ZTURSCHUTNA Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt

56. Jahrgang | Jahresheft 2019

Landesamt für Umweltschutz Bereits im zeitigen Frühjahr bildet das Breitblättrige Knabenkraut eine Scheinrosette aus. Foto: S. Dullau.

Das breitblättrige Knabenkraut, Orchidee des Jahres 2020, hier auf der Struthwiese im Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz. Foto: N. Adert. Inhalt Aufsätze Sandra Dullau, Nele Adert, Maren Helen Meyer, Frank Richter, Armin Hoch & Sabine Tischew Das Breitblättrige Knabenkraut im Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz – Zustand der Vorkommen und Habitate ...... 3 Susen Schiedewitz Untersuchungen zur Diversität der Tagfalter und Libellen in der Hägebachaue nördlich von Samswegen ...... 27 Andreas Mölder, Marcus Schmidt, Ralf-Volker Nagel & Peter Meyer Erhaltung der Habitatkontinuität in Eichenwäldern – Aktuelle Forschungsergeb­nisse aus Sachsen-Anhalt ...... 61 Christoph Saure & Andreas MarteN Bienen, Wespen und Schwebfliegen (, Diptera part.) auf Borkenkäfer-Befallsflächen im Nationalpark Harz ...... 79

Informationen Brünhild Winter-Huneck & Antje Rössler Übersicht der im Land Sachsen-Anhalt nach Naturschutz- recht geschützten Gebiete und Objekte und Informationen zu in den Jahren 2017 und 2018 erfolgten Veränderungen ...... 142 Michael Wallaschek Gegenrede zur Erwiderung von L. Reichhoff auf die Interpretation des Wörlitzer Warnungsaltars durch M. Wallaschek [Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 55 (2018) JH: 73−78] ...... 146

Mitteilungen/Ehrungen Frank Meyer & Wolf-Rüdiger Grosse Zum Gedenken an Jürgen Buschendorf (1938–2019) ...... 150 Christian Unselt & Elke Baranek Guido Puhlmann mit der Ehrennadel des Landes Sachsen- Anhalt ausgezeichnet ...... 152 Guido Puhlmann, Klaus Rehda & Olaf Tschimpke Armin Wernicke im (Un-)Ruhestand ...... 154 Fred Braumann Zum Gedenken an Helmut Müller (1960–2018) ...... 158 Hans-Ulrich Kison & Uwe Wegener Hagen Herdam zum 80. Geburtstag ...... 164 Hans-Ulrich Kison & Uwe Wegener Peter Hanelt zum Gedenken (1930–2019) ...... 167

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 1 Zu den Abbildungen der 2. Umschlagseite

Das Breitblättrige Knabenkraut

Das Breitblättrige Knabenkraut (Dactylorhiza majalis) ist west- bis mitteleuropäisch verbreitet und für Deutschland sind Nachweise aus allen Naturräumen bekannt. Die Art besiedelt eine große Bandbreite feuchter bis nasser Standorte des Offenlandes und lichter Wälder, kommt von der planaren bis in die alpine Höhenstufe vor und toleriert eine große pH-Wert-Amplitude. Trotz anhaltend negativem Bestands- trend ist die Art heute noch häufiger in unserer Landschaft zu finden als andere Vertreter der Familie. Ein Vorteil ist, dass ungünstige Habi- tatbedingungen vergleichsweise lange überdauert werden können. Beschatten Gehölze und hochwüchsige Stauden die Wuchsorte jedoch zu stark oder bilden Seggen und Simsen einen dichten Streufilz, dann erlöschen die Vorkommen letztendlich. Weiterhin zählen Entwässe- rung, Aufforstung und die Intensivierung der Landwirtschaft zu den Gefährdungsursachen.

Bundesweit gilt Dactylorhiza majalis als gefährdete Pflanzenart. Wie in einigen Ländern bereits geschehen, erfolgt in Sachsen-Anhalt mit Erscheinen der neuen Roten Liste die Hochstufung in die Kategorie „stark gefährdet“. Deswegen, und vor dem Hintergrund, dass Deutsch- land aus globaler Perspektive eine besondere Verantwortlichkeit zugemessen wird, ist der Handlungsbedarf ausgesprochen hoch. Um darauf aufmerksam zu machen, wurde D. majalis von den Arbeitskreisen Heimische Orchideen Deutschlands zur Orchidee des Jahres 2020 aus- gerufen.

Der auch Fingerwurz lautende deutsche Artname leitet sich von der fingerartig ausgebildeten Wurzelknolle ab. Aus dieser treibt im zeitigen Frühjahr eine grüne Scheinrosette. Der ab Anfang Mai in die Höhe wachsende Stängel trägt in Abhängigkeit von der Höhen- lage bis etwa Mitte Juni eine Vielzahl an Blüten. Obwohl die Selbst- bestäubung möglich ist, werden Insekten an die nektarlosen Blüten gelockt und der Frucht- und Samenansatz dadurch deutlich erhöht. In jeder Fruchtkapsel befinden sich mehrere tausend Samen, die bei optimalen Aufwindereignissen weit verbreitet werden können. Die überwiegende Mehrheit verteilt sich aber im unmittelbaren Umfeld der Mutterpflanzen. Bei günstigen Bedingungen entsteht ein ober- irdisch nicht sichtbarer Vorkeim, der für seine weitere Entwicklung auf die Symbiose mit speziellen Mykorrhizapilzen angewiesen ist. Bis zur sichtbaren Jungpflanze mit Blättern dauert es in der Regel drei Jahre.

Sandra Dullau

2 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Das Breitblättrige Knabenkraut im Biosphären- reservat Karstlandschaft Südharz – Zustand der Vorkommen und Habitate

Sandra DULLAU, NELE ADERT, MAREN HELEN MEYER, FRANK RICHTER, ARMIN HOCH & SABINE TISCHEW

1 Einleitung

Das Breitblättrige Knabenkraut (Dactylorhiza majalis [Rchb.] Hunt & Summerh. 1965) wird als Art der Feucht- und Nasswiesen, Kalkflach- moore, Quellsümpfe und Feuchtheiden der planaren bis montanen Höhenstufe beschrieben (Frank & Schnitter 2016, Jäger 2011, Wege- ner 2011). Die Art kommt in Calthion-Gesellschaften (Wotovová et al. 2004, Wegener 2011) sowie basischen Molinion-Gesellschaften (schriftl. Mitt. Meysel 2019) vor. Unter atlantischem Einfluss kann die Art aber auch auf weniger nassen Standorten wachsen. DIJK & GROOTJANS (1998) beschrieben für eine atlantisch geprägte Region der Niederlande für die Vorkommen im Calthion eine Präferenz für eine trockenere Ausprägung. Darüber hinaus werden anthropogene und gestörte Sekundärhabitate besiedelt (ADAMOWSKI 2006, REWICZ et al. 2017). Eigene Beobachtungen im Südharz und Fremdbeobach- tungen (mündl. Mitt. BRÄUER 2017) lassen vermuten, dass die Art eine gewisse Wasserzügigkeit bevorzugt. ELLENBERG et al. (1991) stufen die Art als Wechselfeuchte bevorzugend ein. Die geschützte heimische Orchideenart (BNatschG, Verordnung (EG) Nr. 338/97) ist sowohl in Deutschland als auch in Sachsen-Anhalt als gefährdet eingestuft (Rote Liste-Status 3; FRANK et al. 2004, METZING et al. 2018). LUDWIG et al. (2007) stellten für die west- bis mitteleuro- päisch sowie regional auf dem Balkan verbreitete Art (ECCARIUS 2016) eine hohe Verantwortlichkeit Deutschlands fest. Vor den 1950er Jahren war Dactylorhiza majalis eine sehr häufige Art der Feucht- und Nasswiesen. Deutschland als Arealzentrum war nahezu flächendeckend besiedelt (WEGENER 2011). Zwar ist D. majalis auch heute noch deutlich häufiger vorzufinden als andere Orchideenarten, dennoch ist bereits seit mindestens 20 Jahren ein Rückgang im Berg- land und ein starker Rückgang im Tief- und Hügelland zu verzeichnen (FRANK & NEUMANN 1999, FRANK & SCHNITTER 2016, WEGENER 2011). Auch aus anderen Regionen, wie Süd-Böhmen (ŠTÍPKOVÁ & KINDL- MANN 2015, WOTAVOVÁ et al. 2004), dem ehemaligen Bezirk Frank- furt (Oder) (HAMEL 1977) und Hessen (GREGOR & SAURWEIN 2010), werden ähnliche Tendenzen beschrieben. Die Hauptursachen für diesen Trend sind die Intensivierung der Land- wirtschaft, die Entwässerung von Feuchtgrünland, aber auch die

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 3 Nutzungsaufgabe der Feucht- und Nasswiesen sowie die Aufforstung von Waldwiesen (FRANK & SCHNITTER 2016, GREGOR & SAURWEIN 2010, ŠTÍPKOVÁ & KINDLMANN 2015, WOTAVOVÁ et al. 2004, WEGENER 2011). Durch Brachestadien neigen viele der potenziell geeigneten Flächen zur Verstaudung, der Entwicklung von Röhrichten und Großseggen- wiesen oder Verbuschung und stellen somit keinen geeigneten Le- bensraum mehr dar. Die verbliebenen Vorkommen sind zumeist eher kleinflächig und individuenarm. Die Anzahl blühender Pflanzen kann jährlich sehr großen natürlichen Schwankungen unterliegen (ADERT & SPITZNER 2018, SCHRAUTZER et al. 2011). So stellt WEGENER (1994) Bestandsschwankungen bis zu 100 Prozent nach zwei blütenreichen Jahren sogar als normal dar. Vor allem witterungsbedingt kommt es in manchen Jahren dazu, dass die Art nicht sichtbar ist, z. B. aufgrund des Wegfrierens der Blühtriebe durch Spätfröste. Stellen sich am Wuchsort ungünstige Bedingungen ein, kann die Art als Knolle überdauern. Wie lange die Periode einer solchen Persistenz bei Nutzungsaufgabe andauern kann, ist nicht bekannt. Ziel dieser Studie war die Erfassung und Bewertung der aktuellen Vorkommen von Dactylorhiza majalis im Biosphärenreservat Karst- landschaft Südharz. Dabei erfolgten nicht nur Erhebungen zu den Vorkommen, sondern auch zum besiedelten Habitat und zur aktuellen Bewirtschaftung bzw. Pflege. Auf eine Betrachtung der Entwicklung der Bestandsgrößen muss wegen fehlender durchgängiger Zählreihen verzichtet werden.

2 Historische Fundpunkte

Durch die langjährigen Tätigkeiten des AHO (Arbeitskreis Heimische Orchideen Sachsen-Anhalt e. V.) sind die Vorkommen von Dactylorhiza majalis in Sachsen-Anhalt heute nahezu vollständig bekannt (schriftl. Mitt. MEYSEL 2019). Die Kontrolle von Fundpunkten findet jedoch in der Regel in Abhängigkeit der Verfügbarkeit ehrenamtlicher Orchi- deenfreunde statt. Entsprechend inhomogen gestaltete sich infolge dessen auch die Datengrundlage für das Gebiet des Biosphärenreser- vates Karstlandschaft Südharz (Abb. 1). Die ältesten Fundpunktmel- dungen der Datenbank des AHO stammen von sechs Fundorten aus dem Jahr 1982. Bis 2015 waren insgesamt 109 Fundpunkte bekannt. Die Meldungen erfolgten auf Basis von Mattfeldern (250 x 250 m-Raster) unter Angabe der Mittelpunktkoordinate sowie der Individuenzahl. In der Regel wurden dabei nur die gut sichtbaren fertilen Individuen ge- zählt oder bei sehr großen Vorkommen die Anzahl geschätzt. Genaue Beschreibungen des Fundorts fehlen meistens.

4 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56

im Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz (n = 100), Südharz Karstlandschaft im Biosphärenreservat

majalis

Dactylorhiza (Kartengrundlage: Esri, DigitalGlobe, GeoEye, Earthstar Geographics, CNES/Airbus DS, USDA, USGS, AeroGRID, IGN, and the GIS User Community). AeroGRID, USGS, USDA, DS, CNES/Airbus Geographics, Earthstar DigitalGlobe, GeoEye, Esri, (Kartengrundlage: Abb. 1:Abb. von Vorkommen und aktuell bestätigte Historische

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 5 3 Methoden

Da die historischen Fundpunktangaben nicht lagegenau verortet sind und z. T. mehrere Fundpunkte einer Fläche zugeordnet werden konnten, ergab sich für die Geländearbeit ein Pool von 100 Flächen. Davon wurden 81 in die Erfassung einbezogen, 19 Flächen im nord­ östlichen Bereich der Stadt Stolberg mussten aufgrund der Einwände eines Eigentümers aus der Untersuchung ausgeschlossen werden. Von den 81 kartierten Flächen waren einige so stark verändert (z. B. durch Bewaldung, Veränderung des Wasserhaushaltes, Nutzungsänderung), dass sie als Standort für Dactylorhiza majalis nicht mehr geeignet sind. Aufgrund dessen wurden nur 72 Flächen in die Betrachtung von Nutzung und Pflegezustand einbezogen. Im Frühjahr 2017 wurden die Flächen zur Blütezeit von jeweils mindes- tens zwei Personen im Gelände aufgesucht und intensiv abgesucht. Im Rahmen der Individuenzählung wurde zwischen fertilen und ste- rilen Individuen unterschieden. Um auch für sehr große Vorkommen von mehreren Hundert bis Tausend Individuen korrekte Zahlen zu erhalten, wurden Maßbänder und Markierungsstäbe zur Bildung von Zählabteilungen genutzt. Wurde auf einer Fläche D. majalis gefunden, erfolgte eine lagegenaue Umgrenzung, wobei auf vielen Flächen mehrere räumlich abgrenzbare Teilvorkommen kartiert wurden. Anzumerken ist, dass sich die Witterungsverhältnisse im Jahr 2017 sehr förderlich auf das Wachstum des Breitblättrigen Knabenkrautes aus- wirkten und es sich im Gebiet um ein sogenanntes gutes Orchideenjahr handelte. Schädigende Spätfröste traten nicht auf und im Frühjahr sowie Sommer gingen ausreichend hohe Niederschläge nieder. Austrocknungs- erscheinungen, wie im Jahr 2018 beobachtet, gab es keine. Zur Charakterisierung der Vegetationseinheiten, in denen D. majalis im Südharz wächst, wurde in nahezu jedem Teilvorkommen eine reprä- sentative zwei mal zwei Meter große Vegetationsaufnahme ange- fertigt. Die Deckungsschätzung erfolgte für die Gefäßpflanzen unter Verwendung der erweiterten Skala nach LONDO (1976). Die Nomen- klatur der Farn- und Blütenpflanzen folgt OTHMALERR in der Bearbei- tung von JÄGER (2011). Insgesamt wurden 64 Aufnahmen angefertigt. Zur Klassifizierung der Vegetationsbestände, in denenD. majalis im Südharz vorkommt, wurden die Vegetationsaufnahmen einer Hier- archischen Clusteranalyse (IBM SPSS Statistics 22.0, Ward Methode) unterzogen. Um Aussagen zum aktuellen Pflegezustand treffen zu können, wurde der Grad der Verbrachung über den Anteil hochwüchsiger Stauden, Großseggen, Röhrichtarten und der Waldsimse (Scirpus sylvaticus), die Dichte und Höhe der Streuauflage sowie das Aufkommen von Ge- hölzen (v. a. Alnus glutinosa und Rubus idaeus) erfasst und der Zustand anhand dieser Parameter gutachterlich eingeschätzt. Die Erfassung

6 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 der prozentualen Deckung der Feld- und Streuschicht erfolgte über die visuelle Schätzung, die Höhe der beiden Schichten wurde gemessen. Um die aktuelle Bewirtschaftungssituation abzubilden, wurden in den Jahren 2017 und 2018 Befragungen der Eigentümer, Bewirtschafter oder gebietskundiger Akteure durchgeführt.

4 Vorkommen und Individuenzahlen

Im Ergebnis der Erfassung zeichnet sich ein alarmierendes Bild. Auf 44 der insgesamt 81 begangenen Flächen konnte Dactylorhiza majalis noch nachgewiesen werden. Das entspricht einem Anteil von 54 Prozent. Davon wiesen nur vier Flächen Orchideenbestände mit mehr als 500 Individuen auf. Bei fast einem Drittel konnten Bestände mit maximal 50 Individuen aufgefunden werden (Abb. 2).

40 37 35

30

25 23 19 20

15

Anzahl Wiesen 10 10 7 4 5 Abb. 2: 0 Verteilung der 0 >0-50 >50-100 >100-500 >500 keine Angabe Flächen (n = 100) Individuenzahl auf Individuenzahl- Größenklassen.

5 Flächencharakteristik

5.1 Regelmäßige Begleiter, gefährdete und geschützte Arten sowie Vegetationsstrukturtypen

Für Dactylorhiza majalis konnten im Biosphärenreservat 16 regelmäßi- ge Begleiter identifiziert werden (Tab. 1). Es handelt sich um Arten der feuchten bis nassen sowie nährstoffärmeren bis mäßig nährstoffrei- chen Standorte und vornehmlich um niedrigwüchsige Kräuter. Bemerkenswert ist die recht hohe Anzahl gefährdeter und teilweise geschützter Arten, mit denen D. majalis zusammen auftritt (Tab. 2). Maßnahmen zur Förderung der Art können hier einen erheblichen Mitnahmeeffekt auf diese Arten haben.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 7 Artname Zeigerwert Stetig- keit wissenschaftlich deutsch F N

Galium uliginosum Moor-Labkraut IV 8 2

Holcus lanatus Wolliges Honiggras IV 6 5

Lotus pedunculatus Sumpf-Hornklee IV 8 4

Gewöhnliches Anthoxanthum odoratum III − − Ruchgras

Cirsium palustre Sumpf-Kratzdistel III 8 3

Crepis paludosa Sumpf-Pippau III 8 6

Festuca rubra Rot-Schwingel III 6 −

Filipendula ulmaria Echtes Mädesüß III 8 5

Juncus effusus Flatter-Binse III 7 4 Tab. 1: Lathyrus pratensis Wiesen-Platterbse III 6 6 Regelmäßige Begleiter von Lysimachia nummularia Pfennigkraut III 6 − Dactylorhiza majalis (Stetigkeitsklasse III Sumpf- Myosotis scorpioides III 8 5 = > 40−60 %, IV = > Vergißmeinnicht 60−80 %), Zeiger- Kriechender repens III 7 7 werte nach Ellen- Hahnenfuß berg et al. (1991): Rumex acetosa Großer Sauerampfer III − 6 F = Feuchtezahl, N = Sickstoffzahl, Scirpus sylvaticus Wald-Simse III 8 4 (n = 64), nach DULLAU et al. (2019), Valeriana dioica Kleiner Baldrian III 8 2 gekürzt.

8 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Artname Gefährdung und Schutz Stetig- keit RL RL wissenschaftlich deutsch BArtSchV D ST

Carex echinata Igel-Segge I 3

Carex flava Echte Gelb-Segge I 3

Colchicum autumnale Herbst-Zeitlose I 3

Cynosurus cristatus Wiesen-Kammgras I 3 Tab. 2: Eriophorum Schmalblättriges I 3 Mit Dactylorhiza angustifolium Wollgras majalis vergesell- Breitblättriges Eriophorum latifolium I 3 2 schaftete gefährde- Wollgras te und geschützte Geum rivale Bach-Nelkenwurz I 3 Pflanzenarten (RL D = nationale Gewöhnliche Ophioglossum vulgatum I 3 3 Gefährdung (MET- Natternzunge ZING et al. 2018), RL ST = Gefährdung Pedicularis sylvatica Wald-Läusekraut I 3 2 § in Sachsen-Anhalt Gewöhnliches (FRANK et al. 2004), Pinguicula vulgaris I 3 2 § Fettkraut BArtSchV = beson- ders geschützt Stellaria palustris Sumpf-Sternmiere I 3 nach Bundesar- Gewöhnlicher tenschutzverord- I 3 Teufelsabbiß nung (BArtSchV); Stetigkeitsklasse Triglochin palustris Sumpf-Dreizack I 3 3 I = > 0−20 %, Valeriana dioica Kleiner Baldrian III 3 II = > 40−60 %) (n = 64).

Standörtlich lassen sich die Flächen unter Verwendung der Zeigerwerte nach ELLENBERG (1991) charakterisieren (Tab. 3). Der mittlere Lichtwert ist typisch für Halblichtpflanzen. Die Amplituden der mittleren Feuchte-, Nährstoff- und Reaktionszahl sind recht weit. Angezeigt werden frische bis nasse, nährstoffarme bis annähernd nährstoffreiche und saure bis mäßig saure Standorte.

Zeigerwert min max Mittelwert

Licht 6,4 7,3 6,8 (±0,2)

Feuchte 5,2 8,7 7,3 (±0,6) Tab. 3: Mittlere qualitative Nährstoff 3,3 6,4 4,3 (±0,7) Zeigerwerte nach Reaktion 3,3 7,1 5,2 (±0,8) ELLENBERG (1991) (n = 64).

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 9 Die Einordnung der Dactylorhiza-Flächen des Biosphärenreservates in pflanzensoziologische Einheiten nach CHUBERTS (2001) war oft Tab. 4: nicht eindeutig zu einer Einheit möglich. Aufgrund dessen erfolgte Vegetationstypen eine eigene Klassifizierung in sechs Vegetationstypen (Tab. 4, Abb. 3 mit Vorkommen von bis Abb. 8). Fünf davon wurden durch eine Art charakterisiert oder sogar Dactylorhiza majalis (Stetigkeitsklasse dominiert. Der Carex nigra- und C. panicea-Typ kommt den Kleinseggen- IV = > 60-80 %, rieden sehr nah. Der Filipendula ulmaria- und Petasites hybridus-Typ war V = > 80 %) (n = 64), in hohem Maß durch Arten der Säume und nassen Hochstaudenfluren aus DULLAU et al. gekennzeichnet. Im Scirpus sylvaticus-Typ trat D. majalis mit dem namen- (2019). gebenden Brachezeiger in noch lichten Beständen zusammen.

Vegetationstyp Charakteristik

Carex nigra-Deckung > 20 %, dichte und mittelhohe Bestände mit einem aus- gewogenen Verhältnis von Kräutern und Sauergräsern, sehr geringe Deckungen von Süßgräsern, mittlere Artenzahl: 22,1 Carex nigra-Typ Häufig vergesellschaftete Arten:Carex panicea (IV), Crepis paludosa (IV), (n = 9) Filipendula ulmaria (V), Galium uliginosum (IV), Holcus lanatus (IV), Juncus effusus (IV), Lathyrus pratensis (IV), Lotus pedunculatus (IV), Poa trivialis (IV), Scirpus sylvaticus (IV), Valeriana dioica (V) Carex panicea-Deckung > 10 %, sehr artenreiche niedrigwüchsige bis mittel- hohe Bestände mit einem ausgewogenen Verhältnis von Kräutern und Sauer- gräsern, mittlere Artenzahl: 28,8 Carex panicea-Typ Häufig vergesellschaftete Arten:Agrostis canina (IV), Anthoxanthum odoratum (IV), (n = 8) Carex echinata (IV), Carex nigra (IV), palustre (V), Crepis paludosa (V), Festuca rubra (V), Filipendula ulmaria (IV), Galium uliginosum (V), Holcus lanatus (V), Juncus articulatus (V), Lathyrus pratensis (IV), Lotus pedunculatus (V), erecta (IV), Ranunculus acris (V), Valeriana dioica (IV), Vicia cracca (V) Dominiert durch Filipendula ulmaria mit einer Deckung > 70 %, im Frühjahr zur Blüte von D. majalis noch sehr lichte Bedingungen, weil die Hochstauden in der Filipendula ulmaria-Typ Entwicklung später einsetzen, artenarme und hochwüchsige Bestände, sehr (n = 5) geringe Deckung von Süß- und Sauergräsern, mittlere Artenzahl: 14,4 Häufig vergesellschaftete Arten:Lotus pedunculatus (IV), Poa trivialis (IV) Dominiert durch Petasites hybridus mit einer Deckung > 70 %, beschattete Bereiche entlang von Bächen mit sehr geringer Deckung von Süß- und Sauer- Petasites hybridus-Typ gräsern, mittlere Artenzahl: 19,0 (n = 2) In beiden Aufnahmen vertretene Arten: Agrostis canina, Chaerophyllum hirsutum, Crepis paludosa, Equisetum palustre, Galium uliginosum, Lathyrus pratensis, Lotus pedunculatus, Lysimachia nummularia, Scirpus sylvaticus Scirpus sylvaticus-Deckung > 30 %, lichte Bestände mit ausgeglichenem Ver- hältnis von Kräutern und Sauergräsern, mittlere Artenzahl: 21,1 Scirpus sylvaticus-Typ Häufig vergesellschaftete Arten:Agrostis canina (IV), Caltha palustris (IV), Epilo- (n = 8) bium palustre (IV), Festuca rubra (IV), Galium uliginosum (IV), Juncus effusus(IV) , Lotus pedunculatus (IV), Poa trivialis (IV), Rumex acetosa (IV), Scirpus sylvaticus (V) Bestände nicht von einer Einzelart geprägt, Ausprägungen mit (1) niedrigen bis mittelhohen Seggen-Arten (Carex nigra, C. panicea) und (2) höheren Deckungen Feucht- und von Scirpus sylvaticus (≤ 20 %), umfasst auch Sonderstandorte (eisenhaltiger Nasswiesenarten-Typ Hangwasseraustritt und Equisetum-Sumpf), mittlere Artenzahl: 20,6 (n = 32) Häufig vergesellschaftete Arten:Holcus lanatus (IV), Lotus pedunculatus (IV), Rumex acetosa (IV)

10 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Abb. 3: Carex nigra-Typ mit Ranunculus repens und Valeriana dioica (16.05.2016). Foto: S. Dullau

Abb. 4: Carex panicea-Typ (09.06.2017). Foto: S. Dullau.

Abb. 5: Filipendula ulmaria- Typ (24.05.2017). Foto: M. H. Meyer.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 11 Abb. 6: Petasites hybridus- Typ (30.05.2017). Foto: S. Dullau.

Abb. 7: Scirpus sylvaticus- Typ (30.05.2017). Foto: S. Dullau.

Abb. 8: Feucht- und Nass- wiesenarten-Typ (24.05.2017). Foto: S. Dullau.

12 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Am häufigsten tratD. majalis in einem hinsichtlich der Artenzusam- mensetzung deutlich weiter zu fassendenden Vegetationstyp auf, der sich aus vielen typischen niedrigwüchsigen Arten der Feucht- und Nasswiesen zusammensetzt, ohne von einer Art bestimmt zu werden. Zu diesem Vegetationstyp gehörten auch zwei Sonderstandorte, die nicht den nutzungsabhängigen Biotoptypen Feucht- oder Nasswiese zugeordnet werden konnten. Dabei handelte es sich um einen eisen- haltigen Quellaustritt unter Fichten sowie eine wenige Quadratmeter große sumpfige Stelle mit Equisetum palustre. Beobachtet werden konnte, dass sich die Vorkommen von D. majalis und Großseggen (z. B. Carex acuta) gegenseitig ausschließen. Im Stolberger Raum trat die Orchidee gemeinsam mit der mittelhohen Seggenart Carex disticha auf.

5.2 Nutzung und Pflegezustand

Die historischen Nutzungsformen Mahd oder Beweidung finden heute auf nur einem Drittel der Flächen statt (Abb. 9). Als Maßnahme zur Offenhaltung werden einige der Flächen gemulcht. Nahezu die Hälfte bleibt ungenutzt. Für sechs Flächen konnten keine verlässlichen Infor- mationen recherchiert werden. Die Beweidung findet im Stolberger Raum mit Schafen statt, wobei die sehr feuchten bis nassen Flächen- teile in der Regel von den Tieren gemieden werden. Eine Abschöpfung der Biomasse oder die Schaffung von Störstellen bleiben dadurch aus. Historisch ist für das Gebiet des Südharzes vielfach die Beweidung mit Rindern belegt. Diese Praxis konnte erstmals im Spätsommer 2018 wiederbeobachtet werden. Das Trockenfallen der Flächen aufgrund sehr lange ausbleibender Niederschläge verursachte im Landschaftsraum eine Futternot, die zur späten Beweidung der hinsichtlich der Futter- qualität wenig attraktiven Flächen mit Mutterkühen (Abb. 10) führte.

Mit 60 Prozent befand sich der überwiegende Teil der Flächen in einem mäßigen bis schlechten Pflegezustand (Abb. 9). Kennzeichnend war hier eine ansteigende Wuchshöhe der Vegetation (Abb. 11), verursacht durch das vermehrte Auftreten von Arten der Hochstaudenfluren oder die Dominanz von Großseggen bzw. der Waldsimse sowie dichtere und höhere Streuauflagen (Abb. 11, Abb. 12). Gehölze spielen eine eher untergeordnete Rolle. Nur auf einigen wenigen Flächen konnte das Aufkommen von Schwarz-Erlen oder der Himbeere beobachtet werden.

Erwartungsgemäß wiesen die gemähten Flächen einen vornehmlich sehr guten Pflegezustand auf, aufgelassene Flächen dagegen einen nur mäßigen bis schlechten (Abb. 13).

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 13 8% 7% 22% Mahd sehr gut Weide 28% gut 33% Mulchen 10% mäßig ungenutzt 47% 13% keine Angabe schlecht 32%

Abb. 9: Aktuelle Nutzung und Pflegezustand der kartierten Flächen (n = 72).

Abb. 10: Rinderbeweidung einer bei normalem Witterungsverlauf teilweise sehr nassen Wiese bei Schwenda. Die Futternot im extrem trockenen Jahr 2018 zwang Landwirte im ganzen Südharz ihre Tiere auf solche sonst wenig attraktive Flächen zu stellen (11.10.2018). Foto: S. Dullau.

14 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 100 100

90 90

80 80

70 70

60 60

50 50 Deckung % Deckung Deckung % Deckung 40 40

30 30

20 20

10 10

0 0 sehr gut gut mäßig schlecht sehr gut gut mäßig schlecht

140 5

120 4 100

3 80 Höhe cm Höhe cm 60 2

40 1 20

0 0 sehr gut gut mäßig schlecht sehr gut gut mäßig schlecht

PflegezustandPflegezustand PflegezustandPflegezustand

Abb. 11: Mittlere Deckung und mittlere Höhe von Krautschicht (links) und Streuschicht (rechts) in Abhängigkeit des Pflegezu- standes (n = 72).

Abb. 12: Im Horlatal kommt Dac- tylorhiza majalis auf der Fläche Kastanienallee trotz schlechten Pflegezustan- des und konkurrenzstarker Kräuter (im Bild u. a. Cirsi- um oleraceum, Bistorta officinalis, Geranium palustre und Filipendula ulmaria) noch mit 38 von ehemals 105 (Tab. 5) gezählten Individuen vor (26.05.2017). Foto: S. Dullau.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 15 100% 90% Abb. 13: 80% Die im Gebiet 70% erfassten Pflege- 60% zustände mit den ungenutzt 50% entsprechend Mulchen 40% durchgeführten Weide 30% Nutzungen (n = 66, Mahd nicht integriert sind 20% Flächen, für die kei- 10% ne gesicherten An- 0% gaben zur Nutzung sehr gut gut mäßig schlecht recherchiert werden Pflegezustand konnten).

Tab. 5: Individuenzahlen im Horlatal Entwicklung der Jahr Individuenzahlen Kastanienallee Marienklippen von Dactylorhiza 1987 50 35 majalis auf zwei Beispielflächen aus 1988 70 630 dem Horlatal im 1989 77 503 Osten des Biosphä- renreservates Karst- 1990 105 255 landschaft Südharz 1991 100 117 (Daten 1987−1991, 2000: AHO, Daten 2000 2 − 2017: Hochschule 2017 38 2 Anhalt).

Abb. 14: Das Dactylorhiza- Vorkommen auf der gleichfalls im Horla- tal liegenden Fläche Marienklippen war im Jahr 2017 von ehemals 630 (Tab. 5) auf zwei Individuen geschrumpft. Eine dichte Streuauflage charakterisierte die gesamte Fläche (26.05.2017). Foto: S. Dullau.

16 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Die Flächen mit aktuell bestätigten Dactylorhiza-Vorkommen spiegeln alle Pflegezustände wieder, es dominieren aber auch hier die mäßigen bis schlechten Ausprägungen. Die Hälfte der Flächen unterliegt keiner Nutzung mehr (Abb. 15). Von Interesse ist, ob sich Nutzungsart oder Pflegezustand auf die Individuenzahl der einzelnen Vorkommen aus- wirken. Dafür wurden die bereits in Abbildung 2 dargestellten Indivi- duenzahl-Größenklassen genutzt (Abb. 16).

22 22 20 20 18 18 16 16 14 14 12 12 10 10 8 8 Anzahl Flächen Anzahl Anzahl Flächen Anzahl 6 6 4 4 2 2 0 0 sehr gut gut mäßig schlecht n.b.

Abb. 15: Verteilung der Flächen mit Orchideenvorkommen (n = 44) auf die Nutzungsarten und Pflegezustände (n. b. = nicht bewertet).

>0-50 >50-100 >100-500 >500 >0-50 >50-100 >100-500 >500 100% 100% 90% 90% 80% 80% 70% 70% 60% 60% 50% 50% 40% 40% 30% 30% 20% 20% 10% 10% 0% 0% Mahd Weide Mulchen ungenutzt sehr gut gut mäßig schlecht Nutzung Pflegezustand

Abb. 16: Verteilung der Individuenzahl-Größenklassen von Dactylorhiza majalis auf die Nutzungsarten (n = 41) und Pflegezustände (n = 43).

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 17 Drei der vier sehr individuenreichen Vorkommen mit mehr als 500 In- dividuen werden gemäht. Jedoch wiesen gemähte Flächen auch mit- telgroße und kleine Vorkommen auf. Begründen lässt sich das damit, dass auf solchen Flächen oft nur kleine Bereiche feucht oder nass sind (z. B. kleine Hangwasseraustritte auf Frischwiesen) und kein Potenzial für sehr große Vorkommen vorliegt. Gemulchte Flächen offenbarten erstaunlicherweise ebenfalls größere Vorkommen (> 100 bis 500 Indi- viduen). Die Geländeerfassung zeigte, dass es sich dabei um zeitweise sehr nasse und wenig wüchsige Flächen handelt. Sehr gute Pflege- zustände waren ausschließlich für sehr individuenreiche Vorkommen zu verzeichnen. Aber selbst bei abnehmender Habitatqualität können individuenreiche Vorkommen noch bestehen. Dactylorhiza majalis scheint eine gewisse Toleranz gegenüber Verbrachungserschei- nungen aufzuweisen. Inwieweit diese zeitlich begrenzt ist, bleibt zu ergründen.

6 Empfehlungen für die Pflege- und Renaturierungspraxis

Vorrangiges Ziel sollte die Erhaltung der im Biosphärenreservat noch vorhandenen Orchideenvorkommen sein. Das erfordert je nach Ausgangslage die Beibehaltung, Optimierung oder Wiederauf- nahme der Nutzung. Zahlreiche Quellen beschreiben unterschied- liche optimale Mahdhäufigkeiten (zumeist einschürig bis zum ein- oder mehrjährigen Nutzungsverzicht) bzw. optimale Mahdzeit- punkte (früh Juni/Juli bis spät August/September) (u. a. WEGENER 1994, LEPŠ 1999, TÖPFER 2005, JANEČKOVÁ et al. 2006, WEGENER 2011). Dabei muss der Mahdzeitpunkt immer an die regional vorherr- schenden klimatischen Verhältnisse und den dadurch bestimmten Verlauf der Vegetationsperiode angepasst werden. Für das Biosphä- renreservat scheint auf den meisten, nicht zu wüchsigen Flächen eine einschürige Mahd nach der Samenreife ab Mitte Juli als opti- male Pflege zur Förderung vonDactylorhiza majalis geeignet. Wird während der Samenreife gemäht, ermöglicht eine mehrtägige Heu- trocknung auf der Fläche das Nachreifen und Ausfallen der Samen. Die mit der Mahd verbundene Abschöpfung der Biomasse verhin- dert die Bildung von Streuauflagen und erhält niedrigwüchsige bis mittelhohe Vegetationsbestände, in denen D. majalis geeignete Wuchsbedingungen hinsichtlich Licht und Konkurrenz vorfindet. So werden zwei mehrere tausend Individuen zählende Waldwiesen im Osten des Biosphärenreservates erfolgreich seit bereits über 20 Jahren einmal jährlich zur Samenreife gemäht und das Mahdgut nach Trocknung entfernt. Eine generell gültige Aussage zur optimalen Mahd gibt es aber nicht. Erfahrungen aus dem deutlich atlantischer geprägten Saarland zeigen beispielsweise, dass Wiesen mit D. majalis

18 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 bei einer zeitlich sehr früh gelagerten Blütephase auch zweimal gemäht werden können (mündl. Mitt. FREIHEIT & SCHNEIDER 2017). Um der Art hin und wieder die Möglichkeit zu geben, die Reserve- stoffe vollständig in die unterirdische Knolle zurückzuziehen und damit deren Fitness zu erhalten (JANEČKOVÁ et al. 2006), sollte alle paar Jahre eine sehr späte Mahd stattfinden oder sogar ausbleiben, sofern förderrelevante Gründe nicht dagegensprechen. Denkbar sind auch jährlich wechselnde Brachstreifen innerhalb der Orchideen-Vor- kommen, die gleichzeitig zur Förderung der Insektenfauna beitragen. Positive Effekte einer reduzierten Mahdhäufigkeit stellenLETVOLD S et al. (2010) in Norwegen für die Samenproduktion von Dactylorhiza lapponica fest. Auf sehr nassen oder sehr schwach wüchsigen Flächen, die keinen förderrechtlichen Bestimmungen unterliegen, kann die Mahd auch in Intervallen möglich sein (JANEČKOVÁ et al. 2006, analog zu Pflege- zyklen nach WEGENER 1998). Vom Mulchen sollte zur Vermeidung des Aufbaus einer dichten Streuschicht Abstand genommen werden oder höchstens auf wenig wüchsigen nassen Standorten im Juli erfolgen, auf denen eine Zersetzung der Biomasse schnell gewährleistet ist (DULLAU et al. 2019). Ein seit 2017 im Osten des Biosphärenreservates laufender Bewirt- schaftungsversuch soll zukünftig Aufschluss darüber geben, wie sich unterschiedliche Nutzungsintensitäten und Nutzungszeitpunkte auf die Vegetationsstruktur sowie Dactylorhiza majalis-Individuen aus- wirken. Da sich viele Flächen aktuell in keinem guten Pflegezustand befinden und deutliche Verbrachungstendenzen aufweisen, werden je nach Bestandsstruktur und Artenzusammensetzung verschiedene Maß- nahmen zur Wiederherstellung eines günstigen Zustandes erforder- lich. Das sind in der Regel einmalige Instandsetzungsmaßnahmen, gefolgt von einer für jede Fläche individuell festzulegenden optima- len, langfristigen Nutzung. Instandsetzungsmaßnahmen können die Entfernung der Streuauflage durch tiefe Mahd verbunden mit der Schaffung von Störstellen zur Aktivierung der Diasporenbank oder die Entbuschung beinhalten. Während das Entfernen von einzelnen Schwarz-Erlen wenig problematisch ist, kann die nachhaltige Zurück- drängung der Kriechsprosse bildenden Himbeere mehrere intensive Eingriffe notwendig machen. Vor Maßnahmenbeginn ist das Vorhan- densein CC-relevanter Landschaftselemente zu prüfen, da für diese ein Beseitigungsverbot gilt (Cross Compliance-Schutz, MULE 2019). Bei Dominanz hochwüchsiger Seggen oder Hochstauden kann auch eine mehrschürige Mahd notwendig werden. Persistiert D. majalis unterir- disch, führen solche Maßnahmen schnell zur oberirdischen Blatt- und Blütenbildung (eigene frühere Beobachtungen). Die Befragungen kundiger Landnutzer der Region ergaben, dass zahlreiche Dactylorhiza-Flächen vor der politischen Wende 1990 mit

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 19 Abb. 17: Die Reaktivierung von Wiesengräben darf nur in der Dimension eines Spatenblattes erfol- gen. (Struthwiese, 24.04.2018). Foto: N. Adert.

Rindern beweidet wurden. Auch WEGENER (2011) bezeichnet diese Form der Bewirtschaftung als zur Erhaltung der Vorkommen beitra- gend. TÖPFER (2005) empfiehlt eine zeitliche Einschränkung auf den Zeitpunkt nach der Blüte bzw. im Winter. Die Beweidung, auch mit Schafen, stellt eine mögliche Alternative zur Mahd dar, sollte aber hin- sichtlich der Intensität und des Zeitpunktes auf die Ansprüche der Art ausgerichtet werden. Weiterführende Empfehlungen zur Beweidung können DULLAU et al. (2019) entnommen werden. Vom Vieh gemiede- ne nasse Bereiche müssen ggf. mit der Hand nachgemäht werden. Die Erhaltung der Befahrbarkeit bzw. Tragfähigkeit nutzungsabhän- giger Orchideenwiesen kann über die Instandsetzung ehemals vor- handener, aber stark zugewachsener Wiesengräben erreicht werden. Eine solche Maßnahme ist in ihrer Dimension jedoch unbedingt auf die Tiefe bzw. Breite eines Spatenblattes zu begrenzen und sollte möglichst in Handarbeit erfolgen (Abb. 17, Abb. 18). Zwingend darauf zu achten ist, dass die auf nahezu allen Flächen vorhandene bindige Sperrschicht nicht durchstochen wird. Die Dicke und Lage der Sperr- schicht kann sehr stark variieren (Dicke: < 10 bis > 60 cm, beginnt ab einer Bodentiefe < 10 und ca. 70 cm, eigene Beprobungen) und sollte vorher durch Beprobung mit einem Bohrstock an mehreren Stellen überprüft werden. Sollte für die Instandsetzung Technik in Form von Minibaggern zum Einsatz kommen, müssen die Arbeiten zur Vermei- dung von Vegetationsschäden im Winterhalbjahr stattfinden sowie permanent beaufsichtigt werden. In der Regel bedürfen eingreifende Maßnahmen eines naturschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens nach Paragraf 14 BNatSchG.

20 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Abb. 18: Dieser Graben ist deutlich zu groß dimensioniert und führt zur starken Entwässerung. Infol- ge solcher Eingriffe sind die Standorte für D. majalis nicht mehr geeignet und die Vorkommen schrumpfen oder erlöschen. Zudem hat der Bagger tiefe Fahr- spuren hinterlassen (Schiefergraben, 03.05.2018). Foto: S. Dullau.

Neben der Erhaltung bestehender Vorkommen können aktive Maß- nahmen zur Populationsstärkung oder Wiederansiedlung zur Anwen- dung kommen. Voraussetzungen für beides sind geeignete Standort- bedingungen sowie eine langfristig abgesicherte und abgestimmte Nutzung. Neben der Pflanzung angezogener Individuen, wie beispiels- weise von WEGENER (1994) praktiziert, kommt das Ausbringen hoher Samenmengen in Frage. Während das Anziehen von Orchideen sehr aufwendig ist und die Pflanzung hohe Verlustraten aufweist (ebd.), kann das Ausbringen von Samen eine möglicherweise ebenfalls erfolgreiche Methode darstellen, die dem natürlichen Ausbreitungs- prozess entspricht. Selbige wird aktuell im Biosphärenreservat erprobt (DULLAU et al. 2019).

7 Verfügbarkeit der Daten

Alle erfassten Daten und gesammelten Informationen werden in Flä- chensteckbriefen (Anhang, S. 26) zusammengefasst und den adminis- trativen Stellen zur Verfügung gestellt. Die Individuenzahlen werden dem AHO gemeldet. Bei Interesse an den Flächeninformationen kön- nen Anfragen an die Biosphärenreservatsverwaltung Karstlandschaft Südharz gerichtet werden.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 21 8 Zusammenfassung

Im Jahr 2017 wurde für das Gebiet des Biosphärenreservats Karstlandschaft Südharz erstmalig eine systematische Erfassung der bekannten Vorkom- men des Breitblättrigen Knabenkrautes (Dactylorhiza majalis) durchge- führt sowie Daten zum Pflegezustand und der aktuellen Flächennutzung erhoben. Der für Sachsen-Anhalt sowie ganz Deutschland postulierte abnehmende Bestandstrend konnte auf regionaler Ebene eindrucksvoll abgebildet werden. Nur noch die Hälfte der Vorkommen konnte bestätigt werden und die meisten Vorkommen wiesen geringe Individuenzahlen auf. Im Gebiet herrschen mäßige bis schlechte Pflegezustände vor und nur etwa ein Drittel der Flächen wird durch Mahd oder Beweidung genutzt. Auf gemähten Flächen befanden sich die Vorkommen mit den größten Individuenzahlen. Aber auch gemulchte Flächen können bei sehr nassen Standortbedingungen und geringer Wüchsigkeit mehrere hundert Indivi- duen zählende Vorkommen beherbergen. Für D. majalis konnten sechs Ve- getationstypen und 15 regelmäßige Begleiter sowie zahlreiche gemeinsam mit ihr auftretende gefährdete oder geschützte Pflanzenarten identifiziert werden. Aus den Erkenntnissen aktueller Literatur sowie den eigenen Beobachtungen im Rahmen der Erfassung werden Empfehlungen für die Pflege- und Renaturierungspraxis abgeleitet.

Danksagung

Das Projekt einschließlich der wissenschaftlichen Begleitung wurde durch das Land Sachsen-Anhalt und die Europäische Union finanziert (ELER). Wir danken dem Arbeitskreis Heimische Orchideen Sachsen- Anhalt e. V. für die Bereitstellung der Daten zu den historischen Fund- punkten. Für ihre Kooperationsbereitschaft danken wir im Besonderen Herrn Dr. Clemens Ritter von Kempski und Herrn Hellmund (Jagd- und Forstgesellschaft Stolberg/Harz), Herrn und Frau von Beyme (Forst- betrieb Beyme GbR, Schwenda), Herrn Lucas (Agrargenossenschaft Harzerland, Schwenda), Herrn Dr. Oberländer und Frau Michaelis-Braun (Rotha) sowie Herrn Stoffers.

Literatur

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Anschriften der Autoren

Sandra Dullau, Nele Adert, Maren Helen Meyer, Prof. Dr. Sabine Tischew Hochschule Anhalt Strenzfelder Allee 28 ∙ 06406 Bernburg E-Mail: sandra.dullau@hs­-anhalt.de nele.adert@hs­-anhalt.de maren.meyer@hs­-anhalt.de sabine.tischew@hs-­anhalt.de

Frank Richter Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie Abteilung 6: Naturschutz, Landschaftspflege, Referat Artenschutz Halsbrücker Straße 31a ∙ 09599 Freiberg E-Mail: [email protected]

Armin Hoch Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz Hallesche Straße 68a ∙ 06536 Südharz E-Mail: [email protected]­-anhalt.de

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 25 Anhang Für jede Untersuchungsfläche wurde ein Flächensteckbrief angefertigt, hier Beispiel Struthwiese.

26 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Untersuchungen zur Diversität der Tagfalter und Libellen in der Hägebachaue nördlich von Samswegen

SUSEN SCHIEDEWITZ

1 Einleitung

Im Norden der Ortschaft Samswegen (Landkreis Börde) liegt die struk- turreiche Hägebachaue mit Restbeständen artenreicher Feuchtwiesen im Randbereich eines Erlenbruchwaldes, umgeben von intensiv be- wirtschafteten Ackerflächen, trockenen Kiefernwäldern und Mager- rasen. Im Jahr 1978 wurden bestimmte Flächenabschnitte östlich und westlich des Hägebachs aufgrund ihrer bemerkenswerten Arten- und Biotopvielfalt als Flächennaturdenkmale (FND) unter Schutz gestellt. Das gesamte Gebiet zeichnet sich durch seine Bedeutung für den überörtlichen Biotopverbund aus. Die Hägebachniederung ist regiona- le Bio­topverbundeinheit (BVE 2.2.8) im Ökologischen Verbundsystem des Landes Sachsen-Anhalt (MRLU & LAU 2002, SZEKELY 2006). Ein Großteil der Auenwiesen ist in der Vergangenheit entwässert, um- gebrochen und in Intensivgrünland umgewandelt worden. Der Landkreis Wolmirstedt, heute Teil des Landkreises Börde, begann bereits 1992 mit dem Ankauf und Tausch von Flächen, um den Charakter der einstigen artenreichen Feuchtwiesen durch gezielte Renaturierungsmaßnahmen wiederherstellen zu können. Heute befindet sich ein zusammenhängen- des Projektgebiet von 44 Hektar in Landkreiseigentum. Die einst trocken- gelegten Niedermoorstandorte können so der natürlichen Wiedervernäs- sung überlassen werden, ohne weitere Eigentümer und Flächennutzer zu beeinträchtigen. Seit 2015 werden die Grünländer beidseitig des Hägebachs ganzjährig mit Robustrindern beweidet, um die biologische Vielfalt im Projektgebiet weiter zu fördern. Die NABU-Ortsgruppe Bar- leben übernimmt als Projektpartner die Koordination von Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen und bietet im Zuge der Öffentlichkeitsarbeit regelmäßig geführte Exkursionen durch das Gebiet an. In den Jahren 2017 und 2018 wurden im Auftrag des Landkreises Börde umfangreiche Untersuchungen zum Vorkommen der Tagfalter und Libellen in der südlichen Hägebachaue durchgeführt. Da unter ande- rem die Zerstörung großflächiger Feuchtgebiete durch Entwässerung, Grünlandumbruch und Nutzungsintensivierung dazu führte, dass viele Arten selten geworden sind, eignen sich diese beiden Indikator- gruppen besonders, um den Erfolg der Renaturierung und die Aus- wirkungen der naturnahen Beweidung auf die bestehende Arten- und Biotopvielfalt langfristig zu beurteilen.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 27 2 Methode und Zeitraum

Um das Artenspektrum der Tagfalter innerhalb des weitläufigen Gebietes möglichst vollständig zu erfassen, wurden zwischen Juni und September 2017 wöchentlich 33 Transekte auf unterschiedlichen Standorten be- gangen. Durch die Gegenüberstellung der ermittelten Individuendichten konnten Rückschlüsse zum Einfluss verschiedener Flächennutzungs- formen auf die Tagfalterdiversität gezogen werden. Aufgrund der hohen Individuenzahlen wurden Große Kohlweißlinge (), Kleine Kohlweißlinge (Pieris rapae) und Grünader-Weißlinge (Pieris napi) als Weißlings-Artkomplex kartiert und Schwarzkolbige Braundickkopffalter (Thymelicus lineola), Braunkolbige Braundickkopffalter Thymelicus( sylvestris) und Rostfarbige Dickkopffalter (Ochlodes sylvanus) als Dickkopffalter-Artkomplex zusammengefasst. Die Libellen wurden zwischen April und Oktober 2018 wöchentlich an vier repräsentativen Gewässern des Projektgebietes erfasst, von denen drei in die Ganzjahresbeweidungsfläche integriert worden sind. Das Ziel der Untersuchung lag insbesondere darin, den Einfluss der großen Weidetiere auf die Gewässerränder und somit auch auf bestimmte Teile des terrestrischen Lebensraumes von Libellen bewer- ten zu können. Alle Arten, die außerhalb der festgelegten Erfassungs- punkte nachgewiesen wurden, gingen ebenfalls in die Gesamtarten- liste mit ein. Reproduktionshinweise (Paarungen, Eiablagen, Schlupf) wurden vermerkt und dem jeweiligen Gewässer zugeordnet. Mit Ge- nehmigung des Landesverwaltungsamtes des Landes Sachsen-Anhalt sind Exuvien aus erreichbaren Uferabschnitten zur Nachbestimmung gesichert worden, um Aussagen zur Bodenständigkeit einzelner Arten treffen zu können. Beide Artenlisten wurden durch weitere Nachweise aus den Jahren 2018 bis 2020 ergänzt.

3 Untersuchungsraum Hägebachaue

Für die Bestandserfassungen der Tagfalter und Libellen wurden sechs Untersuchungsflächen in der Hägebachaue (Abb. 1) ausgewählt: • Artenreiche Feucht- und Frischwiesen (UF 1) • Ganzjahresbeweidungsfläche mit Grabensystem (UF 2) • Torfstichkomplex (UF 3 und UF 4) • Trockenbiotope (UF 5) • Waldbiotope mit Waldrandstrukturen (UF 6).

28 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Abb. 1: Luftbildausschnitt des Projektgebietes nördlich von Sams- wegen. Quelle: LVERMD – LANDESAMT FÜR VERMESSUNG UND DATENVERARBEI- TUNG SACHSEN- ANHALT (2006) © GeoBasis-DE/ LVermGeo LSA. Untersuchungsflächen (UF): 1 − Artenreiche Feucht- und Frischwiesen im FND „Hägebachaue- Ostteil“, 2 − Ganzjahresweide, 3 − Großer Torfstich im FND „Hägebachaue-Südteil“, 4 − Kleiner Torfstich im nördlichen Teil des Erlenbruchwaldes, 5 − Trockenbiotope im Umkreis der Binnendüne, 6 − Waldbiotope und Waldrandstrukturen

3.1 Artenreiche Feucht- und Frischwiesen im FND „Hägebachaue-Ostteil“ (UF 1)

Das fünf Hektar große botanische Flächennaturdenkmal (FND 0042OK) liegt eingebettet zwischen Standorten extrem trockener und nasser Ausprägung (Erlenbruchwald/Binnendüne mit angrenzendem Kiefernwald und Magerrasen). Im Frühjahr wird der Blühaspekt von Kuckucks-Lichtnelke (Lychnis floscuculi), Wiesen-Schaumkraut (Car- damine pratensis), Wiesen-Knöterich (Bistorta officinalis), Scharfem Hahnenfuß (Ranunculus acris) und Breitblättrigem Knabenkraut (Dactylorhiza majalis) bestimmt (Abb. 2). Entlang der ungemähten

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 29 Abb. 2: Typischer Blühaspekt im FND „Hägebach- aue-Ostteil“ mit Kuckucks-Lichtnelke, Wiesen-Knöterich, Scharfem Hahnenfuß und Breitblättrigem Knabenkraut.

ehemaligen Entwässerungsgräben gedeihen nektarreiche Säume aus Sumpf-Kratzdistel (Cirsium palustre), Kohl-Kratzdistel (C. oleraceum) und Sumpf-Hornklee (Lotus pedunculatus) sowie ein kleines Restvor- kommen des seltenen Fieberklees ( trifoliata). Die Flächen werden aufgrund ihrer hohen Bedeutung als Standort sel- tener und gefährdeter Pflanzenarten extensiv als Mähweide genutzt. Die Mahd der Frischwiesen erfolgt im Juni, die der Feuchtwiesen zeitlich versetzt und abschnittsweise zwischen Juli und September. Aufgrund des hohen Artenreichtums dienen die Wiesen als Spender- flächen für Mahdgutübertragungen auf weitere Projektflächen.

3.2 Ganzjahresweide (UF 2)

Die Weidefläche verläuft beidseitig des Hägebachs und beinhaltet neben dem gesamten FND „Hägebachaue-Westteil“ (FND 0043OK) auch den nördlichsten Abschnitt des artenreichen FND „Hägebachaue- Ostteil“ (UF 1). Durch die natürlichen Wanderbewegungen der Weidetiere soll so die Ausbreitung der botanischen Zielarten in die umliegende Aue gefördert werden (zoochore Ausbreitung von Samen- material über Ausscheidungen oder Anheftung an Fell und Hufen). Auf einer Gesamtfläche von 21 Hektar weideten zwischen 2017 und 2020 durchschnittlich 15 Heckrinder (Abb. 3). Aufgrund der geringen Besatzdichte steht den Tieren ganzjährig ausreichend Futter zur Verfügung, ohne dass eine Überweidung der Flächen zu befürchten ist. Auf eine Zufütterung kann dadurch wei- testgehend verzichtet werden. Auf den ehemaligen Intensivgrünland- standorten gedeihen schnell wachsende Ansaat-Süßgräser mit hohem Futterwert. Durch den selektiven Verbiss der Rinder existieren ganz- jährig kurzrasige Bereiche, während überständige Vegetation in Form von Altgrasbeständen, Brennnesselfluren und nektarreichen Distel- säumen großflächig bestehen bleibt. An den ehemaligen Entwässerungsgräben entwickeln sich zuneh-

30 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Abb. 3: Seit 2015 lebt eine Heckrinderherde in der Hägebachaue und schafft dort ein strukturreiches Mosaik aus kurz- rasigen Weide- flächen, Rohböden, Altgrasbeständen und nektarreichen Hochstauden. mend dichte Bestände aus Großem Flohkraut (Pulicaria dysenterica), Gewöhnlichem Gilbweiderich (Lysimachia vulgaris), Sumpf-Kratzdistel (Cirsium palustre) und Fluss-Ampfer (Rumex hydrolapathum). Entlang des weitläufigen Trampelpfadsystems gedeihen hauptsächlich tritt- verträgliche Arten, wie Breit-Wegerich (Plantago major), Weiß-Klee (Trifolium repens), Vogel-Knöterich (Polygonum aviculare agg.) und Filzige Klette (Arctium tomentosum). Die Tränkestellen der Weidetiere an den Ufern der integrierten Gräben sind durch großflächige Trittstel- len (Rohböden) gekennzeichnet.

Hägebach Der Hägebach durchfließt als strukturgebendes Gewässer die Ganz- jahresweide und weitere Teile des Projektgebietes von Norden nach Süden, bevor er südlich von Samswegen in die Ohre mündet. In diesem Zusammenhang ist auch seine überregionale Bedeutung im Biotopverbund hervorzuheben. Innerhalb des Erlenbruchwaldes wird der Gewässerlauf an mehreren Stellen durch Biberdämme angestaut. In Absprache mit dem zuständigen Unterhaltungsverband wird seit 2015 keine Grabenunterhaltung auf den Flächen der heutigen Ganzjahresweide mehr durchgeführt, sodass sich eine artenreiche Ufer- und Unterwasservegetation im Hägebach entwickeln konnte. Strukturgebende Arten sind neben verschiedenen Sauergräsern v. a. Sumpf-Schwertlilie (Iris pseudacorus), Gemeiner Blutweiderich (Ly- thrum salicaria), Echtes Mädesüß (Filipendula ulmaria), Wasser-Knö- terich (Persicaria amphibia), Ästiger Igelkolben (Sparganium erectum), Sumpf-Vergissmeinnicht (Myosotis scorpioides) und Schmalblättriger Merk (Berula erecta). In bestimmten Bereichen wird der Aufwuchs der Gewässerränder regelmäßig von den Rindern verbissen, was zur Aus- bildung heterogener, z. T. stark besonnter Uferzonen führt. Daneben existieren wiederum schilfreiche Abschnitte, die kaum oder nicht von der Beweidung beeinflusst werden und solche, in denen der Hägebach durch uferbegleitende Gehölze beschattet wird.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 31 Angestauter Entwässerungsgraben Im Westteil der Ganzjahresweide münden acht ehemalige Entwässe- rungsgräben in den Hägebach, von denen sieben seit Beendigung der Grabenunterhaltung verlandet und z. T. vollständig mit Sauergräsern und Sumpfpflanzen zugewachsen sind. Der dem Biberstau nächst- gelegene Graben ist durch den Rückstau des Hägebachs dagegen permanent wasserführend (Abb. 4 und 5). Da das Gewässer inmitten der Hauptweideflächen liegt, wird es von den Rinden regelmäßig zur Wasseraufnahme aufgesucht. Die Trittbelastung entlang der Ufer- kanten hat dazu geführt, dass sich der Grabenquerschnitt deutlich verbreitert hat und großflächige Rohböden entstanden sind (Abb. 5). Aufwachsende Sauergräser und Schilf werden durch den regelmäßi- Abb. 4 (links): gen Verbiss der Triebspitzen niedrig gehalten, sodass eine ringsum of- Angestauter, fene, besonnte Wasserfläche mit verschiedenen Unterwasserpflanzen ehemaliger Ent- entstanden ist. Innerhalb der gestuften, oft nur 20 bis 40 Zentimeter wässerungsgraben hohen Vegetation stellen locker stehende, senkrechte Stängel wichti- im Westteil der ge Ansitzwarten und Schlupfhalme für Libellen dar. Im Flachwasserbe- Ganzjahresweide im reich der Grabenspitze hat sich eine strukturierte Sumpfzone ausge- Frühjahr 2012 nach der maschinellen bildet, die mit lockerem Wasserried und anfänglichen Beständen aus Grabenunter- Wasser-Minze ( aquatica), Wassernabel (Hydrocotyle vulgaris), haltung, mit noch Sumpf-Hornklee, Wiesen-Schaumkraut, Fieberklee und Torfmoosen gleichmäßiger, (Sphagnum spec.) bewachsen ist. steiler Uferlinie und frei von Röhricht.

Abb. 5 (rechts): Derselbe Graben (Abb. 4) nach drei Jahren natürlicher Entwicklung im September 2018: Im Vordergrund zeigt sich eine gut ent- wickelte Sumpfzone mit Trittspuren der Rinder, im mittleren Bereich existiert eine offene Wasserflä- che, welche fließend in ein dichtes Schilf- röhricht übergeht.

32 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 3.3 Großer Torfstich im FND „Hägebachaue-Südteil“ (UF 3)

Der in den 1970er Jahren durch Torfabbau entstandene Große Torf- stich steht aufgrund seiner Bedeutung als Rast-, Nahrungs- und Bruthabitat für verschiedene Vogelarten als Flächennaturdenkmal „Hägebachaue-Südteil“ (FND 0044OK) unter Schutz. Das fischreiche Angelgewässer liegt ruhig und geschützt inmitten des Erlenbruchwal- des und wird durch mehrere Zuflüsse aus dem angrenzenden Häge- bach gespeist. Die offenen Wasserflächen werden durch weitläufige Schwimmblattzonen aus Gelber Teichrose (Nuphar lutea, Abb. 6) und reichlich Totholz strukturiert. Daneben sind lichte Uferabschnitte, be- sonnte Schilfgürtel und eine hochstaudenreiche Uferrandvegetation kennzeichnend für das Biotop.

Abb. 6: Der Große Torfstich mit weitläufigen Freiwasserflächen, baumbestandenen Inselgruppen und Schwimmblattve- getation aus Gelber Teichrose.

3.4 Kleiner Torfstich im nördlichen Teil des Erlenbruchwaldes (UF 4)

Der Wasserstand im Kleinen Torfstich wurde 2015 durch den Rückstau des angrenzenden Hägebachs deutlich angehoben. Infolgedessen ist ein Teil der umgebenden Gehölze abgestorben, sodass kleine Lichtun- gen mit reichlich Totholzstrukturen entstanden sind. Dennoch wird das Gewässer durch seine Lage im Erlenbruchwald vollständig von Ge- hölzen umschlossen, was dazu führt, dass bestimmte Uferzonen zum Teil stark beschattet werden und für die Weidetiere bisher nur schwer zugänglich sind.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 33 3.5 Trockenbiotope im Umkreis der Binnendüne (UF 5)

Südlich und östlich des FND „Hägebachaue-Ostteil“ (UF 1) erstrecken sich artenreiche Trockenbiotope auf einer Gesamtgröße von 3,3 Hek- tar. Den größten Flächenanteil nehmen Magerrasen ein, in denen Sand-Grasnelke (Armeria maritima) und Gewöhnliche Schafgarbe (Achillea millefolium) den Blühaspekt dominieren (Abb. 7).

Abb. 7: Imposanter Blühas- pekt aus Sand-Gras- nelke und Gemeiner Schafgarbe im Magerrasen südlich der artenreichen Feuchtwiesen.

Die Flächen werden einmal jährlich gemäht oder beweidet, der Zeit- punkt richtet sich dabei nach der Intensität des Aufwuchses, welche je nach Niederschlagsmenge von Jahr zu Jahr schwankt. Kleinere Rand- streifen entlang des Kiefernwaldes unterliegen aufgrund der geringen Biomasseproduktion keiner Bewirtschaftung. Untersucht wurde auch ein unbewirtschafteter, fünf Meter breiter Waldrandstreifen entlang des Plattenweges zwischen Samswegen und Lindhorst, welcher von Reitern genutzt wird, um in die nördlich gelegenen Waldgebiete zu gelangen (Abb. 8).

34 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Abb. 8: Auf diesem unbe- wirtschafteten ma- geren Randstreifen des Kiefernwaldes wurde während der Blüte im Hochsom- mer eine besonders hohe Tagfalterdiver- sität ermittelt.

Diese Form der Nutzung schafft wertvolle Offenbodenbereiche auf sandigem Untergrund für eine Vielzahl thermophiler Insektenarten und wirkt somit der Vergrasung entgegen. Als bedeutsame Nektar- pflanzen gedeihen hier Sand-Strohblume (Helichrysum arenarium), Berg-Sandglöckchen () und Sand-Thymian (Thymus serpyllum). Im Übergang zur Binnendüne gedeihen horstbildende Magergräser, wie Silbergras (Corynephorus canescens) und Schaf- Schwingel (Festuca ovina) sowie kleinflächige Bestände aus Besenheide (Calluna vulgaris, Abb. 9).

Abb. 9: Die nektarreiche Zwergstrauchheide auf der Binnendüne ist während ihrer Blütezeit im August von hoher Bedeu- tung für verschie- dene Tagfalter.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 35 3.6 Waldbiotope und Waldrandstrukturen (UF 6)

Bestimmte Waldabschnitte wurden auf das Vorkommen potenzieller Waldschmetterlinge und Arten der Waldränder untersucht. Inmitten des Erlenbruchwaldes wachsen an den besonnten Ufern des Großen Torfstichs (UF 3) nektarreiche Hochstauden feuchter Standorte, wie Wald-Engelwurz (Angelica sylvestris) und Gewöhnlicher Blutwei- derich. Im trocken­warmen Kiefernwald bringen dagegen zahlreiche Brombeersträucher (Rubus fruticosus agg.) sowie ein kleiner Bestand aus Gewöhnlicher Schneebeere (Symphoricarpos albus) ein wertvolles Blütenangebot hervor.

4 Untersuchungsergebnisse

4.1 Tagfalter

Mit dem Nachweis von 38 Arten konnte für das Projektgebiet eine hohe Tagfalterdiversität belegt werden (Tab. 1).

Im Bereich der artenreichen Feucht- und Frischwiesen (UF 1) wurden insgesamt 23 Arten nachgewiesen. Besonders hohe Individuendich- ten waren während der Blütezeit der Sumpf-Kratzdistel in den unge- mähten Randlagen zu verzeichnen. Das zeitig im Frühjahr blühende Wiesen-Schaumkraut ist für Aurorafalter (Anthocharis cardamines) und Grünader-Weißling als Raupenfutterpflanze und Nektarquelle von Bedeutung. Auf den Blüten des Sumpf-Hornklees, welcher den Raupen des Gemeinen Bläulings (Polyommatus icarus) als Nah- rungspflanze dient, versammeln sich regelmäßig Faulbaum-Bläulinge (Celastrina argiolus) und Braune Feuerfalter (Lycaena tityrus). Ein üppiger Bestand aus Acker-Minze (Mentha arvensis) lockt besonders viele Schornsteinfeger (Aphantopus hyperantus) und verschiedene Dickkopffalter (Hesperiidae) in die Flächen. An blühenden Kuckucks-Lichtnelken gehen insbesondere früh im Jahr schlüpfende Arten, wie Wegerich-Scheckenfalter (Melitaea cinxia, Abb. 16) und Gelbwürfliger Dickkopffalter (Carterocephalus palaemon, Abb. 10) auf Nektarsuche.

36 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Tab. 1: Gesamtartenliste der 2017/2018 im Projektgebiet erfassten Tagfalterarten: Gefährdungsgrad (Rote Liste-Status), Be- standseinschätzung nach KARISCH, SCHMIDT & SCHÖNBORN 2016 in SCHNITTER & FRANK 2016 (Pflanzen und Tiere in Sachsen-Anhalt) sowie Angabe der jeweils höchsten ermittelten Individuenzahlen der Arten/Artkomplexe (2017).

Name Gefährdungsgrad Bestandseinschätzung Höchste Entwick- erfasste Nr. D ST* deutsch wissenschaftlich Häufigkeit lungsten- Individuen- (2015) (2004) denz zahl

Ritterfalter (Papilionidae)

1 Schwalbenschwanz Papilio machaon h k −

Augenfalter (Satyridae)

Kleines Coenonympha 2 h k 149 Wiesenvögelchen pamphilus Weißbindiges Coenonympha 3 h k 21 Wiesenvögelchen arcania

4 Großes Ochsenauge Maniola jurtina h k 492

Aphantopus 5 Schornsteinfeger h k 271 hyperantus Melanargia 6 Schachbrettfalter h k 116 galathea

7 Waldbrettspiel Pararge aegeria mh k 2

Ockerbindiger 8 Hipparchia semele 3 mh k 4 Samtfalter

Edelfalter (Nymphalidae)

9 Tagpfauenauge Inachis io h k 409

10 Kleiner Fuchs Aglais urticae h k 9

11 Distelfalter Vanessa cardui h k 19

12 Admiral Vanessa atalanta h k 92

13 C-Falter Polygonia c­album h k 5

14 Landkärtchen Araschnia levana h k 15

Wegerich- 15 Melitaea cinxia 3 3 s r 7 Scheckenfalter Kleiner 16 Issoria lathonia h k 45 Perlmuttfalter Großer 17 Argynnis aglaja V V mh r 1 Perlmuttfalter

18 Kaisermantel Argynnis paphia h k −

Weißlinge ()

Kleiner 19 Pieris rapae h k Kohlweißling Großer 20 Pieris brassicae h k 596 Kohlweißling

21 Grünader-Weißling Pieris napi h k

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 37 Name Gefährdungsgrad Bestandseinschätzung Höchste Entwick- erfasste Nr. D ST* deutsch wissenschaftlich Häufigkeit lungsten- Individuen- (2015) (2004) denz zahl Anthocharis 22 Aurorafalter h z k.A. cardamines

23 Reseda-Weißling edusa mh k −

24 Zitronenfalter Gonepteryx rhamni h z 23

25 Goldene Acht Colias hyale h r −

Bläulinge (Lycaenidae)

26 Kleiner Feuerfalter Lycaena phlaeas h k 43

27 Brauner Feuerfalter Lycaena tityrus mh k 18

28 Dukaten-Feuerfalter Lycaena virgaureae V mh r −

Polyommatus 29 Gemeiner Bläuling h k 5 icarus

30 Faulbaum-Bläuling Celastrina argiolus h k 2

Kleiner Sonnen- 31 Aricia agestis mh k 6 röschen-Bläuling Nierenfleck- 32 Thecla betulae V mh k 1 Zipfelfalter

Dickkopffalter (Hesperiidae)

Braunkolbiger Thymelicus 33 h k Braundickkopffalter sylvestris Schwarzkolbiger 34 Thymelicus lineola h k 226 Braundickkopffalter Rostfarbiger 35 Ochlodes sylvanus h k Dickkopffalter Gelbwürfliger Carterocephalus 36 mh k 1 Dickkopffalter palaemon Komma- 37 Hesperia comma 3 V mh r 1 Dickkopffalter Malven- 38 Carcharodus alceae 3 mh r 1 Dickkopffalter

Rote Liste-Status: V − Vorwarnliste, 3 − gefährdet; *Hinweis: Die Roten Listen Sachsen-Anhalt (ST) wurden 2019 überarbeitet und 2020 veröffentlicht, was zu einer Änderungen der bisherigen Einstufung einiger hier aufgeführten Arten geführt hat. Häufigkeit: s − selten, mh – mäßig häufig, h – häufig; Entwicklungstendenz: r – rückgängig, k – konstant, z – zunehmend; k.A. – keine vergleichenden Angaben möglich, da Flugzeit zu Beginn der Kartierung beendet.

38 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Abb. 10: Gelbwürfliger Dickkopffalter (Carterocephalus palaemon) bei der Nektaraufnahme an blühender Kuckucks- Lichtnelke im FND „Hägebachaue-Ost- teil“. Die Art tritt im Projektgebiet bisher nur mit Einzelindi- viduen in Erschei- nung.

Innerhalb der Ganzjahresweide (UF 2) konnte 2017 mit 28 Arten die vergleichsweise größte Tagfalterdiversität und auch höchste Individu- endichte ermittelt werden (71 Tagfalter/50 m-Transekt). Auf insgesamt neun Transekten wurden regelmäßig Entwicklungsstadien des Tag- pfauenauges (Inachis io) an den Beständen der Großen Brennnessel beobachtet, von der sich auch die Raupen vom Kleinen Fuchs (Aglais urticae), Landkärtchen (Araschnia levana), Admiral (Vanessa atalanta), C-Falter (Polygonia calbum­ ) und Distelfalter (Vanessa cardui) ernäh- ren. Das Große Flohkraut übt eine besonders hohe Anziehungskraft auf Kleine Perlmuttfalter (Issoria lathonia) und Tagpfauenaugen aus, während die Blüten des Gemeinen Blutweiderichs besonders häufig von Zitronenfaltern (Gonepteryx rhamni) angeflogen werden. Wär- meliebende Admirale nutzen in hoher Anzahl die großflächigen,

Abb. 11: Westufer des Häge- bachs mit offenen Rohbodenbereichen am Zugang zur Tränke.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 39 besonnten Laubblätter der Filzigen Klette entlang der Trampelpfade als Ansitzwarten. An den durchnässten Rohböden im Bereich der Trän- ken (Abb. 11) lassen sich insbesondere während niederschlagsarmer Perioden unzählige Tagfalter nieder, um gelöste Mineralstoffe und Feuchtigkeit aufzunehmen (Abb. 12).

Abb. 12: Zahlreiche kleine Kohlweißlinge (Pieris rapae) saugen mineral- haltige Flüssigkeit an einer der vielen feuchten Rohboden- stellen am Ufer des Hägebachs.

Während der Sommermonate 2018/19 konnten auf den Flächen auch vereinzelte Schwalbenschwänze (Papilio machaon), Reseda-Weißlinge (Pontia edusa) und Dukaten-Feuerfalter (Lycaena virgaureae, Abb. 16) sowie mehrere Exemplare der Goldenen Acht (Colias hyale) und des Kaisermantels (Argynnis paphia) nachgewiesen werden. Im Frühjahr 2020 wurden die ersten Wegerich-Scheckenfalter auf den sich etablie- renden Beständen der Kuckucks-Lichtnelke gesichtet. Somit hat sich die Anzahl der Arten auf den Renaturierungsflächen der Ganzjahres- weide in den drei Folgejahren der Untersuchung von 28 auf 34 erhöht.

Auf den trocken­warmen Standorten im Umkreis der Binnendüne (UF 5) wurden 27 Arten erfasst. An blühenden Sand-Grasnelken fliegen Kleine Feuerfalter Lycaena( phlaeas), Schornsteinfeger und Große Ochsenaugen (Maniola jurtina) in großer Zahl, während die kleinflächigen Bestände der Acker-Wit- wenblume von zahlreichen Schachbrettfaltern (Melanargia galathea) aufgesucht werden. Bestimmte Magergräser und der flächendeckende Kleine Sauerampfer (Rumex acetosella) stellen wichtige Raupenfutter- pflanzen für verschiedene Tagfalterarten dar.

40 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Abb. 13: Kleine Sonnenrös- chen-Bläulinge (Aricia agestis) sind während der Heideblüte häufig auf der Binnendüne anzutreffen.

Wo sich in ungemähten Säumen Rainfarn (Tanacetum vulgare) und andere spätblühende Stauden ausbilden, fliegen regelmäßig Braune Feuerfalter und Kleine Perlmuttfalter. An den Blüten der Zwerg- strauchheide (Calluna vulgaris) versammeln sich im Hochsommer vor allem kleinere Arten, wie die beiden Feuerfalter (Lycaena phlaeas, L. tityrus), Kleines Wiesenvögelchen (Coenonympha pamphilus) und Kleiner Sonnenröschen-Bläuling (Aricia agestis, Abb. 13).

Abb. 14: Das Waldbrettspiel (Pararge aegeria) fliegt auf sonnigen Waldlichtungen, wo die Männchen ihre Reviere von erhöhten Vegeta- tionsstrukturen aus überblicken und vehement gegen Konkurrenten ver- teidigen.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 41 In den untersuchten Waldstrukturen (UF 6) wurde im Vergleich mit lediglich 13 Arten die geringste Tagfalterdiversität ermittelt. Das Weißbindige Wiesenvögelchen (Coenonympha arcania), welches trocken­warme Waldsäume und buschreiche Magerrasen besiedelt, flog ausschließlich im Umfeld des trockenen Kiefernwaldes. Das Wald- brettspiel (Pararge aegeria, Abb. 14) ist als typischer Waldschmetter- ling im Inneren beider Wälder nachzuweisen. Der Erlenbruchwald ist für die Reproduktion von Landkärtchen, C-Falter, Zitronenfalter und Faulbaum-Bläuling von Bedeutung, da in den Randzonen geeignete Raupenfutterpflanzen, wie Gewöhnlicher Hopfen (Humulus lupulus), Faulbaum (Frangula alnus) und schattige Bestände der Großen Brennnessel (Urtica dioica) gedeihen. Während der Blütezeit der Brombeersträucher fliegen viele der Offenlandarten auch im Inneren des lichten Kiefernwaldes. Die während des Erfassungszeitraumes 2017 höchsten ermittelten Gesamtindividuenzahlen der jeweiligen Arten wurden in Abundanz- klassen zusammengefasst und in Tabelle 2 gegenübergestellt.

Maximale Abundanz- Individuen- Arten klasse zahl/Tag

Großes Ochsenauge (Maniola jurtina), Tagpfauenau- 5 > 400 ge (Inachis io) Weißlings-Artkomplex (Pieris spec.)

Kleines Wiesenvögelchen (Coenonympha pamphi- > 50 bis lus), Schornsteinfeger (Aphantopus hyperantus), 4 ≤ 400 Schachbrettfalter (Melanargia galathea), Admiral (Vanessa atalanta), Dickkopffalter-Artkomplex

Kleiner Perlmuttfalter (Issoria lathonia), Kleiner Feuerfalter (Lycaena phlaeas), Zitronenfalter (Gonep- >10 bis teryx rhamni), Weißbindiges Wiesenvögelchen (Co- 3 ≤ 50 enonympha arcania), Distelfalter (Vanessa cardui), Brauner Feuerfalter (Lycaena tityrus), Landkärtchen (Araschnia levana)

Kleiner Fuchs (Aglais urticae), Wegerich-Schecken- falter (Melitaea cinxia), Kleiner Sönnenröschen-Bläu- ling (Aricia agestis), Waldbrettspiel (Pararge aegeria), >1 bis 2 C-Falter (Polygonia c­album), Gemeiner Bläuling ≤ 10 (Polyommatus icarus), Faulbaum-Bläuling (Celastri- na argiolus), Ockerbindiger Samtfalter (Hipparchia Tab. 2: semele) Die Tagfalterarten und deren maximal Nierenfleck-Zipfelfalter (Thecla betulae), Gelbwürf- erfasste Individuen- 1 1 liger Dickkopffalter (Carterocephalus palaemon), zahlen (2017) im Malven-Dickkopffalter (Carcharodus alceae) Projektgebiet.

42 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Auffällig sind insbesondere die vorliegenden Ergebnisse zur Popula- tionsstärke des Kleinen Fuchses (Aglais urticae), welcher allgemein zu den weniger anspruchsvollen und somit häufigen Tagfaltern in Sachsen-Anhalt zählt (Karisch et al. 2016). Aufgrund der dichten Säume aus Großer Brennnessel und der Fülle an verschiedensten Nektarpflanzen sollten geeignete Voraussetzungen für diese Art im Projektgebiet vorliegen. Dennoch wurden 2017/2018 auffallend wenig Falter und Raupen registriert. Die höchste Individuenzahl wurde mit lediglich neun Exemplaren am 21. Juni 2017 belegt und liegt damit im Ergebnis mit nur zwei Individuen über der höchsten ermittelten Ab- undanz des landesweit seltenen Wegerich-Scheckenfalters (Melitaea cinxia, Tab. 2). Dagegen reproduziert sich das Tagpfauenauge nach- weislich in hoher Individuenzahl an den großflächigen Brennnessel­ beständen innerhalb der Ganzjahresweide. Seine höchste ermittelte Abundanz lag im Vergleich bei 409 Individuen am 19. Juni 2017. Ein derart abweichendes Reproduktionsvermögen zweier Arten mit nahezu identischen Biotopansprüchen erlaubt die Annahme, dass die Bestände des Kleinen Fuchses als rückgängig anzusehen sind. Der Baum-Weißling (Aporia crataegi) wurde 2011 mit mehreren Individuen auf den artenreichen Feuchtwiesen (UF 1) beobachtet, wo Kuckucks-Licht- nelken, Wiesen-Knöterich und Sumpf-Kratzdisteln als bevorzugte Nektar- pflanzen großflächige Bestände ausbilden. Die Art besiedelt Gebüsch- und Saumgesellschaften in Waldrandnähe, in denen Wildkirschen (Prunus spec.), Weißdorn ( spec.) oder andere verholzte Rosengewächse (Rosaceae) wichtige Raupenfutterpflanzen darstellen. Die Art konnte 2017/2018 für das Gebiet nicht bestätigt werden, sodass derzeit davon aus- zugehen ist, dass der Baum-Weißling trotz geeigneter Habitatausstattung aus der Hägebachaue verschwunden ist.

Bundesweit gefährdete sowie landesweit seltene und rückgängige Tagfalterarten Von den 38 nachgewiesen Tagfalterarten (Tab. 1) sind sieben aufgrund ihrer deutschlandweiten Gefährdung (3), negativen Bestandsentwick- lungen (6) oder Seltenheit (1) von besonderer Bedeutung in Hinblick auf das Pflege- und Entwicklungsmanagement des Projektgebietes. Die Verteilung der Arten in den einzelnen Untersuchungsflächen (Kap. 3) ist in Abbildung 15 rot dargestellt.

Die Gegenüberstellung der Artenzahlen in den einzelnen Untersu- chungsflächen zeigt, dass der Großteil der im Projektgebiet vorkom- menden Tagfalterarten (89,5 %) die strukturreichen Flächen der Ganz- jahresweide besiedelt. In Bezug auf die Erhaltung der gefährdeten, seltenen und rückgängigen Arten scheinen die extensiv bewirtschaf- teten Trockenbiotope (UF 1) und Weideflächen (UF 2) gleichermaßen bedeutungsvoll zu sein.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 43 Artenzahl 0 10 20 30 40

gesamtes Projektgebiet 7

Ganzjahresweide (UF 2) 5

Trockenbiotope (UF 5) 5

artenreiche Feuchtwiesen (UF 1) 1

Waldbiotope (UF 6) 1

Abb. 15: Tagfalter-Artenzahlen im gesamten Projektgebiet und in den einzelnen Untersuchungsflächen unter Hervorhebung des jeweiligen Anteils an gefährdeten, seltenen und rückgängigen Arten (rot).

Das Habitat des Ockerbindigen Samtfalters (Hipparchia semele) be- schränkt sich auf die Binnendüne im Übergangsbereich zum Kiefern- wald (UF 5), wo die Falter an Besenheide auf Nektarsuche gehen. Eine Gefährdung geht vielerorts mit dem Verlust entsprechender Habitate aufgrund von Sukzession/Aufforstung oder Eutrophierung einher. Zu den Artenschutzmaßnahmen im Projektgebiet gehört daher die regel- mäßige Entfernung aufwachsender Gehölze am Standort der Zwerg- strauchheide (Abb. 9).

Der Wegerich-Scheckenfalter (Melitaea cinxia, Abb. 16) ist durch den Verlust magerer Standorte mit geeigneter Vegetation im gesam- ten Bundesgebiet gefährdet (SETTELE et al. 2005), in Sachsen-Anhalt kommt er selten vor (KARISCH et al. 2016). Auf den Erstnachweis im Jahr 2010 folgten weitere regelmäßige Beobachtungen zwischen 2017 und 2020, sodass die Population im Projektgebiet als beständig an- gesehen wird. Die Falter fliegen auf den artenreichen Feuchtwiesen (UF 1) und in den Trockenbiotopen (UF 5), wo Spitz-Wegerich (Plan- tago lanceolata), Kleines Habichtskraut (Hieracium pilosella) sowie verschieden Ehrenpreis-Arten (Veronica spec.) wichtige Raupen- futterpflanzen darstellen. Gefördert wird die Art durch die extensive Nutzung der Flächen und eine stetige Habitaterweiterung auf den Renaturierungsflächen. Mit zunehmender Ausbreitung der Kuckucks- Lichtnelke und anderer Zielarten wurde im Frühjahr 2020 erstmals auch die Besiedelung der Ganzjahresbeweidungsflächen (UF 2) durch den Wegerich-Scheckenfalter beobachtet.

44 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Abb. 16: Das Lebensraum- spektrum des Wege- rich-Scheckenfalters (Melitaea cinxia) reicht von Trockenra- sen bis hin zu nähr- stoffarmen (Nieder-) Moorkomplexen. Im Projektgebiet kön- nen die Falter häufig in trockenen Acker- randstreifen bei der Nektaraufnahme auf Kornblumen be- obachtet werden.

Das Mosaik aus sandigen Rohböden und lückiger Vegetation im Umkreis der Binnendüne entspricht den Biotopansprüchen des gefährdeten Komma-Dickkopffalters (Hesperia comma). Da die Art sich ausschließlich an Magergräsern reproduziert und verschwindet, sobald geringfügige Verfilzungen der Vegetation zur Zerstörung der Larvalhabitate führen (SETTELE et al. 2005), sind regelmäßig Pflege- maßnahmen erforderlich, um eine Sukzession der Standorte zu verhindern. Der Große Perlmuttfalter (Argynnis aglaja) besiedelt ein breites Lebensraumspektrum von Trockenrasen bis hin zu Wäldern und Mooren, wo sich die Raupen von verschiedenen Veilchen-Arten (Viola spec.) ernähren. Die Nachweise beschränken sich bisher auf die großflächigen Distelsäume in der Ganzjahresweide (UF 2). Wäh- rend 2017 lediglich zwei Einzelexemplare erfasst wurden, trat die Art bereits 2018 mit einer deutlich erhöhten Individuenzahl in Erschei- nung, was auf eine Zunahme der Populationsstärke hindeutet. Der Nachweis eines Malven-Dickkopffalters (Carcharodus alceae) gelang im Juli 2017 im Randbereich des Plattenweges (UF 5, Abb. 8). Die Art benötigt zur Fortpflanzung sonnige Bestände mit Malvenge- wächsen. Im Projektgebiet kommen vereinzelt Weg-Malven (Malva neglecta) und Moschus-Malven (Malva moschata) vor, jedoch ist auch eine Reproduktion an Stockrosen (Alcea rosea) u. a. kultivierten Sorten in den angrenzenden Kleingärten denkbar.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 45 Abb. 17: Seit 2018 werden regelmäßig auch Dukaten-Feuerfalter (Lycaena virgaureae) im Projektgebiet gesichtet. Die Art besiedelt boden- saure Magerrasen und Waldsäume, wo sich die Raupen an Sauerampfer ent- wickeln.

Der Dukaten-Feuerfalter (Lycaena virgaureae, Abb. 17) wurde erstmals 2018 auf den Flächen der Ganzjahresweide (UF 2) und der Trocken- biotope (UF 5) nachgewiesen. Die Art profitiert von der Erhaltung extensiv genutzter Grünländer entlang von Waldrändern (SETTELE et al. 2005).

Da die Raupen der Goldenen Acht (Colias hyale) diverse Leguminosen zur Entwicklung be­nötigen, ist die Art durch den Verlust artenreicher Grünländer und Nutzungsintensivierung regional rückläufig (SETTELE et al. 2005). Während vereinzelte Individuen bereits 2011 auf den arten- reichen Feuchtwiesen (UF 1) nachgewiesen wurden, trat die Art 2017 im gesamten Projektgebiet nicht in Erscheinung. Der sprunghafte An- stieg der Individuenzahlen in den Folgejahren 2018/19 auf den Flächen der Ganzjahresweide zeigt, dass die Art von der Extensivierung der Flächen zu profitieren scheint.

4.2 Libellen

Zwischen 2018 und 2020 wurden im Projektgebiet 43 Libellenarten aus acht Familien nachgewiesen (Tab. 3).

46 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Tab. 3: Gesamtartenliste der 2018 bis 2020 im Projektgebiet erfassten Libellenarten: Gefährdungsgrad (Rote Liste-Status), Bestandseinschätzung (Häufigkeit nach ÜLLERM et al. 2018 [Libellenatlas Sachsen-Anhalt] und Entwicklungstendenz nach MÜLLER & STEGLICH 2016 in SCHNITTER & FRANK 2016 [Pflanzen und Tiere in Sachsen-Anhalt]) sowie Schutzstatus nach Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und Bundesnaturschutzgesetz.

Gefährdungsgrad Name Bestandseinschätzung Schutzstatus (Rote Liste-Status)

Nr. D ST* Entwick- deutsch wissenschaftlich (2015) (2004) Häufigkeit lungsten-

denz Anhang BNatSchG FFH-Richtlinie

Kleinlibellen (Zygoptera)

Federlibellen (Platycnemididae)

1 Blaue Federlibelle Platycnemis pennipes sh k §

Prachtlibellen (Calopterygidae) Gebänderte Calopteryx 2 V sh z § Prachtlibelle splendens Schlanklibellen (Coenagrionidae) Pyrrhosoma 3 Frühe Adonislibelle h k § nymphula Hufeisen- 4 Coenagrion puella sh k § Azurjungfer Fledermaus- Coenagrion 5 V mh k.A. § Azurjungfer pulchellum Coenagrion 6 Helm-Azurjungfer 2 1 mh z II §§ mercuriale Gemeine Becher- Enallagma 7 h k § jungfer cyathigerum 8 Große Pechlibelle Ischnura elegans sh k §

9 Kleine Pechlibelle Ischnura pumilio V 2 mh k § Ceriagrion 10 Scharlachlibelle V 1 s z §§ tenellum 11 Großes Granatauge Erythromma najas V mh k.A. § Erythromma 12 Kleines Granatauge 3 mh z § viridulum Teichjungfern (Lestidae) Gemeine 13 Lestes sponsa h k § Binsenjungfer 14 Kleine Binsenjungfer Lestes virens vestalis 2 mh z Westliche 15 Chalcolestes viridis mh k § Weidenjungfer Gemeine 16 Sympecma fusca h k § Winterlibelle

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 47 Gefährdungsgrad Name Bestandseinschätzung Schutzstatus (Rote Liste-Status)

Nr. D ST* Entwick- deutsch wissenschaftlich (2015) (2004) Häufigkeit lungsten-

denz Anhang BNatSchG FFH-Richtlinie

Großlibellen (Anisoptera)

Edellibellen (Aeshnidae) Brachytron 17 Früher Schilfjäger V mh k § pratense 18 Große Königslibelle Anax imperator h k § 19 Kleine Königslibelle Anax parthenope mh z § Keilfleck- 20 Aeshna isoceles 2 k.A. z § Mosaikjungfer Blaugrüne 21 Aeshna cyanea h k § Mosaikjungfer Herbst- 22 Aeshna mixta k.A. k § Mosaikjungfer Braune 23 Aeshna grandis mh r § Mosaikjungfer Südliche 24 Aeshna affinis 3 mh z § Mosaikjungfer Falkenlibellen (Corduliidae)

25 Falkenlibelle Cordulia aenea V h k.A. § Glänzende Somatochlora 26 mh k § Smaragdlibelle metallica Gefleckte Somatochlora 27 3 3 s k § Smaragdlibelle flavomaculata Segellibellen (Libellulidae)

28 Spitzenfleck Libellula fulva 1 s z § Libellula 29 Vierfleck h k § quadrimaculata 30 Plattbauch Libellula depressa mh k § Orthetrum 31 Großer Blaupfeil sh k § cancellatum Orthetrum 32 Kleiner Blaupfeil V 2 mh z § coerulescens Orthetrum 33 Südlicher Blaupfeil 1 s z § brunneum Leucorrhinia 34 Große Moosjungfer 3 2 mh k II / IV §§ pectoralis Crocothemis er- 35 Feuerlibelle mh z § ythraea Gemeine Sympetrum 36 h k § Heidelibelle vulgatum

48 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Gefährdungsgrad Name Bestandseinschätzung Schutzstatus (Rote Liste-Status)

Nr. D ST* Entwick- deutsch wissenschaftlich (2015) (2004) Häufigkeit lungsten-

denz Anhang BNatSchG FFH-Richtlinie

Blutrote Sympetrum 37 sh k § Heidelibelle sanguineum Große Sympetrum 38 D mh k § Heidelibelle striolatum Gefleckte Sympetrum 39 3 mh k § Heidelibelle flaveolum Schwarze Sympetrum 41 mh k § Heidelibelle danae Südliche Sympetrum 42 s z § Heidelibelle meridionale Flussjungfern (Gomphidae) Gomphus 43 Gemeine Keiljungfer V 2 mh z § vulgatissimus

Rote Liste-Status: D – Daten defizitär, V − Vorwarnliste, 3 – gefährdet, 2 – stark gefährdet, 1 – vom Aussterben bedroht; * Hinweis: Die Roten Listen Sachsen-Anhalt (ST) wurden 2019 überarbeitet und 2020 veröffentlicht, was zu einer Ände- rung der bisherigen Einstufung etlicher hier aufgeführten Arten geführt hat. Häufigkeit: s – selten, mh – mäßig häufig, h – häufig, sh – sehr häufig; Entwicklungstendenz: r – rückgängig, k – konstant, z – zunehmend; FFH-Richtlinie: II/ IV – geschützt nach Anhang II und IV; BNatschG (Bundesnaturschutzgesetz): §§ – streng geschützt, § – besonders geschützt.

An den strukturreichen Torfstichen im Inneren des Erlenbruchwaldes (UF 3, UF 4) wurden 31 Libellenarten nachgewiesen. Über den weitläu- figen Freiwasserflächen fliegen unermüdlich FalkenlibellenCordulia ( aenea) und verschiedene territoriale Edellibellen (Aeshnidae), wohin- gegen die Männchen der Glänzenden Smaragdlibelle (Somatochlora metallica) überwiegend entlang beschatteter Uferbereiche patrouil- lieren. Besonnte Röhrichte werden von Keilfleck-Mosaikjungfern (Aeshna isoceles) besetzt, deren Larven sich in den stark erwärmen- den Flachwasserzonen entwickeln. Frühe Schilfjäger Brachytron( pra- tense), Kleine Königslibellen (Anax parthenope) und Braune Mosaik- jungfern (Aeshna grandis) nutzen auf der Wasseroberfläche treibende Pflanzenteile und aufgeweichtes Totholz als Eiablagesubstrat. Blaue Federlibellen (Platycnemis pennipes), Hufeisen-Azurjungfern (Coenag- rion puella) und Fledermaus-Azurjungfern (Coenagrion pulchellum) suchen zur Eiablage hingegen auftauchende Unterwasserpflanzen in Ufernähe auf. Die ausladenden Schwimmblattzonen (Abb. 6) werden von Großen und Kleinen Granataugen (Erythromma najas, E. viridu- lum) besiedelt. Aus der Wasseroberfläche herausragendes Totholz

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 49 dient insbesondere den Männchen aus der artenreichen Familie der Segellibellen (Libellulidae) als Ansitz, um ihre Reviere gegen Rivalen zu verteidigen. An den baumbestandenen Gewässerrändern sind be- sonders hohe Dichten der Westlichen Weidenjungfer (Lestes viridis) zu verzeichnen, während Gemeine Winterlibellen (Sympecma fusca) an vertrockneten Uferstauden aus dem Vorjahr optimale Tarnung finden. In den besonnten Sauergras- und Brennnesselbeständen windge- schützter Uferabschnitte verbringen verschiedene Kleinlibellen ihre Reifezeit.

Der angestaute Hägebach (UF 2) ist als Reproduktionsgewässer insbe- sondere für Arten von Bedeutung, die an saubere, leicht durchströmte Wiesenbäche mit offenen Wasserstellen und vielfältiger Gewässer- und Ufervegetation gebunden sind. So kommt es im Frühjahr zum Massenschlupf der Frühen Adonislibelle (Pyrrhosoma nymphula), während das Gewässer später im Jahr insbesondere von Gebänderten Prachtlibellen (Calopteryx splendens) und verschiedenen Heidelibellen (Sympetrum vulgatum, S. striolatum, S. sanguineum) besiedelt wird. Große Königslibellen (Anax imperator) legen ihre Eier innerhalb der strömungsarmen, gut erwärmten Gewässerabschnitte in schwim- mende Pflanzenteile, da hier günstige Voraussetzungen für die Larvalentwicklung herrschen. In den sonnigen Bereichen, in denen die Ufervegetation regelmäßig von den Rindern verbissen wird, zeigt der Plattbauch (Libellula depressa) ein ausgeprägtes Revier- und Paa- rungsverhalten. Der Erstnachweis der Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale) gelang im Juni 2020. Insgesamt wurden bisher 24 Libellen- arten am Hägebach nachgewiesen.

Entlang des angestauten Entwässerungsgrabens im Westteil der Weide (UF 2) wurde mit bisher 33 Arten die höchste Libellendiversi- tät verzeichnet. Neben einer Reihe unspezialisierter Arten (Ubiqisten) siedeln hier vor allem Libellen, die an niedrige Sukzessionsstufen (Pionierarten), grundwasserbeeinflusste Kleingewässer oder Moor-Le- bensräume gebunden sind. Nach bisherigem Kenntnisstand besiedeln Kleiner Blaupfeil (Orthetrum coerulescens), Südlicher Blaupfeil (Orthe- trum brunneum, Abb. 22), Schwarze Heidelibelle (Sympetrum danae), Scharlachlibelle (Ceriagrion tenellum, Abb. 20) und Kleine Pechlibelle (Ischnura pumilio) innerhalb des weitläufigen Projektgebietes aus- schließlich diesen Grabenabschnitt.

In der Ganzjahresweide entstehen viele ökologische Nischen entlang der integrierten Gewässer und strukturreiche Landlebensräume. Die hohe Dichte an Kleininsekten bedingt ein reichhaltiges Nahrungs- angebot für Libellen. Die umliegenden Weideflächen werden insbe- sondere von Mosaikjungfern (Aeshna cyanea, A. mixta, A. affinis) als Jagdhabitat genutzt. Thermisch begünstigte Mikrohabitate stellen

50 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Maulwurfshügel und offene Bodenstellen entlang der Trampelpfade und beweideten Ufer dar. Diese werden regelmäßig von Blaupfeilen (Orthetrum cancellatum, O. brunneum) und anderen wärmelieben- den Libellenarten aufgesucht.

Bundesweit gefährdete sowie landesweit seltene und rückgängige Libellenarten Die Renaturierung der südlichen Hägebachaue ist im besonderen Maße für Libellenarten von Bedeutung, welche deutschlandweit gefährdet sind (4) oder in Sachsen-Anhalt selten vorkommen (5) bzw. negative Bestandsentwicklungen aufweisen (1). Die Große Moosjungfer (Leucorrhinia pectoralis) besiedelt anmoorige Gewässer mit Torfschlamm, darunter auch Waldweiher und alte Torfstiche. Eine Gefährdung besteht vor allem durch Lebensraumver- lust infolge von Grundwasserabsenkung und Moorentwässerung, sodass die Wiedervernässung des Niedermoores am Hägebach zum Schutz der nach Anhang II der FFH-Richtlinie (92/43/EWG) streng geschützten Art beiträgt. Der Nachweis revierbesetzender Männchen gelang 2018 im Schilfgürtel des angestauten Entwässerungsgrabens (UF 2). Ein Männchen der Gefleckten Smaragdlibelle Somatochlora( flavoma- culata, Abb. 18) wurde Mitte Juni 2018 an einem der gehölzbestande- nen Ufer des Hägebachs beobachtet (UF 2). Von dort zweigen mehrere unterschiedlich stark verwachsene Entwässerungsgräben mit freien Schlenken in den Westteil der Weide ab, welche als Reproduktions- gewässer in Frage kommen. Da eine Gefährdung in der Austrocknung geeigneter Biotope infolge von Grundwasserabsenkung oder Dürre ausgeht, profitiert diese seltene Moor-Tümpel-Art vom Anstau des Hägebachs und der damit einhergehenden Wasserrückhaltung in den angrenzenden Entwässerungsgräben.

Abb. 18: Männchen der seltenen Gefleckten Smaragdlibelle (Somatochlora flavomaculata) in unmit­telbarer Nähe zu den seichten, verwachsenen Nie- dermoorgräben der Ganzjahresweide.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 51 Abb. 19: Gefleckte Heide- libelle (Sympetrum flaveolum) am Grabensystem der Ganzjahresweide. Die Bestände dieser Feuchtwiesenart sind in Sachsen-An- halt stark rückläufig.

Die Gefleckte Heidelibelle Sympetrum( flaveolum, Abb. 19) besiedelt Moor-Tümpel und periodisch überschwemmte Niedermoorwiesen. Anfang August 2018 flogen auf den staudenreichen Grünländern in unmittelbarer Nähe des angestauten Entwässerungsgrabens (UF 2) mehr als 20 frisch geschlüpfte Individuen. Die Austrocknung von Feuchtgebieten infolge von Klimaerwärmung und Entwässerung sowie intensive Grünlandnutzung stellen bundesweite Gefährdungs- ursachen dar. In Sachsen-Anhalt wurden in den vergangenen Jahren starke Bestandsrückgänge verzeichnet (MÜLLER et al. 2018). Die Wie- dervernässung der Feucht­wiesen und deren Nutzungsextensivierung sind somit als förderlich für die bestehende Hägebach-Population an- zusehen. Die Art wurde bereits 2010 im Projektgebiet nachgewiesen. Die Scharlachlibelle (Ceriagrion tenellum, Abb. 20) bevorzugt leicht durchströmte Moorgewässer mit Wasserried und Torfmoospolstern. Die Nachweise beschränken sich auf die strukturreiche Sumpfzone im angestauten Entwässerungsgraben (UF 2). Bislang war die Art ledig- lich von 13 weiter nördlich gelegenen Fundorten in Sachsen-Anhalt bekannt (MÜLLER et al. 2018). Das Vorkommen in der Hägebachaue sollte demnach das Verbreitungsgebiet dieser seltenen Moor-Art nach Süden hin erweitern. Die Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale) ist an sonnige, lang- sam strömende Wiesenbäche mit auftauchenden Krautpflanzen und wintergrüner Unterwasservegetation gebunden. Der Erstnachweis gelang im Juni 2020 am Hägebach (UF 2), wo sich nach fünf Jahren natürlicher Entwicklung der Schmalblättrige Merk (Berula erecta) etabliert hat, welcher als Eiablagepflanze von Bedeutung ist.

52 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Die Helm-Azurjungfer ist u. a. aufgrund von Gewässereutrophie- rung/-sukzession sowie häufiger Entkrautung und Sohlenberäumung bundesweit stark gefährdet. Der Verzicht auf die Gewässerunterhal- tung bei gleichzeitiger Einführung einer extensiven Beweidung der Gewässerrandvegetation trägt offenbar zur Ausbildung bedeutsamer Lebensraumstrukturen für die nach Anhang II der FFH-Richtlinie (92/43/EWG) streng geschützten Art bei. Der Spitzenfleck Libellula( fulva, Abb. 21) ist trotz zunehmender Be- standsentwicklung in Sachsen-Anhalt selten (MÜLLER et al. 2018). Die beiden Torfstiche (UF 3, UF 4) und der Hägebach (UF 2), welche die Ansprüche an langsam durchströmte, vegetationsreiche Gewäs- ser mit sonnigen Schilfgürteln und offenen Wasserflächen erfüllen,

Abb. 20: Paarungsrad der Scharlachlibelle (Ce- riagrion tenellum) in der mit lückigem Ried bewachsenen Flachwasserzone des angestauten Ent- wässerungsgrabens.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 53 Abb. 21: Häufig können dicht beieinandersitzen- de Paarungsräder des Spitzenflecks (Libellula fulva) an den Gewässern des Projektgebietes be- obachtet werden.

werden in hoher Individuendichte besiedelt. Eine Gefährdung geht häufig von der radikalen Räumung oder dem Zuwachsen von Gräben und Wiesenbächen aus, sodass die partielle und zeitlich gestaffelte Auflichtung der Ufervegetation durch die Rinder als förderlich für die bestehende Population im Projektgebiet eingeschätzt wird. Der Südliche Blaupfeil (Orthetrum brunneum, Abb. 22) ist eine ursprünglich mediterrane Art mit Bindung an vegetationsarme Pioniergewässer. Er fliegt ausschließlich am angestauten Entwäs- serungsgraben (UF 2), wo durch den Einfluss der Weidetiere dauerhaft großflächige Rohböden existieren. Die Integration der Gewässer in die Beweidungsfläche ist somit als förderlich für diese seltene Libellenart anzusehen, deren Lebensräume anderenorts häufig durch fortschrei- tende Sukzession verloren gehen.

Abb. 22: Südlicher Blau- pfeil (Orthetrum brunneum) auf der südexponierten Uferböschung des ehemaligen Entwäs- serungsgrabens, an dem durch Viehtritt wertvolle Rohböden entstanden sind.

54 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Die Südliche Heidelibelle (Sympetrum meridionale) gilt ursprünglich als mediterraner Invasionsgast, welcher trotz zunehmender Boden- ständigkeit landesweit nur selten vorkommt (MÜLLER et al. 2018). Die wärmeliebende Art besiedelt flachgründige, sommerwarme Kleinge- wässer mit Sumpf- und Wasserpflanzen, sodass die Wiedervernässung der Projektflächen zur Entstehung geeigneter Reproduktionsgewässer beitragen könnte. Die Braune Mosaikjungfer (Aeshna grandis) besiedelt vorzugsweise vegetationsreiche Stillgewässer in Waldgebieten. Sie gilt als ungefähr- det, zeigt jedoch in Sachsen-Anhalt rückgängige Bestandsentwick- lungen (MÜLLER & STEGLICH 2016). Da eine Gefährdung insbesondere durch den Eintrag von Düngemitteln und Pestiziden in die Gewässer hervorgerufen wird, profitiert die Art von der Extensivierung der Grün- länder rund um den Torfstichkomplex (UF 3, UF 4).

Aus der Gegenüberstellung der Artenzahlen an den Untersuchungs- gewässern geht hervor (Abb. 23), dass der Großteil der gefährdeten, seltenen und rückgängigen Arten (rot) das Grabensystem innerhalb der Beweidungsfläche besiedelt, welches von den Rindern auf viel- fältige Weise geprägt wird. VerteilungVerteilung der der Arten Arten in inden den Untersuchungsgewässern Untersuchungsgewässern Verteilung der Arten in den Untersuchungsgewässern Artenzahl ArtenzahlArtenzahl Artenzahl 0 10 200 0 301010 40 20 20 50 30 30 40 40 50 50 0 10 20 30 40 50 Abb. 23: gesamtes Projektgebiet gesamtes Projektgebiet gesamtes9 Projektgebiet 9 9 gesamtes Projektgebiet 9 Gegenüberstellung der Libellenarten angestautesangestautes Grabensystem Grabensystem Ganzjahresweide Ganzjahresweide (UF (UF 2) 2) 8 8 angestautes Grabensystem Ganzjahresweide (UF 2) 8 des gesamten angestautes Grabensystem Ganzjahresweide (UF 2) 8 Projektgebietes TorfstichkomplexTorfstichkomplex Erlenbruchwald Erlenbruchwald (UF (UF 3,UF 3,UF 4) 4)2 Torfstichkomplex Erlenbruchwald (UF 3,UF 4) 2 2 mit den jeweiligen Torfstichkomplex Erlenbruchwald (UF 3,UF 4) 2 Untersuchungsge- wässern.

5 Fazit

Die hohe Tagfalterdiversität steht aufgrund der Abhängigkeit von art- spezifischen Raupenfutterpflanzen in direktem Zusammenhang zum floristischen Reichtum des Gebietes, welcher durch eine traditionell extensive Bewirtschaftung der geschützten Feuchtwiesen und an- grenzenden Magerrasen bis heute erhalten werden konnte. Neben der Vielfalt an nektarreichen Blütenpflanzen sind bisher 68 verschiedene Raupenfutterpflanzen im Gebiet bekannt, welche mit den hier vor- kommenden Tagfalterarten in Verbindung stehen (SETTELE et al. 2005, BELLMANN 2016). Durch eine zeitlich versetzte Mahd der Flächen wird die Vollendung der Reproduktionszyklen für viele Arten möglich.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 55 Besonders hohe Individuendichten sind in den Saumbiotopen nach- weisbar, wo Pflanzenarten trockener und feuchter Standorte in un- mittelbarer Nachbarschaft zueinander gedeihen (Ökotoneffekt). Das vielfältige Mosaik aus Grünländern und Waldstrukturen führt dazu, dass Tagfalter des Offenlandes, der Wälder und Waldränder zusammen vorkommen. In der Ganzjahresweide wurden im Vergleich zu den ande- ren Untersuchungsflächen nicht nur die größte Tagfalterdiversität, son- dern auch die höchsten Individuendichten ermittelt. Nach der Mahd der angrenzenden Wiesen weicht ein Großteil der bereits geschlüpften Falter auf das durchgängige Blütenangebot innerhalb der Weide aus, wo großflächige Distelbestände auf ca. fünf Prozent der Gesamtfläche einen wesentlichen Anteil bei der Nektarversorgung übernehmen. Die Auswertung von Belegfotos seit 2009 in Verbindung mit den erhobe- nen Daten von 2017/2018 hat ergeben, dass mindestens 29 der 38 Arten regelmäßig zur Nahrungsaufnahme auf verschiedene Disteln fliegen. Die lange Blütezeit über die Sommermonate bis in den Oktober hinein, stellt eine verlässliche und häufig unentbehrliche Nektarquelle für verschiedenste Insektenarten dar, wie sich während der langanhalten- den Trockenzeit 2018 deutlich beobachten ließ. Die Tatsache, dass der Schlupf etlicher Offenlandarten mit dem Beginn der Distelblüte einher- geht und sich sechs der im Projektgebiet vorkommenden Tagfalterarten an der Großen Brennnessel reproduzieren, macht die Bedeutung der- artiger Vegetationsstrukturen auf Ganzjahresweiden deutlich, welche bei anderen Flächennutzungsformen in der Regel vehement als „Weide- unkräuter“ bekämpft werden.

Durch das differenzierte Raum-Zeit-Fressverhalten der großen Weidetie- re bleibt neben dem durchgängigen Blütenreichtum auch ein vielfältiges Angebot an Raupenfutterpflanzen über die gesamte Vegetationsperiode hinweg auf den Flächen bestehen. Seit der Umstellung der intensiven Grünlandnutzung auf extensive Beweidung haben insbesondere die Individuenzahlen der Augenfalter (Satyridae) und verschiedener Dick- kopffalter (Hesperiidae) spürbar zugenommen, deren Raupen sich nun ungestört an überständigen Süßgräsern entwickeln können.

Die hohe Gesamtartenzahl der Libellen ist auf die vielfältigen Biotop- strukturen sowie die erfolgreiche Einbettung der Gewässer in großflä- chige, insektenreiche Grünländer zurückzuführen. Das gegenwärtige Mosaik aus sumpfigem Erlenbruchwald, großen Freiwasserflächen, dichten und lockeren Röhrichtbeständen, besonnten und beschatte- ten Uferzonen mit reichlich Totholz, Schwimm- und Tauchblattvege- tation, verlandeten und wasserführenden Grabenabschnitten, stark erwärmten Flachwasserbereichen und torfmoosbewachsenen Sumpf- zonen bringt eine Vielzahl an ökologischen Nischen hervor, sodass Libellen mit unterschiedlichsten Ansprüchen an ihre aquatischen und terrestrischen Lebensräume nebeneinander existieren können.

56 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Insgesamt besiedeln acht der neun im Gebiet vorkommenden ge- fährdeten, seltenen oder rückgängigen Libellenarten die Gewässer innerhalb der Ganzjahresweide. Die hohe Artenvielfalt entlang des angestauten Grabensystems deutet darauf hin, dass sich die Inte- gration von Gewässerabschnitten in naturnahe Weideflächen mit geringer Besatzdichte insbesondere auf solche Arten positiv auswirkt, die offene, besonnte Flachwasser mit lichter Ufervegetation besiedeln und bei fortschreitender Sukzession aus den Gewässern verschwinden würden. Die Rinder übernehmen auf schonende Weise eine regelmä- ßige, räumlich-­zeitlich gestaffelte Mahd von Niedermoorgräben, wie sie in der Literatur empfohlen wird, um dem Rückgang bestimmter Libellenarten entgegenzuwirken (WILDERMUTH & MARTENS 2014). Die Zuwanderung der Helm-Azurjungfer in das Projektgebiet zeigt bei- spielhaft, dass durch eine natürliche Entwicklung der gewässerbeglei- tenden Vegetation, bei gleichzeitig schonender Offenhaltung der Ufer- zonen durch große Weidetiere, neue Lebensraumstrukturen entstehen können, welche vielerorts durch andere Praktiken verloren gehen.

Während sich bei intensiver Beweidung von Gewässerrändern die Auswirkungen des Viehtritts in der Regel negativ auf vorhandene Bio- topstrukturen und somit auch auf bestehende Populationen auswir- ken, entstehen durch extensive Beweidung im Uferbereich wertvolle Kleinstbiotope, welche unterschiedlich stark von der Sonne erwärmt werden und somit für die Larvalentwicklung thermophiler Libellen- arten von Bedeutung sein können (WILDERMUTH et al. 2014). Durch die Verschiebung von Bodenmaterial entlang der Uferkanten kann es zu- dem zur Ausbildung fischfreier Randbereiche kommen, wodurch der Prädationsdruck auf Libellenlarven vermindert wird. Das Vorkommen verschiedener, z. T. seltener Moor-Libellen weist darauf hin, dass die Renaturierung des Niedermoores auch spezia- lisierte Arten fördert, die anderenorts durch Beeinträchtigung oder Verlust wichtiger Biotope zurückgegangen oder verschwunden sind. Die natürliche Entwicklung der Sumpfzonen in den Gräben fördert insbesondere Arten, deren Larven sich in lockeren, feuchten Torfmoos- polstern, geschützt vor Feinden entwickeln und dort auch temporäre Austrocknungen der Gewässer überstehen können. Da neben den beweideten Uferzonen auch weitläufige Gewässerab- schnitte existieren, an denen der Aufwuchs nur temporär oder nicht verbissen wird, bleiben ausreichend Habitatstrukturen für die Arten erhalten, die an besonnte Schilfgürtel und reichlich Gewässerrandve- getation gebunden sind. Die beschriebene Überformung bestimmter Gewässerränder durch Viehtritt und Verbiss verteilt sich auf mehrere, meist weit voneinander entfernt liegende Tränkestellen und beschränkt sich somit im Verhältnis zur Gesamtuferlänge aller integrierten Gräben nur auf kleinflächige „Störstellen“. Die hier dargestellten, offensichtlich positiven Auswirkungen der extensiven Beweidung von Gewässerrand-

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 57 zonen stellen keinesfalls eine Empfehlung zur Integration von Gewäs- sern in „herkömmliche“ Standweiden dar, welche aufgrund eines vor- dergründigen wirtschaftlichen Nutzens in hoher Besatzdichte intensiv überweidet werden. Auf derartigen Flächen führen Nährstoffeinträge (Zufütterung), der vollständige Verlust der Ufervegetation und massive Trittschäden in der Regel zu einer Beeinträchtigung der aquatischen und terrestrischen Lebensräume von Libellen und anderen Arten.

Entgegen dem aktuell beklagten „Insektensterben“ konnte für das Bewei- dungsprojekt am Hägebach gezeigt werden, dass eine landwirtschaftliche Nutzung gut mit den Zielstellungen der Erhaltung und Wiederherstellung der Biodiversität einhergehen kann. Die verlässliche Zusammenarbeit und regelmäßige Abstimmung zwischen einem aufgeschlossenen Land- wirt, der unteren Naturschutzbehörde und dem Projektpartner NABU Barleben e. V. sowie die Honorierung der freiwilligen Naturschutzleistung über die Maßnahme FN 13 („Beweidung mit Rindern“) sind wesentliche Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Wirtschaftlichkeit und der Förderung von Biodiversität auf den Grünlandflächen in der Hägebachaue. Die vom Deutschen Verband für Landschaftspflege im November 2018 bundesweit aufgemachte Forderung nach einer flächendeckenden Biodi- versitätsberatung für Landwirte kann insofern nur unterstützt und mit den hier dargestellten Ergebnissen untermauert werden.

6 Empfehlungen für die landwirtschaftliche Praxis

Im Sinne der Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt der Bundesregierung (BMUB 2007) und der Biodiversitäts- strategie des Landes Sachsen-Anhalt (MULE 2010) werden folgende Empfehlungen für die Landwirtschaftsförderung auf Grünland in Sachsen-Anhalt gegeben: 1. Vordringliche Förderung der naturnahen Ganzjahresbeweidung mit Rindern in geringer Besatzdichte unter Einbeziehung von Ge- wässerabschnitten und Gehölzen in die Weidefläche 2. Duldung bzw. Förderung von überständiger Vegetation auf 10 bis 15 Prozent der Gesamtfläche auf Mähwiesen und Dauerstandwei- den (Bereitstellung von Überwinterungsquartieren für Insekten) 3. Zeitlich gestaffelte Mahd auf 30 bis 50 Prozent der Flächen inner- halb einer Vegetationsperiode (Ermöglichung der Beendigung von Reproduktionszyklen an verschiedenen Pflanzenarten, Beachtung der späten Blütezeit von ökologisch wertvollen Hochstauden) 4. Etablierung einer flächendeckenden Biodiversitätsberatung.

Es wird vorgeschlagen, diese Empfehlungen auch in die aktuellen Ins- trumente zur Umsetzung von Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen aufzunehmen.

58 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 In naturnahen Ganzjahresweiden besteht eine dynamische Entwick- lung, sodass mit der Zunahme an (Kleinst-) Lebensräumen auch eine Steigerung der allgemeinen Artenvielfalt zu erwarten ist. Um diese Entwicklungen wissenschaftlich zu überprüfen, ist in einigen Jahren eine erneute Bestandsaufnahme der Tagfalter und Libellen im Projekt- gebiet nach gleicher Methode geplant.

Danksagung

Die Autorin dankt herzlich Jörg Brämer (Untere Naturschutzbehör- de, Landkreis Börde) und Fred Braumann (Biosphärenreservatsver- waltung Drömling) für die Durchsicht des Manuskriptes und die wertvollen Hinweise. Weiterer Dank gilt den Mitarbeitern und allen ehren­amtlichen Helfern des NABU Barleben e. V. für die engagierte Durchführung der notwendigen Pflegemaßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt im Projektgebiet.

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Anschrift der Autorin

Susen Schiedewitz (Naturschutz und Landschaftsplanung, B. Sc.) Biodiversitätsanalysen, Pflege- und Entwicklungskonzepte, Öffentlichkeitsarbeit Fortuna 1 ∙ 38704 Liebenburg E-Mail: [email protected]

60 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Erhaltung der Habitatkontinuität in Eichen- wäldern – Aktuelle Forschungsergebnisse aus Sachsen-Anhalt

ANDREAS MÖLDER, MARCUS SCHMIDT, RALF-VOLKER NAGEL & PETER MEYER

1 Eichenwälder, Habitatkontinuität und Biodiversität

Strukturreiche alte Eichenwälder (Abb. 1) mit ihrer Vielzahl an spezia- lisierten und oft gefährdeten Tier- und Pflanzenarten sind aus Sicht des Naturschutzes Zentren der Biodiversität („Hotspots“). So auch im Land Sachsen Anhalt (JENTZSCH & REICHHOFF 2013), wo Trauben- und Stiel-Eiche einen Anteil von 12,3 Prozent an der Waldfläche halten und damit zu den bedeutenden Baumarten zählen (BMEL 2014).

Abb. 1: Strukturreicher Eichenwald im FFH-Gebiet „Elbaue Steckby-Lödderitz“, Salzlandkreis. Foto: M. Schmidt.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 61 Viele anspruchsvolle Arten der Eichenwälder sind allerdings nur ein- geschränkt zur Fernausbreitung befähigt und daher auf die struktu- relle und zeitliche Kontinuität ihres Lebensraums angewiesen. Neben holzbewohnenden Flechten und Pilzen ist hier vor allem die Gruppe der xylobionten Käfer zu nennen, aus der zahlreiche Arten auf eine jahrhundertelange Alt- und Totholzkontinuität angewiesen sind. Hinzu kommt, dass die Eichenspezialisten unter den Insekten häufig licht- und wärmeliebend sind und dementsprechend lockere Be- standsstrukturen bevorzugen (NEUMANN & RÖSSLER 2014, REICHHOFF & NEUMANN 2014, BUSSLER 2016, SSYMANK 2016, MÖLDER et al. 2019). Eine vollständige Nutzung von Alteichen würde die örtliche Habitat- kontinuität unterbrechen, insbesondere dann, wenn keine geeigneten Eichen als Ersatzlebensraum in unmittelbarer Nähe vorhanden sind. Die Bewahrung einer langfristigen Habitatkontinuität ist daher für die Erhaltung von lebensfähigen Populationen anspruchsvoller Be- gleitarten der Eiche unabdingbar. Gleiches gilt auch für die Erhaltung von Eichen-Lebensraumtypen gemäß der FFH-Richtlinie (JENTZSCH & REICHHOFF 2013, NEUMANN & RÖSSLER 2014, REICHHOFF & NEUMANN 2014, MÖLDER et al. 2019a). Aus waldbaulicher Sicht sind Eichenwälder durch hohe lichtökologi- sche Ansprüche der Verjüngung, lange Produktionszeiträume, einen großen Anteil des Altholzes am Gesamtwerter­trag und eine teure Bestandsbegründung gekennzeichnet (LÜPKE 1998, MLU 2016). Auf- grund unterschiedlicher Nutzungs- und Schutzinteressen an alten Eichenwäldern kann es zu Zielkonflikten zwischen Forstwirtschaft und Naturschutz kommen. Daher besteht eine große Herausforderung darin, die ökonomische Tragfähigkeit der Eichenwirtschaft und damit das forstbetriebliche Interesse an dieser Baumart aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die schutz­würdigen und schutzbedürftigen Lebensge- meinschaften der Eichenwälder zu erhalten oder wiederherzustellen (MÖLDER et al. 2019a). Vor diesem Hintergrund wurde von 2015 bis 2019 an der Nordwest- deutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) das Forschungsvor- haben „QuerCon – Dauerhafte Sicherung der Habitatkontinuität von Eichenwäldern“ durchgeführt. Hauptziel des Projektes war es, Wege zur Erhaltung des naturschutzfachlichen Wertes von Eichenwäldern zu finden, ohne den ökonomischen Erfolg der Eichenwirtschaft we- sentlich zu beeinträchtigen (MÖLDER et al. 2019b). In diesem Beitrag werden zunächst Ergebnisse einer systematischen Inventur von Eichen-Altbeständen in den Wäldern des Landesforst- betriebs Sachsen-Anhalt vorgestellt, die Teil des QuerCon-Projektes war. Dabei stand die Erfassung naturschutzfachlich und waldbaulich bedeutender Bestandsstrukturen im Mittelpunkt. Darauf aufbauend wird ein Maßnahmenkonzept zur Erhaltung und Entwicklung von Eichenwaldlebensräumen in „Nachhaltigkeitseinheiten der Habitat- kontinuität“ vorgestellt.

62 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 2 Systematische Inventur alter Eichenbestände im sachsen­-anhaltischen Landeswald Um einen Überblick über Bestandsstrukturen, Holzvorräte und die forstliche wie naturschutzfachliche Wertigkeit von Eichen-Altbeständen unterschiedlichen Alters zu erhalten, wurden in den Wäldern des Lan- desforstbetriebs Sachsen-Anhalt 100 Bestände ab einem Bestandsalter von 150 Jahren ausgewählt. Diese Altersschwelle wurde im QuerCon- Projekt gewählt, weil ab diesem Bestandsalter regelmäßig die Planun- gen zur Wiederverjüngung von Eichenbe­ständen beginnen (MLU 2016). Aus der Forsteinrichtungsdatenbank des Landesforstbetriebs Sachsen- Anhalt wurden zu­nächst alle Eichenbestände abgefragt, die zum Stichtag 1. Januar 2016 mindestens 150 Jahre alt waren. Mit geosta- tistischen Verfahren erfolgte dann die Ziehung einer systematischen Stichprobe von 100 Eichen-Altbeständen (Abb. 2). Dabei wurden singuläre Punkte bzw. Bereiche ohne Eichenwald- tradition vermieden und von der Analyse ausgeschlossen. Deshalb sind eichenreiche Waldgebiete in den Auen entlang der Mittelelbe, im Fläming, im Bereich der Harzabdachung und im Hakel besonders deutlich vertreten. Im Herbst 2016 erfolgte eine Bereisung aller 100 Eichen-Altbestände. Mit Hilfe eines im QuerCon-Projekt entwickelten Aufnahmekatalogs wurden sowohl forstlich als auch naturschutzfachlich relevante Fak- toren aus Forstbetriebsdaten ausgelesen und im Wald angesprochen sowie gemessen. Hier seien beispielhaft das Bestandsalter, Standorts- bedingungen, Schutzgebietszugehörigkeiten sowie das Vorhanden- sein von Habitatbäumen und von potenziellen Flächen für die Eichen- verjüngung (z. B. Bereiche ohne vorverjüngte Konkurrenzbaumarten) genannt. Als Habitat- oder Biotopbäume wurden Eichen angespro- chen, die aufgrund diverser Mikrohabitate (z. B. Stammhöhlen, Blitz- rinnen, Rindentaschen, Ausbrüche von Starkästen) einen hohen Naturschutzwert haben (LANDESFORSTBETRIEB SACHSEN-ANHALT 2014). Pro Untersuchungsbestand erfolgte in jeweils drei Probekreisen von 0,1 Hektar Größe die Erfassung des Brusthöhendurchmessers (BHD) aller Bäume, die einen BHD ab sieben Zentimeter aufwiesen. Aus die- sen Daten wurden die Holzvorräte des lebenden Bestandes berechnet. Von den 100 bereisten Eichen-Altbeständen gingen 98 in die weiteren Auswertungen ein; zwei Bestände erwiesen sich als ungeeignet. Im Hinblick auf die standörtlichen Verhältnisse weisen 77 Prozent der ausgewerteten Flächen eine mesotrophe Nährstoffversorgung auf; der Anteil eutropher Flächen beläuft sich auf 17 Prozent und derjenige oligotropher Flächen auf sechs Prozent. Bezüglich der Wasserversor- gung finden sich auf 39 Prozent der Flächen frische, auf 33 trockene, auf 18 feuchte/nasse und auf zehn Prozent wechselfeuchte Verhält- nisse. 43 Prozent der Untersuchungsbestände liegen in FFH-Gebieten; 16 Prozent sind zugleich FFH- und Naturschutzgebiet.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 63 Abb. 2: Lage und Schutzstatus der 100 ausgewählten Eichen-Altbestände in Sachsen-Anhalt. Daten zur Waldbedeckung: © European Union, Copernicus Land Monitoring Service 2019, European Environment Agency (EEA); Geobasisdaten: © GeoBasis-DE/BKG 2019; Daten zu den FFH-Lebensraumtypen: LAU 2016.

64 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Die untersuchten 98 Eichen-Altbestände wiesen 2016 im Mittel ein Alter von 173 Jahren auf; der Median liegt bei 165 Jahren. Nur neun Be- stände sind älter als 200 Jahre, was jenseits des gewöhnlichen forst- lichen Erntealters liegt (MLU 2016, Abb. 3). Der mit 413 Jahren älteste Untersuchungsbestand befindet sich im FFH-Gebiet „Colbitzer Lindenwald“ (JENTZSCH & REICHHOFF 2013). Insgesamt wurden in den zurückliegenden zehn Jahren in 43 Prozent der Bestände Hiebsmaßnahmen (Nutzungseingriffe) durchgeführt. Die hohen Vorratswerte der Eiche, die in allen fünf Altersklassen über 270 Festmeter pro Hektar liegen, unterstreichen den großen wirt- schaftlichen Gesamtwert der untersuchten Bestände (Abb. 4).

Abb. 3: Boxplot-Darstellung der mittleren Brust- höhendurchmesser (BHD) von Eichen in den verschiedenen Altersklassen, „n“ bezeichnet die Anzahl der untersuchten Bestände pro Altersklasse.­ Sind Eichen im Unter- und Zwischenstand vorhanden, dann kann dies in geringeren mittleren BHD-Werten resultieren.

Abb. 4: Mittlere Holzvorräte in den verschiedenen Altersklassen.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 65 Gerade Eichen mit einem Alter von über 200 Jahren sind es jedoch, die zunehmend Baumhöhlen ausbilden und damit wertvolle Habitat- strukturen entwickeln (RANIUS et al. 2009, BÜTLER et al. 2013). Dies spiegelt sich auch in der Ansprache der wirtschaftlichen Bestandsqua- lität der Eichenbestände wider (Abb. 5): Ab einem Alter von 221 Jahren finden sich ausschließlich Eichenbestände in der Kategorie „mäßig“, was im Umkehrschluss auf eine Zunahme von Mikrohabitaten wie Baumhöhlen, Astabbrüchen und Rindentaschen schließen lässt (BÜTLER et al. 2013).

Abb. 5: Bestandsqualität aus forstwirtschaft- licher Sicht in den verschiedenen Altersklassen.

Darüber hinaus zeigt sich sehr positiv, dass Eichen-Habitatbäume als Träger der Artenvielfalt insgesamt in 96 Prozent der untersuchten Bestände vorhanden sind, ab einem Bestandsalter von 180 Jahren in allen Beständen (Abb. 6).

Abb. 6: Eichen-Habitatbäu- me in den verschie- denen Altersklassen.

66 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Markierte Habitatbäume fanden sich jedoch nur in sieben Prozent al- ler Untersuchungsbestände. In diesem Zusammenhang sieht der Leit- faden zur Bewirtschaftung des Landeswaldes in Sachsen-Anhalt vor, dass in FFH-Gebieten mindestens drei Biotopbäume (besonders Horst- und Höhlenbäume) je Hektar erhalten werden. Anzahl und räumliche Verteilung der zu erhaltenden Bäume, deren Zahl nicht begrenzt ist, sollten sich ausschließlich nach der biologischen Notwendigkeit richten. Eine Konzentration in Habitatbaumgruppen ist anzustreben; die Markierung von Habitatbäumen und Habitatbaumgruppen ist vorgesehen (LANDESfORSTBETRIEB SACHSEN-ANHALT 2016). Für den Lan- deswald außerhalb der FFH-Gebiete werden keine Mindestanzahlen von Habitatbäumen je Hektar genannt (LANDESFORSTBETRIEB SACHSEN- ANHALT 2014). Im Hinblick auf das ökologisch bedeutsame stehende Eichentotholz mit einem BHD über 30 Zentimeter (NEUMANN & RÖSSLER 2014, LANDESFORSTBETRIEB SACHSEN-ANHALT 2016; Abb. 7) ist hier festzustellen, dass dieses in 70 Prozent der Untersuchungsbe- stände vorhanden ist, in der Altersklasse von 201 bis 220 Jahren sogar in allen Beständen (Abb. 8).

Abb. 7: Starkes Eichentotholz im FFH- Gebiet „Elbaue Steckby-Lödderitz“, Salzlandkreis. Foto: M. Schmidt.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 67 Abb. 8: Stehendes Eichen-Totholz (BHD >30 cm) in den verschiedenen Altersklassen.

Gesicherte, vitale Eichenverjüngung aus Naturverjüngung und Pflan- zung kam in 20 Prozent der Bestände vor, demgegenüber erreichten Rot-Buche, Hainbuche und die Ahorne als etablierte Konkurrenz- baumarten in der Verjüngung eine Stetigkeit von zusammen 47 Pro- zent. Bestandsbereiche, die sich aufgrund ihrer Strukturen potenziell für eine Wiederverjüngung der Eiche eignen, finden sich im Mittel in 70 Prozent der Bestände (Abb. 9). Hier wurden solche Bestandspartien angesprochen, die sich mit oder ohne vorbereitende waldbauliche Maßnahmen für eine Kunst- oder Naturverjüngung der Eiche eignen würden. Es zeigt sich, dass in 37 Prozent der Bestände aufwändige waldbauliche Eingriffe notwen- dig wären, wie das Zurückdrängen konkurrenzstarker Schattbaumarten.

Abb. 9: Potenzialflächen für Eichenverjüngung in den verschiedenen Altersklassen.

68 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 3 Maßnahmen zur Erhaltung der Habitat- kontinuität in Eichenwäldern

Die Ergebnisse der systematischen Inventur von Eichen-Altbestän- den in den Wäldern des Landesforstbetriebs Sachsen-Anhalt zeigen, dass diesen sowohl ein hoher naturschutzfachlicher als auch ein großer wirtschaftlicher Wert zukommt. Diese Werte im Rahmen einer multifunktionalen Forstwirtschaft dauerhaft zu erhalten und neu zu entwickeln, erfordert Weitsicht und eine gewissenhafte Forst- und Naturschutzplanung. Ein Faktor, der nicht nur für die naturschutzfachlichen, sondern auch für die wirtschaftlichen Werte von Eichenwäldern von enormer Be- deutung ist, ist dabei die Verfügbarkeit von Licht. Sowohl eine Vielzahl von Eichenwaldspezialisten als auch eine waldbaulich erfolgreiche Eichenverjüngung sind auf einen Strahlungsgenuss angewiesen, der im Vergleich zu geschlossenen Beständen deutlich erhöht ist (NEU- MANN & RÖSSLER 2014, MÖLDER et al. 2019). Dieser gemeinsame Nen- ner bietet eine Grundlage für integrative Bewirtschaftungsansätze, die sowohl dem Waldbau als auch dem Naturschutz gerecht werden (Abb. 10).

Abb. 10: Schematische Darstellung der Verbindungen zwischen Natur- schutz- und wald- baulichen Aspekten im Rahmen eine integrativen Eichen- waldbewirtschaf- tung.

So kann beispielsweise die Ernte von wertvollen Furniereichen genutzt werden, um die Kronen und Stämme benachbarter Habitateichen von Beschattung und Konkurrenzdruck zu befreien. Gleiches kann durch die Schaffung von Bestandslücken im Zuge der Verjüngung von

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 69 Eichenbeständen geschehen (BÜTLER et al. 2013, RUPP & WERWIE 2016, MÖLDER et al. 2019a). Das Belassen von einzelnen Habitatbäumen, Habitatbaumgruppen oder ganzen Teilen des Bestands mit Habitat- bäumen wird auch als „Retention“ bezeichnet. Bei der Retentions- Forstwirtschaft (engl. „retention forestry“) handelt es sich gemäß KRAUS & KRUMM (2013) somit um einen Waldbewirtschaftungs- ansatz, „der im Zuge der Holzernte auf die langfristige Erhaltung von Strukturen und Organismen achtet sowie vitale Bäume, Totholz und kleine Bereiche intakter Waldbestände erhält. Ziel ist es, einen ge- wissen Grad an Kontinuität in der Waldstruktur, -zusammensetzung und -komplexität zu erreichen, der die biologische Vielfalt fördert

Abb. 11: Markierter Eichen- Habitatbaum im FFH-Gebiet „Hakel südlich Kroppen- stedt“, Landkreise Börde, Harz und Salzlandkreis. Foto: A. Mölder.

70 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 und ökologische Funktionen aufrechterhält.“ Gemäß dem Leitfaden zur Bewirtschaftung des Landeswaldes unter naturschutzfachlichen Aspekten wird die Retentions-Forstwirtschaft in Sachsen-Anhalt insbesondere in FFH-Gebieten durch verschiedene Varianten des Habitatbaum- und Totholzschutzes in die Bewirtschaftung des Lan- deswaldes integriert (LANDESFORSTBETRIEB SACHSEN-ANHALT 2016). Wie die vorliegende Analyse zeigt, weisen sachsen­-anhaltische Alt- Eichenbestände ein großes Potenzial im Hinblick auf den Schutz von Habitatbäumen auf, wobei der Anteil tatsächlich markierter Eichen- Habitatbäume gemäß den Vorgaben (LANDESFORSTBETRIEB SACHSEN- ANHALT 2016; Abb. 11) gesteigert werden sollte. Auch die Anzahl der zu erhaltenen Biotopbäume erscheint steige- rungsfähig. BÜTLER et al. (2013) nennen einen Rahmen von mindestens fünf bis zehn Habitatbäumen je Hektar Bestandsfläche. In diesem Zusammenhang ergibt sich die Frage, warum für den Landeswald außerhalb von FFH-Gebieten keine Mindestanzahlen von Habitatbäu- men je Hektar festgelegt sind. Zudem kann es sinnvoll sein, bedarfs- weise Pflegeeingriffe durchzuführen, um Eichen-Habitatbäume oder -Habitatbaumgruppen vom Konkurrenzdruck durch Schattbaumarten zu befreien. Dies gilt auch für strukturreiche Alteichen an besonnten Waldrändern (NEUMANN & RÖSSLER 2014). Wie einleitend dargestellt, spielt die Erhaltung der Habitatkontinui- tät in Eichenwäldern aus Naturschutzsicht eine herausragende Rolle. Auf der Landschaftsebene sind deshalb Planungsansätze notwendig, die maßgebliche Bestandsstrukturen (Alt- und Totholz, Mikrohabita- te, Waldbodenvegetation) dauerhaft in Gebieten erhalten, die groß genug sind, um Ei­chenwaldspezialisten in lebensfähigen Populatio- nen zu beherbergen. Die angemessene Größe solcher Gebiete vari- iert jedoch im Hinblick auf unterschiedliche Artengruppen und ist Gegenstand laufender Forschungsarbeiten (BÜTLER et al. 2013, MÖLDER et al. 2019). Deshalb ist auch in Sachsen-Anhalt eine Waldbewirt- schaftungsplanung notwendig, die solche Nachhaltigkeitseinheiten der Habitatkontinuität (Abb. 10) mit ihren naturschutzrelevanten Be- standsstrukturen eher in größeren als in kleineren Planungsgebieten erhält und neu schafft. Besitzartenübergreifende Konzepte erscheinen dabei dringend ge- boten, denn in FFH-Gebieten bieten die Managementpläne gute Möglichkeiten zur Empfehlung zielführender naturschutzfachlicher Maßnahmen auf Landschaftsebene (JÄGER & LIEBE EDLE VON KREUTZ- NER 2019). In diesem Zusammenhang ist es sehr zu begrüßen, dass in Sachsen-Anhalt durch die Maßnahme „Förderung von Waldumwelt- und -klimadienstleistungen und Erhaltung der Wälder“ die Erhaltung von Biotopbäumen, Totholz und auch Eichen-Altbeständen in Privat- wäldern mit FFH-Schutzstatus finanziell gefördert wird (MULE 2018). In den Nachhaltigkeitseinheiten der Habitatkontinuität sollten Ver- jüngungsmaßnahmen entweder innerhalb von Eichen-Altbeständen

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 71 oder in deren unmittelbarer Nachbarschaft durchgeführt werden. Bei der Entscheidungsfindung ist es notwendig, zwischen den Erforder- nissen und Möglichkeiten von Waldbau und Naturschutz sorgfältig abzuwägen. Aus wirtschaftlichen Gründen kann es zielführender sein, benachbarte Nadelholz- oder vom Triebsterben geschädigte Eschen- bestände in Eichenwald umzubauen als innerhalb eines Eichen-Alt- bestandes unsichere und teure Verjüngungsmaßnahmen auf Klein- flächen durchzuführen (MLU 2016, SYMANKS 2016). Im Bereich der Hartholzaue bieten auch Flächen mit nicht standortgerechten Baum- arten wie Rot-Esche und Hybridpappel Möglichkeiten zum Umbau in Eichenbestände (MLU 2016). Hier sei betont, dass bei Verjüngungs- maßnamen in Eichenwaldlebensräumen Lückengrößen unter einem halben Hektar aufgrund der lichtökologischen Mindestansprüche der Eiche als nicht sinnvoll angesehen werden (ML & MU 2018). In sachsen­-anhaltischen FFH-Gebieten stellen in Eichenlebensraum- typen Lücken mit einer Größe von einem halben Hektar die Ober- grenze bei Verjüngungsmaßnahmen dar; nur bei begründeten Einzelfallentscheidungen darf die Flächengröße bis zu einem Hektar betragen (LVWA 2018). Überhaupt sind in FFH-Gebieten bei den entsprechenden Abwägungsprozessen besondere Vorgaben des ≙ Naturschutzes zu beachten, insgesamt erscheint hier zur Stärkung der Synergien von Forstwirtschaft und Naturschutz eine Verbesserung der wechselseitigen Problemwahrnehmung durch Aufklärung und Zu- sammenarbeit notwendig (MEYER 2013). Da aufgrund der Trockenjahre 2018/19 Fichtenbestände flächenhaft ausfallen, ergeben sich auch in Sachsen-Anhalt vielerorts Möglichkei- ten, junge Eichenbestände direkt neben alten Eichenbeständen neu zu begründen. In diesem Zusammenhang zeigte das QuerCon-Projekt, dass sich bei 51 der untersuchten 98 Eichen-Altbestände ( 52 %) in einer mittleren Entfernung von 0,7 Kilometer (Min. 0 km, Max. 7 km) eine erfolgreich begründete Eichenkultur befindet. Aus Naturschutz≙ - sicht kann ein solches Vorgehen sinnvoll sein, wenn wertvolle Alt- und Totholzstrukturen in Eichen-Altbeständen erhalten werden sollen, ohne die Eichenverjüngung zu vernachlässigen. Geeignete Biotop- verbundmaßnahmen (z. B. gezielte Erhaltung von Überhältern, d. h. vitalen Bäumen der Vorgeneration) sowie der Abbau von Ausbrei- tungsbarrieren sind in solchen Fällen sehr wichtig, um eine Neube- siedlung junger Eichenbestände auch durch ausbreitungsschwache Arten zu gewährleisten. Darüber hinaus sollten auch Standortbedin- gungen und konkurrenzstarke Begleitbaumarten wie die Buche bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden, insbesondere dann, wenn es um die Möglichkeiten einer erfolgreichen Naturverjüngung von Eichen geht (LÜPKE 1998, MÖLDER et al. 2019a). Im Hinblick auf die Vorbereitung von Eichenrein- und Eichenmischbeständen auf den Generationenwechsel erscheint es dabei zweckmäßig, in der Altdurch- forstungsphase den Anteil begleitender Rot-Buche, Hainbuche und

72 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 anderer Schattbaumarten rechtzeitig vor dem Beginn der Maßnah- men zur Eichenverjüngung zu reduzieren (MÖLDER et al. 2019b). Im Hinblick auf die Schaffung von Nachhaltigkeitseinheiten der Habitatkontinuität in Eichenwäldern ist die Retentions-Forstwirtschaft ein zentraler Baustein. Ein weiterer Baustein ist das Zulassen von natürlichen Störungen insbesondere in Prozessschutzflächen wie den sachsen-anhaltischen Naturwaldzellen (MEYER et al. 2019). Solche Störungen können mitunter ökologische Nischen für die natürliche Verjüngung von Eichen schaffen, wenn wesentliche Rahmenbedin- gungen wie angepasste Schalenwildbestände gegeben sind oder hergestellt werden (Abb. 10; MÖLDER et al. 2019a). So zeigen REIF et al. (2016) eindrucksvoll auf, wie große Hochwasserereignisse die erfolg- reiche natürliche Verjüngung der Stiel-Eiche in hessischen Rheinauen fördern. Ein dritter Baustein bei der Planung von Nachhaltigkeitseinheiten der Habitatkontinuität ist die Fortführung oder Reaktivierung histo- rischer Bewirtschaftungsformen mit lichten Bestandsstrukturen wie Mittelwald, Hutewald oder Niederwald (Abb. 10; MÖLDER et al. 2019). Die Leitlinie Wald 2014 für das Land Sachsen-Anhalt formuliert hier das Ziel der Erhaltung historischer Waldnutzungsformen, soweit das unter angemessenen wirtschaftlichen und naturschutzfachlichen Bedingungen möglich ist (MLU 2014). Ein Beispiel für die Reaktivie- rung der Mittelwaldnutzung in Sachsen-Anhalt, wo diese Bewirt- schaftungsform einst weit verbreitet war (PÜSCHEL 1855, HESMER 1937, SIELHORST et al. 2009, REICHHOFF 2010), findet sich an der Mittelelbe im Gartenreich Dessau-Wörlitz (PATZAK 2010). Eine Hutewald- bzw. hu- tewaldartige Nutzung fördert vor allem die für Eichenwaldspezialisten wichtigen lichten Bestandsstrukturen mit großkronigen Alteichen. Zu- dem schafft diese Bewirtschaftungsform, die insbesondere im Bereich der anhaltischen Auengebiete bis ins 19. Jahrhundert weit verbreitet war (PÜSCHEL 1855), Wald-Offenland-Übergangshabitate als eine wich- tige Nische für natürliche Eichenverjüngung (REIF & GÄRTNER 2008, RUPP & WERWIE 2016). Beispielhaft empfehlen NEUMANN & RÖSSLER (2014) im Hinblick auf FFH- und Naturschutzgebiete im Landkreis An- halt-Bitterfeld die langfristige Erhaltung und Wiederherstellung von locker strukturierten Stiel-Eichenbeständen mit Hutewaldcharakter. In diesen Beständen sollte die Stiel-Eiche möglichst in allen Absterbe- stadien einschließlich Totholz erhalten werden. Hinsichtlich der Niederwaldwirtschaft finden sich beispielsweise am nördlichen Harzrand durchgewachsene Eichen-Niederwälder (Abb. 12). Dort könnte zumindest auf Teilflächen über eine Reaktivierung der Niederwaldnutzung nach­gedacht werden, wie sie auch für Rhein- land-Pfalz angeregt wird (PYTTEL et al. 2012). Eichen-Niederwaldstöcke weisen mitunter eine sehr lange Alt- und Totholzkontinuität auf und können daher für den Erhalt ausbreitungsschwacher xylobionter Arten von großer Bedeutung sein. Inwieweit eine wiederbelebte Nieder-

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 73 Abb. 12: Durchgewachsener Eichen-Niederwald im Zwölfmorgental bei Wernigerode, Landkreis Harz. Foto: A. Mölder.

waldnutzung mit den Erhaltungszielen der Eichenlebensraumtypen in FFH-Gebieten vereinbar ist, wird im Einzelfall zu prüfen sein (UNRAU et al. 2018). Insgesamt sollten aufwändige und teure Maßnahmen des Wald- naturschutzes in Eichenwäldern im Sinne des Hotspot-Konzeptes (MEYER et al. 2009) dort umgesetzt werden, wo die größte Wirksam- keit zu erwarten ist. Dies gilt auch im Hinblick auf die Sicherung und Entwicklung von Nachhaltigkeitseinheiten der Habitatkontinuität. Grundlagen für die entsprechenden Planungsentscheidungen liefern gründliche Inventuren relevanter Strukturen und Arten, his­torisch­ ökologische Analysen zur Habitatkontinuität und, darauf aufbauend, aktuelle Methoden der systematischen Schutzgebietsplanung (MEYER et al. 2015).

74 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 4 Zusammenfassung

Strukturreiche alte Eichenwälder mit ihrer Vielzahl an spezialisierten und oft gefährdeten Tier- und Pflanzenarten sind aus Sicht des Natur- schutzes Zentren der Biodiversität („Hotspots“). Viele anspruchsvolle Arten der Eichenwälder sind allerdings nur eingeschränkt zur Fern- ausbreitung befähigt und daher auf die zeitliche Kontinuität ihres Lebensraums und seiner spezifischen Strukturen angewiesen. Das Forschungsprojekt „QuerCon – Dauerhafte Sicherung der Habitat- kontinuität von Eichenwäldern“ zeigt Wege zur Erhaltung des natur- schutzfachlichen Wertes von Eichenwäldern auf, die in eine ökono- misch erfolgreiche Eichenwirtschaft integriert werden können.

In diesem Beitrag werden Ergebnisse einer systematischen Inventur von Eichen-Altbeständen in den Wäldern des Landesforstbetriebs Sachsen-Anhalt vorgestellt, die Teil des QuerCon-Projektes war. Es wird deutlich, dass den untersuchten Beständen sowohl ein hoher naturschutzfachlicher als auch ein großer wirtschaftlicher Wert zu- kommt. Diese Werte im Rahmen einer multifunktionalen Forstwirt- schaft dauerhaft zu erhalten und neu zu entwickeln, erfordert Weit- sicht und eine gewissenhafte Forst- und Naturschutzplanung. Es wird ein Maßnahmenkonzept zur Erhaltung und Entwicklung von Eichenwaldlebensräumen in „Nachhaltigkeitseinheiten der Habitatkon- tinuität“ vorgestellt, bei dem die Retentions-Forstwirtschaft ein zentra- ler Baustein ist. Hierbei werden Habitatbäume, Habitatbaumgruppen oder ganze Teile des Bestandes bei Ernte- und Verjüngungsmaßnahmen erhalten. Ein zweiter Baustein ist die Fortführung oder Reaktivierung historischer Bewirtschaftungsformen mit lichten Bestandsstrukturen wie Mittel-, Nieder- oder Hutewald. Das Zulassen von natürlichen Stö- rungen in Prozessschutzflächen wie den sachsen-anhaltischen Natur- waldzellen kommt als dritter Baustein des Maßnahmenkonzepts hinzu.

Danksagung

Diese Studie wurde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) im Rahmen des Projektes „QuerCon – Dauerhafte Sicherung der Habi- tatkontinuität von Eichenwäldern“ (Aktenzeichen 32694/01) finanziell gefördert. Malte Dicke, Claudius Fricke, Werner Hiege, Carolin Schwarze und Maria Spletter haben die Bestandsinventuren mit größter Ge- wissenhaftigkeit durchgeführt. Martin Nitsche, Susanne Sprauer und Johannes Stockmann sorgten für eine sehr sorgfältige Eingabe und Auf- bereitung der Daten. Dr. Peer Schnitter (Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt) als Mitglied in der projektbegleitenden Arbeitsgruppe des QuerCon-Vorhabens sei für sehr hilfreiche Denkanstöße und die Bereitstellung von Geodaten zu Eichen-Lebensraumtypen gedankt.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 75 Literatur

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Anschrift der Autoren

Dr. Andreas Mölder Dr. Marcus Schmidt Dr. Peter Meyer Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt Abteilung Waldnaturschutz Professor-Oelkers-Str. 6 ∙ 34346 Hann. Münden Ralf-Volker Nagel Abteilung Waldwachstum Grätzelstr. 2 ∙ 37079 Göttingen E-Mail: andreas.moelder@nw­-fva.de marcus.schmidt@nw­-fva.de ralf­-volker.nagel@nw­-fva.de peter.meyer@nw­-fva.de

78 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Bienen, Wespen und Schwebfliegen (Hymenoptera, Diptera part.) auf Borken- käfer-Befallsflächen im Nationalpark Harz

CHRISTOPH SAURE & ANDREAS MARTEN

1 Einleitung

Die Wälder des Nationalparks Harz unterliegen einem deutlich sichtbaren Strukturwandel. Dies trifft insbesondere auf die Fich- tenwälder zu, die ca. 80 Prozent der Gesamtfläche des Schutzge- bietes bedecken. Induziert durch Windwürfe infolge wiederholter Sturmereignisse und forciert durch heiße und trockene Sommer befällt der Buchdrucker (Ips typographus) in zunehmendem Maße die Fichtenaltbestände, sodass diese großflächig in die Zerfalls- phase übergehen. Dies betrifft nicht nur die ehemals forstlich begründeten Fichtenwälder der mittleren Höhenlagen außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes der Fichte, sondern auch die teils sehr naturnahen Bergfichtenwälder der Hochlagen. Be- dingt durch differenzierte Ansätze im Flächenmanagement und die Verpflichtung zur konsequenten Borkenkäferbekämpfung in einem Sicherungsstreifen zu den wirtschaftenden Nachbarforsten (vgl. NATIONALPARK HARZ 2011), existieren im Nationalpark neben den naturbelassenen Befallsflächen auch zahlreiche Flächen, auf denen die befallenen Bäume beräumt wurden. So bietet sich die Gelegenheit, den Einfluss von Borkenkäfer-Massenvermehrungen einerseits und unterschiedlichem Management andererseits auf die Biodiversität und die Lebensgemeinschaften zu studieren. Im Jahr 2017 erfolgte daher eine Studie zur Besiedlung von Buchdru- cker-Befallsflächen durch Wildbienen, Wespen und Schwebfliegen (SAURE 2018), deren Ergebnisse hier vorgestellt werden. Bevor der Mensch damit begann, die Landschaft nutzbar zu machen und zu verändern, war Mitteleuropa größtenteils von Wald bedeckt (ELLENBERG & LEUSCHNER 2010). Große, geschlossene Waldbestände werden von licht- und wärmeliebenden Insekten weitgehend ge- mieden. Das gilt für die meisten Bienen ebenso wie für viele Wespen und Schwebfliegen. Natürliche oder naturnahe Waldgesellschaften mit hoher Eigendynamik bieten jedoch vielen Arten geeignete Lebensbedingungen. Sie zeichnen sich durch ein großes Angebot an Totholz verschiedenen Alters und Durchmessers sowie unterschied- lich große und strukturierte Bestandslücken und Lichtungen aus, die durch Störungen wie z. B. Sturm oder Borkenkäferbefall gebildet werden (SCHERZINGER 1996, KUHLMANN 1999, BOUGET & DUELLI 2004, MÜLLER et al. 2008, WESTRICH 2018).

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 79 Wildbienen sind eine artenreiche Hautflüglergruppe mit 418 bisher in Sachsen-Anhalt nachgewiesenen Arten. Davon gelten derzeit 57 Arten als ausgestorben oder verschollen (SAURE & STOLLE 2016). Die Bienenarten sind meist eng an ein bestimmtes Mikroklima, an ein Nistsubstrat, an bestimmte Nestbaumaterialien und Nah- rungsquellen gebunden. Sie sind abhängig von einem hohen und kontinuierlichen Blütenangebot im Umfeld ihrer Nester. Als Resul- tat einer ausgeprägten Brutfürsorge sind die Individuendichten besonders bei den solitär lebenden Arten oft sehr niedrig. Die Checkliste der Wespen Sachsen-Anhalts enthält 442 Arten, davon 60 ausgestorbene oder verschollene Arten (STOLLE & SAURE 2016). Diese Liste enthält aber nur aculeate Wespen, also diejeni- gen Wespen, die mit den Bienen enger verwandt sind und in der Regel auch über einen Wehrstachel verfügen. Im Gegensatz zu den Bienen besteht die Larvennahrung bei den Stechwespen (mit einer Ausnahme) aus tierischer Kost. Die Blütenbindung ist damit nicht so stark wie bei den Bienen. Viele Wespenarten sind aber streng an bestimmte Beutetiergruppen gebunden, beispielsweise an Blattläuse, Zikaden oder Spinnen. Schwebfliegen, eine auffällige Familie der Zweiflügler, sind in Sachsen-Anhalt mit 322 Arten vertreten, von denen 17 Arten als ausgestorben oder verschollen gelten (JENTZSCH et al. 2016). Im Gegensatz zu vielen Bienen und Wespen bevorzugen die meist schwach sklerotisierten Schwebfliegen schattige oder halbschat- tige Habitate an Waldrändern, auf Lichtungen oder in Gewässer- nähe. Die adulten Fliegen ernähren sich überwiegend von Nektar und Pollen. Die Larven sind dagegen artspezifisch Blattlaus- fresser, Minierer in lebenden Pflanzen oder im weitesten Sinne Fäulnisbewohner, die zerfallendes Pflanzenmaterial, Dung oder Holzmulm fressen oder in fauligen Gewässern als Filtrierer leben.

2 Untersuchungsgebiete und Probeflächen

Die untersuchten Gebiete befinden sich im Oberharz im sachsen- anhaltischen Teil des Nationalparks Harz (Abb. 1) im Bereich forstlich begründeter Fichtenbestände außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes der Fichte. An den zwei ausgewählten Standorten befinden sich in unmit- telbarer räumlicher Nähe zueinander sowohl beräumte als auch unberäumte Borkenkäferflächen. Je Untersuchungsgebiet wurde jeweils eine repräsentative Probefläche im beräumten bzw. unbe- räumten Zustand von circa zwei Hektar Größe ausgewählt. Das erste Untersuchungsgebiet liegt östlich des Eckerstausees im Bereich des Fohlenkopfes in einer Höhenlage von 570 bis 620 Meter ü. NHN. Das Gebiet, nachfolgend „Fohlenkopf“ genannt, ist durch

80 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Kl. Sandtal Fohlenkopf

Abb. 1: Lage der Untersuchungsgebiete „Fohlenkopf“ und „Kleines Sandtal“ im sachsen-anhaltischen Teil des Nationalparks Harz. altersgleiche Fichtenbestände und ausgedehnte Kahlflächen geprägt. Hinzu kommt die Nähe zum Stausee und dessen Uferstrukturen. Auf beiden Probeflächen sind 2009 die Fichten durch Buchdruckerbefall abgestorben. In der Vegetationskarte des Nationalparks sind beide Flächen noch als Fichtenforst bzw. Schlängelschmielen-Reitgras-Fich- tenforst erfasst (KARSTE et al. 2011). Die beräumte Fläche hat einen von Fichtenstümpfen durchsetzten sehr offenen Charakter (Abb. 2).

Abb. 2: Fohlenkopf, beräum- te Borkenkäferfläche am 21. Juni 2017. Foto: C. Saure.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 81 Abb. 3: Fohlenkopf, Rand der unberäumten Borkenkäferflä- che mit Rotem Fingerhut Digitalis purpurea am 21. Juni 2017. Foto: C. Saure.

Vereinzelt ist stehendes Fichtentotholz verblieben, wohingegen lie- gendes Totholz weitgehend fehlt. Punktuell verjüngt sich die Fichte. Die von Gräsern dominierte Krautschicht ist dicht geschlossen. Auf der unberäumten Fläche besteht ein sehr hohes Angebot an stehendem und liegendem Fichtentotholz (Abb. 3).

Die Verjüngung wird von bis zu zwei Meter hohen Birken dominiert. Brombeere und Himbeere komplettieren die weitgehend geschlos- sene Strauchschicht. Inselartig eingestreut lichtet sich die Strauch- schicht für eine von Wolligem Reitgras (Calamagrostis villosa) domi- nierte Krautschicht (Abb. 4).

Abb. 4: Fohlenkopf, unbe- räumte Borkenkäfer- fläche mit gelber Farbschale am 31. August 2017. Foto: A. Marten.

82 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Auf der unberäumten Teilfläche blühten überwiegend Himbeere (Rubus idaeus) und Echte Brombeere (Rubus fruticosus agg.), in sehr geringem Umfang auch Schmalblättriges Weidenröschen (Epilobium angustifolium) und Fuchssches Greiskraut (Senecio ovatus). In Rand- lage kam Roter Fingerhut (Digitalis purpurea) als weitere wichtige Nahrungspflanze hinzu (Abb. 3). Auf der beräumten Teilfläche blühte außerdem noch Gamander-Ehrenpreis (Veronica chamaedrys) und Sumpf-Kratzdistel (Cirsium palustre).

Das zweite Untersuchungsgebiet befindet sich südwestlich der Stadt Ilsenburg im Kleinen Sandtal, einem Seitental des Ilsetals. Es handelt sich um einen südwestexponierten steileren Hang in einer Höhen- lage von 480 bis 540 Meter ü. NHN. Das Gebiet, nachfolgend „Kleines Sandtal“ genannt, ist ebenfalls von altersgleichen Fichtenbeständen und ausgedehnten Kahlflächen geprägt. Hier sind die Fichten auf der beräumten Probefläche bereits im Jahr 2007 abgestorben, während auf der unberäumten Fläche der Buchdrucker den Bestand im Jahr 2008 zum Absterben gebracht hat. In der Vegetationskarte sind beide Flächen noch als Fichtenforst erfasst (KARSTE et al. 2011). Die beräumte Fläche wird von Fichtenstümpfen und mancherorts größeren An- sammlungen liegenden Fichtentotholzes geprägt (Abb. 5).

Der Charakter ist sehr offen mit punktueller Verjüngung von Birke und Fichte. Die Krautschicht ist stellenweise sehr lückig und niedrig- wüchsig mit zahlreichen offenen Bodenstellen (vgl. Abb. 9). Auf der unberäumten Fläche besteht ein sehr hohes Angebot an stehendem und liegendem Fichtentotholz (Abb. 6)

Abb. 5: Kleines Sandtal, beräumte Borken- käferfläche am 10. September 2017. Foto: C. Saure.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 83 Abb. 6: Kleines Sandtal, unberäumte Bor- kenkäferfläche mit Kreuzfensterfalle am 31. August 2017. Foto: A. Marten.

Die Gehölzverjüngung wird von Birke und Fichte dominiert, vereinzelt findet sich Eberesche. Der Charakter ist insgesamt bei hoher Struktur- vielfalt geschlossener und die Vegetation dichter. Auf der unberäum- ten Fläche blühten als nennenswerte Nektar- und Pollenquellen nur Rubus fruticosus agg., Rubus idaeus und Epilobium angustifolium. Auf der beräumten Fläche blühte außerdem noch Echter Ehrenpreis (Vero- nica officinalis), Quell-Sternmiere (Stellaria alsine), Blutwurz (Poten- tilla erecta), Wald-Erdbeere (Fragaria vesca), Gewöhnlicher Hornklee (), Digitalis purpurea sowie Gewöhnliches Habichts- kraut (Hieracium lachenalii).

In der Umgebung der Borkenkäferflächen fanden stichprobenartig zusätzliche Bestandsaufnahmen statt. Folgende Flächen bzw. Struktu- ren wurden untersucht: • Heidefläche am nordöstlichen Ufer des Eckerstausees (Abb. 7) • blühender Weißdorn (Crataegus) am nordöstlichen Rand des Eckerstausees • Wegböschung nahe des Großen Gierskopfes (Abb. 8) • Wiese an der Rangerstation Scharfenstein.

84 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Abb. 7: Calluna-Heide am nordöstlichen Ufer des Eckerstausees am 23. August 2017. Foto: C. Saure.­

Abb. 8: Großer Gierskopf, südexponierte Wegböschung am 23. August 2017. Foto: C. Saure.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 85 3 Methodik

3.1 Untersuchungszeitraum und Nachweismethoden

Aufgrund der niedrigen Frühjahrstemperaturen in den montanen Höhenlagen des Harzes konnte erst gegen Mitte Mai 2017 mit der Untersuchung begonnen werden. Die Erfassungstermine wurden so gewählt, dass die Phänologien der Arten der bearbeiteten Insekten- gruppen weitgehend abgedeckt waren. So begannen die Freiland- untersuchungen am 11. Mai mit dem Aufbau der Fallen und einzelnen Handfängen. Die Leerung der Fallen erfolgte im zwei­wöchigen Rhyth- mus. Nach acht Fangperioden wurden die Fallen am 31. August 2017 abgebaut. Kescherfänge fanden neben dem 11. Mai noch an weiteren sechs Terminen statt, zuletzt am 10. September 2017. Die zusätzlichen Flächen wurden mit deutlich geringerem Aufwand beprobt. Es fanden hier nur vereinzelte Handaufsammlungen statt, an der Wegböschung nahe des Großen Gierskopfes außerdem auf wenige Stunden beschränkte Gelbschalenfänge. Als Standard-Nachweismethode diente der gezielte Sichtfang mit ei- nem Insektenkescher, der sich allerdings vor allem auf den nur schwer

Abb. 9: Anordnung der drei eingesetzten Farb- schalen auf der be- räumten Borkenkä- ferfläche im Kleinen Sandtal am 12. Mai 2017. Foto: A. Marten.

86 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 zugänglichen unberäumten Borkenkäferflächen als wenig effektiv erwies. Hier konnten kaum bzw. nur im Randbereich Kescherfänge durchgeführt werden. Daher war es zur Erfassung eines möglichst breiten Artenspektrums unumgänglich, als zusätzliche Erfassungsme- thode Farbschalen einzusetzen. Auf allen Probeflächen wurde jeweils eine weiße, gelbe und blaue Farbschale in dreieckiger Anordnung am Boden fixiert (Abb. 9). Als Gelbschale wurde das Modell Rondo der Firma Temmen mit einem Durchmesser von ca. 23 Zentimetern ver- wendet. Als Weiß- und Blauschalen dienten handelsübliche Plas- tikschüsseln aus dem Haushaltsbedarf mit einem Durchmesser von 18 Zentimetern. Um die ineffektiven Handfänge auf den unberäumten Probeflächen weiter zu ergänzen, kamen nur dort zusätzlich zu den Farbschalen Kreuzfensterfallen zum Einsatz, die in ca. zwei Meter Höhe an vorhandenen Strukturen aufgehängt wurden (Abb. 6). Als Fang- und Konservierungsflüssigkeit wurde eine dreiprozentige Form- aldehydlösung verwendet.

3.2 Nomenklatur

Bei den Bienen richtet sich die Nomenklatur überwiegend nach SCHEUCHL & WILLNER (2016). Die Wespenbiene glabella THOMSON, 1870 wird dort als eigenständige Art betrachtet. Andere Autoren (SCHWARZ et al. 1996, AMIET et al. 2007, WESTRICH 2018, SMIT 2018) halten Nomada glabella dagegen für artgleich mit Nomada panzeri LEPELETIER, 1841. Zur Nomenklatur der Wespen wurden verschiedene Werke herange- zogen, vor allem JACOBS (2007) für die Grabwespen, WAHIS (2006) für die Wegwespen, GEREYS (2016) für die Faltenwespen und WIŚNIOWSKI (2015) für die Goldwespen. Für die heimischen Wegwespen der Gat- tung Dipogon wird der neue Gattungsname Deuteragenia verwendet (LELEJ & LOKTIONOV 2012). Kompliziert wird mit STRAKA (2016) die Bestimmung des Grabwespenkomplexes Tachysphex pompiliformis/ T. austriacus, welcher in mehrere, morphologisch kaum unterscheidbare­ Arten aufgespalten wurde. Bei den im Harz nachgewiesenen Individu- en handelt es sich sehr wahrscheinlich um Tachysphex jokischianus (PANZER, 1809), dem in Deutschland wohl häufigsten Taxon aus dieser Artengruppe. Die Nomenklatur der Schwebfliegen richtet sich nach ARTSCHB et al. (2009a, b), SSYMANK et al. (2011) und SPEIGHT (2018). Die Art Dasysyr- phus nigricornis (VERRALL, 1873) wurde in der Vergangenheit, z. B. in der Checkliste für Sachsen-Anhalt von JENTZSCH et al. (2016), unter dem Namen lenensis BAGATSHANOVA, 1980 geführt. Die Synonymisierung geht auf BARKALOV (2007) zurück. Zur Verwendung des Namens Microdon myrmicae (SCHÖNROGGE et al. 2002) siehe die Anmerkung im Kapitel 6.2.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 87 4 Ergebnisse Bienen

4.1 Artenbestand und Dominanzverteilung

Auf den im Jahr 2017 untersuchten Flächen wurden 101 Wildbienen- arten aus sechs Familien nachgewiesen (Anh. 1, S. 125). Dies entspricht 28 Prozent der aktuell in Sachsen-Anhalt vor­kommenden Wildbienen- arten (vgl. SAURE & STOLLE 2016). 93 Arten wurden auf den Borken- käferflächen gezählt, acht weitere Arten wurden nur in den zusätzlich bearbeiteten Gebieten bzw. Habitatstrukturen festgestellt. Die Honig- biene Apis mellifera, die in Deutschland in ihrer Wildform ausgestor- ben ist, wird hier nicht weiter berücksichtigt. Sie war auf allen Borken- käferflächen in niedrigen Individuendichten vertreten. 26 Bienenarten sind nach unserem Kenntnisstand Erstnachweise für den Nationalpark Harz (in Anh. 1 mit Asterisk (*) markiert), d. h. sie wurden in der Literatur bisher weder für den sachsen-anhaltischen noch für den niedersächsischen Teil des Nationalparks genannt (BUR- GER 2008, 2010; BURGER et al. 2006; MEINEKE & MENGE 2013; THEUNERT 2003, 2005, 2007a, 2016). Auch in der Artendatenbank der National- parkverwaltung waren diese noch nicht enthalten. Im Untersuchungsgebiet Fohlenkopf wurden 77 und im Kleinen Sandtal 75 Arten erfasst. Davon konnte mit 59 Arten ein recht hoher Anteil in beiden Gebieten nachgewiesen werden. Die Probefläche „Kl. Sandtal beräumt“ ist mit 65 Arten die artenreichste Fläche, gefolgt von „Fohlenkopf beräumt“ mit 60 Arten, „Kl. Sandtal unberäumt“ mit 59 Arten und „Fohlenkopf unberäumt“ mit 58 Arten (Abb. 10).

Abb. 10: Fohlenkopf ber. Anzahl der erfassten Wildbienenarten in den Borkenkäferflä- Fohlenkopf unber. chen. Der vollfarbige Bereich zeigt die An- zahl gemeinsamer Kl. Sandtal ber. Arten, der punk- tierte Bereich die Anzahl exklusiver Kl. Sandtal unber. Arten pro Probeflä- che im Vergleich der Flächenpaare des 0 10 20 30 40 50 60 70 jeweiligen Untersu- Anzahl Arten chungsgebietes.

88 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Die zwei Probeflächen im Kleinen Sandtal weisen mit 49 gemeinsa- men Arten eine etwas größere Ähnlichkeit in der Artenzusammenset- zung auf als die Flächen am Fohlenkopf mit 41 gemeinsamen Arten. Insgesamt wurden 2.617 Wildbienenindividuen gezählt, davon 1.904 Weibchen und 713 Männchen. Die 2.544 auf den Borkenkäferflächen ge- zählten Individuen sind relativ gleichmäßig über diese verteilt (Abb. 11).

Abb. 11: Anzahl der Wild- Fohlenkopf ber. bienenindividuen in den Borkenkäferflä- chen. Der vollfarbige Fohlenkopf unber. Bereich zeigt die Individuenzahl der gemeinsamen Kl. Sandtal ber. Arten, der punk- tierte Bereich die Individuenzahl der Kl. Sandtal unber. exklusiven Arten pro Probefläche im Ver- gleich der Flächen- 0 100 200 300 400 500 600 700 paare des jeweiligen Anzahl Individuen Untersuchungsge- bietes.

Auf Probefläche „Fohlenkopf unberäumt“, die Fläche mit der gerings- ten Artenzahl, wurde mit 687 Individuen die höchste Anzahl erreicht. Es folgen „Fohlenkopf beräumt“ mit 633, „Kl. Sandtal unberäumt“ mit 619 und „Kl. Sandtal beräumt“ mit 605 Individuen. Betrachtet man im Vergleich der jeweiligen Probeflächenpaare die Individuenzahl der jeweils nur auf einer der beiden Flächen nachgewiesenen Arten, so ist diese verschwindend gering. Exklusive Arten wurden nur in geringer Individuenzahl erfasst. Dies unterstreicht die große Ähnlichkeit der Lebensgemeinschaften in den beräumten und unberäumten Borken- käferflächen des jeweiligen Untersuchungsgebietes und relativiert die Unterschiede bei Betrachtung der reinen Ar­tenzahlen (Abb. 10).

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 89 Zwei Drittel der insgesamt gezählten Individuen entfallen auf die elf häufigsten Wildbienenarten (Abb. 12).

Bombus lucorum Bombus pratorum Bombus pascuorum Hylaeus confusus Andrena coitana Halictus tumulorum Hylaeus difformis Abb. 12: Lasioglossum leucopus Wildbienenarten Hylaeus angustatus mit den höchsten Bombus hortorum Individuenzahlen (Summe aller 0 100 200 300 400 500 600 700 Flächen und Anzahl Individuen Sammelmethoden).

Dabei dominieren, wie zu erwarten, die zu den Wildbienen ge- hörenden staatenbildenden Hummeln. Nach der logarithmischen Staffelung der Dominanzindices (ENGELMANN in MÜHLENBERG 1993) ergibt sich eine steile Dominanzkurve mit zwei dominanten Arten (: 626 Exemplare = 23,9 %, Bombus pratorum: 297 Exemplare = 11,3 %). Es folgen vier subdominante Arten mit Dominanzwerten zwischen 6,3 und 3,7 Prozent (Bombus pascuorum: 165, Hylaeus confusus: 143, Bombus bohemicus: 99 und Andrena coitana: 96 Individuen). Alle übrigen 95 Wildbienenarten zählen zu den soge- nannten Begleitarten mit Dominanzen unter 3,2 Prozent. Viele Arten wurden nur in wenigen Individuen nachgewiesen, 40 Arten sogar nur in maximal drei Individuen.

Wie zu erwarten sind die individuenreich nachgewiesenen Arten überwiegend anspruchslose „Allerweltsarten“. Mit Andrena coitana und Hylaeus difformisbefinden sich aber auch zwei anspruchsvolle waldaffine Arten darunter.

4.2 Seltene, gefährdete und naturschutzfachlich wertvolle Arten

Anhang 1 enthält Angaben zur Bestandssituation der nachgewiesenen Bienen im Land Sachsen-Anhalt (nach SAURE & STOLLE 2016). Demnach sind drei Arten landesweit „sehr selten“, 16 Arten „selten“, 38 Arten „mäßig häufig“, 26 Arten „häufig“ und 15 Arten „sehr häufig“. Die Arten Bombus cryptarum und Nomada glabella werden von SAURE &

90 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 STOLLE (2016) nicht eingestuft bzw. nicht gelistet (zum Artstatus von Nomada glabella siehe Kapitel 3.2). Die Art Chelostoma distinctum wird noch als „ausgestorben“ geführt, konnte aber in den vergange- nen Jahren mehrfach in Sachsen-Anhalt nachgewiesen werden.

Der Anteil landesweit gefährdeter Bienenarten an der Gesamtzahl von 101 nachgewiesenen Arten beträgt 32 Prozent. Bundesweit sind neun Prozent der nachgewiesenen Arten einer Gefährdungskategorie zugeordnet (Tab. 1).

Durch die BUNDESARTENSCHUTZVERORDNUNG sind alle wildlebenden Bienenarten in Deutschland besonders geschützt.

Nachgewiesene gefährdete Bienenarten Kategorie nach Roter Liste (RL) Sachsen-Anhalt Deutschland (RL ST) (RL D)

0: Ausgestorben oder verschollen 1 –

1: Vom Aussterben bedroht 2 –

2: Stark gefährdet 13 2 Tab. 1: 3: Gefährdet 12 7 Anzahl der nach- gewiesenen G: Gefährdung unbekannten Ausmaßes 4 – landesweit (BURGER V: Vorwarnstufe 6 12 & RUHNKE 2004) und bundesweit D: Daten defizitär – 1 (WESTRICH et al. 2011) gefährdeten Summe Rote Liste (ohne V und D) 32 9 Bienenarten.

Auf einige bemerkenswerte Arten wird nachfolgend eingegangen. Die Arten werden syste­matisch nach Familien aufgeführt (vgl. Tab. 1 im Anh., S. 125 ff.).

Andrena coitana (KIRBY, 1802) Die Bergwald-Sandbiene besiedelt Wälder und Waldrandstrukturen von der Ebene bis in die subalpine Höhenstufe. Heutzutage kommt sie in Deutschland kaum noch im Flachland vor. Die Art ist nicht auf be- stimmte Pollenquellen spezialisiert und nistet wie alle Andrena-Arten im Erdboden. Im Gegensatz zu den meisten Arten kann sie ihre Nester aber auch an schattigen oder halbschattigen Bodenstellen anlegen (SCHEUCHL & WILLNER 2016, WESTRICH 2018). Die Art gilt in Sachsen- Anhalt als selten (SAURE & STOLLE 2016) und als vom Aussterben be- droht (BURGER & RUHNKE 2004). In Deutschland wird sie als gefährdet eingestuft (WESTRICH et al. 2011). Diese für den Harz sehr charakteris- tische Art wurde in 96 Individuen nachgewiesen. Sie konnte auf allen Borkenkäferflächen festgestellt werden.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 91 Nomada obtusifrons NYLANDER, 1848 Die Stumpfkielige Wespenbiene bewohnt dieselben Lebensräume wie ihre Wirtsbiene Andrena coitana. Damit gehört auch Nomada obtusifrons zu den charakteristischen Arten der Harzregion. Wie ihr Wirt wurde sie auf allen Borkenkäferflächen bis auf „Fohlenkopf unberäumt“ festgestellt, allerdings mit neun Exemplaren in deutlich geringerer Individuenzahl. Nomada obtusifrons gilt in Sachsen-Anhalt als selten (SAURE & STOLLE 2016). Die Art wurde erst 2006 aus dem Hochharz erstmals für das Bundesland gemeldet (BURGER et al. 2006). In Deutschland gilt die Art als stark gefährdet (WESTRICH et al. 2011).

Hylaeus difformis (EVERSMANN, 1852) Die Beulen-Maskenbiene zählt zu den waldaffinen Arten. Sie bewohnt neben Wald- und Waldrandstrukturen auch Hecken und Obstwiesen und kommt vom Flachland bis in die montane Höhenstufe vor. Die hinsichtlich der Pollenquellen unspezialisierte Art nistet in vorhan­ denen oberirdischen Hohlräumen, vor allem in Käferfraßgängen in Totholz. Sie kann aber auch in selbstgenagten Gängen in markhal- tigen Stängeln nisten (SCHEUCHL & WILLNER 2016, WESTRICH 2018). In Sachsen-Anhalt liegt der Verbreitungsschwerpunkt der Art in den montanen Zonen des Harzes. Sie gilt im Bundesland als sehr selten (SAURE & STOLLE 2016). BURGER & RUHNKE (2004) stufen sie als gefähr- det im unbekannten Ausmaß ein. Bundesweit gilt sie als nicht gefähr- det (WESTRICH et al. 2011). Hylaeus difformis wurde im Gebiet auf allen Borkenkäferflächen sowie in benachbarten Flächen mit insgesamt 64 Individuen nachgewiesen.

Osmia parietina CURTIS, 1828 Die Waldrand-Mauerbiene zählt ebenso zu den waldaffinen Arten, die lichte Wälder und Waldränder von der Ebene bis in die subalpine Region besiedelt. Die Art nistet in Baumstrünken oder abgestorbenen Ästen. Wie alle Arten der Familie Megachilidae benötigt sie zum Nest- bau bestimmte Baumaterialien, in diesem Fall Pflanzenmörtel aus zerkauten Blättern. Die Art ist zwar polylektisch, sammelt aber Pollen mit Vorliebe an Schmetterlingsblütlern (SCHEUCHL & WILLNER 2016, WESTRICH 2018). In Sachsen-Anhalt zählt die Art zu den charakteristi- schen Bewohnern des Harzes. Sie gilt im Bundesland als sehr selten (SAURE & STOLLE 2016) und stark gefährdet (BURGER & RUHNKE 2004). In Deutschland wird sie als gefährdet eingestuft (WESTRICH et al. 2011). Im Untersuchungsgebiet wurde Osmia parietina ausschließlich auf der Probefläche „Kl. Sandtal beräumt“ nachgewiesen, und zwar in drei Individuen.

92 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Megachile nigriventris (SCHENCK, 1870) Die Schwarzbürstige Blattschneiderbiene bewohnt Wälder und Wald- säume vom Flachland bis in die subalpine Höhenstufe. Im Gebirge ist sie auch im Offenland anzutreffen. Die Nester werden im morschen Holz, auch in Holzpfosten, angelegt. Dabei werden die Brutzellen aus miteinander verklebten Blattstückchen von Laubbäumen und -sträu- chern, vor allem aber von Weidenröschen, errichtet. Der Pollen zur Brutversorgung wird an Schmetterlingsblütlern gesammelt, vereinzelt auch an Pflanzen anderer Familien (SCHEUCHL & WILLNER 2016, WESTRICH 2018). In Sachsen-Anhalt gilt die waldaffine Art als sehr selten (SAURE & STOLLE 2016). Sie wurde erstmalig in diesem Bundes- land im Jahr 2013 bei Quedlinburg nachgewiesen (STOLLE in litt.). Im Westharz wurde sie im Jahr 2010 bei Clausthal-Zellerfeld und in Walkenried erstmalig für Niedersachsen belegt (THEUNERT 2011). In Deutschland wird die Art als nicht gefährdet eingestuft (WESTRICH et al. 2011). Im Untersuchungsgebiet wurden sieben Individuen dieser Art festgestellt. Während sie auf beiden Probeflächen im Kleinen Sandtal sowie auf den zusätzlich untersuchten Flächen an der Rangerstation Scharfenstein und am Großen Gierskopf vorkommt, fehlen Nachweise auf den Flächen am Fohlenkopf.

Bombus jonellus (KIRBY, 1802) Die Heidehummel (Abb. 13) bewohnt Moore, Sand- und Bergheiden sowie lichte Kiefernwälder. Sie kommt von der Ebene bis in die sub- alpine Höhenstufe vor. Die Nester werden in unter- oder oberirdischen

Abb. 13: Männchen der Heidehummel Bombus jonellus an Brombeerblüte. Foto: S. Kühne.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 93 Hohlräumen, aber auch unter Moospolstern oder in Vogelnestern an- gelegt. Die Art ist wie alle in Deutschland vorkommenden pollensam- melnden Hummelarten polylektisch, sammelt aber im Frühjahr gern Vaccinium-Pollen (SCHEUCHL & WILLNER 2016, WESTRICH 2018). Die Art wird für Sachsen-Anhalt als selten eingestuft (SAURE & STOLLE 2016) und wurde erst 2003 im Hochharz neu für das Bundesland festge- stellt (BURGER & RUHNKE 2004). Nach letztgenannten Autoren ist sie in Sachsen-Anhalt in unbekanntem Ausmaß gefährdet. Bundesweit gilt sie als gefährdet (WESTRICH et al. 2011). Im Untersuchungsgebiet wurde Bombus jonellus ausschließlich auf der Probefläche „Fohlen- kopf unberäumt“ nachgewiesen, und zwar in vier Individuen. Für das dortige Vorkommen sind mutmaßlich die unmittelbar angrenzenden Heideflächen am Eckerstausee von Bedeutung.

4.3 Bindung an Habitatstrukturen und charakteristische Arten

Arten mit Pollenspezialisierung Zu den ökologisch anspruchsvollen Arten gehören die oligolektischen Arten, also Arten mit einer engen Bindung an bestimmte Pollenquel- len. Diese Bienen sammeln in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet auch beim Vorkommen anderer Pflanzen nur an bestimmten Pflan- zenarten, -gattungen oder -familien Blütenpollen zur Versorgung ihrer Brut (WESTRICH 2018). Die Pollenquellen der im Untersuchungs- gebiet festgestellten oligolektischen Bienen werden im Anhang 1 genannt. Insgesamt gelten 17 nachgewiesene Bienenarten als oligolektisch, sieben davon sind sogar streng oligolektisch, d. h. auf einzelne Pflan- zengattungen spezialisiert (im Gebiet auf die Gattungen Campanula, Epilobium, Ranunculus, Vaccinium und Veronica). Die meisten oligolektischen Arten wurden auf den Flächen „Fohlen- kopf beräumt“ (neun Arten in 23 Individuen) und Fläche „Kl. Sandtal beräumt“ (neun Arten in 19 Individuen) festgestellt. Weniger Nah- rungsspezialisten wurden auf den Flächen „Fohlenkopf unberäumt“ (sechs Arten in 15 Individuen) und „Kl. Sandtal unberäumt“ (sechs Arten in 21 Individuen) nachgewiesen. Damit wurden auf den be- räumten Flächen mehr oligolektische Arten festgestellt als auf den unberäumten Flächen. Das kann mit der etwas größeren Blütenviel- falt der beräumten Flächen zusammenhängen.

Arten mit Holzbindung Einige Bienenarten nisten ausschließlich oder zumindest fakultativ in Holzstrukturen, vor allem in Käferfraßgängen (z. B. Chelostoma distinctum), aber auch in Morschholz (Anthophora furcata, Megachile nigriventris) oder in Baumhöhlen (Bombus hypnorum). Zu den Arten

94 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 mit Bindung an Holz werden hier auch die bei den Holznistern parasi- tierenden Arten gezählt (Coelioxys rufescens, Bombus norvegicus). Im Untersuchungsgebiet wurden insgesamt 22 Arten mit einer Af- finität zu Holz festgestellt (Anh. 1). Auf den Flächen am Fohlenkopf wurden jeweils zehn und auf den Flächen im Klei­nen Sandtal jeweils zwölf dieser Arten gezählt. Deutliche Unterschiede in der Besiedlung der beräumten und unberäumten Flächen sind somit nicht zu erken- nen. Auffallend ist jedoch das individuenreiche Vorkommen der z. B. in Käferfraßgängen und anderen Hohlräumen im Holz nistenden Mas- kenbiene Hylaeus angustatus auf der beräumten Fläche im Kleinen Sandtal.

Charakterarten Unter den im Jahr 2017 nachgewiesenen Bienen befinden sich 16 Arten, die charakteristisch sind für den Lebensraum Wald und für die kolline und montane Höhenstufe (Anh. 1). Die meisten dieser Arten sind waldaffin, kommen aber historisch nicht nur in höheren Lagen, sondern auch im Flachland vor. Jedoch wurden einige Arten durch die intensive Landbewirtschaftung im Flachland verdrängt und besitzen heutzutage ihren aktuellen Verbreitungsschwerpunkt im Hügel- oder Bergland (vgl. SCHEUCHL & WILLNER 2016, WESTRICH 2018). Auf den Flächen im Gebiet „Fohlenkopf“ wurden jeweils zehn und auf den Flächen im Gebiet „Kl. Sandtal“ 12 (beräumt) bzw. 13 (unberäumt) dieser charakteristischen Arten nachgewiesen.

5 Ergebnisse Wespen

5.1 Artenbestand und Dominanzverteilung

Im Rahmen der aktuellen Untersuchung wurden 87 Wespenarten aus zwölf Familien nach­gewiesen (Anh. 2, S. 131 ff.). Zwölf Arten gehören zu den Familien , Evaniidae, Bethylidae und Dryinidae, die in der Checkliste der Wespen Sachsen-Anhalts (STOLLE & SAURE 2016) nicht bearbeitet wurden. Die übrigen 75 Arten machen ca. 20 Prozent der aktuell in Sachsen-Anhalt vorkommenden und gelisteten Arten aus. Acht Arten wurden aus­schließlich auf den zusätzlich be- arbeiteten Flächen bzw. Habitatstrukturen festgestellt. 36 Wespenarten sind nach unserer Kenntnis neu für den Nationalpark Harz (in Anh. 2 mit Asterisk (*) markiert). In den Arbeiten von BURGER (2008, 2010), BURGER et al. (2006), MEINEKE & MENGE (2013) und THEUNERT (2005) werden diese nicht genannt. Auch in der Artendaten- bank der Nationalparkverwaltung waren diese Arten nicht gelistet. Im Untersuchungsgebiet Kleines Sandtal wurden 66 Arten und am Fohlenkopf 47 Arten erfasst. Davon wurden 34 Arten in beiden

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 95 Gebieten nachgewiesen. Die Probefläche „Kl. Sandtal beräumt“ ist mit 48 Arten die artenreichste Fläche, gefolgt von „Kl. Sandtal unbe- räumt“ mit 43 Arten. Die Probeflächen am Fohlenkopf zeigen etwas niedrigere Arten­zahlen, „Fohlenkopf beräumt“ 31 Arten und „Fohlen- kopf unberäumt“ 33 Arten (Abb. 14).

Abb. 14: Fohlenkopf ber. Anzahl der erfassten Wespenarten in den Borkenkäferflächen. Fohlenkopf unber. Der vollfarbige Bereich zeigt die An- zahl gemeinsamer Kl. Sandtal ber. Arten, der punk- tierte Bereich die Anzahl exklusiver Kl. Sandtal unber. Arten pro Probeflä- che im Vergleich der Flächenpaare des 0 10 20 30 40 50 jeweiligen Untersu- Anzahl Arten chungsgebietes.

Im Gegensatz zu den Wildbienen unterscheidet sich die Artenzusam- mensetzung der erfassten Wespen deutlicher innerhalb der jeweiligen Probeflächenpaare (nur 17 gemeinsame Arten im Gebiet Fohlenkopf und 25 gemeinsame Arten auf den Flächen im Kl. Sandtal). Knapp die Hälfte der Arten wurde jeweils nur auf einer der beiden Probeflächen am Fohlenkopf bzw. im Kleinen Sandtal nachgewiesen.

Von den 1.126 gezählten Wespenindividuen sind 760 weiblichen und 366 männlichen Geschlechts. Wie schon bei den Artenzahlen wer- den auch bei den Individuenzahlen im Kleinen Sandtal höhere Werte erreicht als am Fohlenkopf. Von den 1.050 in den Borkenkäferflächen gezählten Tieren entfallen knapp 64 Prozent auf das Kleine Sandtal. Dies hängt vor allem mit dem deutlich individuenreicheren Auftreten der sozialen Faltenwespe Vespula vulgaris auf den dortigen Probeflä- chen zusammen. Mit 350 Tieren ist die Fläche „Kl. Sandtal beräumt“ am individuenreichsten, gefolgt von „Kl. Sandtal unberäumt“ mit 318 Tieren und „Fohlenkopf unberäumt“ sowie „Fohlenkopf beräumt“ mit jeweils 191 Tieren (Abb. 15).

96 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Abb. 15: Anzahl der Wespen- individuen in den Fohlenkopf ber. Borkenkäferflächen. Der vollfarbige Fohlenkopf unber. Bereich zeigt die Individuenzahl der gemeinsamen Kl. Sandtal ber. Arten, der punk- tierte Bereich die Individuenzahl der Kl. Sandtal unber. exklusiven Arten pro Probefläche im Ver- gleich der Flächen- 0 50 100 150 200 250 300 350 400 paare des jeweiligen Anzahl Individuen Untersuchungsge- bietes.

Betrachtet man die Individuen der exklusiv jeweils nur auf einer der beiden Flächen pro Untersuchungsgebiet nachgewiesenen Arten, so ist deren Anteil gering. Exklusive Arten wurden in der Regel nur mit wenigen Individuen erfasst. Dies unterstreicht auch hier die große Ähnlichkeit der Lebensgemeinschaften in den unterschiedlich behan- delten Borkenkäferflächen des jeweiligen Untersuchungsgebietes und relativiert die deutlicheren Unterschiede bei Betrachtung der reinen Artenzahlen (Abb. 14). Eine Ausnahme scheint in dieser Hinsicht die Probefläche „Kl. Sandtal beräumt“ darzustellen, da der Individuen- anteil der exklusiven Arten heraussticht (Abb. 15). Dies ergibt sich aber fast ausschließlich aus dem mit 48 Tieren individuenstarken Nachweis der Wegwespe Arachnospila ausa, die innerhalb der Borkenkäferflä- chen nur hier beobachtet wurde (vgl. Anh. 2).

Vespula vulgaris Mimumesa dahlbomi Trypoxylon minus Priocnemis perturbator borealis Arachnospila ausa Anoplius nigerrimus Arachnospila spissa Brachygaster minuta Abb. 16: Arachnospila anceps Wespenarten mit Priocnemis hyalinata den höchsten Individuenzahlen 0 50 100 150 200 250 300 350 (Summe aller Flä- Anzahl Individuen chen und Sammel- methoden).

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 97 Wenig überraschend weist mit Vespula vulgaris eine soziale Falten- wespe die mit Abstand höchsten Individuenzahlen auf (Abb. 16).

Nach der logarithmischen Staffelung der Dominanzindices (ENGEL- MANN in MÜHLENBERG 1993) ergibt sich eine steile Dominanzkurve mit nur einer dominanten Art (Vespula vulgaris: 298 Exemplare = 26,5 Prozent) und sechs subdominanten Arten mit Dominanzwerten zwischen 9,4 und 4,4 Prozent (Mimumesa dahlbomi: 106, Trypoxy- lon minus: 100, Priocnemis perturbator: 67, Ectemnius borealis: 58, Arachnospila ausa: 49 und Anoplius nigerrimus: 49 Individuen). Die übrigen 80 Wespenarten zählen zu den Begleitarten mit Dominanzen unter 3,2 Prozent. Viele Arten wurden nur in wenigen Individuen nach- gewiesen, 53 Arten in maximal drei Exemplaren, davon 40 Arten sogar nur in einem Individuum.

5.2 Seltene, gefährdete und naturschutzfachlich wertvolle Arten

Im Anhang 2 wird auf die Bestandssituation der nachgewiesenen Wespen im Land Sachsen-Anhalt eingegangen (nach STOLLE & SAURE 2016). Danach sind fünf der aktuell nachgewiesenen Arten landesweit „sehr selten“, sieben Arten „selten“, 13 Arten „mäßig häufig“, 22 Arten „häufig“ und 21 Arten „sehr häufig“. Die Arten Polistes biglumis und Evagetes sahlbergi galten bislang im Bundesland Sachsen-Anhalt als ausgestorben oder verschollen. Die Arten Stenodynerus picticrus, Anoplius tenuicornis und Evagetes alamannicus sind neu für Sachsen- Anhalt und Homonotus niger gilt erst seit kurzem wieder als eigen- ständige Art (s. u.).

Nachgewiesene gefährdete Wespenarten Kategorie nach Roter Liste (RL) Sachsen-Anhalt Deutschland (RL ST) (RL D)

0: Ausgestorben oder verschollen 1 –

1: Vom Aussterben bedroht – –

2: Stark gefährdet 2 – Tab. 2: Anzahl der nachge- 3: Gefährdet 3 3 wiesenen landes- G: Gefährdung unbekannten Ausmaßes 3 2 weit (STOLLE et al. 2004, STOLLE & R: Extrem selten 1 1 BURGER 2004) V: Vorwarnstufe – 1 und bundesweit (SCHMID-EGGER D: Daten defizitär 2 1 2011) gefährdeten Summe Rote Liste (ohne V und D) 10 6 Wespenarten.

98 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Der Anteil gefährdeter Wespenarten an der Gesamtzahl der 87 nachgewie- senen Arten beträgt auf Landesebene elf bzw. sieben Prozent auf Bundes- ebene (Tab. 2). Dabei ist zu beachten,­ dass in Sachsen-Anhalt für mehrere Wespengruppen (insbesondere für die artenreicheren Familien Chrysidi- dae und ) bisher noch keine Rote Liste-Bearbeitung vorliegt.

Auf einige bemerkenswerte Arten wird nachfolgend eingegangen (Reihenfolge systematisch nach Familien).

Stenodynerus picticrus (THOMSON, 1874) Diese Faltenwespe aus der Unterfamilie Eumeninae (Solitäre Faltenwes- pen) zeigt eine boreoalpine Verbreitung (BLÜTHGEN 1961). Sie kommt in Skandinavien und im nördlichen Russland bis Zentralasien vor. Weitere Vorkommen existieren in den süd- und mitteleuropäischen Hochge- birgen, vor allem in den Alpen und Pyrenäen. In Deutschland ist die Art aktuell nur aus Bayern (Alpen) und historisch aus Baden-Württemberg (Schwarzwald) bekannt. Die Art nistet in Käferfraßgängen in abgestor- benen Baumstämmen und trägt Blattkäferlarven in ihre Nester ein (SCHMIDT & SCHMID-EGGER 1991, SCHMID-EGGER 2011, GEREYS 2016). Für Sachsen-Anhalt und den gesamten Harz ist die Art neu. Auch aus Mitteldeutschland, der gesamten norddeutschen Tiefebene und den be- nachbarten Mittelgebirgen wurden bisher noch keine Funde gemeldet. Demnach ist das Vorkommen im Harz hochgradig isoliert. In der Roten Liste Deutschlands wird Stenodynerus picticrus als gefährdet in unbe- kanntem Ausmaß eingestuft (SCHMID-EGGER 2011). Im Untersuchungsge- biet wurden 2017 zwei Individuen dieser Art nachgewiesen, beide in der Probefläche „Kl. Sandtal beräumt“ mittels Farbschale.

Polistes biglumis (LINNAEUS, 1758) Diese soziale Faltenwespe (Abb. 17) trägt zwar den deutschen Namen Berg-Feldwespe, ist aber in Mitteleuropa nicht auf Bergregionen be-

Abb. 17: Arbeiterin der Berg- Feldwespe Polistes biglumis. Foto: S. Kühne.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 99 schränkt, sondern kommt auch im Flachland vor. Die Art ist vor allem in warmen, sonnenexponierten Biotopen wie Weinbergsbrachen, brach- gefallenen Wiesen oder stillgelegten Bahnflächen anzutreffen. Das Nest besteht wie bei anderen Polistes-Arten aus einer einzigen offenen Wabe. Diese wird an Felsen, Steine oder Pflanzenstängel befestigt (TISCHENDORF et al. 2015). Nach MAUSS & TREIBER (2004) und TISCHEN- DORF et al. (2015) soll die Art nur in Süd- und Mitteldeutschland vor- kommen. BLÜTHGEN (1961) meldete die Art für Sachsen-Anhalt (Saaletal, ohne Datum), woraufhin TOLLES & SAURE (2016) die Bestandssituation der Art für Sachsen-Anhalt mit „A“ (ausgestorben oder verschollen) einstufen. Es handelt sich daher bei den aktuellen Nachweisen um den Wiederfund für das Bundesland. Für Deutschland gilt die Art als nicht gefährdet (SCHMID-EGGER 2011). Im Untersuchungsgebiet wurden aktu- ell drei Individuen der Art nachgewiesen (eines per Handfang, zwei in der Gelbschale), alle in der Probefläche „Kl. Sandtal beräumt“.

Anoplius tenuicornis (TOURNIER, 1889) Diese Wegwespe ist in Europa boreoalpin verbreitet und wird von SCHMID-EGGER & WOLF (1992) als Glazialrelikt eingestuft. In Mittel- europa zwischen Skandinavien und dem Alpenraum kommt sie nur punktuell in höheren Lagen vor. THEUNERT (2007b) nennt für Anoplius tenuicornis die 700 Meter-Höhenlinie als ungefähre untere Grenze der Höhenverbreitung. Der aktuelle Fund im Harz gelang allerdings in einer Höhe von ca. 500 Meter ü. NHN. THEUNERT (2007b) listet 21 Fundorte der Art in Deutschland seit 1911 auf, wobei die Nachweise von KUHLMANN (1999, 2002) aus dem Bayerischen Wald dem Autor offenbar nicht bekannt waren und daher unberücksichtigt blieben. Die Fundorte verteilen sich auf sieben Gebir- ge (Harz, Hoher Meißner, Zittauer Gebirge, Rhön, Schwarzwald, Bayeri- scher Wald, Alpen). Demnach befinden sich die nördlichsten deutschen Fundstellen im Harz. Bislang war die Art nur aus dem niedersächsischen Harz bekannt, und zwar von folgenden Fundorten: Oberes Odertal bei Braunlage (Petry 1911 in BLÜTHGEN 1944), Kaiserweg bei Oderbrück (THEUNERT 1996), Große Klippe am Wurmberg (THEUNERT 1999), Gipfel- felsen Bruchberg (THEUNERT 2005). Für das Bundesland Sachsen-Anhalt ist die Art neu. In den Alpen besiedelt Anoplius tenuicornis vegetations- arme Geröllhalden. Auch in den Mittelgebirgen dürften steinig­felsige Hochlagen zumindest die Hauptlebensräume der Wespe sein. Die kugelförmigen Brutzellen werden unter Steinen angelegt. Diese werden wie bei allen nestbauenden Wegwespen mit Spinnen bestückt (z. B. OEHLKE & WOLF 1987). In der Roten Liste Deutschlands wird die Art in die Kategorie „R“, also als extrem selten eingestuft, insbesondere auf- grund der geografischen Restriktion (SCHMID-EGGER 2011). Im Rahmen der aktuellen Untersuchung konnte nur ein Individuum der bemerkens- werten Art in der Probefläche „Kl. Sandtal unberäumt“ Mitte Juni in einer Gelbschale erfasst werden.

100 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Evagetes alamannicus (BLÜTHGEN, 1944) Nach SMISSEN (2003) ist diese Wegwespenart in Mitteleuropa weit verbreitet, erreicht in Mitteldeutschland noch Thüringen (Kyffhäuser), fehlt aber vollständig im nördlichen Deutschland (vgl. auch OEHLKE & WOLF 1987, SCHMID-EGGER & WOLF 1992). Für Sachsen-Anhalt ist die Art damit neu. SMISSEN (2003) nennt folgende Lebensräume: trocken- warmer Waldrand, Weinbergsbrache, Kalksteinbruch und Streuobst- wiese. Als obere Grenze der Vertikalverbreitung gibt sie 2.200 Meter an. Nach SCHMID-EGGER & WOLF (1992) soll Evagetes alamannicus eine Art warmer Habitate in Mittelgebirgen sein. Nach SCHMID-EGGER (2011) gilt sie in Deutschland als nicht gefährdet. Im Untersuchungsge- biet wurde die Art auf den beräumten Borkenkäferflächen sowohl am Fohlenkopf als auch im Kleinen Sandtal jeweils in einem Individuum mittels Weißschale festgestellt.

Evagetes sahlbergi (MORAWITZ, 1893) Diese Art ist durchgehend von den Alpen über das zentrale Europa bis Skandinavien verbreitet (SMISSEN 2003). Offenbar kommt sie be- vorzugt in Sandbiotopen vor, auf sandigen Stellen in geschlossenen Waldgebieten, in Sandgruben und Sandheiden, auf Kahlschlägen und im Eichengebüsch auf Sand (OEHLKE & WOLF 1987, SMISSEN 2003). SMISSEN (2003) nennt die Höhenlinie von 2.400 Meter als obere Ver- breitungsgrenze. In der Roten Liste für Deutschland stellt SCHMID- EGGER (2011) die Wegwespe in die Vorwarnstufe und bezeichnet sie als eine Art mit Bindung an trockenwarme Habitate. Wie alle Evagetes- Arten ist auch diese Art ein Parasitoid, der bei anderen Wegwespen schmarotzt. Für Evagetes sahlbergi werden verschiedene Arachno- spila-Arten als Wirte genannt (dagegen sind die Wirte von Evagetes alamannicus [s. o.] bisher nicht bekannt, vgl. SMISSEN 2003). STOLLE & BURGER (2004) stufen Evagetes sahlbergi für Sachsen-Anhalt als aus- gestorben oder verschollen ein. Als letztes Fundjahr geben sie 1922 an (ein Nachweis bei Aken, BLÜTHGEN 1944). Folglich handelt es sich bei den aktuellen Funden um Wiederfunde nach etwa 100 Jahren. Die Art wurde im Kleinen Sandtal auf der beräumten Probefläche (ein Indivi- duum in Blauschale) sowie an einer Wegböschung nahe des Großen Gierskopfes (ein Individuum durch Handfang) nachge­wiesen.

Homonotus niger (MARQUET, 1879) Diese Art, früher mit Homonotus sanguinolentus (FABRICIUS, 1793) synonymisiert, wurde jüngst wieder als valide Art anerkannt (SCHMID- EGGER 2018). Beide Arten wurden bisher aus dem Nationalpark Harz noch nicht gemeldet, konnten aber 2017 und 2018 im östlichen Teil des Nationalparks von den Autoren nachgewiesen werden. Von Homono- tus niger liegen Funde zweier Weibchen aus dem Gebiet Fohlenkopf (beräumte und unberäumte Fläche) vor.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 101 Crossocerus heydeni KOHL, 1880 Crossocerus heydeni ist eine seltene Waldart mit boreoalpiner (nach SCHMIDT 1980) oder boreomontaner (nach JACOBS & OEHLKE 1990) Verbreitung. Sie kommt aber auch gelegentlich im Tiefland vor. So stammt der bisher einzig bekannt gewordene Fund für Sachsen-An- halt aus dem Landschaftsraum Elbe (ein Weibchen, Aken, 2003, leg. F. Dziock, det. E. Stolle, vid. C. Saure). Zur Biologie dieser Grabwespe ist wenig bekannt. Sie nistet höchstwahrscheinlich in Totholz und trägt kleine Fliegen als Larvennahrung ein (BLÖSCH 2000). Während die Art in Deutschland nach SCHMID-EGGER (2011) nicht gefährdet ist, wird sie in Sachsen-Anhalt in die Gefährdungskategorie R (extrem selten) eingestuft (STOLLE et al. 2004). Im Untersuchungsgebiet wurde die Art nur einmal in einem Individuum auf der Probefläche „Fohlenkopf beräumt“ Anfang Juni mittels Handfang nachgewiesen. Dies ist der zweite Nachweis der Art in Sachsen-Anhalt.

5.3 Bindung an Habitatstrukturen und charakteristische Arten

Arten mit Holzbindung Einige Wespenarten nisten ausschließlich oder teilweise in Morsch- holz oder in Käferfraßgängen im harten Totholz (vgl. Anh. 2). Zu den holzaffinen Arten werden hier auch diejenigen Wespen gezählt, die bei holznistenden Hautflüglern parasitieren. Insgesamt gelten 35 von den insgesamt nachgewiesenen 87 Wespenarten als holzaffin. Die Anzahl dieser Arten ist in beiden Gebieten auf den unberäumten Teilflächen größer als auf den beräumten (Fohlenkopf: unberäumt 15 und beräumt 9 Arten; Kleines Sandtal: unberäumt 17 und beräumt 12 Arten). Hinsichtlich der festgestellten Individuen liegen die Anteile holzaffiner Arten auf beiden unberäumten Flächen bei ca. 40 Prozent. Die beräumten Flächen weisen hingegen nur Anteile von 32 (Fohlen- kopf beräumt) bzw. 27 Prozent (Kl. Sandtal beräumt) auf.

Charakterarten Wespen sind in der aktuellen Untersuchung mit 13 charakteristischen Waldarten bzw. Arten des Berglandes vertreten (Anh. 2). Einige dieser Arten haben in Europa eine boreomontane oder boreoalpine Verbrei- tung, insbesondere Stenodynerus picticrus, allobrogus, Anoplius tenuicornis, Evagetes sahlbergi, Crossocerus barbipes, C. heydeni, C. leucostoma und Pemphredon montana (SCHMIDT 1980, 1984, SCHMIDT & SCHMID-EGGER 1991, SCHMID-EGGER & WOLF 1992, BLÖSCH 2000). Die meisten dieser Arten wurden auf der Fläche „Kl. Sandtal beräumt“ festgestellt (sieben Arten), gefolgt von „Fohlen- kopf unberäumt“ mit sechs Arten. Auf den beiden übrigen Probeflä- chen wurden jeweils fünf charakteristische Arten gezählt. Betrachtet

102 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 man anstatt der reinen Artenzahlen die Individuenhäufigkeit der Charakterarten, so ergibt sich ein etwas anderes Bild. Generell sind die Anteile im etwas höher gelegenen Untersuchungsgebiet Fohlen- kopf mit 13,1 Prozent auf der unberäumten und 10,5 Prozent auf der beräumten Fläche größer. Die Probeflächen im Kleinen Sandtal weisen Individuenanteile charakteristischer Arten von 8,5 Prozent auf der unberäumten und lediglich 6,3 Prozent auf der beräumten Fläche auf. Somit liegen im paarweisen Vergleich die Anteile in den unberäumten Flächen in beiden Untersuchungsgebieten etwas höher.

6 Ergebnisse Schwebfliegen

6.1 Artenbestand und Dominanzverteilung

Die Zahl der im Jahr 2017 auf Borkenkäferflächen und angrenzenden Strukturen erfassten Schwebfliegen summiert sich auf 76 Arten (Anh. 3, S. 137 ff.). Damit konnten 25 Prozent der nach JENTZSCH et al. (2016) aktuell in Sachsen-Anhalt vorkommenden Arten nachgewiesen wer- den. Auf den vier Borkenkäferflächen wurden 64 Arten und in deren Umgebung zwölf weitere Arten festgestellt. Die aktuelle Studie ist die erste umfangreichere Bearbeitung der Syr- phiden im Nationalpark Harz. Ein aktuelles Verzeichnis der Schweb- fliegenarten des Nationalparks existiert nicht. Im Artenbericht für den niedersächsischen Nationalparkteil von 2005 werden lediglich 14 Arten gelistet (HULLEN & KIRZINGER 2005). Eine intern in der Natio- nalparkverwaltung geführte Artenliste, basierend insbesondere auf Literaturauswertung, beinhaltete vor dieser Untersuchung bereits 53 Schwebfliegenarten. J.-H. Stuke stellte aus Literaturangaben (BARKEMEYER 1994, STUKE & CLAUSSEN 2000, STUKE et al. 2000, STUKE & SCHULZ 2001) und unveröffentlichten Fundmeldungen eine Liste der Schwebfliegen des niedersächsischen Westharzes zusammen, ein- schließlich des niedersächsischen Teils des Nationalparks. Bezogen auf diese unpublizierte Übersicht wären fünf der aktuell nachgewiesenen Arten neu für den Nationalpark (im Anh. 3 mit Asterisk (*) markiert). Tatsächlich dürfte der Anteil an Neunachweisen für das Schutzgebiet aber deutlich höher liegen, da viele Beobachtungen im Westharz außerhalb des Nationalparks erfolgten. In den Untersuchungsgebieten Kleines Sandtal und Fohlenkopf wur- den mit 50 bzw. 49 nahezu gleich viele Schwebfliegenarten erfasst. 35 Arten konnten davon in beiden Gebieten nachgewiesen werden. Mit 38 Arten ist der Bestand auf Probefläche „Fohlenkopf unberäumt“ am größten. Es folgen die Flächen „Kl. Sandtal beräumt“ mit 35 Arten, „Fohlenkopf beräumt“ mit 34 Arten und „Kl. Sandtal unberäumt“ mit 28 Arten (Abb. 18).

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 103 Abb. 18: Anzahl der erfass- ten Schwebfliegen- Fohlenkopf ber. arten in den Borken- käferflächen. Der vollfarbige Bereich Fohlenkopf unber. zeigt die Anzahl ge- meinsamer Arten, der punktierte Kl. Sandtal ber. Bereich die Anzahl exklusiver Arten Kl. Sandtal unber. pro Probefläche im Vergleich der Flächenpaare des 0 10 20 30 40 jeweiligen Untersu- Anzahl Arten chungsgebietes.

Im paarweisen Vergleich der Probeflächen fällt auf, dass der Anteil an Arten, die innerhalb eines Untersuchungsgebietes jeweils nur auf der beräumten bzw. unberäumten Borkenkäferfläche gefunden wurden, relativ hoch ist, nur 13 gemeinsame Arten auf den Flächen im Kl. Sand- tal und 23 gemeinsame Arten auf den Flächen am Fohlenkopf. Dies trifft in besonderem Maße für das Kleine Sandtal zu, wo weit über die Hälfte der Arten nur auf jeweils einer Probefläche nachgewiesen wurde.

Insgesamt wurden 872 Schwebfliegen gezählt, davon 435 Weibchen und 437 Männchen. 754 Individuen wurden davon in den Borkenkäfer- flächen festgestellt. In der Probefläche „Fohlenkopf beräumt“ wurden mit 258 Exemplaren die meisten Schwebfliegen erfasst. Es folgen „Fohlenkopf unberäumt“ mit 185, „Kl. Sandtal beräumt“ mit 168 und „Kl. Sandtal unberäumt“ mit 143 Individuen (Abb. 19).

Abb. 19: Anzahl der Schweb- fliegenindividuen Fohlenkopf ber. in den Borken- käferflächen. Der vollfarbige Bereich Fohlenkopf unber. zeigt die Individuen- zahl der gemein- samen Arten, der Kl. Sandtal ber. punktierte Bereich die Individuenzahl der exklusiven Arten Kl. Sandtal unber. pro Probefläche im Vergleich der Flächenpaare des 0 50 100 150 200 250 300 jeweiligen Untersu- Anzahl Individuen chungsgebietes.

104 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Betrachtet man die Individuen der exklusiv jeweils nur auf einer der beiden Flächen pro Untersuchungsgebiet nachgewiesenen Arten, so ist deren Anteil auf drei von vier Probeflächen gering. So wurden exklusive Arten in den zwei unterschiedlich behandelten Borkenkäfer- flächen am Fohlenkopf nur mit wenigen Individuen erfasst, sodass sich die Lebensgemeinschaften beider Flächen recht ähnlich sind. Die insgesamt deutlich größere Individuenzahl auf der beräumten Fläche ergibt sich vor allem durch das mit 146 gezählten Individuen sehr starke Auftreten von Neocnemodon pubescens. Auffällig ist der hohe Individuenanteil exklusiver Arten auf der beräumten Fläche im Kleinen Sandtal. 54 Prozent der gezählten Individuen gehören zu Schwebfliegenarten, die nicht auf der nahe gelegenen unberäumten Borkenkäferfläche festgestellt wurden. Hier sticht vor allemEupeodes corollae mit 43 gezählten Exemplaren heraus. Nach der logarithmischen Staffelung der Dominanzindices (ENGEL- MANN in MÜHLENBERG 1993) ergibt sich eine äußerst steile Dominanz- kurve mit einer einzigen eudominanten Art, nämlich Neocnemodon pubescens (340 Exemplare = 39 Prozent). Es folgen fünf subdominante Arten mit Dominanzen zwischen 5,8 und 3,3 Prozent (Dasysyrphus nig- ricornis: 51, Sericomyia silentis: 49, Eupeodes corollae: 45, segnis: 41 und Sphaerophoria scripta: 29 Individuen) (Abb. 20).

Neocnemodon pubescens Dasysyrphus nigricornis Sericomyia silentis Eupeodes corollae Xylota segnis Sphaerophoria scripta Episyrphus balteatus mellinum Abb. 20: Meliscaeva cinctella Schwebfliegenarten quadrimaculata mit den höchsten Individuenzahlen 0 50 100 150 200 250 300 350 400 (Summe aller Flä- Anzahl Individuen chen und Sammel- methoden).

Die restlichen 70 Arten sind Begleitarten mit Dominanzen unter 3,2 Prozent. Viele Arten wurden nur in wenigen Individuen nachgewie- sen, von 40 Arten liegen maximal drei Individuen vor und von 25 Arten, also von jeder dritten Art, nur jeweils ein Individuum. Die Arten mit den höchsten Individuenzahlen sind ganz überwiegend anspruchslose und regional als auch gesamtstaatlich weit verbreitete Arten. Die zwei individuenreichsten Arten Neocnemodon pubescens und Dasysyrphus nigricornis gelten allerdings in Sachsen-Anhalt nach JENTZSCH et al. (2016) als sehr selten.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 105 6.2 Seltene, gefährdete und naturschutzfachlich wertvolle Arten

Der Anhang 3 gibt Auskunft über die Bestandssituation der nach- gewiesenen Schwebfliegenarten im Land Sachsen-Anhalt (nach JENTZSCH et al. 2016). Demnach gelten 18 Arten landesweit als „sehr selten“, 11 Arten als „selten“, 15 Arten als „mäßig häufig“, 11 Arten als „häufig“ und 17 Arten als „sehr häufig“. Die ArtenPipiza notata und Pipiza noctiluca wurden von JENTZSCH et al. (2016) aufgrund taxono- mischer Unklarheiten noch nicht eingestuft. Microdon myrmicae/ mutabilis (s. u.) wurde noch als „ausgestorben“ geführt und eine Art konnte bisher keiner bekannten Art zugeordnet werden (Mela- nostoma spec.). Der Anteil der gefährdeten Schwebfliegenarten an der Gesamtzahl der 76 nachgewiesenen Arten beträgt nach der Roten Liste Sachsen- Anhalts 13 und nach der Roten Liste von Deutschland fünf Prozent (Tab. 3).

Nachgewiesene gefährdete Schwebfliegenarten Kategorie nach Roter Liste (RL) Sachsen-Anhalt Deutschland (RL ST) (RL D)

0: Ausgestorben oder verschollen 1 –

1: Vom Aussterben bedroht 2 –

2: Stark gefährdet 1 –

Tab. 3: 3: Gefährdet 4 3 Anzahl der in G: Gefährdung unbekannten Ausmaßes 2 1 Sachsen-Anhalt (DZIOCK et al. 2004) V: Vorwarnstufe 2 – und Deutschland (SSYMANK et al. D: Daten defizitär 1 1 2011) gefährdeten Schwebfliegen- Summe Rote Liste (ohne V und D) 10 4 arten.

Auf einige bemerkenswerte Arten wird nachfolgend in alphabetischer Folge eingegangen.

Chalcosyrphus femoratus (LINNAEUS, 1758) femoratus soll bevorzugt in alten Eichenwäldern vor- kommen. Die Larven entwickeln sich im toten Holz, vermutlich im Holzmulm. Die adulten Fliegen findet man vorwiegend im besonn-

106 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 ten Blattwerk von Laubgehölzen (SPEIGHT 2018). In Deutschland gilt Chalcosyrphus femoratus als gefährdet (SSYMANK et al. 2011) und in Sachsen-Anhalt als vom Aussterben bedroht (DZIOCK et al. 2004). Die Bestandssituation wird als „sehr selten“ eingestuft (JENTZSCH et al. 2016). Im Untersuchungsgebiet wurde die Art in einem Individu- um auf der Probefläche „Kl. Sandtal beräumt“ mit einer Blauschale nachgewiesen.

Chalcosyrphus valgus (GMELIN, 1790) ist wie Chalcosyrphus femoratus eine charakte- ristische Waldart, die sowohl alte Fichtenwälder (Picea) als auch alte Eichen-, Buchen- und Hainbuchenwälder (Quercus, Fagus, Carpinus) bewohnt. Die Larven entwickeln sich im feuchten, morschen Holz (SPEIGHT 2018). Die Art wird für Deutschland als gefährdet eingestuft (SSYMANK et al. 2011). In Sachsen-Anhalt gilt sie als vom Aussterben bedroht (DZIOCK et al. 2004) und als „sehr selten“ (JENTZSCH et al. 2016). Im Untersuchungsgebiet wurde Chalcosyrphus valgus an der Wegböschung nahe des Großen Gierskopfes durch Handfang im Juni mit sechs Individuen nachgewiesen.

Criorhina floccosa (MEIGEN, 1822) Diese Schwebfliege (Abb. 21) ist in alten Laubwäldern Quercus,( Fagus) anzutreffen. Die Larven (Abb. 22) entwickeln sich im verrottenden, feuchten Holz (REEMER et al. 2009, SPEIGHT 2018).

Abb. 21: Männchen von floccosa, einer charakteris- tischen Art alter Laubwälder. Foto: D. Rolke.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 107 Abb. 22: Pupa von Criorhina floccosa. Foto: D. Rolke.

Bundesweit wird die Art als gefährdet in unbekanntem Ausmaß ein- gestuft (SSYMANK et al. 2011). In Sachsen-Anhalt gilt sie als stark gefährdet (DZIOCK et al. 2004) und als „sehr selten“ (JENTZSCH et al. 2016). Im Untersuchungsgebiet wurde ein Männchen an einem blühen- den Weißdorn am nordöstlichen Rand des Eckerstausees gefunden.

Melanostoma spec. Neben den Arten und Melanostoma scalare wurde im Untersuchungsgebiet noch eine weitere Art der Gattung nachgewiesen, die sich morphologisch deutlich von den anderen Arten unterscheidet. Die zwei Individuen von der Probefläche „Fohlenkopf­ be- räumt“ konnten bisher keiner der aus Mittel- und Nordeuropa bekann- ten Melanostoma-Arten zugeordnet werden (vid. C. Claußen). Mögli- cherweise handelt es sich hier um eine bisher noch unbeschriebene Art.

Microdon myrmicae SCHÖNROGGE et al., 2002 Die Sammelart Microdon mutabilis wurde von SCHÖNROGGE et al. (2002) anhand larvaler und pupaler Merkmale in zwei Arten aufge- spalten, nämlich in Microdon mutabilis (sensu stricto) und Microdon myrmicae. Eine morphologische Trennung der adulten Fliegen ist derzeit nicht möglich. Die Autoren weisen aber auf Unterschiede in der Biologie und Ökologie der Arten hin. Die Larven der Microdon- Arten entwickeln sich in Ameisennestern, wo sie Eier und Larven von Ameisen vertilgen. Für Microdon myrmicae werden Myrmica-Arten als Wirte genannt (vor allem Myrmica scabrinodis NYLANDER, 1846), wäh- rend für Microdon mutabilis Ameisen der Gattung Formica als Wirte angegeben werden (Formica lemani BONDROIT, 1917, Formica cunicu- laria LATREILLE, 1798). Nach SCHÖNROGGE et al. (2002) soll Microdon

108 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 myrmicae mit ihrem Hauptwirt in Mooren und Sphagnum-Schwing- rasen und Microdon mutabilis in trockenen Graslandhabitaten vorkommen. ARTMANN-GRAF (2012) weist allerdings darauf hin, dass Myrmica scabrinodis in ihrer Verbreitung keinesfalls auf Feuchtlebens- räume beschränkt ist. Außerdem vermutet er für Microdon mutabilis in der Schweiz andere Wirtsarten (vor allem Formica fusca LINNAEUS, 1758). BEUKER (2004) untersuchte bekannte Vorkommen der Microdon mutabilis-Gruppe in den Niederlanden. An zwei von acht Fundorten konnte er Larven und Puppen von Microdon nachweisen und diese als Microdon myrmicae determinieren. Er schlägt daher vor, für die Niederlande nur noch die Art Microdon myrmicae aufzulisten. Dem folgen REEMER et al. (2009) in ihrer Bearbeitung der niederländischen Schwebfliegenfauna. BONELLI et al. (2011) untersuchten zahlreiche Microdon-Populationen in Europa. Ihre Ergebnisse zeigen, dass alle überprüften Vorkommen in Mittel- und Südeuropa der Art Microdon myrmicae entsprechen. Die Art Microdon mutabilis (sensu stricto) ist nach diesen Autoren in ihrer Verbreitung auf Großbritannien, Irland und Skandinavien beschränkt. Den zuvor genannten Autoren folgend wird vorgeschlagen, auch für Sachsen-Anhalt bis auf weiteres nur das Taxon Microdon myrmicae anzuerkennen (vgl. dazu SAURE et al. i. Dr.). Die Art (unter dem Namen „mutabilis“) wird in der Roten Liste für Sachsen-Anhalt (DZIOCK et al. 2004) sowie in der Checkliste (JENTZSCH et al. 2016) als ausgestorben oder verschollen eingestuft. Als letzter Fund wird „Halle, ohne Datum“ genannt und damit auf LASSMANN (1934) Bezug genommen. Aktuell sind den Autoren drei neue Nachweise der Art in Sachsen-Anhalt bekannt, zwei davon aus dem Harz. Im Jahr 2015 wurde sie im Blumentopfmoor bei Drei Annen Hohne nachgewie- sen (leg. W. Bäse). In 2017 gelang neben einem Fund bei Freyburg (leg. W. Bäse) ein weiterer Fund im Rahmen der vorliegenden Studie auf der Bergwiese an der Rangerstation Scharfenstein.

6.4 Bindung an Habitatstrukturen und charakteristische Arten

Arten mit Holzbindung Die Larven einiger Schwebfliegenarten leben in feuchtem Totholz, in nassen Baumhöhlen oder in Saft- und Schleimflüssen. Sie sind Holz- mulmfresser oder Filtrierer, d. h. sie filtern Mikroorganismen aus den Baumsäften heraus (z. B. BARTSCH et al. 2009a, b). Zu diesen holzaffinen Schwebfliegen zählen im Untersuchungsgebiet 13 Arten (Anh. 3). Auf den Flächen am Fohlenkopf wurden jeweils fünf dieser Arten und im Kleinen Sandtal auf der unberäumten Fläche vier und der beräumten Fläche drei Arten nachgewiesen. Ein Zusammenhang mit dem Totholz- anteil der Flächen ist daraus nicht erkennbar, auch wenn bei Berücksich- tigung der Individuenzahlen der Anteil holzbesiedelnder Arten auf den unberäumten Borkenkäferflächen geringfügig höher liegt.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 109 Charakterarten Unter den nachgewiesenen Schwebfliegen sind 32 charakteristische Waldarten. Einige davon kommen bevorzugt im Bergland vor (Anh. 3). Auf beiden Probeflächen im Kleinen Sandtal und auf der beräumten Fläche am Fohlenkopf wurden jeweils elf dieser Arten festgestellt. Auf der Fläche „Fohlenkopf unberäumt“ wurden 13 charakteristische Arten gezählt. Bei Betrachtung der Individuenhäufigkeit der Charak- terarten zeigt sich, dass diese auf der Fläche „Fohlenkopf unberäumt“ mit 75,5 Prozent den höchsten Wert erreicht. Auf den übrigen Flächen werden Individuenanteile charakteristischer Arten von ca. 29 bis 70,5 Prozent erzielt. Diese großen Unterschiede lassen sich auf eine Art, Neocnemodon pubescens, zurückführen (vgl. Anh. 3).

7 Diskussion

Das Kleine Sandtal erwies sich mit 191 nachgewiesenen Arten als etwas artenreicher im Vergleich zum Fohlenkopf mit 173 Arten. Dieser Unterschied geht auf die deutlich größere Anzahl an Wespenarten im Kleinen Sandtal zurück. Da zahlreiche Arten aber nur in Einzelindividu- en festgestellt wurden, sollte dieser Unterschied nicht überbewertet werden. Dennoch gibt es Gründe für einen etwas größeren Artenreich- tum hinsichtlich der betrachteten Insektengruppen im Kleinen Sandtal. Der südwestexponierte Hang hat eine klimatisch günstige Lage und liegt ca. hundert Höhenmeter tiefer als der Fohlenkopf. Zudem weist die beräumte Borkenkäferfläche im Kleinen Sandtal als einzige Unter- suchungsfläche einen nennenswerten Anteil an Offenbodenstellen auf, die bodennistenden Arten als notwendige Lebensraumrequisite dienen. Die Unterschiede zwischen den beräumten und unberäumten Borken- käferflächen sind in allen bearbeiteten Gruppen bei Gesamtbetrach- tung aller Arten gering. Wenn es nennenswerte Unterschiede gibt, so lassen sich diese auf die individuenreichen Vorkommen einzelner Arten zurückführen. Als Beispiele dafür seien hier die Wegwespe Arachnospila ausa und die SchwebfliegeEupeodes corollae auf der beräumten Fläche im Kleinen Sandtal erwähnt. Die endogäisch nistende Wegwespe profitiert von dem großen Angebot an offenen Bodenstellen. Die wanderfreudige Schwebfliege könnte hingegen vom vergleichsweise guten Blütenangebot angelockt worden sein und hat die Fläche möglicherweise nur zur Nahrungsaufnahme während der Migration in höheren Individuenzahlen aufgesucht. Auch die Artenidentitäten nach SÖRENSEN (MÜHLENBERG 1993) bestäti- gen die insgesamt geringen Unterschiede zwischen den einzelnen Pro- beflächen (Tab. 4). Mit Werten zwischen 59,2 und 66,4 Prozent wird die Faunenähnlichkeit der Flächen insgesamt als hoch eingestuft (Tab. 4).

110 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Fohlenkopf Kl. Sandtal Probeflächen beräumt unberäumt beräumt unberäumt Tab. 4: Ähnlichkeitsindices beräumt 63,8 65,2 64,3 Fohlenkopf nach SÖRENSEN in unberäumt 81 59,2 66,4 Prozent (kursiv) und Anzahl gemein- beräumt 89 82 62,6 samer Arten der Kl. Sandtal Zönosen des Unter- unberäumt 82 86 87 suchungsgebietes.

Der höchste Ähnlichkeitswert wird mit 66,4 Prozent zwischen den un- beräumten Borkenkäferflächen erreicht. Somit ist die Faunenähnlich- keit bei diesen strukturell ähnlichen, aber räumlich weit entfernten Flächen geringfügig größer als bei den jeweils benachbarten Flächen am Fohlenkopf bzw. im Kleinen Sandtal (s. a. Abb. 3 u. 6). Insgesamt unterschieden sich die Zönosen der einzelnen Flächen aber nur wenig. Dass hier keine eindeutigeren Unterschiede zu erkennen sind, kann mehrere Gründe haben. Hinsichtlich des Angebotes an Blütenpflan- zen sind die beräumten Flächen zwar artenreicher. Für die in der Regel anspruchsloseren polylektischen Arten, die z. B. den Hauptteil der nachgewiesenen Wildbienen ausmachen, bieten aber auch die dichten Himbeer- und Brombeerbestände der unberäumten Flächen zumindest zur Blütezeit ein reichhaltiges Pollen- und Nektarangebot. Zudem kommt Epilobium angustifolium aufgrund des geringeren Wildverbisses in der Verhausituation der unberäumten Borkenkäfer- flächen reichhaltiger zur Blüte. Auch die Erfassungsmethodik kann einen Einfluss auf das Ergebnis haben. Aufgrund der über größere Strecken wirksamen Lockwirkung der Farbschalen wurden vermut- lich auch Individuen gefangen, deren Nist- bzw. Entwicklungshabitate in benachbarten Flächen liegen. Diese Lockwirkung kann auf den beräumten Flächen mit ihrem sehr offenen Charakter stärker zum Tragen kommen. In besonderem Maße sollte sich dies auf die stärker blütengebundenen Wildbienen und Schwebfliegen auswirken. Betrachtet man das Angebot an Nistressourcen, so wäre zu erwarten, dass holznistende Arten, d. h. Arten, die in ihrer Larvalentwicklung an Holzsubstrate gebunden sind bzw. bei solchen Arten parasitieren, von dem sehr hohen und überwiegend gut besonnten Totholzaufkommen auf den unberäumten Flächen profitieren. Bei den Wildbienen und Schwebfliegen lässt sich dies anhand der Erfassungsergebnisse nicht erkennen. Im Gegensatz dazu wurde z. B. die gern im Holz nistende Maskenbiene Hylaeus angustatus auf der beräumten Probefläche im Kleinen Sandtal sehr individuenreich festgestellt. Das kann an dem teils immer noch hohen und gut besonnten Totholzanteil durch zahl- reiche Stubben und liegendem Stamm- und Astmaterial auf dieser Fläche liegen (vgl. Abb. 5) oder an der räumlichen Nähe zu geeigneten

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 111 Nistmöglichkeiten außerhalb der beräumten Fläche, verbunden mit einer größeren Attraktivität der Fläche für den Nahrungserwerb auf- grund der größeren Vielfalt an Blütenpflanzen. Möglicherweise spie- len die Blütenressourcen bei Wildbienen und Schwebfliegen ohnehin eine wichtigere Rolle. Etwas deutlichere Unterschiede gibt es hingegen bei den Wespen, unter denen mit 35 Arten auch die meisten Holznister festzustellen waren. Auf den unberäumten Borkenkäferflächen wurden in beiden Untersuchungsgebieten deutlich mehr holznistende Arten beobach- tet. Der Individuenanteil dieser Arten an der Gesamtzahl der Wes- penindividuen lag auf den unberäumten Flächen bei ca. 40 Prozent, während die beräumten Flächen Anteile von 32 (Fohlenkopf beräumt) bzw. 27 Prozent (Kl. Sandtal beräumt) aufwiesen. Diese Artengruppe profitiert daher möglicherweise in stärkerem Maße von dem größe- ren Anteil des trockenen und besonnten, stehenden Totholzes der unberäumten Flächen. Dass die Unterschiede zwischen beräumten und unberäumten Flächen nicht noch deutlicher ausfallen, kann darin be­gründet sein, dass, wie bereits oben erwähnt, auch auf den be- räumten Flächen ein gewisser Anteil an Fichtentotholz als Nisthabitat vorhanden ist. Zudem liegen die Kahlflächen in Nachbarschaft zu ste- henden Befallsflächen, sodass ein gewisser Einflug holzaffiner Arten in die beräumten Flächen möglich erscheint. Nach Einschätzung von KUHLMANN (1999) ist die Beräumung von Windwurfflächen im Natio- nalpark Bayerischer Wald ohne Einfluss auf die Entwicklung xylobion- ter Stechimmen geblieben, solange ein gewisser Totholzanteil in Form von Stubben, liegendem Material oder einzelnen stehengebliebenen Stämmen verbleibt. Deutlich negativ beeinflusst werden hingegen bodennistende Arten durch den Verlust an Offenbodenstellen, insbe- sondere durch das Rückklappen der Wurzelteller. Im Vergleich zum vor der Störung bestehenden Hochwald dürfte das Nistangebot auch für endogäische Arten auf beräumten Flächen aber immer noch höher sein.

Die Anzahl von 188 Bienen- und Wespenarten (aus der Gruppe der Stechimmen, also der in der Regel mit einem Wehrstachel ausge- statteten Arten, hier ohne die domestizierte Honigbiene, aber zzgl. zweier Legimmenarten) in der aktuellen einjährigen Untersuchung ist ver­glichen mit früheren Untersuchungen im gleichen Naturraum erstaunlich hoch. Dies ist umso bemerkenswerter, da der Schwer- punkt der Untersuchung auf den Borkenkäfer-Befallsflächen lag und diverse andere im Gebiet vorhandene Lebensräume, wie vitale Laub- und Nadelwälder, Bergwiesen, Moore, Felspartien oder Blockhalden gar nicht berücksichtigt wurden. BURGER (2008, 2010) konnte von 2006 bis 2008 ebenfalls im sachsen­-anhaltischen Teil des National- parks auf insgesamt sechs mehrjährig untersuchten Flächen mittels Kescherfang, Kreuzfensterfallen sowie Beifängen aus Barberfallen 200 Stechimmenarten (ohne Ameisen und Honigbiene) nachweisen. In

112 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 den einzelnen Untersuchungsjahren wurden zwischen 117 und 140 Ar- ten erfasst. Fünf der von BURGER untersuchten Flächen liegen im Vergleich zur aktuellen Untersuchung in höheren Lagen, wo von Natur aus durch die raueren klimatischen Verhältnisse weniger Arten zu er- warten sind. THEUNERT (2005) gelang in einem Untersuchungsjahr auf sechs Flächen im niedersächsischen Teil des Nationalparks der Nach- weis von 80 Stechimmenarten (ohne Ameisen). Diese vergleichsweise geringe Artenzahl ist sicher auch methodisch bedingt, da THEUNERT ausschließlich Sichtbeobachtungen und Kescherfänge durchführte. Drei der untersuchten Flächen lagen zudem über 800 Meter ü. NHN. Zu den Schwebfliegen liegen aus dem Harz bisher keine vergleichba- ren Untersuchungen vor. Auch im Vergleich zu Untersuchungen aus anderen Naturräumen, aber in entsprechenden Lebensräumen, sind die Artenzahlen im Harz als hoch einzuschätzen. Im Bayerischen Wald wurden 1986, 1998 und 2003 ebenfalls gezielt Borkenkäferlücken und Windwürfe auf ihre Be- siedlung durch Stechimmen untersucht. In den Jahren 1986 und 1998 wurden zusammengenommen 97 Stechimmenarten auf vier Probe- flächen mittels Fenster- und Malaisefallen nachgewiesen (KUHLMANN 1999) und im Jahr 2003 auf drei anderen Befallsflächen mittels Malaisefallen 86 Stechimmenarten (QUEST & KUHLMANN 2005). In der hessischen Hochrhön wurden auf Waldschadensflächen im Bereich Ulsterquelle und Stirnberg­ 1997 mittels Handfängen und Farbschalen 56 bzw. 47 Stechimmenarten nachgewiesen (TISCHENDORF & VON DER HEIDE 2001).

Insgesamt waren bisher aus dem Nationalpark Harz etwa 230 Arten der aculeaten Hautflügler bekannt. Mit den Neufunden des Jahres 2017 (26 Bienen- und 36 Wespenarten) summiert sich der Arten- bestand mittlerweile auf ca. 300 Arten. Da weitere Arten zu erwar- ten sind, dürfte der tatsächliche Artenbestand im Schutzgebiet bei mindestens 350 Stechimmenarten liegen. Diese im Nationalpark Harz erreichten bzw. vermuteten Artenzahlen sind im Vergleich zu anderen deutschen Mittelgebirgen auffallend hoch. Als Vergleich soll hier der Nationalpark Bayerischer Wald herangezogen werden, der wiederholt Gegenstand von Stechimmenuntersuchungen mittels Malaise- und Fensterfallen war (z. B. KUHLMANN 1999, 2001, 2002; KUHLMANN & QUEST 2003; QUEST & KUHLMANN 2005). Insgesamt wurden unter Berücksichtigung von Funden anderer Entomologen 194 Stechimmen- arten nachgewiesen. SCHMID-EGGER (2011) wertete umfangreiches Material aus mehreren Fundjahren und verschiedenen Fallentypen aus und kam dabei auf 149 Stechimmenarten (ohne Honigbiene). Die Gesamtzahl der aus dem Bayerischen Wald bekannten Arten wird von SCHMID-EGGER (2011) auf etwa 200 geschätzt. Aus den Hochlagen der hessischen Rhön melden TISCHENDORF & VON DER HEIDE (2001) 229 Stechimmen, die ganz überwiegend während einer einjährigen Unter-

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 113 suchung mittels Handfang und Farbschalen in 26 vielfältig gestalte- ten Probeflächen nachgewiesen wurden. Daraus kann folgen, dass der Nationalpark Harz eine besonders reiche Stechimmenfauna aufweist. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass in den anderen Mittelgebirgen noch zahlreiche bisher nicht nachgewiesene Arten vorkommen. Von den im Harz gefundenen naturraumtypischen Wald- und Gebirgsar- ten unter den Stechimmen konnten die meisten auch im Bayerischen Wald (KUHLMANN 1999, 2001, 2002; KUHLMANN & QUEST 2003; QUEST & KUHLMANN 2005; SCHMID-EGGER 2011) oder in der Rhön (TISCHEN- DORF & VON DER HEIDE 2001) nachgewiesen werden. Einige dieser Arten fehlen allerdings in den genannten Publikationen, nämlich die Wespen Passaloecus turionum und Stenodynerus picticrus sowie die Bienen Hylaeus difformis, Andrena coitana und Nomada obtusifrons (die ebenfalls fehlende Art Nomada glabella wurde möglicherweise nicht von der Zwillingsart Nomada panzeri unterschieden, vgl. Kapitel 3.2). Von diesen Arten ist besonders der Nachweis der boreoalpinen Faltenwespe Stenodynerus picticrus bemerkenswert, sind die aktuel- len Funde doch die einzigen in Deutschland außerhalb von Alpen und Schwarzwald (Kapitel 5.2). Der Artenbestand der für den Nationalpark Harz bekannten Schweb- fliegen liegt derzeit bei 102 Arten. Die vorliegende Untersuchung war die erste, die sich umfassender mit dieser Artengruppe im Schutz- gebiet auseinandergesetzt hat. Daher ist es nicht überraschend, dass die im Rahmen der Untersuchung nachgewiesenen 76 Schwebfliegen- arten einen Großteil des aktuell bekannten Bestandes ausmachen. Eine unpublizierte Zusammenstellung von Schwebfliegen aus dem Westharz von J.-H. STUKE enthält hingegen bereits 216 Arten. Im Nationalpark Bayerischer Wald sind vor allem durch Auswertung von Malaisefallenfängen der Jahre 1998 bis 2003 bisher 189 Schwebflie- genarten nachgewiesen (MERKEL-WALLNER 2005, MERKEL-WALLNER et al. 2011). Diese Zahlen belegen, dass auch im Nationalpark Harz noch ein erhebliches Artenpotenzial steckt und hier weiterer Forschungs- bedarf besteht. Bei einem Vergleich der Mittelgebirgsfaunen der Schwebfliegen fällt auf, dass aus dem Nationalpark Bayerischer Wald zwar deutlich mehr Arten gemeldet werden, dass dort aber drei naturraumtypische Arten nicht gefunden wurden, die im Harz aktu- ell vorkommen (Chalcosyrphus femoratus, Neocnemodon latitarsis, Trichopsomyia joratensis).

Die vorliegende Untersuchung zeigt eindrucksvoll, dass Borken- käfer-Befallsflächen im beräumten oder belassenen Zustand einer artenreichen Stechimmen- und Schwebfliegengemeinschaft Lebens- raum und Entwicklungsmöglichkeiten bieten, darunter viele seltene, gefährdete und spezialisierte Arten. Dabei werden die offenen Be- fallsflächen auch von zahlreichen naturraumtypischen Wald- und Gebirgsarten besiedelt. Bereits MÜLLER et al. (2007) konnten in einer

114 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Untersuchung über mehrere Insektenordnungen hinweg zeigen, dass durch Borkenkäferbefall abgestorbene Fichtenbestände Hotspots der Biodiversität im Bayerischen Wald sind. Auch TISCHENDORF & VON DER HEIDE (2001) unterstreichen die Bedeutung von Waldschadensflächen in der Hochrhön für eine artenreiche Stechimmenzönose. Der Buch- drucker Ips typographus ist eine Schlüsselart für die Artenvielfalt in natürlichen, sich eigendynamisch entwickelnden Fichtenwäldern die keinen Nutzungsinteressen unterliegen (MÜLLER et al. 2008). Einen vergleichbar positiven Effekt auf die Insektenvielfalt im Wald haben Windwürfe (BOUGET & DUELLI 2004). Der hohe Lichtgenuss, das klein- räumig heterogene Mikroklima und ein gesteigertes Totholzaufkom- men unterschiedlicher Zersetzungsgrade im Vergleich zu weitgehend geschlossenen Waldbeständen sind dabei von entscheidender Bedeu- tung für die Besiedlung. Das bis auf den Boden fallende Licht fördert in der Anfangsphase der Sukzession eine arten- und blütenreichere Krautschicht und später eine ebenfalls blütenreiche Strauchschicht mit z. B. Himbeere, Brombeere, Eberesche oder Holunder. Das Totholz dient holznistenden Arten als wichtiges Entwicklungshabitat, wovon möglicherweise entsprechende Wespenarten in besonderem Maße profitieren. In Wäldern, die sich großflächig eigendynamisch entwickeln, gehö- ren durch Störungen entstandene kleinere und größere Offenflächen zur natürlichen Grundausstattung (z. B. SCHERZINGER 1996, BOUGET & DUELLI 2004, MÜLLER et al. 2008). Diese Lücken und Freiflächen werden von einer artenreichen Lebensgemeinschaft besiedelt, die wie die Flächen selbst einer steten Sukzession unterliegen (vgl. KUHLMANN 1999), bis sich wieder ein neuer und strukturreicher Wald etabliert hat.

Zusammenfassung

Im sachsen­-anhaltischen Teil des Nationalparks Harz wurden im Jahr 2017 in zwei beräumten und zwei unberäumten durch Buchdrucker- befall abgestorbenen Fichtenbeständen und in benachbarten Bio- topen 264 Arten der Bienen (101), Wespen (87) und Schwebfliegen (76) nachgewiesen. Unter den beobachteten Arten sind 52 landesweit und 19 bundesweit gefährdete sowie zahlreiche weitere im Bundes- land seltene Arten. Einige Arten wurden erstmalig in Sachsen-Anhalt nachgewiesen oder nach langer Zeit wiedergefunden. Neu für das Bundesland sind die solitäre Faltenwespe Stenodynerus picticrus sowie die Wegwespen Anoplius tenuicornis und Evagetes alamanni- cus. Homonotus niger wird erst seit kurzem wieder als eigenständige Art betrachtet. Als im Bundesland ausgestorben oder verschollen galten bisher die solitäre Faltenwespe Polistes biglumis, die Wegwes- pe Evagetes sahlbergi und die SchwebfliegeMicrodon myrmicae. Von

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 115 diesen Arten ist besonders der Nachweis der boreoalpin verbreiteten Faltenwespe Stenodynerus picticrus bemerkenswert, sind die aktuel- len Funde doch die einzigen in Deutschland außerhalb von Alpen und Schwarzwald. Die Anzahl der in der aktuellen Studie beobachteten Bienen- und Wespenarten ist im Ver­gleich zu früheren Untersuchungen im Schutz- gebiet, aber auch im Vergleich zu Studien aus entsprechenden Lebens- räumen in anderen Naturräumen auffallend hoch. Der im National- park Harz bekannte Artenbestand an Stechimmen liegt gegenwärtig bei etwa 300 Arten. Schwebfliegen wurden in der vorliegenden Untersuchung erstmals im Schutzgebiet systematisch untersucht. Die aktuell nachgewiesenen Arten machen einen Großteil des derzeit be­ kannten Bestandes von 102 Arten im Nationalpark aus. Die unberäumten und beräumten Borkenkäfer-Befallsflächen weisen in den betrachteten Artengruppen sehr ähnlich strukturierte Lebens- gemeinschaften auf. Lediglich bei den holz­besiedelnden Wespen ist eine stärkere Präferenz für die naturbelassenen Befallsflächen erkenn- bar. Die vorliegende Untersuchung zeigt eindrucksvoll, dass Borkenkä- ferflächen im Nationalpark Harz einer artenreichen Stechimmen- und Schwebfliegengemeinschaft Lebens­raum bieten. Im Vergleich zu weit- gehend geschlossenen Waldbeständen sind die Sonneneinstrahlung bis zum Boden, das damit verbundene wärmere Mikroklima und das reichere Angebot an Totholz von entscheidender Bedeutung für die Besiedlung. Während Holz in unterschiedlichen Zersetzungsgraden vielen Arten als Entwicklungshabitat dient, kommt der blütenreichen Krautschicht in frühen bzw. der Strauchschicht in späteren Sukzes- sionsstadien eine wichtige Bedeutung als Nahrungshabitat zu. Dabei werden die durch Störungen entstandenen Offenflächen in den sich eigendynamisch entwickelnden Wäldern auch von zahl­reichen natur- raumtypischen Wald- und Gebirgsarten besiedelt. Mit 16 Bienen-, 13 Wespen- und 32 Schwebfliegenarten wurden insgesamt 61 solcher charakteristischen Arten auf den Borkenkäferflächen nachgewiesen.

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Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 123 Anschriften der Autoren

Dr. Christoph Saure Büro für tierökologische Studien Am Heidehof 44 ∙ 14163 Berlin E-Mail: saure­-tieroekologie@t­-online.de

Andreas Marten Nationalparkverwaltung Harz Fachbereich 2 − Naturschutz, Forschung, Dokumentation Lindenallee 35 ∙ 38855 Wernigerode E-Mail: [email protected]­-anhalt.de

124 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 & EINEKE 2004), UHNKE et al. 2006; M & R URGER URGER 2016): sh = sehr häufig, h = häufig, 2016): 2008, 2010; B 2008, 2010; TOLLE URGER & S AURE et al. 2011) 2003, 2005, 2007a, 2016) und nach der Datenbank Nationalparkverwaltung 2016) 2007a, 2005, 2003, ESTRICH HEUNERT T 2013; ENGE D = Deutschland (W M neue Arten für den Nationalpark Harz, nach Literatur (B nach Literatur neue Arten für den Nationalpark Harz, Bestandssituation der Arten in Sachsen-Anhalt (S der Pollenquelle Bienenarten mit Angabe oligolektische Arten bei solchen parasitierende in Holz nistende bzw. ausschließlich oder fakultativ Höhenstufe und montane für die kolline und/oder Wald Arten für den Lebensraum charakteristische beräumte und unberäumte Borkenkäferflächen mit Angabe der Individuenzahlen (SB = Sichtbeobachtung) der Individuenzahlen mit Angabe Borkenkäferflächen und unberäumte beräumte der Borkenkäferflächen in der Umgebung Areale zusätzlich untersuchte = Sachsen-Anhalt (B 1: ST Tab. siehe Listen (Gefährdungskategorien Rote mh = mäßig häufig, eingestuft s = selten, ss sehr / nicht

Anhang 1 und benachbarten Habitaten aufWildbienenarten den Borkenkäferflächen der Verzeichnis zur Artenliste: Erläuterungen *Art BS ST OLB Holz montan Wald, ber., unber. ber., Umg. RL

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 125 + + montan + + + + Wald + + + + + Holz OLB Fabaceae Vaccinium s s s s h h h h h ss sh sh sh mh mh mh mh mh mh mh mh BS ST 3 V V V V D RL 1 3 3 2 2 V G G ST 1 1 3 2 2 2 2 4 6 Umg. 1 1 1 1 1 5 3 3 2 2 2 2 6 9 9 56 39 unber. Kl. Sandtal 1 1 1 1 3 2 6 15 21 23 54 30 ber. 1 1 1 5 5 2 4 4 9 12 18 10 29 unber. 1 1 1 1 1 1 Fohlenkopf 3 3 3 3 2 31 14 18 26 26 ber. , 1781) , 1838 , 1852 , 1852) , 1861) , 1870 , 1852 , 1802) , 1758) , 1852 , 1902 , 1802) , 1758) , 1915 , 1775 , 1802) IRBY , 1802) , 1802) , 1832 ABRICIUS REZ CHENCK IRBY , 1802) É YLANDER (K , 1847 HOMSON (F IRBY (S YLANDER IRBY N P IRBY ETTERSTEDT (K T VERSMANN INNAEUS YLANDER N ERKINS (K IRBY Z INNAEUS (K (K (E (L P MHOFF N ABRICIUS MITH (K I (L F S

Hylaeus angustatus Hylaeus brevicornis chrysosceles Andrena falsifica Andrena fuscipes Andrena * Familie Andrenidae (Sandbienen) Andrenidae Familie Art * Familie Colletidae (Seidenbienen) Colletidae Familie * * * Hylaeus communis Hylaeus confusus Hylaeus difformis angustior Andrena bicolor Andrena carantonica Andrena cineraria Andrena coitana Andrena denticulata Andrena fucata Andrena gravida Andrena haemorrhoa Andrena helvola Andrena intermedia Andrena lapponica Andrena minutula Andrena

126 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 montan + Wald Holz OLB

Veronica Fabaceae Asteraceae Asteraceae s s h h h h h h sh sh sh sh mh mh mh mh mh mh mh mh mh mh BS ST 3 3 V V V D RL 1 3 3 2 2 ST 1 1 1 1 1 5 5 3 4 Umg. 1 1 1 1 1 3 8 6 13 19 10 24 unber. Kl. Sandtal 1 1 1 1 1 5 5 3 3 2 2 4 4 18 37 ber. 1 1 1 1 5 5 5 3 2 2 4 18 unber. 1 1 1 1 1 Fohlenkopf 5 2 4 4 6 14 ber. , 1853) , 1853) , 1853) , 1763) , 1781) , 1758) , 1914 , 1928 , 1793) , 1802) , 1903) , 1763) , 1802) , 1802) , 1916 , 1848 , 1802) CHENCK , 1791) REZ , 1802) COPOLI IRBY CHENCK CHENCK IRBY 1790) É IRBY (S (S ERKINS (S (K , 1802) IRBY (S (K COPOLI (P ABRICIUS , 1802) P IRBY (K IERECK HRIST INNAEUS ABRICIUS (K OSSI TÖCKHERT (F (S V (K YLANDER (L (C IRBY (F S (R IRBY N (K (K

ovatula viridescens

strohmella subopaca wilkella

Andrena Andrena calcaratus Panurgus Halictus scabiosae Lasioglossum aeratum * * Art * Familie (Furchenbienen) Familie * Andrena minutuloides Andrena nigroaenea Andrena Andrena Andrena Andrena banksianus Panurgus Halictus rubicundus * Halictus tumulorum Lasioglossum albipes Lasioglossum calceatum Lasioglossum fratellum Lasioglossum fulvicorne Lasioglossum lativentre Lasioglossum leucopus Lasioglossum minutulum Lasioglossum morio Lasioglossum parvulum

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 127 montan + + + + Wald + + + + + + + + + + Holz OLB Fabaceae Epilobium Asteraceae Campanula Campanula Ranunculus Campanula s s s h h h h h A ss mh mh mh mh mh mh mh mh mh mh BS ST 2 V V D RL 3 3 3 2 2 0 V ST 1 1 1 1 1 1 1 1 3 3 2 4 Umg. 1 1 7 3 2 12 unber. Kl. Sandtal 1 1 1 3 3 2 2 2 ber. 1 1 1 2 6 9 unber. 1 1 1 1 Fohlenkopf 3 2 ber. , 1929) , 1838) , 1775) , 1914) , 1841) , 1758) , 1870) , 1805) , 1882

, 1872) , 1767) , 1802) , 1758) , 1802) & LFKEN , 1758) , 1802) , 1844 , 1802) IRBY TÖCKHERT ABRICIUS IRBY (A ANZER AGENS INNAEUS CHENCK EPELETIER ETTERSTEDT (K (F IRBY (S (K H (P (L INNAEUS (S IRBY MITH HOMSON (L (Z (K S (L EPELETIER (T (K ( Linnaeus INNAEUS L (L , 1853) , 1825 CHENCK

Lasioglossum punctatissimum Lasioglossum semilucens distinctum Chelostoma rapunculi Chelostoma ERVILLE ligniseca Megachile nigriventris Megachile versicolor Megachile * * * Art (Blattschneiderbienen) Megachilidae Familie Familie Melittidae (Sägehornbienen) Familie S * (S * * Lasioglossum rufitarse * Lasioglossum villosulum ephippius ferruginatus Sphecodes geoffrellus Sphecodes gibbus Sphecodes Melitta haemorrhoidalis strigatum Anthidiellum florisomne Chelostoma rufescens Coelioxys Heriades truncorum lapponica Megachile willughbiella Megachile

128 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 montan + + + + Wald + + + + + + + Holz OLB Asteraceae Asteraceae s s s s / h h h h h h ss sh sh sh sh sh sh mh mh mh mh BS ST 3 3 3 3 V V D D RL 3 3 3 2 2 2 2 2 V V G G ST 1 1 1 1 2 2 SB Umg. 1 1 1 1 2 9 11 11 31 10 85 20 105 unber. Kl. Sandtal 1 1 1 1 5 5 3 4 9 19 19 27 42 20 149 ber. 1 1 1 7 3 3 2 2 4 6 25 47 26 20 90 230 unber. 1 1 1 1 1 Fohlenkopf 6 12 14 16 10 32 23 79 68 141 ber. , 1918) , 1776) , 1775) , 1758) CHNEIDER , 1758) , 1832) , 1761) , 1761) , 1758) , 1793) I, 1763) , 1798) , 1801) -S , 1761) , 1771) , 1758) , 1838 , 1804) , 1802) , 1828 , 1802) COPOL ANZER ANZER PARRE , 1802) ABRICIUS EIDL INNAEUS ABRICIUS INNAEUS ORSTER INNAEUS INNAEUS EPELETIER (S INNAEUS (P ABRICIUS S (P (S IRBY (F INNAEUS (F (L IRBY (L (L (F (L (L URTIS (L IRBY (F (L INNAEUS (K (K ABRICIUS C (K (L (F

Osmia leaiana cyanea Ceratina Melecta albifrons Familie Apidae (Echte Bienen) Apidae (Echte Familie Art * * Osmia bicornis Osmia niveata Osmia parietina furcata Anthophora Bombus bohemicus Bombus campestris Bombus cryptarum Bombus hortorum Bombus hypnorum Bombus jonellus Bombus lapidarius Bombus lucorum Bombus norvegicus Bombus pascuorum Bombus pratorum Bombus rupestris Bombus soroeensis Bombus sylvestris *

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 129 + montan + + Wald Holz OLB s s s / h h h h sh sh mh mh mh mh mh mh BS ST 2 V D RL 3 3 2 2 V V ST 1 1 1 1 1 1 73 42 Umg. 1 1 5 3 3 2 2 2 21 18 16 59 619 unber. Kl. Sandtal 1 1 1 1 1 1 1 7 5 3 2 2 2 2 8 65 ber. 605 1 1 3 2 2 2 4 4 6 15 10 58 687 unber. 1 1 1 Fohlenkopf 5 5 3 2 2 2 4 6 11 60 633 ber. , 1848 , 1793 , 1767) , 1802) , 1758) , 1802) , 1861 , 1802) , 1802) , 1811 , 1802) , 1870 , 1841 , 1793 , 1798 IRBY IRBY IRBY IRBY IRBY (K YLANDER , 1798 (K ABRICIUS LIVIER (K INNAEUS CHENCK (K (K INNAEUS N F ANZER O S (L (L HOMSON P ABRICIUS EPELETIER T F L ANZER P

Nomada bifasciata Nomada flava Nomada fulvicornis Nomada guttulata Nomada marshamella Nomada rufipes * Arten (insg.) Individuen (insg.) * * * Art * * Nomada fabriciana Nomada flavoguttata Nomada glabella Nomada lathburiana Nomada obtusifrons Nomada panzeri Nomada ruficornis Nomada sheppardana Nomada succincta

130 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56

URGER HEUNERT & B T 2013; TOLLE ENGE & M et al. 2004, S EINEKE TOLLE 2016): sh = sehr häufig, h = häufig, 2016): 2008, 2010; M 2008, 2010; AURE URGER & S TOLLE 2011) GGER -E CHMID 2004), D = Deutschland (S 2005, 2007b) und nach der Datenbank Nationalparkverwaltung 2007b) 2005, neue Arten für den Nationalpark Harz, nach Literatur (B nach Literatur neue Arten für den Nationalpark Harz, (SB = Sichtbeobachtung) der Individuenzahlen mit Angabe Borkenkäferflächen und unberäumte beräumte der Borkenkäferflächen in der Umgebung Areale zusätzlich untersuchte = Sachsen-Anhalt (S 2: ST Tab. siehe Listen (Gefährdungskategorien Rote Bestandssituation der Arten in Sachsen-Anhalt (S Arten bei solchen parasitierende in Holz nistende bzw. ausschließlich oder fakultativ Höhenstufe und montane für die kolline und/oder Wald Arten für den Lebensraum charakteristische mh = mäßig häufig, eingestuft s = selten, ss sehr / nicht

Anhang 2 und benachbarten Habitaten auf den Borkenkäferflächen Wespenarten der Verzeichnis zur Artenliste: Erläuterungen *Art unber. ber., Umg. RL BS ST Holz montan Wald,

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 131 montan Wald + + + + + Holz s / / / / / / / / ss ss ss sh sh mh mh BS ST 3 D D G RL ST 1 1 1 Umg. 1 1 1 3 3 4 15 unber. Kl. Sandtal 1 1 1 1 1 1 5 3 6 ber. 1 1 3 SB unber. Fohlenkopf 1 1 1 1 2 9 ber. , 1959 , 1801) , 1758) , 1879 , 1893) , 1887) , 1791) , 1818) , 1807) , 1828) ERRIN UEBERT , 1761) INSENMAIER , 1787) , 1856 P Q L INNAEUS , 1941) O DE

LIVIER (L OCSÁRY UYSSON URINE , 1905 ALIDAY (C ALMAN (O (J , 1956 AUPT (B (M (H (D CHENCK INNAEUS ABRICIUS BEILLE S (H (L IEFFER (F A AUPT K H

Gasteruption jaculator fuscicornis Bethylus Chrysis longula ardens Hedychridium valesiense Hedychridium aeneus ephippiger Anteon exiguum Anteon fulviventre Anteon ACULEATA, Stechimmen ACULEATA, (Plattwespen) Bethylidae Familie * * * * * Familie Chrysididae (Goldwespen) Chrysididae Familie PARASITICA, Legimmen PARASITICA, Gasteruptiidae (Schmalbauchwespen) Familie * Art * * Familie Dryinidae (Zikadenwespen) Familie * Familie Evaniidae (Hungerwespen) Evaniidae Familie Brachygaster minuta Brachygaster Chrysis solida * Omalus puncticollis cyanea Trichrysis gaullei Anteon

132 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 + montan + + Wald + + Holz s s / / / / / / / / h h h h A sh sh sh sh mh BS ST 3 R V D RL 3 2 0 G ST 1 1 1 1 5 2 Umg. 1 1 1 1 1 1 5 2 2 6 18 unber. Kl. Sandtal 1 1 1 1 1 5 3 3 3 9 12 48 ber. 1 1 1 5 3 3 2 unber. Fohlenkopf 1 1 1 1 1 3 19 24 ber. , 1886) , 1781) , 1944) , 1818) , 1837) , 1818) AGRETTI , 1810 , 1763) , 1808) , 1893) , 1889) , 1851) , 1837) , 1890) , 1763) , 1809 , 1879) , 1823) (M ABRICIUS , 1941) ALMAN (F UET LÜTHGEN JUNGH ALMAN COPOLI PINOLA (D Q L ESMAEL HUCKARD (B AUPT OURNIER (S ORAWITZ (D COPOLI (S ALMAN CHIÖDTE , 1801 AR OURNIER ATREILLE (S (T (W (S (H L (S (M (D (T (M ANZER P

Aphelopus atratus formicarius Gonatopus quinquepunctata Sapyga ausa Arachnospila carbonarius Auplopus alamannicus Evagetes sahlbergi Evagetes subglaber Evagetes Homonotus niger * * * * Art Familie Sapygidae (Keulenwespen) Sapygidae Familie * * Mutillidae (Trugameisen) Familie Familie Pompilidae (Wegwespen) Pompilidae Familie * * Anteon jurineanum Anteon Aphelopus melaleucus ruficornis Lonchodryinus atra Myrmosa cinctellus Agenioideus Anoplius nigerrimus Anoplius tenuicornis anceps Arachnospila spissa Arachnospila subintermedia Deuteragenia crassicornis Evagetes *

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 133 + + + + montan + + Wald + + + + + Holz s / h h h h h A ss sh sh sh sh sh sh sh mh mh mh BS ST 3 D G RL 2 R ST 1 1 1 7 2 2 2 4 SB Umg. 1 1 1 1 2 2 2 2 13 112 unber. Kl. Sandtal 1 1 1 1 7 5 3 3 2 4 119 ber. 1 1 1 1 4 47 26 unber. Fohlenkopf 1 1 1 1 2 38 20 ber. , 1781) , 1793) , 1855) , 1874) , 1776) , 1761) , 1799) , 1845) , 1758) , 1793) , 1780) , 1808) , 1927 ÜLLER ABRICIUS , 1758) , 1758) , 1880 AUSSURE ABRICIUS , 1763) (F ARRIS HOMSON ANZER INNAEUS (M (F (S , 1781) AUPT PINOLA AHLBOM (T (P INNAEUS (H (L ABRICIUS , 1758) OHL H (S K (L (D (F COPOLI INNAEUS INNAEUS (L (S CHRANK (L INNAEUS (S (L

Polistes biglumis Polistes Stenodynerus picticrus boops quadrifasciata Cerceris heydeni Crossocerus Familie Ampulicidae (Schabenjäger) Familie * Art Familie Crabronidae (Grabwespen) Crabronidae Familie Familie Vespidae (Faltenwespen) Vespidae Familie * Familie Sphecidae (Sandwespen) Familie * * Priocnemis hyalinata Priocnemis perturbator Priocnemis schioedtei trifasciatus Ancistrocerus norwegica Dolichovespula saxonica Dolichovespula * allobrogus Symmorphus rufa Vespula vulgaris Vespula Dolichurus corniculus Ammophila sabulosa hirsuta Podalonia mystaceus Argogorytes barbipes Crossocerus

134 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 + + + montan + + + Wald + + + + + + + + + + + + + + + + Holz s h h h h h h h h h h h h ss sh sh sh mh mh mh mh mh mh BS ST D RL 3 3 D G ST 1 1 1 1 3 2 8 14 Umg. 1 1 1 1 7 2 2 16 28 unber. Kl. Sandtal 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 14 42 ber. 1 1 1 1 1 2 2 4 17 13 12 unber. Fohlenkopf 1 2 2 2 13 23 ber. , 1793) , 1829) , 1758) , 1790) , 1838) , 1844 , 1845 , 1837) ABRICIUS , 1852) , 1838) , 1837 INDEN (F , 1843 OSSI , 1804) , 1837 L , 1758) , 1804) , 1801) , 1834) , 1790) (R , 1824 , 1807 INNAEUS , 1771) AHLBOM AHLBOM ESMAEL AY , 1809 (L HUCKARD OSSI ANZER D D S ETTERSTEDT URTIS ANZER ANDER ANZER HUCKARD AHLBOM (S (W (R ETTERSTEDT (P URINE S (Z INNAEUS (P (C HUCKARD (V (P D J (Z ÖRSTER S (L (F ATREILLE L

Crossocerus quadrimaculatus Crossocerus lituratus Ectemnius Harpactus tumidus Mellinus arvensis dimidiatus trimaculatus Nysson gracilis Passaloecus singularis Passaloecus turionum Passaloecus inornata Pemphredon lethifer Pemphredon * * Art * * * * * * * * Crossocerus leucostoma Crossocerus megacephalus Crossocerus luperus Diodontus borealis Ectemnius lapidarius Ectemnius ruficornis Ectemnius * Mimumesa dahlbomi Nitela spinolae spinosus Nysson corniger Passaloecus insignis Passaloecus lugens Pemphredon

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 135 + montan + + Wald + + + + + + + Holz s s h sh sh sh sh sh mh BS ST D RL D G ST 3 4 4 76 29 Umg. 1 5 3 2 10 43 34 318 unber. Kl. Sandtal 1 1 5 20 48 350 ber. 1 2 2 33 29 191 unber. Fohlenkopf 1 1 2 31 14 191 ber. , 1825 , 1829) ERVILLE , 1991 & S INDEN , 1809) agg. , 1845 , 1793) L , 1851 , 1758) , 1945 NTROPOV ANZER MITH A ANDER AHLBOM (P EPELETIER ABRICIUS S D (V L (F INNAEUS EAUMONT (L B

Trypoxylon deceptorium Trypoxylon Arten (insg.) * Art Pemphredon lugubris Pemphredon montana Pemphredon troglodytes jokischianus Tachysphex attenuatum Trypoxylon clavicerum Trypoxylon figulus Trypoxylon minus Trypoxylon Individuen (insg.)

136 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 et al. 2004), ZIOCK et al. 2016): sh = sehr häufig, h = häufig, et al. 2016): TUKE ENTZSCH et al. 2011) SYMANK D = Deutschland (S Westharzes (Nationalpark und Umgebung) von J.-H. S J.-H. von (Nationalpark und Umgebung) Westharzes Bäumen von mh = mäßig häufig, eingestuft s = selten, ss sehr / nicht vermutlich neue Arten für den Nationalpark Harz nach einer unveröffentlichten Liste der Schwebfliegen des Liste der Schwebfliegen nach einer unveröffentlichten neue Arten für den Nationalpark Harz vermutlich (SB = Sichtbeobachtung) der Individuenzahlen mit Angabe Borkenkäferflächen und unberäumte beräumte der Borkenkäferflächen in der Umgebung Areale zusätzlich untersuchte = Sachsen-Anhalt (D 3: ST Tab. siehe Listen (Gefährdungskategorien Rote Bestandssituation der Arten in Sachsen-Anhalt (J im Baummulm, in nassen Baumhöhlen oder Saftfluss sich ausschließlich oder fakultativ entwickeln Larven charakteristische Arten für den Lebensraum Wald und/oder für die kolline und montane Höhenstufe und montane für die kolline und/oder Wald Arten für den Lebensraum charakteristische

Wald, montan Wald,

Anhang 3 und benachbarten Habitaten auf den Borkenkäferflächen der Schwebfliegenarten Verzeichnis zur Artenliste: Erläuterungen *Art unber. ber., Umg. RL BS ST Holz

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 137 + montan + + + + + + + + + + + + + + + + Wald + + + + + + + + + Holz s s s s h h h h h ss ss ss ss ss ss sh mh mh mh mh mh mh mh BS ST 3 3 D G RL 1 1 3 2 V D G ST 1 1 1 1 1 1 1 1 1 3 2 2 4 6 SB Umg. 1 1 1 2 4 unber. Kl. Sandtal 1 1 7 5 2 2 4 4 ber. 1 1 1 1 2 2 8 15 unber. Fohlenkopf 1 1 1 5 3 25 ber. , 1758) , 1805) , 1758) , 1758) , 1816) , 1885) , 1817) N , 1822) , 1817) É N , 1822) , 1790) É , 1817) , 1805) , 1798) , 1776) N É N , 1940 , 1801) INNAEUS ALL É ALL ABRICIUS , 1817) , 1775) EER , 1822) EIGEN OWARZ (L (F INNAEUS INNAEUS ALL N EIGEN (F , 1834 MELIN (F G ALL É ANZER (L (K (F (L (Verrall, 1873) (Verrall, E OLLIN (M ANZER (F (G (M (P , 1758) C ABRICIUS ALL EIGEN (D UART (P (F (F Q ABRICIUS (M AC (F M INNAEUS (L

Chalcosyrphus femoratus Chalcosyrphus valgus Chalcosyrphus verralli Chrysotoxum Art * * Baccha elongata Baccha fallax Blera testacea Brachyopa lentus Brachypalpoides laphriformis nemorum Chalcosyrphus Cheilosia canicularis Cheilosia himantopus solstitialis Chrysogaster arcuatum Chrysotoxum bicinctum Chrysotoxum * Criorhina berberina Criorhina floccosa albostriatus Dasysyrphus nigricornis Dasysyrphus tricinctus Dasysyrphus venustus Dasysyrphus Didea fasciata euchroma Epistrophella balteatus Episyrphus

138 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 montan + + + Wald + Holz s s / h h h A ss ss ss sh sh sh sh sh sh sh sh sh mh mh mh mh BS ST D D RL 3 0 G ST 1 1 1 1 1 1 5 2 2 2 2 SB Umg. 1 1 1 1 2 2 4 unber. Kl. Sandtal 1 1 1 1 1 3 2 4 6 10 43 ber. 1 1 1 1 1 1 1 1 1 3 2 2 4 unber. Fohlenkopf 1 1 1 1 1 1 1 1 5 5 2 2 2 4 ber. , 1838) , 1758) , 1829) et al., 2002 et al., , 1758) , 1843) , 1794) , 1805) , 1865) , 1758) , 1 758) , 1843) UART , 1794) , 1843) Q , 1758) , 1842) ETTERSTEDT , 1846 , 1776) INNAEUS GGER , 1822) (Z , 1763) AC INNAEUS , 1758) (L (E OEW ABRICIUS ABRICIUS EER UART INNAEUS (L , 1817) INNAEUS ETTERSTEDT (M OEW CHÖNROGGE Q (L (F (F G N L (L EIGEN (L ABRICIUS S E É (Z INNAEUS AC COPOLI ETTERSTEDT (F (L (M (D ALL (S (Z INNAEUS (M (F (L

Helophilus hybridus * Art arbustorum Eristalis horticola Eristalis pertinax Eristalis similis Eristalis tenax corollae Eupeodes latifasciatus Eupeodes luniger Eupeodes nitens Eupeodes pendulus Helophilus trivittatus lapponicus Lapposyrphus erraticus Megasyrphus hirtella Melanogaster mellinum Melanostoma scalare Melanostoma spec.Melanostoma cinctella Meliscaeva analis Microdon myrmicae Microdon florea Myathropa Neocnemodon latitarsis

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 139 + + montan + + + + + + + + + Wald Holz s s s s s / / ss ss ss ss ss ss sh sh sh sh sh mh mh mh mh BS ST 3 D RL 3 V ST 1 1 1 5 2 10 10 SB SB Umg. 1 1 1 1 1 3 2 2 2 2 2 2 91 unber. Kl. Sandtal 1 1 1 1 1 1 1 1 4 6 9 31 ber. 1 1 1 1 1 7 5 5 3 2 22 62 unber. Fohlenkopf 1 1 1 1 2 19 10 146 ber. , IEFENAU , 1805) T , 1838) , 1822) , 1843) , 1781) , 1843) DE

, 1758) , 1837) , 1857 , 1955) , 1804) , 1758) , 1822 EIGEN , 1822) ABRICIUS (M , 1776) , 1817) , 1828 , 1758)

, 1822) , 1758) ABRICIUS (F OELDLIN ETTERSTEDT ETTERSTEDT N ANZER EIGEN ALCHER EIGEN ONDANI INNAEUS É (F G ETTERSTEDT (Z (Z R (P CHUMMEL M (L INNAEUS -W , 1822 (M ALL (Z EIGEN (S (L , 1990 (F ( Harris INNAEUS INGDAHL INNAEUS (M R EIGEN (L (L SCHORN M PEIGHT & P & S ELUCCHI AIBACH

Neocnemodon vitripennis * Art (D Neocnemodon pubescens nobilis Orthonevra haemorrhous Paragus annulatus Parasyrphus lineolus Parasyrphus macularis Parasyrphus noctiluca Pipiza notata Pipiza quadrimaculata Pipiza albimanus europaeus Platycheirus M parmatus Platycheirus peltatus Platycheirus tarsalis Platycheirus Rhingia borealis pyrastri selenitica Scaeva lappona Sericomyia silentis Sericomyia interrupta Sphaerophoria scripta Sphaerophoria

140 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 + montan + + + Wald + + + Holz h h h ss ss ss sh sh BS ST D RL ST 1 7 3 2 8 12 10 43 118 Umg. 1 2 8 28 143 unber. Kl. Sandtal 1 3 3 4 35 168 ber. 1 1 3 4 14 38 185 unber. Fohlenkopf 1 1 1 1 1 8 34 258 ber. , 1980 , 1953 , 1758) , 1875 , 1822

, 1758) , 1758) ACKEN EIGEN , 1997 -S INNAEUS AGATSHANOVA M (L TACKELBERG B STEN S INNAEUS INNAEUS O (L IEFENAU (L T DE

OELDLIN Arten (insg.) Individuen (insg.) Art sibirica ribesii Syrphus torvus Syrphus vitripennis Syrphus joratensis Trichopsomyia G pellucens Volucella jakutorum Xylota segnis Xylota

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 141 Informationen

Übersicht der im Land Sachsen-Anhalt nach Naturschutzrecht geschützten Gebiete und Objekte und Informationen zu in den Jahren 2017 und 2018 erfolgten Veränderungen

Brünhild Winter-Huneck & Antje Rössler

Gemäß Paragraf 18 Absatz 1 Naturschutzgesetz Sachsen-Anhalt (NatSchG LSA) wird im Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (LAU) das Naturschutzregister für das Land Sachsen-Anhalt geführt. Jeweils zum Jahresende werden die Fachdaten für die nach Naturschutz- recht geschützten Gebiete und Objekte des Landes Sachsen-Anhalt mit den unteren Naturschutzbehörden der einzelnen Landkreise abgeglichen. Die Tabelle 1 gibt eine statistische Übersicht der nach Naturschutz- recht geschützten Gebiete und Objekte des Landes Sachsen-Anhalt mit dem Stand vom 31.12.2018. Im Jahr 2017 wurde keine Schutzgebietsstatistik angefertigt und ver- öffentlicht. Deshalb sind in dieser Übersicht die Veränderungen in den Jahren 2017 und 2018 zusammengefasst.

Änderungen und Informationen zum Bestand der Schutz- gebiete nach Landesrecht in den Jahren 2017 und 2018

1 Fauna-Flora-Habitat-Gebiete (FFH) und Europäische Vogelschutzgebiete (SPA)

Am 20. Dezember 2018 wurde die Landesverordnung zur Unterschutz- stellung der Natura 2000-Gebiete im Land Sachsen-Anhalt (N2000- LVO LSA) im Amtsblatt LVwA – Sonderdruck, 15. Jahrgang – veröffent- licht und trat damit in Kraft. Das bedeutete den Abschluss der nationalrechtlichen Sicherung von 266 FFH- und 32 SPA-Gebieten in Sachsen-Anhalt, die bis dahin durch europäisches Recht gesichert waren. Weiterhin nach internationalem Recht gesichert sind die Feuchtgebiete internationaler Bedeutung („Niederung der Unteren Havel/Gülper See“, „Helmestausee Berga-Kelbra“, „Aland-Elbe-Niederung und Elbaue Jeri- chow“) sowie eine Erweiterungsfläche des FFH-Gebietes „Dessau-Wör- litzer-Elbauen“ (FFH0067LSA), die nachträglich als Gebietserweiterung im Rahmen des WWF-Life-Projektes an die EU gemeldet wurde. Diese nachge- meldete Fläche besitzt eine Größe von 55,94 Hektar. Das FFH-Gebiet „Des- sau-Wörlitzer-Elbauen“ hatte bisher eine Flächengröße von 7.592,94 Hektar.

142 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 2 Naturschutzgebiete (NSG)

Am 20. Dezember 2018 wurde die Verordnung über das Naturschutz- gebiet „Mittelelbe zwischen Mulde und Saale“ im Amtsblatt des Landesverwaltungsamtes – Sonderdruck – bekanntgegeben. Seine GIS-Fläche beträgt 8.506,82 Hektar, davon sind 2.321,79 Hektar als Kernzonen ausgewiesen. Das NSG ist anteilig im Landkreis Anhalt-Bit- terfeld, im Salzlandkreis und in der kreisfreien Stadt Dessau-Roßlau gelegen und überschneidet sich teilweise mit dem Vogelschutzgebiet SPA0001 „Mittlere Elbe einschließlich Steckby-Lödderitzer Forst“, den FFH-Gebieten FFH0050 „Elbaue zwischen Saalemündung und Mag- deburg“, FFH0053 „Saaleaue bei Groß Rosenburg“, FFH0125 „Kühnauer Heide und Elbaue zwischen Aken und Dessau“ und vollständig mit dem FFH-Gebiet FFH0054 „Elbaue Steckby-Lödderitz“. Die Natur- schutzgebietsverordnungen der NSG0036 „Steckby-Lödderitzer Forst“ und NSG0090 „Saalberghau“ wurden mit Inkrafttreten dieser NSG-VO gelöscht. Das neue NSG überschneidet sich zum Teil mit den Landschafts- schutzgebieten LSG0051 „Mittlere Elbe“ sowie LSG0102 „Mittlere Elbe – Steckby“ und ist wichtiger Bestandteil des Biosphärenreservats BR0004 „Mittlere Elbe“.

3 Vertragliche Vereinbarungen (VEN)

Gemäß Paragraf 32 Absatz 4 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) kann die Unterschutzstellung der Natura 2000-Gebiete unterbleiben, soweit nach anderen Rechts- und Verwaltungsvorschriften durch die Verfügungsbefugnis eines öffentlichen oder gemeinnützigen Trägers oder durch vertragliche Vereinbarungen ein gleichwertiger Schutz ge- währleistet ist. Mit dem Stand vom 31.12.2018 wurden zehn weitere Fledermausquar- tiere zur nationalen Umsetzung des Schutzgebietssystems Natura 2000 aufgenommen. Damit sind nun insgesamt in Sachsen-Anhalt 27 Natura 2000-Fledermausquartiere vertraglich bzw. per Verwaltungs- vorschrift unter Schutz gestellt.

4 Hinweise zu Pflege- und Entwicklungsplänen, Managementplänen, Gutachten und anderen Arbeiten mit Bezug zu Schutzgebieten

Das im Landesamt für Umweltschutz geführte Archiv der fachlichen Gutachten über die Schutzgebiete des Landes Sachsen-Anhalt wird laufend aktualisiert. Die Managementpläne (MMP) für die Natura 2000-Gebiete sind im Internet unter https://lau.sachsen­-anhalt.de/naturschutz/natu- ra-2000/managementplanung/ verfügbar.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 143 Fläche1 Landes- Geschützte Gebiete und Objekte Anzahl [ha] fläche2 [%] … nach internationalem Recht Natura 2000-Gebiete FFH-Gebietserweiterungen (FFH)3 1 56 0,00 Feuchtgebiete internationaler Bedeutung (FIB) 3 15.171 0,74 … nach Landesrecht Natura 2000-Gebiete FFH-Gebiete 266 180.837 8,82 SPA-Gebiete 32 171.043 8,34 Vertragliche Vereinbarungen zur nationalrechtlichen 27 9 0,00 Sicherung von Natura 2000-Gebieten (VEN) Allgemeinverfügungen zur nationalrechtlichen 3 221 0,01 Sicherung von Natura 2000-Gebieten (AVN) Nationalparke (NP) 1 8.902 0,43 Kernzonen/Totalreservate (TR) im NP 9 5.032 0,25 Naturschutzgebiete (NSG) 197 71.428 3,48 Kernzonen/Totalreservate (TR) in NSG 71 6.075 0,30 Biosphärenreservate (BR) 3 155.882 7,60 Kernzonen/Totalreservate (TR) in BR 48 4.454 0,22 Landschaftsschutzgebiete (LSG) 85 685.684 33,45 Naturparke (NUP) 7 486.435 23,73 Naturdenkmale Flächenhafte Naturdenkmale (NDF)4 147 471 0,02 Flächennaturdenkmale (FND)5 699 − − Einzelobjekte (ND) 1.467 − − Tab. 1: Einstweilig sichergestellte ND 1 − − Statistische Über- Geschützte Landschaftsbestandteile sicht der im Land Sachsen-Anhalt − Geschützte Landschaftsbestandteile (GLB) 69 4.924 0,24 nach Naturschutz- − Baumschutzverordnungen und -satzungen (BA) 207 − − recht geschützten − Einstweilig sichergestellte GLB 1 92 0,00 Gebiete und Objekte Geschützte Parks (GP)5 200 − − (Stand: 31.12.2018).

1 Alle Flächenangaben sind per GIS ermittelt, für einige Schutzgebietskategorien (FND, GP, ND, BA) sind keine Flächenangaben möglich. 2 Landesfläche = 20.500 km² 3 Meldung liegt der EU-Kommission vor, die Überführung in Landesrecht durch das Landes- verwaltungsamt (LVwA) erfolgt nach Bestätigung durch EU-Kommission. 4 nach dem 01.07.1990 (Inkrafttreten des BNatSchG in den neuen Bundesländern) ausgewiesen 5 vor dem 01.07.1990 unter Schutz gestellt

Durch Überlagerungen von Schutzgebietskategorien auf derselben Fläche (FFH/SPA/FIB/NSG/ NP/BR/LSG/NUP/NDF/GLB/VEN) kann die geschützte Gesamtfläche Sachsen-Anhalts nicht durch Addition der Einzelpositionen dieser Tabelle ermittelt werden.

144 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Der Bestand an Pflege- und Entwicklungsplänen (PEP), Gutachten und andere Arbeiten mit Bezug zu Schutzgebieten kann ebenfalls auf der Homepage des Landesamtes für Umweltschutz (LAU) unter https:// lau.sachsen-­anhalt.de/Naturschutz/Schutzgebiete-nach-Landesrecht/ eingesehen werden.

Anschrift der Autorinnen

Brünhild Winter-Huneck Antje Rössler Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Fachbereich Naturschutz Reideburger Str. 47 · 06116 Halle (Saale) E-Mail: bruenhild.winter­[email protected]­anhalt.de E-Mail: [email protected]­anhalt.de

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 145 Gegenrede zur Erwiderung von L. Reichhoff auf die Interpretation des Wörlitzer Warnungsaltars durch M. Wallaschek [Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 55 (2018) JH: 73−78]

Michael Wallaschek

Zentrales Anliegen Reichhoffs (2018: 73) war es, darzulegen, dass der Warnungsaltar „nicht als früher Aufruf zum Naturschutz“ zu verste- hen sei. Zweifellos ist die Naturschutzbewegung ein Ergebnis späterer Zeiten als die des Fürsten Franz. Das wirft aber auch die Frage nach deren wissenschaftlichen und praktischen Grundlagen auf. Sie sind nicht erst im 19. Jahrhundert gelegt worden, sondern besitzen eine deutlich längere Geschichte, als heute viele Menschen zu glauben scheinen. Das mit Verweis auf zahlreiche Quellen richtig zu stellen, war mein Ziel (Wallaschek 2017: 73). Leser der „Beiträge zur Geschichte der Zoogeographie“ wissen, dass in den betreffenden Heften stets die Nutzungsorientierung solcher frü- hen Schutzbemühungen betont wurde, so wie in Wallaschek (2017: 73). Selbstredend hat Fürst Franz die Natur ebenfalls unter dieser Prä- misse als schutzwürdig betrachtet, deshalb zum Schutz ihrer Werke aufgerufen, nicht zum Naturschutz als politische Bewegung und heute als staatliches Politikfeld. Reichhoff (2018: 76) scheint aber auf die letz- ten beiden Sachverhalte zu fokussieren, was nicht meiner Intention und meinen Aussagen entspricht, daher als Kritik ins Leere geht. Im Übrigen war die Achtung vor der „wilden Natur“ als einem Werk Gottes ein ziemlich laut verkündeter Gegenstand der Aufklärung in Europa, wie man besonders aus den Werken der damals einflussrei- chen Physikotheologie lernen kann. Hier wurde zugleich eine sinnvolle Nutzung der „wilden Natur“ gefordert, worin also kein Widerspruch gesehen wurde. Es hat eben so seine Probleme mit den angeblich „all- gemein anerkannten Ideen der Aufklärer“ (Reichhoff 2018: 74), wenn man in die Quellen und ins Detail geht. Das grundlegende Problem dieser Kontroverse ist, dass Reichhoff (2016: 109, 2018: 73f.) das Wort „Natur“ auf dem Warnungsaltar als „Landschaft“ und das Wort „Kunst“ als „schöne Kunst“ („Architektur“, „Gartengestaltung“, „bildende Kunst, Musik, Literatur und Theater“) interpretiert. Das war nicht die Auffassung des 18. Jahrhunderts von den Begriffen „Natur“ und „Kunst“, worauf ich bereits am Beispiel von Johann Reinhold Forster und Johann Georg Adam Forster hingewie- sen habe (Wallaschek 2017: 71). Da Reichhoff (2018: 74) die Meinungen dieser Aufklärer als „Bruchstü- cke von Zitaten“ bezeichnen zu können glaubte, seien weitere solche „Bruchstücke“ von anderen, wohl nicht ganz unbedeutenden Aufklä- rern angefügt:

146 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 • „Kunst wird von der Natur, wie Thun (facere) vom Handeln oder Wirken überhaupt (agere), und das Product oder die Folge der erstern als Werk (opus) von der letztern als Wirkung (effectus) unterschieden. Von Rechts wegen sollte man nur die Hervorbrin- gung durch Freiheit, d. i. durch eine Willkühr, die ihren Handlungen Vernunft zum Grunde legt, Kunst nennen. Denn ob man gleich das Product der Bienen (die regelmässig gebaueten Wachsscheiben) ein Kunstwerk zu nennen beliebt, so geschieht dieses doch nur wegen der Analogie mit der letzteren; sobald man sich nämlich besinnt, dass sie ihre Arbeit auf keine eigene Vernunftüberlegung gründen, so sagt man alsbald, es ist ein Product ihrer Natur (des Instincts), und als Kunst wird es nur ihrem Schöpfer zugeschrieben. … wenn man aber etwas schlechthin ein Kunstwerk nennt, um es von einer Naturwirkung zu unterscheiden, so versteht man allemal dar- unter ein Werk der Menschen.“ (Immanuel Kant 1867 [publ. 1790]). • „Nun ist keine Frage, daß wie das Klima ein Inbegrif von Kräften und Einflüssen ist, zu dem die Pflanze wie das Thier beyträgt und der allen Lebendigen in einem wechselseitigen Zusammenhange dienet, der Mensch auch darinn zum Herrn der Erde gesetzt sei, daß er es durch Kunst ändre. Seitdem er das Feuer vom Himmel stal und seine Faust das Eisen lenkte, seitdem er Thiere und seine Mitbrüder selbst zusammenzwang und sie sowohl als die Pflanze zu seinem Dienst erzog: hat er auf mancherlei Weise zur Verän- derung desselben mitgewirket. Europa war vormals ein feuchter Wald und andre jetzt cultivirte Gegenden warens nicht minder: es ist gelichtet und mit dem Klima haben sich die Einwohner selbst geändert. Ohne Policei und Kunst wäre Aegypten ein Schlamm des Nils worden; es ist ihm abgewonnen und sowohl hier als im weitern Asien hinauf hat die lebendige Schöpfung sich dem künst- lichen Klima bequemet.“ (Johann Gottfried Herder 1785: 102f.). • „Gott hat die Erde gemacht, und alles, was darinnen ist. Sie hat nach seiner Absicht nicht leer seyn sollen, sondern ist mit leben- digen und leblosen Geschöpfen erfüllet … Allenthalben finden wir bewunderungswürdige Werke entweder der Natur, oder der Kunst, oder beyder zugleich. Gott ist von beyden der Urheber. … Die natür- liche Beschaffenheit der Theile und Gegenden des Erdbodens ist keineswegs einerley, sondern sehr mannigfaltig: denn sie haben verschiedene Luft, Gewächse, Früchte und Thiere. Alle diese Dinge sind um der Menschen willen vorhanden …“ (Anton Friedrich Bü- sching 1754: 26f.). • „Einem jeden Lande hat sowohl die Natur als die Kunst gewisse Eigenschaften mitgetheilet.“ (Gottfried Achenwall 1748: 14).

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 147 Es ist m. E. unmöglich, nach diesen Worten führender Aufklärer, Philo- sophen, Geographen und Staatswissenschaftler des 18. Jahrhunderts den „Kunst“-Begriff dieser Zeit zuerst und allein als „schöne Kunst“ zu interpretieren. Gemeint war mit „Kunst“ jede Art der Tätigkeit von Menschen zur Erzeugung von „Kunstproducten“. „Landschaft“ war also ein „Kunstproduct“ und gehörte unter die „Kunst“ auf dem Warnungsaltar, nicht unter die „Natur“. Diese „wilde Natur“ erzeugte die „Naturproducte“. Da sie den „Kunstproducten voraus gehen, war „Natur“ vor „Kunst“ zu platzieren. Das tat Fürst Franz und verband so „Das Schöne mit dem Nützlichen“, also auch dem nützlichen „Natürlichen“ - hier besteht keinerlei Widerspruch, Wallaschek irrte also nicht (Reichhoff 2018: 74). Mithin wussten Fürst Franz und die Aufklärer um den Wert der „wilden Natur“, was keineswegs im Widerspruch zu ihrem Ziel stand, sie zu kultivieren. Vielmehr sahen sie den inneren Zusammenhang. Offenbar fällt es manchen heutigen Interpreten schwer, den Menschen des 18. Jahrhunderts eine solche Leistung zuzutrauen. Reichhoffs (2018: 78) „Wildnis-Franz“ war ein kluger, und genau deshalb kein (ganz) „armer Franz“. Auf einige Details in Reichhoffs Erwiderung sei noch eingegangen. Das Zitat von Schilling wurde in Wallaschek (2017: 71) als eine wei- tere Interpretation des Warnungsaltars gebracht und keineswegs in irgendeiner Richtung „gedeutet“, wie Reichhoff (2018: 75) behauptet, sondern ob der ebenso wie bei Reichhoff (2016: 108f.) fehlenden Her- stellung eines inneren Zusammenhanges zwischen wichtigen Begrif- fen kritisiert. Reichhoff (2018: 75) meint dann, die Diskussion über die von ihm selbst ins Spiel gebrachte „wertlose ‚Natur‘“ durch Wallaschek (2017: 71f.) sei „schwer einzuordnen“. Sie hat im Gegenteil mit der nötigen Klarheit gezeigt, dass die Herrschenden, so auch Fürst Franz, sehr wohl um den Gebrauchswert der „wilden Natur“ wussten; womit auch sonst hätte er seine „Landschaft“ aufbauen sollen, ohne Was- ser, ohne Baustoffe, ohne Eichen etc.? „Wilde Natur“ und ihre Nutzung widersprachen sich nicht im damaligen Denken, aus „Naturproducten“ wurden durch menschliche Tätigkeit „Kunstproducte“, und Fürst Franz war klug genug, zu wissen, dass es ohne „wilde Natur“ nicht geht. Wie Reichhoff (2018: 75) zu der Behauptung kommt, ich hätte auf die Physiokraten verwiesen, die gemeint hätten, dass „nur die Natur Wer- te hervorbringt“, ist rätselhaft. Zunächst wurden hier die Physiokraten durch Reichhoff ziemlich verkürzt wiedergegeben, denn tatsächlich ging es ihnen um Grund und Boden und die darauf bauenden Wirt- schaftszweige. Weiter fehlt bei mir jeder Verweis auf die Physiokraten, aber es kommt die klare Aussage, „dass die Natur neben der Arbeit die Quelle allen Reichtums ist“ (Wallaschek 2017: 72); das ist dann wohl doch aus einer anderen Richtung der politischen Ökonomie.

148 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Literatur

Achenwall, G. (1748): Vorbereitung zur Staatswissenschaft der heu- tigen fürnehmsten Europäischen Reiche und Staaten worinnen derselben eigentlichen Begriff und Umfang in einer bequemen Ordnung entwirft und seine Vorlesungen darüber ankündiget M. Gottfried Achenwall. – Göttingen (Abram Vandenhoeck): 44 S. Büsching, A. F. (1754): Neue Erdbeschreibung. Erster Theil welcher Dä- nemark, Norwegen, Schweden, das ganze rußische Kaiserthum, Preussen, Polen, Hungarn und die europäische Türkey, mit denen dazu gehörigen und einverleibten Ländern, enthält. – Hamburg (Johann Carl Bohn): 1.184 S. Herder, J. G. (1785): Ideen zur Philosophie der Geschichte der Mensch- heit. Zweiter Theil. – Riga, Leipzig (Johann Friedrich Hartknoch): 344 S. Kant, I. (1867cc): Kritik der Urtheilskraft. 1790: 171–500. – In: G. Har- tenstein (Hrsg.): Immanuel Kant’s sämmtliche Werke in chronolo- gischer Reihenfolge. Fünfter Band. – Leipzig (Leopold Voss): 500 S. Reichhoff, L. (2016): „Wanderer achte Natur und Kunst und schone ihrer Werke“. Zur Interpretation der Inschrift auf dem Warnungs- altar in den Wörlitzer Anlagen. – Naturschutz im Land Sachsen- Anhalt 53: 108–109. Reichhoff, L. (2018): Erwiderung zum Beitrag M. Wallaschek: Eine wei- tere Interpretation des Wörlitzer Warnungsaltars. – Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 55: 73–78. Wallaschek, M. (2017): Eine weitere Interpretation des Wörlitzer War- nungsaltars. – Naturschutz Land Sachsen-Anhalt 54: 71–73.

Anschrift des Autors

Dr. Michael Wallaschek Agnes-Gosche-Straße 43 ∙ 06120 Halle (Saale) E-Mail: drmwallaschek@t­-online.de

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 149 Mitteilungen / Ehrungen

Zum Gedenken an Jürgen Buschendorf (geb. 8. Mai 1938 – gest. 13. April 2019)

Am 13.4.2019 verstarb Dr. Jür- gen Buschendorf. Er war eine bedeutende Persönlichkeit des Naturschutzes der Stadt Halle und Sachsen-Anhalts. Jürgen Buschendorf wurde am 8. Mai 1938 in Halle (Saale) geboren, wo er auch auf- wuchs. Auf den Schulbesuch folgten zunächst eine Lehre und eine Fachschulausbildung in der Landwirtschaft, bis er 1960 – nach erfolgreichem Fernstudium – in den Schul- dienst eintrat. Zunächst un- Dr. Jürgen terrichtete er als Biologieleh- Buschendorf 2015 rer an verschiedenen Schulen in Labrun. in Halle und im Saalkreis und wechselte dann als Lehrer im Hochschuldienst an die Pädagogische Hochschule Halle. Hier lehrte er vor allem die Biologiedidaktik und beschäftigte sich im Rahmen seiner Lehr- und Forschungstätigkeit intensiv mit Fragen der Erziehung zum Naturschutz und der Umweltbildung und -erziehung, die er sowohl theoretisch als auch praktisch vermittelte. Jürgen Buschendorf war naturkundlich und dabei vor allem zoolo- gisch sehr breit interessiert und besaß fundierte Artenkenntnisse bei vielen faunistischen Taxa (z. B. Libellen, Heuschrecken, Falter, Vögel), welche er auch im Rahmen seiner tierökologisch ausgerichteten Staatsexamensarbeit über die Porphyrlandschaft der Lunzberge bei Halle untersuchte. Vor allem aber galt seit jeher sein ganz besonderes Interesse der Erforschung und dem Schutz der einheimischen Amphi- bien und Reptilien. Im Jahr 1978 gründete er die organisatorisch beim Kulturbund der DDR angebundene Bezirksfachgruppe Feldherpetolo- gie für den Bezirk Halle, der er auch bis 1992 vorstand. Im Tandem mit Fred Harm Gaßmann, der den damaligen Bezirk Magdeburg vertrat, wurde so die Wiege für die systematische herpetologische Erfor- schung des heutigen Sachsen-Anhalt gelegt. Dieser hatte sich Jürgen Buschendorf auch nach der politischen Wende verschrieben. Er nahm aktiv an landesweiten Kartierungsprojekten teil, die in den 1990er Jahren zunächst rein ehrenamtlich und später im Rahmen behördlich beauftragter Monitoring-Projekte und Fachgutachten erfolgten. Die

150 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 umfangreichen Ergebnisse wurden in zwei Landesfaunen publiziert, in denen er die Autorenschaft für jeweils mehrere Arten übernahm („Die Lurche und Kriechtiere Sachsen-Anhalts. Verbreitung, Ökologie, Ge- fährdung und Schutz“ [2004]; „Die Lurche und Kriechtiere des Landes Sachsen-Anhalt unter besonderer Berücksichtigung der Arten der An- hänge der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sowie der kennzeichnenden Arten der Fauna-Flora-Habitat-Lebensraumtypen” [2015]). Er leitete zahlreiche Fachtagungen und Exkursionen und wurde Mitautor der ersten und zweiten Fassung der Roten Liste der gefährdeten Lurche und Kriechtiere unseres Bundeslandes. Die Angliederung der Pädagogischen Hochschule an die Universität Halle nahm Dr. Jürgen Buschendorf zum Anlass für eine nochmalige berufliche Veränderung, indem er von der zuvor ehrenamtlich aus- geübten in eine hauptamtliche Naturschutztätigkeit wechselte. Ab dem Jahr 1995 leitete er bis zu seinem Ausscheiden aus dem Berufs- leben die Untere Naturschutzbehörde der Stadt Halle. In der beweg- ten Um- und Aufbruchphase der 1990er Jahre und in einem generell schwierigen Umfeld, in welchem der Naturschutz in einer Großstadt immer agiert, gelang es ihm gegen mancherlei Widerstände, seine Behörde mit hohem Verantwortungsbewusstsein, Sachverstand und Professionalität zu führen, dabei ambitionierte Artenschutz- und Landschaftspflegeprojekte zu initiieren und ein engmaschiges inner- städtisches Schutzgebietssystem aufzubauen, welches heute als eines seiner wichtigsten Vermächtnisse fortbesteht und beständig weiter- entwickelt wird. Er, der seinen Lebensabend in Zwintschöna – einem Ort vor den Toren der Saalestadt – verlebte, hat sich auch im Ruhestand weiterhin in- tensiv naturkundlich betätigt, bis eine schwere Krankheit zunehmend an seinen Kräften zehrte, der er schließlich erlag. Wir verlieren mit Jürgen Buschendorf einen engagierten und zugleich bescheidenen und bodenständigen Naturschützer und ein Schwergewicht der feld- herpetologischen Erforschung Sachsen-Anhalts, mit der sein Name untrennbar verbunden bleiben wird. Wir werden ihm stets ein ehren- des Andenken bewahren.

Frank Meyer & Wolf-Rüdiger Grosse

Frank Meyer RANA – Büro für Ökologie und Naturschutz Mühlweg 39 ∙ 06114 Halle (Saale) E-Mail: frank.meyer@rana­-halle.de

PD Dr. Wolf-Rüdiger Grosse Akazienring 5 ∙ 06188 Landsberg, OT Queis E-Mail: [email protected]

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 151 Guido Puhlmann mit der Ehrennadel des Landes Sachsen-Anhalt ausgezeichnet

Mit der Ehrennadel des Landes wurde neben den Verdiensten im internationalen und deutschen Naturschutz auch die mehr als 40-jäh- rige ehrenamtliche Tätigkeit von Guido Puhlmann gewürdigt. Wir freuen uns sehr und gratulieren herzlich. Insbesondere deshalb, weil hiermit auch die von ihm geleistete Arbeit als Sprecher der AG Bio- sphärenreservate (2001−2009) und langjähriger Vorstandsvorsitzen- der (2009−2018) im Dachverband der Nationalen Naturlandschaften, EUROPARC Deutschland, anerkannt wurde.

Chef der Staatskanz- lei und Europami- nister Rainer Robra überreicht die Eh- rennadel des Landes an Guido Puhlmann. Foto: U. Lücke © Staatskanzlei und Ministerium für Kultur des Landes Sachsen-Anhalt.

Wir durften Guido Puhlmann mit Weitblick und Beharrungsvermögen erleben, immer sehr klar in den Zielen und stets engagierter Anwalt der Natur. Naturschutz und Naturnutzung schließen sich für ihn nie aus – immer mit der Abwägung von Maß und Umfang. Als nebenberuflicher Landwirt mit ökologisch wirtschaftendem Betrieb, in Nachfolge seines im Naturschutz engagierten Vaters Hans-Georg Puhlmann, weiß er was in der Flächennutzung möglich ist, auch im Hinblick auf die Möglichkeiten der erneuerbaren Energien einschließlich der sogenannten Biomassepro- duktion. Guido Puhlmann bezieht klare und vor allem fundierte Positio- nen. Gleichzeitig ist es seinem diplomatischen Geschick zu verdanken, dass zahlreiche Projekte, auch des Dachverbandes, auf den Weg gebracht und erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Er hat beispielsweise maßgeblich daran mitgewirkt, die Naturschutzgroßprojekte des NABU zur Renaturierung der Unteren Havel, des WWF zur Deichrückverlegung an der Mittleren Elbe und der Sielmannstiftung u. a. zur Eindämmung der Sohlerosion an der Elbe sowie Schwarzen Elster auf den Weg zu bringen. An der Erstellung und Umsetzung des Sohlstabilisierungskonzeptes Elbe, des Nationalen Hochwasserschutzprogrammes und des Gesamtkonzep- tes Elbe war und ist er maßgeblich sowie auch stellvertretend für mehre-

152 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 re Bundesländer beteiligt. Die Entwicklung von Qualitätsstandards für die Nationalen Naturlandschaften und die erfolgreiche, strategische sowie finanzielle Neuausrichtung des Dachverbandes hat Guido Puhlmann ge- meinsam mit seinen Vorstandskollegen maßgeblich gestalten können. Dass sich seine Arbeit an definierten Qualitätsmaßstäben ausrichten muss, um in der Gesellschaft unterstützt zu werden, daran zweifelte er nie. International waren es gerade diese Qualitätsmanagement- systeme, die immer wieder Beachtung fanden und zur Diskussion anregten. Er beförderte die Debatten national wie international. Als Lei- ter eines der in Deutschland flächenmäßig größten Schutzgebietes, kann er auf einen breiten Erfahrungsschatz zurückgreifen, der national wie international Lösungsoptionen eröffnet. Gerade die Biosphärenreservate stehen weltweit vor der Herausforderung zu zeigen, dass eine nachhal- tige Entwicklung, also ein generationsgerechtes Leben und Wirtschaften möglich ist; sie sind gefragt, wenn es darum geht zu entscheiden, wie viel Wirtschaftswachstum ökologisch verträglich ist. Keine einfache Aufgabe angesichts ökonomischer Zwänge und politischer Machtstrukturen. Diese können sich ändern. Das hat er am deutlichsten vor 30 Jahren mit der Wende erlebt. Mit Stolz bringt er seine Lebenserfahrungen aus einem der beiden ältesten deutschen Biosphärenreservate in den deutsch­deutschen, europäischen und internationalen Dialog ein. Dabei betont er immer seine Kernkompetenz als Naturschützer, Wasserwirtschaftler und Ornithologe. Die Aufgabe ist, Lebenserfahrungen zu bündeln, um für die aktuellen komplexen Fragen tragfähige Antworten zu finden – für die wertvollen Lebensräume, die noch an der Elbe existieren und letztlich für unsere eigene Lebensqualität. Oder mit den Worten des von ihm persönlich sehr geschätzten Hubert Wein- zierl ausgedrückt: „Wir wollen nicht von den Quellen schwärmen, sondern aus den Quellen trinken; wir wollen die Blumen, die Vögel und die Schmet- terlinge nicht in immer schöner aufgemachten Bildbänden, sondern ganz persönlich kennenlernen; wir wollen Lüfte einatmen und Früchte genießen, die uns nicht krank machen; und lärmfrei und unter gesunden Bäumen wollen wir in den Abend hineinträumen.“ Dafür braucht es starke Wurzeln, Wegbereiter und Visionäre – wie Guido Puhlmann.

Christian Unselt & Elke Baranek

Christian Unselt Vorstand EUROPARC Deutschland e.V. und Vizepräsident NABU NABU-Stiftung Nationales Naturerbe Charitéstr. 3 ∙ 10117 Berlin E-Mail: [email protected]

Dr. Elke Baranek Geschäftsführerin EUROPARC Deutschland e.V. Bäumerplan 14 F ∙ 12101 Berlin E-Mail: elke.baranek@spierling­-art.de

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 153 Armin Wernicke im (Un-)Ruhestand

Im September 2018 wurde Armin Wernicke 65 Jahre alt und been- dete am 30.04.2019 sein berufliches Arbeitsleben. Damit ging in der Naturschutzverwaltung des Landes Sachsen-Anhalt eine der regional tätigen aber auch überregional überaus geschätzten Persönlichkeiten in den verdienten Ruhestand.

Bundesumwelt- ministerin Barbara Hendricks (m.) und NABU Präsident Olaf Tschimpke (r.) besuchen 2015 das Haus der Flüsse. Armin Wernicke (l.) erläutert ein Modell. Foto: NABU Archiv. Armin Wernicke wurde am 10.09.1953 in Schollene im Elb-Havel- Winkel geboren. Dieser heute zu Sachsen-Anhalt und Brandenburg gehörenden Landschaft ist er wie seinem Geburts- und Wohnort eng verbunden. Heimatliebe und ein aus tiefer Kenntnis der Landschafts- geschichte und der Menschen resultierender klarer Blick auf Natur und Gesellschaft − nicht nur in dieser Region − sind die Basis seines vielfältigen Wirkens. Aufgewachsen in dieser von Elbe und Havel gestalteten und geprägten Landschaft sind ihm sowohl die Natur als auch die Menschen mit all ihren Widersprüchlichkeiten ans Herz gewachsen. Schon als Jugend- licher wurde Armin Wernicke Naturschutzhelfer in seinem Heimatkreis. Berufener Bürger beim Kreistag ist er dort bis heute. Besonderes Augen- merk hatten schon seit damals die heimischen Orchideen (Arbeitskreis Heimische Orchideen) und der Weißstorchschutz (Arbeitskreis Weiß- storch unter Kurt und Erna Kretschmann, später Dr. Christoph und Dr. Mechthild Kaatz). Als ausgebildeter BMSR-Techniker arbeitete er bis 1987 für einen Chemiebetrieb in Premnitz. In diesen Jahren wurde die Tätigkeit des Naturschutzwartes in einigen staatlichen Forstwirt- schaftsbetrieben neu geschaffen. Als einer der ersten Naturschutzwarte der DDR wechselte Armin Wernicke zum Forstbetrieb nach Genthin und erhielt dort die Zuständigkeit für die Untere Havel, ein Feuchtgebiet internationaler Bedeutung nach der Ramsarkonvention.

154 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Die Umbrüche im Zuge der friedlichen Revolution und der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik brachten auch für ihn Veränderungen und eröffneten weitere Möglichkeiten, sich für Natur und Menschen einzusetzen. Seitdem engagiert er sich auch kommunalpolitisch als Mitglied der damals in den neuen Bundesländern wieder neugegrün- deten Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Nach kurzer Tätigkeit in der Naturschutzbehörde des Landkreises Havelberg, wo er und seine Kollegen viele sowohl kurzfristig wie auch kurzzeitig vorhandene Möglichkeiten zu gutem Naturschutz beherzt nutzten, wechselte er 1992 in die neu gegründete Naturschutzstation Untere Havel im Schollener Ortsteil Ferchels. Nun war er Teil der staatli- chen Naturschutzverwaltung des Landes unter Aufsicht des Regierungs- präsidiums Magdeburg. In seiner ihm eigenen Art − stets das Wesent- liche klar erkennend und mit strategischem Blick mehrere Schritte voraus denkend, gepaart mit anschaulich treffender, oft humorvoller Kommunikation − hat er es auch unter diesen Umständen vermocht, die erfolgreiche Arbeit dieser Station als Mitarbeiter zu prägen. Das gelang durch stetes Erweitern sowohl seiner fachlichen Arten- und Gebietskenntnisse als auch der intensiven Beschäftigung mit den − für viele weniger interessanten − rechtlichen Grundlagen des Natur- und Umweltschutzes. Man kann ihn in diesen und anderen Fragen, die das Leben so mit sich bringt ansprechen und bekommt immer fundierte und hilfreiche Antworten mit zuweilen unerwarteten Perspektiven. Neben der Gebietsbetreuung und der Umsetzung der Schutzkonzeptio- nen im engen Zusammenwirken mit den Landwirten, den Verantwort- lichen für Hochwasserschutz, den Kommunen und der Bundeswasser- straßenverwaltung arbeitete Armin Wernicke schon frühzeitig mit einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter, ab April 1991 im Förderverein „Untere Havelniederung“ im NABU, Schritt für Schritt an den Grundlagen für ein großräumiges Naturschutzprojekt an der Unteren Havel. Nach der 2001 leider erfolgten Auflösung aller Naturschutzstationen des Landes wurde die Station Untere Havel Teil der Verwaltung des 1997 u. a. auf die gesamte Elbe und Havel in Sachsen-Anhalt erwei- terten Biosphärenreservates Mittelelbe. Es war schnell offenkundig, dass diese Verwaltung mit A. Wernicke einen überaus kompetenten, engagierten Kollegen hinzugewann, der eng mit den Menschen und Institutionen im Nordteil dieses Schutzgebietes verbunden ist. Er entwickelte sich im Laufe der Jahre immer mehr zu einem unverzicht- baren Kollegen, der auch schwierigsten fachlichen und personellen Situationen immer gewachsen war. Er hat über die Jahre mit außer- gewöhnlichem Verantwortungsgefühl, Tatkraft und höchster Bereit- schaft bleibende Erfolge ermöglicht. Dabei war er zur Übernahme von mehr und schwierigerer Verantwortung bereit, als in seinem Arbeits- vertrag samt Vergütung fixiert war. Ein auf gegenseitiger Wertschät- zung beruhendes gutes Verhältnis zu den unteren Naturschutzbe- hörden, den ehrenamtlichen Naturschützern und öffentlichen sowie

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 155 privaten Verantwortungsträgern in der Region war ihm immer wichtig und trug maßgeblich zum Erfolg bei. So wurden seine klaren, nicht im- mer populären aber stets fundiert begründeten Standpunkte immer ernst genommen und in Entscheidungen maßgeblich integriert. Die enge Zusammenarbeit von Naturparkverwaltung Westhavelland, Biosphärenreservatsverwaltung Mittelelbe und dem späteren Projekt- träger NABU-Bundesverband führte zur erfolgreichen Entwicklung des Naturschutzgroßprojektes Untere Havel. Armin Wernicke war dabei in allen Phasen eine der wenigen Schlüsselpersonen. Er koordinierte dann die Zusammenarbeit des Landes mit dem Projektträger und be- förderte den erfolgreichen Fortgang des Projektes maßgebend auch in schwierigsten Situationen. Armin Wernicke war langjährig Gemeinde- rat, von 1994 bis 2001 stellvertretender Bürgermeister und von 2008 bis 2015 Bürgermeister von Schollene, wie schon sein Vater. Nicht zu- letzt durch seine anerkannte Stellung in der Region, war er in der Lage, auch lange anhaltende Akzeptanzprobleme durch intensive, wert- schätzende Diskussion mit allen vom Projekt Betroffenen schrittweise zu lösen. Diese bedeutende großräumige vom Bund, den Ländern Brandenburg und Sachsen-Anhalt geförderte Flussrenaturierung in Verantwortung des NABU wäre ohne sein Wirken weder denkbar noch in so erfreulichem Maße erfolgreich gewesen. Besondere Schwerpunkte seiner Arbeit im Biosphärenreservat, zuletzt als verantwortlicher Leiter des von Magdeburg bis zur niedersächsi- schen Grenze ausgedehnten Nordbereiches, waren die Zusammenar- beit mit der Bundeswasserstraßenverwaltung, dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz, den Kommunen und den Landkreisen. „Nebenbei“ betreute er auch professionell die IT-Belange und das GIS im Nordbe- reich. Eine Fähigkeit, die er, wie so vieles in seinem Leben, wie selbst- verständlich überwiegend autodidaktisch erworben und auf hohem Niveau angewendet hat. Mit der erfolgreichen Bewerbung für die Bundesgartenschau 2015 in die Havelregion Brandenburgs und Sachsen-Anhalts erkannte er so- fort die Möglichkeiten für die Region und das Biosphärenreservat. Die Idee, das spätere Haus der Flüsse in Havelberg zu planen, zu bauen und zu gestalten, wurde maßgeblich von ihm entwickelt. Für ihn war es selbstverständlich, auch vor Ort und persönlich die schwierige Ver- antwortung als Bauherr zu tragen, einer nicht gerade typischen Tätig- keit einer Schutzgebietsverwaltung. Seinem unermüdlichen Einsatz, seinem Beharrungsvermögen und sehr ausgeprägtem Verhandlungs- geschick mit allen Partnern bis hin zur Landes- und Kommunalpolitik ist es zu verdanken, dass das Haus der Flüsse trotz vieler Hemmnisse in einer Bauzeit von weniger als einem Jahr und damit rechtzeitig zur BUGA als eines deren Highlights fertig gestellt wurde. Die attraktive Ausstellung selbst trägt auch deutlich seine Handschrift. In dieser angespannten Zeit übernahm er in schwieriger Situation im Nordbereich der Reservatsverwaltung aus dem ihm eigenen Pflicht-

156 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 gefühl heraus bis zum Ende seiner Dienstzeit auch noch weit mehr personelle Verantwortung als es seine anderen Aufgaben eigentlich zuließen. Auch damit hat er seinen Nachfolgern im Amt einen guten Start ermöglicht. Armin Wernicke steht beispielhaft für erfolgreichen ehren- und hauptamtlichen Naturschutz, der die vor Ort lebenden Menschen im Allgemeinen und Landnutzer im Besonderen mit deren Perspektiven, Ansichten, Sorgen und Nöten verantwortlich einbezieht. Seine Sach- kompetenz, sein typischer treffender Humor, sein beharrliches, sach- orientiertes und beherztes Ringen um gute Lösungen, seine anpacken- de Art und Verantwortungsbereitschaft, seine kritische Loyalität, seine Geradlinigkeit sowie seine Offenheit gegenüber Sachargumenten werden in der staatlichen Umweltverwaltung des Landes sehr fehlen. Mit seiner Fähigkeit, sich auch innerhalb der Verwaltung Handlungs- spielräume zu erschließen, Freiräume zu nutzen und ungewöhnliche Wege zu gehen, hat er den dort weiter Tätigen ungewöhnliche, aber Erfolg versprechende Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt. Wir wünschen Ihm alles Gute, Gesundheit, mehr Zeit mit seiner Familie, seinen Kindern und Enkeln und eine Fortsetzung seines Engagements für seine Heimatregion. Im Naturschutz widmet er sich u. a. als Kreisbetreuer nun weiter dem Weißstorch, den Orchideen und auch der NABU sowie die Biosphärenreservatsverwaltung dürfen sich seines Rates und seiner Taten weiter erfreuen.

Guido Puhlmann, Klaus Rehda & Olaf Tschimpke

Guido Puhlmann Leiter Biosphärenreservatsverwaltung Mittelelbe PF 1382 ∙ 06813 Dessau-Roßlau E-Mail: [email protected]­-anhalt.de

Klaus Rehda Staatssekretär Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie des Landes Sachsen-Anhalt Leipziger Str. 58 ∙ 39112 Magdeburg E-Mail: [email protected]­-anhalt.de

Olaf Tschimpke Präsident NABU Charitestraße 3 ∙ 10117 Berlin E-Mail: [email protected]

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 157 Zum Gedenken an Helmut Müller (geb. 19. Mai 1960 – gest. 21. August 2018)

Am 21. August 2018 ist der langjährige Leiter des Naturparks Drömling, Helmut Müller, im Alter von 58 Jahren verstorben. Als Sohn einer bäuerlichen Familie wurde Helmut Müller am 19. Mai 1960 in Rätzlingen geboren. Im Drömlingsdorf Rätzlingen besuchte er die Polytechnische Oberschule (POS) bis zur 10. Klasse, woran sich eine Facharbeiterausbildung zum Agrotechniker/Mechanisator im Volks- eigenen Gut (VEG) Pflanzenproduktion in Langenstein bei Halberstadt anschloss. Als bodenständiger Drömlingsbewohner und verantwor- tungsvoller Vater einer jungen Familie nahm er 1979 seine Tätigkeit bei der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) Pflan- zenproduktion Rätzlingen auf, die bis zum Mai 1990 währte. Seine Söhne Michael und Andreas wurden 1978 und 1984 geboren, 1979 heiratete er seine Frau Antje. In die Zeit seiner LPG-Anstellung fallen der 18-monatige Dienst bei der Nationalen Volksarmee der DDR (NVA) und der Beginn des Landwirtschaftsstudiums an der Martin-Luther- Universität Halle-Wittenberg. Zunächst als Direktstudium begonnen, dann − familienbedingt − als Fernstudium fortgesetzt, beendete er sein Studium im Februar 1988 erfolgreich als Diplom-Agrar-Ingenieur.

Bereits von Kindesbeinen an war Helmut Müller, oft mit seinem Vater, im Drömling unterwegs und lernte so Flora und Fauna kennen. Beson- ders engagierte er sich für den Schutz des Großen Brachvogels, worüber er dann auch zur Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Haldensleben (OAG) im Kulturbund der DDR unter Leitung von Reinhold Brennecke fand. Wenn es im Ergebnis der jährlichen Kartierungen im Rätzlinger und Bösdorfer Drömling darum ging, die Brachvogelgelege vor der frühen Mahd oder der damals noch intensiven Portionsweide zu schüt- zen, engagierte sich Helmut Müller und brachte sich als Landwirt und Naturschützer in die oft kontroversen Diskussionen mit den Landwirt- schaftsbetrieben intensiv ein. Auch an der Messtischblatt-Quadranten- Kartierung der Ornithologen in den 80er Jahren beteiligte sich Helmut Müller aktiv. Als 1984 die „Fördergemeinschaft Drömling“ unter Leitung von Rudi Kuke gegründet und unter dem Dach der „Gesellschaft für Na- tur und Umwelt“ (GNU) im Kulturbund tätig wurde, zählte die Arbeits- gemeinschaft Rätzlingen unter seiner Mithilfe bald zu den aktivsten Ortsgruppen im Kreis Haldensleben. Als Vertreter der LPG (P) Rätzlingen nahm Helmut Müller eine führende Rolle bei den vielen Maßnahmen der Natur- und Denkmalpflege sowohl direkt vor Ort als auch regional im Drömling ein. Aus dem Arbeitsplan 1986/87 seien hier beispielhaft die Begrünung des LPG-Betriebsgeländes, die Anlage und Pflege von Windschutzstreifen, die Werbung von Weidenstecklingen, die Ausbrin- gung und Kontrolle von Nistkästen und der Brachvogelschutz genannt, für die Helmut Müller verantwortlich oder mitverantwortlich zeichnete.

158 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Mit der politischen „Wende“ 1989/90 brachen auch im Natur- schutz neue Zeiten und Möglich- keiten an. Die inzwischen auf 55 Mitglieder angewachsene Förder- gemeinschaft Drömling nahm Kontakt zu Naturschutzgruppen im angrenzenden Niedersachsen auf. Helmut Müller vertrat bei den ersten Zusammenkünften mit der „Arbeitsgemeinschaft Drömling“ und dem SPD-Ausschuss „Rettet den Drömling“ die ostdeutsche Seite und erkannte früh die sich für den Naturschutz ergebenden Chancen. Bereits im November 1989 hatte Helmut Müller an der Helmut Müller 1996 Erarbeitung eines Forderungs- in Kämkerhorst. kataloges zum Schutz und zur Foto: W. Sender. Erhaltung des Drömlings mitge- wirkt und diesen mit unterzeichnet. Der Forderungskatalog wurde an Politiker, Verbände und Behörden bis hin zum DDR-Ministerrat und zum Bundesumweltministerium versandt und bildete die Grundlage für die ersten Gespräche zwischen BRD und DDR. Im Februar 1990 wurde Helmut Müller zum Vorsitzenden der Fördergemeinschaft Drömling gewählt. In dieser Funktion vertrat er fortan die Interessen des örtlichen Naturschutzes auf den maßgeblichen Beratungen zur Entwicklung des Drömlings auf Landkreis- und Bezirksebene. Auf einer Veranstaltung des „Neuen Forums“ im Dezember 1989 war es Helmut Müller und einigen Mitstreitern gelungen, dem dama- ligen Vorsitzenden des Rates des Kreises Haldensleben die Zusage abzuringen, das kreiseigene Gebäude Kämkerhorst bei Mannhausen künftig für den Naturschutz nutzen zu können. Ab 1. Juni 1990 be- gann hier die Arbeit der Verwaltung mit Helmut Müller als Leiter der Naturschutzstation Drömling. Hauptaufgabe war zunächst die unter hohem Termindruck stehende Erarbeitung der Verordnung über die Unterschutzstellung des Drömlings. In der vom Umweltministerium der DDR beauftragten Arbeitsgruppe (Müller & Braumann 1993) gelang es in wochenlanger und z. T. nächtelanger Arbeit, die Natur- park-Verordnung gerade rechtzeitig fertigzustellen, so dass sie dann im Rahmen des Nationalparkprogramms der DDR am 12. September 1990 verabschiedet werden konnte. Ein gleichermaßen großer wie entscheidender Kraftakt schloss sich an diese Phase an: Die Gründung eines Zweckverbandes zur Umsetzung des Naturschutzgroßprojektes in Sachsen-Anhalt. Es ist und bleibt das große Verdienst von Helmut Müller, das schwierige Unterfangen

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 159 einer kommunalen Trägerschaft, unter hilfreicher Beteiligung des hier erfahrenen WWF Deutschland, mit der Gründung des „Zweckver- bandes Naturschutzprojekt Drömling/Sachsen-Anhalt“ im November 1991 erfolgreich zum Abschluss gebracht zu haben. Vorangegangen waren zahlreiche Sitzungstermine in den politischen Gremien der damaligen Kreise Klötze, Gardelegen und Haldensleben, verbunden mit „Aussprachen unter vier Augen“ bei den Landräten und endlosen Satzungsdiskussionen. Die Gründung des Zweckverbandes als Antrag- steller und Träger des Naturschutzgroßprojektes war grundlegende Voraussetzung für die Projektbewilligung durch das Bundesumwelt- ministerium. Den Prozess der Antragstellung bei der fachlich zustän- digen Bundesforschungsanstalt für Naturschutz und Landschafts- ökologie, ab 1993 Bundesamt für Naturschutz, bezeichnete Helmut Müller selbst einmal als ein „18-monatiges Verständigungsdrama“. Im Juli 1992 wurde das Naturschutzgroßprojekt schließlich bewilligt. Hel- mut Müller wurde zum ehrenamtlichen Geschäftsführer des Zweck- verbandes gewählt, sodass er von 1992 bis 1996 in Doppelfunktion die Naturschutzprojekte im Drömling leitend umsetzte. In diese Jahre fielen u. a. Flächenkäufe im jährlichen Umfang von rund einer Millio- nen DM, als Novum durchgeführt durch die Naturparkverwaltung und die Begründung der bis heute erfolgreichen Zusammenarbeit mit der Arbeits-, Beschäftigungs- und Strukturförderungs-Gesellschaft Dröm- ling. Mit bis zu 200 Arbeitskräften aus dem Zweiten Arbeitsmarkt wurden damals über 120.000 Bäume und Sträucher sowie 2.000 Kopfweiden gepflanzt, über 60 Kilometer Fahrradwege angelegt und 40 Informationspavillons in den Ortschaften errichtet. Mit einge- worbenen Spenden wurde die erste Radwanderkarte des Drömlings herausgegeben und eine intensive Öffentlichkeitsarbeit aufgebaut. Zu einer engen kollegialen Zusammenarbeit kam es mit dem Büro Land- schaftsplanung Dr. Reichhoff, das im Zeitraum von drei Jahren das Mammutwerk des Pflege- und Entwicklungsplans für den Naturpark Drömling erstellte. Einen bedeutsamen Arbeitsschwerpunkt nahmen auch die beiden Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (VDE), die durch den Drömling verliefen, ein. Beim Neubau der Hochgeschwindigkeits- strecke Hannover-Berlin und beim Ausbau des Mittellandkanals (MLK) sahen sich die fünf Mitarbeiter der Naturparkverwaltung ganzen Stäben von Planungs- und Bau-Teams, Bundesbehörden und Juristen gegenüber, die Termine im Wochentakt ansetzten und meterweise Ak- tenberge produzierten. Hier waren die mühsam erzielten Erfolge für den Naturschutz nicht nur den Fachstellungnahmen zu den zahlrei- chen Erörterungsterminen der Planfeststellungsverfahren zu verdan- ken, sondern auch der für bundesdeutsche Verwaltungsmitarbeiter unkonventionellen Arbeitsweise von Helmut Müller. Beispielhaft sei hier die couragierte und nicht ganz dem Dienstweg entsprechende Bitte um einen Gesprächstermin beim Präsidenten der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mitte genannt, nachdem wesentliche Forde-

160 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 rungen zum umweltverträglichen Ausbau des MLK im Drömling von den zuständigen Instanzen regelmäßig als undurchführbar abgelehnt wurden. Ebenfalls bei diesem Termin anwesender Laudator erinnert sich: Beim Empfang in Hannover, „in den heiligen Hallen“ (dieser Eindruck drängte sich den Teilnehmern damals auf) wurde dargelegt, dass es die „arme und rückständige DDR“ fertiggebracht hatte, mit nur einem Betriebsweg am MLK auszukommen, da der MLK auch vom Wasser aus unterhalten wurde. Der beabsichtigte Neubau von beid- seitigen Betriebswegen, aus Naturschutzgründen im vorliegendem Fall ein schwerer Eingriff auf der bisher zugewachsenen Uferseite, wäre mit den technischen Möglichkeiten der BRD nicht zwingend erforderlich und könnte ersatzlos gestrichen werden. Dieser direkten und nachvollziehbar verständlichen Argumentation folgte schließlich der Präsident der Wasser- und Schifffahrtsdirektion und später auch die Planfeststellungskommissare, sodass es heute im Drömling, als Novum in der BRD, an der Bundeswasserstraße Mittellandkanal nach wie vor nur einen einseitigen Betriebsweg gibt. Ganz wesentlich für die großen Erfolge im Naturschutz der 90er Jahre waren die vielen persönlichen Beziehungen, die Helmut Müller aufbaute. Dies gilt sowohl für die direkten Gespräche mit den Land- wirten, Drömlingsbewohnern und -besuchern, oftmals verbunden mit dem Handschlag als Garant für die getroffene Abstimmung, als auch für die überregionalen Kontakte, die er für ein positives Image des Naturschutzes vor Ort nutzen konnte. So lud er bundesweit bekannte „Naturschutz-Ikonen“ wie Hans Bibelriether aus dem Nationalpark Bayrischer Wald, Prof. Michael Succow von der Universität Greifswald und den Tierfilmer Heinz Sielmann zu Veranstaltungen in den Dröm- ling ein und diese kamen auch gern. Letzterer wirkte dann über viele Jahre auch im Kuratorium der Stiftung „The Stork Foundation – Stör- che für unsere Kinder“ im Drömling mit, sodass die jährlichen Kurato- riumssitzungen jedes Mal zu einem großen Medienereignis wurden. Die Stiftungsgründung 1992 und die Unterzeichnung einer Verein- barung mit dem Land Sachsen-Anhalt über das Weißstorch-Schutz- programm Drömling 1995 sind zu großen Teilen seinem beständigen Engagement zu verdanken. Gleichwohl zeigte sich Helmut Müller gegen Ende der 90er Jahre enttäuscht von der öffentlichen Wahrnehmung des Naturschutzes im Drömling, befördert sowohl von Politikern in Wahlkampfzeiten als auch von Behördenmitarbeitern des Landes auf öffentlichen Ver- anstaltungen. Hauptkonfrontationspunkte waren damals die zur Moorerhaltung notwendigen Wiedervernässungen auf 14 Prozent der Naturparkfläche und die Kernzonenentwicklung auf drei Prozent der Naturparkfläche, die zu jener Zeit die gefühlte Hälfte der Arbeitskraft aller Mitarbeiter forderten. Dazu kam, dass die Zeiten der Handschlag- Mentalität zu Ende gingen und einer typischen Verwaltungs-Kompe- tenz-Konkurrenz-Mentalität wichen, die Entscheidungen oftmals

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 161 vertagte oder auf andere, nicht mehr vor Ort beeinflussbare Ebenen verlagerte. Die vielfachen beruflichen und ehrenamtlichen Tätig- keiten, die Helmut Müller in den 90er Jahren wahrnahm, wandelten sich von zunächst erfolgsgeprägten und positiv wahrgenommenen Erlebnissen immer mehr zu Belastungen, auch in seiner Funktion als Bürgermeister der Gemeinde Rätzlingen. Bereits 1996 hatte Helmut Müller sehr wohl erkannt, dass „wir die Freiheit nach der Wende und das heute Erreichte oft mit dem Verlust der Freizeit bezahlt haben“. Allein vermochte er es in der Folge nicht, sich aus dem beruflichen und ehrenamtlichen Umfeld soweit zurückzunehmen, dass er im persönlichen Umfeld die notwendige Distanz, Bestätigung und Ruhe gefunden hätte. Seine in den 90er Jahren wichtigen Charaktereigen- schaften der Durchsetzungskraft und ein gewisses Maß an gesunder Starrköpfigkeit verkehrten sich zu dieser Zeit leider ins Gegenteil − Hil- fe nahm Helmut Müller leider nicht oder nur zeitweise an. Besonders hervorgehoben werden muss hier die langjährige Freundschaft von Werner Folkens, dem langjährigen Verbandsvorsitzenden des Zweck- verbandes, der Helmut Müller über all die Jahre immer wieder unter- stützte. Von Krankheit gezeichnet, kam es zur Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber, dem Land Sachsen-Anhalt, in dessen Folge er die Berufsjahre ab 2003 fern des Drömlings im Umweltministerium in Magdeburg verbrachte, zuletzt ab 2017, dann teilinvalidisiert.

Helmut Müller war der Mann der ersten Stunde für den Naturpark Drömling. Ein Macher, der die entscheidenden Weichen vor Ort stellte und der viele Ziele und Visionen hatte. Eine ökologische Molkerei im Drömling wollte er in den 90er Jahre aufbauen und wurde dafür vom Landwirtschaftsministerium und den Bauernverbänden belächelt. Heute wissen wir, dass dies genau der richtige Weg hätte sein können. Eine internationale Partnerschaft hat er gegen viele Widerstände mit dem Welski Park in Polen und seinem Leiter Krzysztof Glowczinski begründet, woraus sich nicht nur ein jährlicher Jugendaustausch, sondern auch Partnerschaften der Kommunen und Vereine entwickelt haben. Und seine größte Vision, die Entwicklung eines Biosphären- reservates Drömling, ist im Juni 2019 verwirklicht worden. Leider zehn Monate zu spät für Helmut Müller, der im August 2018 verstarb. Das Andenken an Helmut Müller wird für immer mit der Wertschätzung und einer hohen Würdigung der Leistungen von Helmut Müller für den Naturschutz im Drömling verbunden sein.

Fred Braumann

Biosphärenreservatsverwaltung Drömling Sachsen-Anhalt Bahnhofstr. 32 ∙ 39646 Oebisfelde-Weferlingen E-Mail: [email protected]­-anhalt.de

162 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Publikationsliste von Helmut Müller (Auswahl in chronologischer Reihenfolge)

Müller, H. (1992): Projektbericht Grünlandextensivierung im Natur- park Drömling. − Habitat- und Arbeitsberichte der Aktion Fischot- terschutz e. V. − Hankensbüttel: 61−66. Müller H. (1993): Der Naturpark und seine Entwicklungsgeschichte. − Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 30 (SH): 5−8. Müller, H. & F. Braumann (1993): Die Naturparkverordnung und ihre Umsetzung. − Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 30 (SH): 47−48. Rupp, H., R. Meissner, H. Müller & F. Braumann (1993): Einfluss der Intensität der Landnutzung auf den anorganischen N-Gehalt im Boden und im oberflächennahen Grund- und Oberflächenwasser von flachgründigen Niedermoorstandorten im Drömling. − Mitteilungen der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft 72: 1.233−1.236. Müller, H. (1994): Der Naturpark Drömling und seine Entwicklungs- geschichte − Altmärkische Heimatblätter 2: 22−27. Müller, H. & F. Braumann (1994): Der Naturpark Drömling in Sachsen-Anhalt. − Naturschutz und Naturparke, Heft 152: 9−17. Müller, H. (1995): Der Drömling − eine Chance für Mensch und Tier. − In: Nationalpark Hochharz − 5 Jahre Nationalparkprogramm in Sachsen-Anhalt. − Ministerium für Raumordnung, Landwirt- schaft und Umwelt des Landes Sachsen Anhalt (Hrsg.): 59−66. Meissner, R., H. Rupp, F. Braumann & H. Müller (1995): Auswirkun- gen von Extensivierungsmaßnahmen im sachsen­-anhaltinischen Drömling auf die Verlagerung von Stickstoffverbindungen aus Böden in die Gewässer. − Kulturtechnik und Landesentwicklung 36: 155−157. Meissner, R., H. Rupp, P. Schonert, J. Seeger, F. Braumann & H. Müller (1995): Auswirkungen von Extensivierungsmaßnahmen im Drömling auf den Stickstoffgehalt im Boden sowie im Grund- und Oberflächenwasser. − Archiv für Naturschutz und Landschafts- forschung 33: 255−269. Müller, H. (1999): Naturpark Drömling − Im Land der tausend Gräben. − Nationalpark 104: 32−37. Müller, H. (2000): Naturpark Drömling. 1990−2000. 10 Jahre Natio- nalparkprogramm. − Europarc Deutschland (Hrsg.). – Grafenau: 10 S.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 163 Hagen Herdam zum 80. Geburtstag

Am 7. September 2019 beging Hagen Herdam in Straßberg im oberen Selketal seinen 80. Geburtstag. Über den beruflichen Werdegang des gebürtigen Halberstädters ist an anderer Stelle bereits ausführlich berichtet worden [Wegener & Kison (2004) in Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 41 (2): 38−40]. Deshalb soll nachfolgend vor allem auf seine floristischen Aktivitäten im Harz bzw. in Sachsen-Anhalt einge- gangen werden. Nach einem Start in der Ornithologie, an der ein naturwissenschaftlich interessierter Halberstädter am Standort des vogelkundlichen Museums „Heineanum“ nicht vorbeikommt, wandte er sich in der Folge der Botanik zu. Auch auf diesem Wissensgebiet boten Kontakte zu Friedrich Mertens und anderen damals um Halberstadt aktiven Floristen gute Startbedin- gungen. Aus dieser Zeit sind zahlreiche gemeinsame Exkursionen mit den Freunden Dr. Helmut König und Joachim Haensel im Harzvorland bekannt. Der Ornithologie gilt bis heute immer noch das Interesse des Jubilars, ob bei der Beobachtung der Vogelarten in seinem Garten im Selketal oder auf Reisen in die ganze Welt. An seiner beruflichen Wir- kungsstätte in Hadmersleben begann er eine intensive floristische Tätig- keit. Ein Kreis ebenfalls Interessierter scharte sich um ihn, und so wurde 1973 die „Arbeitsgemeinschaft Biogeographische Kartierung“ gegründet. Das Arbeitsgebiet bezog neben der nahen Bodeniederung auch die Regionen der Börde, hier insbesondere das Hohe Holz bei Oschersleben, den Hakel und andere mit ein. Es ist im weitesten Sinne das Gebiet, das der Magdeburger Botaniker Ludwig Schneider im 19. Jahrhundert vielfach besucht und dessen Pflanzenwelt er in Wanderbeschreibungen akribisch dargestellt hat. Die genauen Fundortbeschreibungen und das Auffinden der Arten an den historischen Fundorten begeisterten ihn. Heute muss leider Vieles, was Schneider und Herdam selbst einst noch fanden, als verschollen gelten. Zu gravierend sind die Umbrüche in der Landschaft und deren Nutzung. Der kleine Hadmerslebener Arbeitskreis suchte bald Anschluss bei dem im Wachsen begriffenen Floristischen Arbeitskreis Nordharz und Vorland, der in seiner Heimatstadt Halberstadt agierte. Bemerkenswert ist auch seine verantwortungsvolle Arbeit als Entwick- lungshelfer der DDR von 1977 bis 1983 in Mosambik, die an anderer Stelle zu würdigen ist. Sie erweiterte seinen geobotanischen und pflanzengeo- grafischen Gesichtskreis erheblich und nach jeder Reise kam er mit neuen Ideen für die Erfassung der heimischen Flora zurück, die aber erst nach 1983 verwirklicht werden konnten. Mehrere Vorträge über mosambikani- sche Landschaften, Pflanzenarten und die Situation im Land bereicherten und öffneten die damals noch eingeschränkte Weltsicht im Arbeitskreis. Zurückgekehrt aus Afrika, inspirierte er eine breit angelegte Kartierung, die sich in die damals von der Sektion Biowissenschaften der Uni- versität Halle geleitete Mitteleuropa-Kartierung eingliederte. Zusam- mengetragen wurde ein großer Datenfundus, der einerseits in den

164 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Ostdeutschlands (1996) einfloss, zum anderen aber auch den Grundstock für sein flo- ristisches Hauptwerk, die „Neue Flora von Halberstadt“ (1993, 2. Aufl. 1995), bildete. Diese Flora untersetzte für das Halberstäd- ter Florengebiet den genannten Verbreitungsatlas. Hagen Herdam bearbeitete die Halberstädter Flora federführend mit einem Autorenkollektiv. Bearbeiter ver- Prof. Dr. Hagen schiedener Teilgebiete teilten ihre Herdam während Funde mit, die den Grundstock einer Exkursion 2012 bildeten. Dennoch ist das Gros in Questenberg. der Beobachtungen durch ihn Foto: H.-U. Kison. selbst beigesteuert worden. Mit unglaublichem Energieeinsatz hat er, oft abends, nach der Arbeit einen Ausgleich suchend, weite Teile des großen Arbeitsgebietes erwandert. Bemerkenswert ist auch die Zusammenführung der Daten mit von ihm eigens geschriebenen Computerprogrammen. Wie er selbst es empfand, kam der Flora die Beendigung seiner Tätigkeit im Institut für Züchtungsforschung in Quedlinburg zugute. So konnte er seine ganze Energie in die Nordharzer Flora stecken. Ohne diesen Einsatz wäre die Lokalflora wohl nie zustande gekommen. Wer im Harz damit arbeitet, wird auch heute noch ein hohes Maß an Aktualität feststellen, auch wenn der eine oder andere Verlust an Standorten natürlich auch hier zu verzeichnen ist. Insgesamt erschienen in den Folgejahren noch fünf Nachträge, alle in den Abhandlungen und Berichten des Museums Hei- neanum. Der Plan, eine Neuauflage der Flora zu erarbeiten – die Nach- frage zu dem inzwischen längst vergriffenen Florenwerk ließ die Frage immer wieder aufkommen – wurde dann aber zugunsten der Erarbei- tung einer Sachsen-Anhalt-Flora zurückgestellt bzw. verworfen. Wenn sich Hagen Herdam auch mit viel Enthusiasmus der Erarbeitung der Sachsen-Anhalt-Flora widmete und der Botanische Verein Sachsen- Anhalt die Erarbeitung sehr förderte, erwies sich der Arbeitsrahmen doch als zu groß. So wie bei der Halberstädter Flora wollte er nach Möglichkeit alle zweifelhaften Befunde selbst überprüfen, Daten ver- vollständigen und eigene oft lange zurückliegende Beobachtungen bestätigen, was im ganzen Lande schon einmal mehrere Hundert Kilometer Fahrstrecke bedeuten konnte. Sieht man im Vergleich den personellen und zeitlichen Aufwand, den die Erarbeitung einer Thü- ringen-Flora erforderte, wird deutlich, dass der Weg so, wie man ihn sich in Sachsen-Anhalt vorgestellt und gewünscht hatte, nicht gang- bar war.

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 165 Freiberuflich bearbeitete er verschiedene Projekte. Mit der Einrichtung des Biosphärenreservates im Südharz widmete sich Hagen Herdam in der Zusammenarbeit mit Armin Hoch auch der Erfassung der Flora des Südharzes und der Karstlandschaft am Harzrand. Der Tod seiner lieben Frau „Lussja“ im Jahre 2008 versetzte ihm einen schweren Schlag, der ihn zwar nicht aus der Bahn warf, aber doch einen tiefen Einschnitt hinterließ. In Straßberg widmete er sich unter anderem der Wiesenpflege seines Grundstückes. Begeistert beobachtet er, wie sich der Artenbestand durch diese Pflege verändert und seltene Arten wie Leucojum vernum, Iris sibirica und Dactylorhiza majalis in ihren Bestän- den wachsen. Verstärkt unternahm er nach dem Tod seiner Frau gemein- same Exkursionen mit dem Orchideen-Arbeitskreis Sachsen-Anhalts sowie Orchideenexkursionen nach Südfrankreich.

So hat er sich die Freude an der floristischen Botanik erhalten können. Er ist nach wie vor aktiv im Botanischen Arbeitskreis Nordharz e. V., dessen Ehrenmitglied er seit dem 29.05.2010 ist. Verliehen wurde ihm diese Ehrung auf der Huysburg anlässlich der Tagung zum 50jährigen Bestehen des Arbeitskreises. Auch in der IG Ornithologie und Naturschutz Quedlinburg ist er sowohl mit Vorträgen zu verschiedenen botanischen und zoologi- schen Themen als auch am sonstigen Vereinsgeschehen beteiligt. Sein floristisches Lebenswerk wurde bereits im Jahre 1999 durch Verleihung des Bundesverdienstkreuzes gewürdigt [Wegener (2000) in Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 37 (1): 32−33]. In den letzten Jahren konzentrieren sich seine Exkursionen wieder verstärkt auf das nördliche Harzvorland zwischen Quedlinburg und Halberstadt bis zum Huy.

Wir wünschen ihm für das neue Lebensjahr und -jahrzehnt alles Gute, vor allem eine unerschütterliche Gesundheit, die die wichtigste Voraus- setzung für die Freude an der Beschäftigung mit der heimischen Pflan- zen- und Tierwelt ist. Mögen ihm Reisen mit Freunden in verschiedene Teile der Welt und zu Verwandten in Jakutien oder Südfrankreich viele schöne Erlebnisse bringen, an denen er in Vorträgen die Zuhörer auch immer wieder teilhaben lässt.

Hans-Ulrich Kison & Uwe Wegener

Dr. habil. Hans-Ulrich Kison Wehrenpfennigstraße 7 ∙ 06484 Quedlinburg E-Mail: hkison@t­-online.de

Dr. Uwe Wegener Meisenweg 27 ∙ 38820 Halberstadt E-Mail: [email protected]

166 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Peter Hanelt zum Gedenken (geb. 05. Dezember 1930 – gest. 21. Oktober 2019)

Mit Dr. habil. Peter Hanelt, der am 21. Oktober 2019 nach langer Krank- heit gestorben ist, verlieren wir einen außerordentlich versierten Botaniker, dessen auf die Botanik bezogenen Wurzeln in der renom- mierten Schule von Hermann Meusel in Halle liegen. Er war sowohl in seinem Beruf im Institut Gatersleben, heute Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung, als Autor von Buch- werken sowie in seiner Freizeitbeschäftigung der Floristik und Botanik immer verbunden.

Peter Hanelt wurde am 5. De- zember 1930 in Görlitz als Sohn eines Textilkaufmanns geboren. In seiner Heimatstadt besuchte er von 1937 bis 1949 die Grund- und Oberschule. Nach im Som- mer 1949 erfolgreich abgelegtem Abitur schloss sich ein Jahr Praktikum an, das er am Institut für Kulturpflanzenforschung der Akademie der Wissenschaften Dr. Peter Hanelt zu Berlin in Gatersleben absol- anlässlich seines 80. vierte. Dieses Praktikumsjahr Geburtstages im sollte für sein weiteres Leben Jahre 2010. entscheidende Weichen stellen. Foto: privat. Zunächst schloss sich aber ein Biologie-Studium an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg an, das neun Semester währte und die Botanik zum Hauptfach hatte. 1955 schloss er das Studium mit einer von Hermann Meusel verge- benen Diplomarbeit über Wuchsformen von -Arten ab. In Meusels Institut für Systematische Botanik und Pflanzengeographie arbeitete er von 1955 bis 1956 als Mitarbeiter, später als Assistent. Die Arbeit war eng verzahnt mit der des Institutes für Landesforschung und Naturschutz Halle, dem Meusel ebenfalls vorstand. Inhalt dieser Arbeit waren chorologische Fragestellungen. Im Jahre 1956 erhielt er eine Assistentenstelle in der Abteilung Systematik und Sortiment in dem durch sein Praktikum bereits vertrauten Gaterslebener Institut. Sein Arbeitsgebiet war hier die Systematik von Kulturpflanzen (bes. Fabaceae und Asteraceae). Unter Rudolf Mansfeld fertigte er eine Dissertation zu systematischen Studien in der Gattung Carthamus an und wurde 1961 an der Universität Halle promoviert. An gleicher Stelle habilitierte er sich im Jahre 1970 mit einer Arbeit über die Gattung Papaver. Sein langjähriges Wirken im Gaterslebener Institut als Leiter der Abteilung „Taxonomie“ war prägend sowohl für die wissenschaft-

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 167 liche Grundausrichtung der Arbeiten um die Genbank als auch für die organisatorischen Strukturen. Dass das Kulturpflanzensortiment Gatersleben heute zu den Sammlungen gehört, die am gründlichsten durch flankierende Forschung zur Systematik und Taxonomie auf- gearbeitet sind, ist zu einem hohen Maße auch sein Verdienst. Da er im „Realen Sozialismus“ einige Voraussetzungen nicht erfüllte, sondern allein das Ethos seiner wissenschaftlichen Arbeit hochhielt, blieben ihm Ehrungen – wie beispielsweise eine Professur – verwehrt. Aufgrund seiner wissenschaftlichen Leistungen hätte ihm diese fraglos zugestan- den. Sein Wirken im Gaterslebener Institut soll hier nicht weiter verfolgt werden, da eine Würdigung dieser Jahrzehnte währenden Tätigkeit vor allem dem Institut sowie seinen Kolleginnen und Kollegen vorbehal- ten bleibt (Pistrick & Hammer 2020). Die Zusammenstellung seiner Publikationen durch Fritsch & Hammer (2011) spiegelt sein umfangrei- ches Wirkungsfeld. In der Biologischen Gesellschaft der DDR leitete er über zwei Wahlperioden die Arbeit der Sektion Phytotaxonomie. Auch sein Engagement in der Regionalpolitik, z. B. als Gemeindevorsteher in Gatersleben, soll hier nur der Vollständigkeit wegen Erwähnung finden.

Im Nachfolgenden wird vor allem auf seine botanische und auf Natur- schutz orientierte Arbeit in der Region sowie die Publikation bedeutender wissenschaftlicher und populärwissenschaftlicher Schriften eingegangen.

Nach der Wahl des Wohn- und Arbeitssitzes in Gatersleben begann er auch mit der floristischen Erkundung des Umlandes, vor allem des Ha- kels, des weitläufigen Harzvorlandes und natürlich des Harzes. Dabei ergaben sich Kontakte zu dem 1960 von Alfred Bartsch gegründeten „Floristischen Arbeitskreis Nordharz und Vorland“, der unter dem Dach des Kulturbundes agierte. Zusammenführung der floristischen Fund- ortdaten und Bündelung naturschutzrelevanter Bestrebungen waren Ziel dieses Arbeitskreises, der in jenen Jahren noch eine überschauba- re Mitgliederzahl aufwies, und sein Wirken vom Zentrum Halberstadt aus entfaltete. In sehr dezenter, angenehmer Weise unterstützte Peter Hanelt in diesen Anfangsjahren die Bemühungen des Arbeitskreises und seines Leiters. Immerhin war er unter den begeisterten Floristen der einzige Wissenschaftler, der über eine solide systematische und pflanzengeografische Ausbildung verfügte. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre gab es über den Kulturbund der DDR bereits botanische Studienreisen nach Rumänien und Finnland, die von den Arbeitskreis- mitgliedern Alfred Bartsch, Margarete Müller und Uwe Wegener auch genutzt wurden, und es war eine Freude mit Peter Hanelt die Bilder und Herbarexemplare auszuwerten. Die Nachbestimmung verschie- dener Pflanzenarten führte nicht selten zu interessanten Diskussio- nen über die Herkunft der Arten und ihre geoökologischen Beziehun- gen zum mitteleuropäischen Raum. Bei diesen Zusammenkünften und Exkursionen wurde aber auch über die Grundrichtungen in der

168 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Biologie gesprochen. Die Lehrmeinung in der DDR fußte in den 1960er und sogar 1970er Jahren noch stark auf W. I. Mitschurin und dem Nachfolger Trofim D. Lyssenko. Am Institut in Gatersleben wurde aber immer erfolgreich auf der Grundlage der Genetik des einst verpönten „Morganismus und Mendelismus“ gearbeitet. Peter Hanelt verstand es, die Ergebnisse dieser Arbeit und die Erfolge überzeugend und ohne die in dieser Zeit oft übliche Polemik darzustellen.

Am 7. Juli 1974 übernahm Peter Hanelt erstmals eine Exkursionslei- tung für den Arbeitskreis. Die Wanderung führte in Teile des Hakels und den Institutsgarten Gatersleben. Neben Alfred Bartsch waren Horst Eckardt, Egon Högel, Sieglinde und Werner Illig, Margarete Müller, Heinz Quitt, Uwe Wegener, Ernst Wesarg und andere tragende Säulen der floristischen Arbeit jener Zeit. Peter Hanelt hielt in diesem Kreise auch Vorträge in Halberstadt: 1976 über floristische Funde im Gebiet Gatersleben (mit Otto Aurich); 1977 über seltene Kulturpflan- zen in Europa; 1979 zum 200. Todestag von Carl von Linné und 1984 zum 100. Todestag von Gregor Mendel; 1982 berichtete er über Ein- drücke von einer Sammelreise nach Italien und 1990 über das Flächen- naturdenkmal „Steinkuhlen“ am Südrand des Hakels. Diese ersten Vorträge von Peter Hanelt im Kreise der Nordharzer Botaniker berei- cherten nicht nur die Themenvielfalt, sondern ließen auch den Tenor für seine spätere Leitung des Arbeitskreises bereits erkennen. In den Jahren 1985 und 1988 hatte der Zweitautor die Möglichkeit Studien- reisen in die Mongolische Volksrepublik zu unternehmen und Peter Hanelt galt für dieses Land als Spezialist, bedingt durch zahlreiche Sammlungsreisen im Rahmen seiner Institutsarbeit. Verständlicher- weise bereitete die Auswertung des Herbarmaterials Peter Hanelt besondere Freude und entgegen seiner sonstigen Art kam regelrecht Begeisterung auf, als einige seltene Allium-Arten dabei waren. 1990 legte Alfred Bartsch aus gesundheitlichen Gründen den Vorsitz des Arbeitskreises nieder und Peter Hanelt trat seine Nachfolge an. Aber, es musste nicht nur ein neuer Vorsitzender gefunden werden, sondern auch ein neuer Rahmen, in den sich die Tätigkeit der Mitglie- der einfügen ließ. Nach allgemeiner Übereinkunft war die Gründung eines Eingetragenen Vereins der zweckmäßige Weg. Das war die erste Aufgabe des neuen Vorsitzenden, unterstützt durch die designierten Vorstandskollegen Egon Högel, Rolf Neuhaus und Hans-Ulrich Kison. Die Gründungsversammlung fand am 7. März 1992 in Halberstadt statt. Aus dem kleinen „Floristischen Arbeitskreis“, dessen Versamm- lungen um einen „runden Tisch“ erfolgten, war inzwischen ein Bota- nischer Verein geworden, der bei seinen Tagungen Säle füllte. Thema- tisch weitete sich das Spektrum ebenfalls, denn nicht mehr nur die reine Floristik wurde behandelt, sondern auch wissenschaftlich tief- ergehende Themen. Davor ergab sich eine wissenschaftliche Unter- stützung der Arbeit vor allem unter Anleitung der Kartierungszentrale

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 169 Halle im Rahmen der Mitteleuropa-Kartierung. Hier waren es vor allem Rudolf Schubert, Erich Weinert und Stephan Rauschert, die als Ansprechpartner oder als Vortragende zur Verfügung standen. Diese Flankierung war nach der politischen Wende nicht mehr im bekann- ten Maße möglich. Der Verein war jetzt auf sich gestellt. Peter Hanelt schaffte es aber, einen wissenschaftlich ausrichteten Leitgedanken in die Vereinsarbeit zu integrieren. Durch seine weitreichenden Kontakte gelang es ihm, auch namhafte Referenten „in die Provinz“ nach Halberstadt zu locken. Der Erfolg, gemessen am Zustrom zu den Tagungen in Halberstadt, später Drübeck, hat daher seine Basis in der Amtszeit von Peter Hanelt. Letztlich waren seine souveräne Leitung des Vereins und der Tagungen sowie die besondere Art von Humor auch Markenzeichen der Veranstaltungen.

Kurz nach Übernahme der Leitungsgeschäfte durch Peter Hanelt und den neuen Vorstand, war das wohl bedeutendste Projekt des Arbeits- kreises, die Herausgabe der „Neuen Flora von Halberstadt“ (1993) zu koordinieren. Inhaltlich erfolgte die Gestaltung durch ein Autorenkol- lektiv unter Federführung von Hagen Herdam, aber die geschäftliche Abwicklung des Projektes lag beim Vorstand. Da alle im Umgang mit Fördermitteln Neuland beschritten, eine nicht ganz leichte Aufgabe. Daneben war Peter Hanelt aber auch als Autor an dem Werk beteiligt, indem er die systematische Anordnung und Benennung der Arten redigierte und bei den chorologischen Fragen beratend mitwirkte.

Es kann und soll hier nicht auf die Vielfalt der Vorträge und Exkursio- nen eingegangen werden, die von Peter Hanelt gehalten bzw. geführt wurden. Das ist in Inhalt und Chronologie in den Mitt. Bot. Arbeits- kreis Nordharz e. V. Nr. 2 (2010) nachzulesen.

Die Vielfalt der Tagungs-Themen legte am Ende eine Teilung nahe; durch Peter Hanelt wurde dabei der Modus zweier Tagungen pro Jahr, der Frühjahrstagung und der Herbsttagung eingeführt bzw. wieder- belebt. Die erste Herbsttagung fand 1995 im Festsaal der Domprobstei in Halberstadt statt. Die Frühjahrstagungen waren den Mitgliederver- sammlungen mit den Vereinsobliegenheiten und floristischen Themen vorbehalten, die Herbsttagung widmete sich allgemein interessieren- den Fragen. Unvergesslich wird allen, die dabei waren, die Herbstta- gung 1997 bleiben. Im Atrium der AOK-Bildungsstätte in Halberstadt wurden durch Peter Hanelt unter großem Beifall des Auditoriums Ver- breitungsmechanismen flugfähiger Samen praktisch vorgeführt.

Als Vorsitzender des Arbeitskreises legte Peter Hanelt großen Wert darauf, dass nicht nur die aktuelle floristische Kartierung, sondern als zweiter Schwerpunkt auch die Geschichte der Botanik im Harz ihren Platz im Veranstaltungsprogramm erhielt. Das Jahr 1998 brachte

170 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 hier einen besonderen Höhepunkt. Die Herausgabe des Werkes von J. Royer (1574−1655) über den „Fürstlich Braunschweigischen Garten in Hessen“ jährte sich zum 350. Mal. Unter Federführung von Alfred Bartsch, Egon Högel und Peter Hanelt wurden ein Sonderheft der Abh. Ber. Museum Heineanum 4 (1998) mit dem Titel „Johann Royer (1574−1655) und die Flora des Nordharzes“ sowie im Scriptum-Verlag ein Tagungsband „Der Lustgarten des Johann Royer“ (1999) heraus- gegeben. Hauptinhalt des ersteren Werkes war die Übertragung der Royerschen Namen in die heutige Nomenklatur durch Peter Hanelt und Alfred Bartsch. Im zweiten Werk sind die Vorträge der Tagung zusammengefasst, die über den Rahmen der Arbeiten Royers hinaus auch einen Abriss der Gartenbaugeschichte seit dem 17. Jahrhundert brachte. Im Jahre 1990 wurde vom Landkreis Wolfenbüttel und der Herzog August Bibliothek auch ein Reprint von Royers Werk publiziert. Es darf als wichtiges Verdienst von Peter Hanelt und der genannten Mitautoren gesehen werden, dass im Anschluss an die Aufarbeitung der „Sylva Hercynia“ von J. Thal (1588) durch Stephan Rauschert und Anregung durch Alfred Bartsch auch Royers Arbeit als Bindeglied zur Floristik des 18. bis 19. Jahrhunderts erschlossen werden konnte.

Im Jahre 2001 legte Peter Hanelt den Vorsitz nieder, blieb aber noch bis 2004 Mitglied des Vorstands. Als dritter Leiter des Arbeitskreises übernahm der Erstautor dieses Beitrags die Amtsgeschäfte.

Von vielen denkwürdigen Veranstaltungen, die durch Peter Hanelt maßgeblich mit inspiriert wurden, soll hier noch auf die Tagung zum 200. Geburtstag von Wilhelm Schatz (1802−1867) hingewiesen wer- den. Sie fand im Jahr 2002 im Tagungszentrum in Halberstadt statt. In einem Tagungsband, der dem Museumsrat Heinz Nowak (Wanzleben) gewidmet ist, hatte Peter Hanelt mit den Kulturpflanzen in der Flora von Wilhelm Schatz (1854) die geschichtliche Situation des Ackerbaus zu Zeiten von Schatz herausgearbeitet. Diese Thematik war ihm stets ein besonderes Anliegen und schlug eine Brücke zu seiner ehemaligen beruflichen Tätigkeit in Gatersleben.

Unter Leitung von Peter Hanelt widmete sich der Arbeitskreis auch intensiv der aktuellen Sachsen-Anhalt-Kartierung. Namentlich waren es Exkursionen in wenig oder nicht bearbeitete Regionen, die in Zu- sammenarbeit mit dem Botanischen Verein Sachsen-Anhalt e. V. (1996 gegründet, der Botanische Arbeitskreis wurde korporatives Mitglied) und mit finanzieller Unterstützung durch die SUN Sachsen-Anhalt (damalige Stiftung Umwelt und Naturschutz) durchgeführt wurden und die nicht nur floristische Fortschritte brachten, sondern auch gemeinschaftsfördernd waren. Diese Exkursionen, an deren Vorbe- reitung Peter Hanelt stets mitwirkte, führten in folgende Regionen: Sangerhausen (1996), Haldensleben (1997), Genthin (1998), Altmark

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 171 (1999, 2001, 2002, 2003), Börde (2000) und Coswig an der Elbe (2004). In der Amtszeit von Peter Hanelt konzentrierten sich die Bestrebungen des Arbeitskreises auch auf die Schaffung fundierter Grundlagen, aus denen Handlungsempfehlungen für den Naturschutz erwuchsen. So war er immer bereit, wichtige Schutzvorhaben durch Briefe, Anrufe oder Eingaben gemeinsam mit seinen Instituts-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu unterstützen, so beispielsweise zum Schutz des Bodetals 1970 oder als das Landschaftsschutzgebiet südlich von Halberstadt 1972 im Rahmen des Ausbaues der Malachithöhlen ge- löscht werden sollte. Selbst für den Schutz des Brockens organisierte Peter Hanelt eine Gruppeneingabe des Institutes. Kontakte zu Behör- den, Verbänden und Einrichtungen der Landschaftspflege bestanden immer und waren allein durch Personalunion vieler Mitglieder des Arbeitskreises gegeben. Zu zahlreichen naturschutzrelevanten Pro- jekten nahm der Arbeitskreis Stellung und argumentierte aus seiner fachlichen Sicht. So gab es einen lebhaften Briefwechsel mit ver- schiedenen Stellen der Landesregierung Sachsen-Anhalt zum Problem des Baus der B6n (1995) sowie Resolutionen des Arbeitskreises zum Hochwasserschutz im Selketal und zu Strukturveränderungen in der Naturschutzverwaltung des Landes Sachsen-Anhalt (beides 2003).

Es bleibt noch auf die Autorenschaft Peter Hanelts bei der Herausga- be wichtiger Fachliteratur hinzuweisen, viele dieser Schriften gelten heute zurecht als Standardwerke.

Einen sicher wichtigen Teil seines Lebenswerkes stellt die Neu-Heraus- gabe von „Mansfeld’s Encyclopedia of Agricultural und Horticultural Crops“ (2001) dar. Mit über 6.000 aufgenommenen Arten hat die dritte Auflage des von Rudolf Mansfeld begründeten Standardwerks einen bis dahin nie erreichten Umfang angenommen. In mehreren Ausgaben der Rothmaler-„Exkursionsflora von Deutschland“ bearbei- tete er ganze Kapitel. Herauszuheben ist der Band 5 mit den krautigen Zier- und Nutzpflanzen, der in der Reihe erstmals 2008 erschien. Peter Hanelt wies mehrfach darauf hin, dass die inhaltliche Abgrenzung die- ses Bandes immer wieder zu Diskussionen unter den Autoren führte. Ursache ist, dass durch Gartenmärkte in einer vorher nicht gekannten Vielfalt Gartenpflanzen angeboten werden, die mit Zeitverzug dann auch Eingang in die Wildflora finden.

Neben der Fachliteratur im genannten Sinne wirkte Peter Hanelt auch an vielen populärwissenschaftlichen Schriften mit. Als Beispiele mögen stehen: „Brockhaus ABC der Biologie (1967); „Urania Pflanzen- reich“, in mehreren Auflagen ab 1971 herausgegeben; ebenfalls im Ura- nia-Verlag erschien unter seiner Mitwirkung „Früchte der Erde“ (1976); „Wörterbücher der Biologie“ in zwei Bänden (1990) und „Wildpflanzen Mitteleuropas – Nutzung und Schutz“ (1993). Bemerkenswert ist auch

172 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 seine Zusammenarbeit mit dem Institut für Landschaftsforschung und Naturschutz Halle bei der Herausgabe des Sonderheftes „Gen- ressourcen für Forschung und Nutzung“ gemeinsam mit Siegfried Schlosser im Jahre 1982, gleichzeitig als DDR-Beitrag zum UNESCO- Programm „Mensch und Biosphäre“.

In den letzten Jahren unterstützte er seine Frau, Dorothea Hanelt, die in Zusammenarbeit mit Horst Jage die phytoparasitischen Kleinpilze in verschiedenen Teilen des Landes Sachsen-Anhalt erfasste.

In seiner Wahlheimat am Harzrand wirkte Peter Hanelt im Beruflichen als Wissenschaftler von internationaler Bedeutung für die pflanzli- che Taxonomie und die Entwicklung der Genbank Gatersleben sowie in der Region als Lokalpolitiker und besonders über die Leitung des Botanischen Arbeitskreises Nordharz e. V. Durch sein integrierendes Wirken gelang es, den Verein über die Turbulenzen der Zeit der poli- tischen Wende zu bringen und ihm zu einer bis dahin nicht dagewe- senen Bedeutung in der Region zu verhelfen. Im Jahre 2006 wurde er zum Ehrenmitglied dieses Vereins ernannt.

In der Geschichte des Botanischen Arbeitskreises Nordharz e. V. wie in den persönlichen Erinnerungen seiner Mitglieder hat sich Dr. Peter Hanelt einen festen Platz erworben.

Literatur

Fritsch, R. & K. Hammer (2011): Die wissenschaftliche Arbeit des Jubi- lars. − In: Fritsch, R. & K. Hammer (Hrsg.): Evolution und Taxono- mie von pflanzlichen genetischen Ressorcen – Festschrift für Peter Hanelt. − Schr. Gent. Ress. 4: 15−18. Pistrick, K. & K. Hammer (2020): Dr. habil. Peter Hanelt *5.12.1930 − † 21.10.2019. − IPK Journal 1: 16−17.

Die Autoren danken Frau Dorothea Hanelt wir für ihre Unterstützung und die wertvollen Hinweise.

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Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 173 Impressum

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt ISSN 0940-6638 Redaktionsschluss: 30.06.20

Herausgeber: Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Fachbereich Naturschutz PF 200841 · 06009 Halle (Saale) Tel.: (0345) 5704 601 · Fax: (0345) 5704 605 E-Mail: [email protected]­-anhalt.de Internet: www.lau.sachsen­-anhalt.de

Redaktion: Steffen Szekely

Bildredaktion: Stefan Ellermann Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Fachbereich Naturschutz Reideburger Str. 47 · 06116 Halle (Saale)

Schriftleitung: Prof. Dr. Erik Arndt (Hochschule Anhalt), Dr. Kathrin Baumann (Na- tionalparkverwaltung Harz), Dr. Wolfgang Böttcher (Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie Sachsen-Anhalt), Fred Braumann (Biosphärenreservatsverwaltung Drömling), Dr. Ulrich Lange (Landes- amt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt), Steffen Szekely (Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt), Dr. Uwe Thalmann (Landesverwal- tungsamt Sachsen-Anhalt) und Katrin Windel (Untere Naturschutz- behörde Bördekreis)

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Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 175 Zu den Abbildungen der 3. Umschlagseite

Biodiversität durch naturnahe Ganzjahresbeweidung

Betrachtet man einen Kuhfladen aus unmittelbarer Nähe, wird schnell erkennbar, dass unzählige Kleinstlebewesen an dessen Zersetzung beteiligt sind. Zu diesen sogenannten koprophagen Insekten („Dung- fresser“) zählen beispielsweise Dungfliegen und -käfer, welche sich im Kot von Weidetieren entwickeln und wiederum eine unentbehr- liche Nahrungsgrundlage für insektenfressende Vogelarten und räuberisch lebende Insekten darstellen.

Die Hornissen-Raubfliege Asilus( crabroniformis) erreicht eine beacht- liche Größe von bis zu 2,5 Zentimetern. Die Grundfärbung der Tiere ist graubraun bis rötlich, die mittleren Hinterleibsegmente sind auf- fallend goldgelb gefärbt. Die Flügel beider Geschlechter sind dunkel gefleckt. Die Art fliegt von Juli bis Oktober auf spärlich bewachsenen Flächen, insbesondere auf mageren Viehweiden. Sie ist Kennart des FFH-Lebensraumtyps 6230 „Artenreiche Borstgrasrasen“. Als Ansitzjä- ger erbeutet sie von Maulwurfshügeln u. a. bodennahen Strukturen aus Heuschrecken und andere Beutetiere. Die Eiablage erfolgt häufig an eingetrocknetem Dung. Da sich ihre Larven während ihrer zwei- bis dreijährigen Entwicklungszeit von den Larven koprophager Insekten ernähren, ist die Hornissen-Raubfliege an das Vorkommen von Wei- detieren gebunden. Durch das weitreichende Verschwinden großer Weidetiere aus der Landschaft und dem dadurch bedingten Fehlen der Dungfauna wird der Art vielerorts die Lebensgrundlage entzogen, sodass sie deutschlandweit stark gefährdet ist.

Auf der seit 2015 bestehenden Ganzjahresweide nördlich von Samswe- gen im Landkreis Börde (Schiedewitz in diesem Heft) wurde entgegen diesem Trend eine deutliche Zunahme der Hornissen-Raubfliege beobachtet. Denn das ganzheitliche Konzept der naturnahen Ganz- jahresbeweidung verzichtet auf die in der gängigen Tierhaltung pro- phylaktische Verabreichung von Antiparasitika (Wurmmittel), deren Wirksubstanzen die Lebensgemeinschaften im Dung abtöten und dadurch die Entstehung natürlicher Kreisläufe bereits im Fladen ersti- cken. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass naturnahe Weidehaltung als Instrument für die Erhaltung der Biodiversität mehr Beachtung im Naturschutz erfahren sollte.

Susen Schiedewitz

176 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt | Jg. 56 Die Hornissen-Raubfliege legt ihre Eier häufig in eingetrocknetem Dung ab.

Ganzjahresbeweidung fördert die Biodiversität. Im Dung tummelt sich neben einer Vielzahl anderer koprophagen Insekten die Gelbe Dungfliege. Fotos: S. Schiedewitz.