Pressemitteilung

Erstmals ein Kinderbuch der Exilautorin Ilse Losa in Deutschland erschienen

„Die Kindheit ist das einzige Paradies, aus dem uns niemand vertreiben kann.“

(Ilse Losa im Interview mit Peter Hamm 1992)

Beatriz e o Platano – Beatriz und die Platane ist der Titel des Kinderbuchs, das der Dortmunder Oxalà Editora – Autores da Diasporà jetzt in einer bilingualen Ausgabe vorgelegt hat - ins Deutsche übersetzt von Isabel Remer. Darin setzt sich das mutige, gewitzte und kluge Mädchen Beatriz gegen die Obrigkeit durch und rettet für die Bewohnerinnen und Bewohner ihres Viertels eine riesige Platane vor dem Fällen im Auftrag der Stadtverwaltung. Das 1976 in veröffentlichte Bilderbuch mit schönen Illustrationen der niederländischen Künstlerin Lisa Couwenbergh ist lange vor den Kämpfen um die Rettung des Hambacher und des Dannenröder Forstes erschienen, hat aber nichts von seiner Aktualität eingebüßt.

Die Autorin Ilse (Lieblich-)Losa gehört zu den herausragenden Exilschriftstellerinnen, die in Deutschland vom Vergessen bedroht sind. Sie wurde 1913 in Buer bei Melle in der Nähe von Osnabrück geboren. Ihrer jüdischen Herkunft wegen musste sie unter der nationalsozialistischen Herrschaft Deutschland 1934 verlassen. Sie emigrierte nach Portugal und heiratete den Architekten Arménio Losa. Dort nahm sie die portugiesische Staatsangehörigkeit an. Bis zu ihrem Lebensende lebte sie in und wurde durch ihre auf Portugiesisch verfassten Romane, Essays und Kinderbücher zu einer bekannten Autorin. Als Lektorin und Übersetzerin war sie für portugiesische und deutsche Verlage tätig, unter anderem als Mitherausgeberin mehrerer Anthologien portugiesischer Erzählungen in der DDR. Sie übersetzte die Tagebücher der Anne Frank ins Portugiesische sowie weitere deutsche Autor*innen – so Thomas Mann, , , Peter Härtling, Heinrich Böll, Ingeborg Bachmann, , Ilse Aichinger. So wurde sie zu einer kulturellen Brückenbauerin zwischen Portugal und Deutschland.

In Deutschland ist Ilse Losa bisher wenig bekannt. Ihr erster Band mit Erzählungen ist 1967 in der DDR erschienen, die sich früher als die BRD um Exilierte und deren Literatur gekümmert hat. Erst seit 1990 sind zwei ihrer Romane und ein Band mit Erzählungen auf Deutsch veröffentlicht worden. Ihr Erstling, der autobiographisch geprägte Roman O mundo em que vivi, 1949 auf Portugiesisch und als Die Welt in der ich lebte 1990 bei Beck & Glückler in Freiburg auf Deutsch publiziert, verschaffte der Exilautorin im Westen Deutschlands erstmals eine gewisse regionale und überregionale Bekanntheit, da er eine untergegangene Welt wachrief, die dem deutschen Publikum vertraut war. Nach Kontakten zur Familie und einem ehemaligen Lehrer kam es 1988 und 1990 zu Lesungen in Melle und Osnabrück und damit zu Besuchen in die aus ihrer Kindheit so vertraute Umgebung, die in vielen ihrer Texte einen Nachhall gefunden hat. Mit ihrem zweiten Roman Unter fremden Himmeln, der das Leben eines Exilierten im Portugal Salazars schildert, fand Ilse Losa weniger Resonanz. Wohl deshalb blieben ihr dritter Roman sowie ihre Essays und ihre Reiseberichte aus den USA unübersetzt. Dasselbe gilt für ihre 21 Kinderbücher – Bilderbücher, gesammelte Erzählungen, Theaterstücke. Für diese wurde sie in Portugal einem größeren Publikum bekannt, in den nationalen Leseplan für die Schulen aufgenommen und mehrfach preisgekrönt.

1982 erhielt sie den Gulbenkian-Preis für das beste Kinderbuch (Na quinta das Cerejeiras). 1984 wurde sie mit dem Gulbenkian-Preis für ihr gesamtes Kinderbuch- Oeuvre und 1987 von der Internationalen Jugendbibliothek in München ausgezeichnet. 1991 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz. Ilse Losa 1988 in Melle Foto: Doris Horst, NOZ-Archiv

Es ist Zeit, Ilse Losas Bücher für Kinder endlich auch in Deutschland für kleine und große (Vor)Leser*innen zu entdecken, denn sie behandeln in einer kindgerechten, metaphernreichen poetischen Sprache höchst aktuelle Themen - Migration, Verlust von Heimat, Umweltthemen, Freundschaften zwischen Wesen aus unterschiedlichen Lebenswelten und sozialen Schichten …..

M i t Beatriz und die Platane ist ein Anfang gemacht. Die Publikation ist das erste Ergebnis des von der Kunsthistorikerin und Exilforscherin Dr. Irene Below, Werther/Westf. und der Autorin und Bildenden Künstlerin Barbara Daiber konzipierten und durchgeführten Projekts Eine Brückenbauerin zwischen Deutschland und Portugal: Ilse Losa und ihre Bücher für Kinder.

Ziele unseres Projekts sind es, weitere Kinder- und Jugendbücher auf Deutsch zu publizieren und llse Losas faszinierendes Werk durch Lesungen sowie Veranstaltungen u.a. beim Gastlandauftritt von Portugal auf der Leipziger Buchmesse 2021 zu präsentieren und ihm so einen gebührenden Platz in der Geschichte der Exilliteratur zu sichern.

Unser Dank gilt der Friedel & Gisela Bohnenkamp-Stiftung in Osnabrück, der Initiative Lesen gegen das Vergessen in Bielefeld und dem Kulturzentrum Wilde Rose in Melle sowie dem entstandenen Netzwerk von Menschen und Akteur*innen, die unser Vorhaben unterstützen. Das Buch ist ab 27. 11. 2020 erhältlich bei der Buchhandlung Sutmöller, Melle ; Buchhandlung Mondo und Kinderbuchhandlung Kronenklauer, Bielefeld; Altstädter Bücherstuben, Osnabrück, bei der portugiesischen Buchhandlung TFM in Frankfurt unter https://www.tfmonline.de/ oder direkt beim Verlag unter https://oxalaeditora.com/product- category/publicacoes-oxala-editora/.