Brückenschlag von Wagner zu Hitler?

Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain

Autor: Dr. Sven Brömsel

Redaktion: Dr. Monika Künzel

Regie: Stefan Hilsbecher

SprecherInnen: Sprecherin 1: Doris Wolters Erzählerin Sprecher 2: Marcus Grube Houston Stewart Chamberlain Sprecherin 3: Verena Buss Sprecher 4: Folkert Dücker Walther Rathenau Sprecher 5: Joachim (Jo) Jung Alfred Kerr, Emil Ludwig, Theodor Mommsen u.a. Sprecher 6: Rudolf Guckelsberger Hellmut von Gerlach, Richard Wagner Sprecher 7: Robert Rociz Hermann Levi Sprecher 8: Marcus Michalski Karl Kraus

Im Originalton: Prof. Dr. Dr. Udo Bermbach

Sendetermin: 26. Januar 2019 Deutschlandfunk Kultur 26./27. Januar 2019 Deutschlandfunk ______Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © Deutschlandradio - unkorrigiertes Exemplar - insofern zutreffend. 1. Stunde

Musik: Richard Wagner – Meistersinger, Vorspiel, 1. Absatz untergelegt

Sprecherin 1: Chamberlain ist heute nur noch als Schwiegersohn Richard Wagners und Bayreuther Apostel bekannt. Gleichzeitig ist er ein antisemitischer Wortführer um 1900, der eine „Germanologie“ schrieb, die die Ideologie der Nationalsozialisten beeinflusste. Unbekannt ist, dass er nicht nur vom deutsch-völkischen Spektrum rezipiert wurde, sondern freundschaftliche Beziehungen zu Intellektuellen jüdischer Herkunft pflegte. In den Augen der Zeitgenossen Chamberlains wurde dessen Hauptwerk Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts allerdings weniger als Rassentheorie, denn als sozialphilosophische Analyse wahrgenommen. Seine Bücher zu Wagner, Kant und Goethe wurden geradezu gefeiert, gehörte doch der Autor zu den wirkungsmächtigsten Publizisten der Wilhelminischen Epoche. Er war mit Rudolf Kassner und Graf Hermann Keyserling befreundet, stand im Briefwechsel mit Wilhelm II., Adolf von Harnack und Albert Schweitzer – aber auch jüdische Feingeister interessierten sich für Houston Stewart Chamberlain. Der Brite hatte – und das ist bislang weitgehend unbekannt – das geistige Klima seiner Zeit deutlich beeinflusst, und zwar auch jenseits antisemitischer Floskeln und Einstellungen, die damals in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Kreisen weit verbreitet waren. Beispielsweise hatte sein Goethebuch maßgeblich auf die berühmten Monografien Georg Simmels und Friedrich Gundolfs gewirkt; Hugo von Hofmannsthal schrieb, dass es „ein höchst bedeutendes Buch“ sei und Walter Benjamin bemerkte, dass es unter den „Darstellungen, die es mit Goethe als Vorbild zu tun haben, die bemerkenswerteste“ ist. Sein epochales Werk Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts, das über dreißig Auflagen erlebte, hatten die einflussreichsten Intellektuellen der Zeit, unter ihnen Thomas Mann, Egon Friedell und Gerhart Hauptmann als bedeutende Kulturgeschichte geschätzt, obwohl es stark antijüdische Tendenzen aufweist, die den umstrittenen Ruf Chamberlains noch immer bestimmen. Karl Kraus überließ seine avantgardistische Zeitschrift Die Fackel nur einmal gänzlich einem fremden Autor – und der hieß Chamberlain. Es war eine Zeit, in der sich antisemitische und zionistische Anschauungen konsolidierten, revolutionär Konservative auf avantgardistische Künstler trafen und sich reformbewegte Sonnenanbeter gleichzeitig links- und rechtspopulistisch orientierten. Schöngeistige Dandys, die mit der Magie des Abgrundes kokettierten, wurden bewusst oder unbewusst Steigbügelhalter für Hitler. Die Frage nach den Kontexten von Chamberlains rassenideologischer Überzeugung und seinen freundschaftlichen Beziehungen zu Künstlern und Intellektuellen jüdischer Herkunft wie Martin Buber, Hermann Levi, Karl Kraus, Maximilian Harden und Walther Rathenau beleuchtet ein

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 2 ideengeschichtlich sensibles Milieu in der Zeit zwischen Wagner und Hitler. Chamberlain wurde vielfach von jüdischen Intellektuellen verehrt und ist häufig aufgefordert worden, in deren Organen zu schreiben. Der sich zum Deutschtum bekennende Brite hatte in dieser Hinsicht keine Berührungsängste und schrieb zwischen 1897 und 1904 mehrmals für die Zeitschriften Zukunft und Fackel. Andererseits hatte er seine Autoren-Karriere dem bekannten jüdischen Publizisten Maximilian Harden und dem ebenfalls jüdischen Parsifal-Dirigenten Hermann Levi zu verdanken, der ihn an den renommierten Bruckmann Verlag in München vermittelte. In dessen Salon lernte er weitere jüdische Künstler und Intellektuelle kennen. Das Bild zeigt Chamberlain, der in der Intellektuellen-Szene zwischen 1890 und 1920 eine Schlüsselfigur darstellt, zwischen feingeistigem Austausch mit jüdischen Gelehrten und antisemitischen Affekten. In den folgenden drei Stunden werden bislang verdeckte ideelle Zusammenhänge aufgeschlüsselt und biographische Verbindungen in neue Blickwinkel gerückt. Es werden ideologische Austauschdiskurse aufgedeckt, die in Bezug auf antisemitische Verschränkungen eine lange Vorgeschichte des „Dritten Reiches“ darlegen. Es werden vor allem neue Erkenntnisse über die komplizierten Beziehungen zwischen deutschen und assimilierten deutsch-jüdischen Intellektuellen im frühen 20. Jahrhundert zu hören sein.

Sprecher 2: Über die Judenfrage gäbe es freilich noch viel zu sagen. Ich bin eigentlich kein Antisemit; ich habe merkwürdig viele Juden oder Halbjuden zu Freunden, denen ich herzlich zugetan bin. Doch hasse ich die Redensart von der „Menschheit“ und meine, die möglichst klare Erkenntnis der Eigenart und ihre resolute Verteidigung envers et contre tous ist nicht allein ein Recht, sondern ein Gebot.

Sprecherin 1: Der am 9. September 1855 in Southsea bei Portsmouth geborene Houston Stewart Chamberlain ist mit seinen zwei älteren Brüdern hauptsächlich bei Verwandten in Versailles aufgewachsen: seine Mutter war kurz nach der Geburt verstorben. Sein Vater, ein vielbeschäftigter Kapitän, der später in der englischen Marine zum Admiral befördert wurde, war mit den Kindern überfordert. Ein Versuch, den empfindsam begabten Zwölfjährigen – er las Montaigne, Rousseau und Balzac – nach dem französischen Lyzeum in England dauerhaft aufs Colleges zu schicken, schlug fehl, sodass er seine ursprüngliche Heimat wieder verlassen musste. Immerhin erfasste ihn dort eine „an Tollheit grenzende Begeisterung für Shakespeare“, wie er es selbst formuliert, bevor ihn 1870 eine Störung des Nervensystems zu einem Kur-Aufenthalt in Bad Ems zwang. Hier wurde er zufällig Zeuge der Begegnung zwischen König Wilhelm I. und dem französischen Botschafter Vincent Graf Benedetti, die zum Ausbruch des deutsch-französischen Krieges führte. Der englisch und französisch

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 3 sozialisierte Houston Stewart lernte mit 15 Jahren bei einem Privatlehrer aus Stralsund in einer solchen Perfektion Deutsch, dass er seine späteren Bücher ausnahmslos in dieser Fremdsprache verfassen konnte. Er hielt sich die folgenden Jahre in der Schweiz, in Italien und Südfrankreich auf und führte das Leben eines Dandys. In dieser Zeit begeistern Chamberlain zwei jüdische Intellektuelle für Wagner. Der eine spielte ihm in Paris auf dem Klavier aus dem Holländer, Tannhäuser und Lohengrin vor – und der andere berichtete ihm 1875 von den ersten Proben zum Ring in Bayreuth, ermunterte ihn, sich die Dichtung Der Ring des Nibelungen zu kaufen und sich die Aufführung auf dem Grünen Hügel in Franken nicht entgehen zu lassen. Zwar scheiterte die Reise dorthin wegen fehlender finanzieller Mittel, aber eine Passion war in dem Zwanzigjährigen geboren, die ihn nicht mehr loslassen sollte. Erst zum Parsifal-Zyklus war Chamberlain in Bayreuth und hatte das Glück, am Vorabend der Uraufführung auch Wagner am Festspielhaus zu sehen. In pathetischen Worten beschreibt er seine Fahrt aus Genf, die Ankunft in Bayreuth und die Wirkung der Persönlichkeit Wagners auf ihn. In Montreux lernte Chamberlain die zehn Jahre ältere Breslauerin Anna Horst kennen, die er 1878 heiratete. Mit ihr teilte er die Freude an schöngeistiger Literatur in drei Sprachen, am Musizieren, die intensive Beschäftigung mit Geologie und Botanik. Später entdeckte das Paar für sich die Fotografie, ließ sich einen Apparat aus London schicken, um schließlich diese Kunst mit Passion zu betreiben. Sie gewannen sogar eine silberne Medaille bei einer Foto-Ausstellung ins Florenz. Schon zeitig entwickelt Chamberlain einen aus Heimatlosigkeit entstandenen, übersteigerten Deutsch- Patriotismus, wie aus einem Brief an Anna vom Mai 1876 hervorgeht:

Sprecher 2: Ich kann Dir gar nicht sagen, wie meine Verehrung, meine leidenschaftliche Liebe, sowie mein Glaube an Deutschland zunimmt. Je mehr ich andere Nationen kennenlerne, je mehr ich mit Leuten – gebildeten und ungebildeten – aller Klassen aus allen Völkern Europas verkehre, desto mehr liebe ich die Deutschen. Mein Glaube, dass die ganze Zukunft Europas – d. h. der Zivilisation der Welt – Deutschland in den Händen liegt, ist zur Sicherheit geworden. Ach Gott! Was für ein Deutsch schreibe ich! Sei mir nicht böse, denn ich bin ja kein Deutscher.

Sprecherin 1: Chamberlain sah sich als Müßiggänger, Liebhaber ästhetischer Halbheiten und als einen Mann ohne Pflichten. Deshalb zog er mit seiner Gattin für das geregelte Studium der Naturwissenschaften nach Genf, das er nach zwei Jahren abschloss. Im Anschluss bereitete er eine Dissertation über den Pflanzendruck vor. Finanzielle Probleme durch Fehl-Spekulationen, aufreibende Korrespondenzen in Sachen Wagner, der im Februar 1883 gestorben war, eine übermäßig geistige Belastung durch botanische Versuche

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 4 und die labile körperliche Verfassung mögen im Herbst 1884 für einen Nervenzusammenbruch verantwortlich gewesen sein. Nur durch Hilfe seiner Frau Anna konnte der vollkommen hilflose Zustand Chamberlains nach einem Jahr Schritt für Schritt überwunden werden. Die wissenschaftlichen Studien kamen vollständig zum Erliegen und die Dissertation wurde erst Mitte der 90iger Jahre unter der Ägide des Wiener Physiologen Julius Wiesner beendet. Diesem akademischen Lehrer, der wie Chamberlains Frau Anna jüdischer Herkunft war, widmete der Brite schließlich sein Hauptwerk Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts. Das Paar Chamberlain erwog wohl wegen des Scheiterns der wissenschaftlichen Reputation, möglichst weit weg von Genf zu ziehen und fand bald, auch wegen persönlicher Kontakte und der preiswerteren Residenz, in Dresden ein neues Zuhause. Diese Zeit zwischen 1885 und 1889 stand vollends im Zeichen Wagners, zumal die sächsische Metropole auch Heimstadt für die erste Schaffensperiode des Komponisten gewesen war. Chamberlain entwickelte sich zu einem umtriebigen Aktivisten des Wagner-Erbes, trat dem Allgemeinen Bayreuther Patronatsverein bei und schrieb vor allem mit seinen Aufsätzen in der exklusiven Revue Wagnérienne gegen die religiöse oder politische Vereinnahmung der Musikdramen an. Diese liberale Auffassung über die Hinterlassenschaft des Komponisten vertrat er auch noch anfangs den Bayreuther Blättern gegenüber. Später hat Chamberlain den in Dresden entfalteten revolutionären und anarchistischen Geist Wagners als deutsch-patriotische Gesinnung umzudeuten versucht. Das wohl wichtigste Ereignis dieser Zeit ist das Zusammentreffen mit Cosima Wagner im Dresdener Haus eines befreundeten Bildhauers. Chamberlain führte sich an diesem denkwürdigen 12. Juni 1888 bei der Witwe und Testamentsvollstreckerin Richard Wagners mit den Worten ein, kein Wagnerianer, sondern ein Bayreuthianer zu sein. Das muss der Grande Dame gefallen haben, denn sie war – bei aller Freude über Publizität – zusehends enerviert von Inszenierungen und Wandervorstellungen der Wagner-Opern, die nicht das Familiensiegel trugen und zudem eine unsichere Tantiemenlage darstellten. Auch die Erscheinung des gebildeten und diskreten Gentlemans hatte sie beeindruckt:

Sprecherin 3: Es ist eine Freude, wie eigenartig bestimmt, voller Verachtung und voller Zartgefühl zugleich er ist; ein Aristokrat durch und durch, im schönsten Sinne des Wortes.

Sprecherin 1: Es entwickelt sich mit Cosima ein zwanzig Jahre anhaltender Briefwechsel, der in seiner intellektuellen- und ideengeschichtlichen Bedeutung gar nicht überschätzt werden kann. Seine schöpferische Lebensphase teilte Chamberlain mit seiner Gattin Anna in Wien, wohin das Ehepaar im Herbst 1889 zog; es wohnte dort bis zum Zerwürfnis im Frühjahr 1905.

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Sprecher 2: Die Liebe zu Wien nahm mit den Jahren nur zu, und es ist meine Überzeugung, dass, wenn ich im Leben etwas geleistet habe, dies zum großen Teil der unvergleichlich anregenden Luft und dem nicht zu beschreibenden – den Geist allezeit beschäftigenden, ausruhenden und anspornenden – Zauber dieser einzigen Stadt zu verdanken ist.

Sprecherin 1: Hier entstanden die beiden Wagner-Monographien, die Grundlagen des 19. Jahrhunderts und Immanuel Kant, um nur die einflussreichen Bücher zu nennen. Im Chamberlainschen Œuvre stechen die Grundlagen als eines der wirkungsmächtigsten Bücher der Kultur- und Sozialgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts hervor. Es vereint brisante Themen der Zeit spielerisch mit historischer Kultur-Diagnose und verbindet Wunschfantasien germanischer Vorherrschaft mit moralischen Ängsten gesellschaftlichen Niedergangs. Das Buch entwickelt einen Anspruch wissenschaftlicher Gelehrsamkeit, ohne sich anstrengenden Fachdiskussionen auszusetzen. Aktuelle Gesellschaftsfragen und Rassentheorien des Fin de Siècle werden geschickt mit der Historiografie der griechisch-römischen Kultur, des Judentums und Germanentums verknüpft. Das Christentum, einerseits als Morgenröte neuer germanischer Kultur dargestellt, laboriert andererseits noch nach zwei Jahrtausenden am sogenannten Völkerchaos des Imperium Romanum, das für den Niedergang der Antike verantwortlich gemacht wird. Die historischen Grundlagen des Christentums seien von dieser – wie er schreibt – „Mestizenbevölkerung“ gelegt worden, und deshalb wird die römisch-katholische Kirche als Tochter des verfallenen Imperiums, als letzte Vertreterin des universalen, antinationalen Prinzips angegriffen. Der an seine Schriften einen hohen moralischen Wertmaßstab anlegende Chamberlain zeigt sich in den Grundlagen auffallend judenfeindlich: Seine ambivalente Haltung, zwischen dem jüdischen Individuum und der Idee des Jüdischen zu differenzieren, ist bei dem Briten noch stärker als bei Wagner ausgeprägt. Chamberlain bediente mit gebildeten Theorien nicht nur bürgerliche, sondern auch völkische Kreise. Er ist von frühen Nationalsozialisten rezipiert worden und für die Salonfähigkeit des Antisemitismus in der späteren Kaiserzeit mitverantwortlich. Der Brite entfremdet sich in den späten Wiener Jahren von Anna, beendet schließlich diese Ehe und heiratet 1908 die jüngste Tochter Cosimas und Richard Wagners. Er zieht zu der 41-jährigen Eva in die Nachbarschaft der Villa Wahnfried und wird schnell federführende Kraft der sogenannten Bayreuther Ideologie. Hier schreibt er unter anderem das einflussreiche Goethe-Buch, die Kriegsaufsätze und diktiert seine autobiografischen Episoden sowie religiösen Betrachtungen. Während des 1. Weltkrieges wird der von seiner Nervenkrankheit eingeholte Chamberlain zum Pflegefall und stirbt schließlich

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1927 in Bayreuth. Die Nationalsozialisten haben den Tod des kulturphilosophischen Autors propagandistisch ausgenutzt, indem sie ihn pompös zu Grabe trugen. Tatsächlich hatte Chamberlain einen nachhaltigen Einfluss auf den jungen Hitler: Nach dem 1. Weltkrieg hatte man sich auf dem Grünen Hügel den neuen gesellschaftlichen Strukturen und der ästhetischen Moderne verweigert, zumal Wagner mehr und mehr als altmodisch galt und die Besucherzahl des Festspielhauses empfindlich zurückging. Politisch liberalen Veränderungen oder gar der Räterepublik stand man hier offen feindlich gegenüber. Der Bayreuther Gedanke suggerierte, die parlamentarische Demokratie mit religiöser Kraft der Musik, völkischer Regeneration und deutsch-nationalem Pathos zu überwinden. Diese Lesart des vermeintlichen Wagner-Erbes ging unter anderem auf den Chefdenker Bayreuths Chamberlain zurück. Da wurde die kompromisslos militant-nationalistische Inszenierung Hitlers auf dem „Deutschen Tag“ am 30. September 1923 in Bayreuth nicht als die eines Gewaltmenschen und Fanatikers, sondern als die einer „Parsifal-Natur“ wahrgenommen. Die Familie Wagner und der Herausgeber der Bayreuther Blätter, Hans von Wolzogen, sind nicht durch das Getöse auf der Straße auf Hitler aufmerksam geworden, denn sie verachteten proletischen Geist und Parteiprogramme. Sie ließen sich durch verschiedene Freunde und Bekannte wie den Klavierhersteller Bechstein und dessen Frau über den umtriebigen Agitator unterrichten. Denn der galt in gewissen konservativ-gebildeten Kreisen als Wagnerkenner und charismatischer Redner und hatte bereits 1921 vor 65.000 Menschen im Münchner Zirkus Krone gesprochen. Chamberlain bekennt:

Sprecher 2: Außerdem habe ich auch viel von ihm erzählen gehört, und zum Teil von Menschen, die ich besonders hoch zu schätzen Veranlassung habe und welche weiter alle treu an ihm hängen.

Sprecherin 1: Als im September 1923 Hitler versucht, die Bayreuther Bürger für seine Ideologie zu indoktrinieren, findet sich im Tagebuch Chamberlains der Eintrag:

Sprecher 2: Deutscher Tag mit Hitler! Ergreifende Festzüge vormittags und nachmittags vom Fenster und Terrasse miterlebt, Mama zugegen! Ziemlich erschöpft von 4 ab bis gegen 7 geruht. Wenig Lektüre. Abends halb zehn bis zehn Uhr fünfzehn Besuch Hitlers. Erhebend!

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Sprecherin 1: Offensichtlich scheint Hitler, direkt nach seinem abendlichen Auftritt vor Tausenden von Anhängern, zu dem englischen Gelehrten geeilt zu sein, um ihm seine Aufwartung zu machen. Über den Inhalt des 45-minütigen Gespräches ist nichts bekannt. Doch die Herren scheinen sich prächtig verstanden zu haben, davon spricht der Brief Chamberlains vom 7. Oktober 1923 an Hitler:

Sprecher 2: Sie sind ja nicht, wie Sie mir geschildert worden sind, ein Fanatiker, vielmehr möchte ich Sie als den unmittelbaren Gegensatz eines Fanatikers bezeichnen. Der Fanatiker erhitzt die Köpfe, Sie erwärmen die Herzen. Der Fanatiker will überreden, Sie wollen überzeugen, nur überzeugen, – und darum gelingt es Ihnen auch; ja, ich möchte Sie ebenfalls für das Gegenteil eines Politikers – dieses Wort im landläufigen Sinne aufgefasst – erklären, denn die Asche aller Politik ist die Parteiangehörigkeit, während bei Ihnen alle Parteien verschwinden. Sie haben Gewaltiges zu leisten vor sich, aber trotz ihrer Willenskraft halte ich sie nicht für einen Gewaltmenschen.

Sprecherin 1: Wie zu erwarten findet Chamberlain in Hitlers Buch Mein Kampf Erwähnung. Der Schwerkranke hat sich damit nicht nur indirekt parteipolitisch missbrauchen, sondern mit seinem öffentlichen Bekenntnis zu Hitler und seinen Texten im Völkischen Beobachter vor den Propagandakarren der NSDAP spannen lassen. Der Stern des heimatlosen englischen Schriftstellers und Schöngeistes ist mit dem 1. Weltkrieg und dem Kaiserreich untergegangen. Der einst berühmte Chamberlain ließ es sich nicht nehmen, obwohl betagt und schwer krank, im September 1923 eine halbe Stunde im Rollstuhl auf einen weitgehend unbekannten Politiker von zweifelhaftem Ruf zu warten. Doch die in der Literatur gängige Formel, in Chamberlain den geistigen Wegbereiter nationalsozialistischer Ideologie und damit auch des Vernichtungsantisemitismus zu sehen, muss hinterfragt werden. Der Brief Chamberlains belegt vielmehr eine vollkommene Fehleinschätzung der politischen Disposition Hitlers, indem er diesen als frei von Fanatismus und Gewalt beschreibt. So ist der wertschätzende Enthusiasmus, den der Brite dem aggressiven Fanatiker entgegenbringt, überraschend und peinlich. Von dessen neurotischem Charakter ist eine immer wieder beschriebene suggestive Energie ausgegangen, die nicht nur die Masse auf der Straße, sondern auch großbürgerliche Familien wie die der Bechsteins, Bruckmanns und Wagners beeindruckte. Auch der englische Gelehrte stand offensichtlich in diesem Bann.

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Musik: Avner Dorman, Wahnfried, (Ausschnitt noch definieren)

Sprecherin 1: Am 17. Juli 1916 schreibt Walther Rathenau an Houston Stewart Chamberlain einen Brief. Das ist für Rathenau, der mit verschiedensten Persönlichkeiten korrespondiert, nicht ungewöhnlich, zumal er der Generation angehört, die noch eine unmittelbare Nähe zum Wagnerschen Musikgestus hat. Unter Wilhelm II. wird die wirtschaftliche Prosperität und fast kindische Technikbegeisterung mit einem opulenten Romantizismus verschmolzen, die als merkwürdige Legierung ein verklärtes Nationalgefühl vermitteln. Der Tod Wagners und die danach folgende Parsifal- Verklärung in Bayreuth fallen in die gleiche Zeit wie die Gründung der Deutschen Edison-Gesellschaft für angewandte Elektrizität durch Emil Rathenau, aus der 1887 die Allgemeine Elekticitäts-Gesellschaft (AEG) hervorgegangen ist. Der Kronprinz dieses Wirtschafts-Imperiums fühlt sich angezogen von der Idee eines multiplen Künstlertums in Verbindung mit germanophiler Besinnung und kulturpolitischer Macht auf höchster Ebene. Ätherische Nuancen, kalkulierte Wachstumsraten, spekulativer Sozialismus und Kaiserparade können ihn gleicherweise magnetisieren. Ein Denker wie Rathenau entwarf in seinen Schriften tragfähige kybernetische Produktions- und Transportmodelle und legte städtebauliche Arrangements sowie moderne gesellschaftstheoretische Konzepte vor. Deshalb mag es zunächst irritieren, dass er zugleich konservativen Kunst- und Kulturideen folgte und sich heute verdächtig erscheinenden Geschichtsmodellen verpflichtet fühlte. Auch Houston Stewart Chamberlain ist wie Rathenau ein Dilettant mit breitgefächerten Interessen und mit ungewöhnlichen Begabungen und bezog selbst den deutschen Kaiser in seine Korrespondenzen ein. Zur Zeit des Briefes befinden sich Rathenau und Chamberlain auf einer Höhe in ihrer öffentlichen Prominenz, die in ihrer jeweiligen Wirksamkeit nur mit wenigen Persönlichkeiten in Deutschland vergleichbar ist. Doch Rathenau ist nicht in der Stimmung, mit Chamberlain Kulturartigkeiten auszutauschen:

Sprecher 4: Sehr geehrter Herr, in Ihrem Aufsatz Ideal und Macht (Tägliche Rundschau vom 15. Juli 1916) erwähnen Sie Männer, denen eine gewisse Presse den Titel „wirtschaftlicher Generalstabs-Chef“ beilegte. Sie bringen diese Persönlichkeiten in Verbindung mit ununterbrochener Zeitungsreklame, erwähnen sie in einem Atem mit dem unheilvollen Wirken des Kriegswuchers, und stellen dagegen das Bild der deutschen Männer, die in stiller Aufopferung im Verborgenen wirken. Die von Ihnen gerügte Bezeichnung ist meines Wissens nur auf eine Person angewendet worden, und zwar mit den schwersten Angriffen gegen meine Person und mein Wirken. Denn ich bin derjenige, den man mit dieser Bezeichnung zu treffen, vielleicht auch in seinem eigenen Lande zu schädigen wünschte. Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als mich selbst als denjenigen zu

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 9 betrachten, den ihre Kritik berührt. Ich wünsche, Ihnen Gelegenheit zu geben zu prüfen, ob meine Tätigkeit es verdient, mit Reklamewesen und Kriegswucher in Berührung gebracht und zum Wirken deutscher Männer in Gegensatz gestellt zu werden. Sollten Sie diese Auffassung als Unrecht erkennen, so nehme ich an, dass Sie dieses Unrecht gut machen werden, und ich stelle Ihnen die Form anheim, in der dies geschieht. Mit vorzüglicher Hochachtung, Rathenau, Präsident der A.E.G.

Sprecherin 1: Um seine Position zu verdeutlichen, legt er dem Brief drei positive Zeugnisse über seine Tätigkeiten bei: die des Kriegsministers, des stellvertretenden Kriegsministers und des Reichskanzlers. Der Publizist und vorausschauende Industrieorganisator Rathenau, der vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges in über 80 Aufsichtsräten der Großindustrie und Hochfinanz saß – er wurde als „Aufsichtsrathenau“ bespöttelt – war bereits vor seiner politischen Karriere über Deutschland hinaus bekannt. Er propagierte eine gemischte Wirtschaftsform als Durchdringung von kapitalistischen und staatlichen Interessen. Wegen der englischen Seeblockade war Deutschland weitgehend vom Weltmarkt abgeschnitten und somit von akuten ökonomischen Mängeln bedroht. Da Rohstoffe nur in geringen Mengen aus dem neutralen Ausland importiert werden konnten, wurde es notwendig, die vorhandenen Reserven zu rationieren und eine lenkende Bewirtschaftung einzuführen. Auf Rathenaus Initiative wurde die Kriegsrohstoffabteilung gegründet, der er zwischen August 1914 und März 1915 vorstand; sie brachte ihrem Schöpfer weit über Deutschland hinaus den Ruf eines „Hindenburgs der Wirtschaft“ ein. Nach kurzer Zeit war das fünfköpfige Gremium der Kriegsrohstoffabteilung zur Zentrale der industriellen Kriegsproduktion angewachsen, die bei Kriegsende über 25.000 Beschäftigte zählte. Diese Mobilmachung als „Feldzug der Materie“ war für die Kriegswirtschaft entscheidend. Sie war die erfolgreichste Wirtschaftsorganisation, die während des Krieges in Deutschland geschaffen wurde. Rathenaus Vorschläge für einen langfristigen Wirtschaftskrieg gegen England wurden zur Grundlage der deutschen Kriegszielplanung gemacht. Es wurden Entwicklungen von neuen Ersatzstoffen und Produktionsverfahren vorangetrieben, um Importe zu vermeiden. Insbesondere für die unentbehrlichen Explosivstoffe auf Salpetergrundlage ordnete die Oberste Heeresleitung an, die gesamte Stickstoff-Fabrikation auf das autarke Haber-Bosch-Verfahren umzustellen. Der Ausdruck Wirtschaftlicher Generalstabschef war längst ein geflügeltes Wort. Der jüdische Zivilist Rathenau, dem wegen seiner Herkunft eine Offizierslaufbahn verwehrt blieb, hatte die Macht eines Generals erlangt. Doch der Spagat zwischen dem politischen Amt und der Wirtschaftsfunktion ließ ihn ins Kreuzfeuer vieler Industrieller und Politiker geraten, die ihm eine Bevorzugung der AEG vorwarfen und ihm vielfach in diesem Zusammenhang seine Religionszugehörigkeit vorhielten. Im Kriegsjahr 1916 richtete sich eine wüste Pressekampagne, hauptsächlich deutsch-völkischer Organe wie der

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Hammer, gegen Rathenau, die einen breiten Zuspruch in der Bevölkerung erfuhr. Tatsächlich hat sein Konzern von der kriegswirtschaftlichen Konjunktur und Rathenaus Vorstand in der Kriegsrohstoffabteilung massiv profitiert. Houston Stewart Chamberlain hat noch am 19. Juli 1916 gegenüber Vize-Admiral von Seckendorff im Zusammenhang mit dem von Rathenau inkriminierten Text Ideal und Macht von einem „Schwanengesang“ unter seinen Kriegsaufsätzen gesprochen. Es ist möglich, dass dieser Ausdruck nicht nur seinem prekären Gesundheitszustand geschuldet ist, sondern sich indirekt auf den Brief von Rathenau bezieht. Dass er diesen bereits am 21. Juli beantwortet, belegt ein Notat in seinem Tagebuch. Der Brief an Rathenau ist jedoch einen Tag später gezeichnet; das lässt den Schluss zu, dass Chamberlain den Brief vorskizziert hat, weil ihm der Kontext von Wichtigkeit erschien. Die ausgedehnte Beschäftigung des Bayreuther Briten mit germanischen Ursprüngen ist so sehr seinem leidenschaftlichen Bedürfnis nach dem „deutschem Wesen“ geschuldet, dass er im Krieg das Heimatland verfemt. Tatsächlich wird er im April 1915 vom Kaiser für die Neuen Kriegsaufsätze zum Ritter des Eisernen Kreuzes ernannt, es wird ihm eine Münze geprägt und er erhält im August 1916, in einer Zeit, die in Deutschland von aggressiver Stimmung gegen England beherrscht ist, die deutsche Einbürgerung. Einen Monat bevor Rathenau von rechten Freischärlern erschossen wird, ist Chamberlain Bayreuther Ehrenbürger – hat er doch neben seinen gut verkauften Wagnerbüchern auch ungezählte Artikel über den Schöpfer der Festspiele geschrieben und nicht zuletzt auch dessen Tochter Eva geheiratet. Der Brite scheint sich dem jüdischen Industriellen in seinem Deutschtum überlegen zu fühlen, wie der von Rathenau kritisierte Aufsatz Ideal und Macht vom 15. Juli 1916 belegt:

Sprecher 2: Die Totengräber des Deutschtums sind unter uns eifrig am Werke; Hermes Psychopompos steht in Amt und Würden; es geht uns an den Lebensnerv. Nichts wäre unweiser, als sich dieser Einsicht zu verschließen.

Sprecherin 1: Chamberlain bemüht für seine Streitschrift den griechischen Mythos. Psychopompos kennt den Weg in die Unterwelt; der Botengott ist die Begleitperson einer visionären Seelenreise in den Abgrund. Dieser Geselle wird als Feind im eigenen Land erkannt und als Gegner des Christentums beschrieben, der kurz davor stehe, als brutaler Geldwucherer politische Entscheidungen zu treffen. Chamberlain nimmt hier klaren Bezug auf Wagner, welcher der geflügelten Geschäftigkeit des Boten die Bedeutung der „schachernden und wuchernden Kaufleute“ beimisst. Dieser „Gott der Betrüger und Spitzbuben“ wird auch für eine steigende Genusssucht verantwortlich gemacht. Wagner behauptet, dass er sich schließlich zum bigotten Herrn der modernen Welt aufgespielt habe und nunmehr Kunst und Gesellschaft zum Spekulationsobjekt mache.

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Nach Wagner ist dieser Gott ein Gleichnis für seelenloses Heuchlertum. Das greift Chamberlain für das absurde Argument gegen einen kommenden Frieden auf, der das Deutschtum kontaminiere. Vieles deutet – ohne dass Namen genannt werden – auf Rathenau, der sich an den Friedens-Verhandlungen mit dem amerikanischen Botschafter in beteiligte. Mit der Schrift Ideal und Macht wird eine innerdeutsche Pro-Englandpolitik angeprangert, die von vaterlandslosen Individuen ohne völkische Überzeugung angezettelt werde. Es wird vor sittenloser Gleichmacherei ohne nationalen Wert gewarnt:

Sprecher 2: Ob man deutsch oder englisch oder timbuktisch redet, ist gleichgültig, wenn man nur kauft und verkauft und reich wird.

Sprecherin 1: Chamberlains Verschwörungstheorie der „Englandpartei“ fußt auf einer Debatte über den deutschen U-Bootkrieg. Mit der englischen Seeblockade wurde in der deutschen Marine-Admiralität schon bald die Idee geboren, in starkem Maße auf die U- Bootwaffe zurückzugreifen. Der größte der Teil deutschen Presse begrüßte diese Strategie emphatisch, welche England in die Knie zwingen sollte, obwohl der Inselstaat eine schier unschlagbare Kriegsmarine besaß. Diese Maßnahme sah auch die Versenkung feindlicher Handelsschiffe vor. Das brachte die neutralen Mächte und die USA auf, die hartnäckig auf die Wahrung ihrer neutralen Schifffahrt bestanden. Die deutsche Marineleitung ignorierte die internationalen Proteste und die amerikanische Note, welche das Vorgehen als flagrante Völkerrechtsverletzung brandmarkte; sie setzte auf den Abschreckungseffekt für neutrale Passagier- und Frachtschiffe und war weiterhin vom Erfolg der U-Boot-Attacke überzeugt. Nach der Torpedierung einiger Passagierschiffe drohte Amerika, in den Krieg einzutreten. Großadmiral Alfred von Tirpitz, der neben dem Kanzler eine der einflussreichsten politischen Persönlichkeiten war, hatte die Position des ihm unterstehenden Reichsmarineamtes genutzt, um unter der Hand in der Öffentlichkeit für den U-Bootkrieg zu agitieren. Der beliebte Flottenoffizier begeisterte mit Unterstützung der Presse die breite Masse für das törichte Unterfangen. Auch Chamberlain war ein Verfechter seiner Politik. Diesem Kesseltreiben konnte im März 1916 der Reichskanzler Bethmann Hollweg noch einmal widerstehen. Er regte, um die Neutralen herauszuhalten, die Einschränkung des U-Bootkrieges an und wirkte dahingehend, Tirpitz abdanken zu lassen. Rathenau bemerkt resigniert:

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Sprecher 4: Von allen Höchstverantwortlichen, die in den Krieg zogen, ist nur noch Bethmann übrig. Moltke, Tirpitz, Pohl, Kluck, Bülow, Hausen, Kühn, Delbrück, Falkenhayn – ein Zug des Todes.

Sprecherin 1: Doch von einer „Englandpartei“ zu sprechen ist verfehlt, zumal es Bethmann Hollweg und Rathenau nicht darum ging, subversiv auf die Reichspolitik zu wirken, sondern die Gefahr des Eintritts von Amerika in den Krieg zu verringern. Sicherlich wirkten auch Persönlichkeiten wie Hetta Gräfin Treuberg, die in diplomatischen Kreisen wie in exklusiven Salons ihre pazifistischen Ideen vorbrachte, Maximilian Harden, der sich vom einstigen Kriegsbefürworter zum Friedensvermittler gewandelt hatte und seine Zeitschrift Zukunft dafür einsetzte, sowie Max Weber, der eine an die Adresse des Auswärtigen Amtes gerichtete Denkschrift gegen die „Abenteuerpolitik“ des Reiches verfasste und vor ökonomischer Ausblutung warnte, mäßigend auf die Reichspolitik – aber es waren nur kleine bürgerlich-aristokratische Kreise und keine Partei. Vernehmlich hatte sich Rathenau für den von Chamberlain diskreditierten Verständigungsfrieden eingesetzt; besonders auf ihn wirkten die Tiraden gegen undeutsche Machenschaften in Verbindung mit der internationalen Hochfinanz wie auf ihn zugeschnitten. Sicherlich fielen in Ideal und Macht keine Namen, doch spätestens mit dem Passus über die Presse muss jeder gewusst haben, wer gemeint war:

Sprecher 2: Während eine gewisse Presse ununterbrochen die Reklametrommel rührte für Männer, die sie mit den Ehrentiteln „wirtschaftlicher Generalstabchef“ und ähnlichen pries, und während der Kriegswucher sein unheilvolles Wirken immer schamloser entfaltete, wirkten eine Reihe deutscher Männer im Verborgenen, mit Aufopferung ihrer ganzen Habe, und dienten ihrem Vaterlande.

Sprecherin 1: Chamberlain bezeichnet die Männer mit den „Ehrentiteln“ unumwunden als „Volksverräter“ und „Mörder Deutschlands“. Rathenau muss sich getroffen fühlen; zumal er selbst die Kriegsgewinnler als eine „insolente, verantwortungslose Kaste der Bereicherten“ bezeichnet. Seine Reaktion auf die Schrift Ideal und Macht ist deshalb noch erstaunlich freundlich. Das Fehlen jeder Schroffheit deutet auf eine Achtung für das Werk Chamberlains. Dieser hatte wie er den Weg von der Naturwissenschaft zur Philosophie beschritten. Die Kulturtheorie des Briten, so sein prätentiöser Anspruch, sei aus der empirischen Anschauung gewachsen. So nimmt es kaum Wunder, dass sich beide Persönlichkeiten einander annähern.

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Sprecher 5: Adelsmystik; Germanenmystik; Rassenmystik. Herabsetzung des eignen Werts. Unsagbar dummes Unmaß der Verantwortung, Überschnappen des Takts, Koller der falschen Pflichthörigkeit.

Sprecherin 1: Der Schriftsteller und Journalist Alfred Kerr hat die eigenwillige Affinität des frühen und mittleren Rathenau zum Rassentheoretiker Gobineau und zu Chamberlain vielfach kritisiert. Der jüdische Großbürger ist geradezu von Begriffen wie „Romantik der Rasse“, „Nordlandsblut“ und „blonder Gesinnung“ berauscht. Er sieht die Aufgabe kommender Zeiten in der neuen Züchtung des untergehenden Herrschergeschlechts:

Sprecher 4: Wenn man vom nordischem Ursprung der arischen Rasse ausgeht, so erweist sich diese als ein Ergebnis der schärfsten eliminierenden Zuchtwahl.

Sprecherin 1: Die aristokratisch-germanischen Züge seines Mutmenschen beschreibt er mit biologistischen Merkmalen als Idealtypus. Das hätte im Bayreuther Kreis, der u.a. die Vollendung des arischen Mysteriums propagierte, auf fruchtbaren Boden fallen müssen, wären die Schriften nicht gerade von einem jüdischen Autor. Rathenaus Rassebegriff ist wie der Chamberlains dynamisch und nicht deterministisch. Sie gehen – entgegen der Gobineauschen Theorie – davon aus, dass körperliche Anlagen und Charakterzüge unter verschiedenen Umständen gezüchtet werden können, um einen „gesteigerten Lebensumstand“ zu erzeugen. Beiden Autoren dient die Rassen- Ideologie als Mittel der Beschreibung sozialer und kultureller Phänomene. Erst später votiert Rathenau für die geistige Aristokratie und entwickelt die These, dass ein menschlicher Wert nicht durch Rassebetrachtung kategorisiert werden könne, da der Geist erst die Rasse bilde. Rathenaus Verhältnis zur eigenen Religion ist stark von Chamberlains kulturaristokratischem Antijudaismus und dessen teutonischer Wortschmiede für den Bayreuther Kreis geprägt. In diesem Kontext stehen auch Rathenaus Ausführungen zum Germanentum, welche bis in die Kriegsjahre mit markanter Eindringlichkeit verfolgt werden.

Musik: Gustav Mahler, 1. Symphonie, 3. Satz, folgende Absätze untergelegt

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 14

Sprecherin 1: Aber auch Chamberlain verfolgt die Schriften des ambitionierten Unternehmers, und der Fall Rathenau scheint ihm nicht einerlei zu sein. So hat er die Formulierungen seiner Antwort auf den Brief des ausgeschiedenen Chefs der Kriegs-Rohstoff- Abteilung wohl gewogen:

Sprecher 2: Sehr geehrter Herr! Den Empfang Ihres Briefes nebst Beilagen vom 17. des Monats bestätige ich mit bestem Dank. Hier liegt ein arges Missverstehen vor, in das ich mich kaum hineinzudenken vermag. Wie sollte gerade ich den bescheidendsten – geschweige denn verdientesten – Mitkämpfer auf praktischem Gebiete beschimpfen und verdächtigen? und nun gar an der Stelle, wo ich sie alle hoch preise? Der parenthetische Ausfall geht doch ausdrücklich allein gegen den bezeichneten Teil der Presse, die im Vorderteil den wenigen Menschen, die sie fürchtet, lobhudelt, während sie auf den hinteren Blättern dem Kriegswucher dient. Dass die also Gelobhudelten nichts dafür können und einfach den Zoll ihrer Ausnahmsstellung zahlen, liegt auf der Hand und brauchte nicht besonders erwähnt zu werden. – Ich bedaure lebhaft, dass irgend jemand meine Worte hat anders auffassen können. Um jedem weiteren Missverständnis den Weg abzubrechen, habe ich der Korrektur zu der Flugschrift die Sache mit den „Ehrentiteln“ ganz weggestrichen. Der Besitz des Vortrages ist mir von ausserordentlichem Werte und ich bin Ihnen sehr verbunden für diese Mitteilung. Nicht etwa, dass Ihre Verdienste mir unbekannt gewesen wären, denn schon in einem sehr frühen Stadium des Krieges hat ein gemeinschaftlicher Freund mir ausführlich davon erzählt; später allerdings erzählte er mir auch, welche schlechten Erfahrungen Sie hätten durchmachen müssen und wie Sie sich erbittert zurückgezogen hätten. Es freut mich, aus den so gütig mitgeteilten Briefabschriften zu erfahren, dass man Ihnen hat Gerechtigkeit wiederfahren lassen. Ich brauche wohl kaum zu sagen, dass ich seit Jahren mit verehrender Bewunderung Ihrer geistigen Tätigkeit folge. Mit vorzüglicher Hochachtung, ergebenst Houston Stewart Chamberlain.

Sprecherin 1: Nach der aggressiven Attacke in Ideal und Macht wirkt dieser Brief auffallend kleinlaut, zumal die Anschuldigung des Kriegsgewinnlertums, die Rathenau so aufgebracht hatte, gar nicht von der Hand zu weisen ist. In den Briefen wird nichts gewagt. Die beiden Protagonisten verwandeln sich vorderhand nicht in Shylock und Antonio, welche mit ihren Antagonismen auch ein Risiko in die Waagschale werfen. Die Bürgerschreck-Verwegenheit ist scheinbar nur literarische Attitüde, da die überraschende Konfrontation den Fechtergestus lieber in ungefährliche Konvention umwandelt. Doch so stark wie die gesellschaftlichen Schranken sind auch die triebhaften Ambivalenzen. Chamberlain entwickelt sich während des Krieges zum

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 15 unversöhnlichen Nationalisten. Es ist nicht zu vermuten, dass er von den hochrangigen Protektions-Briefen des Wirtschaftsmagnaten eingeschüchtert ist. Den Kanzler Bethmann Hollweg und das Kriegsministerium verachtet er ohnehin wegen angeblich defensiver Kriegspolitik. Zwar leugnet er gegenüber Rathenau den Angriff auf seine Person, gibt sich aber auf dessen Intervention keineswegs beleidigt. Chamberlains Antwort ist das klare Signal, sich bei dem kosmopolitischen Großbürger zu weit hinausgewagt zu haben. Die „verehrende Bewunderung“ für Rathenaus Werk wird jedoch keine leere Floskel sein, denn das mit Friedens- und Parlamentarismus- Anklängen durchzogene Buch Von kommenden Dingen und die weniger beachtete Streitschrift vom Glauben, in der für religiöse Toleranz geworben wird, erscheinen erst 1917. Und Rathenau scheint zufrieden, denn er dankt drei Tage später Chamberlain für die freundlichen Worte, die den Zwischenfall für ihn aufklären und erledigen. Bis dato befindet sich der jüdische Berliner, zumindest in seinen größeren Werken, keinesfalls abseits von der Kulturpolitik des Bayreuther Briten. Rathenau reüssiert nicht nur wie dieser in philosophischer, politischer, naturwissenschaftlicher und schöngeistiger Literatur, sondern gilt auch als vollendeter Lebenspragmatiker. Der befreundete Schriftsteller Emil Ludwig beschreibt ihn folgendermaßen:

Sprecher 5: Er wusste Porträts zu malen, sein Haus zu zeichnen, den Stuck darin zu formen, Turbinen zu bauen, Holzplastiken zu bestimmen, Montaigne anzugreifen, Bilanzen zu entschleiern, Fabriken umzustellen, Verse zu schreiben, Staatsverträge zu schließen, die Waldsteinsonate zu spielen. Nicht auf Genie, es kam ihn auf einen gewissen Grad des Könnens an, der meist noch größer war, als was der tüchtige einzelne im einfachen Fache zu leisten vermag. Sein Feld war die Welt, das darf man sagen, in seiner Vielfalt war er überraschend. Rathenau, der ein Genie zu sein wünschte, war vielleicht der talentierteste Kopf seiner Epoche.

Sprecherin 1: Rathenau war der Inbegriff eines genialischen Dilettanten, was Chamberlain gefallen haben dürfte, denn auch er entwickelte seine kulturphilosophischen Ideen außerhalb fachspezifischer Schranken:

Sprecher 2: Sollte nun ein aufrichtiger, offen eingestandener Dilettantismus nicht gewisse Vorzüge vor dem versteckten haben? Wird nicht die Situation eine hellere sein, wenn der Verfasser gleich erklärt: ich bin in keinem Felde ein Fachgelehrter? Ist es nicht möglich, dass eine umfassende Ungelehrtheit einem großen Komplex von Erscheinungen eher gerecht wird, dass sie bei der künstlerischen Gestaltung sich freier

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 16 bewegen wird als eine Gelehrsamkeit, welche durch intensiv und lebenslänglich betriebenes Fachstudium dem Denken bestimmte Furchen eingetragen hat?

Sprecherin 1: Der Brite wusste genau, wer ihm mit Rathenau gegenübertritt, und beeilt sich, wie angekündigt, die Stelle im Aufsatz Ideal und Macht zu tilgen, die ihn als „wirtschaftlichen Generalstabschef“ preisgibt, und lässt die Streitschrift dann bereinigt als Flugblatt drucken. Das erste Exemplar schickt er an Wilhelm II.; von seinem Verleger bekommt er die frohe Kunde, dass schon etwa 20.000 Heftchen vorausbestellt seien. Eine weitere Verbreitung der Schrift ist werbestrategisch organisiert und Rathenau noch einmal von gröberen Schäden für sein öffentliches Ansehen verschont geblieben. Doch erhält er später eine Flut von Morddrohungen und Warnungen aus verschiedensten Lagern, ist vom Berliner Polizeipräsidium angehalten, einen Revolver zu tragen, und bekommt zwei Beamte für seinen Schutz abgestellt. Der liberale Politiker und Publizist Hellmut von Gerlach schreibt in seiner viel zu wenig rezipierten Autobiografie Von rechts nach links von einem Besuch bei Walther Rathenau. Von Gerlach, selbst einem Attentat knapp entgangen, führt darin aus, wie er Rathenau, der inzwischen Reichsaußenminister der Weimarer Republik geworden war, vor dessen Ermordung gewarnt habe. Doch Rathenau entgegnete, dass man sich dagegen nicht schützen könne. Auf dessen Frage, warum diese Menschen ihn eigentlich so furchtbar hassen, antwortete von Gerlach:

Sprecher 6: Ausschließlich, weil Sie Jude sind und mit Erfolg für Deutschland Außenpolitik treiben. Sie sind die lebendige Widerlegung der antisemitischen Theorie von der Schädlichkeit des Judentums für Deutschland. Darum sollen Sie getötet werden.

Sprecherin 1: Als Rathenau im Mai 1921 Wiederaufbauminister wird, rät ihm ein Freund aus völkischen Kreisen, sich auf den nahen Tod vorzubereiten. Es ist der gleiche, der von Chamberlain als gemeinsamer Freund bezeichnet wird. Dieser hatte schon im November 1918 davon gesprochen, dass Maßnahmen getroffen seien, Rathenau im geeigneten Moment „kalt zu machen“. Und so ist es geschehen. Selbsthass, übersteigerter Assimilationswunsch, das Bekenntnis zu germanischen Neigungen und die Werbung um gesellschaftliche Anerkennung werden Rathenaus Interesse an Chamberlains Werken nicht hinreichend erklären, – dafür sind ihre geistigen Konzepte zu nah. Beide Denker gleiten mühelos von rassentheoretischen Abhandlungen über seelenmetaphysische Reflexionen zu nuancierten Kunstbetrachtungen. Als literarische Quereinsteiger teilen sie eine kokette Animosität gegenüber professoraler Intellektualität.

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 17

Als Sehnsuchtsdeutsche und Träger des Eisernen Kreuzes haben sie ein vehement unkritisches Bedürfnis nach nationaler Geborgenheit.

Musik: Gustav Mahler, 2. Symphonie, 1. Satz, folgender Absatz untergelegt

Sprecherin 1: Die zweite Stunde widmet sich der ambivalenten Freundschaft Chamberlains mit Hermann Levi. Der jüdische Künstler ist als Parsifal-Dirigent in die Kulturgeschichte eingegangen. Zugleich ist er in Bayreuth ständigen Demütigungen ausgesetzt. Diese Geschichte erzählt sich wie ein Psychogramm des Hauses Wahnfried. Levi und Chamberlain gehören zu den prägenden Figuren der Konsolidierung Bayreuths nach Wagners Tod im Jahre 1883.

Musik

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2. Stunde

Musik

Sprecherin 1: Zu Beginn der 2. Stunde erläutert der Hamburger Politologe, Wagnerforscher und Chamberlain-Biograph Prof. Udo Bermbach, inwieweit der Sozialphilosoph auf den Nationalsozialismus wirkte und wie sein Antisemitismus motiviert war.

Udo Bermbach im Originalton: Also er war ursprünglich keineswegs ein Antisemit in seiner frühen Zeit, er hatte Umgang mit Juden – und das erstaunliche ist ja, dass sein Hauptwerk Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts einem jüdischen Lehrer, nämlich Julius Wiesner gewidmet ist, der Professor an der Wiener Universität war und den er sehr verehrt hat. Er ist weit weg von diesem Radau-Antisemitismus, der zur damaligen Zeit von vielen praktiziert worden ist. Er hat die intellektuellen Leistungen von Juden immer anerkannt, er hatte jüdische Freunde, mit denen er mehr oder weniger eng zusammen war. Aber es gab eben unter dem Eindruck (und dabei spielt Bayreuth eine entscheidende Rolle) immer diesen Vorbehalt: Sie gehören nicht wirklich zu uns! Sie sind eine andere Rasse, sie haben andere Präferenzen, sie haben andere Verhaltensweisen – und sie sind auch emotional nicht in der Lage, das nachzuvollziehen und nachzuempfinden, was wir als Deutsche empfinden. Wenn wir z. b. Musik hören. Ich glaube, dass das mit Bayreuth sehr viel zu tun hat. Es ist nicht klar, wann der Umschlag kam bei ihm, ab wann er eigentlich Antisemit war. Ich bin geneigt zu sagen, dass das eigentlich in Dresden losging, nachdem er Cosima kennen gelernt hat, die ja eine wirklich fanatische Antisemitin war, viel schlimmer als ihr Mann. Und, dass das vielleicht sogar der Auslöser war. Man darf bei dieser Geschichte eines nicht vergessen: Chamberlain ist ein Engländer, der sehr früh, mit fünf Jahren glaub ich seine Mutter verloren hat, der Vater war ein hohes Tier in der britischen Admiralität, der Junge wurde nach Versailles gegeben, zu seiner Großmutter, die ihn erziehen wollte. Er war im französischen Kontext. Und dann hat er einen deutschen Hauslehrer gehabt, der ihm die deutsche Kultur beigebracht hat. Er hat selbst einmal in seinem Buch Lebenswege meines Denkens davon gesprochen, dass er eigentlich immer heimatlos gewesen sei. Er habe sich nirgendwo wirklich zu Hause gefühlt. Weder in England, noch in Frankreich, am ehesten noch in Deutschland. Aber selbst da habe er als Engländer eben nicht wirklich dazugehört. Und ich glaube, es ist psychologisch eigentlich sehr einsichtig, dass ein Mensch der so starke Bindungsbedürfnisse hat, wie sie Chamberlain gehabt hat, den Wunsch hatte, irgendwo anzudocken, wenn ich das so sagen darf. Und dann kam Cosima ins Spiel. Und plötzlich war er, nachdem er in Wien

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 19 ja über Wagner schon wirklich viel geschrieben und im akademischen Wagnerverein Vorträge gehalten hat, Cosima kannte diese Sachen und hat sie sehr geschätzt. Da kam plötzlich jemand, der ihn aufgenommen hat in eine Familie. Er war plötzlich Mitglied der Familie Wagner. Das war ein feste Institution und noch dazu die kulturell berühmteste in Deutschland. Da hat er plötzlich sowas wie Heimat gefunden. Und dann heiratete er Eva und dann gehört er dazu. Und dann ist klar, dass wenn man diesen Prozess durchläuft, dass man sich nicht nur anpasst, sondern assimiliert. Ich könnte mir vorstellen, dass das eine Form der Erklärung dieses Antisemitismus ist.

Musik: Richard Wagner, Parsifal, Vorspiel, folgenden Absatz untergelegt

Sprecherin 1: Hermann Levi ist der Prototyp des modernen Dirigenten. Bis zu seinem Schaffen ist es üblich, dass herausragende Musiker nach Bedarf als Kapellmeister, Komponist oder Solist wirken. Noch bei Vorstellungen in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Musikstücke willkürlich gekürzt, auf die gerade vorhandenen Instrumente zusammengestutzt und vielfach unter metronomischer Schlägerei nachlässig interpretiert. Es wurde meist zeitgenössisches Repertoire gespielt, da der Umgang mit historischer Musik weitgehend unbekannt war. Bestenfalls führten die Komponisten ihre Werke, die einem Anlass geweiht und nicht für die Ewigkeit gedacht waren, dem jeweiligen Mäzen selbst vor. Das hatte den Vorteil, dass nicht unbeherzt drauf losmusiziert wurde; doch waren die wenigsten Komponisten auch gute Orchesterleiter, Robert Schumann beispielsweise galt als erbärmlicher Dirigent. Die Kompositionen wurden im 19. Jahrhundert immer umfangreicher – und an bislang eher unscheinbare Instrumente wie Bratsche, Violoncello und Fagott größere Anforderungen gestellt. Den Herausforderungen immer aufwendigerer Partituren waren die Kapellmeister oft nicht mehr gewachsen. Richard Wagner bildete schließlich Schüler aus, welche als die erste Generation moderner Dirigenten angesehen wurden. Es ist ein historischer Moment: Die Ablösung des Dirigenten vom Komponisten oder willkürlichen Kapellmeister geht vonstatten. Komponist, Dirigent und Solist entwickeln sich von nun ab als eigenständige Sachautoritäten. Wagner erkennt, dass die Schwächen der deutschen Orchester in Beschaffenheit und Leistung hauptsächlich von den nachteiligen Eigenschaften der Kapellmeister herrühren, die den Bedürfnissen eines neuen Kunstwollens nicht gewachsen sind. Er präferierte als Kapellmeister eine respektable Persönlichkeit, die selbst wisse, was für ein heutiges Orchester nötig sei. Das Dirigieren sei maßgeblich eine Kunst und kein Handwerk, darin ist er sich mit Liszt einig. Wagner hat mit seiner 1869 erschienenen Schrift Über das Dirigieren die Auffassung formuliert, dass ein Souverän nicht nur das Orchester zusammenzuhalten, sondern die musikalischen und dramatischen Fügungen vermittelnd zu durchdringen habe. Und Wagner erwartet bereits Vollkommenheit von etwas, was er gerade als

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Norm aufgestellt hatte. Sein Kampf gegen leeren Formalismus und das Plädoyer für dynamisch-expressive Tempomodifikationen wirken als Vorbild. Über das Dirigieren ist lange Zeit eine Art Evangelium für junge Musiker. Obwohl Wagner seine Schrift mit Ressentiments gegen jüdische Dirigenten versehen hatte, will Hermann Levi dem darin geforderten Modell entsprechen. Und tatsächlich ist er einer der Ersten, die durch fachmännische Kompetenz ein öffentliches Interesse für die Führung eines Orchesters schaffen. Levi ist ein Verfechter vollkommener Werktreue. Musik ist ihm klingende Architektur und keine selbstvergessene Nuancenverliebtheit. Davon zeugen seine exakten Partitur-Studien und detaillierten Rückfragen bei den Komponisten vor den Aufführungen. Levi gehört zu den Pionieren einer Zunft, die aus der anonymen Dunkelheit des Orchestergrabens zur gefeierten Virtuosen-Kultur aufgestiegen sind. Für seinen jüngeren Weggefährten Felix Weingartner ist er

Sprecher 5: der vom Geiste der Kunst unmittelbar erleuchtete, der äußerlich die Vorzüge seiner Kollegen in sich vereinigte, innerlich aber viel weiter vordrang wie sie alle.

Sprecherin 1: Levi verachtet die Willkür, ohne die eigene Verve zu vernachlässigen. Seine begeisterte Identifikation und Verantwortung dem Werk gegenüber wird ein Markenzeichen für einzigartige Stabführung. Unter seinem Dirigat finden bedeutende Erstaufführungen von Wagner, Brahms, Verdi, Bruckner, Tschaikowsky, Cornelius, Humperdinck und Richard Strauss statt; er fördert Max Bruch, Anton Bruckner und ist Vorkämpfer für Berlioz in Deutschland. Nur der exzentrische Hans von Bülow ist gleichrangig. Aus dem Geniekult des 19. Jahrhunderts wird der heutige Mythos des Star-Dirigenten geboren. Der „Virtuose des Taktstocks“ bricht in die Musikgeschichte; es folgen unmittelbar Nikisch und Mahler, später Toscanini und Furtwängler.

Musik:

Sprecherin 1: Im Jahr 1862 dirigiert der gerade 23-Jährige Levi den Lohengrin in Rotterdam. Hier kommt es zur ersten Kontaktaufnahme mit Wagner, denn er möchte den Schöpfer dieser Oper als Gastdirigenten einladen. Wagner will tatsächlich für ein Honorar von 1000 Gulden an zwei Abenden dirigieren, doch die Rotterdamer Intendanz lehnt die hohe Forderung ab. Im Jahr darauf führt Levi in Karlsruhe mit großem Publikumserfolg den Tannhäuser auf, 1864 folgen Lohengrin und Holländer. Neben literarischen Bearbeitungen und Kompositionen nimmt Levi regen Anteil an der Karlsruher Kulturgesellschaft, in die er den russischen Dichter Ivan Turgenjew

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 21 einführt. Er lernt den Maler Anselm Feuerbach kennen, wird Sammler seiner Werke und nach dessen Tod der Berater für den Nachlass. Seine Freundschaft zu Johannes Brahms und beflügelt ihn zu außerordentlichen Leistungen. Im Frühjahr 1869 werden unter seiner Stabführung die Meistersinger von Wagner und das Deutsche Requiem von Brahms aufgeführt. Levi ist so erfolgreich, dass er vom badischen Großherzog einen Brillantring geschenkt bekommt. Das spricht sich herum. Levis unermüdliches Engagement in Sachen Wagner ist zugleich von künstlerischer Glückseligkeit und persönlicher Erniedrigung gezeichnet. Der junge Dirigent schreibt an den Dichter Paul Heyse, dass er Wagner wie einen Rausch über sich ergehen lasse und diesem Manne mit Leib und Seele verfallen sei. Er ging später so weit, dem verehrten Meister während einer Orchesterprobe die Hand zu küssen, was dieser sich wie selbstverständlich gefallen ließ.

Sprecher 5: Mir fiel sein geradezu unterwürfiges Wesen nicht nur Frau Wagner, sondern auch den Kindern gegenüber auf. Es war ein fortwährendes seelisches und körperliches Verbeugen, das mich peinlich berührte, da ich Levi, den großen Künstler und freigeistigen Menschen, von dieser Seite nicht kannte und auch bald merkte, dass die Mitglieder der Familie Wagner ihm abgeneigt waren und ihn sogar leise verhöhnten, was sich unter der lächelnden Maske der Freundschaft nur ungenügend verbarg. Als das Betragen ihm gegenüber sich fortsetzte und eines der Kinder ihm in Gegenwart mehrerer Personen einmal zurief: „Ach, Levi, Sie reden ja lauter Unsinn“, ohne dass er zu erwidern wagte, da nahm ich ihn beiseite und frug ihn, wie es möglich sei, dass ein Mann seiner Bedeutung sich derartig behandeln lassen könne. Trüben Blickes sah er mich an und stammelte mit rauer Stimme: „Du hast es freilich leicht in diesem Hause, du – Arier!“

Sprecherin 1: Als 1872 eine Anfrage für eine feste Verpflichtung vom Münchener Hoftheater kommt ist Levi nicht zögerlich. Der einzigartige Ruf dieses doppelt so großen Orchesters wie das in Karlsruhe und die Möglichkeit, dort den Tristan dirigieren zu können, war zu reizvoll. Der 33-Jährige hatte nun das Arbeitspensum von vierzig Repertoire-Opern in der Saison zu bewältigen, darunter Meyerbeer und Wagner. Gerade in München liegen ihm kulturelle Geselligkeiten am Herzen, sodass er Freundschaften mit dem Dichter Paul Heyse, dem Karikaturisten sowie den Schöngeistern Hedwig und Alfred Pringsheim knüpft. Weiterhin nutzt Levi jede Gelegenheit, sich Wagner dienlich zu zeigen. Er gewinnt bekannte Solisten für die Bayreuther Festspiele und assistiert in seiner freien Zeit auf dem Grünen Hügel. Brahms, Heyse, Clara Schumann und sein Lehrer Vincenz Lachner versuchen, ihn mit verschiedenen Einwänden von Wagner abzubringen, doch Levi scheint sich unbeirrt auf eine Gralsritterschaft

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 22 vorzubereiten. Deshalb wenden sich die Freunde sich mehr und mehr von ihm ab. An seinen Vater schreibt er:

Sprecher 7: Ich war ganz überwältigt vom Eindruck der Werke, des Hauses und der Aufführung. Gerade ich, der ich auf großen Umwegen und nach vielen inneren Kämpfen Wagnerianer geworden bin, habe vielleicht ein freieres Urteil. Ich bin alt genug, um mir nichts mehr weiszumachen – und ich sage Dir, dass das, was sich künftiges Jahr in Bayreuth vollziehen wird, eine radikale Umwälzung in unserem Kunstleben hervorbringen wird. Die Werke Wagners mögen wieder vergehen, nicht aber seine reformatorischen oder vielmehr reaktionären Ideen. Ich sage reaktionär, weil er der Musik wieder ihre eigentlichste Stellung zuweist, wie sie sie schon unter Gluck inne gehabt hat.

Sprecherin 1: Zu Levis neuen Freunden zählt der Maler Franz von Lenbach. Der durch die Bismarck-Porträts berühmt gewordene Künstler hat auch Levi häufig gemalt. Bevorzugt stellte er ihn in biblischen Kontexten dar. Durch Levis Vermittlung wird dann auch das Ehepaar Wagner verschiedentlich porträtiert, später auch Chamberlain. Der Ring des Nibelungen im 1. Bayreuther Festspieljahr 1876 wird unter Wagnerianern als schicksalhaft empfunden. Levi versucht, das Weiterleben des Unternehmens durch Benefizkonzerte und Sammlungen zu unterstützen, und ist der Stipendienstiftung ein generöser Mäzen. In München kümmert er sich um die erste Ring-Aufführung außerhalb Bayreuths. Die Götterdämmerung wird an der Hofbühne ein derartiger Erfolg, dass Levi das Ritterkreuz 1. Klasse und der Verdienstorden des Heiligen Michael verliehen wird. Im Frühjahr 1881 wird eine für Levi existenzielle Entscheidung gefällt. Cosima Wagner vermerkt dazu in ihrem Tagebuch:

Sprecherin 3: Wagner kündigt dem Kapellmeister zu seinem Erstaunen an, dass er den Parsifal dirigieren wird; „vorher nehmen wir einen Akt mit Ihnen vor. Ich möchte, es gelänge mir, die Formel dafür zu finden, dass Sie sich ganz unter uns als zu uns gehörig empfinden.“ Das umschleierte Gesicht unseres Freundes lässt Richard davon abbrechen, aber wie wir allein sind, besprechen wir länger diese Frage. Wir kommen überein, dass diese fremdartige Rasse nie ganz in uns aufgehen kann.

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Sprecherin 1: Levi erwägt nach der Unterredung mit Wagner tatsächlich den Konfessionswechsel und erwähnt in einem Brief an Cosima, dass er an offenstehenden Kirchentüren vorbeieile, da es ihn unwiderstehlich ins Innere ziehe. Künstler wie Gustav Mahler sind ohne weiteres noch zwanzig Jahre später konvertiert, um in der Gesellschaft aufzusteigen. Nur die intensive Beziehung zum religiösen Vater, zum skeptischen Wilhelm Busch und manchem anderen Nicht-Wagnerianer mögen ihn davon abgehalten haben. Er wohnt im Juni 1881 für einige Zeit in Wahnfried und ist auch zu den Mahlzeiten der Familie Wagner geladen. Als sich der Dirigent am 28. Juni wegen einiger Besorgungen in der Stadt zum Mittagstisch verspätet, steht Wagner, die Taschenuhr in der Hand mit der Familie in der Vorhalle und sagt:

Sprecher 6: Sie kommen 10 Minuten zu spät! Unpünktlichkeit ist halbe Untreue! Wer andere auf sich warten lässt, ist ein Egoist.

Sprecherin 1: Dann schickt er Levi auf sein Zimmer, damit er einen Brief lese. Dort liegt ein anonymes Schreiben an Wagner, in welchem intime Beziehungen zwischen Cosima und Levi angedeutet sind und der Meister beschworen wird, sein Werk rein zu halten, es nicht von einem Juden dirigieren zu lassen. Schließlich bei Tisch fragt Wagner seinen niedergeschlagenen Gast, warum er denn so still sei. Als dieser mit der Frage antwortet, weshalb der Brief nicht einfach zerrissen worden sei, entgegnet der Gastgeber:

Sprecher 6: Das will ich Ihnen sagen, hätte ich den Brief niemanden gezeigt, ihn vernichtet, so wäre vielleicht Etwas von seinem Inhalte in mir haften geblieben, so aber kann ich Sie versichern, dass auch nicht die leiseste Erinnerung an ihn mir bleiben wird.

Sprecherin 1: Nach der Mahlzeit packt Levi seine Sachen, fährt, ohne sich zu verabschieden, nach Bamberg und bittet aus der Ferne, von der Leitung des Parsifals entbunden zu werden. Wagner telegrafiert seinem Dirigenten hinterher:

Sprecher 6: Freund, Sie sind auf das ernstlichste ersucht, schnell zu uns zurückzukehren.

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Sprecherin 1: Doch Levi wiederholte beharrlich seinen Entlassungswunsch. Der Regent des Grünen Hügels muss gespürt haben, dass er psychologisch versagt hatte, indem er seinen Herrschergestus, verbunden mit einer Aversion gegen das Jüdische, mit Personalpolitik vermischte. Jedenfalls war nun klar, dass Levi es mit dem Hinwerfen des jüngst erworbenen Amtes ernst meint, zumal er um das pragmatische Vorspiel zur Parsifal-Aufführung gewusst haben wird: Ludwig II. hatte Wagner großzügig sein Hofensemble überlassen, da es diesem 1882 finanziell unmöglich war, für den Parsifal ein hochwertiges Orchester zusammenzustellen. Doch der empfand es als eine Zumutung, das Weih-Festspiel von einem Juden dirigieren zu lassen, und wollte das Orchester ohne den Spielleiter. Aber der König beharrte und Wagner, der keine wirkliche Alternative zu Levi hatte, knickte ein. Mit der offenen Kränkung Levis steht nun das Parsifal-Unternehmen in Gefahr. Also schickt Wagner dem Flüchtigen am 1. Juli einen versöhnlichen Brief hinterher:

Sprecher 6: Lieber, bester Freund! Alle Ihre Empfindungen in Ehren, so machen Sie doch sich und uns nichts leicht! Gerade dass Sie so düster in sich blicken, ist es, was uns im Verkehr mit Ihnen etwa beklemmen könnte! Wir sind ganz einstimmig, aller Welt diese Sch… zu erzählen, und dazu gehört, dass Sie nicht von uns fortlaufen, und folgends Unsinn vermuten lassen. Um Gottes Willen, kehren Sie sogleich um und lernen Sie uns endlich ordentlich kennen! Verlieren Sie nichts von Ihrem Glauben, aber gewinnen Sie auch einen starken Muth dazu! Vielleicht – giebt’s eine große Wendung für Ihr Leben – für alle Fälle aber – sind Sie mein Parsifal-Dirigent! Nun, herauf! herauf! Ihr Richard Wagner.

Sprecherin 1: Diesem Pathos zwischen Selbstgewissheit, Freundschaftswerbung und Befehlston ist Hermann Levi nicht gewachsen. Außerdem vermittelten die Zeilen den wesentlichen Punkt, dass das künstlerische Credo und nicht die Konfession für die Parsifal-Leitung entscheidend sei. Eben dieses Bekenntnis zu Wagner – und da trifft der Brief ins Schwarze – bringt mit der Parsifal-Premiere eine Wende in seinem Leben. Levi kann sich der suggestiven Musik nicht verweigern, da er sein Künstlertum genau daraufhin ausgerichtet hatte. Am 2. Juli sitzt er bereits wieder pünktlich um 13 Uhr in Wahnfried beim Mittagstisch. Wagner hatte an diesem Tag für hebräischen Wein gesorgt, eine Ironie, welcher sich der nie ganz heimisch gewordene Gast nicht verschließen kann. Aber diese Herzlichkeit ist in kein familiäres Aufgehobensein getaucht worden, wie es später Chamberlain zuteilwurde. Darunter hat Levi nachhaltig gelitten. Cosima nannte ihn den „Major“. Diese Art von süffisanter Aufmerksamkeit, welche der Familie spielend von den Lippen ging, beseelte Levi:

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Sprecher 7: Das schönste, was ich in meinem Leben erfahren habe, ist, dass es mir vergönnt wurde, solchem Manne nahe zu treten, und ich danke Gott dafür.

Musik: Richard Wagner, Parsifal, Vorspiel (Ende)

Sprecherin 1: Im Februar 1900 weilte Levi zum 23. Geburtstag von Eva Wagner, der späteren Frau Chamberlains, das letzte Mal in Wahnfried. Bereits fünf Wochen später bereitete er sich mit einem starken Nierenleiden auf seinen nahen Tod vor. Sein letzter Wunsch war noch einmal Cosima zu sehen. Die aber lag selbst krank in Florenz und konnte der Bitte ihres sterbenden „Majors“ nicht nachkommen. Zu seiner Frau Mary sagte Levi, dass er anständig aus dem Leben gehen werde, da er genug Schopenhauer und Wagner gelesen habe. Der die Totenmaske abnehmende Adolf von Hildebrand sagte, dass der Kopf herrlich wie ein verklärtes Christusbild aussähe. Nach seinem Tod kolportierte Chamberlain, dass sich Levi ein Leben lang übergangslos in Disposition zwischen den Extremen befand:

Sprecher 2: Er war wie die sog. „labilen“ Waagen, die nie im Gleichgewicht bleiben können, sondern sofort nach der einen oder anderen Seite umkippen, und – wie der Engländer sagt – „kick the beam“.

Sprecherin 1: Und wirklich: Levi, der als Hofkapellmeister in München ein so hohes Amt trägt, dass er letztlich nur vom König Weisungen entgegenzunehmen hat, lässt sich in Bayreuth demütigen. Selbst eine anerkannte Kulturgröße mit einflussreichen Freunden, glaubt er, auf die Gunst antisemitischer Geister angewiesen zu ein. Die Beziehung zwischen Hermann Levi und dem Rasse-Ideologen Houston Stewart Chamberlain ist für das Verständnis der Konsolidierung Bayreuths nach Wagners Tod von großer Bedeutung. Gehören diese heterogenen Persönlichkeiten doch zu den prägenden Figuren der Rettung und Verbreitung des künstlerischen Erbes am Grünen Hügel. In seinem autobiographischen Werk fasst Chamberlain die einstige Verbundenheit folgendermaßen zusammen:

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Sprecher 2: Die Münchner Tage im November 1878 benütze ich auch dazu, mich als Mitglied des neugegründeten Bayreuther Patronatsvereins aufnehmen zu lassen. Dies geschah durch Anmeldung bei Hermann Levi, wodurch ich zum ersten Mal in meinem Leben mit einer Persönlichkeit aus dem Bayreuther Kreise in Berührung trat; ehrfürchtig durchschauerte es mich, als Levi erzählte, er sei vor zwei Tagen aus Bayreuth zurückgekehrt, wobei er Äußerungen des Meisters über seinen Nibelungenring anführte. Leider erfolgte aus diesem Besuch keine Anknüpfung irgendwelcher Art; der berühmte Kapellmeister staunte zwar über den Briten, der so wenig von Wagner wusste und doch mit solcher Begeisterung dem Patronatsverein anzugehören wünschte, aber der Weg von Mensch zu Mensch tat sich zwischen uns beiden erst nach weiteren 15 Jahren, infolge meines Vortrages Der Tod bei Wagner auf. Wie viel hängt doch manchmal im Leben von dem Eindruck und dem Eingreifen Anderer ab!

Sprecherin 1: Levi ist auf merkwürdige Weise von dem englischen Flaneur Chamberlain mit seiner unverhohlenen Animosität gegenüber Juden angezogen. Der Leiter des Münchner Hoforchesters ist von dem literarisch dilettierenden Naturwissenschaftler sogar derart begeistert, dass er ihm persönlich Karten für seinen in München dirigierten Ring in die Wohnung bringt. Der damals noch unbekannte Houston Stewart Chamberlain wird sich an diese Aufführung lange erinnern:

Sprecher 2: Sie können überzeugt sein, dass ich Ihre freundliche Gesinnung gegen mich, armen Skribenten, ungemein hoch schätze. Niemals – auch wenn ich 100 Jahre alt würde – könnte ich es vergessen, wie Sie im Jahre 1878 sich unserer annahmen und wir durch Ihre Güte und Bemühung zum ersten Mal den Ring hörten u. danach den fürs Leben entscheidenden Eindruck bekamen.

Sprecherin 1: Der zehn Jahre später einsetzende Briefwechsel, in dem über Bellini, Berlioz, Liszt und Wagner korrespondiert wird, nimmt zunehmend freundschaftlichen Charakter an.

Sprecher 2: Empfangen Sie jetzt hin und wieder wirklich eine Anregung aus meinen Schriften (und aufrichtig gesagt, ich kann mir kaum denken, dass Sie auch nur zum Durchblättern von Derartigem Zeit und Lust haben), so ist das eine kleine Abschlagzahlung von dem Vielen, was ich Ihnen schulde.

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Sprecherin 1: Chamberlain redigiert Levis deutsche Übersetzung des Aufsatzes von Henry Thomas Buckle Über den Einfluss der Frauen auf den Fortschritt des Wissens. Sie tauschen sich intensiv über Siegfried Wagner als Dirigenten und Komponisten aus. Verschiedene Presse-Attacken gegen den jungen Künstler ermutigen Levi und Chamberlain dazu, sich gegenseitig in der Zuwendung für den Bayreuther Erben zu überbieten. Es scheinen beide Wagnerianer von der Persönlichkeit des jeweils anderen geradezu entzückt zu sein:

Sprecher 2: Sie haben die echte und aufrichtige Liebenswürdigkeit eines wirklich bedeutenden Mannes.

Sprecherin 1: Hermann Levi wurde 1894 als musikalische Autorität von dem Münchener Verleger Hugo Bruckmann gebeten, bei der Autorensuche für Komponisten-Monographien zu helfen. Levi vermittelte an Chamberlain, dessen Artikel aus den Bayreuther Blättern ihm wohlbekannt waren und den er bei dieser Gelegenheit gerne protegierte. Bruckmann lässt Chamberlain daraufhin das Wagnerbuch schreiben. Dieser vermeldet bereits im Februar 1895 das rasche Voranschreiten des Projekts. Allerdings verhehlt er nicht, dass sein wichtigstes Kapitel die Frage des Judentums berühren soll:

Sprecher 2: Eine jede Vertuscherei oder auch nur Zimperlichkeit wäre des großen Meisters unwürdig gewesen, – ja, auch meiner. Ich habe also (wie wir auf Englisch sagen) den Stier bei den Hörnern gepackt! Dass mich die versöhnlichste, reinmenschliche Absicht hierbei geleitet hat, – dass ich mich bemüht habe nachzuweisen, dass keine Gehässigkeit in Wagner’s diesbezüglichen Anschauungen lag, etc., das brauche ich gerade Ihnen, lieber Herr Levi, nicht erst zu versichern. Und dass ich dabei einige Seitenhiebe an diejenigen verteilt habe, die gerade über die Schriften eines so edlen Gegners in maßlose Wut geraten sind, während sie viel Schlimmeres mit Stillschweigen übergingen, – das werden Sie auch in der Ordnung finden.

Sprecherin 1: Obwohl das „bei den Hörnern gepackte“ Kapitel nicht den ursprünglich gedachten Umfang erhielt, muss Chamberlain wohl geahnt haben, dass seine Ausführungen, in denen vom „Verderb des Blutes“ und vom „demoralisierenden Einfluss des Judentums“ als Ursachen für kulturellen Verfall die Rede ist, eine Provokation für seinen Gönner sein müssten – doch Levi bleibt ungerührt. So leistet sich Chamberlain einen zweiten Affront, der mit der Polemik gegen das Judentum in unmittelbarer

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 28

Verbindung steht. Auch diese Impertinenz scheint Levi nicht weiter übel zu nehmen. Glücklich über die zumindest nicht offensichtlich stattgefundene Gekränktheit des Freundes schreibt Chamberlain:

Sprecher 2: Den Anteil, den Sie an dem Zustandekommen dieses Buches hatten – oder vielmehr haben – werde ich niemals vergessen. War es auch ein bloßes Urteil, welches Sie abgegeben hatten, so haben Sie ein „Salomonisches“ gefällt, und dadurch eine gute und schöne Tat vollbracht. Kurz, was auch andere darüber denken mögen, für mich hat Ihr entscheidendes Eingreifen in dieser Sache, die fortan eine echteste Lebensfreude und Genugtuung für mich bedeutet, durch ein neues Band freundschaftlicher Dankesgefühle noch fester die alten Bande geknüpft, die seit dem Jahr 1878 mich an Sie, verehrter Herr und Freund, knüpfen.

Sprecherin 1: Chamberlain hatte durch Levis Vermittlung wirklich die „Genugtuung“, einen Verleger gefunden zu haben, der ausnahmslos alle größeren Werke von ihm drucken und mit hohen Auflagen verbreiten wird. Bevor diese Verbindung zustande kam, hatte Chamberlain einen Namen nur in Pariser und Bayreuther Wagnerkreisen. Um diesen Zustand zu ändern, nahm er 1894 Verbindung mit dem jüdisch stämmigen Maximilian Harden auf, um in dessen Wochenschrift Die Zukunft, die in aller Munde war, zu reüssieren. Dem wurde auch stattgegeben, aber der Text ist nie erschienen. Der Autor war begreiflicherweise enttäuscht. Zwei Jahre später bekommt nunmehr Hermann Levi die Anfrage von Harden, ob er nicht in der Zukunft über die Bayreuther Festspiele schreiben wolle. Der alte Kultur-Kommunikator wittert sofort die Möglichkeit, in der verbreiteten Zeitschrift Werbung für den Bayreuther Stipendienfonds zu machen. Weiterhin sieht er in dem Blatt, das für die Förderung moderner Literatur berühmt ist, für unbekannte Schriftsteller die Gelegenheit, sich einen Namen zu machen – und gibt die Anfrage großzügig an Chamberlain weiter. Levis Autorität reicht so weit, dass Harden im Jahr 1896 gleich zwei Artikel seines Schützlings in der Zukunft platziert und das Wagnerbuch bei Bruckmann erscheint. Diese Bemühungen sind ein Fundament für Chamberlains Ruhm, der nicht lange auf sich warten lässt. In der Öffentlichkeit setzt sich Levi für die Werke von Peter Cornelius, Anton Bruckner, Engelbert Humperdinck, Hector Berlioz und Richard Strauss ein. Außerhalb seines Amtes als Dirigent am Hoftheater ist er weiterhin in Bayreuth aktiv, wird in Besetzungs- und Interpretationsfragen konsultiert, organisiert Logenplätze verschiedener Aufführungen für die Wagners in München und erledigt noch Einkäufe und Besorgungen für die Familie. Kundrys einzige Worte im dritten Akt des Parsifal: „Dienen.. Dienen! –“, scheinen in Levi eine Entsprechung gefunden zu haben. Siegfried Wagner liegt ihm besonders am Herzen; er tut alles Erdenkliche, um seine

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 29 musikalische Laufbahn zu fördern. Nachhaltig bemüht er sich um dessen Erstlingswerk Der Bärenhäuter, das im Januar 1899 uraufgeführt wird. Bei einer Wiederholungsaufführung im Herbst gibt es in Levis Wohnung eine Nachfeier, bei der auch Chamberlain anwesend ist. Siegfried Wagner schreibt in seinen Erinnerungen:

Sprecher 5: Alles, was es an besonderen, geistreichen Menschen in Europa gab, war in seinem Hause zu Gast. Levi hatte lebhaftes Interesse für jeden einzelnen von uns, er ging auf unsere Individualitäten ein: meine architektonischen Entwürfe zeigte er in den Münchener Künstlerkreisen herum, und nie werde ich ihm vergessen, mit welchem Eifer er sich für die Aufführung meines Bärenhäuters in München verwandte. Er überwachte alle Proben, obwohl er selber durch seine Gesundheit verhindert war zu dirigieren.

Musik: Siegfried Wagner, Bärenhäuter, Vorspiel

Sprecherin 1: Levi ist indessen von dem wachsenden Erfolg des englischen Rassen-Ideologen so angetan, weil er sich hinter den Kulissen die maßgebliche Beteiligung daran selbst zugute schreibt. Er fördert ein Werk, das ab 1900 zu den populärsten Schriften der antisemitischen Bewegung avancierte und später direkten Einfluss auf Hitler ausübt: Im September 1898 weiht ihn Chamberlain in ein größeres Projekt für den Verleger Bruckmann ein, in welchem er die gesamte europäische Philosophie zwischen 1200 bis 1800 nach einem neuen Prinzip darstellen möchte und den Anspruch erhebt, besonders für Laien einen übersichtlichen Zugang zu schaffen. Das Buch soll den Titel Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts tragen. Levi wird durch die Korrespondenz mit dessen Schöpfer zu einem begeisterten Leser und frühen Kenner der Schrift:

Sprecher 7: Chamberlains Buch habe ich gründlich und wiederholt gelesen. Mir ist, als habe er mich auf einem Zaubermantel emporgetragen und mir ein wundervolles Welt-Fernbild gezeigt. Ob er im Einzelnen geirrt, ob er nicht manchmal die Tatsachen zu Gunsten seiner Ideen gemodelt, kann und will ich nicht untersuchen, denn diese letzteren sind so großartig, so überzeugend und machen so sehr den Eindruck der Wahrhaftigkeit und des innerlich Erlebten, Geschauten, dass unsereiner sich nur ehrfurchtsvoll schweigend mit forttragen lassen kann. Mit diesem Buch habe ich Chamberlain unter meine großen Wohltäter eingereiht, unter meine Hausgötter, denen ich täglich ein Dankopfer bringe dafür, dass sie mir den Sinn und den Wert dieses Lebens erklärt haben.

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 30

Sprecherin 1: Freilich ist auch Levi die abstruse Geschichtsschreibung, welche im dritten Kapitel die Beweisführung verfolgt, dass Christus kein Jude sei, unangenehm aufgestoßen. Doch lässt er Chamberlain gegenüber seine Kritik nur anklingen, um sich geradezu demutsvoll dem germanischen Herrschergestus des Buches zu beugen. Die selbstaufgerissene Dichotomie von „unsereiner“ und „Wohltäter“ verdeutlicht ein rassisches Minderwertigkeitsgefühl – ein fast behagliches Einverstandensein mit der Rolle des Opfers. Auch Chamberlain fühlt sich von Levi verstanden und denkt laut darüber nach, seinen kommenden Ruhm mit einem Goethewort zu veranschaulichen. Der habe geschrieben, dass unter der Aussicht von weniger als einer Million Lesern gar nicht erst zur Feder gegriffen werden sollte. Nonchalant wird hinzugefügt, dass

Sprecher 2: ein Leser wie Sie an sich allein eine halbe Million gewöhnlicher Leser aufwiegt, – also, noch einen Hermann Levi und ich bin geborgen!

Sprecherin 1: Als das Buch im März 1899 auf den Markt gelangt, versucht Levi, die Verbreitung mit seinen weitgefächerten Kontakten zu unterstützen. Beispielsweise lässt er es dem in seiner Nachbarschaft wohnenden Hofprediger Adolf Stoecker zukommen. Auch mit dessen legendärem Antisemitismus hat er keine Berührungsängste. Der umtriebige Dirigent nimmt sich sogar die Zeit, einem Rezensenten für die gute Besprechung des Buches zu danken, und lässt es sich bei dieser Gelegenheit nicht nehmen, noch einmal die stolze Persönlichkeit Chamberlains und seine mutige Geschichtsschreibung hervorzuheben. Nur einige Monate vor seinem Tod verkündet der bereits schwerkranke Levi seinem verehrten Freund, dass sich Stoecker bei ihm zum Frühstück angemeldet habe. Da dieser zwar das Grundlagen-Kapitel über den Staat schätze, aber manch’ anderes zu kritisieren habe, freut er sich darauf, seinen Nachbarn entsprechend zurechtweisen zu können. Im Frühjahr 1901, knapp ein Jahr nach Levis Tod, gibt Chamberlain in den Bayreuther Blättern Wagners Briefe an Levi heraus. Der Brite lobt darin Levis Engagement für die deutsche Kultur, insbesondere für Mozart, Goethe und Wagner, die ihm zu einer Kunst-Religion verholfen hätten. Weiterhin sei er leidenschaftlich gut, hilfreich, werktätig, generös gewesen und habe neben aufwendiger Orchesterarbeit den Bayreuther Stipendienfonds und die Stil- Schule gefördert. In Levi habe ein Allgemeines seinen scharf individualisierten Ausdruck gefunden. Chamberlain will darauf hinaus, dass der Verstorbene der Inbegriff des Jüdischen gewesen sei, der sich magnetisch von deutscher Kunst angezogen fühlte, dem jedoch aufgrund seiner „Stammesangehörigkeit“ der letzte Zugang versperrt war.

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 31

Sprecher 2: Und ganz genau an diesem Punkte fand eine so intime Berührung statt, dass wir ihn zu den unsrigen zählen durften, zugleich aber gähnte gerade hier die Kluft so weit, dass man von hüben und drüben mit trostlosen Augen sich anblickte.

Sprecherin 1: Chamberlain stilisiert in seinem Nachruf das Phänomen eines versteckten Ressentiments zur Tragik dieses Lebens. Eine Zuweisung wird als geschichtliches Verhängnis interpretiert, das zwar, wie im Falle Levi, ein Eindringen in deutsche Kultur ermöglichen könne, menschlich jedoch scheitern müsse. Das aus Mythos und Abstammungslehre entstandene Konstrukt des „Rassenproblems“ ist für Chamberlain polarisierende Evidenz. Er schreibt mit Blick auf die biblischen Stammväter:

Sprecher 2: Die Kluft, welche Sem und Japhet scheidet, reicht gewiss sehr tief in das Verborgene hinunter, doch bleibt sie an manchen Orten unsichtbar und an anderen ist sie ein bloßer Riss; es gibt aber eine Stelle im Gemüt und eine andere im Intellekt, wo sie weit offen gähnt.

Sprecherin 1: Am Schluss geht er auf Levis Interpretation des Vorspiels im dritten Akt des Parsifal ein, in dem der Held trostlos nach dem Gral sucht. Schon Cosima hatte die einzigartige Stabführung des Vorspiels beschworen. Ausgerechnet an dieser Stelle soll Unvergleichliches geleistet worden sein. Dadurch wird suggeriert, dass der Dirigent aufgrund seiner Herkunft mit naturgegebener Veranlagung die Rastlosigkeit Parsifals bestens nachvollziehen konnte. Die ahasverische Assoziation wird von Chamberlain auf Levi übertragen. Auch dieser habe den rastlosen Wunsch nach Erlösung in sich, was in Bayreuth an seiner Unentschlossenheit zum Konfessionswechsel festgemacht wird. Die zum antisemitischen Mythos tradierte Fabel von Ahasver ist für Chamberlain eine willkommene Metapher der ideologischen Diktion am Beispiel von Hermann Levi. Spätestens bei dem englischen Bayreuther ist der Grat vom christlichen Antijudaismus zum politischen Rassismus überschritten. Er schreibt: „Für Wagner gibt es gar keine Individuen, sondern nur eine ganze, unzertrennbare Menschheit.“ Wenn die Aussage zutrifft, ist Chamberlain seinem Meister nicht gefolgt. Levis gewiss korrektes Vorspiel des dritten Aktes hatte auf interner Ebene eigentümliche Blüten gezeugt. Die von Hermann Levi geförderte Popularität der Grundlagen hat gerade erst begonnen. Das aus dem Geiste Bayreuths entstandene Fanal einer neuen Morgenröte germanischer Kultur wird zum Bestseller im Wilhelminischen Deutschland. Die Nationalsozialisten deklarieren das Buch frühzeitig für ihre Ideologie als vordenkend

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 32 und wegweisend. Hermann Levi bezeichnete sich selbst als „wandelnden Anachronismus“ und wünschte Cosima, nicht fünf Minuten ihres Leben ein Jude sein zu müssen. Zu Wagner äußerte der Dirigent im Januar 1879, dass man die Juden aus dem Münchner Magistrat entfernen solle und er sich wünschte, dass sie in zwanzig Jahren mit Stumpf und Stiel ausgerottet seien, damit das Publikum des Ringes ein anderes Volk abgeben könnte. Diese Bemerkung erinnert geradezu an Hitler. Wie kam der Rabbinersohn zu einer so vehementen Äußerung? Obwohl er zeitlebens eine ungetrübte Beziehung zu seinem Vater unterhielt, schien er von der eigenen Tradition wie vergiftet zu sein und seine Herkunft als Verwünschung zu empfinden. Das quälte Levi sehr. Wirklich ausgewogen und erfüllt schien diese Persönlichkeit nur durch die Magie des Zauberstabes zu sein, mit dem er eine Komposition dem Orchester vermittelnd zum Leben erweckte.

Sprecher 5: Zwei Elemente bewunderte ich in Levis Direktionsweise; seine Universalität und die Durchgeistigung seiner Interpretationen. Das Materielle war abgestreift, die Technik auf ein Minimum reduziert. Er machte meistens nur kleine, scharfe, aber äußerst charakteristische Gebärden. Aber der Inhalt der von ihm dirigierten Werke trat mit unvergleichlicher Plastik vor uns hin.

Sprecherin 1: Wegen dieser künstlerischen Einmaligkeit ist von Hermann Levi auch nicht der Ruf eines Mannes mit seelischen Konflikten und verstiegenen Lebensweltmodellen geblieben – das war im Wagnerkontext keinesfalls unüblich –, sondern der eines bedeutenden Dirigenten.

Musik: Avner Dorman, Wahnfried, Vorspiel

Sprecherin 1: Die Begebenheiten um Hermann Levi, Houston Stewart Chamberlain und dem Bayreuther Kreis sind einerseits psychologisch so aufwühlend und andererseits kultur- politisch brisant und hintergründig, dass 2017 der Stoff in Karlsruhe als Wahnfried- Oper auf die Bühne gebracht wurde. Der Wagner- und Chamberlain-Experte Udo Bermbach fasst noch einmal die historischen Begebenheiten zusammen:

Udo Bermbach im Originalton: Levi war der Parsifal-Uraufführungsdirigent. Und Wagner hat den Levi geholt. Das hatte u.a. den Grund, dass Levi Hofmusikdirektor in München war und Wagner für Bayreuth das Münchner Orchester brauchte. Und Ludwig II. sagte, das kriegst Du nur, wenn Du Levi mitnimmst. Er selber wäre froh gewesen, wenn er Levi nicht gehabt

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 33 hätte. Levi selbst war einer der hervorragendsten Musiker seiner Zeit, das hat auch Wagner anerkannt. Und bei der Entstehung des Parsifals hat Levi so viele Hinweise gegeben, auf die praktische Umsetzung dessen, was Wagner vorschwebte, dass ein Stückweit sogar seine Handschrift darin zu erkennen ist. Wagners Verhältnis zu Levi war ein sehr ambivalentes. Auf der einen Seite stand für ihn fest, dass die Qualität des Musikers Levi überhaupt keine Frage aufkommen lässt, dass er der Uraufführungsdirigent sein würde. Auf der anderen Seite gibt es Aussprüche wie: „Wenn ich Musiker in diesem Orchester wäre – und ausgerechnet beim Parsifal würde Levi dirigieren, dann würde ich mich weigern!“ Und man kennt die Geschichte, dass Wagner beim Abendessen als Levi dabei war, vor der Premiere des Parsifal, immer wieder darauf hingewiesen hat: „Wir gehen zusammen noch vor der Premiere in die Kirche und Sie werden getauft!“ Das hat zu einem solchen Eklat geführt, dass Levi Wahnfried verlassen hat, davon geflohen ist, Wagner ihm Telegramme hinterher geschickt hat und gesagt hat: „Jetzt hören sie auf mit diesen Empfindlichkeiten. Kommen Sie hierher, Sie sind mein Parsifal-Dirigent!“ Also ich will mal so sagen: Es gibt auf der einen Seite eine ästhetische, künstlerische Hochschätzung von Wagner und auf der anderen Seite gibt es rassistische Vorbehalte. Und als Levi gestorben ist hat Chamberlain in den Bayreuther Blättern einen Nachruf geschrieben, indem er formuliert hat, er sei sehr oft bei Levi zu Hause gewesen, in einem hochkulturellen Haushalt, nichts jüdisches habe man da bemerkt, steht da drin, und dann steht da drin: „Und er war einer der großen Wagnerdirigenten, aber die letzte Tiefe des deutschen Wesens hat er leider nie verstanden, nie erreicht. Das ist sozusagen das, was seine Rasse aushalten muss.“ Da wird in Bayreuth herumgefaselt von einer Tiefe, von einer Bedeutungsschwere und von ähnlichen metaphysischen Begriffen, die nie definiert werden und von denen behauptet wird, dass den Juden es versagt ist, daran teilzuhaben. Auf der anderen Seite aber wir gesagt, die Juden sind zwar keine schöpferischen Künstler, aber sie sind wunderbare nachahmende und praktizierende Künstler, also als Instrumentalisten, Sänger usw. sind sie ganz hervorragend, aber sie sind unfähig, etwas produktiv neues zu machen. Diese Spannungsgeschichte zieht sich in Bayreuth durch alle möglichen Gespräche, durch Aufsätze, das können Sie in den Bayreuther Blättern immer wieder finden, der Hauszeitschrift von damals. Und in diesem Spannungsgefüge steht auch Chamberlain. Der hatte keine Probleme mit Juden umzugehen, aber er hatte immer einen allerletzten Restvorbehalt, weil sie dann doch keine Deutschen waren, denen die Deutsche Tiefe angeblich verschlossen war.

Musik: Avner Dorman, Wahnfried, [Ausschnitt noch definieren]

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 34

Sprecherin 1: Die 3. Stunde ist einem Herold der Wiener Moderne, dem Satiriker und Fackel- Herausgeber Karl Kraus gewidmet, der um den Rasse-Ideologen Chamberlain wirbt. Ein seltsamer Fackelschein. Der bislang unveröffentlichte Briefwechsel der Autoren zeigt die beiden Persönlichkeiten als literarisch-politische Schlüsselfiguren Wiens um 1900.

Musik

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 35

3. Stunde

Musik: Arnold Schönberg, Gurrelieder, Intro, 1. Absatz untergelegt

Sprecherin 1: Im Jahr 1898 verlegt in Wien Moriz Frisch die satirische Streitschrift Eine Krone für Zion. Dieses zweite Buch von Karl Kraus erreicht drei Auflagen und sorgt in der k. und k. Metropole für Gesprächsstoff: Kraus spricht sich darin gegen einen propagierten Judenstaat und für die Assimilation aus – und verärgert damit bewusst das Zentralorgan der zionistischen Bewegung.

Sprecher 8: Die beste Empfehlung des Büchleins liegt von Seite der zionistischen Presse vor, die es beschimpft, und von Seite der liberalen, die es totgeschwiegen hat.

Sprecherin 1: In ähnlicher Form fühlen sich religiöse Juden und liberale Demokraten von Houston Stewart Chamberlains Grundlagen des 19. Jahrhunderts angegriffen. Das Buch erscheint im Frühjahr 1899. Am 20. Oktober desselben Jahres tritt Karl Kraus aus der Israelitischen Kultusgemeinde Wien aus. Den unmittelbaren Zusammenhang der Ereignisse könnte die erste Erwähnung des Briten in der Zeitschrift Die Fackel erhellen, die in jenen Tagen ausliegt, in denen Kraus konfessionslos wird. Nachdem sich Kraus als penibler Leser der Grundlagen bekennt und Chamberlain als Kulturforscher bezeichnet, der mit einer Unmenge von aufreizenden Fakten den Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte belege, zitiert er aus dessen Werk:

Sprecher 2: Ein rein-humanisierter Jude ist aber kein Jude mehr, weil er, indem er der Idee des Judentums entsagt, aus dieser Nationalität, deren Wesenheit lediglich in einem Komplex von Vorstellungen, in einem „Glauben“ besteht, ipso facto ausgetreten ist.

Sprecherin 1: Ziel dieser Annäherung an Chamberlains Weltanschauung ist freilich, sogenannte retardierende Momente der Assimilation zu verdammen. Dabei dürfte dem hellwachen Kraus aber nicht entgangen sein, dass der Brite in seinem Opus magnum nicht müde wird, von einer tiefen Kluft, die den Europäer vom Juden scheide, zu dozieren. Kraus scheint dies zu übergehen und die Argumentation als Legitimation für seinen Konfessionsaustritt zu nutzen. Ein Jahr später schreibt ihm Chamberlain als „Freund

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 36 der Fackel“ wegen der falschen Wiedergabe eines Goethe-Zitates. Diese Gelegenheit nutzt Kraus, den Autor für die noch junge Zeitschrift zu gewinnen:

Sprecher 8: Hätten Sie die Freundlichkeit, gelegentlich etwas für die Fackel zu schreiben? Ich denke etwa an eine Selbstkritik Ihrer Grundlagen, am besten, da sie der Richtung der Fackel am ehesten entspräche: Darstellung des Verhaltens der Presse Ihren Werken gegenüber.

Sprecherin 1: Doch der in dieser Zeit viel umworbene Chamberlain ziert sich:

Sprecher 2: In früheren Jahren habe ich öfters Freude daran gehabt, gegen Lüge oder Dummheit ins Feld zu ziehen, und habe nicht ohne Erfolg die Geißel der Satire geschwungen.

Sprecherin 1: Leider stecke er tief in Arbeit, wolle sich aber bei passender Gelegenheit gern erinnern:

Sprecher 2: Aber über mich und meine Werke bin ich entschlossen, nie mehr ein Wort zu sagen. Und da bei dem jetzigen Verhalten der Presse meine Grundlagen so großen Absatz finden (es sind bereits über 4000 Exemplare verkauft), wäre ich undankbar, wollte ich mich beklagen.

Sprecherin 1: Die Erinnerung findet sich zehn Monate später im Brief vom 2. Dezember 1901, der wie ein Überfall in die Wiener Elisabethstraße 4 platzt:

Sprecher 2: Etwa übermorgen gedenke ich Ihnen einen längeren Aufsatz über Prof. Mommsen und die „voraussetzungslose Wissenschaft“ zuzuschicken. In Deutschland passioniert diese Sache die weitesten Kreise der Gebildeten, und es wird unendlich viel Humbug und Scheinheiligkeiten getrieben.

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 37

Sprecherin 1: Bereits fünf Tage später ist der erwähnte Aufsatz vom berühmten roten Umschlag der Fackel umschlossen: Der voraussetzungslose Mommsen, so der Titel, ist ein wüster Angriff auf den prominenten Althistoriker und die Professorenzunft. Der dieser Zeit 84-jährige Theodor Mommsen hatte sich nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch als streitbarer liberaler Politiker einen Namen gemacht. Obwohl er sich zur Einheits- und Annexionspolitik Bismarcks bekannte, wollte er die Protektion von Großgrundbesitz und Katholizismus auf Kosten liberaler Weltanschauung nicht hinnehmen. Er kandidierte bei der Reichstagswahl 1881 für die Linksliberalen im Parlament und unterstellte dem Eisernen Kanzler eine Politik des Schwindels. Bismarck brandmarkte ihn dafür im Reichstag und zeigte ihn kurzerhand wegen Beleidigung an. Einer Verurteilung entging Mommsen mit einem findigen Anwalt und der Behauptung, dass er nicht Bismarck, sondern unbestimmte nationalökonomische Politiker angreifen wollte. Die Auseinandersetzung zwischen dem Fürsten der Wissenschaft und dem Fürsten der Diplomatie war in aller Munde. Nicht die Römische Geschichte habe Mommsen berühmt gemacht, schrieb damals ein Beobachter, sondern der Bismarckprozess. Auch begehrte Mommsen gegen die Absicht des Kanzlers auf, den aufkommenden Antisemitismus politisch zu instrumentalisieren. Eine Schlüsselfigur spielte dabei sein Berliner Partei- und Berufskollege Heinrich von Treitschke. In einem Aufsatz von 1879 behauptet dieser, dass ein germanisches Volksgefühls gegen ein fremdes Element aufbegehre und es wie aus einem Munde töne: „die Juden sind unser Unglück“. Mommsen sieht durch Treitschkes Wortmeldungen in den Preußischen Jahrbüchern nicht nur die Wissenschaft ideologisch missbraucht, sondern durch forcierten Nationalismus liberale Errungenschaften unterwandert. In diesem Kontext bezeichnet Mommsen Treitschke als einen Prediger für das Evangelium der Intoleranz und legt 1895 nach dessen Wahl in die Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften demonstrativ das Amt des Sekretärs nieder. Die Kontroverse der Historiker polarisierte die Öffentlichkeit und fand breiten Widerhall in den Zeitungen. Dieses Vorspiel deutet Chamberlain in der Fackel an, der sich – abgesehen von seiner klaren Position gegen Mommsen – als Bismarck- und Treitschke-Verehrer versteht. Hintergrund des Aufsatzes ist jedoch ein Dienst für Cosima im Sinne eines kulturpolitischen Schachzugs für Bayreuth. Denn der Goethe-Bund hatte sich gegen die Schutzfristverlängerung des Parsifals ausgesprochen, die sicherstellte, dass Wagners letzte Oper nur in Bayreuth aufgeführt werden durfte. Mommsen, der dem im März 1900 ins Leben gerufenen Goethe-Bund vorstand, sah sich als Sprachrohr der dort proklamierten Verteidigung wissenschaftlicher und künstlerischer Freiheit. In Bayreuth wurde die breite Anteilnahme der Öffentlichkeit zugunsten der völligen Unabhängigkeit geistiger Werke mit gemischten Gefühlen betrachtet. Denn die Rechte der letzten Wagneroper würden im Jahr 1913 auslaufen – damit drohte der Familie, wichtige Einnahmen

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 38 einzubüßen. Das Bühnenweihfestspiel sollte nach Ansicht der Wagnerianer nur für Bayreuth tönen. Dies hatte für die Gilde des Meisters eine fast sakrale Bedeutung. Cosimas diplomatische Offensive, im Reichstag eine Schutzfristverlängerung des Parsifals zu erwirken, war im April 1901 gescheitert – und nun war sie dabei, die Öffentlichkeit und einflussreiche Persönlichkeiten für die Bayreuther Sache einzunehmen. Durch die Vermittlung von Graf zu Eulenburg-Hertefeld und Chamberlain vermochte sie beispielsweise, Wilhelm II. auf ihre Seite zu ziehen.

Sprecherin 3: Doch hatte ich große Genugtuung durch Chamberlain, dem die Ehre zu Teil wurde, im Neuen Palais Gast zu sein und durch Gräfin Wolkenstein zu erfahren, dass der Kaiser huldvoll für den Schutz von Parsifal gestimmt sei, und er alles zu tun gesonnen sei, was in seiner Macht läge, um diesen Schutz durchzusetzen.

Sprecherin 1: Zur gleichen Zeit schreibt Cosima einen Brief an Mommsen, in dem sie sich – gegen die Stoßrichtung des Goethe-Bundes – für das Erbrecht künstlerischer Werke ausspricht. Ihre ausschweifenden Zeilen drehen sich letztlich um den Parsifal und die Frage, ob Mommsen seinen Namen unter einen Aufruf zum Schutz der Oper setzen würde. Dieser antwortete freundlich und abschlägig, konnte sich jedoch zu dem zwar ehrfürchtigen, doch ressentiment-geladenen Brief Cosimas eine Spitze nicht verkneifen:

Sprecher 5: Denken Sie von Wagner so gering, dass er durch eine mangelhafte Ausführung dieses seines Werkes geschädigt oder beseitigt werden könnte?

Sprecherin 1: Cosima ist empört und muss auch Chamberlain von Mommsens Brief unterrichtet haben. Denn dieser besitzt die Indiskretion, in der Fackel darauf einzugehen. So hat die Polemik Chamberlains mehr den Schein eines Diskurses um Mommsen: in Wahrheit ist sie Ausdruck des zähen Kampfes, das Kulturgut Parsifal auf dem Grünen Hügel der Wagnerstadt zu belassen. Chamberlain war es zudem gewiss eine Freude, nebenbei gegen den Liberalismus und die akademische Wissenschaft zu agitieren. Er kokettierte zeitlebens mit Ungelehrtheit und machte gegen einen vermeintlich tyrannischen Einfluss der Professorenkartelle Front. Das kam gleicherweise bei avantgardistischen Fackel-Lesern und völkischen Kreisen gut an. Nicht zufällig erinnert Der voraussetzungslose Mommsen an den Aufsatz Publikum und Popularität Richard Wagners, der die einzige Existenzberechtigung der Professorenzunft damit beschreibt, dass sie „auf dem Katheder“ säße, und in diesem

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Rahmen auch den früheren Freund Nietzsche brüskieren will. So ist Chamberlain seiner alten Freundin gleich zweimal zu Gefallen, allerdings für die breite Leserschar unauffällig – denn der Parsifal-Bezug liest sich in dem 18-seitigen Text wie eine Randnotiz. Auch Karl Kraus ist über den Hintergrund nicht unterrichtet und damit instrumentalisiert. Allerdings wird das Motiv Chamberlains in der Öffentlichkeit direkter verstanden als gewollt, denn ihm wird in der Presse Gehässigkeit gegen Mommsen und Indiskretion bezüglich einer vertraulichen Besprechung des Goethe- Bundes vorgeworfen. Die Popularität Chamberlains scheint Kraus für die Fackel von Wichtigkeit, und er versichert den Briten, dass er auf durchschlagende Wirkung des Textes vertraue. Die Wirkung tritt ein, allerdings nicht wie intendiert, bringt er doch Verfasser wie Herausgeber in Kalamitäten. Chamberlain beklagt sich sogar bei Wilhelm II. über die Reaktionen in der Presse. In einem Brief an den Kaiser heißt es, dass er sich hinreißen ließ

Sprecher 2: gegen den alten Rappelkopf und Konfusionsmeyer Mommsen eine Satire loszulassen. Wer müsste nicht vor Wut schäumen über diese professoralen Dummköpfe, die den Juden auf den Leim gehen. Man sagt, ich habe über die Schnur gehauen; Frau Cosima Wagner und andere gute Freunde schrieben mir entrüstet, trotzdem ich die tiefste Verbeugung vor dem großen Gelehrten als solchen gemacht hatte; ich werde mit den Prädikaten „erzklerikal“ und „antideutsch“ traktiert; und einige Zeitungen sollen mich so maßlos geschmäht haben, dass neulich ein Freund meine fünf Stockwerke hinaufkletterte, um nachzusehen, ob ich noch am Leben sei!

Sprecherin 1: Auch gegenüber Wilhelm II. verdreht Chamberlain die Tatsachen und ist maßlos in seinen Schmähungen gegen akademische Würdenträger. Er spricht von „Humbug“ und „Affenschande“; deutscher Jugend werde – wie im Falle Mommsen – sozialistisches Gedankengut eingetrichtert. Programmatisch sei: „Los von Gott, los vom Königtum, los vom Germanentum“. Diese „Philister“ sind für Chamberlain zuchtbedürftig. Er bringt seine Zwiesprache mit dem Hohenzollern in einen Zusammenhang mit Voltaire und Friedrich II. Aber sie erinnert nicht zuletzt wegen der antijüdischen Parolen mehr an die Korrespondenz zwischen Wagner und Ludwig II. Freilich war der letzte Preußenkönig empfänglicher für völkische Agitation als die schöngeistige Majestät in Bayern. Die „Streitkumpanen und Bundesgenossen im Kampf für Germanen gegen Rom, Jerusalem usw.“ – wie Wilhelm an Chamberlain schreibt – zeigen sich deutsch- national. Ferner räsoniert der Kaiser darüber, ob zur Reichsgründung ein Befreier wie Chamberlain nötig gewesen wäre, um für die jugendliche Generation die indo-arischen Quellen zu erschließen. Schon der junge Houston Stewart war vom Deutschtum

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 40 magnetisiert. Er prahlte damit, seinen linken Arm hergeben zu können, um als Deutscher gebürtig zu sein. Eine Laune des Schicksals will, dass dem späteren Träger des Eisernen Kreuzes und Staatsangehörigen Deutscher Nation am Ziel seiner Wünsche durch ein Nervenleiden der linke Arm gelähmt wird. Auch der „Streitkumpan“ Wilhelm hat einen unbrauchbaren linken Arm. Zu guter Letzt wurden beide von den Nationalsozialisten zu Grabe getragen. Karl Kraus hingegen hätten die neuen deutschen Herren gerne ins Grab gebracht. Seine kritischen Satiren und beißenden Chroniken gegen Krieg und Vaterland waren mit Chamberlains nationalistischen Kriegsaufsätzen nicht kompatibel. Der literarische Publizist jüdischer Herkunft war in völkischen Kreisen verhasst. Die als entartet und kriegsfeindlich geltende Fackel gegen gesellschaftliche Missstände wollte man der Wiener Persönlichkeit nicht nachsehen. Doch das war Jahre später. Vorerst bleibt Kraus unbeirrbar: Er will Chamberlain als Fackel-Autor halten. Davon zeugt, dass dessen zweiter Beitrag für eine Wiener Zeitschrift nochmals mit dem roten Heftumschlag umschlossen ist. Dieser Aufsatz über einen akademischen Streitfall füllt die gesamte Fackel von „Mitte Jänner 1902“. Zum ersten und letzten Mal gibt Karl Kraus ausschließlich Raum für einen fremden Autor. Das war es ihm offensichtlich wert, denn er kommentiert den besonderen Umstand im Klappentext:

Sprecher 8: Das vorliegende Heft der Fackel ist – im Gegensatz zu der sonstigen Fülle der behandelten Themen – von einem einzigen Beitrag ausgefüllt. Die Bedeutung des Gegenstandes und die Bedeutung des Autors werden die Neuerung dem Leser nicht unwillkommen erscheinen lassen.

Sprecherin 1: Der mit dem Mommsen-Text in der Presse als „klerikal“ kritisierte Chamberlain macht nun gegen die Katholiken und Juden mobil.

Sprecher 2: Was ist so ein Mommsen und der von ihm aufgewirbelte Tagesstaub gegen diese so große Frage der Kultur?

Sprecherin 1: schreibt er am 13. Januar 1902 an Kraus, der das Thema vorgeschlagen hatte. Chamberlain argumentiert nun für die Fackel, dass die Wissenschaft in der katholischen Kirche nur so lange frei sei, wie sie nicht der geoffenbarten Lehre widerspreche. Darum könne die Philosophie, Geschichte und naturwissenschaftliche Forschung unter der Herrschaft dieser Kirche niemals frei sein. Ferner sei es der römischen Kirche wichtiger, an die Institution als an Gott zu glauben. Chamberlain

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 41 lässt bei seiner Agitation gegen katholische Universitäten die Gelegenheit nicht aus, die Zentrumspartei als eine politische Fraktion zu geißeln, welche die Interessen der internationalen Kirche über die des Vaterlandes, und die Interessen des italienischen Klerus über die des deutschen Volkes setze. Dann konstruiert er schwer nachvollziehbare Übergänge, um in seine Kanonade auch den Lieblingsfeind Mommsen einzubeziehen, den er als Fossil der Revolution von 1848 und Dämon der Zerstörung bezeichnet, der immer auf der falschen Seite gestanden habe. Am 21. Januar ist die Korrektur fertig. Nach einigen redaktionellen Anmerkungen bittet Kraus aus satztechnischen Gründen um das Hinzufügen von

Sprecher 8: – ganz genau berechnet – 1 Seite und 9 Zeilen. Wenn Sie dies beiliegende Brouillon irgendwie berücksichtigen und einen kleinen Zusatz über das Machtmittel der Presse, das den Feind Jerusalem als den gefährlicheren erscheinen lässt, schreiben, so haben wir die 1 ¼ Seiten.

Sprecherin 1: Kraus bittet in seinem Brouillon um nicht weniger, als den Abschnitt über die Juden noch radikaler zu gestalten, ja sie als gefährlicher denn die Katholiken darzustellen. Chamberlain fügt bereitwillig die Änderung ein. Der gesamte Passus liest sich wie folgt:

Sprecher 2: Dem zweiten Feind ist es nicht so leicht, ins Angesicht zu schauen: seine Physiognomie wechselt wie seine Gestalt, er verbirgt sich, er schlüpft einem aalglatt durch die Finger; er trägt heute Hoflivrée und drapiert sich morgen in die rote Fahne; Fürstendiener und Freiheitsapostel, Bankier, Parlamentsredner, Professor, Journalist – alles was man will; man erkennt ihn nicht, wie den Priester, an seiner Kutte; unbemerkt drängt er sich in alle Kreise ein. Der Wille zu Besitz und Macht ist der gleiche, doch auf weniger edler Grundlage und darum skrupelloser; die Fähigkeit, aufzubauen – im Gegensatz zu Rom – gleich Null, dagegen die Kunst, das Bestehende, langsam Errichtete von innen anzufressen, bis es niederstürzt, entsetzenerregend. Die Waffe, mit der er die Welt erobert – Geld erbeutet, Völker entsittlicht, Kriege entfacht, Reputationen künstlich errichtet, Verdienste aus der Welt schafft –, ist in erster Reihe die Presse. Wollten wir, um ein Gegenstück zu der gewaltigen Einheit zu erhalten, die wir „Rom“ nennen müssen, weil sie geographisch, geschichtlich, moralisch, tatsächlich und seit Jahrtausenden von Rom ausstrahlt, wollten wir den zweiten Feind ebenfalls in ein einziges Wort zusammenfassen, wir könnten ihn allenfalls „Jerusalem“ nennen.

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Sprecherin 1: Antisemitische Klischees werden nicht eben sparsam verwandt – und Kraus ist zufrieden.

Musik

Sprecherin 1: Chamberlains zweiter Aufsatz in der Fackel erinnert nicht zufällig an Wilhelms Ausruf „für Germanen gegen Rom, Jerusalem usw.“ – und wiederum an Wagner. Der hatte einerseits mit ähnlich Lutherischem Trotz gegen institutionalisiertes Pfaffentum gewettert und andererseits mit antisemitischen Glossen Furore gemacht. In der viel diskutierten Schrift Das Judentum in der Musik sagt er:

Sprecher 6: Gemeinschaftlich mit uns Mensch werden, heißt für den Juden aber zuallernächst soviel als: aufhören, Jude zu sein.

Sprecherin 1: Der Komponist spricht in diesem Kontext vom „Erlösungswerke“. Chamberlain greift mit den Katholischen Universitäten, wie zum persönlichen Gefallen von Karl Kraus, noch einmal dieses Wagnerdiktum auf, indem er hervorhebt, dass es in der christlich- germanischen Kultur durchaus Beispiele akkulturierter Juden gebe. Auch die süffisante Bemerkung über den Zionismus scheint wie für Kraus geschrieben zu sein:

Sprecher 2: Denn erstens gibt es berühmte und in großer Fülle auch unberühmte Beispiele dafür, dass Juden sich der christlich-germanischen Kultur völlig assimilieren und ihr hervorragende Dienste leisten können; zweitens steht der eigentlich gläubige und zionistisch angehauchte Jude so völlig außerhalb unserer ganzen Kultur, dass er wohl bisweilen unser Portemonnaie, doch selten unser Denken bedrohen kann, nur durch irgend eine unerforschliche prästabilierte Harmonie läuft er mehr oder weniger parallel nebenher, doch ohne je zu begreifen, um was es sich in Wirklichkeit handelt; und drittens dienen unter der Fahne dieses zweiten Feindes recht viele Nichtjuden und eine traurig große Anzahl verführter, starrköpfiger echter Germanen.

Sprecherin 1: Das Spezifische des Chamberlainschen Ausdrucks ist, dem Pathos Richard Wagners nachzueifern. „Erlösung“ allerdings hat der Bayreuther Apostel für die Juden nicht vorgesehen. Kraus dagegen orientiert sich diesbezüglich noch direkter an Wagner, indem er für ein Säubern in eigenen Reihen und das Ablegen jüdischer

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Eigentümlichkeiten plädiert: „Durch Auflösung zur Erlösung!“ Sonst sehe das das vielberufene 20. Jahrhundert Exzesse ärgerer Art. Das klingt wie eine seltsame Vorahnung des Genozids. Auch scheint der Fackel-Herausgeber in diesem Kontext die Regenerationsthesen des späten Wagner auf das Judentum anwenden zu wollen, worin er sich in gewisser Weise von Chamberlain bestätigt fühlen muss. Jedenfalls ist seine Identifikation mit dem umstrittenen Text Das Judentum in der Musik nicht nur provozierende Attitüde gegen den Zionismus, sondern gibt vielmehr der Überzeugung Ausdruck, dass antisemitische Übergriffe ihren Anlass im Fremdartigen hätten. Schon aus diesen Gründen gelte es, die Eigentümlichkeiten des Judentums zu überwinden. Karl Kraus bittet den Briten auch um ästhetische Arbeiten, aber der zieht sich zu abstrakten philosophischen Studien „fern von allem Tagesgeräusch“ zurück. Doch beeilt sich der Umworbene hinzuzufügen:

Sprecher 2: Seien Sie meiner unveränderten Sympathie für das von Ihnen so fähig und mutig geführte Werk vollkommen überzeugt.

Sprecherin 1: Kraus pariert am 15. Januar 1903:

Sprecher 8: Hochverehrter Herr, nachträglich noch meinen verbindlichsten Dank für Ihr so freundliches Schreiben. Ich empfand herzliche Freude: die Sympathie, die sie meiner Sache entgegenbringen, wiegt alle Unbill, die mir Wiens Kanalgeister zufügen, überreichlich auf.

Sprecherin 1: Im August 1903 schreibt Kraus:

Sprecher 8: Hochverehrter Herr Chamberlain, ich gestatte mir die ergebenste Anfrage, ob sie jetzt, da ich so lang schon Ihre ausgezeichnete Mitarbeit entbehren musste, Zeit und Stimmung für einen Beitrag finden könnten? Jede Zeile, die Ihrer Feder entstammt, ist mir willkommen. Ich wäre Ihnen, hochverehrter Herr, zu ganz außerordentlichem Dank verpflichtet. Wenn Sie mir solche Mitarbeit an der Fackel – nebst liebenswürdiger Zusage persönlicher Unterstützung – namhaft zu machen in der Lage wären, wüsste ich besten, aufrichtigsten Dank. Einer gefälligen Antwort entgegensehend, verbleibe ich mit hochachtungsvollstem Gruß und der Bitte, mich Ihrer sehr werten Frau Gemahlin zu empfehlen, Ihr aufrichtig und dankbar ergebener Karl Kraus.

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Sprecherin 1: Der abschlägige Bescheid scheint Kraus nicht sonderlich zu beeindrucken, denn er versucht es immer wieder. Im Herbst 1903 hat Kraus die Sozialdemokraten im Visier, die laut Fackel auf ihrem Parteitag in Dresden drei Tage lang Maximilian Hardens Zeitschrift Die Zukunft beschimpften. Bei dieser Gelegenheit hätte er selbst ein paar Kotspritzer abbekommen. Kraus‘ Invektive richtet sich insbesondere gegen den Begründer der österreichischen Sozialdemokratie, Viktor Adler, welcher der Fackel „Originalitäts-Hascherei“ vorgeworfen habe. An Chamberlain schreibt er in diesem Zusammenhang:

Sprecher 8: Aber wenn ich den Worten Adler’s, der die deutschen Sozialdemokraten über die Fackel als ein „Sensationsblatt“ in geringschätzender Weise aufklärte, Ihre ehrenden Worte gegenüberstellen könnte, wäre ich über eine große Schwierigkeit hinüber. Ich meine die Worte:

Sprecher 2: Denn Ihr Unternehmen ist nach meiner Meinung ein unentbehrliches; wenn Sie es entmutigt aufgäben, würden die Menschen schon merken, dass in Wien etwas fehlt; das Niveau würde noch tiefer sinken wie beim Bersten eines Deichs.

Sprecher 8: Ich bitte Sie dringend, mir die Zitierung dieser Worte zu gestatten.

Sprecherin 1: Wenn Chamberlain schon nicht exklusiv für die Fackel schreiben möchte, will ihn Kraus offensichtlich um jeden Preis aus seinen privaten Briefen zitieren, denn der berühmte Autor gibt der Zeitschrift vermeintlich Gewicht. Chamberlain, der – wie Viktor Adler – in der Blümelgasse 1 des 6. Bezirks wohnt, kann die Sozialdemokraten nicht ausstehen und willigt mit lakonischer Notiz auf seiner Visitenkarte ein:

Sprecher 2: Den Druck der betreffenden Worte gestatte ich gern. In Eile, bei Tisch, Chamberlain.

Sprecherin 1: Als der betreffende Briefausschnitt erscheint, findet sich Chamberlain im Heft 143 als Autor und Befürworter der Fackel neben dem Anführer der linken Sozialdemokratie Wilhelm Liebknecht aufgestellt. Das musste für die Leser ungewollt komisch wirken. Im Januar 1904 meldet sich Kraus wieder:

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Sprecher 8: Hochverehrter Herr, ich habe soeben Ihre prachtvolle Polemik in der letzten Zukunft gelesen. Es wäre beinahe taktlos, wenn ich mich jetzt, da Sie sich nun einmal – allerdings durch dringenden Anlass – von Ihrem großen Werke ablenken ließen, nicht bei Ihnen meldete. Es ist schon so lange her, dass Sie, hochverehrter Herr, den Lesern der Fackel eine große Freude bereitet haben, und darum dürfen Sie mir’s nicht übel nehmen, wenn ich jede Gelegenheit nutze, um mein Aufforderungssprüchlein herzusagen.

Sprecherin 1: Chamberlain verneint und bleibt dabei. Den sensiblen Herausgeber kennend, fügt er bedacht hinzu:

Sprecher 2: Der kleine Aufsatz für die Zukunft wurde mir sozusagen abgerungen.

Sprecherin 1: Freilich ist er in der Berliner Zeitschrift Zukunft keineswegs fremd gegangen, denn er hatte hier schon lange vor seinem ersten Fackel-Aufsatz geschrieben und gerade seinen achten Text platziert. Aber der Brite weiß, dass Maximilian Harden zwar als Mentor der Fackel fungiert, Kraus jedoch krankhaft eifersüchtig auf jeden reagiert, der ihn druckt. Wie aus dem Nichts strengt Kraus im Jahr 1904 eine Offensive gegen Harden an, die sich im Laufe der Jahre zu hasserfüllter Feindschaft steigert. Chamberlain wird nicht mehr für die Fackel, wohl aber noch einmal für die Zukunft schreiben. Sein letzter erhaltener Brief an Karl Kraus endet:

Sprecher 2: Übrigens bin ich nach wie vor ein treuer Leser der Fackel geblieben und sage Ihnen bei dieser Gelegenheit für manche Belehrung und Unterhaltung herzlichen Dank.

Musik:

Sprecherin 1: Kraus ist vielfach Antisemitismus vorgeworfen worden, der eng mit seiner Kulturkritik und konfliktreichen Beziehung zur eigenen Herkunft verwoben sei. Tatsächlich spricht er noch vor Otto Weininger von „jüdischen Antisemiten und antisemitischen Juden“ und polemisiert überreizt gegen die jüdisch-liberale Presse, die er gerade wegen ihres anspruchsvollen Feuilletons als schillernde Überredungskultur geißelt. Sein Standpunkt in der Dreyfus-Affäre war – ähnlich wie der Hardens und

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Rathenaus – gegen die deutschsprachige Pressemehrheit gerichtet, welche die Verhaftung des jüdischen Artillerie-Hauptmanns in Frankreich verurteilte. Kraus brachte ausgerechnet Wilhelm Liebknecht dazu, in der Fackel gegen die Dreyfusards Stellung zu beziehen. Das gab der Debatte eine ungewöhnliche Konnotation. Dabei war Kraus keinesfalls ein Befürworter der antisemitischen Kampagne gegen Dreyfus, warf aber den jüdisch-liberalen Zeitungen vor, die Affäre als „Fingerzeig ihres Gottes gegen die Assimilation“ zu missbrauchen. Den Antisemitismus erklärt Kraus als Antwort auf die religiöse Selbstbehauptung der Juden im Staate. Deshalb seien seiner Überzeugung nach die am Glauben festhaltenden Juden selbst verantwortlich für den Antisemitismus und die daraus erwachsenen gesellschaftlichen Nachteile. Der jüdisch-deutsche Philosoph und Publizist Theodor Lessing bezeichnet Karl Kraus als „das leuchtendste Beispiel jüdischen Selbsthasses“. Auch wenn Kraus zweifelsohne bestimmte jüdische Kollegen massiv kritisierte, ist die Behauptung des Selbsthasses, mit der Kraus seitdem stigmatisiert ist, nicht nachvollziehbar. Nur weil er die Konfession seiner Eltern verließ, war er noch kein Selbsthasser. Er begegnet der in weiten Teilen jüdischen Finanz- und Zeitungswelt keinesfalls mit rassistischen Vorurteilen, sondern mit distinkten Vorwürfen der Korruption und bigotten Meinungsmache. Sein Kampf gegen den Medienmogul Imre Békessy als „Schuft“ und „Erpresser“ ließ dessen jüdische Herkunft aus dem Spiel. Kraus wollte sich in erster Linie von gesellschaftlichen Bindungen und Zwängen lösen, die er häufig als Kartelle von Macht und Bereicherung empfand. Walter Benjamin konstatiert – feiner beobachtend als Lessing – dass bei dem Wiener Intellektuellen Selbstausdruck und Entlarvung in Selbstentlarvung übergingen. Er hat auf fast snobistische Weise kaufmännische Naturen attackiert und zugleich künstlerische Juden in glanzvolles Licht gesetzt – und damit indirekt dem Antisemitismus in die Hände gespielt. Doch nach dem Austritt aus der Israelitischen Kultusgemeinde Wien im Oktober 1899 ist sein affektbeladenes Interesse am Konflikt zwischen Assimilation, orthodoxen Glauben, Zionismus und Antisemitismus erloschen und sein Umgang mit diesen Fragen gewann einen souveräneren Ausdruck. Die Konfession sieht er als reine Privatangelegenheit. Kraus bekennt sich zum ungebundenen individuellen Geist und verbittet sich Gefolgschaften wie die des Rasse-Antisemiten von Liebenfels, aber auch die jüdischer Journalisten.

Sprecher 8: Ich weiß nicht, ob es eine jüdische Eigenschaft ist, das Buch Hiob lesenswert zu finden, und ob es Antisemitismus ist, das Buch Schnitzlers in die Ecke des Zimmers zu werfen. Und zu sagen, dass die Schriften der Juden Else Lasker-Schüler und Peter Altenberg Gott und der Sprache näher stehen als alles, was das deutsche Schrifttum in den letzten fünfzig Jahren, die Herr Bahr lebt, hervorgebracht hat. Mit der Rasse kenne ich mich nicht aus. Wie sich die Dummheit deutschvolklicher Schriftleiter und

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Politiker das denkt, wenn sie mich als einen von den ihren anspricht, und wie sich der koschere Intellekt das zurechtlegt, wenn er mich als einen von den unsern reklamiert, und umgekehrt – das weiß ich nicht, das geniert mich nicht, das geht mir bei einem Ohr hinein und zum Hals heraus.

Sprecherin 1: Zu dieser Zeit war Kraus bereits zum Katholizismus konvertiert und hatte mit Chamberlain keinen Kontakt mehr. Das Reizvolle an der Begegnung zwischen dem Sozialphilosophen und Fackel-Herausgeber liegt letztlich in der schmalen Interferenz der Gemeinsamkeiten, die so intensiv gewirkt haben muss, dass die Persönlichkeiten über Jahre bereit waren, von ihren disparaten Positionen zu abstrahieren. Der wichtigste Berührungspunkt dürfte im gemeinsamen Ringen um eine Verbindung zwischen Kulturausdruck und Identität zu suchen sein, die beide Autoren gegensätzlich zur Gesellschaft verwenden. Kraus‘ Loslösungsprozess von der familiären Konfession scheint ein kurzzeitiges Bedürfnis nach geistiger Analogie zu einem Verächter des Judentums und Fachmann der Germanologie mit sich geführt zu haben – so stark, dass er sich nicht nur inhaltlich, sondern teilweise bis in Wortwahl und Duktus Chamberlain nähert:

Sprecher 8: Aber, dass Luther die besten Elemente des alten Glaubens, vermehrt durch die christliche Ethik, gleichermaßen befreit von orientalischem wie römischem Kult, dem deutschen Volk, ja allen fortschreitenden Völkern Europas erkämpfte, ist seine große Tat. Der sächsische Bauernsohn als Reformator hat den alten Glauben von seinem orientalischen Bann, von seiner römischen Umnebelung befreit. Alles, was die mosaische Religion für Europa im Großen leisten konnte, war damit geschehen.

Sprecherin 1: Das aggressivere Herausschälen eines antisemitischen Abschnittes in Chamberlains Aufsatz Katholische Universitäten unterstreicht, wie stark sich Kraus in die Debatten um Judentum und Assimilation involviert fühlt. Als Legitimation für das Kulturunternehmen Fackel erscheint ihm der angelsächsische Wagnerianer von Bedeutung. Das ist erstaunlich, da Chamberlain zu dieser Zeit schon maßgeblichen Einfluss auf den völkisch-nationalen Geist hat und Kraus als Musterbeispiel kritischer Wiener Moderne im Kontext jüdischer Avantgarde berühmt ist. Natürlich liegt der Grund des Zusammentreffens für den Sozialphilosophen wie für den Herausgeber im Nutzen pragmatischer Umstände der verbreiteten Zeitschrift – doch hat auch ein elitärer Schnittpunkt und faszinierter Respekt vor dem Anderen die ungleiche Partnerschaft eine Zeit lang gehalten. Maßlose Beleidigungen Heines und die eigentümliche Nietzsche-Kritik beider verbindet sie, doch stärker noch der schmale

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Grat zwischen gebildetem Außenseitertum und Judenfeme, politisch-satirischer Breitenwirkung und Gesellschaftsverachtung. Das sind Potenziale, die später in Kreisen revolutionärer Konservativer einen Teil des Dekors ausmachen sollten. Aber wie steht es heute um Chamberlain – und wie ist er zu bewerten? Es soll noch einmal der Hamburger Politologe Udo Bermbach zu Wort kommen:

Udo Bermbach im Originalton: Offengesagt glaube ich, dass es heute kaum jemand gibt, der Chamberlain noch liest. Er war ein ungeheuer produktiver Mann. Das Buch über Goethe z.b. ist ein Durchbruch gewesen, weil es im Unterschied zur damaligen Goethephilologie, die sich ganz auf die literarische Produktion Goethes konzentriert hat, den Goethe als Person insgesamt mit seinem Werk in den Blick nahm, und die These entwickelt hat, dass das eigentliche Kunstwerk bei Goethe gar nicht so sehr nur die Literatur ist, sondern die Lebensführung eines Olympiers. Wobei die Bayreuther immer gesagt haben: „Für uns ist das kein Olympier, sondern es ist einer der großen Genies, aber kein Olympier!“ Und das Buch war immerhin ein gewisser Durchbruch in der Goetheforschung. Und es sind ihm ja da zwei weitere gefolgt, die auf derselben Argumentationsebene waren und die ganz unverdächtig sind, nämlich Simmel, der Soziologe hat ein solches Buch geschrieben und Gundolf der Schüler von Stefan George. Und beide liegen auf dieser Linie von Chamberlain. Und wenn man in der neueren Goetheforschungsliteratur nachliest, bekommt man auch zu lesen, dass Chamberlain wirklich ein Standardwerk geschrieben hat. Dass einer sich dann abends hinsetzt und Schubert spielt, Mozart spielt, einfach musiziert, weil er Freude daran hat. Das zum selbstverständlichen Lebensduktus der Familie gehört. Das ist natürlich bildungsbürgerlich, das ist ganz klar. Das finde ich imponierend. Und was mich am meisten berührt hat ist dieses Kapitel Buchgaden in seiner Autobiographie. Das ist eine Liebeserklärung an seine Bibliothek. Wo er schreibt, es kommt die Sache mit der Heimatlosigkeit: „Ich bin immer heimatlos gewesen. Und deswegen hab ich mich früh an denen orientiert, die ich um mich hatte.“ Und das waren die Autoren vom alten Griechenland bis heute. Sie müssen sich überlegen der Mann war Engländer, das war seine Muttersprache, Franzose war er durch die Großmutter, er hat perfekt deutsch gesprochen, besser als viele Deutsche, er hat Hebräisch gekonnt, er konnte Serbokroatisch, er konnte Italienisch und natürlich konnte er Griechisch und Latein. Sagen wir mal, er hat rund zehn Sprachen gesprochen. Ich glaube, dass es in einem direkten Sinne gar keine Aktualität von ihm gibt. Er ist einer der bedeutendsten, der wichtigsten, der wirkungsmächtigsten Publizisten des Kaiserreichs gewesen. Mit der Revolution von 1918 ist er eigentlich weitgehend in der Versenkung verschwunden. Anfang der Weimarer Republik hat er noch ein bisschen was publiziert. Das ist aber gar nicht mehr in der Breite zur Kenntnis genommen worden, wie in der Zeit des Kaiserreichs. Danach reduziert sich sein Einfluss auf wirklich rechtsradikale, deutschnationale

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Gruppierungen, die ihn noch gelegentlich lesen. Er schreibt dann auch noch zwei Beiträge im Völkischen Beobachter. Er rückt in die Nähe des Nationalsozialismus. Aber er war – und das möchte ich auch mit Nachdruck betonen eigentlich gar kein politischer Kopf. Ihm ging es, wie es den Bayreuthern allgemein ging, eigentlich immer um die Kultur. Und auch in den Kriegsaufsätzen während des 1. Weltkrieges, die er geschrieben hat, hat er sich z. b. gegen Annexionen gewandt und hat gesagt: „Das sollten wir nicht machen, das trägt uns nur den Hass der anderen Völker ein.“ Seine Vorstellung war immer, die deutsche Kultur hat so eine herausragende und wunderbare Stellung in Europa, dass wenn wir die entsprechend entwickeln und pflegen, dann werden die anderen europäischen Länder sie übernehmen, als ein Teil ihrer selbst. Sie wird hinauswirken. Und Deutschland ist eigentlich für ihn immer ein kulturelles Gebilde. Und ähnlich wie Wagner gesagt hat, an einer Stelle seiner Schriften: „Die Deutschen waren immer kulturell am besten, wenn sie politisch am Boden lagen.“ Nach dem dreißigjährigen Krieg, wo das Land völlig zerstört ist und entvölkert ist beginnt der große Aufstieg der deutschen Kunst. Und dieses Denkmodell hat Chamberlain übernommen und hat gesagt: „Wir müssen diese Leute nicht politisch beherrschen, weder die Polen noch die Franzosen – wen auch immer! Das dürfen wir nicht machen. Wir machen uns diese Leute nur zu Feinde. Wir können nur eins machen. Wir können nur unsere eigene Kultur so hochkarätig entwickeln, dass die anderen sagen: Guck mal, was die da haben, das wollen wir auch haben. Also die Vorbildkultur.

Sprecherin 1: Ungewöhnliche Allianzen wie die Chamberlains mit Rathenau, Levi und Kraus verwirren ein traditionelles Denken im Rechts-Links-Schema. Doch die Aufspaltung einer politischen Landschaft um 1900 in eine progressive, fortschrittsoptimistische Linke und eine konservative, zivilisationsfeindliche Rechte ist selbst eine ideologische Hilfskonstruktion, die den analytischen Blick behindert. Denn die sich berührenden Extreme schöpfen vielfach aus den gleichen geistigen Quellen. Bei genauerer Analyse werden die Durchmischungen und fließenden Übergänge der scheinbar konträren Standpunkte sichtbar. Unheimlich wirken diese Nachbarschaften nur, insofern diese Denkmotive noch verführen können. Das frühe 20. Jahrhundert ist sozial-politisch geradezu uferlos komplex und verwoben. Neben Brüchen und Differenzen sind bei den führenden Intellektuellen aller politischen Lager übergreifende Affinitäten auszumachen, die ein duales Schema von modern und antimodern nicht mehr als opportun erscheinen lassen. Chamberlain ist in der Schnittmenge zwischen Gelehrsamkeit und Nationalismus, Hochkultur und Rassedenken, Wagner und Hitler sowie der Konstituierung Bayreuths nicht wegzudenken. Der in der wissenschaftlichen Literatur gängigen Formel, in Chamberlain den geistigen Wegbereiter nationalsozialistischer Ideologie und damit

Brückenschlag von Wagner zu Hitler? Eine Lange Nacht über den Sozialphilosophen Houston Stewart Chamberlain Seite 50 auch des Holocausts zu sehen, mag sich hier dennoch nicht angeschlossen werden. Gegen diese sprechen seine vielfältigen freundschaftlichen Beziehungen zu jüdischen Intellektuellen, seine großbürgerlichen Bildungsideale, seine ausgeprägte Frankophilie und intensive Religiosität. Der Historiker Götz Aly ist der Meinung, dass häufig in der Wissenschaft das Etikett „rassenantisemitisch“ mit großer Geste an einige geschichtliche Akteure verteilt werde. Zum Verständnis der Sache trage das jedoch wenig bei. Im Gegenteil wird mit einer Dichotomie von Gut und Böse nur Abstand geschaffen und einer näheren Betrachtung der Sachlage aus dem Wege gegangen. Natürlich wäre es falsch, Chamberlain ausschließlich als einen philosophischen, literarischen und musikalischen Feingeist darzustellen. Seine antijüdischen Theoreme sind bisweilen unerträglich und seine Stellungnahmen für Hitler unwürdig. Bei Chamberlain gibt es genügend Passagen die den Juden gegenüber vollkommen paranoid erscheinen. Aber die Intention eines Völkermordes schließen sie jedoch vollkommen aus .

Musik: Richard Wagner, Götterdämmerung, Vorspiel

Absage

Musik

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Musikliste

1. Stunde

Titel: aus: Die Meistersinger von Nürnberg. Oper in 3 Aufzügen, WWV 96, Vorspiel zum 1. Aufzug Länge: 01:30 Orchester: SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg Dirigent: Michael Gielen Komponist: Richard Wagner Label: faszination musik Best.-Nr: 19028CD

Titel: Andante ma non troppo, un poco maestoso (2) Länge: 02:25 Orchester: Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Dirigent: Heinz Rögner Komponist: Richard Wagner Label: Ars Vivendi Best.-Nr: 2100195

Titel: Ellef (millennium) Symphonie Länge: 03:40 Orchester: The Young Israel Philharmonic Dirigent: Zeev Dorman Komponist: Avner Dorman

Titel: Ankunft bei den schwarzen Schwänen Albumblatt für Klavier As-Dur, WWV 95 Länge: 00:51 Solist: Joanna Michna (Klavier) Komponist: Richard Wagner Label: ELISIO Best.-Nr: EDC-1813/BCD-098

Titel: aus: Sinfonie Nr. 1 D-Dur, 3. Satz: Feierlich und gemessen, ohne zu schleppen, attacca: Länge: 02:28 Orchester: Chicago Symphony Orchestra Dirigent: Carlo Maria Giulini Komponist: Gustav Mahler Label: EMI CLASSICS Best.-Nr: 585974-2

Titel: Sinfonie Nr. 1 G-Dur, op. 12, 1. Satz: Introduzione ed Allegro 2. Satz: Scherzo; 3. Satz: Adagio; 4. Satz: Finale; Länge: 06:56 Orchester: Sinfonieorchester Wuppertal Dirigent: George Hanson Komponist: Felix Draeseke Label: MDG Best.-Nr: MDG 335 2038-2

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2. Stunde

Titel: Auferstehung Länge: 00:50 Interpret: London Symphony Orchestra Komponist: Gustav Mahler Label: EMI CLASSICS Obertitel: Sinfonie Nr. 2 c-Moll, für Sopran, Alt, gemischten Chor und Orchester

Titel: Parzifal: Vorspiel zum 1. Aufzug Länge: 02:55 Interpret: SWF-Sinfonieorchester Baden-Baden Komponist: Richard Wagner Label und Best.-Nr: keine Obertitel: Parzifal. Ein Bühnenweihfestspiel in 3 Aufzügen

Titel: Lohengrin: Vorspiel zum 1. Akt Länge: 01:35 Interpret: SWF-Sinfonieorchester Baden-Baden Komponist: Richard Wagner Label: faszination musik Obertitel: Lohengrin

Titel: Der Bärenhäuter: Vorspiel Länge: 01:06 Interpret: Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz Komponist: Richard Wagner Label: cpo Obertitel: Der Bärenhäuter

Titel: Parzifal: Schluss des 3. Aufzugs Länge: 00:55 Interpret: Südfunk Sinfonieorchester Komponist: Richard Wagner Label und Best.-Nr: keine Obertitel: Parzifal. Ein Bühnenweihfestspiel in 3 Aufzügen

Titel: Tod und Verklärung, 1. Satz: Largo Länge: 05:05 Interpret: Göteborgs Symfoniker Komponist: Richard Strauss Label: FARAO Classics Obertitel: Tod und Verklärung. Tondichtung für großes Orchester, op. 24

Titel: Ankunft bei den schwarzen Schwänen Albumblatt für Klavier As-Dur, WWV 95 Länge: 03:51 Solist: Joanna Michna (Klavier) Komponist: Richard Wagner Label: ELISIO Best.-Nr: EDC-1813/BCD-098

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3. Stunde

Titel: Gurrelieder, Orchestervorspiel Länge: 01:35 Interpret: Dresdner Philharmonie Komponist: Arnold Schönberg Label: BERLIN Classics Obertitel: Gurrelieder. Liederzyklus in 3 Teilen für Soli, Chor und Orchester

Titel: Parzifal: Vorspiel zum 1. Aufzug Länge: 02:55 Interpret: SWF-Sinfonieorchester Baden-Baden Komponist: Richard Wagner Label und Best.-Nr: keine Obertitel: Parzifal. Ein Bühnenweihfestspiel in 3 Aufzügen

Titel: Ein Sommernachtstraum, Scherzo, Allegro vivace Länge: 01:12 Interpret: Alexander Parley Komponist: Felix Mendelssohn-Bartholdy Label: Accent Music München

Titel: Miniature viennese March Länge: 03:11 Interpreten: Midori, Violine; Robert McDonald, Klavier Komponist: Fritz Kreisler Label: Sony Classical Plattentitel: Encore!

Titel: Andante ma non troppo, un poco maestoso (2) Länge: 12:25 Ensemble: Orchester: Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Dirigent: Heinz Rögner Komponist: Richard Wagner Label: Ars Vivendi Best.-Nr: 2100195

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