SWR2 Musikstunde
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SWR2 MANUSKRIPT SWR2 Musikstunde Gaetano Donizetti – Meister des Belcantos (1) Mit Ulla Zierau Sendung: 29. Januar 2018 Redaktion: Dr. Ulla Zierau Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Musikstunde können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2- Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de SWR2 Musikstunde mit Ulla Zierau 29. Januar – 02. Februar 2018 Gaetano Donizetti – Meister des Belcantos (1) Signet Gaetano Donizetti ist der Meister des Belcantos. Lucia, Maria, Adina, Lucrezia, Anna, Linda, Marie, Norina, so heißen seine unendlich schön singenden Frauen, die kennen Sie nicht alle? Macht nichts, Sie werden sie in dieser Woche kennen und vielleicht auch lieben lernen. Eine Musikstundenwoche für Opernfreunde und die, die es werden wollen. Wir begleiten den Meister des Schöngesangs, Gaetano Donizetti durch sein Leben. Ihr Guide ist Ulla Zierau. Titelmusik Ohne Frage reihen wir Gaetano Donizetti unter die großen italienischen Opernkomponisten des 19 und 20. Jahrhunderts ein, Rossini, Bellini, Verdi, Puccini. Stellt sich jedoch die Frage nach seinen nahezu 70 Opern, dann kommt man schnell ins Grübeln. Eine davon, ist vermutlich allen bekannt, seine populärste tragische Oper, d i e romantische italienische Liebesoper schlechthin. Gustave Flauberts Romanfigur Madame Bovary lässt sich von ihr zu ungeahnten Regungen führen. Beim Gesang der Lucia di Lammermoor verspürt Emma Bovary den Widerhall ihres eigenen Innern. Über neun Seiten beschreibt Flaubert den Opernbesuch in Rouen und die Gedanken Emmas. „Lucia stimmte mit ernster Miene ihre Kavatine in G-Dur an; sie beklagte ihre unglückliche Liebe, sie wünschte sich Flügel. Emma hätte sich ebenfalls gern, das Leben fliehend, in eine Umarmung geflüchtet.“ Musik 1 Gaetano Donizetti: Lucia di Lammermoor: Kavatine der Lucia (1.Akt) Edita Gruberova, Sopran SWR Sinfonierochester Baden-Baden und Freiburg; Ltg.: Friedrich Haider SWR M0024236 008, 3’33 2 Kavatine der Lucia aus dem 1. Akt der "Lucia di Lammermoor" von Gaetano Donizetti mit Edita Gruberova. Friedrich Haider leitete das SWR Sinfonierochester Baden-Baden und Freiburg. Neben der Lucia sind nur wenige Opern Donizettis im internationalen Repertoire gelangt. "Don Pasquale" gehört mit Mozarts "Figaro", Rossinis "Barbier" und Verdis "Falstaff" zu den Eckpfeilern der komischen italienischen Opern. "L’elisier d’amore“ – „Der Liebestrank" zählt weltweit zu den rührendsten Pastoralstücken und "La fille du régiment“ – Die Regimentstochter" ist der Franzosen liebstes Stück. Sie ist noch heute fester Bestandteil der Feierlichkeiten zum 14. Juli, nicht nur wegen der Militärmusik, sondern auch wegen der liebreizend, komischen Geschichte: das Findelkind Marie wird von den Soldaten eines französischen Regiments groß gezogen und im Gesangsunterricht singt sie dann auch lieber die Regimentshymne als Belcanto-Arien. „Lucia di Lammermoor“, „Don Pasquale“, „Der Liebestrank“ und „Die „Regimentstochter, das sind gerade mal vier Opern von 70. Dem Engagement einiger Sängerinnen, unter ihnen Joan Sutherland und Edita Gruberova –verdanken wir in den vergangenen Jahrzehnten eine Donizetti Renaissance, mit Werken wie "Anna Bolena", "Maria Stuarda", "Lucrezia Borgia", "Roberto Devereux", "La Favorita" oder "Maria di Rohan". Aber wer hat je etwas von "L´esule di Roma", "Rosmonda d’Inghilterra", "Gemma di Vergy", „Emma di Liverpool“, „Elvida“ oder "Ugo, conte di Parigi“ gehört. Von vielen Donizetti-Opern gibt es nicht einmal eine Aufnahme, geschweige denn auch nur eine Arie. Und wie sieht es mit seinem Leben aus. Auch darüber wissen wir nur wenig. Ganz anders als bei Rossini, über dessen Privatleben zahlreiche Anekdoten kursieren oder bei Giuseppe Verdi. Denken wir an ihn sehen wir das Bild eines alten, eigensinnigen Gran Signore, der sich gerne als Bauer von Sant‘ Agata präsentierte. Und welches Bild verbinden wir mit Donizetti? Ich behaupte mal keines. Wer war Gaetano Donizetti. In welchem Umfeld hat er gelebt, was hat ihn geprägt, wer waren seine Freunde, welche Ziele hat er verfolgt? 3 Was für ein Verhältnis hatte er zu seiner Musik, zu seinen Heldinnen auf der Bühne? Hat er selbst gesungen, hat er Geige gespielt, war er Pianist, liebte er Walzer? Musik 2 Gaetano Donizetti: Walzer für Klavier zu vier Händen C-Dur Larissa Kondratjewa, Reinhard Schmiedel (Klavier) M0014429 001, cpo 999163-2, 1‘04 Larissa Kondratjewa und Reinhard Schmiedel mit dem letzten Teil aus dem Walzer für Klavier zu vier Händen C-Dur von Gaetano Donizetti. Um den italienischen Opernkomponisten, den Meister des Belcantos, des Schöngesangs geht es in der SWR2 Musikstunde dieser Woche. Heute betrachten wir die frühen Jahre in seiner Geburtsstadt Bergamo und in Bologna. Morgen werden es die ersten Prüfsteine auf italienischen Bühnen sein, der Kampf um die Anerkennung an der Scala und die Konkurrenz mit Bellini. Am Mittwoch und Donnerstag begleiten wir Donizetti auf dem steinigen Weg nach Paris, wo er mit seinen komischen Opern Erfolge feiert und er endlich den Höhepunkt seiner Laufbahn erreicht. Am Freitag werden wir in Wien sein, wo er am Ende seiner Karriere in den Diensten des Kaisers steht, dann folgen die traurigen Jahre seiner Krankheit. Gerade er, der den Wahnsinn so kunstvoll auf die Bühne gebracht hat, stirbt in geistiger Umnachtung. Musik 3: Gaetano Donizetti: "Lucia di Lammermoor," Wahnsinnsarie Bearbeitung für Flöte, Klarinette und Klavier M0081059 001, 3‘10 Die Karlsruher Solisten: Dagmar Becker, Wolfgang Meyer und Werner Genuit spielten einen Ausschnitt aus der Wahnsinnsszene der Lucia aus „Lucia di Lammermoor" in einer Bearbeitung von Arthur Brooke. 4 Nach Wunderkind-Geschichten sucht man bei Donizetti vergeblich. Domenico Gaetano Maria Donizetti - so der vollständige Taufname- kommt im oberitalienischen Bergamo als fünftes von insgesamt sechs Kindern zur Welt, zwei sterben im Säuglingsalter. Die Donizettis leben außerhalb der Stadtmauern. Das ist ein eindeutiges Indiz für die finanziell schlechte Lage der Familie. Die Behausung gleicht eher einem Keller als einer Wohnung, zwei muffige Räume im Untergeschoß. "Ich war unter der Erde des Borgo Canale geboren - man musste eine Kellertreppe hinuntersteigen, zu der kein Lichtschein je eindrang." Erinnert sich Donizetti. Die erbärmlichen Umstände seiner Kindheit belasten Donizetti zeit seines Lebens. Das Verhältnis zum Vater ist schwierig. Der glaubt nicht an seinen Sohn und hält einen Aufstieg als Opernkomponist für unmöglich. Egal ob Erfolg oder Niederlage Donizetti hat dem Vater gegenüber immer ein schlechtes Gefühl. Einerseits hält ihn der Vater für größenwahnsinnig, andererseits für einen Versager. Nicht einmal zu seiner Hochzeit lädt Donizetti seine Eltern ein, sie lernen seine Frau niemals kennen. Erst als Donizetti ein anerkannter Komponist ist, bessert sich die Beziehung zu seiner Familie, auch zu seinem älteren Bruder Giuseppe, der Hofmusiker beim türkischen Sultan ist. Nach einigen Jahren kann sich die Familie endlich eine bessere Wohnung innerhalb der Oberstadt leisten. Der Vater ist inzwischen Pförtner in der städtischen Pfandleihe. Um das Talent der Kinder kümmern sich die Eltern nicht. Der Musiktradition der Stadt Bergamo und dem Einsatz eines deutschen Komponisten verdankt Donizetti seine musikalische Förderung. Johann Simon Mayr, in Bayern geboren, lässt er sich nach seinen Studien am Jesuitenkolleg in Ingolstadt, in der Lombardei, in Bergamo nieder. Er komponiert über 50 Opern, Kirchenmusik, Kammer- und Orchestermusik. Als Kapellmeister an San Maria Maggiore in Bergamo schreibt er das Miserere g-Moll, die Vertonung des Psalms 51. 5 Musik 4 Johann Simon Mayr: Miserere g-Moll, Asperges me Jaewon Yun, Sopran; Theresa Holzhauser, Alt Robert Sellier, Tenor; Jens Hamann, Bass Simon Mayr Chor Mitglieder des Chores der Bayerischen Staatsoper Concerto de Bassus, Leitung: Franz Hauk Naxos LC 05537, Nr. 8.573782, 3‘06 Asperges me, befreie mich von Blutschuld aus dem Miserere g-Moll von Johann Simon Mayr in einer neuen Ersteinspielung. Franz Hauk leitete den von ihm begründeten Simon Mayr Chor verstärkt durch Mitglieder des Chores der Bayerischen Staatsoper und das Concerto de Bassus. Als Komponist erlangt Mayr kein allzu großes Ansehen, aber als Lehrer. Mit der Unterstützung des Kirchenrates von Santa Maria Maggiore gründet er in Bergamo eine Chorsängerschule und erweitert sie um Literaturkurse, Geigen- und Cembalo- Unterricht. Da die Schule kostenfrei ist, meldet Vater Donizetti seine beiden Söhne in Mayrs Institut an, den ältesten Giuseppe mit 18 Jahren und den jüngsten Gaetano mit 9 Jahren. Giuseppe wird abgelehnt, er ist schon zu alt. Gaetano hingegen wird aufge- nommen. Doch der Start als Chorknabe läuft nicht glatt. Er leide an einem "Kehlkopfdefekt", heißt es, in Wirklichkeit kann er gar nicht singen. In den Schulzeugnissen steht, er habe eine fehlerhafte Stimme. Was sucht ein solcher Junge auf einer Chorschule? Eigentlich nichts und so steht der Ausschluss kurz bevor. Doch Mayr glaubt an die musikalische Begabung seines Schützlings und fördert ihn weiter.