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Miklós Rózsa (1907-1995) Pseudonym: Nic Tomay

Biographie Miklós Rózsa wurde am 18.4.1907 in Budapest geboren. Ähnlich wie Zóltan Kodály und Béla Bartók kam auch Rózsa früh in seinem Leben in Kontakt mit der einheimischen Musik Ungarns. Die Eindrücke der Volksmusik der Zigeuner und Magyaren fanden Eingang in sein lebenslanges Musikschaffen. Rózsa selbst sah in Bartók und Kodály Vorbilder, die das musikalische Erbe Ungarns am Leben erhielten. Mit 5 Jahren begann Rózsa das Viola- und Violinspiel bei seinem Onkel Lajos Berkovits zu erlernen. Berkovits war Mitglied des Orchesters der Königlich-Ungarischen Oper. Von seiner Mutter, die eine Kommilitonin Bartóks an der Budapester Akademie war, erlernte er das Klavierspiel. Mit 8 Jahren trat er zum ersten Mal in der Öffentlichkeit auf und führte einen Satz Mozarts im Konzert auf. Auf dem Gymnasium wurde er zum Präsidenten der Franz-Liszt-Gesellschaft gewählt und setzte sich für die Aufführung zeitgenössischer ungarischer Musik ein. Die Familie besaß ein Haus in Nagylócz, nördlich von Budapest gelegen. Dort kam er mit Volks- und Zigeunermusik in Kontakt. Er musizierte mit den ansässigen Musikern und sammelte auch Melodien, jedoch niemals systematisch oder mit Text, wie er selbst betont. Im Alter von 7 Jahren begann er zu komponieren. Bereits als junger Komponist wurde sein Schaffen mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Von 1925 bis 1929 studierte Rózsa in Leipzig. Die Wahl fiel auf Leipzig, da Rózsa mehr von Europa sehen und kennenlernen wollte. Eigentlich war ein Chemiestudium vorgesehen. Mit der Unterstützung und einem Empfehlungsschreiben von Hermann Grabner an Rózsas Vater gelang 1926 der Studienwechsel an die Musikhochschule. Dort studierte er Komposition bei Hermann Grabner und Musikwissenschaft bei Theodor Kroyer. Im Frühjahr 1931 reiste Rózsa nach Paris und machte die Bekanntschaft von Arthur Honegger, Charles Marie Widor sowie Pierre Monteux. Im Herbst 1932 ließ er sich in der französischen Hauptstadt nieder. 1933 komponierte er Thema, Variationen und Finale op. 13, das Stück für großes Orchester hatte am 1.10.1934 abseits des großen Musiklebens in Duisburg seine Premiere. Innerhalb der folgenden drei Jahre erlebte die Komposition über 60 Aufführungen in Europa. Für die Filmgesellschaft Pathé Nathan schrieb Rózsa in den folgenden Jahren zahlreiche Fanfaren und Pausen-Musiken unter dem Pseudonym Nic Tomay, um seinen Ruf als ernsthafter Komponist nicht zu gefährden. Zwischen 1935 und 1939 pendelte Rózsa ständig zwischen Paris und London hin und her. Rózsas erster Aufenthalt 1935 in London begann mit einem glücklichen Zufall. Kurz nach seiner Ankunft bekam er den Auftrag, die Musik für die ungarische Ballettproduktion Hungaria zu schreiben. Das Ballett wurde zwei Jahre lang erfolgreich in London aufgeführt. Da ein studentischer Status die unkomplizierteste Variante war, um an eine Aufenthaltsgenehmigung zu kommen, wurde Rózsa Student am Trinity College of Music im Fach Chordirigieren. Als der französische Regisseur Jacques Feyder 1936 nach London kam, besuchte er mit Rózsa eine Hungaria-Aufführung und bat den jungen Komponisten anschließend, die Musik für seinen Film Knights without Armour zu schreiben. Im Filmstudio von , einem Landsmann Rózsas, wurden die Verträge für den Film unterschrieben. Rózsa betont in seiner Autobiographie, dass mit diesem Schritt sein wirkliches musikalisches Doppelleben begonnen habe. In diesem Film erlebte Rózsa auch seinen ersten mimischen Einsatz, er sprang für einen Pianisten ein, der nicht am Set erschienen war - als Pianist, der von singenden Soldaten umringt ist, während die Prinzessin, dargestellt von Marlene Dietrich, den Raum betritt. 1937 begann Rózsa, die Musik zum Film The Four Feathers zu schreiben. Im selben und auch darauf folgenden Jahr erhielt er den Franz-Joseph- Preis seiner Heimatstadt Budapest, eine Auszeichnung, die an zeitgenössische ungarische Künstler vergeben wurde. Die Musik zu The Thief of Bagdad entstand noch in Europa, die Produktion sollte aber wegen der kriegsbedingten Umstände in Hollywood fertig gestellt werden. Im Sommer 1940 emigrierte Rózsa in die USA. The Jungle Book war Rózsas erste Hollywood-Produktion, dessen Soundtrack 1942 als erste kommerzielle Filmmusik auf Schallplatte herauskam. 1943 dirigierte Rózsa sein erstes Konzert mit dem Hollywood Bowl Orchestra, in dem auch die Jungle Book Suite aufgeführt wurde. Bis Ende der 1940er Jahre entstanden über 30 Filmmusiken. 1944 erhielt Rózsa die Einladung, an der University of Southern California einen Sommerkurs in Komposition zu geben, war aber aufgrund zu vieler Arbeitsaufträge gezwungen, das Angebot auszuschlagen. Später unterrichtete er regelmäßig das Fach Technik und Theorie der Filmmusik an dieser Universität, es war der erste Lehrauftrag dieser Art in den USA. Einer seiner Studenten war Jerry Goldsmith, der mit den Filmmusiken zu The Omen, Poltergeist etc. bekannt werden sollte. Für die Filmmusiken zu Spellbound (1945, Alfred Hitchcock) und A Double Life (1947, George Cukor) erhielt Rózsa innerhalb kurzer Zeit zwei Academy Awards. A Double Life nannte Rózsa auch seine 1982 erschienene Autobiographie, da er seine Arbeit einerseits für den Film, andererseits für den Konzertsaal als musikalisches Doppelleben empfand. Beim Filmstudio Metro-Goldwyn-Mayer stand Rózsa von 1949 bis 1962 unter Vertrag. Während dieser Zeit schrieb er seine bekanntesten Filmpartituren, wie Quo Vadis, Ivanhoe oder El Cid. Er wurde zum Inbegriff für die musikalische Ausstattung historischer Großprojekte. 1953 war eines seiner produktivsten Jahre. Rózsa schrieb die Musik zu sechs Filmen und das Violinkonzert op. 24 für Jascha Heifetz. 1958 schrieb er die Filmmusik zu A Time to Love and a Time to Die nach der Novelle Im Westen nichts Neues von Erich Maria Remarque, der selbst auch im Film auftrat. Für die Musik zum Monumentalfilm Ben Hur (1959, William Wyler) erhielt Rózsa seinen dritten Oscar. Über 16 Millionen Dollar flossen u.a. für 50.000 Statisten, 365 Sprechrollen, eine Million Requisiten und über 300 Dekorationen in der Vorbereitungszeit von fünf Jahren und einer reinen Drehzeit von einem Jahr. Monumental war auch der Erfolg: Hollywood ließ 11 Oscars auf den Film regnen. Einspielergebnisse im Kino und spätere Einschaltquoten im Fernsehen brachen alle Rekorde. In seiner Karriere als Filmkomponist erhielt Rózsa für seine mehr als 90 Filme insgesamt 16 Nominierungen für den Academy Award. Zwischen 1963 und 1967 schrieb Rózsa keine Filmmusik mehr. In den 1970er Jahren entstanden die Musiken zu den Filmen The Private Life of Sherlock Holmes (1970, Billy Wilder) und The Golden Voyage of Sinbad (1974, Gordon Hessler), die beide in Großbritannien produziert wurden. 1977 erhielt er die Einladung nach Frankreich, um für Providence von Alain Resnais die Musik zu komponieren. Zwischen 1978 und 1981 entstanden die Musiken für sechs weitere Filme. Der letzte Film mit Musik von Rózsa - Dead Men don’t Wear Plaid - kam 1982 in die Kinos. Im selben Jahr veröffentlichte Rózsa seine Autobiographie A Double Life. Nach 1982 entstand nur noch Kammermusik. Zum Ende dieses Jahrzehnts schränkte Rózsa aus gesundheitlichen Gründen seine Aktivitäten stark ein. In seinen letzten Lebensjahren unterstützte er vorwiegend jüngere Musikschaffende. Unter ihnen befand sich auch der heute als Spezialist für Filmmusik etablierte Dirigent John Mauceri. Am 27.7.1995 verstarb Miklós Rózsa in Los Angeles.

Filmographie (Auswahl) 1937 Thunder in the City, Marion Gering. 1937 Knights without Armour (Tatjana), Jacques Feyder. 1938 (Besuch zur Nacht), . 1939 The Four Feathers (Vier Federn), Zoltán Korda. 1939 (Der Spion in Schwarz), . 1940 The Thief of Baghdad (Der Dieb von Bagdad), Alexander Korda. 1941 , Alexander Korda. 1941 Lydia (Ein Frauenherz vergibt nie), Julien Duvivier. 1941 Sundown (Waffenschmuggler von Kenia), Henry Hathaway. 1942 Rudyard Kipling's Jungle Book (Das Dschungelbuch), Zoltán Korda. 1943 Sahara (Sahara), Zoltán Korda. 1944 Double Indemnity (Frau ohne Gewissen), Billy Wilder. 1945 Spellbound (Ich kämpfe um dich), Alfred Hitchcock. 1945 The Lost Weekend (Das verlorene Wochenende), Billy Wilder. 1946 The Strange Love of Martha Ivers (Die seltsame Liebe der Martha Ivers), Lewis Milestone . 1946 The Killers (Rächer der Unterwelt), Robert Siodmak. 1947 A Double Life (Ein Doppelleben), George Cukor. 1949 Madame Bovary (Madame Bovary), Vincente Minnelli. 1949 Adam’s Rib (Ehekrieg), George Cukor. 1949 East Side, West Side (Verlorenes Spiel), Mervyn Leroy. 1950 The Asphalt Jungle (Asphalt Dschungel), John Huston. 1950 Crisis (Hexenkessel), Richard Brooks. 1951 Quo Vadis (Quo Vadis?), Mervyn Leroy. 1952 Ivanhoe (Ivanhoe – Der schwarze Ritter), Richard Thorpe. 1952 Plymouth Adventure (Schiff ohne Heimat), Clarence Brown. 1953 Julius Caesar (Julius Caesar), Joseph L. Mankiewicz. - Erster Film, der im Vierkanal-Stereo- Verfahren aufgenommen wurde. 1953 Young Bess (Die Thronfolgerin), George Sidney. 1953 Knights of the Round Table (Die Ritter der Tafelrunde), Richard Thorpe. 1954 Valley of the Kings (Das Tal der Könige), Robert Pirosh. 1954 Green Fire (Grünes Feuer), Andrew Marton. 1955 The King’s Thief (Des Königs Dieb), Robert Z. Leonard. 1956 Lust for Life (Vincent van Gogh – Ein Leben in Leidenschaft), Vincente Minnelli. 1957 Something of Value (Flammen über Afrika), Richard Brooks. 1958 A Time to Love and a Time to Die (Zeit zu leben und Zeit zu sterben), Douglas Sirk. 1959 Ben Hur (Ben Hur), William Wyler. 1961 El Cid (El Cid), Anthony Mann. 1961 King of Kings (König der Könige), Nicholas Ray. 1970 The Private Life of Sherlock Holmes (Das Privatleben des Sherlock Holmes), Billy Wilder. 1973 The Golden Voyage of Sinbad (Sindbads gefährliche Abenteuer), Gordon Hessler. 1977 Providence (Providence), Alain Resnais. 1978 Fedora (Fedora), Billy Wilder. 1979 Time after Time (Flucht in die Zukunft), Nicholas Meyer. 1981 Eye of the Needle (Die Nadel), Richard Marquand. 1982 Dead Men don’t wear Plaid (Tote tragen keine Karos), Carl Reiner.

Bibliographie (Auswahl)

Rózsa, Miklós: A Double Life. The Autobiography of Miklós Rózsa, Composer in the Golden Years of Hollywood. Tunbridge Wells [...]: Midas Books [...] 1982. - Repr. New York: Wynwood Press 1989.

Eyquem, Olivier / Saada, Jacques: Rencontre avec Miklós Rózsa. In: Positif, 189, Janv. 1977, S. 49- 56. Kraft, David / Kraft, Richard: A conversation with Miklós Rózsa and Carl Reiner. In: Soundtrack! The Collector’s Quarterly 1, Sept-Dec. 1982, S. 13-22. Rabourdin, Dominique: Entretien avec Miklos Rozsa. In: Cinéma 80,258 [=C80], Juni 1980, S. 55-67.

Keller, Matthias (Hrsg., in Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum): Miklós Rózsa. Retrospektive. München: Selbstverlag 1998. Palmer, Christopher: Miklós Rózsa. A sketch of life and work. London/Wiesbaden: Breitkopf und Härtel 1975.

Bertolina, Gian Carlo: Miklós Rózsa e Billy Wilder: storia di una collaborazione. In: Filmcritica: Rivista mensile di Studi sul Cinema 33, Nov./Dic. 1982 (=329/330), S. 594-602. Borie, Bertrand: Miklos Rozsa: grandeur et passion. In: Ekran: Revija za Film in Televizijo, 74, 15.11.1978, S. 37-48. Borie, Bertrand: A propos de la bande sonore de Providence. In: Positif, 244/245, Juli/Aug. 1981, S. 45-49. Chanudaud, Stephane: Miklos Rozsa. In: Positif, 468, Fév. 2000, S. 97-101. Eder, Bruce: Miklos Rozsa. In: Films in Review 47, March/April 1996, S. 2-6+ [insges. 16 S.]. Elley, D.: The film composer. 1. Miklós Rózsa. In: Films and Filming 23, May 1977, S. 20-24. Mörchen, Roland: Grandiose Klangspektren. Miklós Rózsa zum 100. Geburtstag. In: Film-Dienst 60,8, 2007, S. 42-44. Niogret, H.: La musique de Miklós Rózsa. In: Positif, 189, Jan. 1977, S. 42-48. Pavelek, James: Miklos Rozsa. In: Soundtrack! The Collector’s Quarterly 17, Sept. 1998, S. 5-9. Pugliese, Roberto: Due maestri hollywoodiani: Rózsa e Herrmann. In: Filmcritica: Rivista mensile di Studi sul Cinema 28, Dec. 1977, S. 379-89. Raynes, Doug: A filmography/discography of Miklos Rozsa. In: Soundtrack! The Collector’s Quarterly 13, June 1994, S. 34-57. Southall, James: Miklos Rozsa at MGM. In: Film Score Monthly 5,2, 2000, S. 43-44.

Diskographie (Auswahl)

Miklós Rózsa conducts his epic film scores, DRG Records 19060, Hollywood 2004 Miklós Rózsa: Chamber music, Silva Classics 6006, London 1994 Miklós Rózsa: Ben Hur - Concertos pour piano, Auvidis V 4841, Paris 1999 Miklós Rózsa: El Cid, Music from the Samuel Bronston Production, MGM Select Stereo Record 2353 046, London 1961

Links

The Miklós Rózsa Society Website: http://members.iinet.com.au/~agfam/miklos/index.html The Rózsa Forum: http://p222.ezboard.com/fmiklosrozsatherzsaforum

(Juliane Bally)