorubens in Übereinstimmung mit dem Typus vor. Ein weiteres Vorkommen vonEpipactis atrorubens im östlichen Mittelspanien auf dem von kalkhaltigen Schottern durchsetzten Schwemmboden am Ufer des Rio Turia bei Albarracin (Provinz Teruel), etwa 1300 m ü. d. M. (31. V. 1970), konnten wir nicht näher untersuchen, weil die Pflanzen gerade erst ausgetrieben hatten und, in Kultur genommen, sich nicht wie gewünscht weiter entwickelten. In den Gebirgen Alcaraz, Segura und Cazorla, die sich im Südosten Spaniens zu einem umfangreichen Gebirgssystem erheben, fanden wirEpipactis atrorubens in einer bisher nicht bekannten, vom Typus auffällig abweichenden Form, die als Unterart vonatrorubens E. zu bewerten ist (vgl. hierzu Abb. 1 und 2). Die Graufärbung von Stengeln und Blättern, die starke graufilzige Behaarung des Stengels und die auffällig kleinen, nicht rot gefärbten, sondern hellfarbigen Blüten der in der Regel kleinen Pflanzen lassen eine gewisse Ver­ wandtschaft mit E. microphylia in Erscheinung treten. In der Größe und Form der Blätter und deren zweizeiliger Stellung im unteren und mittleren Stengelbereich, in dem weiten Abstand zwischen Infloreszenz und oberstem Blatt, sowie in der reich besetzten Blütentraube und weiteren Merkmalen erkennen wir jedoch die Zugehörigkeit dieser Pflanzen atrorubens. zu E.

Epipactis atrorubens (HOFFM.) SCHULT, subsp. parviflora A. et C. NIESCHALK subsp. nov., Kleinblütige Abart der Dunkelroten Stendelwurz Differt a forma typica characteribus sequentibus: Planta parva; caulis et folia cano-viridia vel violaceocano-viridia; flores conspicue parvi et claro-colorati; sépala lata et obtusa, 5—5,5 (6) mm longa, 3 mm lata, cano-viridia, lutescentia vel laete virescentia; pétala usque ad 5 mm longa, cano-viridia vel lutescentia, dilute violácea; epichilium mínimum, 3,5—4 mm latum, 2 (— 2,5) mm longum, albido-roseum, virescens vel violaceum, leviter rugoso-gibbosum. Sierra de Alcaraz, südlich von Vianos bei Alcaraz, Provinz Albacete, Spanien; leg. A. und C. NIESCHALK 12. VI. 1967; Holotypus Herbarium des Instituts für Systematische Botanik der Universität Heidelberg (HEID). Pflanzen klein, Gesamthöhe in der Regel 14—20 (30), selten 40—50 cm (Typus in der Regel 38—40, große Pflanzen bis 62 cm hoch); Stengel graugrün, violettgrau bis violettgrün, seltener dunkelviolettgrün, dicht graufilzig oder auch weißlichgraufilzig behaart und dick (Typus 60 ALBERT NIESCHALK und CHARLOTTE NIESCHALK

Stengel rötlich bis purpurrötlich und grauweißfilzig behaart, weniger dick); Blätter im mitt­ leren Stengelteil rundlich-eiförmig bis eiförmig-lanzettlich, im oberen Stengelteil (breit-)lan- zettlich bis brakteenförmig, silbrig-graugrün, seltener mit schwach blauvioletter Färbung (Typus Blätter grün mit rötlicher Färbung); die violette bis blauviolette Färbung der Unterart weicht von der Rot- bis Purpurrotfärbung des Typus auffällig ab.

Abb. 1 (links). Blütenstand der typischen Form von Epipactis atrorubens (HOFFM.) SCHULT. (Liebenau, Hessen) Abb. 2 (rechts). Blütenstand vonEpipactis atrorubens (HOFFM.) SCHULT, subsp. parviflora A. et C. NIESCHALK subsp. nov. (Sierra de Cazorla, Südostspanien) Ovarien kurz kugelig, lang gestielt und stark behaart (Typus länglich kugelig, lang gestielt und stark behaart); Blüten auffällig klein und hellfarbig (Typus wesentlich größer und rot­ farbig); Sepalen breit und kurz mit stumpfer Spitze, 5-5,5 (6) mm lang, 3 mm breit; Knospen kurz kugelig mit stumpfer Spitze (Typus Sepalen größer und länger zugespitzt, 7-9 mm lang; Knospen kugelig mit vorgezogener Spitze); Sepalen außen graugrün, mitunter mit einem schwachvioletten Schimmer, stark drüsig behaart, innen gelblich bis heligrünlich (Typus Sepalen rot, weinrot oder purpurrot); Petalen bis 5 mm lang, bis 3 mm breit (Typus bis 6,5 mm lang), außen graugrün bis gelblich-grün, mit rötlichem, leistenartig erhöhtem und behaartem Mittelnerv, sonst kahl, innen graugrün bis gelblich, im mittleren Teil mit schwachviolettem Anflug (Typus rötlich); Epichil sehr klein, 3,5-4 mm breit, 2 ( - 2,5) mm lang, am unteren Rande abgerundet oder mit einer winzigen zurückgeschlagenen Spitze versehen, nicht selten auch in der Mitte etwas eingekerbt (vgl. Abb. 2), weißlich bis rosa mit grünlicher oder grünlich- rosafarbener Mitte oder auch hellrötlich, hellviolett bis violett mit violett-grünlicher Mitte, Epipactis in Spanien 61

ferner mit einem dünnen rosaweißlichen Rand versehen, der orangebräunlich bis hellbräun­ lich ausgefranst oder gezähnelt ist, Epichil im Mittelteil mit runzliger Erhöhung, die beidseitig von schwachrunzligen Höckern begleitet wird, Höcker grünlich- oder rosaviolett bis dunkel­ violett gefärbt (Typus Epichil größer, rotfarbig, mit breiten stark gekrausten dunkelroten Höckern); Hypochil kurz konkav, größte Vertiefung vor dem Epichil, 4 mm breit, 3 mm tief, innen bräunlich oder rötlich-bräunlich mit grünem Rand; Säule mit Androklinium und Rostel- lum, Narbe mit fast waagrecht vorstehendem unterem Rand, der an den seitlichen Enden etwas verdickt ist, Anthere sitzend; Pflanzen in der Regel einzeln, sehr selten zu zweien oder in Gruppen. Blütezeit Ende Juni - Anfang Juli. Epipactis atrorubens subsp. parvifiora wächst auf schwach verlehmten Kalkböden, seltener auf Verwitterungsböden sandiger Gesteinsarten, an offenen oder nur leicht beschatteten Stellen lichter Kiefern-Eichen-Wälder in der Höhenlage um 1300 m ü. d. M. Wir fandenE. atrorubens subsp. parvifiora bisher an folgenden Wuchsorten: Sierra de Alcaraz: südlich von Vianos bei Alcaraz (Provinz Albacete), ein größerer Bestand (1967, 1969); Sierra de Segura: südöstlich von Hornos (Provinz Jaén), zerstreut an mehreren Stellen (1967) und Acebeas bei Siles (Provinz Jaén, 1969, 1970); Sierra de Cazorla: westlich vom Parador „El Adelantado“ bei Cazorla (Provinz Jaén) an mehreren Stellen, darunter auch größere Bestände von 40 bis 50 Pflanzen (1970). Die durch Konstanz ihrer Merkmale ausgezeichnete Unterart besiedelt also ein geschlossenes Areal, in dem der Typus der Art nicht vertreten ist. Es liegt nahe, die susp. parvifiora als endemisch für die Gebirge Alcaraz, Segura und Cazorla anzusprechen.

Epipactis helleborine (L ) CRANTZ, Breitblättrige Stendelwurz Die systematische Gliederung der GattungEpipactis ist lange unklar gewesen (vgl. NIE­ SCHALK und NIESCHALK 1970). Auch WILLKOMM und LANGE (1870) führen die für Spanien angegebenen ArtenEpipactis microphyila und E. atrorubens als Unterarten der „polymorphen E. helleborine CRTZ.“. Vorkommen von E. helleborine s. str. werden von ihnen jedoch nicht für Spanien genannt, wie die korrekte Auslegung des Literaturzitats ergibt. Auch SCHLECH­ TER (1928) erwähnt Spanien nicht unter den Verbreitungsländern von helleborine. E. Bei MEUSEL, JÄGER und WEINERT (1965) wird über die südwesteuropäische Begrenzung des als europäisch-sibirisch (-subboreal) gekennzeichneten Areals vonhelleborine E. nichts ge­ sagt. Daß CAMUS (1929) bei seinen Angaben zur europäischen Verbreitung vonhelleborine E. Spanien nicht ausschließt, ist allein durch die Annahme, die aus Katalonien beschriebene E. tremolsii PAU sei wahrscheinlich mit E. helleborine (syn. E. latifolia) — oder auch mit E. atrorubens — zu vereinigen, belegt und stützt sich demnach nur auf diesen einzigen ver­ mutlichen Wuchsort im Nordosten Spaniens, ist aber nicht auf die gesamte Iberische Halb­ insel anzuwenden. Im nordöstlichen Teil Spaniens, dessen Vegetation, wie wir bereits ausgeführt haben, noch mitteleuropäische Züge trägt, fanden wirEpipactis helleborine an mehreren Stellen im Gebiet von Medina bei Figueras (Provinz Gerona, Katalonien, 1967, 1969, 1970).helleborine E. wächst dort in lichten Randzonen von Kiefern-Eichen-Wäldern um 150 m ü. d. M. Die Blütezeit liegt Ende Juni. Die Pflanzen dieser Populationen weichen jedoch vom Typus ab. Bei erster Be­ gegnung könnte man geneigt sein, sie wegen der kleineren, in dichter Folge angeordneten und mehr oder weniger aufrecht vom Stengel abstehenden Blätter beiatrorubens E. einzu­ ordnen, zumal auch einzelne Pflanzen in der frühen Entwicklung eine gewisse Rotfärbung des Stengels aufweisen, die sich später wieder verliert. Es fehlen den Pflanzen jedoch die 62 ALBERT NIESCHALK und CHARLOTTE NIESCHALK

charakteristischen Merkmale vonE. atrorubens: die zweizeilige Stellung der unteren und mittleren Stengelblätter, die lange Zuspitzung dieser Blätter, der weite Abstand zwischen Infloreszenz und oberstem Stengelblatt, die intensive Rotfärbung der Blüten, die breitrund­ liche Form des Epichils und die breite kraus-runzlige Höckerbildung auf dem Epichil.

Abb. 3 (links). Habitus der typischen Form von Epipactis helleborine (L.) CRANTZ (Habichts­ wald, Hessen) Abb. 4 (rechts). Habitus vonEpipactis tremolsii PAU? (Medina, Katalonien)

Die Pflanzen gehören zuEpipactis helleborine, mit der sie in zahlreichen Merkmalen über­ einstimmen, wenn ihnen auch die sehr großen, flach ausgebreiteten und mehr oder weniger waagrecht vom Stengel abstehenden Blätter als charakteristisches Merkmal der Art fehlen (vgl. Abb. 3, 4). Übereinstimmung mit E.helleborine besteht in der Größe und Stattlichkeit der Pflanzen (50-60 cm hoch); in der Rhizom- und Wurzelbildung; in der Fäbung von Stengel und Blättern, abgesehen von der anfänglichen Rotfärbung des Stengels einzelner Pflanzen; in der Behaarung des Stengels; in der breitrundlichen bis breitlanzettlichen und kurz zuge­ spitzen Form der mittleren Stengelblätter; in der Anordnung und Stellung der Blüten und Epipactis in Spanien 63

damit im Habitusbild der Infloreszenz; in der Größe der Blüten(E. atrorubens hat kleinere Blüten); in der Form und Größe des Perianths: seitliche Sepalen 10,5—12,5 mm lang, 5-6,5 mm breit und Petalen — 9,5 mm lang, — 6,5 mm breit; in der Färbung des Perianths: Sepalen innen und außen grün, grünlich-rosa oder grünlich-violett und Petalen grünlich, am Grunde schwach violett; in der breit herzförmigen, mit kurzer Mittelspitze versehenen Form des Epichils (nicht breitrundlich und am Rande ausgefranst wie beiE. atrorubens), 4,5—5,5 mm breit, (3) 3,5—4,8 (5) mm lang, mit glatten bis etwas runzligen Höckern, sowie in der blassen rosa-grünlichen Färbung des Epichils; in der schwachen Behaarung der Ovarien und in der Form der auf Allogamie eingerichteten Säule. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei dieser als Varietät vonEpipactis helieborine zu bewertenden Sippe um die aus Katalonien beschriebenetremolsii, E. mit deren Diagnose (s. u. a. SENGHAS 1970), die als Differentialdiagnose zuE. atrorubens zu verstehen ist, die Pflanzen der verschiedenen Populationen in den wesentlichen nachprüfbaren Merkmalen über­ einstimmen. In der nomenklatorischen Behandlung dieser Varietät können wir jedoch solange keine Entscheidung treffen, wie die Identität mitE. tremolsii nicht durch Vergleich mit einem Belegexemplar eindeutig gesichert ist.Epipactis tremolsii PAU (1914), bei Moneada nahe Cerdañola 1875 von TREMOLS, 1882 von PAU gefunden (nach CAMUS 1929, Umgebung von Barcelona?), von SCHLECHTER (1928) als Varietät zuE. atrorubens gestellt, von CAMUS (1929) als wahrscheinlich zuE. helieborine (syn. E. latifolia) oder auch zu E.atrorubens gehörig betrachtet, gilt bis heute als ein unsicheres, niemals bestätigtes Taxon (SOÓ 1934—1935, 1970, SENGHAS 1970). Außergewöhnlich ist ein Vorkommen vonEpipactis helieborine in Südspanien: Wir fanden E. helieborine dort an der Ostseite des Cerro de la Cruz (Provinz Málaga) etwa 13 km südlich der Paßhöhe Puerto Los Alazores, der Grenze zwischen den Provinzen Málaga und Granada (1969), wo die Art in einem Buschwald einer immergrünenQuercus- Art auf skelettreichem Kalkboden wächst (Blütezeit Ende Juni/Anfang Juli). Die sehr hohen und stattlichen Pflanzen, darunter zahlreiche sterile, haben ausgeprägt große und harte, breitlanzettliche bis breit­ rundliche, kurz zugespitzte Blätter und entsprechen in diesen wie auch in den übrigen Merk­ malen dem Typus der Art. Der Wuchsort von E.helieborine liegt bei etwa 1200 m ü. d. M. sehr exponiert auf dem Rücken eines freistehenden Felsmassivs, ist der Einwirkung kalter und scharfer Winde wie auch der Feuchtigkeit der vom Mittelmeer aufsteigenden Regenwolken ausgesetzt und muß trotz der geographisch südlichen Lage als ausgesprochen kühl bezeichnet werden. Er bietet die Voraussetzungen für das vom Areal isolierte mediterran-montane Vor­ kommen dieser Art.

Anmerkung Herrn Prof. Dr. G. BUCHLOH (Stuttgart-Hohenheim) danken wir für die lateinische Über­ setzung der Diagnose zuEpipactis atrorubens (HOFFM.) SCHULT, subsp. parviflora A. et C. NIESCHALK subsp. nov.

Zusammenfassung 1. Die Gattung Epipactis (Orchidaceae), in Europa vorzugsweise an die Laubwaldgebiete der submeridionalen und temperaten Zone gebunden, ist in Spanien nur durch wenige Arten mit beschränkter Verbreitung vertreten. 64 ALBERT NIESCHALK und CHARLOTTE NIESCHALK

2. Epipactis microphylla (EHRH.) SW., bisher aus dem nordöstlichen Teil Spaniens, dessen Vegetation und Flora noch weitgehend mitteleuropäische Züge tragen, bekannt, wird auch für die mediterrane Region des Landes nachgewiesen. 3. Die Verbreitung vonEpipactis atrorubens (HOFFM.) SCHULT, erstreckt sich mit mehreren Teilarealen bis in den Süden Spaniens. 4. Aus den Gebirgen Alcaraz, Segura und Cazorla (Südostspanien) wird eine neue Unterart Epipactis atrorubens (HOFFM.) SCHULT, subsp. parvifiora A. et C. NIESCHALK subsp. nov. beschrieben. 5. In der Provinz Gerona (Katalonien) kommtEpipactis hefieborine (L.) CRANTZ in einer vom Typus abweichenden Form vor, die höchstwahrscheinlich mit der bereits früher aus Kata­ lonien beschriebenenEpipactis tremolsii PAU identisch ist. Auf ein Vorkommen der bisher nicht mit Sicherheit nachgewiesenenEpipactis heileborine (L.) CRANTZ im Süden des Landes wird aufmerksam gemacht. Literatur CAMUS, E.-G. et CAMUS, A., 1929: Iconographie des orchidées d'Europe et du Bassin Méditerranéen. II. Paris. MEUSEL, H., JÄGER, E. und WEINERT, E., 1965: Vergleichende Chorologie der zentral­ europäischen Flora. Jena. NIESCHALK, A. und NIESCHALK, C., 1970: Die GattungEpipactis (ZINN) SW. emend. L. C. RICH. (Stendelwurz, Sumpfwurz, Sitter) in Nordhessen. Abh. Ver. Naturk. Kassel 63:1-40. RIVAS-GODAY,S., 1956: Übersicht über die Vegetationsgürtel der Iberischen Halbinsel. Kenn­ zeichnende Arten und Gesellschaften. Veröff. geobot. Inst. Zürich31: 32-68. SCHLECHTER, R., 1928: Epipactis. In: KELLER, G. und SCHLECHTER, R. (Herausg.) Mono­ graphie und Iconographie der Orchideen Europas und des Mittelmeergebietes. I. Mono­ graphie der Gattungen und Arten. Berlin: 269-275. SENGHAS, K., 1970: Übersicht zur Systematik und Taxonomie der GattungEpipactis. Sonderh. Orchidee 1970: 34. SOÖ, R. VON, 1934-1935: Epipactis. In: KELLER, G., SCHLECHTER, R. und SOÖ, R. VON (Herausg.) Monographie und Iconographie der Orchideen Europas und des Mittelmeer­ gebietes. II. Kritische Monographie, enthaltend die Beschreibungen der Arten und Unter­ arten, Rassen, Varietäten, Formen und Bastarde nebst Literaturangaben und biologi­ schen Anmerkungen. Berlin: 334-335. — 1970: Die Epipactis-Taxa der pannonischen und karpatischen Flora und ihre soziologische Rolle. Sonderh. Orchidee 1970: 78. WILLKOMM, M., 1893: Supplementum „Prodromi florae hispanicae“. Stuttgart. — 1896: Grundzüge der Pflanzenverbreitung auf der Iberischen Halbinsel. Leipzig. WILLKOMM, M. und LANGE, J., 1870: Prodromus florae hispanicae. I. Stuttgart. Manuskript bei der Schriftleitung eingegangen am 29. April 1971. Anschriften der Verfasser: A. NIESCHALK Stechbahn 15 354 Korbach (Waldeck) BRD C. NIESCHALK Stechbahn 15 354 Korbach (Waldeck) BRD