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Herausgegeben von der

GESELLSCHAFT FÜR POMMERSCHE GESCHICHTE ALTERTUMSKUNDE UND KUNST e. V.

zugleich Mitteilungsorgan der

HISTORISCHEN KOMMISSION FÜR POMMERN

und der

ARBEITSGEMEINSCHAFT FÜR POMMERSCHE KIRCHENGESCHICHTE e. V.

Neue Folge • Band 105 • 2019 Band 151 der Gesamtreihe

Kiel 2020 INHALT

Dr. Ludwig Biewer zum 70. Geburtstag Theodor Wengler...... 7

Das Heilgeisthospital zu Stralsund Peter Pooth (†)...... 9

Die städtische Verwaltung in Kolberg in den Jahren 1255 bis 1806 Radosław Gaziński...... 53

Neue Funde zur Fürstlichen Druckerei Herzog Bogislaws XIII. in Barth Jürgen Hamel...... 75

Der rechtliche Charakter der »Pfarrstellenkonservierung« in Schwedisch-Pommern Madeleine Ahrens...... 107

Quellen zu den Reformationsjubiläen vom 16. bis zum frühen 20. Jahrhundert in den Beständen des Staatsarchivs Stettin Paweł Gut und Alicja Kościelna...... 127

Der Greifswalder Völkerrechtler Johann Philipp Palthen (1672–1710) und sein Bild vom Alten Reich Martin Espenhorst...... 139

Landesgeschichte und Numismatik – Friedrich Wilhelm von der Osten und seine »Pomerania Numismatica« Torsten Fried...... 167

Das Kriegstagebuch des Regiments der Herzöge von Sachsen zur Belagerung der Stadt Kolberg vom 14. März bis zum 8. Juli 1807 Jenny Bryś und Steffen Arndt...... 183

Von Freienstein bis Augusthof. Jüdische landwirtschaftliche und gärtnerische Ausbildungsstellen in Pommern während der NS-Zeit Hubertus Fischer...... 213 Übersicht zu den Rezensionen...... 243

Rezensionen...... 247

Zeitschriftenrundschau...... 296

Jahresberichte...... 303

Anschriften der Mitarbeiter...... 329 Übersicht zu den Rezensionen

Fred Ruchhöft, Arkona. Glaube, Macht und Krieg im Ostseeraum, Schwerin 2018 [Felix Biermann]...... 247

Uwe Kiefer, St. Maria zu Voigdehagen. Stralsunds Mutterkirche, Kiel 2018 [Gun- nar Möller]...... 250

Die Inschriften der Stadt Stralsund (Die Deutschen Inschriften 102, Göttinger Rei- he 18), gesammelt und bearbeitet von Christine Magin, Wiesbaden – Dr. Lud- wig Reichert Verlag, 2016 [Ralf-Gunnar Werlich]...... 251

Steffen Raßloff, Kleine Geschichte der Hanse (Rhino Westentaschen-Bibliothek, Bd. 71), Ilmenau 2019 [Dirk Schleinert]...... 254

Marvin Chlada (Hg.), Störtebeker. Seeräuber, Volksheld, Legende – eine Antholo- gie, Duisburg/Istanbul2 2017 [Christian Peplow]...... 254

Stephan Flemmig und Norbert Kersken (Hgg.), Akteure mittelalterlicher Außenpo- litik: Das Beispiel Ostmitteleuropas (Tagungen zur Ostmitteleuropaforschung, Bd. 35), Marburg 2017 [Oliver Auge]...... 256

Cornelia Neustadt, Kommunikation im Konflikt. König Erik VII. von Dänemark und die Städte im südlichen Ostseeraum (1423–1435) (Europa im Mittelalter. Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik, Bd. 32), Berlin/ Boston 2019 [Dirk Schleinert]...... 257

Rafał Makała (Hg.), Unbekannte Wege. Die Residenzen der Pommernherzöge und der verwandten Dynastien als Kunstzentren und Stationen künstlerischer Migration zwischen Reformation und Dreißigjährigem Krieg, Schwerin 2018 [Andrea Thiele]...... 259

Das Barther Bürgerbuch 1627–1928. Ein Beitrag zur Sozial- und Familiengeschich- te der Stadt Barth, bearb. v. Jürgen Hamel (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Barth, Bd. 2), [Leipzig] 2018 [Dirk Schleinert]...... 262

Beiträge zur Geschichte der Stadt und des Amtes Barth, hg. v. Jürgen Hamel und Stephanie Patrizia Mählmann (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Barth, Bd. 3), [Leipzig] 2018 [Dirk Schleinert]...... 262

Andreas Kappelmayer, Johann Casmir von Pfalz-Zweibrücken-Kleeburg (1589–1652). Standeswahrung und Fremdheitserfahrung im Schweden Gustavs II. Adolf und Christinas, Münster 2017 [Nils Jörn]...... 263

Peter Jancke, Gutenberg und seine Kolberger Jünger. Die Geschichte der Buchdru- ckerkunst im deutschen Kolberg (Beiträge zur Geschichte der Stadt Kolberg und des Kreises Kolberg-Körlin 38), Hamburg 2018 [Haik Thomas Porada]...... 265

BaltStud_TEXT.indb 243 17.02.20 21:30 244 übersicht Matthias Müller, Das Entstehen neuer Freiräume. Vergnügen und Geselligkeit in Stralsund und Reval im 18. Jahrhundert (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern; V, 51), Wien / Köln / Weimar 2019 [Walter Baum- gartner]...... 267

Alexander Querengässer, Das kursächsische Militär im Großen Nordischen Krieg 1700–1717 (Krieg in der Geschichte, Bd. 107), Leiden-Bosten-Singapore-Pader- born 2019 [Joachim Krüger]...... 269

Nils Jörn u. Dirk Schleinert (Hgg.), Vom Löwen zum Adler. Der Übergang Schwe- disch-Pommerns an Preußen 1815 (Veröffentlichungen der Historischen Kom- mission für Pommern; V, 52), Wien / Köln / Weimar 2019 [Robert Oldach]...... 271

Gunnar Müller-Waldeck, Die Torte in der Landschaft. Unterhaltsame kultur­ge­ schicht­liche Streifzüge um Dichter, literarische Orte und Landschaften in Mecklen­burg und Vorpommern, Elmenhorst 2018 [Monika Schneikart]...... 272

Sprichwörter und Redensarten von der Insel Rügen. Historische Sammlung aus Alte­fähr von 1832, entdeckt, übersetzt und herausgegeben von Renate Herr- mann-Winter, Rostock 2018 [Joachim Krüger]...... 275

Angela Rapp / Andreas Neumerkel / Dorina Kasten / Norbert Gschweng, Bilder voller Poesie. Stralsunder Kunst im 19. Jahrhundert (= Schriften des Stralsund Mu- seum, Band 2). Hg. Hansestadt Stralsund. Der Oberbürgermeister, Amt für Kulturerbe und Medien, STRALSUND MUSEUM und Förderverein STRAL­ SUND MUSEUM e. V., Stralsund 2018 [Michael Lissok]...... 275

Hans Reddemann, 200 Jahre Alter Friedhof der Universitäts- und Hansestadt Greifswald, 1818–2018 mit über 150 auch bedeutenden Medizinern, Greifswald 2018 [Hermann Manzke]...... 278

Hannelore Schardin-Liedtke, Damnica / Hebrondamnitz (Zamki i ogrody w woje- wódstwie pomorskim/Schlösser und Gärten in der Wojewodschaft Pommern 2), 2019 [Haik Thomas Porada]...... 279

Hartmut Bettin und Kathrin Pscheidl, Medizin in Greifswald. Rundgänge durch die Geschichte, Berlin 2017 [Hermann Manzke]...... 280

Gerd-Helge Vogel, Der Landschaftsmaler und Porträtist OSCAR ACHENBACH 1868–1935, hg. von Gerd Albrecht im Auftrag des Vineta-Museums der Stadt Barth, Berlin 2018 [Jana Olschewski]...... 281

Die Historische Kommission für Pommern 1911–2011. Bilanz und Ausblick, hg. von Nils Jörn und Haik Thomas Porada (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern; V, 47), Köln / Weimar / Wien 2018 [Christoph Volk­mar]...... 285

BaltStud_TEXT.indb 244 17.02.20 21:30 zu den rezensionen und anzeigen 245

Walter Dornberger, Peenemünde. Die Geschichte der V-Waffen, Ilmenau 2018 [Dirk Schleinert]...... 287

Michael Hecker, Karl-Ulrich Meyn und Karl-Heinz Spieß (Hgg.), Die Ernst-Mo- ritz-Arndt-Universität in Zeiten des Umbruchs. Zeitzeugen erinnern sich. Mit Bildern von Peter Binder, Greifswald 2018 [Michael Czolkoß]...... 288

Philipp Bauer Die Namensdebatte der Greifswalder Universität 2016/2017 in der medialen politischen Öffentlichkeit, Greifswald 2018 [Frank Pöllnitz]...... 292

BaltStud_TEXT.indb 245 17.02.20 21:30 REZENSIONEN

Fred Ruchhöft, Arkona. Glaube, Macht und auf den jüngsten Grabungen, die durchaus spe- Krieg im Ostseeraum, Schwerin – Landesamt zielle Anforderungen stellten – Geländeabbrü- für Kultur und Denkmalpflege 2018. che drohten, Feldarbeiten waren partiell nur 334 S., 405 Abb., 7 Taf. und 10 Tab. mit Absturzsicherung möglich. Alte Karten und ISBN 978-3-935770-56-9 Bilder dokumentieren die fortschreitende Re- duktion des Kreidefelsens, der bereits vor lan- Auf dem Kap Arkona befindet sich der viel- ger Zeit die Hauptburg mit dem Tempelstand- leicht bekannteste, sicherlich aber der am ort zum Opfer gefallen ist. »Das Meer wird ei- spek­takulärsten gelegene slawische Burgwall nes Tages auch die letzten Reste des einst mäch- in Deutschland. Die dänische Eroberung der tigen Walles verschlungen haben«. Anscheinend Tempelburg im Jahre 1168 und die Fällung kann man diesem »Totalverlust« eines der be- der Figur der dort verehrten Gottheit Swante- deutendsten Monumente des frühen Mittel- vit, eindrucksvoll vom Chronisten Saxo Gram- alters im Ostseeraum nicht gegensteuern; »die maticus geschildert, gelten als Fanal des Glau- Entwicklung« sei »zu akzeptieren« (S. 63). benswechsels im nordwestlichen Slawenland. Nachfolgend bespricht Ruchhöft das Fundmate- Von fortschreitendem Küstenabbruch bedroht, rial. Neben Keramik, Tierknochen und Alltags- führt das Schweriner Landesamt für Kultur gerät liegen mit Waagen und Gewichten auch und Denkmalpflege dort seit den 1990er Jah- Zeugen des Handels vor. Dazu mögen des Wei- ren Präventiv- und Rettungsgrabungen durch. teren 491 Münzen und diverses Hacksilber zäh- Fred Ruchhöft, langjähriger Leiter dieser Un- len. Ferner gibt es Indizien für das Metallhand- tersuchungen, stellt in seinem Werk die bishe- werk sowie zahlreiche Militaria, die einerseits rigen Ergebnisse vor, bezieht ältere Forschun- mit den vielen Kämpfen um Arkona zu tun ha- gen mit ein und überblickt die Kultur und Ge- ben; das gilt vor allem für ca. 580 Pfeilspitzen. schichte der Slawen auf Rügen im Mittelalter. Andererseits bezeugen sie als Opfergaben Arko- Gut und verständlich geschrieben, ausgezeich- nas Kultfunktion. Diese erklärt auch die Bal- net illustriert und ausgestattet, richtet sich die- lung kostbarer, oft skandinavischer Schmuck- ses schöne Buch an Fachleute ebenso wie an ein sachen, von Schwertteilen, Reitersporen und breiteres Publikum. anderweitigen Wertgegenständen, die oft ge- Zunächst gibt der Autor einen Überblick über meinsam in Gruben deponiert worden waren. die Forschungsgeschichte, behandelt dabei Dabei finden sich mitunter Objekte sehr un- Streitfragen wie die Datierung der finalen Zer- terschiedlichen Alters in gemeinsamem Kon- störung – 1168 oder 1169 – und historische Ku- text, was Ruchhöft auf die Hortung von Din- riosa wie die bereits im Mittelalter kolportier- gen über Jahrhunderte zurückführt. Sekundäre te Gleichsetzung Swantevits mit dem heiligen Aufwühlungen sind als Ursache aber auch nicht Veit, die angeblich auf eine frühe Mission bei ausgeschlossen. Ferner liegen vendelzeitliche Fi- den Rügenslawen durch das westfälische Klo- beln aus dem Norden und sogar eine Gewand- ster Corvey zurückgehen und dessen Ansprü- spange der römischen Kaiserzeit vor, vielleicht che auf die Insel begründen sollte. Die wirk- als Rohmaterialien für die slawische Metallver- mächtigen Hypothesen des Archäologen Carl arbeitung. Schuchhardt, der 1921 glaubte, »quasi mit dem Für die Datierung des Siedlungs- und Befesti- ersten Spatenstich die Fundamente des Tem- gungsgeschehens ist in Arkona nicht die Kera- pels und des Standbildes des Swantevit gefun- mik von erstem Rang, da es sich zu einem Gut- den zu haben« (S. 21), werden ebenso kritisch teil um Tonware der sog. Fresendorfer Grup- erörtert wie skurrile Wünschelrutenaktivitäten pe handelt. Diese zeigte über Jahrhunderte le- der 1930er Jahre. Besonderes Augenmerk liegt diglich geringe Veränderungen. Wichtiger sind

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Münzen und gut datierbare Kleinfunde, die dern kann auch die einzige schriftlich überlie- zwei Schwerpunkte der Nutzung des Felsens ferte dänische Baumaßnahme auf Arkona do- belegen: Die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts kumentieren: Das laut Saxo aus dem Holz für sowie das 11. Jahrhundert. Das 10. und 12. Jahr- Belagerungsgerät 1168 errichtete Kirchlein. Die hundert sind nach Ansicht des Bearbeiters le- Münzfunde aus den Pfostengruben, die bis in diglich schwach belegt. Interessant sind eini- das frühe 12. Jahrhundert reichen, ließen die- ge Münzen aus der Zeit nach 1168 – deuten sie sen Zeitansatz durchaus zu. Auch zeigen Gra- als Opfergaben unbeugsamer Swantevit-Jün- bungsbefunde früher dänischer Holzkirchen ger ein Nachleben der Kultstätte an? Die Früh- (etwa in Bygholm, Sebbersund und Snoldelev) phase Arkonas im 9. Jahrhundert hält Ruchhöft ähnliche Maße und Pfostengrundrisse. Der Be- für unbefestigt. Er denkt hier an eine Art Hei- festigungswall, von Ruchhöft selbst nicht un- ligen Hain, der praktisch gleich mit der vom tersucht, wird aufgrund der Forschungen von Autor erstaunlich spät angesetzten slawischen 1929 und 1995 besprochen. Die Analyse nach Besiedlung der Insel entstanden sei. Erst um Konstruktionsweise und Phasen ist sachkundig, 1000 sei der mächtige Wall aufgeworfen wor- aber vorläufig, da der noch geplante Wallschnitt den. Leider ist eben dieser nicht genau datiert, dazu sicherlich neue Einsichten erbringen wird. erst recht nicht die bereits vor Beginn der mo- Eine Anzahl von Holzkohlen aus den Grabun- dernen Forschungskampagnen weitgehend ins gen von 1929 ergab Jahrringdaten des späten 10. Meer gestürzte Wall-Graben-Befestigung der und der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, lei- Hauptburg. Zu dieser liegen nur widersprüch- der ohne nähere stratigraphische Einbindung. liche chronologische Indizien vor. Der innere Zum Swantevit-Tempel selbst gibt es keine Wall könnte daher auch älter sein als der äuße- neuen Befunde. So nimmt der Autor die hi- re und die Befestigung Arkonas im 9. Jahrhun- storischen Beschreibungen und anderwärts ge- dert gebildet haben. wonnene Grabungsfunde zur Grundlage in- Der Burghof war ausweislich zahlreicher Gru- struktiver Überlegungen über das Aussehen des ben, brunnenartiger Holzkästen und vieler Heiligtums. Immerhin lieferte Arkona Relikte, Funde recht dicht besiedelt, mit Schwerpunkt die sicher oder wahrscheinlich mit Kultgesche- im 11. Jahrhundert. Vermutlich war nur der hen in Verbindung stehen – neben Opfergaben Tempelbezirk hinter dem erwähnten Wall-Gra- und -gruben auch menschliche Skelettreste, benzug sakrosankt. Für eine gekrümmte Gru- meist von Schädeln. Etwas spitzfindig erscheint benreihe hinter dem Hauptwall, die mit Haus- die daran geknüpfte Diskussion, ob es sich bei bauten in Verbindung gestanden haben dürf- den Tötungen von Menschen an nordwestsla- te, kennen wir Parallelen nur von den früh- bis wischen Heiligtümern, die schriftliche Quel- mittelslawischen Burgwällen des sog. Feldber- len vermelden, eher um Opfer für die Götter ger Typs aus dem 8./9. Jahrhundert, was für oder um Hinrichtungen an Kultorten handel- eine Befestigung Arkonas bereits zu dieser Zeit te. Das ist heute kaum unterscheidbar, mach- sprechen kann. Hier soll die Befundstruktur al- te praktisch keinen und ideell nur einen gerin- lerdings erst aus dem späten 10./11. Jahrhun- gen Unterschied, denn die Motivik derartiger dert stammen, obgleich sie auch schon Dir- Gewaltakte in religiösem Kontext war zweifel- hams und Militaria – darunter einen Haken- los stets vielschichtig. Wichtiger wäre eine dif- sporn – des 9. Jahrhunderts lieferte. Heraus- ferenzierte Betrachtung der Skelettreste, die ragend ist der Pfostengrundriss eines Hauses, Ruchhöft ganz auf die Schädel als »Trophäen, dessen im slawischen Milieu fremde Bauwei- die siegreiche Krieger […] mitbrachten und se und (freilich allenfalls angedeutete) Schiffs- im Umfeld ihrer Häuser […] präsentierten« (S. form skandinavische Bezüge besitzt. Auch weil 241), fokussiert. Angesichts Arkonas Kultkon- sich Depotgruben in seinem Umfeld ballen, er- text sowie der archäologisch und historisch be- wägt der Autor eine kultische Funktion, jedoch legten Gewaltereignisse ist aber auch an Reste nicht als 1168 beschriebener Haupttempel. Der von Opfern kriegerischer oder kultischer Hand- West-Ost-gerichtete Gebäudegrundriss muss lungen zu denken, zumal neben Schädelresten allerdings nicht zwingend mit vorchristlicher auch Wirbel und diverse Langknochen ans Ta- Architektur des Nordens verknüpft sein, son- geslicht kamen.

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Arkonas Geschicke werden umfassend in die sentiert, es liegen durchaus Gepräge des 12. historischen Verhältnisse des südwestlichen Jahrhunderts vor, und der Münzspiegel wird Ostseeraums eingeordnet. Das 11. Jahrhundert nicht nur von der Siedlungsgeschichte, sondern war die Blütezeit des Heiligtums, bereits paral- auch von anderen Faktoren bestimmt: Schwan- lel zum berühmten Kultzentrum Rethra; nach kungen in der Intensität oder Art der Weihe- dessen Untergang wuchs Arkonas religiöse Be- gaben, wirtschaftliche Hoch- und Krisenzeiten, deutung noch an. Die politische Rolle der Prie- Änderungen in der Währungspraxis und Silber­ ster bewertet Ruchhöft einerseits als begrenzt, einfuhr. Die Projektile, die Ruchhöft allesamt andererseits räumt er den großen Einfluss ein, in die Zeit vor 1100 setzt, waren auch im 12. der sich aus der Kontrolle der überaus wichti- Jahrhundert noch im Einsatz. Wenig plausibel gen Orakel ergab. Gleichermaßen sachkundig ist seine Annahme, 1168 müssten bereits mehr erläutert der Autor die herrschaftlichen und re- Armbrustbolzen verschossen worden sein. Da- ligiösen Verhältnisse bei den Ranen, ihre kriege- her dürften nicht wenige der vermeintlich auf rischen und friedlichen Beziehungen zu Dänen, das 11. Jahrhundert begrenzten Befunde und Deutschen und Polaben, ihre Bündnispolitik, Funde tatsächlich erst in das folgende Säkulum die konfliktreiche Dualität zwischen Rügen- gehören. Wahrscheinlich entstammt auch ein fürsten und Arkona-Priestern sowie die Hinter- großer Teil der Pfeileisen und Zerstörungsre- gründe des dänischen Angriffs von 1168. Die- likte den dänischen Angriffen des 12. Jahrhun- ser sei allerdings archäologisch praktisch nicht derts, insbesondere der Eroberung von 1168. zu belegen. Leider lässt sich darüber schwer urteilen, weil Während die meisten Darstellungen Ruch- das Buch auf Fundlisten, Befundkataloge, spe- höfts gut nachvollziehbar sind, überzeugt gera- zielle Untersuchungen an Fundmaterialien wie de diese zentrale These nicht. Obgleich der Au- Münzen oder Menschenknochen, weitgehend tor selbst die Schwierigkeit der Datierung spät- auch auf Zeichnungen von Befunden und Fun- slawischer Keramik und weiteren Sachguts, ins- den verzichtet – mithin auf die Basis der wei- besondere auch der Pfeilspitzen betont, ordnet teren Interpretation. Während die Überlegun- er die auf Arkona dominierende spätslawische gen Ruchhöfts zu weit gefächerten kulturhisto- Siedlungsphase im Wesentlichen in das 11. Jahr- rischen Fragen die Insel Rügen und den Ostsee- hundert ein. Die massiven Relikte von Kampf- raum durchschweifen, vermisst der Leser nicht handlungen sollen allesamt nichts mit dem Er- selten Detailangaben zur Archäologie Arkonas eignis von 1168 zu tun haben – durch Feuer zer- selbst. Trotz seines Umfangs ist das Buch keine störte Wallkonstruktionen, Brandschuttschich- abschließende Grabungsvorlage, sondern eine ten, die ungeheure Menge von Pfeilspitzen, Art großer Vorbericht zu einem noch andau- andere Waffen, menschliche Skelettreste. Ein ernden Forschungsprojekt – allerdings unter Datierungsschema der wichtigsten Fundgat- Präsentation aller Höhepunkte und Haupter- tungen (S. 144, Abb. 176) suggeriert, dass Ar- gebnisse, darauf aufbauender Hypothesen und kona nach den archäologischen Ergebnissen im Modelle. Man kann begrüßen, dass die For- Wesentlichen bereits im Jahre 1100 geendet ha- schungen auf diese Weise relativ rasch bekannt ben müsste. Das gibt das Material aber schwer- gemacht werden. Gerade bei einem bedeuten- lich her. Die Keramik des 11./12. Jahrhunderts den Fundplatz wie Arkona, der Stoff für kon- ist zeitlich kaum zu untergliedern, schon gar troverse Diskussionen bietet, ist aber eine ein- nicht auf der Grundlage der eher oberflächli- gehende Analyse und Publikation aller relevan- chen Auswertung, die der keramische Fundstoff ten Quellen notwendig. Diese sollte von den von Arkona bisher erfahren hat. Ruchhöfts Ver- Projektverantwortlichen, trotz der nun vorlie- gleiche des Geschirrs vom Kreidefelsen mit der genden, unter vielen Aspekten exzellenten Ver- Tonware anderer Fundplätze können seine Da- öffentlichung, nicht aus den Augen verloren tierungsvorstellungen nicht untermauern. Of- werden. fenbar stützt er sich vor allem auf das Münzin- ventar, dessen Schwerpunkt im 11. Jahrhundert Felix Biermann, Greifswald liegen soll. Die numismatische Auswertung ist aber weder abgeschlossen noch komplett prä-

BaltStud_TEXT.indb 249 17.02.20 21:30 250 rezensionen

Uwe Kiefer, St. Maria zu Voigdehagen. Deutschen Ostsiedlung ab dem 12. Jahrhun­ Stralsunds Mutterkirche, Kiel – Verlag dert war die Gründung zunächst einer »Ur­ Ludwig 2018. 77 S. mit zahlr. Abb. pfar­rei« typisch. Der Ortsname Voigdehagen ISBN 978-3-86935-344-9 legt nahe, dass hier der Sitz eines fürstlichen Voigts war, ehe dieser in die rasch prospe­ ­rie­ren­ Jedem Reisenden, egal ob von der See- oder de Stadt Stralsund verlegt wurde. Die Beru­ ­fung Landseite, fallen in Stralsund die drei großen des Plebans erfolgte zumindest theore­tisch bis backsteinernen Stadtkirche auf, die die Silhou- ins 17. Jahrhundert hinein durch den jeweiligen ette der Stadt am Strelasund prägen. Liegen zu Landesherrn. In der Regel hatten diese Ober- den beiden größten von ihnen (St. Marien und kirchherren auch eine einträgliche Pfarrstelle an St. Nikolai) seit einigen Jahren umfangreiche einer der Stadtkirchen Stralsunds inne. Mehr- kunsthistorische Betrachtungen vor und ist die fach waren sie außerdem auch mit dem Amt des Jakobikirche als Kulturkirche wieder mit Leben Archidiakons von Tribsees betraut. Dies führ- erfüllt, so geraten die übrigen Stadtkirchen erst te dazu, dass diese Pfarrstelle, mit einer weit­ in jüngster Zeit nach und nach in den Fokus reichen­den Machtfülle ausge­stattet, ein begehr­ einer überfälligen und verdienten Betrachtung. ter Pos­ten bei Klerikern war, die pommer­ ­schen Rund 6 km südlich der Stralsunder Altstadt oder mecklenburgischen Adelsfamilien­ ent­ und abseits der großen Verkehrswege gelegen stamm­ten. Der Oberkirchherr besaß (singulär sowie hinter großen Bäumen versteckt entzieht in Vorpommern) eine burgartige Wohnanlage sich ein nicht minder interessanter und für die im Ort, die von Zeitgenossen auch »De Borgh« Kirchengeschichte Stralsunds wichtiger Kir- genannt wurde1. Doch zurück zur vorliegenden chenbau der Aufmerksamkeit der Ortsunkun­ gut bebilderten Broschüre. digen. Es ist eine relativ kleine backsteiner­ne, Nach einem kurzen geschichtlichen Überblick turmlose Saalkirche wie sie in ähnlicher Form der Region Nordvorpommern und des Ortes auch andernorts in Vorpommern zu finden ist Voigdehagen folgt eine Baugeschichte des Back- – die Dorfkirche St. Maria zu Voigdehagen. steinbaus. Dabei greift Uwe Kiefer auf in jüng- Auf den ersten Blick scheint sie nichts Beson- ster Zeit gewonnene Erkenntnisse der Baufor- deres darzustellen. Allerdings ist ihre Geschich- schung des Greifswalder Bauhistorikers Torsten te umso spannender. Der ehemalige Kirchen- Rütz zurück2. Dieser konnte im Sakristeibe- baurat der Pommerschen Evangelischen Kirche, reich Mauerreste eines bis dato der Forschung Uwe Kiefer, hat sich als gebürtiger Stralsunder unbekannten backsteinernen Vorgängers doku- der Vorstellung dieser Kirche angenommen, die mentieren. Dieser vielleicht ähnlich große Bau einst eine Sonderstellung in unserer Region ge- datiert gemäß der Bauforschung in die Jahre noss. Die kleine, auf den ersten Blick unspekta- um 1270/80. Der Vorgängerbau ist mit Sicher- kuläre Dorfkirche ist die Mutter- oder Haupt- heit nicht der erste Sakralbau in Voigdehagen kirche (ecclesia parochialis) der Stralsunder Kir- gewesen, da hier ja bereits vor der ab 1270 ge- chen St. Nikolai, St. Marien und St. Jakobi, le- nannten St. Nikolaikirche die besagte Mutter- diglich die heute verschollene Kirche St. Peter kirche bestanden haben muss. Wie diese erste und Paul unterstand ihr nicht. Die drei erstge- Kirche aussah, ob ein reiner Holz- oder Fach- nannten waren sogenannte Filialkirchen (Ne- werkbau, muss derzeit offen bleiben. Um 1400 benkirchen). Das heißt, dass es in Voigdehagen entstand dann die heutige Saalkirche, die eine zum einen einen Kirchenbau vor der Grün- enge bauhistorische Nähe zum kurz zuvor fer- dung der Stralsunder Kirchen gab und zum an- tiggestellten Kirchenschiff der Stralsunder Ma- deren die Stralsunder Priester kir­chen­rechtlich rienkirche aufweist. Die Baulichkeiten werden dem Voigdehägener Pleban unter­standen. Der- art durch den Schweriner Bischof, zu dessen Sprengel die festländische Region des Fürsten- 1 Gunnar Möller, Die »Burg« des Stralsunder Ober- tum Rügens bis nach der Reformation­ gehör- pfarrherren in Voigdehagen, in: StraleSunth Stadt- Schreiber-Geschichte(n), Jahrgang 6, Rostock te, privilegiert, übte der Pfarrer von Voigde­ha­ 2016, S. 8–11. gen als Oberkirchherr einen großen Einfluss in 2 Torsten Rütz, Bauarchäologische Dokumentation der Stadt Stralsund aus. Gerade im Gebiet der Kirche St. Marien, Voigdehagen, Typoskript 2015.

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in einem folgenden Kapitel näher beschrie- der sich für die Stralsunder Geschichte und die ben, wozu auch die gesondert vorgestellte Aus- ihrer näheren Umgebung interessiert, ist diese stattung des Sakralgebäudes gehört. 2012 war Publikation zu empfehlen. die Ausstattung einer gründlichen Bewertung durch den Greifswalder Kunsthistoriker Det- Gunnar Möller, Stralsund lef Witt unterzogen worden. Bedingt durch die in Kriegszeiten ungeschützte Lage der Kir- che vor den Mauern der Stadt haben sich aus dem Spätmittelalter nur wenige Dinge erhalten, Die Inschriften der Stadt Stralsund (Die wie der Taufstein, der Altarunterbau und eine Deutschen Inschriften 102, Göttinger Reihe 1320 angefertigte kalksteinerne Grabplatte ei- 18), gesammelt und bearbeitet von Christine nes vermutlich Stralsunder Bürgers. Überhaupt Magin, Wiesbaden – Dr. Ludwig Reichert ist die Kirche insbesondere im 17. Jahrhundert, Verlag, 2016, 509 S., 1 Karte, 72 Taf. aber selbst noch in den napoleonischen Kriegen mit 193 Abb., davon 42 in Farbe, massiv von Plünderungen und Teilzerstörungen ISBN 978-3-95490-143-2 betroffen gewesen. Von den jüngeren, barocken und frühklassizistischen Ausstattungen verdie- 2016 erschienen in der renommierten Reihe nen der Altaraufsatz, dessen Retabel 1698 (Erst- »Die Deutschen Inschriften« als Bd. 102 bzw. fassung 1717/18) in der Werkstatt des Stralsun- Bd. 18 der Göttinger Reihe »Die Inschriften der Bildhauers Johann Wendt entstand sowie der Stadt Stralsund«. Gesammelt und bearbei- die um 1723 in der Stralsunder Werkstatt des tet wurden sie von Christine Magin, Leiterin bekannteren Bildhauers Elias Kessler gefertigte der Greifswalder Arbeitsstelle Inschriften der Patronatsempore besondere Erwähnung. Span- Inschriftenkommission an der Akademie der nend bleibt die Frage, wie und wann die beiden Wissenschaften zu Göttingen, die 2002 durch vergoldeten silbernen Kelche aus dem 15. Jahr- die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen hundert nach Voigdehagen kamen. Beide Kel- und das Land Mecklenburg-Vorpommern ge- che stammen laut Inschriften und Wappen des meinsam am Historischen Institut der Ernst- Mainzer Erzbistums aus dem thüringischen Er- Moritz-Arndt-Universität eingerichtet wurde. furt. In einem Anhang stellt Uwe Kiefer die be- Zusammen mit ihrem Kollegen Jürgen He- kannten vorreformatorischen Plebane der Kir- rold hatte sie bereits 2009 den Band »Die In- che sowie die protestantischen Pfarrer vor. Der schriften der Stadt Greifswald« vorgelegt (sie- letzte Voigdehäger Pfarrer wirkte bis 1981, ehe he die Besprechung in Baltische Studien NF 96 er altersbedingt sein Amt aufgab. Die Kirche [2010]). Für Christine Magin ist dies bereits der wird nicht mehr regelmäßig für Gottesdien- dritte in der Reihe publizierte Inschriftenband, ste genutzt. Seit 2001 bilden die evangelischen da sie als Band 45 bereits 1997 die Inschriften Gläubigen gemeinsam mit denen der Stralsun- der Stadt Goslar vorlegte. Der dritte Band der der Friedenskirche in der Frankenvorstadt eine »Deutschen Inschriften« ist es auch im Hin- gemeinsame Gemeinde. 2006 ist diese mit der blick auf Vorpommern, nachdem 2002 im Bd. Jakobi-Heilgeist-Kirchgemeinde vereint. Trotz 55 der Gesamtreihe »Die Inschriften des Land- der abseitigen Lage und unregelmäßigen litur- kreises Rügen« durch Joachim Zdrenka heraus- gischen Nutzung bemühen sich die Voigdehä- gegeben wurden. ger Gemeindemitglieder rege um den Erhalt Wie bereits der Greifswalder Band ist auch der des Bauwerks, was heute nicht bei jeder einge- Stralsunder Band opulent ausgestattet und wird meindeten Dorfkirche/Kapelle der Fall ist. Dies von einem umfangreichen Abbildungsteil abge- ist ausdrücklich zu loben und der Gemeinde zu schlossen. Auf 72 Tafeln finden sich 42 farbi- wünschen, dass sie auch zukünftig diese, ihre ge und 151 schwarz-weiße Abbildungen von be- interessante Kirche im materiellen wie im ide- eindruckender Qualität, von denen 184 allein ellen Sinne am Leben erhält. Diesem Anliegen von Jürgen Herold stammen, der damit eben- dient auch die vorliegende Broschüre, denn es falls einen beachtlichen Anteil am Gelingen gilt der bekannte Denkmalspruch: man kann des Bandes hat. Im Vergleich zum Greifswal- nur das schützen, was man auch kennt. Jedem, der Band konnte damit die Zahl der Abbildun-

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gen erfreulicherweise noch einmal deutlich er- Zeitpunkt der Erfassung nicht zugänglich. Er- höht werden. Zur Anschaulichkeit tragen wei- ste Aufzeichnungen mit Stralsunder Inschrif- terhin bei ein Kirchengrundriß der Nikolaikir- ten stammen schon aus dem 17. Jahrhundert, che, der die dort anzutreffenden Grabplatten, gefolgt von vier weiteren ebenfalls Inschriften Grabfliesen und Gruftplatten maßstabsgerecht berücksichtigenden Werken des 18. Jahrhun- dokumentiert, sowie Zeichnungen der Meister- derts. Alle diese sind, wie auch ein Verzeichnis zeichen und Hausmarken. Der Textteil umfaßt von 1839, mit Ausnahme des Werks von Johann nach einem Vorwort, welches die zahlreichen Carl Dähnert aus dem Jahr 1754, handschrift- Unterstützer des Bandes würdigt, eine ausführ- lich überliefert. Dähnerts »Denkmale … aus liche Einleitung, den umfangreichen Katalog denen Stralsundischen Kirchen« sind zusam- als Hauptteil, eine chronologische Liste der In- men mit Ernst von Haselbergs »Die Baudenk- schriften, zehn Register und ein Abkürzungs- mäler der Regierungsbezirkes Stralsund« von sowie Quellen- und Literaturverzeichnis. 1902 auch die wichtigsten gedruckten Quellen. Die Einleitung beinhaltet neben den notwen- Kapitel 5 der Einleitung beschäftigt sich mit digen Vorbemerkungen und Benutzungshin- den Inschriften und Inschriftenträgern, wo- weisen einen chronologischen Überblick zur bei ein besonderes Augenmerk den Grabmä- Geschichte Stralsunds und seines geschichtli- lern und Grabinschriften gilt, bevor Objekte chen Umfeldes. Im dritten Kapitel folgen Be- der Kirchenausstattung­ angesprochen werden. merkungen zu den Standorten, zunächst zu den An­ders als im benachbarten Greifswald, wo der drei wichtigsten, die Pfarrkirchen St. Nikolai, Anteil­ von Grabplatten 80 % des Gesamtbestan­ St. Marien und St. Jakobi, gefolgt von den Klö- des an Inschriftenträgern ausmacht, fällt in stern der Dominikaner St. Katharinen und der Stralsund­ der Anteil von Grababdeckungen mit Franziskaner St. Johannis. Weitere Erörterun- rund 45 % deutlich geringer aus. Als ein Phäno- gen gelten dem St. Annenhaus, dem Birgitten- men der küstennahen Hansestädte findet sich kloster Marienkron, deren Nachfolgeeinrich- auch in Stralsund der Tatbestand, dass steinerne tung St. Annen und Birgitten, dem Heilgeist- Grabplatten durch Neubeschriftung weiter ge- hospital, dem Hospital St. Jürgen am Strande nutzt wurden. Zu den bedeutendsten Stücken sowie dem Rathaus und Wohnhäusern. Nicht zählt hier die in Flandern gefertigte Messing­ näher thematisiert werden an dieser Stelle aktu- grabplatte für den 1357 verstorbenen Stralsun- elle sekundäre Inschriftenstandorte, Institutio- der Bürgermeister Albert Hovener (Kat.-Nr. nen, die auf Grund ihrer inhaltlichen Bestim- 23). Die letzten beiden Kapitel der Einleitung mung Stralsunder Inschriften sammeln, wie das widmen sich den Sprachen und den Schriftar- Landesamt für Kultur und Denkmalpflege und ten der Inschriften. das Stralsund Museum. Der eigentliche Inschriftenkatalog als Hauptteil Der bedeutendste Inschriftenstandort ist mit des Bandes umfasst insgesamt 454 Katalognum- Abstand St. Nikolai mit 190 Objekten, gegen mern und entspricht daher vom Umfang weit- den alle anderen zahlenmäßig deutlich abfal- gehend dem Greifswalder mit 445 Objektein- len. Von den mit St. Nikolai in Verbindung ste- trägen. Er beinhaltet in chronologischer Abfol- henden Inschriften entstanden 59 im 14. und ge entsprechend der Reihenvorgabe Objekte, 15. Jahrhundert, während die übrigen der Frü- deren Erstbeschriftung bis zum Jahr 1650 er- hen Neuzeit zuzuordnen sind. Auch die älte- folgte. Da bei diesen Objekten aber auch die ste Stralsunder Inschrift ist hier zu finden, eine später noch eingebrachten Inschriften mit er- Bauinschrift aus dem Jahre 1318 (Kat.-Nr. 1). fasst und ediert werden, übersteigt deren Ge- Bei 116 Objekten handelt es sich um Grabplat- samtzahl von knapp 1200 die Zahl der Objekte ten, Grabfliesen, Gruftplatten und Grabsteine. bei weitem. Die jüngste erfasste Inschrift (Kat.- Kapitel 4 thematisiert die Überlieferung der In- Nr. 276) datiert sogar erst aus dem Jahr 1877. schriften. Von den 434 erfaßten Inschriftenträ- Bei der Auswahl der Objekte galt das Prove­ gern sind 354 erhalten, 54 vollständig verloren, nienz­prinzip, d. h. Aufnahme fanden Inschrif­ d.h. nur in kopialer Überlieferung auf uns ge- ten­träger, die sich während des Bearbeitungs- kommen, und 46 in unterschiedlichem Um- zeitraumes in Stralsund befanden, auch wenn fang erneuert, stark beschädigt oder waren zum sie heute anderenorts aufbewahrt werden, wie

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z. B. das bemerkenswerte, aus der Zeit um 1515– und Ortsnamen belassen, sondern neben ei- 1520 stammende Altarretabel in der Marienkir- nem Sachregister den Quellenkorpus u. a. nach che in Waase auf Rügen (Kat.-Nr. 138), welches Wappen, Marken, Berufen, Initien, Formeln, sich bis 1708 in der Nikolaikirche in Stralsund Inschriftenträger und Schriftarten aufbereiten. befand. Der beeindruckende Abbildungsteil wurde be- Die Kopfzeile zum jeweiligen Objekt ent- reits eingangs erwähnt. Es ist natürlich zu ver- hält die laufende Nummer, dessen aktuellen stehen, dass dabei eine Auswahl getroffen wer- Standort­ sowie die Datierung. Es folgen eine den muss und nicht jedes Objekt abgebildet Beschreibung­ des Inschriftenträgers, die In­ werden kann. Der heraldische interessierte Re- schrift(en) selbst nebst – soweit vorhanden – ei- zensent hätte sich allerdings gewünscht, dass ner Angabe zum Wappen sowie ein fachkun- im Farbteil auch die Kat.-Nr. 134 und 178 zur diger Kommentar, der unterschiedliche Aspek- Abbildung gelangt wären, zeigen sie doch die te des Objektes, z. B. die Einordnung in den wohl ältesten Farbabbildungen des Stralsunder historischen Kontext, zum Gegenstand haben Stadtwappens, wobei insbesondere die Wap- kann. Zudem gibt es Anmerkungen, die u. a. pentafel von 1566 von Bedeutung ist, die das auf die relevante Literatur verweisen, und ggf. Wappen – anders als das Wappen an der Empo- weitere Quellenangaben. Bei einer lateinischen, re im Hochchor über dem Hauptaltar von St. niederdeutschen oder auch hebräischen In- Nikolai – unbeeinflusst von späteren Restau- schrift folgt eine Übersetzung. rierungen zeigt. Aber dies lässt sich möglicher- Es gibt zu denken, dass bei wohl sieben Kata- weise zukünftig im Rahmen des Projekts Deut- lognummern mit dem Standortnachweis Lan- sche Inschriften Online verwirklichen – http:// desamt für Kultur und Denkmalpflege (Kat.- www.inschriften.net/projekt.html (letzter Auf- Nr. 151, 201, 243, 318, 321, 339, 388) – bei Kat.- ruf 4.11.2019) – , wie dort auch Inschriften, die Nr. 321 fehlt die entsprechende Zeichenkenn- bei der Erfassung der Bearbeiterin nicht zu- zeichnung, bei Kat.-Nr. 339 fehlt der ansonsten gänglich waren, den Band im Netz hoffentlich gegebene Hinweis, dass keine Autopsie mög- noch erweitern können. Bei dem Greifswalder lich war) – zum Zeitpunkt der Erfassung der Inschriftenband ist dies bereits seit längerem Inschriften im Mai 2014 die Objekte für die geschehen: http://www.inschriften.net/greifs- Bearbeitung nicht zugänglich waren. Ebenso zu wald.html (letzter Aufruf 4.11.2019). denken gibt die Bemerkung der Bearbeiterin, Es ist mehr als erfreulich, dass nun auch für dass die vollständige Erfassung der Inschriften Stralsund, der nach Lübeck wohl bedeutend- im Stralsunder Museum (59 Katalognummern) sten mittelalterlichen Hansestadt des südlichen nicht garantiert werden kann, da ihr möglicher- Ostseeraums, eine Inschriftensammlung vor- weise nicht alle Inschriftenträger zur Kenntnis liegt, die Einblick in die unterschiedlichsten gelangt sind. Immerhin handelt es sich beim Facetten der spätmittelalterlichen und früh- Museum um den nach den Pfarrkirchen St. Ni- neuzeitlichen Stadtgeschichte bietet und nicht kolai und St. Marien im Hinblick auf die Zahl nur der Kultur- und Kirchengeschichte sowie der Objekte drittbedeutendsten Standort Stral- der Sozial- und Familiengeschichte, sondern sunder Inschriften. vielen weiteren Forschungsgebieten zuverlässi- Etwas überrascht las der Rezensent auf S. 211, ges Quellenmaterial zur Verfügung stellt. Die dass Herzog Barnim IX. von Pommern 1569 sei- Sicherung dieses Materials für die Forschung ist ne Herzogswürde aufgegeben hätte. Dies wäre umso gebotener, als durch die verschiedensten ein in der Geschichte des Greifengeschlechts Umstände auch zukünftig mit Überlieferungs- einzigartiger Vorgang. Für den Umstand, dass verlusten gerechnet werden muss. Insofern er von der Regierung zurücktrat, auch dies kann der Wert dieses Bandes wie überhaupt die durchaus bemerkenswert, ist es eine etwas un- Bände der Reihe »Deutsche Inschriften« kaum glückliche Formulierung. hoch genug eingeschätzt werden und es ist für Für die Nutzung beispielhaft erschlossen wird das Land Mecklenburg-Vorpommern zu hof- dieser hervorragend aufbereitete Quellenschatz fen, dass die Greifswalder Arbeitsstelle noch durch eine ganze Reihe sehr detaillierter Regi- über einen langen Zeitraum ihre Recherchen ster, die es nicht beim Nachweis von Personen fortführen und diese publizieren kann. In Ar-

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beit befinden sich derzeit die Inschriften der rischen Buchhandel erhältlich sind, an die beiden bedeutenden mecklenburgischen Han- Hand gegeben. Als letzter Eintrag werden dort sestädte Rostock und Wismar, deren Edition aber auch die Hansischen Geschichtsblätter als auch einen Vergleich mit der Überlieferung die maßgebliche Fachzeitschrift seit 1871 aufge- in den pommerschen Städten Greifswald und führt. Stralsund ermöglichen wird. Das Buch ist mit einem Festeinband versehen, was es ziemlich robust macht, damit es seinen Ralf-Gunnar Werlich, Greifswald Zweck, dem Touristen ein Reisebegleiter zu sein, erfüllt. Besonders hervorzuheben sind die vielen Farbabbildungen, zumeist Fotos, aber auch Zeichnungen und Karten. Trotz der gerin­­ Steffen Raßloff, Kleine Geschichte der Hanse gen Abmessungen sind sie gut erkennbar, wor- (Rhino Westentaschen-Bibliothek, Bd. 71), an auch die hervorragende Qualität einen ent­ Ilmenau – RhinoVerlag 2019. 93 S., zahlr. schei­den­den Anteil hat. Farbabb. ISBN 978-3-955660-071-6 Wer einen raschen Überblick über das, was wir Hanse nennen, haben möchte und keinen Platz Klein aber oho könnte man zu diesem mit mehr im Bücherregal hat, ist hier bestens be- 11,5 × 8 cm dem Reihentitel voll entsprechenden dient. Dieses Büchlein sollte in allen Buch­ Büchlein sagen. Um es gleich vorwegzuneh- hand­lungen und Touristeninformationen der men, wissenschaftlich im eigentlichen Sinne ist ehemaligen Hansestädte angeboten werden. diese Publikation nicht. Die Zielgruppe ist defi- nitiv bei den Touristen zu suchen, die die Städte Dirk Schleinert, Stralsund an der deutschen Ost- und Nordseeküste besu- chen und sich schnell und kompetent über das historische Phänomen Hanse informieren wol- len. Diesem Zweck genügt das Buch vollauf, Marvin Chlada (Hg.), Störtebeker. Seeräuber, denn nicht nur das Format, sondern auch der Volksheld, Legende – eine Anthologie, Duis- Inhalt ist darauf perfekt abgestimmt. In zehn burg/Istanbul2 – Dialog-Edition 2017, 94 S. Sachkapiteln werden die wichtigsten Aspekte u. 4. Abb, ISBN 978-3-945634-16-7 dessen, was wir landläufig unter Hanse verste- hen, abgehandelt. Wobei die letzten beiden Ab- Die Figur des Störtebeker ist und bleibt ein schnitte bereits die Gegenwart behandeln, denn Phänomen. Sehr wenig ist über das historische darin geht es um das Hansemuseum in Lübeck Leben und Wirken dieses spätmittelalterlichen und um die sog. Neue Hanse. Ansonsten liest Protagonisten bekannt. Als gesichert darf gel- man von den Anfängen und dem Wendischen ten, dass ein professionalisierter Gewaltakteur Städtebund, von der Wirtschaftsmacht Hanse, mit diesem Namen in den Jahren zwischen 1394 von den Kontoren und den Hansetagen, von und 1399 auf Nord- und Ostsee Kaufleuten der der Hanse und dem Deutschen Orden, von der Hanse und sehr wahrscheinlich auch aus Eng- Militärmacht Hanse und dem Niedergang des land Schiffe und Waren entwendet hat. Dabei Städtebundes. ist nicht eindeutig klar, ob diese Person Klaus Zwischen diese Sachkapitel eingestreut sind oder Johann hieß.3 Tatsächlich spricht vieles da- Kurz­porträts von sieben Hansestädten: Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Ham- 3 Zur Namensproblematik und deren Folgen für burg und Bremen. Mit Ausnahme von Bremen die historische Bewertung der Person Störtebe- gehörten diese Städte zum Wendischen Quar- ker siehe: Gregor Rohmann, Der Kaperfahrer Jo- tier oder eben Wendischen Städtebund, der oft- hann Stortebeker aus Danzig. Beobachtungen zur mals als der eigentliche Kern der Hanse angese- Ge­schichte der »Vitalienbrüder«, in: HGbll. 125 hen wird, was aber keinesfalls zutrifft. (2007), S. 77–119; Ders., Klaus Störtebeker und die Vita­lien­brüder, in: Johannes Fried/Olaf B. Rader Wer mehr wissen will, dem ist auf der letzten (Hgg.), Die Welt des Mittelalters. Erinnerungsorte Seite eine Liste von ausführlicheren Gesamt- eines Jahrtausends, München 2011, S. 249–260; darstellungen, soweit sie noch im nichtantiqua­ Chri­stian Peplow, Wenn Diebe zu Helden werden

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für, dass der historisch greifbare Störtebeker auf des Klaus Störtebeker zu informieren. Alle die den Vornamen Johann hörte, nie in Hamburg hoffen, hier neues historisches Material zu fin- hingerichtet worden ist und sich durch seine, den, werden enttäuscht. Das Buch ist lediglich wenn auch wenigen quellengesicherten Lebens- eine Wiederholung von Teilen der bereits be- spuren bis in das Jahr 1413 verfolgen lässt. kannten (vor allem literarischen) neuzeitlichen Daneben gibt es in der Rezeptionsgeschichte ei- Rezeptionen über Störtebeker. Dazu zählen die nen zweiten Störtebeker – Claus bzw. Nikolaus Beiträge von: Achim von Armin/Clemens Bren- Störtebeker. »Der Pirat wird dabei von seiner tano (1808), Jodocus Temme (1840), Ernst De- wahren Geschichte losgelöst, sein Freibeuter- eke (1852), Otto Beneke (1854), Friedrich Kö- mythos zum Thema unterhaltsamer Popkultur ster (1856), Adolph Hofmeister (1893), Theodor und marketingorientierter Strategien der Tou- Fontane (1894), Georg Busse-Palma (1903), rismusbranche […]. Auf diese Weise wurden Joachim Ringelnatz (1928) und Klabund (1926). historische Tatsachen und quasiromantische Der Herausgeber Marvin Chlada (Sozialwis- Wunschvorstellungen miteinander vermischt, senschaftler, Autor und Musiker) begründet auf die eine zweifache, dabei aber an sich nicht wi- dem Rückdeckel seine Auswahl der Gedichte, dersprüchliche Auslegung der Persönlichkeit Lieder sowie den Auszug aus einem Kurzroman des Freibeuters ermöglichte: Eines Außensei- damit, dass »eine kleine Schatztruhe klassischen ters, der sowohl Verachtung als auch Bewun- Schrifttums über das wilde Leben und Treiben derung auslösen konnte, der sowohl negativ, als des sagenumwobenen Seeräubers Klaus Störte- auch positiv gewertet werden konnte. Vor die- bekers« vorliegt und der Band damit »Einblic- sem geschichtlichen Hintergrund und dem dar- ke in die häufig widersprüchliche Überlieferung auf basierten Image bewegt sich der literarische und Aneignung dieser Legende« (S. 6) gewährt. Werdegang des Freibeuters zwischen geschicht- Dazu gehören auch vier Abbildungen: das Stör- licher Überlieferung, Sage und frei erfunde- tebekerdenkmal von Karl-Ludwig Böke sowie ner Erzählung. Dabei wurden einzelne Fakten der Störtebekerturm in Marienhafe, eine Stör- aus seinem Leben beliebig umgeändert und in tebeker-Puppe aus der DDR der 1970er Jahre mehreren Fassungen übermittelt, wodurch eine und ein Bild, das als Störtebeker Park, Geister- unübersichtliche Mischung von unglaubwür- haus in Wilhelmshaven untertitelt ist. Einen digen Informationen entstand.«4 Dieser Klaus Bildnachweis sucht man vergebens. Die vorlie- Störtebeker, der allen Wunschvorstellungen ei- gende Anthologie ist übrigens bereits die zwei- nes freiheitsstrebenden Piraten entspricht, wird te verbesserte Auflage. Dass diese schon ein Jahr im Verfestungsbuch der Stadt Wismar (wahr- nach der Erstveröffentlichung erschien, wird scheinlich um 1380) einmal erwähnt. Dort ist mit der Korrektur von gesichteten Satzfehlern er das Opfer eines gewaltsamen Übergriffes, der und der Erweiterung des Quellen- und Litera- mit zahlreichen Blessuren für ihn endet. Nach turverzeichnisses um eine Filmografie von vier Ansicht der vielen Geschichten, Legenden und (!) Filmtiteln gerechtfertigt. Ob diese margina- der chronikalischen Überlieferung des 15. und len Verbesserungen wirklich eine zweite Aufla- 16. Jahrhunderts sowie Teilen der modernen ge rechtfertigen, darf zumindest bezweifelt wer- Forschung war dieser Störtebeker Mitglied der den. Vitalienbrüder und wurde im Oktober 1400/01 Dass Chlada eine Textsammlung zu Störtebe- in Hamburg auf dem Grasbrook hingerichtet. ker veröffentlicht, dürfte mit einem Schwer- Von diesem »magischen« Datum aus strahlt die punkte seiner wissenschaftlichen Arbeit – die mythische Wirkkraft von Klaus Störtebeker un- Analyse der Alltags- und Populärkultur – zu gebrochen bis heute in das 21. Jahrhundert. tun haben. Chlada ist zudem Mitglied im Ar- Das hier zu besprechende Buch dient eben- beitskreis Demokratie am Duisburger Institut falls nur dazu, über die legendenhafte Person für Sprach- und Sozialforschung (DISS) und gilt als Vertreter eines intentionalen Utopiebe- griffs in der Tradition von Ernst Bloch und Karl – Mythos Klaus Störtebeker, in: RUGIA Rügen- Jahrbuch 2018, S. 20–28. Mannheim. 4 Bartosz Wójcik, Störtebeker auf Rügen, in: RUGIA Jeder Forscher, der sich intensiv mit der histo- Rügen-Jahrbuch 2019, S. 20–27, hier: S. 20–22. rischen Figur des Störtebekers auseinanderge-

BaltStud_TEXT.indb 255 17.02.20 21:30 256 rezensionen

setzt hat, kennt die hier vorliegenden Texte bzw. schaftswesen und Diplomatie oder von Herr- Textfragmente. Für diese Gruppe hat das Buch schertreffen allgemein sowie der hierbei ange- keinen Mehrwert. Vielmehr ist diese Textsamm­ wandten Medien und Instrumente. Aus den lung für ein Laienpublikum zusammengestellt Tagungsbeiträgen­ ging der im Folgenden un- worden und fügt sich damit in das riesige An- ter Fokussierung auf die Geschichte Pom- gebot in den Auslagen der Buchläden mit histo­ ­ merns zu besprechende Tagungsband hervor. rischer Literatur ein, die eher eine unterhaltsa­ In­haltlich reicht das Tableau der auf Deutsch me Abendlektüre ohne historisch erhärteten oder Englisch verfassten Aufsätze natürlich viel Anspruch­ für eine breite Käuferschaft sein soll weiter und deckt tatsächlich ganz Ostmittel- und will. Wer bis jetzt noch keinen Einblick in europa ab – insofern eignet sich der Sammel- die Entstehungsgrundlagen des Störtebeker­ band für die künftige Forschung im Hinblick mythos’ hat, dazu gerne wissen möchte, aus auf die Außenpolitik als nützliches Kompendi- welchen Überlieferungen sich dieser in Tei­len um. Es geht darin unter anderem um Akteure speist und woher die unverwüstliche Wunsch­ und Mechanismen in der Außenpolitik der vorstellung des »legendären Piraten« kom­mt, letz­ten Přemysliden (Robert Antonín, S. 37–51), der findet in diesem Büchlein einen ersten, je- die Außenpolitik der litauischen Gediminiden doch sehr speziell ausgewählten Einstieg. (Rimvydas Petrauskas, S. 53–67), Verhandlun- gen zwischen Böhmen, Polen, dem Deutschen Christian Peplow, Greifswald Orden und Ungarn im Jahr 1335 (Lenka Bobko- vá, S. 93–112), Polen und seine östlichen Nach- barn zum Ende des Mittelalters (Tetiana Gry- gorieva, S. 113–125), das Verhältnis des livländi- Stephan Flemmig und Norbert Kersken (Hgg.): schen Ordensmeisters Bernd von der Borch zu Akteure mittelalterlicher Außenpolitik: Das Ivan III. von Moskau (Alexander Baranov, S. Beispiel Ostmitteleuropas (Tagungen zur Ost- 127–144), den Anteil sächsischer Berater an der mitteleuropaforschung, Bd. 35), Marburg – Außenpolitik des Hochmeisters Friedrich (Ste- Verlag Herder-Institut, 2017, VI, 376 S., phan Flemmig, S. 145–168), außenpolitische Di- ISBN 978-3-87969-415-0 mensionen polnischer und ungarischer Reichs- versammlungen (Julia Burkhardt, S. 169–196), Im Zuge der neuen Politikgeschichte stößt seit die polnischen Magnaten als »Sovereign Sub- einiger Zeit immer wieder auch das außenpo- ject« der Außenpolitik in den 1380er und 1430er litische Handeln im Mittelalter auf das Inter- Jahren (Dariusz Wróbel, S. 197–210), böhmi- esse der historischen Forschung. Dabei kon- sche Außenpolitik in der zweiten Hälfte des 15. zentrierte sich selbige bislang vornehmlich auf Jahr­hunderts (Uwe Tresp, S. 211–226), weltliche Staaten und Machtbereiche West- und Mittel- und kirchliche Vermittler im Streit um die an- europas als Untersuchungsraum, während die gevinische Sukzession in Polen (Dániel Bagi, Herrschaftsbildungen im östlichen Teil des S. 227–239), die Rolle der polnischen Könige Kontinents zumeist außen vor blieben. Diesem und ihrer Räte in den Beziehungen zum Deut- eklatanten Missstand sollte eine am 14. und 15. schen Orden zwischen 1333 und 1453 (Adam November 2014 im Marburger Herder-Insti- Szweda, S. 311–325) sowie humanistische Ein- tut durchgeführte internationale Tagung mit- flüsse auf das Diplomatiewesen an den Höfen tels dreier thematischer Zugänge abhelfen. Ihre der Jagiellonen und Hunyadis (Paul Srodecki, Referate konzentrierten sich nämlich, wie man S. 327–343). Norbert Kersken liefert eingangs der informativen Einführung der beiden Her- einen umfänglichen Forschungsbericht zum ausgeber entnehmen kann (S. 1–5) 1. auf die dy- Thema (S. 7–35). Auch wenn der Verfasser ver- nastischen Träger und 2. die Stände als Träger ständlicherweise hervorhebt, dass sein Über- von Außenpolitik oder stellten 3. Vermittler, blick »keinen Anspruch auf Vollständigkeit er- Gelehrte und Berater in den Außenbeziehun- heben kann« (S. 35), fällt die eher stiefmütter- gen in den Mittelpunkt ihrer Erörterung. Sie liche Abhandlung Pommerns darin doch ins berührten dabei vielseitig aktuelle Forschungs- Auge. Neuere Forschungen zum Konnubium schwerpunkte wie die Geschichte von Gesandt- der Greifen und ihren Handlungsspielräumen,

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natürlich auch im Hinblick auf ihre Außen­ merschen Herzöge« führten (S. 91). Ob es sich politik, bleiben komplett unerwähnt. Relevanz wirklich um »breitere Gesellschaftskreise« han- für die Geschichte Pommerns hat sodann der delte, darf mit Fug und Recht bezweifelt wer- Beitrag von Mario Müller zur Außenpolitik des den. Aber die starke Partizipation der Elite her- spätmittelalterlichen Kurfürstentums Branden- zoglicher Räte, die Simiński namhaft machen burg (S. 241–309). Als Grundlage für seine Dar- kann, an der pommerschen Außenpolitik ist legung dienen Müller außenpolitische Verträ- mit Sicherheit unbestreitbar. ge, die er in Regestenform – für weitergehen- Resümierend handelt es sich bei dem gründlich de Forschungen sehr hilfreich – am Schluss sei- redigierten und – neben Abkürzungs- und Au- ner Ausführungen eigens auflistet. Eingehend torenverzeichnis (S. 353 bzw. 375f.) – noch mit widmet sich Müller den vertragschließenden einem hilfreichen Register (S. 355–374) versehe- Parteien, darunter natürlich auch immer wie- nen Band, dessen Inhalt von Martin Kintzin- der die Herzöge von Pommern, und den Funk- ger souverän zusammengefasst und mit über- tionen und Inhalten der Verträge, deren Spek- zeugenden Perspektivierungen versehen ist (S. trum von Erbeinungen über Friedensschlüsse 345–351), um eine eindrucksvolle Leistungs- bis zu Beistandspakten reicht. In einem Fazit schau aktueller Forschungen zur Außenpoli- führt er seine Beobachtungen zu Möglichkei- tik in Mittelosteuropa. Pommern kommt da­ ten und Grenzen außenpolitischer Handlungs- rin in mancherlei Hinsicht bestimmt zu kurz. spielräume zusammen, wobei doch verwundert, Aber es bleibt zu hoffen, dass die erfreulichen dass er sich dabei überhaupt nicht auf jüngere Aus­führungen, die Simiński beizusteuern weiß, Forschungsresultate zum weiten Feld der als Anregung für weitergehende Untersuchun- Hand­lungsspielräume bezieht, die selbstredend gen auch im Hinblick auf die Geschichte Pom- Mül­lers Ergebnisse, nun nicht speziell für Bran- merns dienen. denburg, aber allgemein oder aber für andere, auch benachbarte Räume wie die pommerschen Oliver Auge, Kiel Herzogtümer, vorweggenommen haben, so- dass es sich hierbei eigentlich um nichts genuin Neues handelt: Das gilt z. B. für die Erkennt­ nis, die markgräfliche Außenpolitik sei »gele- Cornelia Neustadt, Kommunikation im Kon- genheitsbezogen und auf der Suche nach effi- flikt. König Erik VII. von Dänemark und die zienten Mitteln« gewesen (S. 277). Demgegen- Städte im südlichen Ostseeraum (1423–1435) über stellt Rafał Simińskis Beitrag für speziell an (Europa im Mittelalter. Abhandlungen und der Geschichte Pommerns Interessierte einen Beiträge zur historischen Komparatistik, Bd. 32), Lichtblick dar: Er untersucht auf einer erfreu- Berlin/Boston – De Gruyter, 2019. – 540 S., lich breiten Quellenbasis und auf der Grundla- s/w u. farb. Abb. ISBN 978-3-11-059123-1 ge einer intensiven Auswertung der älteren und auch aktuellen deutschen wie polnischen For- Bei vorliegender Publikation handelt es sich schungsliteratur die pommerschen Gesandten um die an den Forschungsstand des Jahres 2017 und Unterhändler in den diplomatischen Be- angepasste Druckfassung der bereits im Win- ziehungen des Herzogtums Pommern-Stolp tersemester 2011/2012 an der Universität Leip- mit dem Deutschen Orden zwischen 1395–1426 zig angenommenen und von Prof. Wolfgang (S. 69–91) und betritt damit, wenn auch nur Huschner betreuten Dissertation der Autorin. für einen verhältnismäßig schmalen Zeitab- Mit 540 Seiten hat dieser gegenüber der einge- schnitt, hinsichtlich der Erforschung der pom- reichten Arbeit noch leicht gekürzte Band eher merschen Diplomatie- und Elitengeschichte schon die Dimensionen einer Habilitations- wissenschaftliches Neuland. Simiński kommt schrift. Der behandelte Konflikt zwischen Kö- zu dem Schluss, dass sich an der Wende vom nig Erich von Pommern, die Autorin verwendet 14. auf das 15. Jahrhundert Entwicklungen in- nicht nur hier die dänischen Namensformen nerhalb Pommerns zu erkennen geben, »die zu und Regentenzählungen, und den Hansestäd- einer beträchtlichen Beteiligung breiterer Ge- ten an der südlichen Ostseeküste, namentlich sellschaftskreise an der Außenpolitik der pom- Lübeck, ist ein schon intensiv erforschtes The-

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ma. Das ergibt sich schon aus dem gleich am Untersuchungszeitraum sind die Jahre von 1423 Beginn präsentierten Forschungsstand. Nicht bis 1435, also vom dänisch-hansischen Bündnis wenige der dort nachgewiesenen Forschungslei- bis zum Frieden von Vordingborg, der den dä- stungen sind von Mitarbeitern und Absolven- nisch-hansischen Krieg bzw. Sundzollkrieg von ten der Greifswalder Universität erbracht wor- 1426 bis 1435 beendete. Der Frage nach »ma- den. Dies wird künftig nicht mehr so sein, da king« und »using« von Schriftlichkeit in die- mit der Emeritierung von Horst Wernicke mit sem Zeitraum wird an drei Beispielen nachge- Ablauf des Wintersemesters 2016/2017 die jahr- gangen: dem Bündnisvertrag von 1423 als Ein- zehntelange erfolgreich betriebene institutiona- zeldokument, die Reise des Dr. Nikolaus Stock lisierte Hansegeschichte beendet wurde. Nach 1427/28 als kaiserlicher Vermittler und die Ver- der Abwicklung des Lehrstuhls für pommersche handlungen zwischen den Hansestädten und Geschichte und Landeskunde 2013 verliert die dem König in den Jahren von 1428 bis 1434, die einstige pommersche Landesuniversität, Rezen- dann zum Friedensschluss von 1435 führten. Be- sent scheut sich, diese Charakterisierung ange- gründet wird die Beschränkung v. a. mit dem sichts der aktuellen Situation noch zu gebrau- Umfang der für den Gesamtzeitraum der Un- chen, ihren zweiten regionalen Schwerpunkt in tersuchung vorliegenden Überlieferung an Do- der Geschichtswissenschaft und damit ein wei- kumenten. Diesen drei Beispielen sind dann teres Alleinstellungsmerkmal in diesem Bereich. auch drei Hauptteile der Arbeit gewidmet. Vor- Neu ist jedoch die Perspektive und die daraus angestellt ist jedoch eine eingehende Analyse resultierenden Untersuchungsgegenstände und der Überlieferung in den Archiven. Auch hier -methoden. Den Archivar freut es besonders, erfolgt wieder eine Beschränkung, nämlich auf dass die im Zusammenhang mit dem oben ge- das Dänische Reichsarchiv in Kopenhagen und nannten Konflikt entstandenen und überlie- das Archiv der Hansestadt Lübeck. Andere Ar- ferten Dokumente im Dänischen Reichsarchiv chive wurden zwar auch besucht, das Stralsun- und im Archiv der Hansestadt Lübeck dabei der Stadtarchiv übrigens nicht, und vereinzel- im Mittelpunkt des Interesses stehen. Sie wer- te dort aufbewahrte Dokumente herangezo- den als Mittel der Kommunikation während ei- gen. Aber die beiden analysierten Archive be- nes Konfliktes und zu dessen Überwindung be- inhalten zweifellos die Hauptüberlieferung der trachtet. Somit ist diese Arbeit zu großen Teilen beiden Konfliktparteien und damit des unter- auch ein Beitrag zu den Historischen Hilfswis- suchten Quellenfonds. Dabei ist die Überliefe- senschaften, insbesondere der Diplomatik und rung in Kopenhagen dichter, was wohl mit ei- Aktenkunde. nem sorgsameren Umgang schon im 15. und 16. Die einschließlich des Anhangs, auf den noch Jahrhundert zusammenhängt. näher einzugehen sein wird, aus acht Hauptab- Abschnitt sieben bietet dann unter dem Ge- schnitten bestehende Untersuchung baut von samttitel »Synthese« eine ausführliche und als Vorgehen und Methode her auf das von dem Zusammenfassung anzusehende Auswertung britischen Mediävisten Michael Clanchy ent- der in vorhergehenden Abschnitten gewon- worfene Modell zur Entstehung von Literalität nenen Erkenntnisse. Typen der Schriftlichkeit im Mittelalter auf. Clanchy hatte drei Kriterien und ihre spezifischen Funktionen werden hier für die Ausbreitung der Schriftlichkeit heraus- insbesondere noch einmal generalisierend be- gearbeitet: »making«, »using« und »keeping«, d. trachtet. Auch wird eingehend auf die »Män- h. Herstellung, Benutzung und Aufbewahrung ner der Feder«, also das Kanzleipersonal, einge- von Schriftgut. Diesen drei Kriterien folgt im gangen. Dies alles geschieht unter der Prämisse, Prinzip die gesamte Untersuchung. Es werden wie Kommunikation im Konflikt durchgeführt die Archive und ihre Überlieferungssituation wird, d. h. die eingangs erwähnte Hauptfra- analysiert, aber auch die Art und Funktion der gestellung behält die Autorin konsequent im überlieferten Dokumente anhand ihrer inhaltli- Blick. chen und formalen Merkmale. Schließlich wer- Die mit zehn Seiten relativ kurz gehaltenen den die Dokumente, wie schon ausgeführt, als »Schlussbemerkungen« sind weniger als Ge- Kommunikationsmittel zu Konfliktaustrag und samtzusammenfassung anzusehen, sondern -lösung betrachtet. eher als eine Einordnung der Untersuchung in

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die Gesamtzusammenhänge des Konflikts zwi- mir der Zusatz erlaubt, dass auch im dortigen schen Erich von Pommern und den Städten der Stadtarchiv einige ergänzende Briefe zum The- südlichen Ostseeküste – den Begriff Hansestäd- ma aufbewahrt werden, alle im Bestand »Städti- te vermeidet Neustadt für deren Bezeichnung – sche Urkunden (StU)«. Die Nummern 809 und sowie der Interessenlagen weiterer Gruppierun- 810 betreffen ein Vermittlungsangebot der Her- gen, namentlich der preußischen Städte. zöge Kasimir V. und Wartislaw IX. von Pom- Der abschließende Anhang verdeutlicht dann mern vom 11. März 1428, Nr. 887 ist ein Ersu- eindrucksvoll die empirische Arbeitsleistung, die chen König Erichs um Geleit für den Grafen hinter dieser Untersuchung steckt. Signaturver- Johann von Senj (Zengg) bis Greifswald vom zeichnisse der benutzten Archivalien mit Kon- 29. Oktober 1432, und schließlich behandeln kordanzen zu Altsignaturen, falls notwendig, die Nr. 892 und 895 separate Verhandlungen finden sich hier ebenso wie eine Zusammen- König Erichs mit Stralsund im Sommer 1433. stellung der Rückvermerke auf den Lübecker Auch das sind natürlich nur Marginalien, zu- Urkunden und Akten. Die Texte der Bündnis- mal das Geleitersuchen für den Grafen von Senj se (tosaten) von 1417 und 1423 werden im Wort- nicht unbedingt mit den Verhandlungen zwi- laut nebeneinander verglichen. Reisedauern schen König Erich und den Hansestädten in von Abgesandten, soweit ermittelbar, werden Zusammenhang stehen muss. aufgeführt, ebenso ein Itinerar der Ge­sandt­ Insgesamt hat der Rezensent das Buch mit gro- schaft des Dr. Stock. Den Abschluss bildet dann ßem Interesse und Gewinn gelesen. Es ist eine die Edition von bislang noch nicht im Druck wichtige und beeindruckende Studie zum The- herausgegebenen Quellen, vier aus dem Däni- ma Schriftlichkeit und Kommunikation im schen Reichsarchiv und zwei aus dem Ordens- Ostseeraum im ersten Drittel des 15. Jahrhun- briefarchiv im Geheimen Staatsarchiv Preußi- derts und kann mit seinen Ergebnissen auch scher Kulturbesitz. Anregung zu weiteren Studien für andere Zeit- Ein Verzeichnis der benutzten Archive, ge­ räume und Regionen sein. druck­ten Quellen und Literatur sowie ein kom- biniertes Orts- und Personenregister beschlie- Dirk Schleinert, Stralsund ßen den Band. Angesichts des überall zu beobachtenden Nie- dergangs bzw. Abbaus der Historischen Hilfs- wissenschaften im akademischen Lehrbetrieb Rafał Makała (Hg.), Unbekannte Wege. nimmt man Arbeiten wie die vorliegende umso Die Residenzen der Pommernherzöge und der erfreuter in die Hände, zumal, wenn der Re- verwandten Dynastien als Kunstzentren und zensent ein Archivar ist. Anlass zu kritischen Stationen künstlerischer Migration zwischen Bemerkungen fallen dementsprechend mar- Reformation und Dreißigjährigem Krieg, ginal aus. Eine betrifft einen Sachverhalt bei Schwerin – Thomas Helms Verlag 2018. der inhaltlichen Struktur. Im Abschnitt eins, 240 S., zahlreiche, farb. Abb. der »Einleitung«, gibt es einen Unterabschnitt ISBN 978-3-944033-58-7 »Urkunden, Akten und Archive«, der in Be- zug auf die benutzten Archive relativ kurz ge- Der zu besprechende Band geht auf eine im halten ist und auch nur das Dänische Reichs- November 2017 an der Technischen Universi- archiv in den Blick nimmt. Irgendwie hat man tät Berlin veranstaltete Tagung der Professur für hier den Eindruck, als ob da etwas fehlt. Hin- Kunstgeschichte Ostmitteleuropas zurück. Ne- zu kommt, dass dasselbe Thema Hauptgegen- ben einer kurzen Einführung des Herausgebers stand von Abschnitt zwei »Die archivalische und Lehrstuhlinhabers Rafał Makała vereint Überlieferung: Entstehungskontext, Aufbe- er acht in deutscher Sprache verfasste Beiträge wahrung und Benutzung« ist. An einigen Stel- deutscher und polnischer Wissenschaftler; bei- len liest man dann auch fast die gleichen For- gegeben ist zudem eine genealogische Übersicht mulierungen wie schon weiter vorn. Insgesamt über die Greifenherzöge ab Bogislaw X. (1454– ist das aber eher nur ein formales, kein inhaltli- 1523). Regional liegt der Schwerpunkt des Ban- ches Manko. Und als Archivar in Stralsund sei des auf dem einstigen Territorium der Herzöge

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von Pommern an der heute deutschen und pol- skizziert er auch Lebenswege einiger pommer- nischen Ostseeküste mit seinen Residenzen in scher Herzoginnen. z. B. Wolgast auf deutscher, Stettin sowie dem Rafal Makała widmet sich (S. 29–52) mit dem seit 1556 durch pommersche Herzöge geleiteten Schloss Stettin dem zweiten großen Greifen- und 1648 säkularisierten Bistum Cammin (seine schloss und Hauptort der Linie Pommern-Stet- Hauptresidenz war das heutige (Kös- tin. Die Gestalt des ursprünglich der nordeuro- lin)) auf der polnischen Seite. päischen Spätrenaissance zuzuordnenden Baus Vergleichend beziehen sich einzelne Beiträge hat, beginnend mit den Belagerungen Stettins des Bandes auf Residenzen in Schweden, Meck- im 17. Jahrhundert, massive Verluste erlitten. lenburg, Schlesien und Kursachsen. Dies er- Anhand bildlicher und topographischer Dar- klärt sich dadurch, dass die Dynastie des Herr- stellungen rekonstruiert Makała Details und scherhauses und sein Herrschaftsgebiet zwar Gestaltungselemente des Renaissancebaus. Der die herrschaftliche und territoriale Grundlage wichtigste Ausbau war die Errichtung eines des Bandes darstellen, dass für Architektur und neuen Nord- und Westflügels unter Herzog Jo- Kunsttransfer jedoch grenzüberschreitende dy- hann Friedrich (1542–1600), der vor seinem Re- nastische Verbindungen von ähnlicher Bedeu- gierungsantritt 1569 auch am Kaiserhof in Wien tung sind wie die Wanderung von Baumeistern gelebt und hier Kontakt zu Francesco I. de’ Me- und Künstlerfamilien, etwa den (ursprünglich dici geknüpft hatte. Neben einem Hauptpor- aus Italien stammenden) »Parr« (Artikel von To- tal (1576) wurde in Anlehnung an die sächsi- mas Torbus) oder dem Berliner Baumeister Wil- schen Beispiele eine neue Schlosskirche erbaut, helm Zacharias (Artikel von Sabine Bock). Der die »erste in Pommern errichtete lutherische durch das Aussterben des Greifenhauses im Jahr Predigtkirche« (S. 46). Bemerkenswert ist auch 1637 (dem Tod Bogislaw XIV.) gesetzte zeitliche die räumliche Situation des dicht an den Stadt- Rahmen der Betrachtung umfasst die Zeit zwi- raum angrenzenden Stettiner Schlosses, das ei- schen Reformation und Dreißigjährigem Krieg, nen stadtbildprägenden Eckturm erhielt und unter bau- und kunstgeschichtlichen Aspekten dessen Wirtschaftsfunktionen ausgelagert wa- somit den sehr fruchtbaren Zeitraum zwischen ren. Bleibt auch die Frage nach der Herkunft Renaissance und Frühbarock. des Stettiner Baumeisters weiter ungelöst – in Mit dem grenzüberschreitenden Thema will einigen Verträgen erscheint der Berliner Wil- der polnische und deutsche Forschungsergeb- helm Zacharias, was jedoch nicht den zu beob- nisse zusammenführende Band eine Leerstelle achtenden, starken italienischen Einfluss erklärt schließen und die weitgehend »unbekannten – so zeugt der Bau zweifellos von einem hohen Wege« von Künstlern und Künsten im Nord- Anspruch und Kunstverständnis des Auftragge- osten in besagtem Zeitraum erforschen. Dabei bers, Herzog Johann Friedrich. sucht (und findet) er Anschluss an die Ansätze Dirk Brandt und Michael Lissok widmen sich und Fragestellungen der Residenzenforschung, auf S. 53–87 des Bandes einem im Vergleich wie sie insbesondere von der in Kiel ansässigen zum Stettiner Schloss eher bescheidenen Wit- Residenzenkommission seit Jahrzehnten betrie- wensitz, dem 1574 errichten Schloss in Pudagla ben wird. Dies wird vor allem in dem den Band auf Usedom, welches sie bauforscherisch unter- eröffnenden Artikel von Dirk Schleinert (S. 11– sucht haben. Errichtet wurde der von den Au- 28) deutlich, der in seinem methodisch ange- toren als »Renaissance-Architektur sächsischer legten Beitrag Funktion und Kennzeichen ei- Prägung« (S. 53) charakterisierte, verputzte ner Residenz skizziert. Ausgehend von der Wahl Backsteinbau unter Herzog Ernst Ludwig von der Stadt Wolgast zum Residenzort unter dem Pommern-Wolgast (1545–1592) für seine Mutter Greifenherzog Bogislaw IV. im Jahre 1295 erläu- Maria (1515–1583), einer Wettinerin – und zwar tert Schleinert die Landesteilung der Pommern- auf dem Gelände des wenige Jahrzehnte zuvor, herzöge zwischen den Linien Pommern-Wol- 1534/35, säkularisierten Prämonstratenser-Stifts gast und Pommern-Stettin, die daraus resultie- Pudagla. renden Residenzen-Neugründungen und die Tomas Torbus richtet S. 89–126 den Blick auf hier zu beobachtenden Kriterien für die Wahl die in ganz Europa tätig gewordene Baumei- eines Residenzortes. Exemplarisch (S. 17–19) sterfamilie de Pario oder Parr, die ausgehend

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von ihrem Stammvater Jakob Parr beispielhaft schreibt die Bautätigkeit der Pommernherzöge für die Migration jener »wandernden Stein- von 1500 bis zu ihrem Aussterben im Jahre 1637, metze, Architekten und Dekorateure« (S. 89) insgesamt handele es sich hier um ca. 60 profa- aus dem Grenzgebiet zwischen der Lombar- ne Bauten. Über die jeweilige architektonische dei und der Schweiz stehen, die sich jenseits Ausrichtung der Bauherren sei, so die Autorin, der Alpen verdingten und die Formensprache noch kein abschließendes Urteil zu fällen. Sie der Renaissance und auch des Manierismus betont die Rolle des Baumeisters Wilhelm Za- mit sich brachten. So hatten die Parrs großen charias (verst. um 1595). Die Architektur war Anteil an der Verbreitung des Sgraffitto- und durch kursächsische und später kurbranden- des Stuck-Dekors. Torbus stellt Arbeiten von burgische Vorbilder, aber auch von bestehen- Franziskus Parr (erste Erwähnung 1547, verst. den dynastischen Beziehungen geprägt. Dar- 1586 in Stockholm) in Schlesien (Schlossbau über hinaus werden Beispiele für die Bautätig- Brieg), Mecklenburg (Schlossbau Güstrow) und keit des landsässigen Adels vorgestellt und wie- Schweden (Schloss in Uppsala) vor und präsen- derum viele Bezüge zu Kursachsen festgestellt. tiert weitere Bauten. Die große Wandlungsfä- Sie begründet dies durch die Reisen und Aus- higkeit der Parr im Rahmen einer für sie cha- bildung der jungen Adligen an den Höfen in rakteristischen Stilistik erklärt Torbus mit der Sachsen, aber auch durch entsprechende Wan- bereitwilligen Anpassung an die Wünsche und derung von Handwerkern. Ein Beispiel für be- gestalterischen Vorstellungen der auftraggeben- liebte Formen ist die Wahl des »Doppeldach- den Herrscher, die er als »mächtige Dilettan- hauses« (S. 169–172). ten« (S. 117) beschreibt. In ihrem Artikel über die Ausstattung der Dominika Piotrowska-Kuipers behandelt auf S. herzoglich-pommerschen Familie um 1600 127–145 das kriegszerstörte und 1969 endgül- (S. 179–202) wenden sich Monika Frankowska- tig abgerissene Küstriner Schloss. 1455 hatte der Makała und Christine Nagel für Pommern bis- Deutsche Orden Küstrin an die brandenburgi- her kaum erforschten Mobilien, insbesonde- schen Markgrafen verkauft. Markgraf Johann re der Kleidung und den Kleinodien der Grei- von Brandenburg-Küstrin (1513–1571) erneuer- fenherzöge und ihrer Gemahlinnen, zu. Diese te in der 2. Hälfte der 1530er Jahre die vom Jo­ sind auf Porträts und Totenbildern lebensnah han­niter-Orden überkommene Burg in Küs­ überliefert und geben verlässlich Auskunft über trin grundlegend. Es entstand der dreiflügeli- die materielle Kultur der Adelsfamilien. Gleich- ge, sogenannte »Johann-Bau« mit hochwertigen zeitig ist aus Details wie Wappen oder Porträt- Sgraf­fi tto-Dekorationen und qualitätvollen, mit medaillons auf dynastische Netzwerke, Freund- Terrakotta-­ und Sandsteinreliefs geschmückten schaften und Parteinahmen zu schließen, wie Türumrahmungen. Zugleich entstand nach den die Autorinnen zeigen. Ein wertvolles, überlie- Plänen des italienischen Baumeisters Francesco fertes Objekt ist der wappengeschmückte Rek- Chiaramella in Küstrin eine umfangreiche Be- torenmantel der Universität Greifswald von festigungsanlage, durch welche die Stadt ab 1535 1619 (Abb. S. 183); auch Medaillen, Siegelringe die erste Festung der Neumark war. Auch Pio- oder Armbänder sind überliefert. trowska-Kuipers diskutiert die Architektenfrage Der Beitrag von Haik Thomas Porada (S. 203– und verfolgt die Wanderungen gestalterischer 221) beschließt den Band. Porada wertet an- Elemente. Ähnlichkeiten des Küstriner Schlos- gesichts einer sonst desolaten Quellenlage mit ses – in ihrer Wahrnehmung eine »vielschich- großem Erfolg die Quellen der pommerschen tige Positionierung« (S. 142) – sieht sie insbe- Fischereiverwaltung, eines für Pommern be- sondere mit dem gleichzeitig erfolgenden Re- deutenden Wirtschaftsfaktors und einer damit naissanceumbau des Berliner Schlosses, wel- wichtigen Einnahmequelle, aus, um Aufschluss cher durch den Bruder des Markgrafen Johann, über die hier behandelten Baumaßnahmen zu Joachim II. von Brandenburg, beauftragt war. gewinnen. Er klärt damit en passant auch die Mit ihrem Beitrag »Die Bauten des pommer- Frage, wodurch die Bautätigkeit der Herzöge fi- schen Adels im 16. und frühen 17. Jahrhundert« nanziert werden konnte. bietet Sabine Bock (S. 147–177) einen Über- Freilich kann auf 240 Seiten nicht jeder Resi- blick über die Bauten der Region. Bock be- denzort en detail untersucht werden, doch ver-

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mittelt der mit guten Farbabbildungen und men deshalb auch im Untertitel von Band 2 übersichtlich gestalteten Literaturangaben aus- vor. Bürger einer Stadt war man nicht automa- gestattete Band einen Eindruck von der Resi- tisch, wenn man dort geboren wurde oder dort denzenlandschaft des heute auf polnischem und hinzog und sich niederließ. Das Bürgerrecht deutschem Gebiet dies- und jenseits der Oder- musste man gegen Gebühr erwerben. In grö- mündung liegenden ehemaligen Herzogtums ßeren Städten wie Stralsund unterschied man Pommern. Ganz außer Frage steht, dass die die Bürger noch nach drei Klassen oder Stän- Pommernherzöge an der allgemeinen, europa- den, was im Eintrag auch vermerkt wurde. In weiten künstlerischen Entwicklung ihrer Zeit, kleineren Städten wie Barth galt das im Prin- an der Ausbreitung der Renaissancearchitek- zip auch, aber im Verzeichnis ist die Zugehörig- tur und Kunst, einen Anteil hatten, daran er- keit zu Klasse bzw. Stand lange Zeit nicht ver- heblich partizipierten und teils gezielt Einfluss merkt. Nur aus den unterschiedlichen Gebüh- nahmen. rensätzen ergibt sich die Einteilung. Erst 1866 wurde auch formal eine Einteilung in 3 Klassen Andrea Thiele, Halle (Saale) vorgenommen und dann auch die Zugehörig- keit mit eingetragen. Erst mit dem Schwur des Bürgereides und der Eintragung ins Bürgerbuch war ein Einwohner Das Barther Bürgerbuch 1627-1928. Ein Bei- berechtigt, ein Gewerbe auszuüben. Darüber trag zur Sozial- und Familiengeschichte der hinaus hatte man zahlreiche Pflichten zu über- Stadt Barth, bearb. v. Jürgen Hamel (Veröf­ nehmen, wie Stadtarchivarin Mählmann in ih- fent­lichungen des Stadtarchivs Barth, Bd. 2), rer Einleitung ausführt. [Leipzig] – Akademische Verlagsanstalt 2018, Jürgen Hamel stellt seiner Edition ebenfalls 201 S., zahlr. s/w u. farb. Abb. eine Einleitung voran, in der er auf die Quel- ISBN 978-3-946281-04-7 len und die sich im Lauf der Zeit ändernden Eintragsinhalte ebenso eingeht wie er auch be- Beiträge zur Geschichte der Stadt und des reits eine statistische Auswertung nach Zahl pro Amtes Barth, hg. v. Jürgen Hamel und Stepha­ Zeitraum und, besonders intensiv, nach Beru- nie Patrizia Mählmann (Veröffentlichungen fen vornimmt. des Stadtarchivs Barth, Bd. 3), [Leipzig] – Die Wiedergabe der in zwei Bänden enthalte- Akademische Verlagsanstalt 2019, 313 S., zahlr. nen Einträge erfolgt einmal chronologisch und s/w u. farb. Abb. ISBN 978-3-946281-07-8 dann noch einmal alphabetisch mit Jahresan- gabe. Das macht die Benutzung natürlich sehr Nach dem im vorigen Band rezensierten er- bequem. Vorangestellt sind die Bürgereide aus sten Band der Reihe »Veröffentlichungen des dem Zeitraum 1587 bis 1833 sowie ein undatier- Stadtarchivs Barth« sind inzwischen zwei weite- tes Gebührenverzeichnis, das Hamel in die 2. re Bände erschienen. Wiederum ist Jürgen Ha- Hälfte des 17. Jahrhunderts setzt. mel Bearbeiter bzw. Mitherausgeber und Stadt- Band 3 enthält dagegen eine Sammlung von archivarin Stephanie Mählmann der gute Geist insgesamt neun Aufsätzen zur Geschichte von im Hintergrund bzw. bei Band 3 Mitherausge- Barth und Umgebung, die den Zeitraum vom berin. Während Band 2 eine typische Veröffent- 16. Jahrhundert bis 1945 abdecken und unter- lichung eines Archivs ist, nämlich die Edition schiedlichste Themen behandeln. JürgenHa - einer im Archiv verwahrten historischen Quel- mel beginnt mit einer auf der Auswertung zahl- le, ist Band 3 eine Sammlung von Aufsätzen zur reicher bisher unbenutzer archivalischer Quel- Geschichte der Stadt und des Amtes Barth. len beruhenden Präsentation des für die Barther Bürgerbücher sind heute insbesondere eine Geschichte ungemein bedeutsamen Herzogs wichtige familiengeschichtliche Quelle, aber Bogislaw XIII. und seiner ersten Gemahlin Kla- durch die weiteren Angaben in den Einträgen ra (sic!) von Braunschweig. Hier sei gleich eine wie Beruf und Herkunft, bei Auswärtigen, lei- Anmerkung gestattet. Die auf S. 11 dargestellten sten sie auch einen Beitrag zur Sozialgeschich- Regentschaftsverhältnisse im Herzogtum Pom- te der jeweiligen Stadt. Beide Aspekte kom- mern zwischen 1560 und 1569 bedürfen einer

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Korrektur. Nach dem Tod des in Wolgast re- te zu Noberts Leben, einschließlich zahlreicher gierenden Herzogs Philipp I. wurde für seine edierter Briefe, präsentieren, stellt ihn Günther fünf unmündigen Söhne ein vormundschaft- Oestmann als Chronometermacher vor. Nur licher Regentschaftsrat eingesetzt, dem formal ganz wenige Handwerker waren in der Lage, der in Stettin residierende Großonkel, Herzog Schiffschronometer herzustellen und Nobert Barnim IX., vorstand. Tatsächlich hatten aber gehörte dazu. Ein schönes und fast vergessenes die Wolgaster Hofräte, allen voran Großhof- Stück pommerscher Technikgeschichte des 19. meister Ulrich von Schwerin und Kanzler Va- Jahrhunderts wird mit diesen beiden Beiträgen lentin von Eickstedt, das Sagen. Erst 1567 wur- präsentiert. Torsten Winsemann begibt sich auf den die beiden ältesten Söhne Johann Friedrich die Spuren des Barther Kaiser-Wilhelm-Denk- und Bogislaw XIII. an den Regierungsgeschäf- mals und Jan Berg liefert mit seiner Darstellung ten beteiligt. 1569 kam es dann in Jasenitz zu ei- der Barther Geschichte in den ersten Jahren der ner weiteren Landesteilung, zeitgenössisch Erb- Weimarer Republik den mit 86 Seiten mit Ab- verbrüderung. Barnim IX. blieb Regent in Stet- stand umfangreichsten Beitrag. Den Abschluss tin, ihm sollte Johann Friedrich nachfolgen, da bildet dann Natalja Jeskes Aufsatz über das KZ- Barnim keine Söhne hatte. Bis zu Barnims Tod Außenlager Barth. oder vorheriger Resignation, letzteres trat dann Jedem Beitrag sind biographische Angaben zu ein, erhielt Johann Friedrich das Stift Cammin. den Verfassern bzw. der Verfasserin nachgestellt. Die Herrschaft in Wolgast sollte eigentlich der Der Band ist reich illustriert. Dass das Layout zweitälteste Sohn Bogislaw XIII. antreten, doch von den Herausgebern selbst erstellt wurde, ist dieser verzichtete zugunsten von Ernst Ludwig. sicher aus Kostengründen erfolgt. Man merkt Bogislaw XIII. erhielt genauso wie der vier- es aber auch an einigen Stellen, insbesonde- te Bruder Barnim X. eine Apanage, bestehend re durch einige unglückliche Seitenumbrüche. aus den Ämtern Barth und Neuenkamp, später Ebenso hätte das Geleitwort des Barther Bür- Franzburg genannt. Der jüngste noch unmün- germeisters noch einmal gründlicher gegenge- dige Sohn Kasimir VI. sollte die Herrschaft im lesen werden sollen. Es enthält leider viele sonst Stift Cammin erhalten, was nach dem Wechsel leicht vermeidbar gewesene Flüchtigkeitsfehler. von Johann Friedrich nach Stettin 1574 auch er- Aber diese wenigen kritischen Anmerkungen folgte. Festgelegt war im Teilungsvertrag auch, sollen den guten Gesamteindruck nicht schmä- wie die Nachfolge in Stettin und Wolgast erfol- lern. Den Herausgebern ist für ihr Engagement gen sollte, falls einer der Regenten ohne männ- zu danken. Nähere Ausführungen zur Wichtig- liche Erben sterben sollte, was ja in Stettin nach keit dieser Publikationen sind in der Rezensi- dem Tod von Johann Friedrich 1600 auch tat- on zu Band 1 nachzulesen. Bleibt abschließend sächlich eintrat. nur zu hoffen, dass die Reihe in nicht allzu wei- Der um die Erforschung der Buchgeschichte ter Ferne mit Band 4 fortgesetzt wird und wei- Pommerns und insbesondere Barths im Spät- tere Bände folgen. mittelalter und der frühen Neuzeit verdiente Bibliothekar Jürgen Wunderlich-Geiß hat eine Dirk Schleinert, Stralsund Zusammenstellung der bekannten Exemplare der sog. Barther Bibel angefertigt. Den Stral- sunder Archivleiter freut es natürlich zu lesen, dass die von ihm geleitete Einrichtung mit fünf Andreas Kappelmayer, Johann Casmir von Exemplaren die meisten besitzt. Bernd Koppehe- Pfalz-Zweibrücken-Kleeburg (1589–1652). le gibt einen Überblick zu den Barther Schif- Standeswahrung und Fremdheitserfahrung im fergesellschaften von den nachweisbaren An- Schweden Gustavs II. Adolf und Christinas, fängen im 16. Jahrhundert bis zum frühen 20. Münster – Aschendorff Verlag 2017, 704 S., Jahrhundert. Torsten Krüger stellt den Tauch- 5 geneaologische Tafeln pionier Peter Kreeft vor. Die beiden folgenden ISBN 978-3-402-13234-0 Beiträge widmen sich dem Barther Handwerker und Erfinder Friedrich Adolph Nobert. Wäh- Vieles ist bereits geschrieben worden über den rend Jürgen Hamel und Dieter Weiß Dokumen- jähen Tod Gustavs II. Adolf bei Lützen, den

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überraschenden Thronverzicht Königin Christi- auch die andere Seite, den schwedischen Adel, nas, ihren Übertritt zum Katholizismus und die der mit dem land- und konfessionsfremden Übernahme des Thrones durch Karl X. Gustav. Pfalzgrafen zunächst wenig anfangen kann. Was was aber wissen wir über dessen Herkunft, sei- wollte dieser besitzlose, reformierte Fürst ohne ne Familie, die Kontaktaufnahme zu Schweden Land in Schweden? Konnte er dem schwedi- und zur Stellung dieser mindermächtigen Für- schen Reichsrat eventuell gar gefährlich wer- stenfamilie im Alten Reich? Nach der Lektü- den? re dieser in Tübingen entstandenen, von Matt- Es ist das Verdienst des Vf.s, sehr gut zu zei- hias Asche betreuten Dissertation Andreas Kap- gen, wie Johann Casimir das Vertrauen und die pelmayers sehr viel mehr als vorher. Die Arbeit Gunst des Königs gewann. Er zeigt dies anhand liefert den Hintergrund für den Aufstieg dieser von zwei Problemkreisen, dem wichtigen Feld Familie von einem nicht regierenden Fürsten- des Krieges und der Kriegsorganisation und geschlecht zur schwedischen Königswürde, die dem vielleicht noch wichtigeren der Finanzen. sie mit immerhin drei, die schwedische Groß- Dabei charakterisiert er das geschickte Vorge- macht prägenden Königen und einer Königin hen Gustav II. Adolfs, der seinen Schwager mit großem Erfolg aufrechterhalten konnte. Sie als seinen Kontrolleur von königlichen Gna- zeigt aber auch das fortgesetzte Wirken Johann den einsetzte, da er seinem Hochadel im Reich Casimirs im Südwesten des Reiches, seine Re- nicht restlos vertraute. Da Johann Casimir al- krutierung von Heerführern unter seinen ver- lein von der Gunst des Königs abhing, nahm wandten und befreundeten Landsleuten und er diese Aufgabe sehr engagiert wahr und über- seine Organisation diplomatischer Unterstüt- erfüllte die königlichen Erwartungen offenbar. zung im strategisch und politisch wichtigen Weil seine Rolle nicht institutionalisiert war, Südwesten des Alten Reiches für die schwedi- gab es nach dem Tod des Königs allerdings zu- sche Krone. Durch seine Heirat mit der Stief- nächst keinen Platz mehr für ihn. Hier zeigt schwester des »Löwen aus Mitternacht« und sich das Geschick des Pfalzgrafen bei der Plat- dessen bedrängte dynastische Situation erlebten zierung seiner Kinder auf dem Heiratsmarkt. der Pfalzgraf, vor allem aber einer seiner Söhne Sehr aufschlussreich ist auch, wie Vf. die Rol- einen jener geradezu märchenhaften Aufstiege, le des Pfälzers bei der Anwerbung von Haupt- die im Dreißigjährigen Krieg und im Umfeld leuten und Söldnern im Südwesten des Reiches der schwedischen Krone nicht selten waren. für das schwedische Heer darstellt. In eigenen Vf. gliedert seine ungemein materialreiche Ar- aussagestarken, teilweise etwas zu ausführlichen beit sehr kleinteilig, was beim Erschließen des Kapiteln geht er auf die Veldener Pfalzgrafen Schatzes an Informationen hilfreich ist. Er be- und die oberrheinischen und schwäbischen Ad- ginnt nach einer Einleitung, in der er ganz klas- ligen in schwedischen Diensten ein, die für das sisch Methode und Fragestellung erklärt, den schwedische Heer und den Krieg im Süden des Forschungsstand und die Quellenlage skizziert Reiches eine zentrale Rolle spielten. mit einer kurzen biographischen Annäherung In einem sehr umfangreichen Kapitel stellt er an seinen Protagonisten, bevor er ihn und seine die Begegnungen und den Wettbewerb zwi- Dynastie in den Zusammenhängen des Alten schen Johann Casimir und dem schwedischen Reiches und des Dreißigjährigen Krieges veror- Adel vor, um schließlich zu zeigen, wie es dem tet. Es folgt ein Blick nach Schweden, in dem Pfalzgrafen gelang, die Ansprüche seiner Kinder er u. a. auf die Probleme der Vasa-Dynastie in Schweden zu sichern. Die Erziehung Chri- und die Formierung des schwedischen Adels stinas durch die Frau des Pfalzgrafen, Kathari- nach dem Blutbad von Stockholm (1520) ein- na Vasa, spielte dabei eine zentrale Rolle. Alle geht und die dynastische Krise, in der die Vasas Kinder des Paares lebten, seitdem der schwedi- steckten, erklärt. sche Reichsrat Christina von ihrer Mutter ge- Sehr interessant inszeniert er ab S. 181 die An- trennt und Katharina Vasa, die Halbschwe- kunft Johann Casimirs in Schweden und ster des verstorbenen Königs, mit der Erzie- kommt damit zu seinem eigentlichen Thema. hung der minderjährigen Halbwaise beauftragt Er stellt den Pfälzer zunächst als »bittenden«, hatte, am Hof. Vf. verfolgt die Pläne für stan- dann als »fordernden Fremden« dar, zeigt aber desgemäße Heiraten von Christina Magdalena

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(Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar, Her- kenntnisse des Werkes auch für einen breiteren, zog Jakob von Kurland, Graf Otto V. von Hol- internationalen Leserkreis auf. stein-Schaumburg, Karl Gustav Wrangel), die So verdienstvoll die Arbeit auch ist, so hat sie schließlich Markgraf Friedrich VI. von Baden- doch einige Längen. Straffungsmöglichkeiten in Durlach ehelichte und seit 1647 aus den pom- der Erzählung hätte es u. a. bei der Versorgung merschen Lizenten jährlich 4.000 Rtlr. sowie der Kinder Johann Casimirs gegeben. Natür- das Amt Ueckermünde erhielt, wo das Paar lich belegt die genaue Darstellung, wie die ein- mindestens bis 1650 im Amtshaus residierte. zelnen Kinder des Landgrafen versorgt wurden, Ihre jüngere Schwester Maria Euphrosyne wur- die Wertschätzung der schwedischen Krone für de zunächst vom Grafen Heinrich von Nassau- den Vater und dessen politisches Geschick, na- Siegen der Hof gemacht, eine Ehe, die aller- türlich zeigt sie, dass er, der fremde Bittsteller, dings als unter Stand angesehen wurde. Mag- angekommen war im schwedischen Großreich. nus Gabriel de la Gardie war zwar nicht von al- Hier hätte aber ebenso gestrafft werden müssen tem schwedischen Adel, durch den Krieg aber wie bei der Darstellung der Pfalzgrafen als min- reich geworden und konnte für eine sehr aus- dermächtige Reichsfürsten. Vf. versucht dies kömmliche Versorgung seiner Frau sorgen, die aufzufangen, indem er auch in den einzelnen auf diese Weise sogar in die Lage geriet, ihrem Kapiteln Resümees zieht. Diese und die bereits Vater Geld zu leihen. Die jüngste Tochter Jo- angesprochene kleinteilige Gliederung ermögli- hann Casimirs wurde mit Landgraf Friedrich chen es den Lesern, die Arbeit für verschiedene von Hessen-Eschwege verheiratet, der 1647 als Fragen als Steinbruch zu benutzen. Dank für treue Dienste in der schwedischen Ar- Insgesamt zeugt die Arbeit vom profunden mee gegen den Widerstand des Bremer Adels Wissen des Vf.s, von seiner Durchdringung das Kloster Osterholz im Bremischen als Do- der Quellen, vom kundigen Identifizieren und nation erhielt. Adolf Johann als jüngstes Kind Schließen von Lücken in der Forschung. Sie des Pfalzgrafen verlobte und verheiratete sich wird für lange Zeit grundlegend bleiben und früh und auf Initiative Königin Christinas mit die Forschung bestimmen – was lässt sich mit der Tochter eines Mitglieds des schwedischen einer Dissertation mehr erreichen? Reichsrates und fiel damit für väterliche Ehe- projekte aus. Anders sein Bruder Karl Gustav, Nils Jörn, Wismar dessen Weg auf den schwedischen Thron aus- führlich vorgestellt wird. Zunächst werden die Grundlagen für das Eheprojekt zwischen ihm und Christina analysiert, mögliche Gegenkan- Peter Jancke, Gutenberg und seine Kolberger didaten vorgestellt und seine Beförderung zum Jünger. Die Geschichte der Buchdruckerkunst Oberbefehlshaber des schwedischen Heeres im deutschen Kolberg (Beiträge zur Geschich- dargestellt, bevor die Idee der Abdankung Chri- te der Stadt Kolberg und des Kreises Kolberg- stinas und Thronübernahme durch Karl Gustav Körlin 38). Hamburg – Verlag Peter Jancke erzählt wird. 2018, 2. Aufl. 178 S. mit zahlr., teils farbigen Das alles ist auf einer sehr soliden Quellenbasis Abb. ISBN 3-927996-41-6 in deutschen und schwedischen Archiven gear- beitet. Vf. kennt seine Quellen hervorragend, Keine andere hinterpommersche Stadt wurde natürlich beherrscht er auch die Literatur und bei Kriegsende 1945 so umfassend zerstört wie den Forschungsstand – man liest die Arbeit mit Kolberg. Dieses Trauma hat viele Kolberger großem Gewinn und fühlt sich danach erschöp- nach der Vertreibung bewogen, umso inten- fend über den Aufstieg der Pfalzgrafen auf den siver die Geschichte ihrer Heimatstadt zu do- schwedischen Thron unterrichtet. Das Buch ist kumentieren. Zwei Männer haben dabei in sprachlich sehr gelungen und zudem gut lekto- den zurückliegenden Jahrzehnten ein beson- riert, Orts- und Personenregister sind zuverläs- ders großes Engagement gezeigt: Ulrich Gehr- sig, die deutsche Zusammenfassung bringt die ke und Peter Jancke, denen es zu verdanken ist, wesentlichen Ergebnisse dar, die englische Zu- dass über die Vereinigung ehemaliger Schüler sammenfassung bereitet die grundlegenden Er- des Dom- und Real-Gymnasiums zu Kolberg/

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Ostseebad/Pommern der Zusammenhalt der stuben übernommen hatten, trennen sich mehr letzten Generation der in der Heimat gebore- oder weniger still und heimlich von der mittler- nen Kolberger bis in unsere Tage gewahrt wer- weile als Last empfundenen Aufgabe. Im besten den konnte und über den Historischen Arbeits- Fall wird dann das gesammelte Schrift- und kreis Kolberg die wissenschaftliche Erforschung Kulturgut eingelagert. Es gibt, wie z. B. bei den der Geschichte der Stadt und des umliegenden Massowern, auch Bestrebungen, die Sammlun- Kreises Kolberg-Körlin vorangetrieben wurde. gen an die heutige polnische Verwaltung in den Davon zeugen einerseits die seit 1961 wieder re- alten Heimatorten zu übertragen. Zu befürch- gelmäßig erscheinenden Mitteilungen der oben ten ist leider, dass einige Sammlungen auch auf- genannten Schülervereinigung und andererseits gelöst, zerstreut oder gar vernichtet werden. Die die Schriftenreihe »Beiträge zur Geschichte der Frage bleibt, warum es für dieses Erbe der pom- Stadt Kolberg und des Kreises Kolberg-Kör- merschen Vertriebenen, das sich in öffentlicher lin«. Deren 38. Band ist nun der Geschichte des Hand befindet, bisher nicht gelungen ist, ein Druckereiwesens in Kolberg vom 17. Mai 1653, Konzept für eine koordinierte Bewahrung zu als der Große Kurfürst auf dem Berliner Schloss erarbeiten und umzusetzen. Mit dem § 96 des mit Heinrich Heise den ersten Buchdrucker für Bundesvertriebenengesetzes gibt es nämlich ei- seine neue hinterpommersche Residenzstadt nen rechtlichen Rahmen und Auftrag dafür. privilegierte, bis 1945 gewidmet. Auch die Ent- Aber zurück zur jüngsten Publikation von Pe- wicklung des Schrifttums der vertriebenen Kol- ter Jancke, der selbst vier Jahrzehnte in Ham- berger in Westdeutschland seit Ende der 1940er burg als Druckereikaufmann tätig gewesen ist Jahre wird in dieser anschaulich illustrierten Pu- und dem es ganz offensichtlich ein Herzensan- blikation dankenswerterweise beleuchtet. liegen ist, die Geschichte eines Handwerks für Ein ausgeprägtes Gefühl für die eigene Verant- seine Heimatstadt zu ergründen, das wie kein wortung um die Bewahrung der Kolberger Tra- anderes in den zurückliegenden Jahrhunder- ditionen haben Peter Jancke und seine Frau ten eine wichtige Grundlage für die Bildung, schließlich bewogen, 2002 die Stiftung Kol- die staatliche Organisation und die politische berger Kulturerbe zu gründen und 2015 die Bi- Meinungsäußerung gewesen ist. Deshalb be- bliothek des Historischen Arbeitskreises Kol- schränkt sich der Autor auch nicht auf die Dar- berg mit einem Umfang von 1.400 Bänden aus stellung des Druckereigewerbes. Er bietet viel- Hamburg an die Greifswalder Universitätsbi- mehr mit einer Bibliographie eine Vorstellung bliothek zu überführen, um sie für die Nach- von den Inhalten, die auf den Druckerpressen welt zu bewahren. Dabei spielt das Bewusst- in Kolberg von der Mitte des 17. bis zur Mitte sein Peter Janckes und seiner Mitstreiter für die des 20. Jahrhunderts vervielfältigt wurden, und bis 1945 gepflegte Funktion dieser Greifswal- mit aufwändig recherchierten Biographien ein der Institution als Landesbibliothek und Sam- Bild von den Familien, die dafür als Drucker, melstelle für die Pflichtabgabeexemplare aller Verleger und Redakteure verantwortlich zeich- Druckerzeugnisse aus der Provinz Pommern neten. Sein besonderes Verdienst ist die Re- eine gewichtige Rolle. Zugleich führt uns die- konstruktion der überaus komplexen Entwick- ses lobenswerte Beispiel einer privaten Initiati- lung der lokalen Zeitungen in dieser von Han- ve erneut schmerzlich vor Augen, dass es für die del und Gewerbe, zuletzt vor allem durch den meisten pommerschen Heimatstuben und die Fremdenverkehr geprägten hinterpommerschen damit verbundenen Sammlungen im Bundes- Stadt an der Persantemündung. Eine derartig gebiet keine koordinierte Planung für die künf- fundierte Darstellung würde man sich auch für tige Aufbewahrung gibt. Immer wieder sehen die übrigen pommerschen Druckereien und die sich die Heimatkreise und die mit ihnen ver- mit ihnen verbundenen Verlage wünschen. Ge- bundenen Vereine aus Gründen der Überalte- rade der Wert der Zeitungen für viele Fragen rung ihrer Mitglieder gezwungen, die Betreu- der landesgeschichtlichen Forschung ist in an- ung einzustellen. Auch einige der Landkreise deren deutschen Landschaften in den zurück- und Städte, die seit den 1950er Jahren Paten- liegenden Jahren immer wieder deutlich her- schaften für pommersche Kreise und Städte so- ausgearbeitet worden. Am Kolberger Beispiel wie damit die Verantwortung für diese Heimat- hat Peter Jancke nunmehr in beeindrucken-

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der Weise dokumentiert, welch ein Potential pitel gewidmet sind. Zwei vorangestellte Kapi- auch für Pommern hier noch zu heben ist. Als tel erläutern Forschungsstand, Fragestellungen, letzter lebender Zeitzeuge – seine Eltern waren Methoden, Quellen und Aufbau der Arbeit so- die letzten Inhaber der seit 1828 in Kolberg tä- wie die historischen Hintergründe für die bei- tigen C. F. Post’schen Buchdruckerei – für die den Städte. Art und Weise, wie die mediale Machtergrei- Sprachlich gibt es in dieser Arbeit etwas zu vie- fung der Nationalsozialisten und die damit ein- le Fehler. Wenn der Verlag oder die Historische hergehende Gleichschaltung der Presse in dieser Kommission für Pommern, die Herausgeber preußischen Provinz seit 1933 organisiert wur- der Reihe ist, das Manuskript vorher durchge- de, gilt ihm nicht zuletzt für die Dokumentati- lesen hätte, wäre nicht von einer »Einführung on der Geschehnisse jener Jahre für die Nach- aus dem Serail« (S. 195) oder von Referenz eines welt der Dank der Historikerzunft. Schaut man Tänzers vor der Dame seiner Wahl (S. 275, zwei wiederum zum Schluss auf die ehrenamtlichen Mal!) die Rede. Tippfehler wie »Übertäter« an- Bemühungen von Ulrich Gehrke und Peter statt Übeltäter, S. 122, hätten vermieden wer- Jancke, nach 1990 den Verbleib von 1945 aus- den können. Und die unter Studierenden ver- gelagerten und seither vermissten Greifswalder breitete Unart, zu viele oder falsche Kausalitä- Zeitungsbeständen zu recherchieren, so fragt ten mittels »da«, »weil« etc. zu behaupten, wäre man sich auch hier, warum diese Aufgabe nicht eingedämmt worden. Beispiel: ein Projekt kam schon längst von staatlichen Stellen auf eigene »wohl nie zur Ausführung, da der entsprechen- Initiative verfolgt wurde. Die Folgen der per- de Plan nur handschriftlich überliefert wurde.« sonellen Ausdünnung des Archiv- und Biblio- (S. 103) thekswesens im Verantwortungsbereich des Die Hauptthesen der ansonsten sehr lesens- Landes Mecklenburg-Vorpommern in den zu- werten Untersuchung besagen erstens, dass im rückliegenden drei Jahrzehnten bereitet nicht Untersuchungszeitraum Freiräume entstan- nur den letzten noch lebenden Vertriebenen den, durch die sich eine neue soziale Interak- aus Hinterpommern große Sorgen, haben sie tion zwischen den Ständen anbahnte. Das An- doch schon einmal in ihrem Leben den unwie- gebot und der Konsum von Luxuswaren und derbringlichen Verlust von Kunst- und Kultur- organisiertem, institutionalisiertem Vergnügen gut erleben müssen. wie Theater, Bälle, Lotterien, Feste erfuhr zu- nehmend soziale Akzeptanz, es nahm auch z. Haik Thomas Porada, Leipzig T. lukrativen Warencharakter an und folgte den Gesetzen von Angebot und Nachfrage mehr als den Meinungen einer kleinen Schar von »Ken- nern«. Tendenziell erforderte es einen offenen Matthias Müller, Das Entstehen neuer Frei- Markt. Dieses Treiben wurde von den Obrig- räume. Vergnügen und Geselligkeit in Stral- keiten zwar reglementiert, aber – mit Ausnah- sund und Reval im 18. Jahrhundert (Veröffent­ men und Einschränkungen – erlaubt. Dies am li­chungen der Historischen Kommission für Ende auch, ohne dass zur Legitimierung wohl- Pommern; V, 51), Wien/ Köln/Weimar – Böh- tätige Zwecke bedient oder Staatseinnahmen lau Verlag 2019, 346 S. ISBN 978-3-412-51111-1 dabei abfallen mussten. Zweitens: diese Ent- wicklung wurde begünstigt durch den border- Diese wichtige Greifswalder Dissertation un- land-Charakter der beiden Städte (Regionen). tersucht und vergleicht anhand eines reichen Die Zugehörigkeit zum schwedischen bzw. Quellenmaterials aus Stralsund und Reval (vgl. russischen Reich, die Überlappung der Gren- das Verzeichnis im Anhang, S. 310–314) und un- zen lösten vielfältige Interaktionen aus, Kultur- ter Heranziehen einer langen Reihe von Sekun- kontakte der ursprünglichen Bevölkerung mit därliteratur (vgl. das Verzeichnis S. 315–341) die derjenigen der führenden Macht, Reisen, in- Etablierung, Institutionalisierung und Kom- terferierende Behörden, Mobilität und teilwei- merzialisierung dessen, was wir heute Freizeit se Mehrsprachigkeit der Bevölkerungsgruppen nennen. Es geht um die Bereiche Glücksspie- durch Garnisonen, Handelsniederlassungen le, Theater und Bälle, denen die drei Hauptka- etc. (vgl. S. 27f.).

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Der Begriff Freiräume im Titel signalisiert die rien und damit die Loge Eintracht endeten ein theoretische Grundlage in Martina Löws Raum­- paar Jahre später in Fiasko und Auflösung. Für soziologie, die eingangs erläutert wird: Mit der das Theatergebäude wurden dann professionelle Institutionalisierung eines Raums, sozusagen ei- Schauspieler-/Musiker-Truppen engagiert. nes strukturierten Handlungsspielraums, der ei- In Reval initiierte August Friedrich Ferdin- nen Ort, eine Abgrenzung wie Theatergebäu- and Kotzebue 1784 ein Liebhabertheater, des- de oder Ballhaus voraussetzt (Lotterien fanden sen Einnahmen ebenfalls wohltätigen Zwecken manchmal im Rathaussaal statt!), »gehen auto- dienen sollte. Nach vielem Auf und Ab und leb- matisch Prozesse der Inklusion oder Exklusion haften öffentlichen Diskussionen löste es sich einher.« (S. 13) Finanzkraft, Stand, Geburt, Ge- 1800 auf, und professionelle Wandertruppen, schlecht sind dabei entscheidend. Innerhalb sol­- die auch Opern im Repertoire hatten, übernah- cher Räume (und Orte) gelten eigene von den men. Lotterien wurden in Reval zugunsten ei- Teilnehmern bestimmte Gesetze und Kontroll- nes Zuchthauses und der Kirchen organisiert. mechanismen. Gewisse Freiheiten werden dann Der professionelle Organisationstab der Lotte- möglich, die »draußen« nicht gelten. rien, die ja doch eine Menge Geld umsetzten, Kenntnisreich und detailliert stellt Verf. das Auf musste jedoch auch auf ihre Kosten kommen. und Ab in der Entwicklung der Freiräume in Verhandlungen über obrigkeitliche Zulassun- Stralsund und Reval dar. Die Quellen sind ei- gen für Theater und Lotterien verkomplizierten nerseits normativer Art: Gesetze Verordnungen sich oft durch Dissens zwischen schwedischer und Statuten. Sie beschreiben wohl eher ein bzw. russischer Regierung einerseits und Stadt- Ideal. Andererseits geben Tagebücher, Briefe, rat andererseits. Gerichtsurteile und Zeitungsartikel Auskunft Spannend sind die Einblicke in das Repertoire über die tatsächliche Praxis (vgl. S. 33). der damaligen Liebhabertheater und profes­ Die Kulturgeschichte, die Verf. herauspräpa- sioneller Truppen. Neben heute unbekannten, riert, ist interessant und relevant für die Ent- sehr beliebten »Possen« wurde Schiller und Les- wicklung einer aufgeklärten Gesellschaft und sing und in Reval natürlich Kotzebue aufge- ihren Strukturwandel. Und sie entbehrt nicht führt, sogar Opern wie Mozarts »Zauberflöte« vergnüglicher Ironien. Laien-(Liebhaber-)thea- und »Die Entführung aus dem Serail«. Sowohl ter und zunehmend professionelle Theater- die Theaterstücke als auch die Opern wurden truppen entstanden und bildeten den Anfang bearbeitet. Schillers »Räubern«, die sowieso von der neuen Entwicklung, die in festen Theatern der Zensur beargwöhnt wurden, hat man aus kulminierte. Schauspielerei wurde nicht mehr, Rücksicht vor den Publikumserwartungen ei- wie noch im 17. Jahrhundert, von der weltli- nen glücklicheren Schluss verpasst als die »un- chen und kirchlichen Obrigkeit als Teufels- natürliche« und allzu »mordvolle« Katastrophe, werk verdammt [»artes voluptarias« und »Affen- die der Dichter vorgesehen hatte (vgl. S. 199). werk«, nennt Joachim von Wedel sie in seinem Die vielen detaillierten, oft auch anekdotischen berühmten Hausbuch 100 Jahre früher!]. Aber Informationen, die die vorliegende Arbeit über ob Bürgerfrauen und -töchter und Adelsda- ein bisher kaum erforschtes Gebiet gibt, kön- men oder Offiziere Theater spielen durften, war nen hier nicht in all ihren Aspekten, Facetten noch lange nicht klar – in privaten Räumen/ und Komplikationen nachvollzogen werden. Es Orten wurde es zuerst gewagt. Die Stralsunder ging mir eher darum, die Neugier auf das Buch Freimaurerloge Eintracht wollte nach schwedi- zu wecken. schem Vorbild ein Waisenhaus bauen. Das Geld Die wichtigsten Arbeitshypothesen, nämlich kam nicht zusammen, weshalb man das dafür dass die entstehenden Freiräume eine stände- bestimmt Gebäude als Theater einrichtete. Mit übergreifende Vernetzung und Kommunikati- dem durch den Theaterbetrieb verheißenen Ge- on, die Flexibilisierung sozialer Normen – be- winn wollte man dann das Waisenhaus finan- günstigt noch durch den borderland-Charakter zieren. Als auch diese Hoffnung enttäuscht der beiden Städte –, diese Thesen sollen noch wurde, fanden in dem Haus ab 1770 Klassen- kurz diskutiert werden. Sie sind vorerst plau- lotterien statt, und es wurden Bälle, auch Mas- sibel. Aber die Art der vielen ausführlich ge- keraden, und Konzerte abgehalten. Die Lotte- nutzten Quellen über die Formen der Lotteri-

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en, Bälle und Theater, Ein- und Ausgaben, Zei- den, durften aber nicht mit ihnen reden. Beim tungsanzeigen und Polemiken, Gesetze, etc. Laien-Theaterspielen in Reval verliebte sich eine gibt sehr wenig über die positiven Effekte der Frau in einen schauspielernden Herrn, ihre Ehe Freiräume her. Wenn es nicht um finanzielle wurde aufgelöst (vgl. S. 185). Beim Tanzen, so Erträge geht – die auch durchmischt ausfielen warnte Freiherr von Knigge denn auch, werden –, bleibt der Verf. hier bei, wie gesagt, an sich wir »in eine Art von Rausch [versetzt], in wel- nachvollziehbaren Vermutungen, die allerdings chem die Gemüter die Verstellung vergessen«! von den »handfesten« Fakten, die er bringt, oft (S. 280) Besonders schlecht macht sich dies bei widerlegt werden. Die borderland-These wieder- den Damen, und besonders gefährlich war der um bedürfte einer Überprüfung durch Verglei- neue Modetanz Walzer! che mit zentral gelegenen Städten. Tatsächlich Der Verf. muss also seine optimistische Arbeits- relativiert Verf. die Thesen regelmäßig, wenn sie hypothese regelmäßig relativieren, es finden auftauchen. sich Sätze wie: »Dabei perpetuierte die Institu- Gewiss, in den Klubs, in denen gespielt wurde, tion Ball einerseits das etablierte Sozialgefüge und wo Theateraufführungen etc. organisiert und fungierte andererseits als ein Ort, wo die wur­den, hielt man auch Zeitungen und Zeit­ Teilnehmer/innen neue gesellschaftliche Ver- schrif­ten, es wurde sicher dort diskutiert, »net­ hältnisse erprobten, festigten und kontrollier- wor­king« betrieben, Geschäfte und ev. auch Po-­ ten.« (S. 237) »Die traditionelle Ständeordnung litik­ beredet; es kamen »viele einflussreiche­ Män-­ konnte zwar nicht aufgehoben, wohl aber et- ner zusammen« (S. 137). Ein Zeitzeu­ge schreibt was gelockert werden« (S. 303). Verf. ist zu lo- in einem Brief, dass im Klub der Schwarz­ ben, dass er solche Widersprüche und Ambi- häupter in Reval »der Vornehmere und Rei­che, valenzen immer wieder deutlich macht, er ist besonders der Landadel, [sich] zu den anderen der Ansicht, geäußert im Zusammenhang mit Ständen so herab[läßt], als ich es noch nirgends­ den Glücksspielen: »Wer davon ausgeht, im 18. bemerkte« (S. 283, vgl. auch die utopische Jahrhundert habe ein Wandel durch Vernunft Sehnsucht­ nach einem Vauxhall in Stralsund, und die Herausbildung einer rationalen Öffent- S. 252). Aber man liest eben auch im Zusam­ lichkeit stattgefunden, wird das scheinbar Un- menhang mit den Bällen, »dass es ver­ein­zelt[?] vernünftige und Irrationale nur schwer in sein adlige Damen gebe, die Bürger und Kaufleu- Narrativ integrieren können.« (S. 65) te als »Hinkepinks« (Hinkebeine) bezeichne- ten«. Auf der anderen Seite verspielte der Major Walter Baumgartner, Greifswald von Tiesenhausen sein Vermögen, und als er, al- koholisiert, Randale machte, wurde er aus der bürgerlichen Revaler »Klubbe« aus­ge­schlossen (vgl. 147ff., vgl. für Stralsund auch das Kapitel Alexander Querengässer, Das kursächsische »Störfälle bei (Masken-)Bällen«, S. 292ff., und Militär im Großen Nordischen Krieg »Die sozialen Grenzen des Zuschauer­ raums«,­ S. 1700–1717 (Krieg in der Geschichte, Bd. 107), 203–209). Der Zugang der niederen Stände zu Leiden-Bosten-Singapore-Paderborn – Lotterien wurde oft verboten, damit sich keiner Verlag Ferdinand Schöningh 2019, 628 S., ruiniert; Soldaten und Lehr­linge, die Jugend 19 s/w-Karten. ISBN 978-3-506-78871-9 überhaupt, gehörten zu den potentiellen­ Ge- fährdern bei Bällen und Theateraufführungen­ Der Große Nordische Krieg stellt nach wie vor (wo sich die Kenner im Parterre und die »Per- ein Desiderat zumindest in der deutschsprachi- sonen von hohem Rang« in den Logen nicht gen Forschung dar, verglichen etwa mit dem mit dem Pöbel auf der Galerie vermischen durf- Dreißigjährigen Krieg. Dabei gehört er zu den ten). In Stralsund und in Reval gab es oft Pro- längsten Konflikten der Frühen Neuzeit, die bleme, wenn schwedische bzw. russische Offi- sich im Ostseeraum abspielten. Der mittel- ziere an Bällen den einheimischen Bürgern be- deutsche Raum mit Kursachsen wurde eben- gegneten. Frauen und Männer saßen an diesen so heimgesucht wie weite Teile Skandinaviens, Bällen getrennt, sie konnten von Herren eines Polens, des Baltikums und Rußlands. Zeitwei- anderen Standes zum Tanz aufgefordert wer- lig griff das Osmanische Reich in den Konflikt

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mit ein, ebenso Großbritannien und die Nie- den Unterkapiteln 2.3 und 2.4 werden die bei- derlande. Im Fokus der vorliegenden Arbeit, die den Hauptkontrahenten August II. und Karl 2016 an der Universität in Potsdam als Disserta- XII. einander gegenübergestellt und kurz cha- tion erfolgreich verteidigt worden ist, steht das rakterisiert. Dabei fällt auf, dass aktuelle Stu- Kurfürstentum Sachsen, das im Großen Nordi- dien zu Karl XII. kaum beachtet worden sind schen Krieg als einer der Hauptakteure auftrat. und infolgedessen altbekannte Stereotype bei Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen, bes- der Bewertung des schwedischen Königs auf- ser bekannt als August II. (der Starke) von Po- gegriffen werden.5 August II. als Feldherr und len, schloss mit Zar Peter I. und König Fried- Organisator kommt vergleichsweise gut weg, rich IV. von Dänemark und Norwegen ein ge- ganz im Gegensatz zu seinen Generälen, die gen Schweden gerichtetes Offensivbündnis. nach Querengässers Einschätzung die Hauptver- Der Autor betrachtet das sächsische Agieren antwortung für die zahlreichen Niederlagen der im Krieg auf der Grundlage der meist unver- sächsischen Armee tragen. öffentlichten Quellen im Sächsischen Haupt- Das 3. Kapitel behandelt die Zeit zwischen dem staatsarchiv in Dresden, die er nahezu voll- Kriegsausbruch im Jahre 1700 und der Beset- ständig gesichtet hat. Anzumerken ist, dass ar- zung Kursachsens durch Schweden 1706, was chivalische Parallelüberlieferungen, etwa der in den Frieden von Altranstädt mündete, mit sächsischen Verbündeten oder auch des Haupt- dem August II. gezwungen wurde, die polni- gegners Schweden, in die Betrachtungen nicht sche Krone niederzulegen. Das 4. Kapitel be- mit einbezogen worden sind. Das Hauptaugen- handelt die Reorganisation der kursächsischen merk Querengässers liegt auf einer kritischen Armee. Wichtig ist der Hinweis, dass August II. Aufarbeitung der sächsischen Feldzüge und ei- der antifranzösischen Koalition im Spanischen ner Analyse der Ergebnisse. So geht er der Frage Erbfolgekrieg Truppen zur Verfügung stellte, nach, »wie sich die Qualität der sächsischen Ar- die damit im Sold der europäischen Seemächte mee um 1700 im europäischen Vergleich« ein- standen und den strapazierten kursächsischen ordnen läßt (S. 22). Dabei hat der Autor weni- Haushalt nicht weiter belasteten. Außerdem ger den Hauptgegner Schweden im Blick, son- konnten sie Kampferfahrungen sammeln. dern möchte »den Zustand des sächsischen Mi- Das 5. Kapitel ist das Kapitel mit den meisten litärs im Koordiantensystem des europäischen pommerschen Bezügen. Es umfasst den Zeit- Heerwesens« verorten (S. 22), wobei sich »euro- raum zwischen dem Wiedereinstieg Sachsens päisch« in erster Linie auf Preußen und Öster- in den Krieg gegen Schweden (1709) und der reich bezieht. Rückeroberung Polens bis 1716. Hier interes- Allerdings bleibt Querengässer nicht bei reinen siert vor allem die Teilnahme sächsischer Trup- operationsgeschichtlichen Betrachtungen ste- pen an den Kriegszügen gegen Schwedisch- hen. So analysiert er die organisatorischen Vor- Pommern, Wismar und Bremen-Verden. De- gaben, Strukturen und Möglichkeiten und zieht tailliert stellt der Autor die strategische Aus- auch kulturgeschichtliche Aspekte des Militärs gangslage und die Planungen der Alliierten vor. in seine Betrachtungen mit ein. Die­ser An- Die sächsische Armee stand zwischen 1711 und satz ist durchaus lobenswert und als wich­tig im 1715 permanent in Pommern, wo sie sich auf Rahmen einer modernen Militärgeschichte zu bewerten. Die vorliegende Publikation ist chro- nologisch aufgebaut, d. h., sie entspricht dem 5 Z. B. Joachim Krüger, Karl XII. – der »heroische« Militärmonarch Schwedens, in: Die Inszenierung Ablauf der Ereignisse des Großen Nordi­schen der heroischen Monarchie. Frühneuzeitliches Kö- Krieges. Die Einteilung der Kapitel folgt kon- nigtum zwischen ritterlichem Erbe und militä- sequent strukturellen und operationsgeschicht­ rischer Herausforderung (Historische Zeitschrift, lichen Analysen. Beihefte, N. F., Bd. 62), hg. v. Martin Wrede, In Kap. 2 stellt Querengässer die Rahmenbedin- Mün­chen 2014, S. 358–381; Sverker Oredsson, gungen für den Aufbau und die Organisation Char­les XII – King of Sweden, in: Princess Hedvig Sofia and the Great Northern war, hg. v. Ralf Blei- des sächsischen Militärs dar. Fragen der Finan- le und Joachim Krüger, Dresden 2015, S. 150–158; zierung, Rekrutierung und Ausrüstung im wei- Tsar Peter och Kung Karl. Två härskare och deras testen Sinn werden ausführlich diskutiert. In folk, hg. v. Sverker Oredsson, Stockholm 1998.

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eine Kette von Magazinen stützen konnte. Im te. Dies macht den Wert der vorliegenden Ar- Vergleich zum Beginn des Krieges zeigten die beit aus, die damit auch zukünftig einen unver- sächsischen Einheiten eine gesteigerte Profes- zichtbaren Beitrag zur Geschichte des Großen sionalität, was darauf schließen lässt, dass die Nordischen Krieges darstellen wird. nach 1706 durchgeführten Reformen griffen. Vor allem der Einsatz des technischen Personals Joachim Krüger, Wusterhusen (Ingenieuroffiziere und Artilleriemannschaf- ten) trug zum erfolgreichen Abschluss der Be- lagerung Stralsunds im Dezember 1715 mit bei. Allerdings handelten die kursächsischen Trup- Nils Jörn u. Dirk Schleinert (Hgg.), Vom pen fast immer im Verband mit dänischen, rus- Löwen zum Adler. Der Übergang Schwe- sischen und preußischen Truppen, so dass ein disch-Pommerns an Preußen 1815 (Veröffent­ direkter Vergleich der sächsischen mit den ver- lichungen der Historischen Kommission für bündeten Truppen schwerfällt. Politisch war Pommern; V, 52), Wien/Köln/Weimar – Kursachsen nicht in der Lage, vom Einsatz sei- Böhlau, 2019. – 272 Seiten, 17 Abb. ner mittlerweile gutgeschulten Armee zu pro- ISBN 978-3-412-51242-2 fitieren. Bei der Aufteilung Schwedisch-Pom- merns zwischen Dänemark-Norwegen und Preußen ging Sachsen leer aus. Der von Nils Jörn und Dirk Schleinert heraus- Das 6. Kapitel ist der Heeresreduktion nach gegebene Sammelband enthält Beiträge einer dem Ausscheiden Kursachsens aus dem Gro- Tagung, die von der Historischen Kommissi- ßen Nordischen Krieg gewidmet. on für Pommern und der Gesellschaft für pom- Zusammenfassung sowie ein ausführliches merschen Geschichte, Altertumskunde und Quellen- und Literaturverzeichnis beschließen Kunst am 24. Oktober 2015 ausgerichtet wurde. den auch optisch anspruchsvollen Band. Ein Ziel der Tagung war es, den Übergang Schwe- Register, das die Arbeit und gezielte Suche z. disch-Pommerns auf Preußen nicht nur als ein B. nach Personen erleichtern würde, fehlt lei- regionales Ereignis zu betrachten, sondern in der. Ungenauigkeiten unterlaufen dem Autor die territorialen Veränderungen im Ostseeraum bei Datierungen. So lässt er die Schlacht von einzuordnen, die mit den Napoleonischen Krie- Poltawa am 7. Juni 1709 stattfinden (S. 403). Je gen einhergingen. nach Stil fand die Schlacht, die als ein Wende- Um diesem Anspruch gerecht zu werden, be- punkt des Großen Nordischen Krieges gilt, am ginnt der Sammelband mit Kjell Åke Modéers 27. Juni (julianisch), 28. Juni (schwedisch) bzw. feinsinnigen Blick auf die historischen Hinter- am 8. Juli (gregorianisch) statt. Im Vorwort gründe für den Übergang, der auch immer ein oder der Einleitung wäre ein Hinweis wichtig Willkommen und einen Abschied in sich ver- gewesen, welcher Datierung der Autor folgt. eint. Es handelt sich dabei um eine Rede, die Gerade in der Analyse von zeitlich aufeinander Mo­déer am Vorabend der Tagung anlässlich des abgestimmten Ereignissen wie etwa Feldzügen Fest­aktes im Rathaussaal Stralsunds gehalten ist die genaue Kenntnis des in der Historiogra- hat. phie und den jeweiligen Quellen genutzten Stils Nils Jörn beschäftigt sich mit den Reformversu- äußerst wichtig. In der Zusammenfassung be- chen am Ende der Schwedenzeit und legt den wertet Querengässer die kursächsische Armee im Schwerpunkt auf die Rechtsprechung. Er analy- ausgehenden »18. Jahrhundert«, meint aber das siert das heute noch gepflegte Schwedenbild in 17. Jahrhundert (S. 560). Vorpommern, das zwei Extreme, Rückschritt- Hervorzuheben ist die quellennahe Analyse der lichkeit und Sehnsuchtsort in der Erinnerung strukturellen Gegebenheiten und Operationen nach 1815, umfasst. Beides wird plausibel mit der kursächsischen Armee. Querengässer zeigt, dem Widerstand der schwedisch-pommer- dass operationsgeschichtliche Fragestellungen schen Landstände gegen obrigkeitlich oktroy- auch weiterhin von Bedeutung sind, nicht nur ierte Neuerungen erklärt. Dirk Schleinert greift für die Militärgeschichte, sondern auch für die diese Beobachtung auf und lenkt den Blick auf vergleichende Landes- und politische Geschich- ausgewählte Dokumente aus dem Nachlass des

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Stralsunder Bürgermeisters David Lucas Kühl. schen Russland und Finnland bzw. 1814 zwi- Indem er die Frage aufwirft, welche Auswirkun- schen Schweden und Norwegen entstanden. gen die Ungewissheit über die staatliche Neuor- Sie erweitern den Blick des Lesers auf die Um- ganisation in den Jahren 1814 und 1815 auf Stel- wälzungen im Ostseeraum während der Napo- lung und Handlungsspielraum der Landstände leonischen Kriege. Menger ergänzt die histori- hatten, zeigt er ein Forschungsdesiderat auf. sche Darstellung durch einen Ausblick auf die Während Jörn und Schleinert den Übergang Stellung Finnlands nach 1809, die sich im Span- thematisieren, kommen in den beiden folgen- nungsfeld zwischen Loyalität zum Großfürsten/ den Beiträgen Fragen zur Integration in den Zaren und Bewahrung der schwedischen Ver- preußischen Staatsverband zur Sprache. Die gangenheit bewegte. staatsrechtlichen Umstände des Übergangs auf Besonders erfreulich sind die beiden letzten Preußen, die überkommene Verfassung der Beiträge, weil sie den Kreis mit Betrachtungen neuvorpommerschen Ständegesellschaft sowie zur mecklenburgischen Geschichte im Napo- chronischer Geldmangel in Preußen hätten, so leonischen Zeitalter schließen. Anke Wieben- Johannes Weise, eine Integration bis in die Mit- sohn nimmt den Malmöer Pfandvertrag von te des 19. Jahrhunderts behindert. Er spricht 1803 zum Anlass, die Neuordnungen in den Be- folg­lich von einer missglückten Integration. reichen Justiz bzw. Handel im vormals schwe­ Mit Blick auf die Kriminalverfassung gelingt es dischen Teil Mecklenburgs zu untersuchen. Da- Anja Erdmann in ihrem Aufsatz, dieses Bild zu bei zieht sie auch Vergleiche zur Situation in relativieren. Neu­vorpommern. Kathleen Jandausch rekon- Ludwig Biewer zeichnet Leben und Werk des struiert abschließend quellenbasiert die Bemü- Greifswalder Historikers Friedrich Rühs (1781– hungen Mecklenburgs in den Jahren 1807 bis 1820) nach. In Rühs Wirken verbinden sich 1815, Schwedisch-Pommern­ zu erwerben. Sie vorbildliche Pionierarbeiten mit historisch-po­ analysiert dabei einen Aspekt, der bisher unbe- litischer­ Tätigkeit, die vor dem Hintergrund achtet geblieben­ ist und, was nur am Rande er- des Übergangs seiner Heimat auf Preußen, so wähnt wer­den soll, erheblich weiter als bis ins Biewer, nicht anders als opportunistisch einzu- Jahr 1807 zurückreicht. stufen sind. Damit wirft Biewer die stets aktuel- Der Sammelband erfüllt nicht nur die eingangs le Frage nach der Grenze zwischen Geschichts- genannten Ziele, sondern auch die Erwartun- wissenschaft und Geschichtspolitik auf. gen des interessierten Lesers. Die Beiträge sind Von besonderer Bedeutung für die historische faktenreich und verständlich geschrieben, wes- Einordnung der Integration Neuvorpommerns halb sie sowohl von Laien als auch von Wissen­ in den preußischen Staatsverband ist Dirk schaftlern fruchtbringend gelesen werden kön- Schleinerts­ Betrachtung der knapp 100 Jahre nen. Besonders erfreulich sind die zahlreichen zuvor­ erfolgten Erwerbung Altvorpommerns Anregungen­ für künftige Forschungen. Es ist durch Preußen. Ausgangspunkt seiner Untersu- daher zu hoffen und zu wünschen, dass das chung ist der lehnsrechtliche Charakter beider Buch einen großen Leserkreis finden wird. Transformationsprozesse. Damit rückt er ein Thema in den Mittelpunkt, das bisher von der Robert Oldach, Hohen Neuendorf Forschung vernachlässigt worden ist. Gaby Huch rekonstruiert eine Reise König Fried­rich Wilhelms III. nach Pommern im Mai 1820. Obwohl sich die unmittelbaren Folgen Gunnar Müller-Waldeck, Die Torte in der der Reise in Grenzen hielten, kann Huch durch Landschaft. Unterhaltsame kulturgeschicht- zahlreiche Quellenzitate die Lageeinschätzun- liche Streifzüge um Dichter, literarische Orte gen des Oberpräsidenten von Pommern, Jo- und Landschaften in Mecklenburg und Vor- hann August Sack, entschlüsseln. pommern, Elmenhorst – Edition Pommern, Die beiden folgenden Beiträge beschäftigen 2018. 208 S. ISBN 978-3-939680-42-0 sich mit den epochalen Veränderungen im Ost- seeraum. Manfred Menger und Jens E. Olesen Um gleich beim Titelbild der »Torte« zu blei- stellen die Personalunionen dar, die 1809 zwi- ben – Gunnar Müller-Waldecks Buch gleicht ei-

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ner mit handwerklichem Geschick, Geschmack senschaftlichen)­ Texten aus. Da verkehrt sich und Raffinesse hergestellten kulinarischen die klar erkennbare Intention des Verfassers, Köstlichkeit: das Auge kommt auf seine Kosten nicht nur über Literatur zu schreiben, sondern – an Bildmaterial ist nicht gespart, die Zuta- dem Leser, der Leserin das Material und die ten sind erlesen – profundes literaturgeschicht- Wertungen darüber anzubieten, in ihr Gegen- liches und kulturgeographisches Wissen – und teil. Es kann sich als außerordentlich mühevoll die Lektüre bereitet Genuss – wenn sie maßvoll erweisen, zu gesicherten Texten zu gelangen – geschieht. Immerhin sind Torten reich an Kalo- im Netz kursieren einfach zu viele fehlerhafte rien, Müller-Waldecks Buch ist reich an Daten, Textvarianten,­ ganz zu schweigen von wenig ge- Informationen, analytischen Passagen, zeitkri- druckten Werken. So wie es einen Bildnachweis tischen Reminiszenzen und messerscharfen wie am Ende gibt, hätte ein Literaturnachweis der launigen Urteilen. Man kann und sollte es nur benutzten Ausgaben keinen Schaden angerich- abschnittsweise zu sich nehmen. Es verspricht tet – gerade weil der Autor konsequent literari- Unterhaltung – die desto kurzweiliger und ge- sche Texte der vorgestellten Dichter (und Dich- nussreicher ist, je mehr man die kulturellen terinnen!), zu Landschaften – Arkona, Rügen – Prozesse, den »Kommunikations-Hintergrund« eingebaut hat. (S. 107) der jeweils mit Landschaften oder Or- Ständig muntert Müller-Waldeck den Leser – ten verbundenen »Dichter« und/oder zahlreich im Fall der Rezensentin die Leserin – zum Be- eingefügten literarischen Texte kennt. nutzen seines Büchleins auf – so z. B. am Ende Im »Zuvor«, also dem Vorwort, wird die »Torte« des Demmin-Kapitels. Wer weiß, dass Dem- als versprochene Fortsetzung des 1. Bandes »Der min mit »zwei bedeutende(n) Fälle(n) von Mä- Wilde von den Sandwichinseln« präsentiert zenatentum in der deutschen Literaturgeschich- (der damit gleich geschickt beworben ist) »Lag te« (S. 114) verbunden ist? Dichter wie Mat­ der Schwerpunkt im ersten Band auf Dichtern, thias Claudius und Friedrich Schiller erfuhren Denkern, Strategen und Haudegen, werden von Angehörigen der reichen Demminer Fami- nun­mehr neben Einzelgestalten auch kulturhi- lie Schimmelmann soziale Abfederung. Es sei storische Porträts von Städten und Landschaf- hinzugefügt, dass der Claudius-Förderer Hein- ten einbezogen. Die scheinbar sandig-eintöni- rich Carl Schimmelmann Teile seines Geld, also gen Landschaften an der Küste haben trotz al- auch dieses ›mäzenatischen‹ Geldes, mit Skla- lem ihre Poesie und ihren Charme, vor allem venhandel erwarb – nur zu erfahren aus dem aber ihren ganz speziellen Zauber.« (S. 5) Gün- Wikipedia-Eintrag, der zur ergänzenden Lektü- ter Grass wird zitiert, der vom »großen Kul- re hier empfohlen sei. Weitere literarische Be- turraum« um das baltische Meer spricht, dem züge bietet Demmin an mit Fritz Reuter, Adolf Müller-Waldeck für die mecklenburgische und Pompe (Dichter des Pommernliedes) oder, pommersche Region in ihren kulturgeschicht- kaum bekannt, aber für die Frömmigkeitsge- lichen Profilen auf die Spur kommen will. Die- schichte relevant, dem frühpietistischen Theo- se Spurensuche geschieht in den Formaten des logen und Kirchenlieddichter Johannes Lütke- Essays und Feuilletons, zwei von Müller-Wal- mann, immerhin Hofprediger am Wolfenbütte- deck meisterhaft beherrschten Formen einer die ler Hof, der wiederum mit dem Haus der pom- Subjektivität des Schreibers einbeziehenden, ja merschen Greifen durch diverse Eheprojekte fordernden Darstellungsweise. Sie gestatten es eng verbunden war. Zurecht fragt Müller-Wal- auch, die für den Leser sonst recht trocken zu deck »Wo erfährt der Demminbesucher das al- lesenden und für den Verfasser recht mühsam les? Im Ortsbild per Infotafel leider nicht … . unterzubringenden Nachweise der zitierten bzw. Und im Museum? Das wurde, als 2015 der letz- benutzten Quellen außen vor zu lassen. Wer te Pachtvertrag für Räume im Speicher am Ha- trotzdem (weiter) suchen möchte, den ver­weist fen auslief, mangels neuer räumlicher Möglich- Müller-Waldeck recht lapidar auf die Suchma­ ­ keiten, kurzerhand geschlossen« (S. 117). Dazu schinen der modernen elektronischen Me­dien. bedarf es keines Kommentars im Tourismus- Was Personen und Städte (»Umstände«?) an- land Mecklenburg-Vorpommern. geht, ist dem nichts entgegen zu halten. Anders Derart kritische Blitzlichter auf Defizite in der sieht es bei den zitierten literarischen (und wis­- institutionellen Pflege der hiesigen Kulturland-

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schaft finden sich immer wieder, manchem Städteporträts jeweils detailreich (Theaterbau- Touristik›manager‹, Kulturamtsmitarbeiter und ten, Akteure, Repertoireeigenheiten) abgehan- – warum nicht – Bürgermeister sei dieses Büch- delt ist, pointiert zusammenfasst. Äußerst auf- lein wärmstens empfohlen. schlussreich und theatergeschichtlich relevant Wer an Orten wie Demmin interessiert ist, sind die analytischen Ausführungen zu Theater- kommt im dritten, dem umfangreichsten Ka- direktion und Inszenierungskonzept eines Hans pitel »Orte und Ortschaften« (144 S.) auf seine Anselm Perten in Rostock oder zur offensicht- Kosten. Nach einem einleitenden zwanzigsei- lich spektakulären Hamlet-Inszenierung Adolf tigen Überflug über »Pommersche Landschaft Dresens in Greifswald von 1963/64. Welche Re- und Landleben in der Literatur« mit einem de- gisseure, Schauspieler und Schauspielerinnen zidiert literaturgeschichtlichen Zugriff, für pro- während der DDR-Zeit, welche Schriftsteller fessionelle Leserschaft ein Genuss, für Nicht- und Literatinnen wo lebten – in Greifswald, Professionelle sicher nicht so ganz leichte Kost, Schwerin, Neubrandenburg, Parchim, Rostock handelt Müller-Waldeck folgende Orte ab: Ar- oder Neustrelitz – auch das verzeichnet Müller- kona, Stralsund, Franzburg, Anklam, Rügen, Waldeck genauestens, so dass der Leser/ die Le- Putbus, Wolgast, Graal-Müritz, Ahrenshoop, serin, der/die sich aus diesen oder jenen Grün- Neubrandenburg, Ludwigslust, Parchim, Wis- den für diese Kulturlandschaft interessiert, im- mar, Neustrelitz, Usedom, Penzlin und Waren/ mer im Bilde sein kann. Müritz. Die restlichen 49 S. des insgesamt 208 Dass im Einzelnen Wünsche offen bleiben – S. starken Büchleins im A5-Format teilen sich wohl eher eine Sache des Lektorats – sei am zu etwa gleichen Anteilen die übrigen drei Ka- Rande vermerkt. Auf den »Streifzügen« trifft pitel: 1. Personen (22 S.), 2. »Fälle« (25 S.) und man ab und zu auf bereits Ausgeführtes, was 4. Theater und Film (18 S.). Es ist also für jeden vielleicht mit der ›tutti‹-Anlage des Buches zu etwas dabei. Das 1. Kapitel handelt von John tun hat. Ein Beispiel: Im literaturgeschicht- Brinkmann, Richard Wossidlo, Ricarda Huch lichen Überblick »Pommersche Landschaft (die übrigens umfangreich zitiert wird, viel- und Landleben in der Literatur« zitiert Mül- leicht eine der Hauptquellen für die Sicht des ler-Waldeck den Lyriker Wilhelm Müller (be- Autors auf die hiesige Kulturlandschaft) und kannt durch den romantischen Winterreise-Zy- Uwe Johnson. Die biographischen Sachverhalte klus) mit dessen Gedicht Der Adler auf Arkona kommen in ihrer Funktionalität für das künst- (S. 58). Diese Gedichtstrophen, nur erweitert lerische Werk zur Sprache, der Verfasser schaut durch vier Verse, finden sich wieder im Ab- mit thematischen Fokussierungen auf Texte schnitt »Romantik und frühes Badewesen auf und deren ästhetische Substanz. »Brinkmann Rügen – zwei Orte, die inspirierten …/Göte- lesen« lautet z. B. eine Überschrift und das ist mitz«; ebenfalls wiederholt sich die bereits frü- als Programm zu verstehen: letztendlich als Er- her angebotene Lesart des Arkona-Gedichts als munterung und Aufforderung zum Wieder-Le- eine politische Stellungnahme Müllers zu den sen. Ein Textausschnitt aus Brinkmanns Kas- »restaurativen deutschen Verhältnissen nach par Ohm führt zu der Feststellung, dass »[…] den Befreiungskriegen« (S. 110). man angesichts des köstlichen Buches ein wenig Im Neustrelitz-Kapitel stolpert man inmitten traurig (wird): Wie halten es Kinner und Kin- der Darlegungen zu den Ursachen und Um- neskinner (Zitat aus Kaspar Ohm – M. S.) mit ständen von Adolf Glaßbrenners (Berliner Sa- solchen Texten? Dieses Buch verhilft dem heu- tiriker) Aufenthalt in der Provinzstadt über den tigen Leser zu so etwas wie einer Entschleuni- in Klammern gesetzten, nicht realisierten Hin- gung seiner Welt« (S. 11f.). Buchvorstellung, li- weis »(siehe Beitrag zu Glaßbrenner)« (S. 162). teraturgeschichtliche Bewertung, Lese- und Le- Ein Blick in die vom Autor 1999 herausgegebe- benshilfe, das alles ausgewogen im Paket zusam- ne Literaturgeschichte Pegasus am Ostseestrand,6 mengepackt – zweifellos neben dem tatsächlich unterhaltsamen Stil die konzeptionelle Stärke 6 Gunnar Müller-Waldeck (Hg.), Pegasus am Ostsee­ ­ des Buches. Hervorheben möchte Rezensentin strand. Zwischen Trave, Oder, Küste & Seen­plat­te. noch das letzte Kapitel, in dem Müller-Waldeck Literatur & Literaturgeschichte in Mecklen­ ­burg- die Geschichte des Theaters, die bereits in den Vorpommern, Konrad Reich Verl. Rostock 1999.

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die an dieser Stelle nachdrücklich empfohlen auf S. 31). Dazu ist noch zu ergänzen, dass über sei, beschert dann die fehlenden Informatio­ diese Aktion rückblickend im 2. Jahrgang der nen. Er sei auch empfohlen für den Fall der Baltischen Studien (1833/34), H. 1 (S. 139–172), Schrift­stellerin Ida Hahn-Hahn (1805–1880), ausführlich berichtet worden ist, mitsamt ei- deren zum Besten der Gattung um 1840 gehö- ner Auflistung derjenigen Personen (im Regel- rende reiseliterarischen Texte in diesem Band fall Pastoren und Prediger), die niederdeutsche wesentlich angemessener charakterisiert wer- Sprachbeiträge aus ihrem jeweiligen Sprengel den als in der vorliegenden »Torten«-Kurzfas- eingeschickt haben. Unterstützt wurde der Auf- sung. Hier reicht es nur zum Urteil »nicht un- ruf durch den Bischof der Pommerschen Kir- interessant« – rhetorisch Versierte wissen um che, über den viele Pastoren erreicht wurden. den abwertenden Effekt dieser Formulierung. Dazu gehörte auch der mundartkundige Joach- Rezensentin verlangt und erwartet nicht in al- im Daniel Rosenkrantz. len Fällen fachwissenschaftlich abgesicherte Ur- Die Sammlung enthält 243 Redensarten und teile, bedauert aber den Verzicht darauf im be- Sprichwörter in der auf Westrügen zu diesem treffenden Fall. Zeitpunkt gebräuchlichen niederdeutschen Wie bereits angedeutet – da der »Pegasus«-Band Mundart.­ Renate Hertmann-Winter hat die zu dick und zu schwer für das Ausflugs- oder Verse nicht allein herausgegeben, sondern auch Reisegepäck durch Pommern ist, empfiehlt sich übersetzt. So erschließt sich der Inhalt interes- dieses Büchlein. Man wird auf seine Kosten sierten Leserinnen und Lesern, die des Nieder- kommen. deutschen nicht mächtig sind. Bemerkenswert ist die Langlebigkeit vieler der hier vorgestell- Monika Schneikart, Greifswald ten Ausdrücke, die teilweise noch im heutigen Sprachgebrauch vorkommen. Ein alphabetisch geordnetes Glossar besonderer heute schwer verständlicher Begriffe, die in den Redensarten Sprichwörter und Redensarten von der Insel verwendet werden, schließt das kleine Bänd- Rügen. Historische Sammlung aus Altefähr chen ab. Wissenschaftlich Interessierte und von 1832, entdeckt, übersetzt und herausge­ Lieb­haber der plattdeutschen Sprache werden geben von Renate Herrmann-Winter, Rostock die kleine Spruchsammlung mit Vergnügen in – Hinstorff Verlag 2018. 43 S. 10 s/w Abb. die Hand nehmen. ISBN 978-3-356-02188-2 Joachim Krüger, Wusterhusen Die bekannte Germanistin und Professorin für Niederdeutsche Sprache an der Ernst-Moritz- Arndt-Universität in Greifswald und Herausge- berin des Plattdeutsch-Hochdeutschen Wörter- Angela Rapp / Andreas Neumerkel / Dorina buchs, Renate Herrmann-Winter, stieß bei Re- Kasten / Norbert Gschweng, Bilder voller cherchen im Staatsarchiv Stettin auf eine kleine Poesie. Stralsunder Kunst im 19. Jahrhundert Kostbarkeit, auf eine Handschrift aus dem Jah- (Schriften des Stralsund Museum, Band 2). re 1832, die in Altefähr auf der Insel Rügen ent- Hg. Hansestadt Stralsund. Der Oberbürger­ standen ist. Es handelt sich um eine Sammlung meister, Amt für Kulturerbe und Medien, niederdeutscher Sprichwörter und Redensarten, STRALSUND MUSEUM und Förderverein die vom damaligen Pastor substitutus (ab 1839 STRALSUND MUSEUM e. V., Stralsund – Pastor ordinarius) in Altefähr, Joachim Daniel Druckhaus Kruse 2018. 85 S., 82 Abb., davon Rosenkrantz (geboren 1798, nicht 1708 (S. 5), die meisten farbig. ISSN 2568-6526 gestorben 1846), zusammengetragen worden ist. Die Initiative dazu geht zurück auf den Stetti- Mit dieser Veröffentlichung findet eine Schrif- ner Ausschuss der Gesellschaft für Pommersche tenreihe der Hansestadt und seines Museums Geschichte und Altertumskunde, der im De- ihre Fortsetzung, die der Kultur- und Kunst- zember 1831 einen Aufruf »zur Sammlung nie- geschichte Stralsunds gewidmet ist. Auch hier derdeutscher Mundarten« startete (abgedruckt handelt es sich um das publizistische Pendant

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zu einer Sonderausstellung gleichen Titels und Gegenstand hinführt und ihn zugleich in einen Inhalts, welche in den historischen Räumen großen, epochalen Kontext einbettet. Nachge- des Stralsunder Katharinenklosters gezeigt wur- zeichnet wird der korrelative Entwicklungsgang de (vom Mai bis zum Oktober 2018). Die in von geistiger Kultur und bildender Kunst im einem praktikablen Heftformat gehaltene Pu- Verlauf des 19. Jahrhunderts mit seinen Haupt- blikation enthält vier mit Abbildungen reich strömungen (hier auch Stilen und Schulen). ausgestattete Beiträge. Thematisch-inhaltlich Reflexionen werden angestellt über die gesell- eng miteinander korrespondierend, geben die- schaftlichen Bedingungen, welche das Schaffen se sowohl umfassend als auch detailliert Aus- von Kunst sowie deren öffentliche Wahrneh- kunft darüber, wie und von wem im Stralsund mung und Beurteilung bestimmten. Dabei liegt des 19. Jahrhunderts Kunst produziert, vermit- der Fokus auf dem »Bild«, d. h. auf der Male- telt und rezipiert wurde. Ein Hauptaugenmerk rei und Grafik, zumal es sich, wie prägnant dar- liegt natürlich auf die Kunstschaffenden, Bild- gestellt, um jene Gattungen handelte, die bei werke und -sujets, denen in diesem Zusammen- Kennern, Sammlern und dem breiten Publi- hang besondere Relevanz zukommt. Eine ande- kum besonderen Zuspruch fanden. Dies wird re Schwerpunktsetzung besteht darin, dass sich mit markanten Beispielen von Bildwerken be- die Beiträge nicht auf das gesamte Säkulum be- legt, an denen zugleich Stilmerkmale des Klas- ziehen, sondern im Wesentlichen auf den Zeit- sizismus, der Romantik, des Biedermeier und raum von Beginn bis etwa Mitte des 19. Jahr- frühen Realismus erläutert werden. Hinzu tre- hunderts. Dabei wird die zentrale Thematik in ten literarische Zitate namhafter Zeitgenossen, einem weit gefassten Kontext behandelt und welche ein Licht auf die Relationen zwischen erörtert, so dass die lokalen Kunst-Verhältnisse Bildkunst, Kunstästhetik und Dichtung werfen. am Strelasund als Bestandteil eines facettenrei- Deutlich wird, dass es die Landschaftsmalerei chen geistig-kulturellen Milieus kenntlich wer- und die Genremalerei gewesen sind, die mit ih- den mit ihren vielfältigen Verbindungen zu an- rem mannigfaltigen Spektrum an diversen Su- deren Bereichen, etwa denen der zeitgenössi- jets und stark aufgefächerten Themenbereichen schen Literatur und Tagespublizistik sowie des in der Beliebtheitsskala am höchsten rangier- Theater- und Musiklebens. Jedoch beschränken ten, obwohl die Historienmalerei laut dem da- sich die Ausführungen keineswegs auf dieses maligen akademischen Kanon an erster Stelle bürgerliche Kulturmilieu innerhalb der dama- stand und offiziell das größte Prestige genoss. ligen Festungsstadt im seit 1815 dem Königreich Das spiegelt sich auch im Œuvre jener Künstler Preußen inkorporierten »Neuvorpommern«. wider, die mit Stralsund verbunden waren und Vielmehr heben sie ebenso evident hervor, wie von denen das dortige Museum etliche Arbei- wichtig und prägend die Einflüsse und Anre- ten besitzt. Dazumal genoss die Malerei durch- gungen waren, welche von »außen« auf kunst- aus Popularität. Dies kam auch daher, weil den affine Bürger und gebildete Kreise der Stralsun- Menschen des 19. Jahrhunderts pauschal atte- der Einwohnerschaft einwirkten und sich diese stiert werden kann, sie seien mehrheitlich »gera­ zu Eigen machten. Dafür sorgten beispielsweise dezu bildersüchtig« gewesen, so A. Rapp (S. 6). mit der Stadt verbundene Künstler, die an den Die auf Expositionen präsentierte Malerei war Akademien in Berlin, Dresden und Kopenha- mithin ein wichtiges, die Massen anziehendes gen studiert hatten. Eine ebenso wichtige Rolle Medium der Unterhaltung, das mit höheren spielten dabei die Kooperationen unter Kunst- Ansprüchen der Geistes- und Geschmacksbil- vereinen verschiedener Städte und Regionen. dung durchaus kompatibel sein konnte. Dank derer konnte zeitweilig auch in Stral- Autor des zweiten Beitrags ist Andreas Neumer- sund ein publikumswirksamer Ausstellungsbe- kel, welcher die Leser in das Stralsund der »Bie- trieb organisiert und am Laufen gehalten wer- dermeierzeit« führt und von diesem ein an Nu- den, eben durch die Beteiligung am Transfer ei- ancen reiches Panorama entwirft – speziell mit ner Vielzahl an Bildwerken von Ort zu Ort und Blick auf die Kultur- und Kunstverhältnisse in Ausstellung zu Ausstellung. der »kleinen Provinzstadt« (S. 25) zwischen etwa Mit dem ersten Beitrag, verfasst von Angela 1815 und 1848. Im Verhältnis zur Bevölkerungs- Rapp, wird ein weiter Bogen gespannt, der zum zahl (1816: 12.500 EW, 1849: 17.600 EW) sowie

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dem damals in Stralsund vorhandenen recht weise Johann Wilhelm Brücke (1800–1874), bescheidenen Wirtschafts- und Finanzpotenti- weshalb der Autor den Werdegang dieses Land- al gab es dort zu dieser Zeit ein überaus reges schaftsmalers hierfür beispielgebend vorstellt, Kulturleben, das die Beschäftigung mit der bil- der dann weit über seine Heimatregion hinaus denden Kunst und deren Förderung einschloss. Bekanntheit erlangte. Hier zeigten Stralsunds Bürger ein geradezu er- Der dritte Beitrag stammt aus der Feder von staunliches Engagement. Von seinen Resulta- Dorina Kasten. Sie bringt die Kunst im 19. Jahr- ten und Hauptprotagonisten sowie darüber, hundert direkt mit der Sammlung des Stralsun- welche institutionellen und geregelten Formen der Museums in Verbindung und nimmt spe- es annahm, berichtet Neumerkel. Schillernde ziell Bezug auf die dortigen Bestände an Arbei- Schlüsselfigur und eine der führenden intellek- ten der sechs Künstler und einen Künstlerin, tuellen Köpfe dieser bemerkenswerten kultur- die 2018 im Mittelpunkt der Sonderausstellung geschichtlichen Periode am Strelasund ist Fried- standen. Eingangs ihres Textes erinnert die Au- rich v. Suckow (1789–1854). Als schreibfreudi- torin auch daran, dass das Museum bereits seit ger Literat sowie stets gut informierter Kritiker 1859 besteht und damit es Stralsunds Bürger- und Kolumnist wurde er zugleich zum Chroni- schaft war, die in Pommern zuerst solch eine öf- sten dieser Zeit. Von 1827 bis 1844 war F. v. Suc- fentliche Institution ins Leben rief. Danach be- kow Chefredakteur und Hauptautor der Wo- schreibt D. Kasten kurz den Entwicklungsgang chenjournals »Sundine«, einer »Zeitschrift für und die Schwerpunkte der Sammlungstätigkeit Unterhaltung und Geistesverkehr«, wie deren am Museum, zu dessen Fundus an Kunstwer- Untertitel lautet. Dieses Periodikum besaß ein ken heute etwa 1000 Gemälde und 10000 Gra- hohes journalistisches Niveau, beförderte den fiken gehören. Der Hauptteil des Beitrages trägt soziokulturellen Diskurs und fungierte als Ide- katalogartigen Charakter und enthält kurze engeber und -verbreiter. Mit der »Sundine« als monographische Skizzen zu den sieben Künst- Sprachrohr wurde F. v. Suckow »zum Kultur- lerpersönlichkeiten, deren Werke 2018 ausge- strategen der Hansestadt« (Neumerkel, S. 20). stellt waren. Diese sind Simon Wagner (1799– In dieser Rolle begleitete er auch eines der am- 1829), Johann Wilhelm Brüggemann (1786– bitioniertesten Projekte der Bürgerschaft, mit 1866), Hermann Brüggemann (1822–1894), der dem die Stadt 1833–1834 ein modernes Theater- bereits erwähnte Johann Wilhelm Brücke, Al- gebäude erhielt und für sie eine neue Ära der bert Grell (1814–1891), Karl Herrmann Fröhlich Bühnenkunst begann. Ebenso wurde Stralsund (1821–1898) und Antonie Biel (1830–1880). Un- zum Zentrum des 1841 gegründeten »Kunst- ter ihnen ist J. W. Brüggemann der einzige, wel- Ver­eins für Neuvorpommern und Rügen«, der cher, obwohl dort nicht geboren, in Stralsund viele Angehörige des hiesigen Besitz- und Bil- auf Dauer ansässig und tätig war. Die anderen dungsbürgertums in seinen Reihen vereinte, die erblickten zwar in der Hansestadt das Licht der sich um eine gezielte Kunstförderung bemüh- Welt und einige von ihnen kamen dort schon ten. Dieser Verein verlieh dem bereits in den frühzeitig mit der Kunst in Berührung; jedoch 1830er Jahren einsetzenden Ausstellungswesen führte sie die Entscheidung, eine künstlerische eine feste institutionelle Basis und gewisse Ste- Laufbahn einzuschlagen, alsbald aus Vorpom- tigkeit. Sein Wirken sorgte u. a. dafür, dass die mern fort. Und nicht alle von ihnen widme- Stralsunder zeitgenössische Werke zu sehen be- ten sich dann hauptsächlich der Malerei. K. H. kamen, welche die gesamte Bandbreite der Ma- Fröhlich etwa wurde ein Meister des artifiziel- lerei und Grafik repräsentierten. Auf der ersten len Scherenschnitts, dessen papierne Miniatu- »Wanderausstellung«, die der Kunstverein noch ren viel Anklang fanden. Das Stralsunder Mu- in seinem Gründungsjahr nach Stralsund holte, seum besitzt ein Konvolut von 65 filigranen wurden 356 Bildwerke von 227 Künstlern ge- Werken Fröhlichs. zeigt. Neumerkel schildert auch, dass die Kom- Den vierten Beitrag zur Publikation steuerte mune in Stralsund geborene »Landsleute«, die Norbert Gschweng bei, der uns die Malerin An­ einem Kunststudium nachgingen, mit der Ver- tonie Biel im Rahmen einer akribischen sozial- gabe von jährlichen Stipendien unterstützte. und familiengeschichtliche Studie näher bringt. Eine solche finanzielle Beihilfe erhielt beispiels- A. Biel ist schon deshalb eine Ausnahmeerschei-

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nung, da es ihr gelang, entgegen den gesell- ziner. Bei 62 von ihnen werden auf gestochen schaftlichen Konventionen ihrer Zeit als Frau schar­fen Bildern auch die Grabanlagen darge- ein gründliches Kunststudium zu absolvieren stellt. Kurzbiographische Erläuterungen be­ und danach mit Erfolg freischaffend beruflich schrän­ken sich auf einige Professoren der medi- tätig zu sein. Mit ihren Bildschöpfungen zählt zinischen Fakultät. In diesem Zusammenhang sie zur zweiten Generation künstlerischer Ent- erscheint es bemerkenswert, dass der berühmte decker und Interpreten der Insel-Landschaften Bakteriologe und Virologe Prof. Dr. Friedrich Rügens und Hiddensees. Die subtilen Kompo­ Löffler (1852–19159) in Greifswald beigesetzt sitionen Biels, mit denen sie regelmäßig auf wurde, obwohl er die letzten beiden Lebens- den Berliner Akademie-Ausstellungen vertre- jahre als Direktor des renommierten Robert- ten war, erfreuten sich bei Zeitgenossen großen Koch-Instituts in Berlin tätig gewesen war. Sei- Zu­spruchs. Gschwengs Text bietet aufschluss­ ne wissenschaftlichen Meriten (u. a. Entdec- reiche Einblicke in das Milieu und die Privat- kung der bakteriellen Erreger der Diphtherie heit des gehobenen Stralsunder Bürgertums, je- und des Erysipels beim Menschen, der virologi- ner Sphäre, der A. Biel entstammte und mit der schen Verursacher des Rotz bei Huftieren und sich die emanzipierte Frau und arrivierte Ma- der Maul- und Klauenseuche bei Rindern) so- lerin trotz nicht zu vermeidender zeitweiliger wie die Gründung der weltweit ersten isolierten Entfremdung doch stets eng verbunden fühlte. Forschungsanstalt zur Bekämpfung von Virus­ Sie, ihre Stralsunder Familie und nächste ver- krankheiten auf der Insel Riems sind rühmlich wandtschaftliche Umgebung künden vom ho- bekannt und bedürfen hier keiner Sonder­er­ hen Stellenwert, den in bürgerlichen Kreisen wäh­nung. eine Bildung haben konnte, bei der auch schön- Weniger bedeutsam, aber auf lokaler Ebene geistige und künstlerische Interessen im Vorder- gleich interessant erscheint in dem Heft die grund standen. Nennung­ vieler praktischer Ärzte, Zahnärzte Diese Veröffentlichung mit ihren vier Beiträgen und Tierärzte, die für die Grundversorgung der und vielen Abbildungen informiert auf gehalt­ Greifswalder Bevölkerung in den letzten 200 volle und anschauliche Weise über Kapitel in Jahren tätig gewesen waren. Einige von ihnen der neuzeitlichen Geschichte Stralsunds, die trugen noch die Bezeichnung Barbier, Bader vom bemerkenswerten Einsatz seiner Bewohner oder Wundarzt (Chirurgus). Die von der Stadt für die Belange der Kultur und Kunst zeugen, oder vom Landesherren besoldeten Ärzte wur- eines Engagements, das auch Ausdruck kom­ den auch als Stadt-, Kreis-, Amts- oder Land­- munalen­ Gemeinsinns war. Zugleich wird hier physikus bezeichnet. In Preußen wurde im Sep- auf Künstler (wieder) aufmerksam gemacht, de- tember 1899 das Kreisarztgesetz erlassen, das ren Namen heute nur noch wenigen etwas zu den Kreisphysikus durch den Kreisarzt als neu­ sagen vermag. zeitlichen Gesundheitsbeamten ersetzte. Beim Durchblättern des Heftes erfährt somit der Le- Michael Lissok, Greifswald ser die Eigenart der berufsmäßigen Ent­wick­ lung der beamteten Mediziner in den letzten 200 Jahren. Geschichtlich ist weiterhin der Zu­ strom vertriebener Ärzte aus den Ostgebieten, Hans Reddemann, 200 Jahre Alter Friedhof insbesondere aus der Stadt Stettin, hervor­zu­ der Universitäts- und Hansestadt Greifswald, heben.­ Sie trugen ab den Katastrophenjahren 1818–2018 mit über 150 auch bedeutenden 1945/46 wesentlich zur medizinischen Versor­ Medizinern. Greifswald – Druckhaus Panzig gung der fast um die doppelte Zahl der Ein­ 2018. 30 S., zahlr. Abb. Zu beziehen nur vom wohner­ gewachsenen Stadt Greifswald und ih- Verfasser selbst: Prof. Dr. med. H. Redde- rer Umgebung bei. mann, Am St. Georgsfeld 18, 17489 Greifswald Zusammenfassend erweist sich das Heft als eine wertvolle Ergänzung zu dem wenige Jahre vor- Die nur 30 Seiten umfassende Broschüre prä- her publizierten dreibändigen Werk desselben sentiert katalogmäßig in alphabetischer Reihen­ Autors: »Der denkmalgeschützte Alte Fried- folge die Namen der hier beigesetzten Medi­ hof in der Universitäts- und Hansestadt Greifs-

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wald« – Druckhaus Panzig, erschienen in den derzeitigen polnischen Wojewodschaftsgliede- Jah­ren 2009–2012, ISBN 978-3-00-027660-6, rung, nach der das westliche und mittlere Hin- und zusammenfassend rezensiert von Haik terpommern mit der nördlichen Neumark als ThomasPorada , Leipzig, im Band 101 (2015) der »Westpommern« bezeichnet wird, während Baltische Studien, S. 231–233. Dessen positive das östliche Hinterpommern mit großen Tei- Beurteilung lässt sich auch pars pro toto auf das len Westpreußens, also Pommerellen, die Wo- vorliegende Heft übertragen, da es nicht nur für jewodschaft »Pommern« bildet. Die Hefte sind den Mediziner, sondern auch für jeden lokal- grundsätzlich zweisprachig angelegt, d. h. zuerst geschichtlich interessierten Greifswalder Bür- werden die Informationen zur Besitz-, Archi- ger detaillierte familiäre Hinweise ermöglicht. tektur- und Gartengeschichte auf Polnisch und anschließend auf Deutsch geboten. Die Illustra- Hermann Manzke, Heikendorf tion erfolgt jeweils durchgehend für das gesam- te Heft mit zweisprachigen Bildlegenden. Da- bei werden sowohl historische Fotografien aus der Vorkriegszeit als auch aktuelle Aufnahmen Hannelore Schardin-Liedtke, Damnica/ mit Außenansichten und Innenaufnahmen ge- Hebron­damnitz (Zamki i ogrody w woje- boten. Besonders wertvoll sind die Reproduk- wódstwie pomorskim/Schlösser und Gärten tionen von Bauzeichnungen, Parkplänen und in der Wojewodschaft Pommern 2). – Altkarten, mit deren Hilfe die Siedlungsent- Szczecin Fundacja »Akademia Europejska wicklung dieser klassischen Gutsdörfer veran- Kulice-Külz« 2019. 64 S. mit zahlr. Abb. schaulicht werden kann. Die in großen Tei- ISBN 978-83-946698-1-2 len Ostmitteleuropas von Gutsanlagen gepräg- te Kulturlandschaft wird dank dieser Initiative Ausgehend von einer Idee des Freundeskreises der Stiftung Europäische Akademie Külz-Ku- Schlösser und Gärten der Mark Brandenburg lice, die leider seit einigen Jahren nicht mehr e. V. erscheinen seit 1991 für das Land Bran­ an ihrem Gründungsort im alten Kreis Naugard denburg­ und seit 2006 für die Neumark an­ fortgeführt werden darf, auch für Hinterpom- schau­lich gestaltete Monographien über aus- mern in ihrem hohen denkmalpflegerischen gewählte Objekte in einem handlichen For- Wert herausgearbeitet. Mit der amtlichen pol- mat, die ein breites Echo für diese Gruppe von nischen Denkmalpflege wird bei diesem Projekt Bau- und Gartendenkmalen in der Öffentlich- kooperiert, wovon nicht zuletzt die gemeinsa- keit gefunden haben. Nachdem im Jahr 2013 in men Vorworte in den Heften künden. der Reihe »Schlösser und Gärten in der Woje­ Das zweite Heft für die östliche Schriftenreihe wodschaft Westpommern« bereits die Herren- ist wiederum einem Ort im alten Kreis Stolp häuser in Külz (Heft 1), Stargardt (Heft 2), gewidmet. Hannelore Schardin-Liedtke, den Ribbe­kardt (Heft 3), Pansin (Heft 4), Prillwitz Lesern der Zeitschrift POMMERN seit vielen (Heft 5) und Matzdorf (Heft 6) sowie im Jahr Jahren als Expertin für diesen Raum vertraut, 2015 als Heft 7 Speck vorgestellt worden wa- hat mit Hebrondamnitz eine Gutsanlage mit ren, eröffnete die Stiftung Europäische Akade- zugehörigem Park und Kapelle vorgestellt, zu mie Külz-Kulice 2016 eine weitere Reihe unter der sie eine enge familiäre Bindung hat. Die At- dem Titel »Schlösser und Gärten in der Woje- tributierung des Ortsnamens Damnitz mit dem wodschaft Pommern«. Das erste Heft war dem Zusatz »Hebron« erinnert an die aus Schott- 2009 in Flammen aufgegangenen Herrenhaus land stammende Adelsfamilie von Hepburn, in (Deutsch) Karstnitz bei Stolp gewidmet. Die die in der hinterpommerschen Geschichte im Wissenschaftliche Redaktion lag bei allen bishe- 17. Jahrhundert ihre Spuren hinterließ. Nach rigen Heften bei Sibylle Badstübner-Gröger, die mehreren Besitzerwechseln gehörte das mit Herausgeberschaft bei Lisaweta von Zitze­witz. 1.271 ha (einschließlich eines großen Waldbe- Alle bisher erschienenen Hefte der genann­ sitzes von 744 ha, Stand 1906) recht weitläufi- ten beiden Reihen thematisieren Herrenhäuser ge Gut seit 1892 der aus Ostpreußen stammen- und die sie umgebenden Parkanlagen in Hin­ den, wohlhabenden Familie Gamp, deren po- terpommern.­ Die Regionalisierung folgt der litisch und ökonomisch ambitioniertes Ober-

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haupt, Carl, nach seinem Herkunftsort unter Hartmut Bettin und Kathrin Pscheidl, dem Namen »von Gamp-Massaunen« 1907 in Medizin in Greifswald. Rundgänge durch die den preußischen Freiherrenstand erhoben wor- Geschichte. Berlin – Logos Verlag GmbH den war. Dank der Tatsache, dass auch in die- 2017. 123 S. ISBN 978-3-8325-978-8325-4175-0 sem Fall die Bauzeichnungen der Architekten Gustav Knoblauch und Friedrich Hollin für Das handliche, 10,5 × 19 cm messende Büch- den im Auftrag des Vorbesitzers, Richard von lein mit 2 Stadtplänen eignet sich gut für einen Blanckensee, 1870/71 errichteten Neubau im Rundgang durch die Altstadt und um den neu- Architekturmuseum der Technischen Univer- en Campus im Bereich der Ferdinand-Sauer­ sität (TU) Berlin erhalten geblieben sind, lässt bruch-Straße. Dem Hauptteil voran gehen auf sich die Entwicklung des Herrenhauses, die bis den Seiten 7 bis 35 kurz gefasste, speziell die zum Kriegsausbruch immer wieder von Erwei- Entwicklung der Medizin in Greifswald dar- terungen und Umbauten gekennzeichnet war, stellende Kapitel. Von besonderem Interesse er- detailliert nachvollziehen. Dabei dürfte die bis scheint in dieser Hinsicht die Schilderung der heute immer wieder vorgenommene Anpassung politischen Einflüsse auf die Universität in der des Palmensaals, eines Raumes mit Kuppel, für NS-Zeit, Nachkriegs- und DDR-Zeit, nach der eine beständig wachsende chinesische Hanfpal- politischen Wende und heute. Besonders im me, die das Ehepaar Gamp in den 1890er Jah- letzten Jahrzehnt hat sich das Klinikum im Be- ren aus dem Heiligen Land mitgebracht hatte, reich des neu entstandenen Campus um den für die Baugeschichte eines pommerschen Her- Berthold-Beitz-Platz grundlegend verändert. renhauses wohl einzigartig sein. Der auch heu- Als Maximalversorgerin Vorpommerns verfügt te noch relativ gute Erhaltungszustand des Her- die Universitätsmedizin über ca. 900 Betten renhauses ist dem Umstand zu verdanken, dass und 39 Plätze in drei Tageskliniken. An den 21 das Gebäude seit 1955 kontinuierlich als »staat- Fachkliniken wurden im Jahr 2015 über 178 000 liche Erziehungsanstalt für geistig zurückgeblie- Patientinnen und Patienten versorgt. 2016 wur- bene Kinder« genutzt und deshalb mit erhebli- den 1378 Studierende der Humanmedizin und chem Mitteleinsatz instandgehalten wird. Die 527 Studierende der Zahnmedizin immatriku- zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtete neo- liert. Als Wissenschaftsstandort hat sich Greifs- gotische Kapelle erinnert in ihrer Formenspra- wald der bevölkerungsbezogenen Community che an erhalten gebliebene Beispiele mittelal- Medicine und der Approach to Individualized terlicher gotischer Kapellen in Pommern. Die Medicine angeschlosen. Im SHIP (Study of Lage des Gutes an der Bahnstrecke von Stet- Health in Pomerania) werden Klinisch-Epide­ tin nach Danzig, deren Streckenabschnitt zwi- mio­logische Forschungen betrieben. Die neuen schen Stolp und Zoppot 1870 eröffnet worden Begriffe werden im Text näher erläutert. war, ermöglichte es der meist in Berlin leben- Bei den Rundgängen durch die Stadt werden den Familie Gamp, ihr hinterpommersches Gut den Nummern auf den beiden Stadtplänen fol- schnell zu erreichen und auch die Verbindun- gend 39 Kliniken und medizinische Einrich- gen zur ostpreußischen Heimat unkompliziert tungen einzeln beschrieben. Auf ihre zumeist aufrecht zu erhalten. Insgesamt verdeutlicht ruhmreiche Geschichte wird stolz verwiesen. diese Publikation wieder einmal die engen Be- Na­men hervorragender Mediziner wie die der ziehungen zwischen den östlichen preußischen beiden Bakteriologen und Virologen Friedrich Provinzen und der Reichshauptstadt, die bis Loeffler und Paul Uhlenhut, der Chirurgen 1945 wirkmächtig waren. Es bleibt zu hoffen, Theodor Billroth, Carl Ludwig Schleich und dass Hebrondamnitz das Schicksal des faszinie- Ferdinand Sauerbruch (auch, wenn alle drei nur renden Wasserschlosses von Deutsch Karstnitz kurzfristig in Greifswald tätig waren), des Phy- erspart bleibt, das vor zehn Jahren das Opfer ei- siologen Leonard Landois, der Physiologischen ner Brandstiftung wurde. Chemiker Felix Hoppe-Seyler und desen Enkel Felix Adolf Hoppe-Seyler, des Pathologen Paul Haik Thomas Porada, Leipzig Grawitz, des späteren Nobelpreisträgers Ger- hard Domagk und den beiden auf dem Gebiet

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der Diabetologie bekannt gewordenen Inter- tiners Oscar Achenbach in Barth – ein wört- nisten Oskar Minkowski und Gerhard Katsch liches Sinnbild der Malerei, das das gesamte sind über die Grenzen Deutschlands hinaus be- Schaffen des Künstlers durchdringt, indem es kannt und markieren wichtige Abschnitte in gleichermaßen sowohl auf den Anspruch als der Geschichte der Medizin. auch auf die Grenzen dieses Malers am Beginn In einem Extrakapitel werden die Forschungs- der Moderne verweist. anstalten der Insel Riems: Friedrich Loeffler- Die Schenkung eines Teils des künstlerischen Institut (heute Museum) und die Bundesfor- Nachlasses an das Vineta-Museum in Barth 2018 schungsanstalt für Tiergesundheit (FLI) mit hat ermöglicht, das Oeuvre Oscar Achenbachs einem der weltwelt modernsten Forschungs- endlich einer breiteren Öffentlichkeit bekannt komplexe sowie die Diabetikerzentren Garz zu machen und wissenschaftlich zu untersu- auf Rügen (bis 1946) und Karlsburg bei Greifs- chen, letzteres auch im Vergleich, etwa mit dem wald (ab 1947) dargestellt. Um das Karlsbur- Werk von Louis Douzette. ger Schloss siedelten sich nach 1991 das priva­ Mit der Ausstellung vom 23. August 2018 bis te »Institut für Diabetes Gerhard Katsch e. V.« zum 17. Juni 2019 aus Anlass des 150. Geburts- und das ebenfalls privat betriebene »Klinikum tages des Malers fanden die Bestrebungen des Karlsburg Herz- und Diabeteszentrum Meck- Künstler-Enkels Johannes Achenbach, der sich lenburg-Vorpommern« an. 2010 konnten die intensiv mit dessen Lebensgeschichte beschäf- Kardiochirurgen dort den modernsten OP-Saal tigt, das Werk zusammengeführt und geord- Norddeutschlands in Betrieb nehmen. Ein 2016 net hat, einen ersten würdevollen Höhepunkt. eröffneter Multifunktionsbau vereinigt klinische Dem Engagement Johannes Achenbachs und Behandlung und anwendungsnahe Forschung seiner Familie, des Museumsdirektors Gerd Al- unter einem Dach. Die Beschreibung der Auf- brecht und des Kunsthistorikers Gerd-Helge gaben ist nur knapp gehalten und bedarf präzi- Vogel ist das Zustandekommen der Ausstellung serer Angaben. und des begleitenden Katalogbandes, die bei- Zusammengefasst liegt der Schwerpunkt des de inhaltlich und ästhetisch qualitätvoll gestal- Taschenbuches auf der Darstellung der Greifs- tet sind, zu verdanken. walder Medizingeschichte. Dieses Vorhaben ist In den Katalogband führt ein Grußwort des dem Autor und der Autorin wohl gelungen. Bei Enkels Johannes Achenbachs ein, in dem der einer wünschenswerten Drittauflage empfiehlt Autor Erinnerungen an seinen Großvater sowie sich eine zusätzliche Lageskizze des neuen Kli- seine Bemühungen, dessen künstlerisches Erbe nikums um den Berthold-Beitz-Platz mit Num- zusammenzutragen, schildert. Im anschließen- merierung und Kennzeichnung der verschiede- den Vorwort, das mit dem Ausstellungstitel: nen Kliniken und Institute am Randstreifen »Zwischen Ostsee und Capri. Oscar Achen- oder auf einem Beiblatt. bach (1868–1935), ein Maler des deutschen Im- pressionismus« und der Frage »Wie kommt ein Hermann Manzke, Heikendorf Achenbach nach Barth?« überschrieben ist, in- formiert Museumsleiter Gerd Albrecht über die Ausstellungsinhalte. Der Autor unterzieht Os- car Achenbachs künstlerisches Schaffen einer Gerd-Helge Vogel, Der Landschaftsmaler und prägnanten Charakterisierung und verortet die- Porträtist OSCAR ACHENBACH 1868–1935, ses im Kontext der Landschaftsmalerei des 19. hrsg. von Gerd Albrecht im Auftrag des und frühen 20. Jahrhunderts. Der Einstieg gibt Vineta-Museums der Stadt Barth, Berlin – außerdem den wichtigen Hinweis darauf, dass Lukas Verlag 2018. 96 S., zahlr. Abb. »[e]ine nahe verwandtschaftliche Beziehung« ISBN 978-3-86732-321-5 zu den beiden Düsseldorfer Landschaftsma- lern Andreas und Oswald Achenbach »bisher »Suche nach Erhebung und Erbauung in der nicht nachgewiesen« ist (S. 4). Darüber hin- Kunst« überschreibt Gerd-Helge Vogel seinen aus benennt Gerd Albrecht die trotz der gra- Katalogtext zur Ausstellung des gebürtigen Stet­ vierenden Unterschiede bestehenden Gemein-

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samkeiten zwischen Oscar und Oswald Achen- ste Kapitel »›Welteroberung‹ mit Auge, Hand, bach, die unter anderem in der »Leidenschaft Pinsel, Feder, Farbe, Stift, Leinwand und Pa- zur Malerei« (S. 4) und der Aneignung eines pier« (S. 13–83) ist dann entsprechend der Le- soliden technischen Fundaments, das eine um- benschronologie in einzelne Abschnitte geglie- fangreiche Schulung zeichnerischer Fähigkeiten dert: »Norwegen« (S. 15–19), »Berlin und sein voraussetzt, zu sehen sind. Dass Oswald Achen- Umland« (S. 20–33), »Italien« (S. 34–51), »Ti- bachs hervorragende Lehrtätigkeit an der zu rol« (S. 52–57), »Ostsee (Pommern und Meck­ dieser Zeit noch als Vorreiterin der deutschen len­burg)« (S. 58–63), »Runkel: Ausflüge von Landschaftsmalerei geltenden Düsseldorfer der Lahn nach Rheinhessen, in die Rheinpfalz Akademie »[h]eute kaum noch bekannt« sei (S. und nach Köln« (S. 64–76), »Weitere Streifzüge 4), wird hier allerdings nicht geteilt. In den letz- durchs Land: Hamburg, Rothenburg o. d. Tau- ten Jahrzehnten ist die Aufarbeitung der Düs- ber und andere Destinationen« (S. 77–83). Im seldorfer Malerschule und der Brüder Achen- vierten Kapitel widmet sich Gerd-Helge Vogel bach entschieden vorangetrieben worden, etwa einem weiteren Genre in Achenbachs Schaffen: durch die Arbeiten von Rolf Andrée, Heinrich den »Porträts« (S. 84–91). Appel, Bettina Baumgärtel, Irene Haberland, Diesen Texten schließen sich eine Übersicht Ekkehard Mai, Irene Markowitz, Birgit Pon- »Os­­car Achenbach – ein Künstlerleben in Da- ten, Mechthild Potthoff, Martina Sitt und Ru- ten« (S. 92–95) und die Anmerkungen (S. 96) dolf Theilmann. Auch war Eugen Bracht an der an. Wenngleich der Band zweifelsfrei sehr über- Durchsetzung des Impressionismus in Deutsch- sichtlich gestaltet ist, indem auch die Abbildun- land nicht so vordergründig beteiligt, wie dar- gen der Kunstwerke in die Textteile, bzw. weite- gestellt (S. 4). re immer direkt daran anschließend, eingebun- Die Texte des Katalogbandes hat der Berliner den sind, wäre ein Verweis auf den Inhalt bzw. Kunsthistoriker Gerd-Helge Vogel verfasst, der die Struktur des Bandes im Vorfeld wünschens- das Museum in Barth in den letzten Jahren wert gewesen. Um diese separierte inhaltliche schon mehrfach durch kuratorische Begleitung Struktur des Bandes aufzugreifen und dennoch von Ausstellungen und Bereitstellung von fach­ die Bezüge zwischen Leben und Werk bei der wissenschaftlichen Beiträgen für Ausstellungs­ Betrachtung der Katalogtexte vor Augen zu ha- kataloge unterstützt hat (Johann Gustav Gru­ ben, wird hier ein kurzer biografischer Exkurs ne­wald, Uhde/Douzette, Friedrich August Stü- (vgl. dazu S. 92–95) vorangestellt. ler, Spalding/Lavater/Füßli/Heß, Ferdinand Oscar Achenbach wurde am 31.12.1868 in Stettin Jühlke).­ Da das Schaffen Oscar Achenbachs in geboren. Nach Besuch des Marienstifts-Gym­-- der kunsthistorischen­ Forschung bislang weit- nasiums und der Barnim-Realschule in Stettin gehend ein Desiderat darstellte, konnte sich hat er sich 1884 bis 1887 in einer lithografischen Gerd-Helge Vogel nur auf wenige Vorarbeiten Werkstatt zum Grafiker ausbilden lassen. Nach stützen, von denen der Aufsatz Melanie Ehlers’ Wanderjahren, die Achenbach ab 1889 unter in POMMERN. Zeitschrift für Kultur und Ge- anderem nach Leipzig, Innsbruck, Genf, Zü- schichte 2009 als die ergiebigste Quelle hervor- rich, Bergamo, St. Gallen und Hannover führ- zuheben ist. ten, arbeitete er 1893 bis 1895 in Stettin in einer Die Struktur der Katalogtexte ist chronolo- lithografischen Anstalt in leitender Position. gisch angelegt, indem sie den Stationen des Le- Zwischen 1895 und 1917 lebte er in Berlin, wo bens folgt, die mit den motivischen Phasen des er sich als selbständiger Maler und Zeichner künstlerischen Schaffens von Oscar Achenbach niedergelassen und Mal- und Zeichenkurse am zusammenfallen. Diese Gliederung trägt auch Kunstgewerbemuseum sowie der Kunstakade- der Tatsache Rechnung, dass Achenbach vor al- mie besucht hat. Von Berlin aus unternahm lem als Landschaftsmaler in Erscheinung getre- Achenbach Studienreisen in die nähere Umge- ten ist. Zunächst führen jedoch zwei Kapitel, bung der Stadt, nach Norwegen (1899), Italien »Impressionismus« (S. 9–10) und »Achenbachs und Südtirol (1907/08), später wiederholt nach spezifischer (Spät-)Impressionismus« (S. 11–13), Südtirol (1911–1914) sowie an die Ostsee (1916). in die kunsthistorischen Problematiken der Von 1917 bis kurz vor seinem Tod 1935 lebte der Aus­stellung ein. Das dritte und umfangreich- Künstler in Runkel an der Lahn. Ziele seiner

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Studienfahrten in dieser Zeit waren unter ande- log auf die zuweilen bestehende Detailfreude rem erneut Südtirol (1921), Rothenburg ob der Achen­bachs verwiesen. Tauber (1921), Hamburg und Helgoland (1923), Das Kapitel »›Welteroberung‹ mit Auge, Hand, Paris (1931) und Oberitalien (1934). Pinsel, Feder, Farbe, Stift, Leinwand und Pa- In den beiden einführenden Kapiteln »Impres­ pier« leitet Gerd-Helge Vogel mit einer Darstel- sio­nismus« und »Achenbachs spezifischer (Spät-) lung über Eugen Bracht, der als Professor für Impressionismus« legt Gerd-Helge Vogel den Landschaftsmalerei an der Akademie in Ber- Grund­stein für das Verständnis der Kunst des lin Mentor Achenbachs wurde, ein. Die Begeg- Stettiners, die, wenn auch eigenständig ausge­ nung mit Bracht fiel in die Jahre des Durch- formt, bis zuletzt wesentliche Züge französi- bruchs des Impressionismus in Berlin, den der scher impressionistischer Auffassung adaptiert. gebürtige Stettiner offen aufnahm. Auch ver- Die französischen Impressionisten hatten die dankte Achenbach Eugen Bracht den Einstieg Notwendigkeit eines dem Bild zugrundelie- in die Ölmalerei. genden Gedankens (»›Gedankenmalerei‹«, S. 9) Auf der Reise nach Norwegen 1899 begann Os- und die konventionelle Hell-Dunkel-Modu- car Achenbach dann endgültig, künstlerisch lierung als tradierte Normen der Malerei abge- produktiv zu arbeiten. Besonders die Aquarell- lehnt. Sie strebten eine »bewusste Ausschnitt- malerei gestattete ihm eine zügige Aufnahme haftigkeit in der Wiedergabe der Wirklichkeit«, der gesehenen spektakulären Motive en plein die Darstellung eines momentanen Naturein- air. Die in Norwegen entstandenen Ar­bei­ten drucks, an. Formal zeigen sich diese Prinzipi- sind von hoher künstlerischer Qualität. Sie spie- en in wie zufällig gewählt wirkenden Bildaus­ geln den jeweils besonderen Charakter­ der dar- schnit­ten, einer rascheren, skizzenhaften Pin- gestellten Landschaftsformation, den Achen­- selführung und der Aufgabe zentralperspek­ bach als Eindrucksmalerei der jeweils vor­herr­ tivischer Prinzipien zugunsten einer stärkeren schenden Stimmung herausgearbeitet hat. Die Flächig­ keit.­ Die neuartige Bedeutung von Licht »lebendige Farbkraft« (S. 20) dieser frühen­ und Farbe, die sich als Gestaltungsaufgaben­ aus Schaffensphase erreichte der Künstler später­ al- dem Prinzip der Naturtreue ergab, war mit ei- lerdings nicht mehr. ner starken Aufhellung der Palette verbun­ ­ In Berlin erteilte Oscar Achenbach von 1901 den (S. 9). Oscar Achenbach folgte den fran­ bis 1907 privaten Mal- und Zeichenunterricht. zö­sischen Impressionisten jedoch nicht in de- Oftmals gemeinsam mit seinen Schülern erkun- ren Freude »am Zufälligen« und an »atmosphä- dete er Berlin und das Umland. Die Skizzen rischen Sensation[en]« (S. 11). Der Heiterkeit, und Aquarelle dieser Zeit basieren »auf einer Farbintensität­ »und von der Kraft des Lichtes diffusen Lichtbehandlung aus verwaschenen leben­de[n] Malerei der Franzosen« steht bei Farbtönen« (S. 21) mit sachten Farbübergängen. ihm eine »mitunter spröde, manchmal fast me­ Diese recht »kontrastarme Ton-in-Ton-Malerei« lancho­­ lische­ Darstellungsweise« (S. 11) in oft (S. 21) steht möglicherweise mit dem gleichar- kraftloser Farbigkeit entgegen, die ihre Ursache tigen Phänomen in der europäischen Kunst um in der ihm von Helene Rutkowski vermittelten 1900 in Zusammenhang. In den Berliner Jah- »Kernkompetenz« des Zeichnens nach der Na- ren wurde für Achenbach das Skizzenbuch »der tur hat. ständige Begleiter« (S. 22). Mit Bleistift, Farb- Die Betonung des Autors, dass sich das »Schaf- stiften oder Wasserfarben hielt er darin auch fen grundsätzlich von den Gestaltungsprinzipi- das urbane Leben in der mondänen Stadt fest. en herleitet, wie sie der französische Impressio- Immer aber, so Gerd-Helge Vogel, fand eine nismus entwickelt hatte« (S. 11), scheint etwas »Rückkopplung zum unmittelbaren Erleben kurz gesehen, auch wenn auf die zwischen bei- der Natur« (S. 24) statt. Wenngleich Achenbach den bestehenden Differenzen verwiesen wird. vor allem in den Skizzenbüchern neue künst- Denn mit den deutschen Impressionisten teilte lerische Trends, zunächst des Jugendstils, spä- Achenbach ein oder gerade das wesentliche ter des Expressionismus adaptierte, verschloss Merkmal der Wahrung der gegenständlichen er sich den Gründungen der progressiven Se- Formen, mit der er stets dem Sujet gegenüber zessionen, dem Arbeiten in Künstlerkolonien verpflichtet blieb. So wird ja auch im Kata- wie auch künstlerischen Experimenten, denen

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sich viele Maler am Beginn der Moderne all- 1911 reiste Achenbach erstmals ausschließlich zu gern stellten. Auch vollzog Achenbach die nach Tirol, wohin er bis 1914 mehrfach wie- Anbahnung an andere Stile nur halbherzig, wie derkehrte, nicht zuletzt, weil er hier meist ei- der folgende Abschnitt »Italien« verdeutlicht: nen kleinen Malzirkel etablieren konnte. Neben So akzeptierte er etwa am Expressionismus die den Aquarellen und Arbeiten mit Graphit oder abstrahierende Methode und die Einschrän- Ölfarben in kleinen Formaten, die pittoresken­ kung der Farbpalette, um sich auf das Essenti- Motive der Burgen, Gasthäuser, Kirchen und elle der jeweiligen Landschaftsformation zu be- Dörfer sowie großartige Ausblicke in die Täler schränken, lehnte aber die für den Expressio- wie auch einige figürliche Darstellungen zeigen, nismus so typische »Übersteigerung der Farb- füllten hier wiederum Achenbachs Skizzenbü- kraft« ab (S. 37). Achenbach hielt daran fest, cher. Gerd-Helge Vogel verweist darauf, dass dass Kunst immer an Schönheit und Tradition diese Skizzenbücher aufgrund der handschrift- gebunden bleiben müsse und gab damit eine lichen Notizen des Künstlers immer auch Hin- poetische Verklärung der Wirklichkeit nie völ- weise auf seine Reisewege und -daten geben, lig auf. Seine Reiseziele wählte er entsprechend was sich wegen vielfach fehlender Datierun- dieser Grundsätze nach ästhetischen Gesichts- gen seiner Werke als hilfreiche Stütze in der Er- punkten aus: Sie mussten entweder einen ho- schließung des Œuvres erweist. hen Wert als Kulturlandschaft oder aber Un- Nur selten kehrte Achenbach, wie aus dem Ab- berührtheit der Natur bieten. Aus diesen An- schnitt »Ostsee (Pommern und Mecklenburg)« sprüchen erklärt sich auch das Reiseziel Itali- hervorgeht, in seine norddeutsche Heimat zu- ens mit seiner antiken Kunst und Kultur, der rück. Zeugnis davon legen Arbeiten aus Stet- Schönheit der als klassisch empfundenen Land- tin und von der Insel Rügen sowie aus dem be- schaft und der besonderen Wirkung des Son- nachbarten Mecklenburg – Rostock und Um- nenlichts. Achenbach hat dem Land – mit ei- gebung – ab, wo er sich 1916 länger aufhielt. ner weder früher noch später in seinem Schaf- Eine Graphitzeichnung der Küste auf Rügen fen so immens hohen Produktivität – vielfälti- scheint eine »Hommage« an den Romantiker ge Motive abgerungen, zumal ihm die gewollte Caspar David Friedrich zu sein (S. 59). Das Fixierung auf eine für ihn scheinbar sorgenfreie Motiv verarbeitete Achenbach später auch in Welt viele Möglichkeiten bot. Einschränkend der Aquarelltechnik und in Öl in stärker ab- verweist Gerd-Helge Vogel aber darauf, dass der strahierten Formen. Maler die Gefahr, zu sehr in Oberflächlichkeit In »Runkel: Ausflüge von der Lahn nach Rhein- und Trivialität abzurutschen, durchaus wahrge- hessen, in die Rheinpfalz und nach Köln« schil- nommen hat. Achenbach hat sich deshalb für dert Gerd-Helge Vogel, dass Achenbach durch eine Beschränkung der Farbpalette entschieden, den Einsatz im vaterländischen Hilfsdienst 1917 »die jedoch in sich durch zarteste Modellierun- nach Bonn und Limburg gelangte. Noch im gen neue Perspektiven auf weithin Bekann- selben Jahre ließ er sich in Runkel nieder, wo- tes eröffnet[e]« (S. 35) und mit wenigen Tönen hin er 1918 auch seinen ständigen Wohnsitz ver- das Wesen der Landschaftsformationen erfasste, legte. In dem malerischen Runkel stellte er be- was in stärker abstrahierenden Formen münde- sonders häufig die Burganlage in verschiedenen te. Derartige Mittel bewahrten Achenbach da- künstlerischen Techniken und Ausschnitten vor, der vielen Malern italienischer Landschaf- dar. Das Lahntal, Rheinhessen und die Rhein­ ten eignenden Darstellung von Farbsensationen pfalz boten ihm weitere malerische Motive, wo- unweigerlich zu folgen und in eine bedenkenlo- bei sich seine künstlerische Handschrift nicht se Darstellung von Erhabenheit und Idylle ab- weiterentwickelte. Sein Konservatismus lässt zugleiten. Aquarelle, Gouachen und Ölgemäl- sich besonders in Arbeiten verfolgen, in denen de von teilweise beachtlicher Größe, die »einen er in eine Detailfreude verfiel – während sich geläuterten, … poetischen Blick« auf das Land um ihn herum die klassische Moderne mit der der Sehnsucht, aber auch die »Wesenszüge der neuen Sachlichkeit Bahn brach. Landschaft« geben (S. 37), sind Ausbeute des Im Abschnitt »Weitere Streifzüge durchs Land: Italien-Aufenthalts. Hamburg, Rothenburg o. d. Tauber und ande-

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re Destinationen« stellt Gerd-Helge Vogel dar, nach malerischen als psychologischen Aspek- woraus sich Achenbachs Ablehnung eines An- ten aufgenommen wird: Malerische Reize, iri- schlusses an die Avantgarde erklärt. Sie lag zum sierende Licht- und Schattenwirkungen sowie einen in der Klientel der Käufer seiner Arbei- die plastische Modellierung stehen im Vorder- ten begründet, die konventionell technisches grund. In einer dritten Gruppe erhebt Achen- Können, eine präzise Naturbeobachtung und bach den Anspruch einer präzisen, wirklich- einen tradierten Bildaufbau in die drei Gründe keitsgetreuen Aufnahme der wesenhaften Züge erwartete, kurzum: »Erhebung und Erbauung­ von Physiognomie und Charakter der Per- in der Kunst«. Zum anderen lag sie in Achen­ son. Als besonders reife Porträtgestaltung die- bachs eigenen »gravierenden ästhetischen Vor­ ser Gruppe hebt Vogel das Bild der »Frau des be­halte[n]« gegenüber der Avantgar­de begrün- Künstlers« (Abb. 107 auf S. 86) hervor, in dem det, der er die Beherrschung dieser Grundlagen­ zeichnerische und malerische Werte eine gelun- vehement absprach. Reisen führ­ten Achen- gene Symbiose eingehen. Die Reife des Werkes bach in dieser Zeit unter anderem 1923 nach gründet sich auf vielen Studien in verschieden- Hamburg und Helgoland. Die über­wiegend sten Techniken. als Aquarelle oder in Öl ausgeführ­ten Arbeiten Die Katalogtexte Gerd-Helge Vogels lassen an dieser Zeit zeugen von einer gleichbleibend ho- kunsthistorischen Inhalten und Bewertungen hen Produktion und künstlerischen Qualität: nichts vermissen und sind, wie für den Autor »lediglich die Motivwahl variierte.« (S. 78) Be- bezeichnend, in einem gefälligen Sprachduktus sonders zog Achenbach ein architektonisches mit viel Esprit verfasst, der gleichermaßen wis- Kleinod, das mittelfränkische Städtchen Ro- senschaftlich anspruchsvoll und für den inter- thenburg ob der Tauber an. Der Künstler sam- essierten Laien verständlich ist. Ein Blick vor- melte in diesen Jahren Studienmaterial für gra- ab in die Lebensdaten des Künstlers erleichtert fische Mappen, die er in dem von ihm selbst ge- die chronologische Zuordnung beim Lesen. gründeten Bornverlag in Runkel herauszugeben Der Anmerkungsapparat ist hilfreich und über- vorhatte, ein Unternehmen, das nicht nur seine schaubar, sodass seine Gestaltung in Form von Finanzen aufbessern, sondern auch den Kun­ Endnoten gern akzeptiert werden kann. Ein an- denkreis­ vergrößern sollte. Achenbach publi­ sprechendes Layout mit sehr guten Reproduk- zier­te insgesamt vier Mappen, darüber hinaus tionen rundet das lesenswerte und handliche auch Künstler-, Post- und Reklamekarten. Buch ab, das zugleich den Bestand an Publi- Der abschließende Abschnitt »Porträts« zeigt kationen über in Pommern geborene Künstler auf, dass die Bildniskunst nur einen verhält- wertvoll bereichert! nismäßig geringen Anteil im Schaffen Achen- bachs eingenommen hat und zumeist auf den Jana Olschewski, Katzow privaten Bereich beschränkt blieb. Nur selten nahm der Künstler Aufträge für Bildnisse ihm unbekannter Personen an. An dem Genre in- teressierten ihn entweder die reizvollen phy- Die Historische Kommission für Pommern siognomischen und psychologischen Merkma- 1911–2011. Bilanz und Ausblick, hg. von Nils le der porträtierten Person oder aber die Erfül- Jörn und Haik Thomas Porada (Veröffentli- lung der klassischen Porträtfunktion, die Per- chungen der Historischen Kommission für sönlichkeit in der Komplexität ihrer Bezugswelt Pommern; V, 47), Köln/Weimar/Wien – Böh- darzustellen. Insgesamt drei Porträttypen arbei- lau Verlag, 2018. – 354 S. mit zahlreichen Abb. tet Gerd-Helge Vogel heraus: Eine Gruppe zeigt s/w und farbig. ISBN 978-3-412-20931-5 die Person in einer Umgebung, der Achenbach die gleiche Aufmerksamkeit wie dem Konter- Die Historische Kommission für Pommern fei widmet, während er beide als in einem har- konnte am 13./14. Mai 2011 mit einem Festkol- monischen Zusammenhang stehend beschreibt. loquium in der Ernst-Moritz-Arndt-Universität In einer weiteren Gruppe bleibt der Bildhinter- Greifswald auf ihr einhundertjähriges Bestehen grund neutral, während der Porträtierte eher zurückblicken.

BaltStud_TEXT.indb 285 17.02.20 21:30 286 rezensionen

Der anzuzeigende Band bietet die Druckfas- pisches Vorhaben, das zugleich die große Nähe sungen der damals gehaltenen Vorträge. Wenn der Kommission zur Archivarbeit in den frühen sich die Herausgeber in ihrer Einleitung für ein Jahren herausstellt. Aus den Quellen erarbeite- verspätetes Erscheinen entschuldigen, verwei- te Übersichten zum Vorstandspersonal, den Sit- sen sie zugleich in einer ehrlichen Bilanz auf die zungsterminen und den Finanzen der Kommis- strukturellen Schwierigkeiten, die sich aus ei- sion sowie ein vier Teile umfassender Editions- ner mangelhaften Förderung der oft ehrenamt- anhang geben einen spannenden Einblick in lich geleisteten Kommissionsarbeit ergeben. das Arbeitsprogramm jener Jahre. Nicht nur in Vorpommern sind auf den hoff- Chronologisch anschließend schildert der 2017 nungsvollen Neuanfang nach der Wiederverei- verstorbene Jürgen Petersohn Möglichkeiten nigung schmerzhafte Sparmaßnahmen gefolgt. und Grenzen der Historischen Kommission im Personalkürzungen in staatlichen wie kommu- westdeutschen Exil und würdigt insbesondere nalen Gedächtnisinstitutionen, der Verlust des die Leistungen der Vorsitzenden Adolf Diestel- Lehrstuhls für pommersche Geschichte an der kamp, Franz Engel und Roderich Schmidt so- Universität Greifswald und die zweifache Her- wie die Verbindungen zum Marburger Herder- abstufung des einst so stolzen Landesarchivs Institut. Eine besondere Note erhält der Band Greifswald bedrohen die Zukunftsfähigkeit durch den kurzen Zeitzeugenbericht des eben- der pommerschen Landesgeschichte. Es bleibt falls 2017 verstorbenen Joachim Wächter, be- zu hoffen, dass die politisch Verantwortlichen kannt als Nestor der Pommernforschung in in Schwerin in finanziell besseren Zeiten nach- der DDR. Aus eigenem Erleben und Erleiden haltig gegensteuern, um in einer globalisierten schildert der einst von der SED als Direktor Welt die Erforschung und Vermittlung des kul- des Landesarchivs Greifswald geschasste Au- turellen Erbes und die Möglichkeiten der Iden- tor, mit welchem unbeirrbaren Elan die in Vor- tifikation der Bürger mit ihrem demokratischen pommern verbliebenen Landeshistoriker Spiel- Gemeinwesen zu fördern. räume für ihre Arbeit im realexistierenden So- Den Reigen der Beiträge eröffnet der damali- zialismus ausloteten und diese zunächst in den ge Kommissionsvorsitzende Martin Schoebel Gedächtnisinstitutionen, später aber vor allem mit einem Überblick über die einhundertjähri- unter dem Dach der Kirche fanden. Mit Be- ge Kommissionsgeschichte. Im Anschluss daran obachtungen zur Rolle der Kommission beim analysieren Klaus Neitmann und Dirk Schlei- Wiederaufbau der Pommernforschung im Wir- nert die Gründungsphase und Frühgeschichte kungsgefüge von Universität, Kommission und der Kommission bis 1945. Dabei arbeitet Klaus Landeskirche nach 1990 führt Norbert Buske Neitmann im vergleichenden Blick auf die den chronologischen Überblick zum Abschluss. preußischen Provinzen Brandenburg und Pom- Zu dieser Geschichte der Historischen Kom- mern heraus, dass Historische Kommissionen mission in nuce gesellen sich drei thematisch gegenüber den älteren Historischen Vereinen gegliederte Blöcke. Dabei werden insbeson- einen Professionalisierungsschub brachten. Per- dere die wichtigsten Publikationsprojekte der sonell wurde dieser Aufschwung von Universi- Kommission gewürdigt. Karl-Heinz Spieß skiz- tätshistorikern und Archivaren getragen, finan- ziert den nicht vollständig befriedigenden Be- ziell durch die preußischen Provinzialverbände arbeitungsstand des Pommerschen Urkunden- abgesichert. Als Vorbild wirkte dabei die Histo- buchs, Rudolf Benl und Ivo Asmus stellen mit rische Kommission der Provinz Sachsen als die den »Quellen« und mit den »Forschungen« älteste und lange Zeit bestfinanzierte Einrich- zwei zentrale Schriftenreihen zur pommerschen tung ihrer Art. Geschichte vor, während Haik Thomas Porada Dirk Schleinert skizziert das Wirken der Histo- mit dem »Historischen Atlas« ein weiteres lan- rischen Kommission für Pommern von ihrer desgeschichtliches Grundlagenwerk diskutiert, Gründung im Stettiner Schloss bis zum Ende das auch andernorts als unverzichtbar angese- des Zweiten Weltkrieges. Als erstes Kommis- hen wird. sionsprojekt identifiziert er die Inventarisie- In einem zweiten Block, der im Buch wohl aus rung der nichtstaatlichen Archive, ein zeitty- Gründen der Courtoisie ganz an den Anfang

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gerückt wurde, wird äußerst gewinnbringend erschienenen Nachdrucks der 3. Auflage von die landesgeschichtliche Leitmethode des Ver- »V2 – Der Schuß ins Weltall« des Bechtle gleichs zum Einsatz gebracht. Per Nilsén, Jens Verlages von 1958. 313 S. Abb. im Tafelteil. E. Olensen, Paweł Gut, Andreas Röpcke und ISBN 978-3-932081-88-0 Uwe Schaper skizzieren die außeruniversitäre landesgeschichtliche Forschung in Schweden, Wie der bibliographische Nachweis schon an­ Dänemark, Polen, Mecklenburg und Berlin- deutet,­ handelt es sich bei dieser Publikation Brandenburg und umreißen damit die europä- mitnichten­ um eine Neuerscheinung, sondern ische Nachbarschaft, in der sich Pommernfor- um einen Nachdruck bzw. Neuauflage. Drei schung verorten und entfalten kann. Auflagen im ursprünglichen Verlag zwischen Eine sinnvolle Abrundung erfährt der Band 1952 und 1958, dann 19 Auflagen im Ullstein durch drei Beiträge über die künftigen Per- Verlag und nun eine weitere Auflage in einem spektiven der Kommissionsarbeit. Ein großdi- dritten Verlag. Da kann man wahrlich von ei- mensionierter Arbeitsplan für die nächsten 100 nem Bestseller sprechen. Es ist eine Art Erinne­ Jahre ist dies allerdings nicht, da sich Helmut rungs­bericht des nach Wernher von Braun Börsch-Supan, Nils Jörn und Felix Biermann auf wichtigsten­ Mannes in der Heeresversuchsan­ ­ erreichbare Nahziele konzentrieren. Zu diesem stalt Peenemünde,­ wo das Aggregat 4, von der Block gesellt sich schließlich eine biographi- NS-Propa­ganda als Vergeltungswaffe (V) 2 ti- sche Fallstudie. Matthias Manke beschreibt in tuliert, die erste funktionstüchtige Großrake- einem gründlich recherchierten Biogramm den te mit Flüssig­keits­antrieb. Hob der ursprüng- Werdegang des Historikerarchivars Franz Engel liche Titel des Buches noch darauf ab, dass die- (1908–1967), der von 1955 bis 1967 die Kom- se Rakete die technische Grundlage für die von mission im westdeutschen Exil leitete und vor Amerika­ nern­ und Russen gleichzeitig durchge- allem hinsichtlich ihres Arbeitsprogramms neu führte Forschung zur Raumfahrt war, so wies ausrichtete. Großen Raum nimmt die differen- und weist der zweite und auch jetzt verwen- ziere Wertung der Verstrickung Engels in den dete Titel auf die primär militärische Verwen- Nationalsozialismus ein, wobei besonders die dung durch Deutschland hin. Aber er trifft Beobachtungen zur politischen Instrumentali- auch nicht ganz zu, denn es ist keine Geschich- sierung der Bauernforschung nachdenklich ma- te »der V-Waffen«, sondern eben nur der einen chen müssen. von beiden. Die von der Luftwaffe gleichzeitig Der Historischen Kommission für Pommern auf einem benachbarten Gelände in Peenemün- ist zu dieser beeindruckenden und in gediege- de – Peenemünde West – entwickelte Flügel- ner Form publizierten Leistungsbilanz unein- bombe Fieseler (Fi) 103 oder eben V1, der Ur- geschränkt zu gratulieren. Der Außenstehende ahn heutiger Marschflugkörper, kommt in dem legt den Band mit dem bestimmten Gefühl aus Buch nur ganz am Rande vor. der Hand, dass die landesgeschichtliche For- Angesichts der wie überall zur Geschichte des schung im Nordosten der Republik auch künf- Dritten Reiches anzutreffenden schlechten tig allen Widrigkeiten trotzen wird, weil ihre Überlieferungslage an Originaldokumenten – Protagonisten sie nicht nur als lohnende Auf- wie viel noch bei den Amerikanern und Rus- gabe ansehen, sondern auch stets mit Herzblut sen über reine technische Dokumentationen betreiben. hinaus vorhanden ist, ist ungewiss – kommt solchen »Egodokumenten« eine besondere Be- Christoph Volkmar, Magdeburg deutung zu. Dass hier jemand kompetent über ein Thema schreibt, steht angesichts seiner her- ausragenden Stellung außer Zweifel. Dennoch sind wie bei allen Egodokumenten die üblichen Walter Dornberger, Peenemünde. Die Vorbehalte zu berücksichtigen, denn es ist die Geschich­te der V-Waffen. Ilmenau – Rhino- subjektive Sicht des Autors, die hier präsentiert Verlag 2018. unveränderte Ausgabe des im wird. In welchem Maß sie von den tatsächli- Ullstein Taschenbuchverlag in 19. Auflagen chen Vorgängen abweicht, ließe sich nur an-

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hand von anderen Quellen ermitteln und be- fanden dabei heraus, dass nur 1,7 % der Spit- werten, die es aber eben kaum gibt. Dornbergers zenpositionen in der Bundesrepublik von Ost- ausführliche Darstellung hat von daher unser deutschen besetzt wurden.7 Bild von der Heeresversuchsanstalt Peenemün- Im Winter 2018–19 brandete das Thema in den de West und der dort betriebenen Entwicklung überregionalen Leitmedien erneut auf, sodass des Aggregats 4 maßgeblich geprägt. zum Beispiel intensiv über die mögliche Ein- Aber das Buch kann auch noch auf einer zwei- führung einer »Ossi-Quote« debattiert wurde. ten Ebene gelesen werden. Es sagt auch viel Jana Hensel, Journalistin bei der Zeit, verwies über die Person Dornberger aus, v. a. über sei- im Februar 2019 auf eine aktuelle Studie des ne Verarbeitung des Themas nach dem 2. Welt- Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) krieg, als er so wie Wernher von Braun als Be- und empörte sich zu recht über die absurd an- rater für die Amerikaner bei deren Raketen- mutende Tatsache, dass »keiner der 81 öffent- entwicklung tätig war. Dies und das oben zur lich-rechtlichen Hochschulen (in den neuen historischen Authentizität von Egodokumen- Bundesländern, M. C.) ein ostdeutscher Rektor ten allgemein Gesagte im Hinterkopf lässt sich oder eine ostdeutsche Präsidentin vorsteht«.8 Dornbergers Buch dann immer noch mit Ge- Dass die Wurzeln derartiger Phänomene in der winn lesen. Dass ein Interesse daran weiterhin Vergangenheit zu suchen sind, bedarf hier kei- besteht, zeigt nicht zuletzt die jetzt wieder er- ner weiteren Erläuterung. Gleichwohl steckt hältliche Neuauflage. die Erforschung der Wendezeit an den ostdeut- Das Buch ist wie die Vorgängerauflagen als Pa- schen Universitäten noch in den Kinderschu- perback hergestellt, allerdings mit einem ande- hen, was natürlich vor allem der Tatsache ge- ren Coverbild. Und der Tafelteil mit den Abbil- schuldet ist, dass die maßgeblichen Quellenbe- dungen ist jetzt an den Schluss gerückt. stände in der Regel noch nicht zugänglich sind. Vor diesem Hintergrund ist es sehr zu begrü- Dirk Schleinert, Stralsund ßen, dass sich drei renommierte Wissenschaft- ler aus verschiedenen Disziplinen zusammen gefunden haben, um ihre Erfahrungen als Zeit- zeugen des Umbruchs an der Greifswalder Uni- Michael Hecker, Karl-Ulrich Meyn und Karl- versität zu Papier zu bringen. Der 1946 gebo- Heinz Spieß (Hg.), Die Ernst-Moritz-Arndt- rene Biologe Michael Hecker verbrachte sei- Universität in Zeiten des Umbruchs. Zeit­ ne Studien- und spätere Berufstätigkeit an der zeugen erinnern sich. Mit Bildern von Peter Greifswalder Universität, von 1990 bis 1994 lei- Binder. Greifswald – Sardellus Verlagsgesell- tete er als Dekan die Mathematisch-Naturwis- schaft, 2018. 206 S. mit zahlreichen Foto­ senschaftliche Fakultät. Karl-Ulrich Meyn (geb. graphien. ISBN 978-3-9813402-8-0 1939) war zum Zeitpunkt der Wiedervereini- gung Professor für Rechtswissenschaften an der Auch gut drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall und der Wiedervereinigung sind die vermeintli- 7 Im Vergleich zum Jahr 2004 mussten die Auto- chen und realen Gegensätze zwischen Ost- und ren somit »auf einigen Gebieten einen Rückgang Westdeutschland nicht aus den politischen und des Anteils der Ostdeutschen innerhalb der gesell- gesellschaftlichen Debatten der Bundesrepu- schaftlichen Eliten« konstatieren. Michael Bluhm blik verschwunden. Man möchte fast behaup- und Olaf Jacobs, Wer beherrscht den Osten? Ost- deutsche Eliten ein Vierteljahrhundert nach der ten, das Gegenteil sei der Fall. Für Aufsehen deutschen Wiedervereinigung, Universität Leipzig sorgte in jüngerer Vergangenheit beispielsweise (Institut für Kommunikations- und Medienwis- die vom Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) in senschaft) 2016, S. 6. Ausführlich zum Wissen- Auftrag gegebene Studie »Wer beherrscht den schaftssektor siehe S. 23–25. Die Studie ist online Osten? Ostdeutsche Eliten ein Vierteljahrhun- abrufbar unter der URL: https://t1p.de/9369 (letz- dert nach der deutschen Wiedervereinigung« ter Zugriff: 04.07.2019). 8 Jana Hensel, Westen, wir haben ein Problem, in: aus dem Mai 2016. Michael Bluhm und Olaf ZEIT online (19.02.2019), abrufbar unter der Jacobs vom Institut für Kommunikations- und URL: https://t1p.de/fao6 (letzter Zugriff: 04.07. Medienwissenschaft der Universität Leipzig 2019).

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Universität Osnabrück und als Mitglied der seine Einschätzungen zur Gruppe der Greifs- Aufbaukommission maßgeblich an der Wieder- walder Hochschullehrer zu DDR-Zeiten. Dem- errichtung der Rechts- und Staatswissenschaft- nach habe nur ein kleiner Kreis der Professoren lichen Fakultät in Greifswald in den Jahren zur »wirklichen Führungsschicht« gehört und 1990–92 beteiligt. Als dritter Zeitzeuge äußert die Universitätspolitik maßgeblich bestimmt. sich der 1948 geborene Historiker Karl-Heinz In Einzelfällen habe es sich dabei auch um ver- Spieß, der 1994 als Direktor des Historischen deckte Offiziere der Staatssicherheit gehandelt. Instituts und Inhaber der Professur für Allge- Neben dieser »kleinen Führungsschicht« habe meine Geschichte des Mittelalters und Histo- es »zahlreiche tolerante, wenig orthodoxe Ge- rische Hilfswissenschaften nach Greifswald be- nossen Professoren« gegeben, unter denen so- rufen wurde. wohl »einfache Mitläufer« als auch aufrech- Neben den Beiträgen der Zeitzeugen enthält te Linke gewesen seien (S. 15). Diese Gemen- der Band zahlreiche Fotografien des langjähri- gelage habe dazu geführt, dass sich Angehörige gen Fotografen der Ostseezeitung, Peter Bin- der alma mater durchaus auch politische »Ver- der, sowie ein Vorwort der amtierenden Rek- fehlungen« leisten konnten. Mit etwas Glück torin Johanna Eleonore Weber. Die Psycholo- wurde ihr Verhalten von loyalen Universitäts- gin wurde 1955 in der Bundesrepublik gebo- mitarbeitern und Kommilitonen gedeckt (sie- ren und 1994 nach Greifswald berufen. Zuvor he bspw. S. 18f., S. 24–26). Insgesamt äußert war sie als akademische Oberrätin an der Uni- Hecker die Einschätzung, dass die Greifswal- versität Bamberg angestellt. Der vorzustellen- der Universität im Vergleich zu anderen DDR- de Band versteht sich explizit nicht als wissen- Hochschulen »relativ loyal« und damit ein »at- schaftliche Publikation, sondern möchte aus traktiver Studienort« gewesen sei (S. 26). Diese den drei unterschiedlichen Blickwinkeln per- Einschätzung verleitet ihn jedoch nicht dazu, sönliche Sichtweisen auf die Wendezeit bie- die Opfer des SED-Regimes an der Greifswal- ten (S. 10). Der Rezensent selbst wurde 1986 der Universität zu vergessen. So erwähnt er Fäl- in Ost-Berlin geboren, studierte zwischen 2007 le zwangsexmatrikulierter und gar inhaftier- und 2013 an der Universität Greifswald und war ter Studenten und schildert den Fall Michael ebenda im Anschluss noch ein Jahr als wissen- Succows. Succow, der heute als Träger des al- schaftlicher Mitarbeiter am Historischen Insti- ternativen Nobelpreises und Pionier des Um- tut tätig. Während seines Studiums arbeitete er weltschutzes zu den berühmtesten Greifswal- viele Jahre in einem von Dirk Alvermann und der Wissenschaftlern weltweit zählt, hatte sei- Karl-Heinz Spieß geleiteten Forschungsprojekt ne wissenschaftliche Laufbahn in den 1960er als Hilfskraft mit. Vor diesem Hintergrund ist Jahren begonnen. Als er sich 1968 – zu dieser auch die Sicht des Rezensenten stark subjek- Zeit war er als Assistent im Botanischen Gar- tiv eingefärbt, sodass die nachfolgenden Zeilen ten angestellt – weigerte, eine Erklärung zu un- nicht als eine fachwissenschaftliche Rezension terzeichnen, die dem Einmarsch der Sowjetar- im herkömmlichen Sinne zu betrachten sind. mee in Prag Legitimation verleihen sollte, wur- Die Beiträge der drei Zeitzeugen sind vom Um- de seine Karriere jäh unterbrochen. Erst nach fang her sehr unterschiedlich stark gewichtet. der Wende sollte Succow rehabilitiert werden Den Kern bilden die Ausführungen von Mi- (siehe u. a. S. 27, S. 81). chael Hecker, der zunächst seine Erfahrungen Resümierend hält Hecker für die DDR-Zeit als Student sowie seine frühe Wissenschaftler- fest, dass es trotz aller politischen Einflussnah- karriere zu DDR-Zeiten erzählt und anschlie- me und infrastruktureller Mängel – die sich in ßend ausführlich die Entwicklung der Natur- den kostenintensiven Lebenswissenschaften be- und insbesondere der Lebenswissenschaften in sonders bemerkbar machten – eben doch »lei- Greifswald beleuchtet, die er – wie bereits er- denschaftliche und engagierte Professoren« ge- wähnt – unter anderem als Dekan maßgeblich geben habe, die dafür Sorge trugen, dass die mit gestaltete (S. 11–136). Heckers Ausführun- Studierenden in Greifswald gut ausgebildet gen sind reich an ereignisgeschichtlichen De- wurden. Zu diesen Professoren zählt Hecker so- tails, auf die hier nicht im Einzelnen eingegan- wohl Parteilose als auch SED-Mitglieder (S. 18). gen werden kann. Interessant sind vor allem Genannt werden kann die Genetikerin Elisabe-

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th Günther, die von 1964 bis 1985 Professorin in Community Medicine und die Molekularbiolo- Greifswald war und großes internationales An- gie (siehe vor allem S. 112–125). sehen genoss (S. 20f.). Das Beispiel Elisabeth Dass die Wiedervereinigung bei den Natur- Günthers ist auch als eine Art Kontrastfolie in- und Lebenswissenschaften tiefe personelle Ein- teressant, da sie eine der wenigen Frauen war, schnitte mit sich brachte, wird in Heckers Aus- die in der Männerdomäne Universität reüssier- führungen an verschiedenen Stellen beleuchtet. te. Besagte Männerdomäne wird besonders auf Nach Überprüfung durch die »Ehrenkommis- drei Bildern aus dem frühen 21. Jahrhundert sion« und der Ausarbeitung eines Struktur- anschaulich, die jeweils den von 2003–2013 am- plans für die teilweise neu zugeschnittenen tierenden Rektor Rainer Westermann im Krei- Forschungsbereiche­ konnten im Oktober 1992 se ehemaliger bzw. zum damaligen Zeitpunkt gleich­wohl knapp 70 % der Professorenstellen amtierender Dekane sowie einiger bedeuten- mit Greifswalder Wissenschaftlern besetzt wer- der Stifter und Politiker zeigen. Insgesamt zei- den (S. 80; im Text steht hier fälschlicherweise gen die drei Fotografien 22 Personen, allesamt das Jahr 2012 statt 1992). Dass dieser Umbruch deutsche Männer fortgeschrittenen Alters – Bil- in den Geistes- und Sozialwissenschaften viel der wie aus längst vergangenen Zeiten (S. 111). drastischer ablief und nur ein Bruchteil der vor Trotz des Engagements der Mehrheit des Lehr- der Wende amtierenden Professoren und Do- körpers seien laut Hecker Forschung und Leh- zenten eine langfristige Perspektive nach 1990 re in den Natur- und Lebenswissenschaften in hatte, wird von Hecker ebenfalls erwähnt (S. Greifswald um 1990 in einer recht prekären 81). Lage gewesen. Durch die extreme Einschrän- Ausführlicher geschildert wird dieser Transfor- kung der Reisefreiheit, mangelnde Sprach- mationsprozess in dem Beitrag von Karl-Heinz kenntnisse (Englisch) und diverse andere in- Spieß (S. 137–166). Spieß beleuchtet dabei je- stitutionelle Barrieren seien die DDR-Wissen- doch nicht systematisch die Veränderungen an schaftler von der maßgeblichen internationalen der völlig neu konzipierten Philosophischen scientific community – von Ausnahmen abgese- Fakultät, sondern richtet den Blick schlaglicht- hen – isoliert gewesen (S. 39–43). Vor diesem artig vor allem auf die Geschichte des Histo- Hintergrund fokussiert Hecker seine Ausfüh- rischen Instituts, als dessen Direktor er 1994 rungen zur Entwicklung der besagten Diszipli- berufen wurde – zuvor war er als Akademi- nen nach 1990 darauf, wie es gelang, diese Lüc- scher Oberrat an der Universität Mainz ange- ken zu schließen und die Greifswalder Fakul- stellt. Das eine oder andere Detail seiner Er- täten und Institute an die nun globale (gleich- zählung macht dabei deutlich, woher die zum wohl von den westlichen Nationen dominierte) Teil starken Missstimmungen zwischen »Ossis« Forschungsgemeinschaft heranzuführen. Die- und »Wessis« an den Universitäten der 1990er sen Prozess schildert Hecker im Wesentlichen Jahre (und darüber hinaus) rührten. So wurde als eine Erfolgsgeschichte, die er an zahlreichen Karl-Heinz Spieß, wie erwähnt, 1994 zum Di- institutionellen Reformprozessen, modernen rektor des Historischen Instituts berufen und Neubauten für die Forschung, stark wachsen- bekam folgerichtig das Direktorenzimmer zuge- den Drittmitteleinwerbungen und den Veröf- wiesen. Bei seinem Dienstantritt in Greifswald fentlichungen Greifswalder Wissenschaftlerin- erst erfuhr Spieß, dass es in Horst Wernicke be- nen und Wissenschaftler in international re- reits einen vom Kollegium gewählten Instituts- nommierten Publikationsorganen festmacht. direktor gab, der mit Spieß’ Berufung durch die Als entscheidenden Faktor des Erfolgs benennt Hochschulleitung und die Landespolitik abbe- Hecker dabei den Entschluss, die Förderung ge- rufen wurde und sein Büro frei machen mus- zielt auf »Leuchttürme in der Forschung« zu ste. Neben Wernicke, der bis 2017 die Professur richten. Diese insbesondere in der Amtszeit für Geschichte des Mittelalters und Hansege- des Rektors Westermann forcierte strategische schichte inne hatte, gehörten beim Amtsantritt Ausrichtung habe maßgeblich zur internatio- von Spieß nur wissenschaftliche Mitarbeiter aus nalen Sichtbarkeit der Universität beigetragen. der vormaligen DDR dem Institut an, »von de- Als Beispiele nennt Hecker die Entwicklung der nen die meisten ihre Lebenszeitstellen durch die

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Wende verloren hatten und jetzt auf einer be- Osnabrück und Greifswald an, die jedoch fristeten Stelle einer unsicheren Zukunft entge- erst im März 1990 vollzogen werden sollte. gensahen« (S. 140, zum Abbau des DDR-Perso- Vor diesem Hintergrund setzte Meyn sich in- nals siehe auch die Zahlenangaben auf S. 147). tensiv mit den Gegebenheiten in Greifswald Einige der Wende-»Verlierer« aus der Philoso- auseinander, um mögliche Kooperationspoten- phischen Fakultät lässt Spieß in seinem Beitrag tiale auszuloten (S. 168–170). Aufgrund der völ- in recht ausführlichen Zitaten zu Wort kom- lig unterschiedlichen Ausrichtungen der bei- men.9 Dabei wird dem Leser anschaulich vor den Universitäten sah Meyn diese Potentiale Augen geführt, dass die in der Wendezeit ge- nicht, doch als im Herbst 1989 das SED-Re- troffenen wissenschaftspolitischen und perso- gime dem Sturz entgegen taumelte und sich nellen Weichenstellungen von vielen DDR- nach dem Mauerfall ganz neue Perspektiven Wissenschaftlern als willkürlich, unfair und am Horizont aufzeigten, ergriff er die Initiative auch »entwürdigend« (S. 151) empfunden wur- und wurde letztlich federführend bei der Neu- den (S. 148–152). Umgekehrt wird in Spieß’ per- errichtung der Rechtswissenschaften in Greifs- sönlich gefärbten Erinnerungen auch deutlich, wald. Das Interessante an Meyns Erzählung ist wie belastend es gewesen sein muss, vielerorts dabei insbesondere das teilweise abenteuerlich stets als »westdeutscher Eindringling« (S. 152) wirkende Machtvakuum, das an der Greifswal- angesehen und verunglimpft zu werden. Am der Universität existiert haben muss. Anschau- Ende seines Beitrags geht Spieß kurz auf die lich schildert Meyn, wie gemeinsam mit Ver- drastischen Sparmaßnahmen ein, die das Land bündeten der Greifswalder Universität bei Ka- der Universität in den frühen 2000er Jahren mingesprächen richtungweisende Entscheidun- auferlegte. Dadurch sei die »Erfolgsgeschichte« gen getroffen wurden und somit quasi aus dem der Philosophischen Fakultät nach der Wen- Nichts – und vorerst auch nur auf dem Papier de »jäh unterbrochen« und auch Spieß’ kurze – die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fa- Amtszeit als Dekan (2003) negativ geprägt wor- kultät wiederbegründet wurde (siehe bspw. S. den (S. 163).10 174–178). Bei der Konzeption knüpfte man an Abgeschlossen wird der Band durch den Bei- die historische Tradition an und vereinte die trag von Karl-Ulrich Meyn, der sich dem Wie- Rechtswissenschaft wie auch die Volks- und Be- deraufbau der Greifswalder Rechts- und Staats- triebswirtschaftslehre unter einem Dach. Dies wissenschaftlichen Fakultät widmet (S. 167– war zum damaligen Zeitpunkt in der Bundes- 203). Mit Ausnahme eines politisch brisan- republik gänzlich untypisch geworden und hat- ten, grenzübergreifenden Volleyballspiels, das te zur Folge, dass die Greifswalder Fakultät bis Meyn als AStA-Vorsitzender der Universität heute einen recht einzigartigen Zuschnitt hat. Kiel 1961 maßgeblich initiierte (S. 169 f.), hat- Ebenso anschaulich schildert Meyn, wie die te der Rechtswissenschaftler bis in die späten Aufbaukommission der Fakultät und die Beru- 1980er Jahre keinerlei Berührungspunkte mit fungskommissionen für die rechtswissenschaft- der Greifswalder Universität gehabt. 1982 wur- lichen Professuren unter hohem Zeitdruck Per- de Meyn nach Osnabrück berufen, wo er bereits sonal zu rekrutieren versuchten und Strukturen Erfahrungen beim Aufbau eines rechtswissen­ aufbauten. Deutlich wird dabei, dass Einmi- schaftlichen Fachbereichs sammeln konnte (S. schungen von höchster politischer Stelle im- 183). Im Jahr 1987, in dem Meyn als Vizeprä- mer wieder entscheidend einwirkten. So habe sident der Osnabrücker Universität amtierte, Staatssekretär Thomasde Maiziere die Beset- bahnte sich eine Städtepartnerschaft zwischen zungsverfahren laut Meyn ungerechtfertigter Weise verzögert, da er eine Art Okkupation 9 Siehe hierzu auch den Band: Dirk Mellies, Frank durch sozialdemokratisch gesinnte Rechtswis- Möller (Hg.), Greifswald 1989. Zeitzeugen erin- senschaftler verhindern wollte (S. 190f.). Trotz nern sich, Marburg 2009. allem konnte die Fakultät im Oktober 1992 mit 10 Zu den Sparmaßnahmen, die ihren sichtbarsten einem ersten »Rumpf« von fünf besetzten Pro- Ausdruck in der Schließung einzelner Institute wie fessuren feierlich wieder eröffnet werden. Im der Sport- und der Altertumswissenschaft fanden, gleichen Jahr noch zog es Meyn dann selbst in siehe S. 161–164 und S. 103–106.

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den Osten, er nahm einen Ruf an die Universi- te des Buches, und es mutet fast schon etwas tät Jena an, wo er bis zum Jahr 2004 tätig sein absurd an, dass in einem Band von drei der- sollte. art renommierten Wissenschaftlern keine wis- Die oft sehr persönlich gefärbten und mit meist senschaftlichen Standards auch nur ansatzwei- interessanten Anekdoten angereicherten Erzäh- se genügende Literatur- und Quellenverweise lungen der drei Autoren vermitteln einen an- zu finden sind. Die Angaben in den Fußnoten schaulichen Einblick in die facettenreiche Ge- sind häufig schlicht falsch oder derart spärlich, schichte der Greifswalder Universität von den dass es dem kritischen Leser schwerfallen dürf- 1960er Jahren bis in die jüngste Vergangenheit. te, sie nachzuvollziehen. Eine Vereinheitlichung Wenn auch hier und da Selbstkritik durch- und Überarbeitung dieser Angaben hätte wenig schimmert, so handelt es sich doch im Wesent- Mühe gemacht und wäre im Sinne der Nutz- lichen um Erfolgsgeschichten. Dies ist dem hier barkeit des Bandes für die Forschung von gro- gewählten subjektiven und auf persönlichen Er- ßem Mehrwert gewesen. Das gleiche gilt für ein innerungen beruhenden Zugang zur Geschich- Literaturverzeichnis und Personenregister – bei- te jedoch inhärent und wird von den Autoren des fehlt dem Buch. Und so interessant die vie- auch freimütig eingeräumt (siehe exemplarisch len Fotografien auch sind, so muss leider auch S. 203). Die Leserinnen und Leser sind mithin hier bemerkt werden, dass ihre Einarbeitung in der Pflicht, die vorliegenden Texte als Quel- nur ungenügend erfolgt ist. Ärgerlich ist insbe- len zu lesen und entsprechend kritisch einzu- sondere, dass die Aufnahmen nicht datiert sind. ordnen. Eine systematische Aufarbeitung der Wende- Michael Czolkoß, Berlin zeit an den ostdeutschen Universitäten ist sehr zu wünschen und dürfte die Zeitgeschichtsfor- schung in den kommenden Jahren wohl mehr und mehr umtreiben. Dabei sind zahlreiche As- Philipp Bauer Die Namensdebatte der Greifs- pekte von Interesse, sowohl die Frage der politi- walder Universität 2016/2017 in der medialen schen Verstrickungen der ostdeutschen Profes- politischen Öffentlichkeit. Greifswald – Stein­- sorinnen und Professoren und, damit verbun- becker Verlag Dr. Ulrich Rose 2018. 64 S. den, die Frage danach, wie gerechtfertigt die ISBN 978-3-931483-39-5 Massenentlassungen nach 1990 waren. Dass es hier keine einfachen Antworten gibt, zeigt der Mit einer Masterarbeit greift Philipp Bauer die vorliegende Band eindrücklich. So spricht Hec- gesellschaftspolitische Debatte um die Namens­ ker in einer sehr treffenden Formulierung von ablegung der Universität Greifswald auf. Ver- einem »Geflecht von Schuld und Nichtschuld« mittels einer Diskursanalyse begibt er sich auf (S. 45; siehe auch S. 47). Spannend wäre auch den schwierigen Weg, diese Debatte für die Po- eine systematische Analyse der biographischen litwissenschaft zu hinterfragen und für den Le- Hintergründe derjenigen westdeutschen Wis- ser verständlich zu machen. Die schon über senschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in einen längeren Zeitraum kontrovers geführ- der Nachwendezeit an die ostdeutschen Uni- te Auseinandersetzung soll durch eine mediale versitäten berufen wurden. Schließlich hält sich Untersuchung­ eines eingegrenzten Zeitraumes bis heute teils hartnäckig die Erzählung, es hät- erforscht werden. Aufgewertet wird diese Ar- te sich bei diesen Personen überwiegend um beit durch Geleitworte des Lehrstuhlinhabers akademisch gescheiterte Existenzen gehandelt, Prof. Hubertus Buchstein. Bauer geht es dabei die an den westdeutschen Universitäten keine nicht um eine Bewertung Arndts, sondern um Aussicht auf eine Berufung gehabt hätten (sie- die Untersuchung der Debatte selbst. Um den he hierzu den Beitrag von Spieß). Rahmen seiner Analyse überschaubar zu halten, Abschließend muss dieser verdienstvolle Band beschränkt sich seine Forschung ausschließlich doch noch ein paar kritischere Worte hinneh- auf Leserbriefe der Ostsee-Zeitung, speziell men, die vermutlich eher an den Verlag bzw. der Lokalausgabe Greifswald. Er legt dem Le- das Lektorat als an die Autoren zu richten sind. ser eine kurze Chronologie der Namensdebat- Tipp- und Satzfehler durchziehen fast jede Sei- te vor. Ausgehend vom Jahr der Namensverlei-

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hung 1933, über die Bestätigung des Namens ther, bei denen nicht das Patronat eines Kunst- 1954 wechselt er dann in die 1990er Jahre, er- instituts oder der Universität zur Disposition wähnt den ZEIT-Artikel von Jörg Schmidt, ver- gestanden haben. Im Inventartopos wird dar- gisst nicht das eintägige Kolloquium des Jahres auf verwiesen, dass die Universität 477 Jahre 2001, in dessen Ergebnis bzw. Nicht-Ergebnis ohne den Namen Ernst Moritz Arndts auskam »eine heftige, teils auf persönlicher Ebene ge- – somit wäre die Tilgung eher eine Rückkehr führte, emotional aufgeladene Debatte um die als ein Entzug. Beim Rechtfertigungs- und Be- Eignung des Namens« entbrennt. 2009 greift wertungstopos geht es um die Beurteilung ei- die Studenteninitiative »Uni ohne Arndt« diese ner historischen Person aus seiner Zeit heraus. Diskussion wieder auf und im Jahr 2010 votiert Das Mitsprachetopos hinterfragt die Befugnis- der Akademische Rat demokratisch für eine se, die eine oder mehrere Gruppen dazu berech- Beibehaltung des Namens. Im Jahr 2016 bringt tigen, die Namensablegung voranzutreiben. Es das Studentenparlament die Arndtdebatte wie- werden Forderungen nach demokratischer Be- der ins Rollen. Bauer zeichnet skizzenhaft die teiligung der Bürgerschaft in dieser Sache zur Weiterentwicklung der Debatte bis zum April Sprache gebracht. Auch die Zusammensetzung 2017. Dabei wird erkennbar, wie groß der Kon- des Senats und die Rolle der Studenteninitia- flikt ist. tive werden in diesem Fall kritisch bewertet. In einem weiteren Punkt analysiert er die Quel-­ Beim Demokratietopos bringt Bauer den Le- lenlage zur Debatte als dürftig, nur wenige Auf- ser in Bedrängnis, da er den verschiedenen La- sätze hätten sich der Sache bisher angenom- gern unterschiedliche Demokratievorstellun- men. Hauptsächlich die Hefte 7 und 8 der gen unterstellt. Die vier Ausschnitte aus Leser- Ernst-Moritz-Arndt-Gesellschaft seien auf die briefen, die sich für eine Namensablegung stark Dis­kussionen von 1998 und 2001 eingegangen. machen, werden als Beispiel für die »demokra- Dem Fachurteil von Historikern müsse Ver­- tische Qualität des Verfahrens« eingestuft. Den- trauen entgegengebracht werden. Bauer erwähnt jenigen Schreibern, die sich für eine Namens- exemplarisch Jörg Echterkamp. Ein Aufsatz beibehaltung aussprechen und damit argumen- (2010) eines ehemaligen Studenten aus der »Uni- tieren, dass bereits mehrfach über den Namen ohne-Arndt-Initiative« und eines Referenten abgestimmt wurde, wird unterstellt, dass sie de- des Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) mokratische Prozesse nicht akzeptierten. Der wird als weniger objektiv erachtet. Insgesamt ist Persönlichkeit Arndts wird im gleichlautenden die Forschungsliteratur zur Debatte laut Bauer Topos auf den Grund gegangen. Die Arndt-Be- quantitativ marginal. fürworter sehen seine Verdienste, ohne jedoch Er widmet sich anschließend dem für eine wis­ dabei seine »Schattenseiten« außer Acht zu las- sen­schaftliche Arbeit notwendigen theoreti- sen. Auch zu DDR-Zeiten wäre Arndt kritisch schen Hintergrund. So wird der Begriff des Dis­ hinterfragt worden, so der Tenor einiger Leser- kurses­ tiefgreifend dargelegt, bevor er die Dis­ briefe. Ein sehr interessanter Gesichtspunkt ist kursanalyse als erforderliche Methode begrün­ der Unterwerfungstopos, der besagt, dass Pro- det, mit der er diese Arbeit ausführen will. fessoren und Studenten, die sich an der Ernst- Schwer­punkt seiner Betrachtung sind die selbst Moritz-Arndt-Universität beworben haben, aufgestellten Topoi (auch Argumentationsmu- dort lehren, arbeiten oder studieren, nicht au- ster), mit deren Hilfe er die Leserbriefe genau- torisiert genug erscheinen, im Nachgang den er untersuchen möchte. 54 der 244 untersuch- Universitätsnamen umändern zu wollen. Ana- ten Leserbriefe werden als Beispiele für die ver- log wäre so etwas in der Privatwirtschaft absolut schiedenen Topoi verwendet, einige davon auch unmöglich. Dieser Standpunkt korreliert mit mehrfach. Wiederholt betont Bauer, dass er kei- dem Mitsprache- und Inventartopos. Unter- ne Wertung abgeben will. Die Topoi, so erklärt schwellig unterstellt er den Leserbriefschreibern er weiter, sind eine geeignete Form, um sich (nur ein einziges Leserbriefbeispiel dient als Au- dem Diskurs methodisch zu nähern: So gibt es torisierung), dass sie den Befürwortern der Na- den Analogietopos, bei dem auf die Gleichset- mensablegung empfehlen würden, die Stadt zu zung historischer Personen hingewiesen wird, verlassen. Auch die Instrumentalisierung erhält etwa Caspar David Friedrich oder Martin Lu- einen eigenen Topos, der jedoch wenig Aussage-

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kraft beinhaltet. Einig sind sich die Befürworter Demokratie als die Wichtigsten, die restlichen einer Namensablegung, dass die Nationalsozia- sind marginal vertreten. Die Argumentations- listen und die DDR Arndt für sich vereinnahmt muster der Namensableger stützen sich auf die hätten und dies wäre hinreichend Grund ge- gleichen Topoi, aber eben unter entgegenge- nug, den Namen abzulegen Im Konsequenz- setzten Vorzeichen. Dabei kristallisiert sich der topos wird der Frage nachgegangen, inwieweit »Persönlichkeitstopos« als der am häufigsten sich die Namensdebatte auf die Stadt bzw. auf angeführte heraus, der auch eine enge Bindung die Universität auswirke. Bauer lässt latent eine der Befürworter des Namens an die Ernst-Mo- Sympathie für die Befürworter der Namensab- ritz-Arndt-Universität impliziert. Dieser Argu- legung erkennen, wobei sich fast alle zitierten mentationspunkt kommt bei den Befürwor- Beispiele für Arndt aussprechen. Die Wichtig- tern der Namensablegung fast nicht vor. Den keit der Namensablegung wird im Relevanzto- 79,1 %, die sich für die Beibehaltung des Na- pos untersucht. Dass man sich bei der Debat- mens aussprechen wird (in Teilen) eine »weit- te auf Autoritäten beruft, lässt sich kaum ver- verbreitete Unkenntnis, möglicherweise auch meiden. Dies untersucht Bauer in einem wei- ein Unwillen, hinsichtlich grundlegender Prin- teren Topos. Im Zeitgeisttopos prallen wieder zipien demokratischer Verfahren« unterstellt. Es die Meinungen verhärtet aufeinander. Im wei- schwingt »Furcht vor Fremdbestimmung« mit. testen Sinn geht es um freie Meinungsäuße- Dies ist in Anbetracht der zahlreichen Beiträ- rung, die von einigen Leserbriefschreibern the- ge von Professoren, Doktoren und engagierten matisiert wird. Die Namensdebatte folge dem Bürgern eine unangemessene Beurteilung. Kri- »bloßen Zeitgeschmack« und sei der »political tik an den Hochschulgremien und den wieder- corrcectness« geschuldet. Bauer erkennt in sol- holten Abstimmungen wird mit Unverständnis cherart Äußerungen eine Diskriminierung der an repräsentativer Demokratie gleichgesetzt. Befürworter der Namensniederlegung. Beim Bei den Gegnern der Namensablegung ver- Identitätstopos wird die widersprüchliche Auf- zeichnet Bauer eine höhere Emotionalität, wäh- fassung über den Namen zwischen dem Senat rend die Ableger eher sachlich argumentieren. (tatsächlich haben die meisten Senatsprofesso- »Populismus« und »Demokratie« verzeichnen ren einen westdeutschen Hintergrund) und der in der Debatte eine »ausgeprägte Polysemie«. ostdeutschen/ pommerschen Bevölkerung in Eine demokratische Zeitung habe einen auf- den Leserbriefen thematisiert. Auf die Schwie- klärerischen Auftrag zu erfüllen, deswegen wird rigkeit von Gruppenidentitäten wird aufmerk- am Ende der Analyse die Rolle der Ostsee-Zei- sam gemacht. tung innerhalb der Debatte untersucht. Bauer Mit Hilfe von »deskriptivstatistischen« Darstel- will prüfen, inwieweit die OZ »neben der Rol- lungen (Diagrammen) werden die Anzahl der le der Vermittlerin auch eine den Diskurs len- Leserbriefe im Zeitverlauf und die Vorkom- kende (und) strukturierende Position« wahr- men der Argumentationsmuster durch Bauer genommen hat. Bauer kritisiert die Redakteu- statistisch ausgewertet. Er versucht auch eine re der Greifswalder Lokalausgabe, sie fänden an ungefähre­ Bestimmung des Alters und des Ge- Ernst Moritz Arndt »zumeist positive Attribu- schlechts zu beschreiben. Im Ergebnis haben te, kritische« Aspekte kämen zwar vor, jedoch mehr Männer (ca.75 % in beiden Lagern) an würden solche von dritten vorgetragen. Inter- der Debatte teilgenommen, die (mutmaßlich) essant wird es, wenn Bauer der Ostsee-Zei- älter als 50 Jahre alt waren. Zum Bildungsstand tung »eine Personifizierung des Debattenge- werden keine Angaben gemacht. Es ergibt sich genstands« vorwirft. Da kein Konsens über die bei den Leserbriefen eine Mehrheit für die Bei- Person Ernst Moritz Arndt besteht, kann das behaltung des Namens (79,1 %) und nur 11,1 % Namenspatronat augenscheinlich nicht allein sprechen sich für eine Ablegung aus. Pro Brief im Zentrum der Debatte stehen. Er hält auch werden durch die Schreiber im Durchschnitt gleich einige Ratschläge für die Redakteure be- drei Topoi beschrieben. Dies betrifft ausgegli- reit, die aus »Gründen der Bequemlichkeit« an- chen beide Lager. Bei den Gegnern der Na- stelle von »Umbenennungsgegner« oder »Na- mensablegung (also pro Arndt) gelten die To- menskritiker« lieber von »Arndt-Befürworter« poi Persönlichkeit, Konsequenz, Mitsprache, und »Arndt-Gegner« geschrieben hätten. Leider

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erfülle die Lokalredaktion (Eckhard Oberdörfer terfragt. Solch bornierte Verallgemeinerung ist wird explizit genannt) nicht diesen demokrati- in einer wissenschaftlichen Arbeit unpassend. schen Auftrag, da er keine »eigene(n) Bezugs- Auch seine Bewertung der Pressearbeit und die punkte in der Kontroverse« einbaut. So gibt die Ratschläge für deren Verbesserung sind als inak- Ostsee-Zeitung Argumente beider Seiten wie- zeptabel zu bewerten. der, ohne jeweils kritisch nachzuhaken oder Das Bemühen Philipp Bauers, in die Kontrover- mögliche Unstimmigkeiten aufzudecken, sie se um Ernst Moritz Arndt durch seine Analysen erwecke den Eindruck, dass sie sich von der öf- etwas Ruhe und Ausgewogenheit hineinzubrin- fentlichen Erregung anstecken lasse, die mehr- gen, glaubt der Leser zu Beginn seiner Schrift heitlich durch Arndt-Freunde zum Ausdruck zu erkennen, dies verliert sich aber im Laufe des kommt. Das Blatt wirke als Dienstleister für die Textes durch seinen moralisierenden Impetus. Arndt-Befürworter. Wie weit es mit seinem ei- Der Verdacht der Befangenheit drängt sich auf, genen Demokratieverständnis als Wissenschaft- weil mit dem Autor des Geleitworts als auch ler bestellt ist, zeigt die Kritik Bauers, wenn er mit dem Inhaber des Verlages zwei Befürworter es als »frappierend« bezeichnet, dass die Ost- der Namensstreichung der Arbeit zu einem pu- see Zeitung »jeden Leserbrief« zum Namens- blizistischen Durchbruch verholfen haben. Ob streit veröffentlicht, es wäre bei anderen Medi- die Arbeit einen wissenschaftlichen Wert hat, en »gang und gäbe«, dass sie auswählen wür- darf angezweifelt werden, zumal Bauer selbst den, um denjenigen Beiträgen ein höheres Ge- die Zuverlässigkeit seiner Methode am Ende in wicht zu verleihen, die die Debatte möglichst Zweifel zieht. Der Causa Ernst Moritz Arndt voranbringen. Das bedeutet, dass Briefe, die ist mit dieser Arbeit nicht gedient, ebenso we- sich für die Beibehaltung des Namens ausspre- nig wie den beteiligten Schreibern und den un- chen, die Debatte nicht voranbringen würden. beteiligten, interessierten Beobachtern. Die »staatlich gelenkte« DDR-Wissenschaft, so Bauer, werde in der Ostsee-Zeitung nicht hin- Frank Pöllnitz, Zwönitz

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Beginnend mit dem Band NF 105 (2019) bieten schen Titel haben entweder eine deutsche oder die Baltischen Studien zusätzlich eine Rund- eine englische Übersetzung. Weitere Zeitschrif- schau durch die wichtigsten deutschen und ten aus den Bereichen Landesgeschichte und polnischen Zeitschriften zur Geschichte Pom- Ur- und Frühgeschichte werden auf pommern- merns. Ausschließlich auf Pommern bezogene relevante Beiträge durchgesehen und diese hier Periodika wie die Zeitschrift POMMERN und angezeigt. Es sind die jeweils zuletzt erschiene- das SEDINA-Archiv sowie von polnischer Sei- nen Jahrgänge durchgesehen worden, z. T. wur- te Szczecińskie Studia Archiwalno-Historyczne den auch ältere Jahrgänge berücksichtigt. Für (Stettiner archivalisch-historische Studien) und die Unterstützung sei den Redaktionen der ge- Przegląd Zachodniopomorski (Westpommer- nannten Zeitschriften gedankt, namentlich Dr. sche Rundschau) werden mit vollständigen In- Jana Olschewski, Henry Kuritz und Dr. Paweł haltsverzeichnissen wiedergegeben. Die polni- Gut.

POMMERN. Zeitschrift für Kultur und Gottfried Loeck, Kolberger Ansichten aus der Geschichte, 57. Jg. (2019) zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, S. 10–18 Gottfried Loeck, Kartografische Belege von Heft 1 Pommern mit postalischen Bezügen, S. 19–23 Dirk Schleinert, Tilemann Stellas Beschreibung Elsbeth Vahlefeld, Theodor Fontane und sein der mecklenburgisch-pommerschen Grenze Kut­scher Carl Moll aus Hinterpommern, S. Mitte des 16. Jahrhunderts, S. 4–8 24–29 Nils Petzholdt, Konflikte des 19. Jahrhunderts – Volkmar Tietz, Sagenhaftes Pommern, S. 30–39 Der Stralsunder Schanzenring im deutschen Ei- Hermann Manzke, Katharineum zu Lübeck nigungsprozess, S. 9–17 und Marienstiftsgymnasium zu Stettin. Über Varvara Disdorn-Liesen, »… die beste Erhaltung eine langjährige (1967–2016) Patenschaft zweier und den gedeihlichsten Zuwachs …« Eine Zeit- traditionsreicher Schulen, S. 40–46 reise durch die Geschichte der Kirchenbiblio- Erwin Rosenthal, Johannes Quistorp – ein heu- thek St. Marien Barth, S. 18–26 te fast vergessener sozialer Großunternehmer Erwin Rosenthal, »Swinemünde war, als wir Pommerns, S. 47–48 Sommer 1827 dort einzogen, ein unschönes Nest …«. Zum 200. Geburtstag von Theodor Heft 3 Fontane, S. 27–29 Wolfgang Klietz, Das Rätsel der Magdeburg – Karl-Heinz Sadewasser, Dr. Bernhard Trittelvitz Hat die CIA die Kollision auf der Themse in- – ein pommerscher Arzt und plattdeutscher szeniert?, S. 4–12 Schriftsteller zu seinem 50.Todestag, S. 30–37 Martin Meier, Zum Nachlass Ernst Wiedemanns Dirk Klinger, Wolfgang Marzahn – Ein Pastor im Ernst-Moritz-Arndt Museum Garz, S. 13–16 und Zeichner aus Pommern, S. 38–46 Hans Wolf von Koeller, Land- und Wanderar- Kay von Wedel, Die Baltenschule in Misdroy. beiter in Pommern, S. 17–21 Zum einhundertjährigen Gründungsjubiläum Karl-Christian Boenke, Die Notgeldscheine der 2019. Anfang – Entwicklung – Untergang, S. Feldmühle, Papier- und Zellstoffwerke AG, 47–50 Scholwin bei Stettin, S. 22–28 Dirk Klingner, Dietrich Bonhoeffer in Pom- Heft 2 mern, S. 29–36 Derek Block, Pommersche Auswanderer nach Marc William Ruiken, Das Schlachtfeld im Tol- Texas, S. 4–9 lensetal. Vorschlag für ein Museum, S. 37–39

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Ralf Lindemann, »Immer nur die hohen Bäume Heft 3 um sich her«. Gerhart Hauptmann auf Schloss Willi R. G. Köhler, Zur Zusammenarbeit in Dwasieden, S. 40–41 Vorpommern, S. 513 Bernd Jordan, Ein Buren-Kommandant in Zur Arbeit des Heimatverbandes M-V in Vor- Las­san. Koos Jooste und seine Beziehung zur pommern (Interview), S. 514 Klein­stadt am Peenestrom, S. 42–44 Klaus-Dieter Kreplin, Gefallene des Ersten Katharina von Pentz, Chronik von Papendorf. Weltkrieges der Stadt Usedom, S. 518 Vom Kirchenland zum Rittergut, S. 45–48 Klaus Heyden, Die Statuten der Stadt Stolp in Hinterpommern von 1611, S. 527 Heft 4 lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Margret Ott, Staatsarchiv Köslin unter neuer Leitung, S. 538 Digitalisate zur Geschichte von Stolp, S. 539 SEDINA-Archiv. Familiengeschichtliche Mit­teilungen Pommerns, Bd. 65 (2019) Heft 4 Klaus-D. Kohrt, 20 Jahre Pommerscher Greif, Heft 1 S. 549 Bodo Koglin, Ortsforschung in Pommern, S. David Krüger, S. Die Johannisloge »Friedrich 409 Wil­helm zur Liebe und Treue« in Demmin, S. Norbert Wewezer, Zur Geschichte der Herr- 550 schaft Spyker auf der rügenschen Halbinsel Jas- Lars Severin, Das frühe rügische Geschlecht de- mund, S. 410 rer von Jasmund, S. 557 Dirk Schleinert, Die Lustrationsprotokolle der Robert Kupisiński, Neues im Museumswesen in schwedisch-pommerschen Städte von 1664/65, Stolp und Umgebung 2019, S. 573 S. 426 David Krüger, Demminer Heimatgeschichte, S. 445 Szczecińskie Studia Archiwalno-Historyczne Henry Kuritz, Der Arbeitskreis Heimat- und Familienforschung Stolper Lande (AKFF), S. Jg. 2017 448 Studia i materiały (Studien und Abhandlungen) Rainer Steingräber, Ortschronikarbeit zu Kun­ Radosław Pawlik, Archidiakoni pyrzyccy (XV– sow und Zirchow im Kreis Stolp, S. 452 XVI w.). Uzupełnienia do zestawień (Die Archi­ Hermann Seils, Die Einwohner von Stolpmünde diakone von Pyritz (15.–16. Jh.). Beiträge zu den in ausgewählten Jahren: 1580–1714/1717, S. 456 Verzeichnissen), S. 11 Klaus-Dieter Kreplin, Zur Gründung von Som- Janina Kosman, Z bibliotecznej półki: Cosmo- min im Kreis Bütow, S. 467 graphia Sebastiana Münstera (Aus dem Biblio- theksschrank: Die Cosmographia Sebastian Heft 2 Münsters), S. 27 Bolko Raffel, Zur Recherche im Lastenaus- Maciej Szukała, Źródła do dziejów admini- gleichsarchiv Bayreuth (LAA), S. 477 stracji parafialnej i kościołów w aktach Kon- Andreas Leipold, Recherchen im Lastenaus- systorza Prowincji Pomorskiej w Szczecinie gleichsarchiv Bayreuth, S. 478 (Quellen zur Verwaltungsgeschichte der Pfar- Karsten Kühnel, Die Benutzung im Lastenaus- reien und Kirchen im Bestand Konsistorium gleichsarchiv für die private Ahnenforschung, der Provinz Pommern in Stettin), S. 39 S. 479 Paweł Gut, Z dziejów politycznych i ustroju ko- Klaus-Dieter Kreplin, Pommern im Deutschen munalnego Węgorzyna w XIX i początkach XX Geschlechterbuch, S. 483 w. (Geschichte der politischen und kommuna- Stefan Sienell, Kolberger als Neubürger in Star- len Verfassung Wangerins im 19. und zu Beginn gard (1668–1820), S. 484 des 20. Jh.), S. 53 Klaus-Dieter Kreplin, Verordnete Chroniken Bartosz Sitarz, Działania polskiej administracji als Quellen für die Ortsgeschichte am Beispiel lokalnej na rzecz korekty i demarkacji granicy Pommerns, S. 492 państwowej na odcinku zachodniopomorskim

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w latach 1945–1950 (Die Tätigkeit der polni- valien über die Ereignisse in Stettin im Dezem- schen Regional-Verwaltung bei der Korrektur ber 1970 im Bestand des Staatsarchivs Stettin), der Grenze in Westpommern 1945–1950), S. 69 S. 101 Przemysław Benken, Uwagi na temat życiorysu i twórczości popularyzatora dziejów drugi- Der Jg. 2019 erscheint im Frühjahr 2020. ej wojny światowej na morzu Zbigniewa Li- sowskiego (Anmerkungen zur Biographie Zbi- gniew Lisowskis und zu seinen Arbeiten über Przegląd Zachodniopomorski, Rocznik die Geschichte des Zweiten Weltkriegs auf dem XXXIII (XLII) 2018 Meer), S. 101 Urszula Markiewicz, Państwowe Stado Ogierów Heft 1 w Łobzie. Historia powstania i działalność (Das Małgorzata Cieśluk, Carolinum redivivum. Tea- Landesgestüt in Labes. Zur Geschichte der ching Crisis in the Royal Carolingian Gymna­ Gründung und Tätigkeit), S. 121 sium in Szczecin in the Years 1679–1680 in Joanna Glatz, NSZZ »Solidarność« (1980–1989) the Light of Didactic Documentation of the w zasobie Archiwum Państwowego w Szczecinie School, S. 5 (Der Unabhängige Selbstverwaltete Gewerk- Zygmunt Szultka, Elementary Rural Schools schaftsbund »Solidarität« in den Beständen des Financed by the Educational Fund in Prussian Staatsarchivs Stettin), S. 131 Pomerania in the Years 1777–1807, S. 35 Anna Kandybowicz, Przesiedlenia i mienie za­ Agnieszka Gut, Sources of Heraldic Knowledge bu­żańskie – aspekty prawne (Umsiedlung und of Ludwig Wilhelm Brüggemann. Urban Coats Ostumsiedlerbesitz – rechtliche Aspekte), S. 159 of Arms in Ausführliche Beschreibung des ge- genwärtigen Zustandes des Königl. Preussi- Jg. 2018 schen Herzogtums Vor- und Hinter-Pommern, Studia i materiały (Studien und Abhandlungen) S. 79 Paweł Gut, Z dziejów społecznych Węgorzyna Adam Wątor, The Strategic Role of the Szcze- w XIX i początkach XX w. Część 2 (Sozialge- cin Stronghold during the 1806–1807 War, S. 99 schichte von Wangerin im 19. und zu Beginn Urszula Kozłowska, The Organisation of Health des 20. Jh., Teil 2), S. 11 Service of Workers in Western Pomerania in the Kacper Pencarski, Kolej wąskotorowa w powie- Years 1945–1955. Introduction, S. 121 cie słupskim w latach 1895–1945 ze szczególnym Ryszard Techman, The Czechoslovak Navigati- uwzględnieniem przemian w strukturze orga- on on the Oder River in the Years 1947–1957, nizacyjnej przedsiębiorstw »Stolpetalbahn«, Part 1, S. 145 »Stolper Kreisbahn« und »Stolper Kreisbah- Andrzej Chludziński, Biblical Motifs in Geogra- nen« (Kleinbahnen im Kreis Stolp, insbeson- phical Onomastics in Western (Szczecin), S. 169 dere Veränderungen in der Organisationsstruk- Zbigniew Głąbiński, The Relationship between tur der Unternehmen »Stolpetalbahn«, »Stolper the Marriages of the County and the Kreisbahn« und »Stolper Kreisbahnen«), S. 37 Development of Tourism in the Light of Quali- Anna Kandybowicz, Druki szkolne w zasobach tative Research, S. 191 archiwalnych. Dzienniki lekcyjne z lat 1946– Jacek Knopek, The historical evening and the 1967 (Schulunterlagen im Bestand des Archivs. philatelic exhibition in Koszalin commemora- Klassenbücher von 1946 bis 1967), S. 65 ting the general Wladyslaw Anders, S. 231 Beata Weinar, Zakłady Przemysłu Odzieżowego Edward Rymar, Parenthetically the new outli- »Odra« w Szczecinie – dzieje przedsiębiorstwa ne of the politics of dukes Barnim I and Bogu- w świetle materiałów archiwalnych Archiwum slaw IV, S. 237 Państwowego w Szczecinie (Bekleidungswerk »Oder« in Stettin – Geschichte des Betriebes Heft 2 nach den Akten des Staatsarchivs Stettin), S. 83 Piotr Majewski, An Educated Museologist / Bartosz Sitarz, Materiały archiwalne do wydar­ Museum Worker in the Modern Museum, an zeń Grudnia 1970 roku w Szczecinie w zasobie Attempt to Assess the Present State and the Pro- Archiwum Państwowego w Szczecinie (Archi- spects for Change, S. 5

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Katarzyna Barańska, Between Practice and Zygmunt Kozak, Changes in Security Systems Theory. In Search for a Model to Improve Mu­ at Airports in the Context of Terrorist Threats, seo­logists’ / Museum Workers’ Qualifications, S. 191 S. 19 Tomasz de Rosset, Loose Reflections on the Hi- Heft 4 story of Arts in the Sphere of Museology, S. 27 Wprowadzenie / Einführung, S. 7 Michał F. Woźniak, Museology as University Michael North, Secularisation – Rebellion – Studies (Specialisation) in Toruń. Organisatio- Mi­gration – Innovation. Various Economic Ef- nal Meanders and Syllabus Intricacies, S. 37 fects of the Reformation in the Baltic Sea Re- Małgorzata Wawrzak, On the Museological gion, S. 9 Education, Post-Graduate Studies at the Facul- Jürgen Herold, Hingabe an den Glauben. Zeug- ty of Fine Arts of the Mikołaj Kopernik Univer- nisse von Frömmigkeit in pommerschen In- sity in Toruń, S. 49 schriften vom Mittelalter zur Neuzeit, S. 33 Małgorzata Machałek, The Museum Vision of Katja Hillebrand, Städtische Führungseliten the Future of Western Pomerania, from ›the und ihre kirchlichen Großbauprojekte. Zwi- Homeland of Many‹ to the Dialogue Centre schen Frömmigkeit, Repräsentation und finan- ›Breakthrough‹, S. 65 zieller Leistungsfähigkeit, S. 53 Magdalena Szymczyk, The 50th Anniversary of Dirk Schleinert, Die Franziskaner und das Klo- the Museum of the Myślibórz Lake District, S. ster St. Johannis im städtischen Leben Stral- 83 sunds im 15. und frühen 16. Jahrhundert, S. 85 Nina Gallion, Exemt, frei und unabhängig? Die Heft 3 Bischöfe von Kammin in vorreformatorischer Andrzej Aksamitowski, Military and Terrorist Zeit, S. 95 Threat to the Towns and Ports of West Pomera- Haik ThomasPorada , Die Entwicklung der Sa- nia. Historical and Modern Aspects, S. 5 kraltopographie einer pommerschen Landstadt Marek Cupryjak, The Area of the West Pome- vor und nach der Reformation – Grimmen im ranian Voivodeship as a Potential Target of At- 16. Jahrhundert, S. 125 tacks, S. 27 Oliver Auge, Landesherrschaft und Kirche in Renata Gałaj-Dempniak, Nuclear Power Plant Pommern vor der Reformation, S. 141 Failures and their Impact on the Critical Infra- Dirk Alvermann, Pommern als Bildungsland­ structure and the Life of the European Socie- schaft vor der Reformation – Elemente, Struk- ties Exemplified with the Failures in Fukushi- turen, Funktionen, S. 161 ma, Chernobyl and Tihange in the Context of Joachim Krüger, – Johannes Bugenhagen und Media Information, S. 39 die Grafenfehde – Aspekte der Reformation im Piotr Chrobak, The Critical Infrastructure in südwestlichen Ostseeraum, S. 181 the Programmes of the Civic Platform (CP, Po- Rafał Simiński, Valuables of the Pomeranian lish: PO) of the Republic of , S. 69 Monasteries in the Light of the Registers of the Michał Pozorski, The Japanese Intelligence Ser- Period of Secularisation in the First Half of the vice and its Mistakes during the Pacific War. 16th Century, S. 201 Which Mistakes Should Be Avoided, S. 95 Zygmunt Szultka, The Process of Transformati- Henryk Walczak, Józef Piłsudski and the Po- on of Ecclesiastical Relations in the Kashubian lish-Romanian Alliance in the Interwar Peri- Language Area of the Szczecin/Stettin Duchy in od, S. 109 the 15th Century, S. 225 Urszula Kozłowska, In Search for a Model of Anna Gut-Czerwonka, The Impact of the Re­ Health in Poland after WW2 – from the State’s formation­ and the Counter-Reformation on Health Service to the Public Health Care (1945– the Contents of the Epitaphs in Central Po­me­ 2009), S. 137 ra­nian Exemplified with Selected Items, S. 259 Tomasz Sikorski, A Vision (Visualisation) of Agnieszka Borysowska, Literary Setting of the the Post-War State in the Political Ideology of 100th Anniversary of the Reformation in the the Clandestine Organisation ›Union‹ (Polish: Stettin/Szczecin Duchy, S. 285 »Unia«), S. 155

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Dennis Hormuth, Die Reformation in Pom- Archäologische Berichte aus Mecklenburg- mern in der deutschsprachigen Historiographie Vorpommern 1900–1990, S. 299 Paweł Migdalski, Die Darstellung der Reforma- Bd. 25 (2018) tion in Pommern in Veröffentlichungen aus der Elke Schanz und Enrico Darjes, Ausgewählte Zeit des kommunistischen Polen, S. 315 Funde von der Steinzeit bis in die Vorrömische Eisenzeit aus dem Tollensetal zwischen Tückhu- Der Jg. 2019 lag bei Redaktionsschluss noch de und Altentreptow, Lkr. Mecklenburgische nicht vor. Seenplatte, S. 5–30. Jens Ulrich, Germanische Körpergräber von Polchow und Spyker, Lkr. Vorpommern-Rü- Zeitgeschichte regional. Mitteilungen aus gen, S. 39–51. Meck­lenburg-Vorpommern, 22. Jg. (2018) Jörg Ansorge, Archäologische Untersuchungen am Kavelpass bei Friedland, Lkr. Mecklenbur- Heft 1 gische Seenplatte, S. 52–66. Gabriele Förster, Ländliche Volksschulen in Ralf Jänicke, Gebäudereste aus der Stadtgrün- Pom­mern während der Weimarer Republik, S. dungszeit Altentreptows, Lkr. Mecklenburgische 28–39 Seenplatte, sowie ein bemerkenswerter Apothe­ ­ Thomas Bartels, Das Kriegsgefangenen-Mann- kenabfall aus dem 18. Jahrhundert, S. 90–108. schafts-Stammlager II C – Neue Erkenntnisse Jörg Ansorge, Tabakwerbung und Renaissance- zu den Strukturen sowie zum Alltag der Kriegs- kacheln aus den Gewölbeschüttungen im Was- gefangenen in Greifswald und Umgebung, S. serschloss Quilow, Lkr. Vorpommern-Greifs- 40–52 wald, S. 119–129. Jenny Linek, »Denn es ist ja nicht immer leicht, Hasso Zwahr und Nick Dobusch, Die Glashüt- Betriebsarzt zu sein«. Prävention und Gesund- ten auf dem Scharmützel (Scharmützelhütte) heitsförderung im Betriebsgesundheitswesen bei Ferdinandshof (1705–1749) und Johannes- des Bezirks Rostock in den 1950er bis 1970er berg (1722–1768/69), ihre Geschichte und die Jahren, S. 58–73 bislang bekannten Glassiegel, S. 130–167. Wolfgang Klietz, Rügenhafen, S. 74–80 Willi Lampe und C. Michael Schirren, Der Tra- dition verpflichtet, S. 168–170. Heft 2 Ingwer Ernst Momsen, Dreihundert Bauern Bd. 26 (2019) zo­gen 1934–1938 aus Schleswig-Holstein nach Andreas Selent, Ein neues trichterbecherzeit- Meck­lenburg und Vorpommern. Wie der Kie- liches Flachgrab bei Pasewalk, Lkr. Vorpom- ler Siedlungsbeamte Ernst Momsen die West- mern-Greifswald, im Rahmen der EUGAL- Ost-Siedlung organisierte, S. 32–45 Pipeline-Grabungen, S. 5–11. Elke Schanz und C. Michael Schirren, Die Her- Jg. 2019 lag bei Redaktionsschluss noch nicht de wächst… Die Ringerfigürchen der Römi- vor. schen Kaiserzeit in Mecklenburg-Vorpommern, S. 48–67. Andreas Selent, Ein figürlicher slawisch-wikin- Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vor- gischer Bronzebeschlag aus Heinrichshof, Lkr. pommern, Bd. 65 (2017) Vorpommern-Greifswald, S. 68–74. Heide Großnick, Wittow und Jasmund – zwei C. Michael Schirren, Simsons Kampf – Ein spät- slawische Siedlungskammern auf der Insel Rü- romanischer Gürtelbeschlag aus Schmoldow, gen, Lkr. Vorpommern-Rügen, S. 103–125. Lkr. Vorpommern-Greifswald, S. 59 Heiko Schäfer, Zu den spätmittelalterlichen Bleiplomben aus Mecklenburg-Vorpommern, Ist der letzte bislang erschienene Jg. S. 126–141.

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Blätter für deutsche Landesgeschichte Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Bd. 28 (2018) Bd. 152 (2016) Dirk Schleinert, Agrarwirtschaft in Vorpom- Abhandlungen und Aufsätze mern im 19. Jahrhundert, S. 329–341 Hans-Christof Kraus, Preussen im deutschen Wolfgang Blöss, Verwaltungsstrukturreform im Geschichtsbild nach 1945, S. 125–239 Dritten Reich. Das Beispiel Vorpommern und seine Folgen, S. 463. Berichte und Kritik Ulrich van der Heyden, Islam in Preussen, S. Bd. 153 (2017) 141–145 Detlef Brunner, Landesgründung und Besat- Hendrik Thoß, Vom ein- zum mehrkonfessio- zungspolitik in der SBZ – Das Beispiel Meck- nellen Landesstaat: Die Religionsfrage in den lenburg-Vorpommern, S. 133–142 Brandenburgisch-Preussischen Territorien vom 16. bis zum frühen 18. Jahrhundert. Bericht zu Bd. 154 (2018) den Jahrestagungen der Preußischen Histori- Dirk Schleinert, Das »Greifswald-Stralsun­der schen Kommission vom 3.–5. November 2016 Jahrbuch« und die »Demminer Kolloquien zur sowie vom 2.–4. November 2017 in Berlin, S. Ge­schichte Vorpommerns«. Zwei Projekte zur 189–208 Vermittlung­ der pommerschen Landesgeschich- te in der DDR, S. 121–144

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