775 Jahre WoserinInternetversion 1234CHRONIK - 2009 DES DORFES WOSERIN 2009 Internetversion

Luftbild Woserin, 2004 775 Minuten für Woserin – vier Leute aus , , und Woserin haben diese Zeit aufge- wandt, um in gemeinsamen Zusammenkünften die Erstellung des nun vorliegenden Rückblickes in die

Geschichte von Woserin zu besprechen und voranzutreiben.Internetversion

Jubiläum – 775 Jahre Woserin waren und sind uns Anlass sowie Auftrag in die Vergangenheit zu blicken. Suchen, finden, sammeln, bewer- ten und aufschreiben – für Sie, als Beitrag zu den Feierlichkeiten und zum besseren Verstehen des Werdens und Wachsens dieses Ortes.

Wie soll die Gliederung aussehen? Wer bearbeitet was? Welchen Umfang und welchen Tiefgang soll die Ar- beit haben? So viele Bilder – welche verwenden wir? Wo gibt es weiteres Interessantes und Wissenswertes in Archiven und Schriften, dass in unserem Rückblick Verwendung finden kann?

Jeder von uns vier hat Quellen erschlossen und ungezählte Minuten damit verbracht, das Gefundene aufzu- bereiten und in Form zu bringen. Die Auswahl dessen, was neu geschrieben und für Sie zum Lesen, Lernen, Staunen zur Verfügung gestellt wird, war nicht einfach und ist frei vom Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Beschäftigung mit Ereignissen und Personen aus der Vergangenheit hat sehr viel Spaß gemacht und das Interesse geweckt, sich noch weiter mit dieser Materie zu befassen. Wir möchten Sie einladen selbst zurückzuschauen, sich zu erinnern, zu suchen und zu finden – vielleicht «Herrn Pastorn sin Kauh» auf einem der Bilder im Text.

Helga Böhnke Olaf Lorenz Ralf-Rudolf Berg Andre van Uehm Dabel Borkow Dobbertin Woserin

«Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft.»

Wilhelm von Humboldt Politiker, Schulreformer und Philosoph Internetversion INHALT Internetversion

Naturräumliche Gegebenheiten 7

Zeugnisse der ersten Besiedlung 8

Von der ersten Erwähnung bis zum Ende des 30-jährigen Krieges 9

Ringen um den Neuaufbau 12

Unter dem Dach des Herzogs 19

Zwischen Kaiserreich und Ende des I. Weltkrieges 32

Von der Weimarer Republik bis 1945 34

Wiederaufbau und Deutsche Demokratische Republik 37

Von 1990 bis heute 41

Schulische Entwicklung in Woserin 43

Kirche 47

Flurnamen der Gemarkung Woserin 50

Woseriner Sagen 52

Quellenverzeichnis 53

Impressum 54

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Woseriner See Naturräumliche Gegebenheiten Internetversion Woserin liegt am südlichen Rand des Naturparks Sternberger Seenland, im Landschaftsschutzgebiet Dob- bertiner Seenlandschaft. Die Landschaft erhielt ihr Gesicht durch die letzte Eiszeit. Die gewaltigen Eismassen wie auch das abflie- ßende Schmelzwasser haben die Oberfläche geformt. Sie ist geprägt von Hügeln, Tälern, Bächen, Seen und Söllen und stellt sich mit den Feldern, Wiesen und Wäldern sehr abwechslungsreich dar. Die Weichseleiszeit hatte durch schwankende Temperaturen hervorgerufen vier Vorstöße. Zwei Vorstöße prägten unsere Landschaft. Nördlich von uns kam das Frankfurter Stadium vor 18.000 Jahren auf einer Li- nie von Sternberg, Krakow am See und Waren/Müritz zum stehen. Während das Pommersche Stadium vor 13.000 Jahren südlich von uns hielt. Das Eis hielt auf der Höhe von , südlich von Lübz und südlich des Plauer Sees und schob dabei eine Hügelkette auf, deren Erhebungen Höhen von 100m über NN erreichen. Der unsere Landschaft prägende Höhenzug wurde als sogenannte Zwischenstaffel vor ca. 15.000 Jahren gebildet. Durch den ständigem Wechsel der Gletscher zwischen Abschmelzen und Eiszufuhr entstanden folgende Erhebungen: die beiden Berge südöstlich des Woseriner Sees An der Kronenbuche (88m) und Ste- phansberg (83m) sowie der Hohe Berg (74m) bei Nienhagen / Oldensdorf und der Küsterberg (76m) südlich des Krakower Sees. Das Eis hat auf seinem Weg nach Süden die Endmoräne (abgelagerter Gesteinsschutt) vor sich her geschoben. Die unter dem Gletscher mitgeführten Gerölle wurden zermahlen und bauten die Grundmoräne auf. Mitgeschürfter Untergrund aus skandinavischem Granit und Gneis blieb nach dem Ab- schmelzen des Eises als Findlinge zurück. Ein imposantes Exemplar ist der Riesenstein an der Grenze zu Borkow. Als der Mensch sesshaft wurde brauchte er Nahrung, Kleidung und Wohnraum zum Leben. Die Beschaffung des Notwendigen hängt sehr eng mit dem Grund und Boden zusammen, wo er sich niederlässt. Einerseits ist Wasser erforderlich und andererseits ist die Qualität des Bodens entscheidend. Beides schien in ausrei- chendem Maße vorhanden zu sein, da er sich in unserer Region niederließ. Die uns umgebenden Felder der Grundmoräne haben unterschiedliche Böden (Geschiebemergel, milder Lehm, mittlerer Sandboden) und sind damit gut für die landwirtschaftliche Nutzung geeignet. Die End- moränen sind von Laubwäldern bedeckt. Vorrangig wächst auf den schweren, nährstoffreichen Böden die Buche (Fagus sylvatica), während auf den kargen Sanderflächen südlich der Bresenitz Kiefernwälder und Heide gedeihen. Den Wasserreichtum in der Region verdanken wir dem stark ausgeprägten Relief. Unser Ort liegt am Wo- seriner See mit seinen drei Teilen, dem Hof-, Mühlen- und Holzsee. Die Teile erhielten ihre Namen durch die unterschiedlichen Nutzungen. Während der Mühlensee seinen Namen durch die Garder Mühle bekam, war für den Hofsee die Lage des Gutes entscheidend. Vom Holzsee wurden nach dem Holzeinschlag die Stämme zur Mildenitz geflösst. Der See wird von der Bresenitz durchflossen, sie ist die Grenze zwischen der Grundmoräne im Norden und den südlichen Sanderflächen. Der Bach entspringt bei Suckwitz und kommt aus nordöstlicher Richtung vom Garder See und fließt in den Mühlensee bei Garder Mühle. Der Abfluss liegt am südwestlichen Ende des Holzsees. Auf ihrem Weg zur Mildenitz weitet sie sich zum Bresenitzsee und un- terquert wieder mit einem normalen Querschnitt die Bundesstraße 192. Die Mildenitz fließt bei Sternberger Burg in die Warnow, die in Warnemünde in die Ostsee mündet. Ein weiteres Überbleibsel der Eiszeit sind mehrere Sölle (Wasserlöcher). Sie sind dadurch entstanden, dass in Vertiefungen der Oberfläche Eislinsen zurückblieben, die dann durch Schmelzwasser oder Wind mit Subst- rat abgedeckt wurden. Später sank die Erde durch schmelzen des Eises ab und die entstandene Vertiefung füllte sich mit Wasser.

Naturräumliche Gegebenheiten 7 Internetversion

Riesenstein («Der Hund») an der Grenze zu Borkow

Zeugnisse der ersten Besiedlung

Seit mindestens 10.000 Jahren hinterlässt der Mensch im Raum Woserin Zeugnisse seiner Anwesenheit. Es mag sein, dass auch schon vor der letzten Vereisung Menschen oder deren Verwandte, die Neandertaler, unseren Region nutzten, doch die Zeugnisse aus jener Zeit sind unwiderruflich unter den Sand- und Geröll- massen der Eiszeit begraben. Die Wiederbesiedlung begann bereits kurz nach dem Ende des pommerschen Eisvorstoßes. Jäger und Sammler durchstreiften auch unser Gebiet auf der Suche nach Essbarem. Feuersteinabschläge hinterließen sie auf dem Werder im See. Andere Zeugnisse fanden sich in der Nachbarschaft, nordöstlich vom heutigen Dorf bis zum Kiebitzmoor nördlich Hohenfeldes. In der Bronzezeit (in Mecklenburg ab 1600 v. u. Z.) war auch unsere Feldmark relativ dicht besiedelt. Zeug- nisse jener Zeit sind die bekannten Hügelgräber, von denen die Vermessungskarten von 1768 und 1829 noch 20 verzeichnen. Sie befanden sich zum größten Teil zwischen Hütter See und der heutigen Chaussee. Man darf davon ausgehen, dass in den Jahrhunderten davor bereits viele andere zerstört wurden. Glücks- ritter suchten nach Schätzen und Bauern, die ihren Ursprung nicht mehr kennen konnten und sie nur als Hindernis auf dem Acker betrachteten, ebneten sie bis in die jüngste Vergangenheit hinein ein. Die letzten dieser Gräber fielen dem Bau der Chaussee zwischen Dobbertin und Sternberg (1870) zum Opfer. Stein- schläger bedienten sich ihres Materials. Wohl ein etwas zu großer Brocken war der heute weithin bekannte Riesenstein an der Grenze zu Borkow. Er ist neben einigen Urnen im Museum Schwerin der letzte Zeuge dieser Zeit auf unserer Feldmark. Über die Volkszugehörigkeit dieser Menschen lässt sich an Hand ihrer Hinterlassenschaften nichts sagen. Von Bedeutung war für sie auch nur der eigene Clan, der eigene Stamm. Die ersten überlieferten Darstellungen über die Völker in unserem Raum stammen von den Römern. Nach Tacitus bewohnen im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung vermutlich die germanischen Variner un- seren Raum, im 3. Jh. die Sueben. Letztere wanderten im Zuge der Völkerwanderung ab und gelangten zu einem großen Teil nach Galicien im Nordwesten Spaniens, wo sich aus ihnen und der Stammbevölkerung die heutigen Galicier entwickelten.

8 Zeugnisse der ersten Besiedlung Ob noch irgendwelche Reste im Land verblieben sind, ist umstritten. Unumstritten ist, dass im 7. Jh. sla- wische Stämme von diesem weitgehend entvölkerten Land ergriffen. Siedlungen der in unserem

Raum und im Eldetal ansässigen Warnaben fandInternetversion man an der Waterwisch (westlich von Hohenfelde), an der «kahlen Städe» (nördlich Woserins) und am Nordwestufer des Schwarzen Sees. Mit weiteren dieser kleinen Siedlungen wäre bei einer genauen Untersuchung der Feldmark zu rechnen. Ihr Zentrum war vermutlich die Burg am Südwestufer des Holzsees. Sie ist seit den 1920er Jahren mehrfach untersucht worden. Scher- benfunde und die übliche Praxis an anderen Orten weisen darauf hin, dass sie auch noch zu Beginn der deutschen Ostkolonisation genutzt wurde. Während im größten Teil des Landes die Slawen durch immer wieder aufflammende kriegerische Auseinan- dersetzungen geflohen, getötet oder vertrieben waren, gab es in unserer Region noch starke slawische Be- völkerungsreste. Diese verbliebenen Reste der slawischen Vorbevölkerung wurden in das nun neu zu grün- dende Dorf einbezogen. Dabei kam es zur schrittweisen Aufgabe der kleinen Weiler und zur Einrichtung von Wirtschaften im neuen Dorf. Entsprechend der Wirtschaftskraft hatten sie eine unterschiedliche Größe. Slawen bekamen so genannte Kossatenstellen von ca. 10 ha zugewiesen. Den deutschen Bauern wurden Hufen entsprechend der gewohnten Hufenverfassung zugewiesen. Ruchhöft gibt in seiner Arbeit über die Entwicklung der Kulturlandschaft im Raum Goldberg – Plau für Woserin 16 Hufen und 12 Kossatenstellen an. Daneben waren selbstredend der Bau und die Einrichtung eines Gotteshauses und die Errichtung eines befestigten Sitzes für die Familie der Woserins vordringliche Aufgaben der neuen Gemeinde.

Von der ersten Erwähnung bis zum Ende des 30-jährigen Krieges

Großen Einfluss auf die Christianisierung unserer Region hatte das um 1220 gegründete Benediktinerklos- ter Dobbertin. Kurz nachdem es infolge von Auseinandersetzungen zwischen den Bevölkerungsteilen zum Nonnenkloster umgewidmet wurde, verlieh Brunward, Bischof von Schwerin (1291-1338), der Überlieferung nach am 27. Oktober 1234 dem jeweiligen Probst des Klosters Dobbertin das Archidiakonat über die Kirchen zu Goldberg, Lohmen, Ruchow, Karcheez und eben Woserin (MUB 425). Dieses beinhaltete die fachliche Aufsicht, Anleitung und die Disziplinargewalt über das Personal an diesen Kirchen und selbstverständlich auch ein gewisses Entgelt für diese Leistungen. Ersterwähnungen verdanken wir zu einem erheblichen Teil dem Zufall. Es muss erstens ein Schriftstück abgefasst worden sein, dass zweitens auch noch die Jahrhunderte überdauert hat und drittens, müssen nachfolgende Generationen, die sich auf dieses Schriftstück berufen wollen, es auch noch lesen können. Im Falle der Urkunde, der wir die Ersterwähnung Woserins verdanken, war letzteres lange Umstritten. Eini- ge Autoren datierten das Ereignis in das Jahr 1238. Bei der kritischen Betrachtung des Ganzen fiel aber auf, dass eine der handelnden Personen zu diesem Zeitpunkt bereits tot war und die Handlung hätte keinesfalls vollziehen können. Zur Einrichtung des Dorfes gehörte selbstredend auch die Festlegung seiner Grenzen. Die Ostgrenze der Gemarkung verlief 1237 in der Mitte des damaligen Bresenitzlaufes, quer durch den Woseriner See bis zum Einfluss des Baches Gardene1 in den heutigen Woseriner See (in der Urkunde «Wozderim» genannt, MUB 469). 1263 bekräftigt Papst Urban IV. diese Grenze (MUB 983). Im Norden lag auf dem hohen Feld in der Nähe des Kiebitzmoores das Dorf Gravenitz. Es wurde zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt bereits im Mittelalter aufgegeben und die bereits wieder bewaldete Feld- mark mit der von Woserin vereint.

1 Bach, der aus dem Gardener See kommt.

Von der ersten Erwähnung bis zum Ende des 30-jährigen Krieges 9 Im Westen grenzen noch heute Bolz und Borkow an die Feldmark Woserin, im Süden verlief etwas südlich der heutigen Bundesstraße die Grenze der Feldmark Schlowe.

Die bäuerlichen Wirtschaften waren als HauptquelleInternetversion des Reichtums nach einer kurzen Schonfrist zur Zeit ihrer Einrichtung wichtigste Einnahmequelle der Lehnsherren und tauchen somit immer wieder bei Geld- geschäften auf. 1292 verlieh Nikolaus von Werle seine acht Hufen in Woserin dem Kloster Dobbertin, wel- ches im Jahr darauf Detlev Wackerbart mit diesen belehnte. Zumindest einen Teil der anderen besaßen die damaligen Herren von Woserin, die aber noch im Laufe des 14. Jh. ausstarben.2 Vor deren Aussterben verkauften sie das Dorf 1319 an die Cramon, was die Fürsten von Werle beurkundeten (MUB 4061). Mit Her- mann von Cramon beginnend sollte der größte Teil des Dorfes dann bis über den 30jährigen Krieg hinaus in den Händen dieser Familie bleiben. Die Herren von Werle scheinen gern gesehene Gäste in Woserin gewesen zu sein, denn schon kurz nach diesem Ereignis, belehnen sie in Woserin den Knappen Samekow mit Hebungen aus Wangelin bei Plau. Neun Jahre später vertrauen die Fürsten von Werle den Cramons auch das Patronat über die Kirche an (MUB 4061).

Kirche zu Woserin

Die Verpflichtungen, die eine Familie wie die der Cramons im mittelalterlichen Staatsverband eingingen, waren eine sehr kostspielige Angelegenheit. Das meiste Geld verschlangen die zahlreichen Kriege und Feh- den. Da die Besitzungen kaum die nötigen Einnahmen erwirtschaften konnten, waren viele der Lehnsträger gezwungen, Kredite aufzunehmen. Die bekam man damals vorrangig gegen Abgabe von Rechten und Leistungen auf die man selbst ein Anrecht hatte. Und so verpfändeten Hermann, Hans und Heinrich von Cramon zu Borkow und Woserin 1365 der Pfarre zu Gägelow für 55 Mark Lübisch all ihre Besitzungen in Gä- gelow (MUB 9397) und das Kloster Dobbertin bezeugt im gleichen Jahr, dass Werner von Cramon und seine Erben die 12 Fischzüge und die Gewässer zu Woserin für 42 Mark Lübisch wieder einlösen können (MUB 9405). Wenn sie denn irgendwann einmal Geld dafür übrig haben. Bis dahin verbleiben aber Nutzung und

2 Gamm, MJB 11, S. 458. Andererseits ist ein Raven Woserin neben Diderik Dessin 1441 Beisitzer beim Vogteigericht in Güstrow (Regest 6833).

10 Von der ersten Erwähnung bis zum Ende des 30-jährigen Krieges Ertrag dem Pfandnehmer, manchmal über Jahrhunderte. Ein weiterer Woseriner Lehnsträger tritt im Zuge der Auseinandersetzungen um die Nachfolge des Meck- lenburgischen Herzogs Albrecht III (gest. 1412)Internetversion in das Licht der Geschichte. Als Teil einer großen Kriegsschar verheeren Tideke Raven, Claus Restorf (Bolz), Mathias, Ludeke und Clawes Hahn zu Damerow, die Vogte Hin- rik Wegener und Joachim Linstow zu Goldberg, eine Reihe Plauer Bürger u.v.a.m. Besitzungen der Herzogin Katharina und ihrer Söhne Heinrich und Johann. Die Gewalttaten und Plünderungen geschehen by deme zee tho Swerin also to Pynnouwe unde Stenvelde und in der voghedie to Bukowe und in der provestige tho deme Nigenclostere, to Lubow, Wytekouwe, Marlouwe, Moltezouwe, in der Vogtei Zwan, tho modentyn by der Wismer, tho deme Vogelsanghe das Bolte van der Lou wonet … in der provestien Rüne …, in der vogedye to Swerin…3 Neben den Cramons und den Raven erwarben auch die benachbarten Restorfs zu Bolz einige Anteile an Woserin, die sie im Laufe der Jahre immer wieder verpfänden mussten. Durch diese Geschäfte erfahren wir die ersten Namen von Bauern aus Woserin, Albrecht Roggentin (1467) und Hans Krüger (1484). Geldgeber waren hier der Sternberger Kaland und das Kloster Dobbertin. Es dürfte sich hierbei um jene Hofstellen südwestlich de Kirche handeln, die 300 Jahre später nach deren Rückerwerb gelegt werden. Die Namen von Kossaten sind uns aus anderer Quelle überliefert: 1441 waren Hans Köster und Klaus Vyth Kossaten in Woserin. Damals gab es außer dem Hofland 9 besetzte und 3 unbesetzte (wüste) Hufen im Dorf, dazu 8 Kossatenstellen, einen Schmied und einen Leineweber. Aus der Tatsache, das Woserin Kirchdorf war, dürfen wir getrost auch einen Krug (zuletzt Ende des 18. Jh. in Verbindung mit der Schmiede am alten Weg nach Bolz gelegen) und weiteres Gewerbe vermuten, denn die Kirche war damals gesellschaftlicher Mittel- punkt ihres Einzugsbereiches und das mit ihr verbundene gesellschaftliche Leben zog potentielle Kunden an. Da die Mischung des Besitzes schon immer Reibereien unterschiedlichster Art nach sich zog, erfolgte 1569 eine klare Trennung zwischen den Besitzungen der Cramons in Borkow und Woserin. Der Woseriner Zweig der Familie unter Johann und Reimar Cramon behielt in Borkow nur einige Fischereirechte auf dem damals als Mühlenteich bezeichneten Borkower See (ca. 24 ha), ein Drittel der Erlöse aus dem Aalfang an der dorti- gen Wassermühle und die Erlaubnis in derselben sein Korn mahlen zu lassen. Vielleicht trug zu diesem Entscheid der acht Jahre zuvor entbrannte Grenzstreit mit den Restorf zu und Bolz bei. Damals hatte man sich um die Fischerei auf dem Bolzer See (zu Woserin gehört nur das Ufer und damit ist Strandfischerei möglich), wegen angemaßter Weide und außerdem noch wegen einiger ge- fällter Bäume aus dem Grenzwald gestritten. Der damalige Streit erhitzte die Gemüter, verlief aber anschei- nend im Sande. Eine endgültige Regelung der Grenze mit Bolz erreichte man erst 1730. Nach dem Tod der Brüder Johann und Reimar Cramon um 1602 beanspruchen Reimars Söhne Claus, Jür- gen, Johann, Ulrich, Christoph und Joachim das Gut. 1623 leistet Ulrich Cramon den Lehnseid und ist somit anerkannter Eigentümer Woserins. Ob es sich dabei um einen der Söhne Reimars handelt oder um einen der Söhne der obigen, kann hier nicht gesagt werden. Die größten Schrecken des 30jährigen Krieges (1618 – 1648) musste Ulrich Cramon nicht mehr erleben. Er starb wie tausende andere an der großen Pest des Jahres 1638. Die Erben plagen große Geldsorgen, denn die Lasten des großen Krieges müssen die Menschen sehr fühl- bar vor Ort bezahlen. In unserer Gegend stirbt nicht nur beinahe 90% der Bevölkerung, auch die Schulden der Überlebenden wachsen ins unermessliche. Und auch denen, die ihr Kapital angelegt haben, fehlen nun die Schuldner. Ganze Familien sind ausgestorben und die verbliebenen selbst ruiniert. Am Ende des Krieges hat Ulrich Cramon (Nachfahre) 10.400 Taler Schulden. Das Gut hat er bereits 1645 an sei- ne Frau Adelheid Blücher verpfändet, zwei Jahre später muss er die Pfandschaft über seine 3 Mustiner Bauern aufgeben und dem Kaufmann Schütte aus Güstrow 2 Bauern- und eine Kossatenstelle in Woserin verpfänden.

3 LHA, Regestenkartei Nr. 3178.

Von der ersten Erwähnung bis zum Ende des 30-jährigen Krieges 11 Ringen um den Neuaufbau Internetversion Einen kleinen Überblick über die Schäden des Krieges vermitteln die Amtsakten: 1. (Gehöft) Besitzer Hahn ganz wüst – im Backhaus wohnt eine alte Frau. 2. (Gehöft) Besitzer Peter Rogge 4 Ochsen – 2 Kühe – Rogge lebt. 3. (Gehöft) Besitzer Heinrich Hahn Gehöft in Schutt und Asche. 4. (Gehöft) Besitzer Andreas Göste Schmied – in Ordnung – besitzt als Seltenheit einen Amboss. 5. (Gehöft) Baumgarten wüst bis aufs Wohnhaus – Hier haust Claus Baumgarten z. Zt. in Möllenbek. 6. (Gehöft) Besitzer Westphal Gebäude ohne Dach – Scheune benutzt der Schmied – Leute alle tot. 7. (Gehöft) Besitzer Dohrmann wüst – Dohrmann soll nach Lübeck geflüch- tet sein. 8. (Gehöft) Besitzer Roggentin Ulrich Roggentin lebt – auf dem Gehöft wohnt der Fischer. 9. (Gehöft) Besitzer Glüder wüst – Frau und Tochter leben. 10. (Gehöft) Besitzer Hamann Mann lebt. 11. (Gehöft) Besitzer Güstrower wüst. 12. (Gehöft) Besitzer Martens lebt – Gehöft leidlich imstande. 13. (Gehöft) Besitzer Hahn – wüst. 14. (Gehöft) Besitzer Pritzbur tot – wüst. 15. (Gehöft) Besitzer Köster lebt – Gehöft leidlich gut – 2 Ochsen – 2 Kühe (Kösterwisch). 16. (Pfarre) Haus leidlich imstande Scheune sehr baufällig – Stall zusammenge- brochen. 17. (Kirche) Innen und außen gut imstande. 18. (Gehöft) Besitzer Engelke Halbpfleger, alle tot, nur Ilse Engelke dient auf dem Hof. 19. (Gehöft) Rüting, Halbpfleger wüst – tot.

Relativ gut kam der Hof davon. Er war von einer Mauer umgeben und bot so einen gewissen Schutz vor marodierenden Banden. Diese tyrannisierten besonders in der Endphase des Krieges die Bevölkerung. Der Hof hatte an Vieh eine ungenannte Anzahl von Schafen, 30 Rinder, 17 Milchkühe und 30 Schweine. An Wirt- schaftsgebäuden gab es einen Pferdestall, einen Viehstall, einen Reitstall mit Futterboden, eine kleine und eine große Scheune, ein Kornhaus mit Boden und eine Schäferei. Der Wiederaufbau des Dorfes war schwierig. Die Gebäude waren zum Teil schwer beschädigt, Baumaterial kaum zu beschaffen und die Überlebenden trauten dem Frieden nicht. Um die Höfe wieder zu besetzen, traten besonders in Holstein Werber auf, die auch Interessenten fanden. Mit ihnen konnte aber nur ein Teil der Gehöfte besetzt werden, zumal sie es auch nicht als erstrebenswert fanden, als lehnsabhängige Bau- ern oder gar Tagelöhner ihre Freiheit zu verlieren. So verschwanden die meisten nach Ablauf der wenigen Pachtjahre. Der Wiederaufbau durch sie blieb vielfach Provisorium. Die Folge war die Einrichtung von selb- ständigen Meiereien und Schäfereien unter Zusammenziehung einiger wüster Hufen. Um überhaupt genügend Leute zur Bewirtschaftung der Flächen zu halten, beschlossen die mecklenbur-

12 Ringen um den Neuaufbau gischen Stände 1654 eine Verschärfung des erst 1645 erlassenen Gesinderechts. Kein Bauer durfte fortan mehr ohne Genehmigung der Grundherrschaft das Dorf verlassen oder auch nur in ein anderes einheiraten.

Mit diesen Maßnahmen gelang eine gewisse StabilisierungInternetversion der Wirtschaften. Aber schon bald darauf wur- den in folgenden Kriegen (insbesondere der Krieg Schwedens gegen Preußen, dass im Krieg mit Polen wenige Jahre zuvor noch auf schwedischer Seite stand), die vor allem durch unsägliche Kontributionsforde- rungen für jedermann spürbar wurden, die kleinen Erfolge wieder zunichte gemacht. Ulrich Cramon erlebt dies nicht mehr. Er starb 1659. Seine Frau musste die unmündigen Kinder durchbrin- gen und die Erbberechtigten befriedigen. Darüber kam es 1672-74 zum Konkurs des Gutes. Aus diesem Anlass wurde das dafür übliche Inventarverzeichnis angefertigt, der wir die folgende Beschreibung eines Bauernhofes in Woserin entnehmen können. Das Bauerngehöft Nr. 2 gehörte damals Peter Rogge. Sein Wohnhaus war 7 Gebind lang (Gebind = von Balken zu Balken) und hatte eine Abseite. Seine Scheune war 5 Gebind lang, sein Katen 3 Gebind. Seine Aussaat be- trägt: 16 Scheffel Roggen, 10 Scheffel Gerste und 4 Scheffel Hafer. Er ist dem Gut zu Hand- und Spanndiens- ten verpflichtet: drei Tage in der Woche Spanndienst und zwei Tage Handdienst. Der Wert beträgt 700 Taler. Durch die Heirat von Cramons Tochter Sophie mit Balthasar Moltke kommt wieder Geld in die Kassen. 1680 gelangt er auch gegen den Widerstand der Söhne Ulrichs in den Besitz von Woserin. Aber auch er muss nach eineinhalb Jahrzehnten zu Notmaßnahmen greifen. Um an Geld zu kommen verkauft Balthasar Molt- ke 1694 die Rechte seiner Ehefrau Sophie an dem Gut Woserin an die Witwe des Hauptmanns Balthasar Friedrich Zülow. Ulrichs Sohn Reimar Ernst klagt erfolglos gegen Weiterverkauf durch die Witwe 1696 an Jobst von Bülow, der 1698 den Lehnbrief über Woserin erhält. Somit ist Woserin für die Cramons verloren. 1703 stirbt Jobst von Bülow und seine Witwe Catharina Sophia Drieberg mutet das Gut namens ihrer drei minderjährigen Söhne und will es damit für die Familie erhalten. 1713 war Sohn Jobst Heinrich von Bülow alt und erfahren genug (geb. 1683) um das Gut zu übernehmen. 1714 beantragt er den Mutschein und gerät darüber in Streit mit den Gebrüdern Cramon zu Ilow, die immer noch die Rückerwerbung für die Familie erstreben. Ihnen bleibt aber der Erfolg verwehrt. Besonders für die Ritterschaft des Landes, war dies eine schwierige Zeit. Der seit 1713 regierende Herzogs Carl Leopold strebte nach dem Vorbild anderer Herrscher seiner Zeit die Errichtung einer absolutistischen Herrschaft in Mecklenburg an. Und dies kostete vor allem Geld. «Der Streit des Herzogs Carl Leopold mit den Ständen, - namentlich mit der Ritterschaft und der Stadt Rostock, - ward mit steigender gegenseitiger Hartnäckigkeit und Erbitterung geführt. Der Her- zog hielt eine Truppenmacht, wie solche für Mecklenburg bisher unerhört gewesen war: einschließ- lich einiger in Sold genommener russischer Regimenter, 8000 Mann. Zu ihrer Unterhaltung wurden unerschwingliche Anforderungen an das Land gestellt. Auch an anderen Differenzpunkten fehlte es nicht. Nachdem der tapfere Widerstand, den Rostock zur Wahrung seiner Gerechtsame gegen Will- kürlichkeiten des Herzogs geleistet, durch die abschreckendsten Zwangsmaßregeln gebrochen war, sollte nun mit der Ritterschaft nicht glimpflicher verfahren werden. Im Jahre 1718 sandte der Herzog Exekutionstruppen auf die Güter der Ritterschaft im Lande umher, um die Besitzer zu zwingen, sich durch einen eidlichen Revers von dem nach Ratzeburg geflüchteten Engeren Ausschusse loszusa- gen, welcher zum Schutze der Landesrechte bei Kaiser und Reich klagbar geworden war. Dieser Eid lautete: ‹Ich schwöre zu Gott einen körperlichen Eid, daß ich an den boshaften, zu einer öffentlichen Rebellion abzielenden Schriften und Unternehmungen, welche die in Ratzeburg sich aufhaltenden Mecklenburgischen sogenannten Landräte und Deputierte zum Engern-Ausschusse heim- und öffentlich herausgegeben und verübet haben, kein Teil nehme, noch zu nehmen geden- ke; sondern daß ich denen Reichs-Grund-Gesetzen gemäß mich jedes Mal als ein treuer und ge- horsamer Vasall und Untertan gegen meinen angeborenen Landesfürsten und Herrn untertänigst bezeigen und aufführen will, so war mir Gott helfe und mein heiliges Wort.›4»

4 Julius Freiherr von Maltzan: Einige gute Mecklenburgische Männer, Wismar 1882.

Ringen um den Neuaufbau 13 Wer diesen Revers nicht unterschrieb, dessen Güter wurden sofort unter Zwangsverwaltung gestellt. Die Mehrheit der Ritterschaft verweigerte die Unterschrift. Daraufhin wurden sie ihres Hab und Guts beraubt,

einige in Gefangenschaft gesetzt und wieder andereInternetversion flohen außer Landes. Auch Jobst Heinrich von Bülow geriet in Bedrängnis. Sein durch Kontributionen und Militärlieferungen be- reits stark belastetes Gut wurde am 27.4.1718 im Auftrag des Herzog von Oberstleutnant von Mecklenburg nebst Major Brun, einem Notar, zwei Unteroffizieren und 14 Gemeinen aufgesucht. Er sollte oben zitierten Eid unterschreiben, was er mit dem Hinweis auf gegensätzliche Pflichten und geltendes Recht ablehnte. Das Gut wurde nun unter Zwangsverwaltung gesetzt, alle Vorräte versiegelt und ein Verwalter übernahm die Geschäfte. Bülows Familie erhielt eine Stube und eine Kammer im Gutshaus angewiesen. Mit Mühe ge- lang es Bülow nach einigen Tagen ein Pferd aufzutreiben und er ließ daheim in Wismar die Vorgänge von einem Notar niederschreiben. Spätestens im Februar 1719 machten Reichsexekutionstruppen mit ihrem Einmarsch den Zwangsmassnah- men Carl Leopolds ein Ende. Für die Schäden aus dieser Zeit kam aber wie damals üblich nur ein sehr eingeschränkter Lastenausgleich auf. Angesichts der arg gebeutelten Gutskasse kam der Zufall zur Hilfe. Der Glashüttenunternehmer Gundlach, der bereits seit Jahren in der Nachbarschaft aktiv war, suchte nach neuen Holzbeständen und einigte sich mit den Eigentümern von Woserin und Borkow (beide Güter besa- ßen damals die von Bülow) erfolgreich auf eine Konzession über 10 Jahre. Am Ende dieser Zeit waren die letzten großen Wälder auf der Feldmark verschwunden. Aus dieser Zeit berichtete der Lehrer Hans Baguhl in den 1920er Jahren: Dazu spielt sich in dieser Zeit hier ein heftiger Lokalkrieg ab, beides hat seine Ursache in dem Auf- treten des Glasmeisters Leutnant a. D. von Gundlach. Dieser war Besitzer mehrerer Glashütten, die alle im Bereich des Klosters Dobbertin lagen. Auch in Bolz hatte er eine Glashütte eingerichtet, die mit Holzfeuerung betrieben wurde. Nachdem die Bolzer Holzbestände nahezu ganz gelichtet wa- ren, sah sich von Gundlach gezwungen, einen anderen geeigneten Ort für seine Unternehmen zu suchen. Bald fanden sich die Besitzer von Borkow und Woserin bereit, ihm einen Bauplatz und das nötige Holz zu überlassen. Die Glashütte wurde nun auf der Woseriner Feldmark, 200 m etwa von der Borkower Grenze ent- fernt, errichtet. Die Stelle trägt noch heute den Namen «Glashütte». Ebenfalls ist die Grube, in der nach Quarzerde gegraben wurde, noch zu sehen. Da zur Fabrikation des Glases auch Kalkstein gehört, liegt die Frage nahe, ob v. G. wohl aus dem Kalkofen, der auf der Insel im Woseriner See lag, seinen Kalk bezogen hat. Der Betrieb verschlang viel Holz, woran Woserin und Borkow damals noch reich waren, besonders Woserin, welches 7/10 der Lieferung übernahm. Im Pachtkontrakt heißt es über das Holzfällen: Wo- serin gibt all seine harte Buchen-Holzung vom Bolzer Weg bis nach Westen an den Weg nach Schlo- we, das Heidenholz mit dem darin gelegenen gesamten weichen Holz, wie auch das Buchenholz in der vorderen Binnung ab. – Der Bolzer Weg zweigte sich kurz vor dem Scheperpohl vom Hohenfelder Weg ab und verlief dann zwischen den beiden Wiesen Lemckenwisch und Eickelbargwisch hindurch, in Richtung auf das Westende der Bolzer Grenzhecke -. Trotz des Holzreichtums darf v. G. nur 40 Wochen im Jahr brennen. Aber die Bestände lichteten sich dennoch schnell. Von der Glashütte haben die Bauern der Umgebung manchen guten Verdienst durch Holzfahren und Abtransport des Glases, welches größtenteils nach Dömitz an die Elbe gefahren werden muss. Der Hüttenbetrieb brachte auch vielen anderen Leuten guten Verdienst, wenn wir bedenken, dass v. G. das Fällen und Roden des Holzes auf eigene Kosten vorzunehmen hatte, dazu wird die Hütte bei der Herstellung des Glases selbst manche Arbeitskraft benötig haben. Alle, v. G. und seine Leute, unterstehen der Polizeigewalt des Herrn von Bülow auf Woserin. Das Glas, welches der Hof Woserin zum eigenen Gebrauch benötigt, muss v. G. unentgeltlich liefern. Auch ist ihm vorgeschrieben, sein Korn in Borkow mahlen zu lassen, vorausgesetzt, dass der Müller ihn eben- so reell behandelt wie der Rothener, bei dem er von Bolz aus verpflichtet war, mahlen zu lassen. So scheint denn alles in bester Ordnung zu sein, bis eines Tages zwischen v. Bülow und v. Gundlach

14 Ringen um den Neuaufbau ein heftiger Streit entbrennt. Wer von den beiden den ersten Anlass dazu gegeben hat, ist aus den Urkunden nicht festzustellen. Jedenfalls sind beide durchaus nicht Gegner eines Kampfes und so

wird er dann mit aller Bosheit und HartnäckigkeitInternetversion gefochten. Höchst spaßig ist es, die Prozessakten durchzustöbern. Nachstehend werden nun einige Episoden aus diesem Kleinkrieg geschildert: Der Streit ist entbrannt, da verbietet v. Bülow seinen Bauern die Abfuhr des Glases. Er droht, ihnen Pferde und Wagen wegzu- nehmen. Reiter müssen während der Nacht die Glashütte bewachen, um die Abfuhr zu verhindern, so daß die Bauern schließlich gezwungen sind, leer heimzufahren. Doch wer glaubt, v. Gundlach würde sich hierdurch einschüchtern lassen, verkennt ihn. Immer wieder versteht er es, sein Glas ge- gen den Willen v. B. abzufahren. Ja, er droht, die Ritterknechte mit Hilfe seiner Gesellen davonzuja- gen. Daraufhin beschließt v. Bülow, v. Gundlach einmal gründlich eines auszuwischen. Er sichert sich hierzu die Unterstützung befreundeter Rittergutsbesitzer aus der näheren und weite- ren Umgebung. Dobbertin, Sehlstorf und Kirch Kogel schicken ihre bewaffneten Ritterknechte, und dann rückt die Schar in Stärke von 100 Mann dem widerspenstigen v. Gundlach vors Haus. Wieder steht eine größere Anzahl mit Glas beladener Bauernfuhrwerke zur Abfahrt bereit. V. Gundlach leis- tet der Übermacht keinen Widerstand, und die Bauern erhalten den Befehl, ihre beladenen Fahrzeu- ge nach Woserin zu führen. Sie wollen zunächst nicht, dann aber fügen sie sich der Gewalt. Als alle Fuhrwerke auf dem Hof sind, treibt man die Bauern zusammen, jagt sie ohne Fuhrwerke vom Hof und schließt hinter ihnen das Hoftor. Auf v. G. Beschwerde hin, schreitet der Herzog ein. Er verbietet v. B. die Behinderung der Glasabfuhr und belegt ihn außerdem noch mit einer Geldstrafe. Damit ist der Streit aber noch nicht aus der Welt. Bald beginnt er aufs Neue. Diesmal verklagt v. Bülow den Glasmeister, weil er keine Pacht bezahlt. V. G. erwidert auf die Anklage, dass dies nur Vergeltung für v. Bülows Eingriffe in seinem Betrieb sei. Er werde zukünftig stets Gewalt wieder mit Gewalt steuern (v. B. hat um diese Zeit zwei Dragoner zum persönlichen Schutz hier). Der Glasmeister weist in seiner sehr gewandten Verteidigungsschrift auf den großen Schaden hin, der ihm durch das Stocken der Abfuhr entstanden ist, und dass seine Arbeiter mit ihren Kindern hungern müssten. Außerdem weist er darauf hin, dass das Faustrecht jetzt ja verboten sei und darum auch nicht mehr ausgeübt werden dürfe. V. B. wieder droht mit dem Umpflügen der v. Gundlachschen Ländereien und dem Niederreißen der Hütte. Dies berichtet v. G. an den Herzog, der v. B. gebietet, nichts gegen v. G. zu unternehmen, sonst würde er ihn hart bestrafen. Schließlich aber setzt v. B. doch durch, dass v. G. nicht abfahren darf und damit sind auch dessen Tage hier gezählt. Er wird bald die Glashütte verlassen und v. B. hat seinen Vorsatz, den Acker nebst den Weiden umzupflügen und die Glashütte abzureißen, ausgeführt.5

5 Hans Baguhl: Chronik Woserin, um 1930.

Ringen um den Neuaufbau 15 Internetversion

Waldglas

1721 wurde von Bülow zum Provisor des Kloster Dobbertin gewählt. Die Verwaltung dieses Klosters sollte bis an sein Ende (12. 6. 1762) seine Hauptlebensaufgabe bleiben. Während seiner Zeit entstand 1751 bis 56 das neue Amtshaus, in dem heute die Verwaltung des Diakoniewerks Kloster Dobbertin residiert. Bis dahin diente die Schreibstube im Gutshaus Woserin auch der Verwaltung des Klostergebiets. 1730 gelang der Abschluss eines Vertrages mit der Gutsherrschaft Bolz, durch den der Besitz abgerundet wurde. Nunmehr gab es in Bolz nichts mehr, was den Woserinern gehörte und umgekehrt. 1751 fertigten Mecklenburgs Pastoren Verzeichnisse ihrer Beichtkinder an, die uns einen Einblick in die sozi- ale Struktur des damaligen Dorfes geben. Für Woserin ergab sich leicht verkürzt folgendes:

1. Baron Hans Hinrich von Kielman Eggen mit Ehefrau und vier Mägden (Dor. Bartholomien, Cath. Dor. Behrens, Ilsabe Stein, Magd. Jacobsen) 2. Gutspächter Joachim Christopher Fredenhagen mit Ehefrau und 2 Söhnen (Joh. Joach. und Mich. Levien. Haushälterin Christina , die Knechte Joh. Roggenthin mit Frau, Jürg. Wolf (frei), Joh. Sülcke und Jac. Müller, der Junge Christopher Rode (frei) und den Dienstmäd- chen Anna Sülcken, Maria Clevenow, Anna Cath. Schröder und Ursula Milchhafen 3. Beim Pastor dienen der Knecht Christian Scherfling und das Dienstmädchen Charlotte Eversen. 4. Die Gärtner Jobst Jarmatz mit Ehefrau (frei) und Hans Jürgen Meyer mit Ehefrau und Sohn Friderich (frei) 5. Vier Bauern: Joh. Müller, Witwer, mit Knecht Jobst Müller, Magd Marg., Junge Hans Dun- cker und Dienstmädchen Charlotte Duncker; Hinrich Roggenthin mit Ehefrau, Knecht, Jun- gen und Magd; Matthias Roggenthin, Witwer mit 2 auf dem Hof arbeitenden Söhnen, einer Tochter Maria = Magd und dem Dienstmädchen Ann Cath. Roggenthin; Elert Schröder mit Ehefrau, Knecht Joachim Becker und den beiden Töchtern Engel und Christina als Mägden 6. Schmiede und Krug betreibt Maria Meyer mit Sohn und Tochter (freie Leute) und Hans Klockow als Jungen und Charlotta Carnatz 7. Bauernschneider Albrecht Meyer mit Ehefrau (freie Leute) 8. Leineweber Levin Ludwig Fleischer mit Ehefrau (freie Leute)

16 Ringen um den Neuaufbau 9. Schuster Martin Dicke mit Ehefrau (freie Leute), bei dem auch Webergeselle Hinrich Jacob (frei) wohnt 10. Fischer Christopher Hansen mit EhefrauInternetversion und Cath. Marg. Lose (frei) 11. Schäfer Daniel Lippe mit Ehefrau, Knecht Jonas Elers, dem Jungen Joachim Zire und der Magd Christ. Kobow (frei) 12. Zwölf Drescherfamilien, also Landarbeiter des Gutes waren die Familien Matth. Evert, Joach. Klockow, Jürg. Stuer, Hinr. Werth, Jürgen Becker, Joch. Olsen, Joach. Knüppel, Joh. Martens, Martin Kamse, Jac. Sasse, Joach. Evers und Joh. Halback 13. Altpächter Gottfried Grefe mit Ehefrau, Tochter Charlotta, Sohn Joachim Detlof; Altpächter Gottlieb Schulze und die Kinderfrau Dorothea Vicke (freie Leute, die Altpächter aber verarmt, ob sie Pächter Woserins waren ist unbekannt) 14. Kuhhirten Joachim Polzin mit Frau (für die Koppel) und Christopher Vagd mit Frau (freie Leute) 15. Schweinehirt Jac. Gätke 16. Dorfarme: Maria Voss, Maria Schulze (frei), Levin Zacharia mit Frau (freie Leute), Schneider Friederich Hoffmann mit Frau (freie Leute)

Trotz verbesserter Wirtschaft nahmen die Geldsorgen kein Ende. 1740 musste eine Anleihe bei den von Hol- steins auf Klink aufgenommen werden, 1762 eine weitere bei den Dessin auf Wamckow. Hinzu kamen noch die Auswirkungen des Siebenjährigen Krieges. Preußische Truppen hatten den Auftrag, aus dem «Mehl- sack» Mecklenburg herauszuholen, was nur irgendwie herauszupressen war. Jeder nur irgendwie brauch- bare Mann lief Gefahr, von Rekrutierungskommandos gewaltsam verschleppt zu werden. Daneben gab es die regulären Rekrutierungen, von denen das Woseriner Kirchenbuch berichtet, dass 1759 Graf Dohna mit Truppengewalt von Rostock aus nicht nur Rückständige Kontributionen einforderte, sondern im Auftrag des Königs von Preußen auch 8000 Rekruten von Mecklenburg forderte. Aus Woserin traf dies den Untertan (Leibeigenen) Jürgen Bobzien und den Freiknecht Hans Heinrich Voß. Um den Forderungen zu entsprechen kaufte der Hauptmann von Bülow noch einen alten Deserteur dazu. In seiner Eigenschaft als Klosterhauptmann suchte er das Kloster vor den ruinösen Forderungen der preu- ßischen Husaren zu schützen und verweigerte im Winter 1759/60 schließlich die Erfüllung übermäßiger Forderungen. Da banden die Husaren dem 76jährigen Greis einen Strick um den Leib und ließen ihn zu Fuß neben ihren Pferden, mitunter Trapp reitend, nach Güstrow laufen. Von Güstrow wurde er ins preußi- sche Demmin transportiert (wie ist unbekannt) und dort wieder entlassen. Seit diesen Ereignissen kränkelte der alte Mann, der noch 1750 als 67-Jähriger zum zweiten Mal geheiratet hatte, und starb schließlich am 12.6.1762. Seine Ehefrau, Magdalene Ilsabe von Dessin, war bei ihrer Hochzeit erst 25 Jahre alt. Während ihrer Ehe schenkte sie ihm acht Kinder. Der Tod ihres Mannes brachte sie in große wirtschaftliche Schwierigkeiten. Erst musste Sie das 1761 erworbene Borkow (Lehnsvetter Lotharius von Bülow war als hannoveranischer Ge- neral bei Marburg gefallen) an den Herrn von Seitz verkaufen und dann Woserin an den Herrn von Pritzbuer verpfänden. Neben einer kleinen daraus resultierenden Rente schoss ihr Bruder, der Herr von Dessin auf Wamckow, immer wieder Geld zu ihrer bescheidenen Lebensführung in Güstrow zu. Bei seinem Tod 1791 hinterließ er der Schwester ein bedeutendes Vermögen, das ihr nicht nur den Kauf von Wamckow erlaubte, sondern auch den eines kleinen Hauses am Güstrower Domplatz, wo sie selbst am 5. Dezember 1795 starb. 1769 gelangte Landrat Friedrich von Pritzbuer in den Besitz Woserins. Dieser beteiligte sich aktiv an der Gü- terspekulation seiner Zeit. Die Wirtschaften wurden auf maximalen Ertrag ausgerichtet und unbegrenzter Kredit zum Erwerb weiterer Güter genutzt. So erwarb Pritzbuer im Laufe der Jahre in der Umgebung Wose- rins Tieplitz, Bolz und Ruchow, Schlowe und Dinnies. Der Streubesitz der lehnsabhängigen Kleinproduzenten (Zeitpachtbauern) war für die Mecklenburger Gutsbesitzer und deren Pächter ein Dorn im Auge. Die Bewirtschaftung der Güter konnte nicht großzügig geschehen, deshalb wurde in dieser Zeit das sog. Bauernlegen (Bauern wurden zu Tagelöhnern oder Al-

Ringen um den Neuaufbau 17 tenteilern) forciert. Waren in Woserin 1776 noch 4 Vollbauern vorhanden, gab es am Ende des Jahres 1785 keinen mehr. Bereits 1776 wurde der erste Bauer gelegt und zum Schweinehirten gemacht; 1778 wurden

zwei weitere gelegt, der eine starb und seineInternetversion Frau «nährt sich kümmerlich», der andere wurde «Tobacks Planteur». Der letzte Bauer wurde 1784 gelegt und obwohl er im nächsten Jahr auf Druck der Landesre- gierung wieder eingesetzt wurde, ging die Hofstelle bald ein; er ist also nochmals gelegt worden oder gestorben. Auch die Hofgebäude, die sich in einem Bogen südwestlich um die Kirche herum gruppierten, verschwanden aus Kostengründen noch vor der Jahrhundertwende. Die Wirtschaftsführung Pritzbuers veränderte die Sozialstruktur des Dorfes einschneidend. Pritzbuer selbst wohnte bis 1800 nicht auf dem Hof. Dieser war an Heinrich Rohde verpachtet, ab 1797 an seinen Sohn Fried- rich Rohde. Als Pritzbuer den Hof bezieht, soll letzterer gehen. Zur Bewältigung der Tagesgeschäfte gibt es den Schreiber Graumann und eine Haushälterin. Die Stelle des Vogts ist nicht besetzt. Daneben existiert eine Kernmannschaft von Vorhäcker, Hirte, 6 Knechten und 6 Mäg- den (Mädchen). Aus dem Dorf dienen 9 Tagelöhnerfamilien dem Hof. Wichtige Teilbereiche der Wirtschaft sind an Unterpächter vergeben worden. Der Holländer heißt Necker, die Schäferei betreibt die Witwe Timm, die Fischerei Joachim Quark und Schmiede und Krug sind an Friedrich Hagen (Vorgänger Lampe) vergeben. Einen Überblick über die Dorfbevölkerung geben uns die Martinilisten, die für Woserin für den Zeitraum 1793 bis 1873 überliefert wurden. Für das Jahr 1798 verzeichnen sie insgesamt 147 Einwohner für Woserin. Ab 1876 übernahmen Standesämter die Registrierung der Personen. Auszug aus der Martiniliste von 1797 Außerhalb des Dorfes wohnen: Fischer Joachim Quark und Frau, dessen Knechte Johann Schulze und Christopher Duncker, Mäd- chen Maria Weiß (auf dem Werder im Woseriner See). Schmied Friedrich Hagen und Frau (am Bolzer Weg vor dem Dorf) Im Dorfe wohnen: a. an Tagelöhnern Hans Schulze und Frau Joachim Koepke und Frau Joachim Neels und Frau Johann Tiede und Frau Johann Wiese und Frau Friedrich Wandschneider und Frau Jost Voß Hans Schulze und Frau Friedrich Eiler und Frau und Tochter Johann Brizmann und Frau David Girahn und Frau Fritz Roggentin und Frau Jost Müller und Frau Johann Jörs und Frau Jost Müller und Frau Der Dorf-Kuhhirt Friederich Meier und Frau b. Einlieger hier in Woserin Christian Camme und Frau und Mädchen Marie Möllendorf Jürgen Hagelberg und Frau und Tochter c. Witwe Sophia Günthern d. Christina Roggentin

18 Ringen um den Neuaufbau e. Maria Kronenberg f. Vieck Meier Internetversion g. Elisabet Kronenberg h. Sophia Schirmeier i. Maria Schirmeier j. Dorothea Timm k. Sophia Anies l. Vick Schöning m. Persona misirabilis Joh. Meier

Der Zwang zum Erwerb immer weiterer Güter zur Abdeckung der Kreditwürdigkeit brachte Pritzbuer nach dem Platzen der Spekulationsblase den Ruin. 1808 war die Familie im Konkurs. Lange vorher mussten sie Woserin und andere Güter immer wieder zum Verkauf anbieten. Sohn Leopold Pritzbuer auf Dinnies konn- te die Sünden des Vaters nicht mehr wettmachen. 1793 begannen Verhandlungen über die Schulden der Pritzbuers in deren Verlauf sie Stück für Stück ihr Hab und Gut verloren. Leopold Pritzbuer starb 1833 als armer Mann.

Schmettausche Karte um 1780

Unter dem Dach des Herzogs

Schwieriger Wiederaufbau Den für die Beurteilung des Neuerwerbs zuständigen Mitgliedern der herzoglichen Kammer Bassewitz, Brandenstein und Krüger ist Woserin unbekannt. Nach dem Ertragsanschlag von 1795 liegt das nach heuti- gen Maßen 1066 ha große Gut in 8 Binnenschlägen zu je 318 Scheffeln Einsaat und 2 x 7 Außenschlägen (im

Unter dem Dach des Herzogs 19 Hohen Felde 108 Scheffel je Schlag und im Hütter Feld 84 Scheffel Einsaat). Im Binnenacker sind 318 Scheffel Weizen, 318 Scheffel Gerste, 200 Scheffel Erbsen, 118 Scheffel Hafer gesät, im Außenacker Roggen und Ha-

fer. Die Holländerei verfügt über zwei WeideschlägeInternetversion für 100 Kühe. Die Schäferei nutzt 3 Weideschläge auf dem Hohen Feld und 3 Brachschläge und hat zusammen 700 Schafe. Der Viehbestand hat 1802 einen Wert von 3634 Talern (22 Pferde, 41 Zugochsen, 7 alte Ochsen, 77 Kühe, 2 Bullen, 16 Schweine). An technischem Gerät gibt es 5 beschlagene Wagen, 3 Blockwagen, 5 Pflüge mit Zubehör, 10 Haken mit Zubehör, 5 Haken – Eggen, 1 eiserne Egge. Der Zustand der Gebäude ist nicht so gut. Drost Suckow schreibt aus Warin an seine Vorgesetzten in der Großen Herzoglichen Kammer (im folgenden nur Kammer genannt), die Güter sind «von einer Beschaffen- heit, daß man von einem billigen Grauen ergriffen wird, wenn man ihre Gebäude betrachtet, die bis auf die Pfarre und die Kirche herab, sich so ziemlich im Stande der Zerstörung befinden…»6 Auch wenn sich diese Einschätzung in den folgenden Jahren als Richtig erwies, sollte man dazu noch wis- sen, dass man in Warin über die Entscheidung des Herzogs Friedrich Franz I. Woserin ihrem Verwaltungsbe- reich zuzuschlagen, nicht gerade erfreut war. Zwar erhielt die Verwaltung wegen Woserin einen 2. Beamten, aber unter den damaligen Verkehrsverhältnissen war man für einen Termin in Woserin 3 Tage unterwegs. Obwohl dies ein schwerwiegendes Argument war, lehnte der Herzog die Alternativvorschläge Suckows, des leitenden Beamten, ab. Er wollte die Neuerwerbung weder Goldberg noch Crivitz zuordnen. In Vorbereitung auf die Neuverpachtung zu Johannis 1802 erfolgte durch Kammerrat Bühring eine ausgiebi- ge Analyse der Wirtschaft und des Zustands der Bauten in Hof und Dorf. Er fasste die Ergebnisse in 30 Bedin- gungen zusammen, unter denen die Verpachtung erfolgen sollte. Diese sind folgend verkürzt dargestellt7: 1. Verpachtet wird das gesamte Gut, einschl. der Hof- und Katengebäude … Gärten, Acker, Wie- sen und Weiden, Fischerei und Jagdgerechtigkeit, Rohrwerbung, Schmiede- und Krugnahrung 2. Der Pächter hat nur Recht auf Veranschlagtes, nicht auf sonstige Üblichkeit. Weder der Er- trag noch die Fläche sind garantiert 3. Fischerei normiert durch Ist-Zustand. Nur niedere Jagd, d.h. Hasen, Hühner, Enten, Gänse, Schnepfen, Brach- und Bramats – Vögel u. a. kleines Geflügel mit verpachtet 4. Pächter muss Ergebnisse eines eventuellen Vergleichs mit dem Klosteramt Dobbertin betr. Fischerei, Jagd und Holz akzeptieren 5. Bestimmung der Reservate, auf denen der Pächter nicht wirtschaften darf (Waldungen mit Hartholz, Brüche, Torfmoore, Weidefreiheit für den Priester und Küster, Lehm, Sand und Stei- ne, die gesamten Kiefernforsten, die Katen in den Forsten und die Wege des Klosters Dobber- tin zu seinen Hölzungen) 6. Pächter muss Feldinventarium «ohne Erinnerung» als gut annehmen. «Wenn ausgemacht ist wie viel Winter- und Sommerkorn gesaet worden, wie viele Furchen jedes Korn erhalten, wie weit die Brachen umgebracht, wie weit der Dung abgefahren, wie weit die Brachgräben aufgegraben: so soll dieses ad inventarium gebracht werden, und muss der Pächter darnach finita contractu abliefern.» Was darüber hinausgeht, darf er vermarkten. 7. Verträge mit den Unterpächtern sind einzuhalten. 8. Änderungen an der Schlageinteilung sind Genehmigungspflichtig bei Vorlage entsprechen- der Pläne und auf eigene Kosten auszuführen. Seinerzeit wurde das Woseriner Feld in 8 Bin- nen- und 2 x 7 Außenschlägen bewirtschaftet (+ Schlower Feld = 3 Koppeln und 7 Schläge). 9. Bei Antritt hat Pächter für «hinlänglichen Viehstapel» zu sorgen, den Acker tüchtig zu bear- beiten, die nötigen Gräben auf seine Kosten zu ziehen, Wiesen zu reinigen (das dort ausge- rodete Holz gehört ihm).

6 LHA, Domanialamt Warin, 4797. 7 LHA, Akten des Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, 3002.

20 Unter dem Dach des Herzogs 10. Die Grenzen des Gutes sind unstrittig, aber deutlich und im gegenseitigen Einverständnis zu kennzeichnen. Eine erste Ziehung der Grenzgräben erfolgt auf herrschaftliche Kosten. Sie

sind alle 6 – 7 Jahre zu warten. EventuelleInternetversion Grenzstreitigkeiten reguliert die Kammer. 11. Der Pächter ist für die Wegeunterhaltung zuständig, nicht aber für die Landstraße nach Güstrow, welche aber auf Kosten der Katengärten verbreitert werden soll. 12. Erforderliche Neubauten und Reparaturen auf dem Hof erfolgen auf herrschaftliche Kosten. Hierfür sind aber Fuhrdienste zu leisten. Hinsichtlich der Lage, Größe und Einrichtung der Gebäude hat der Pächter ein Mitspracherecht. 13. Nach der Fertigstellung der Bauten sind alle kleinen Reparaturen auf eigene Kosten aus- zuführen (Ausbessern der Fundamente, neue Ständer und Riegel, Bänder, Mauerplatten, Laufsohlen, Balken, Klehmen der Wände, Ausmauern und Ausfugen der Tafeln, Reparatur und Fertigung von Türen, einschl. Beschläge, Öfen, Ausbesserung Steindächer, Ausweißen, Reparatur und Ersatz Fensterrahmen, Schornsteinfegen, Umlegen der Fußböden). 14. Die Herzogliche Kammer stellt Ziegel für Brenn- und Zählgeld, Holzmaterial, Latten, nicht aber Bretter (diese sind zu kaufen) für Säge- und Haulohn, Kalk ist zu kaufen, alles Material ist selbst anzufahren, erforderliche Kalkulationen sind jährlich anlässlich der Zimmerbesich- tigung vorzulegen. 15. Jährlich «4 durchstehende Große oder zu großen gerechnete Fächer zu decken, und hiermit 1803 zur Ernte fertig sein – Deckelschächte gegen Bezahlung des Haulohns, Deckelweden aus Weiden zu fertigen. 16. «Wenn durch Feuer vom Himmel, oder ohne Verschulden des Pächters, und der Seinigen zur Pachtung gehörige und mit Stroh gedeckte Gebäude niederbrennen, so muß der Pächter, wenn es Katen sind, allemal das Dach hergeben, sind es Hofgebäude, und solche ledig ge- wesen, so muß er wenigsten zu einem das Dach liefern; sind solche aber nicht ledig gewesen, so wird er von der Dachlieferung befreit.» Sturmschäden (Total~) trägt der Verpächter. Alle anderen Beschädigungen trägt der Pächter. 17. Befriedungen. Anlässlich der jährlichen Zimmerbesichtigung wird der notwendige herr- schaftliche Ersatz an Tannen- oder Eichen-Pfählen bestimmt. Sie sind gegen Zahlung des Hau- und Klöbelohn auf eigene Kosten anzufahren. Zaunbusch ist aus dem Weidenbestand zu entnehmen oder zu kaufen. 18. Zur Befriedigung der Nachtkoppel gibt der Pächter die nötigen Ricke und Tannen-Lochpfös- te gegen Bezahlung des Hau- und Sägerlohns. 19. Jährlich sind 200 Pathweiden oder 25 Ruten Weißdornen oder Birken zu stoßen und zu pflan- zen und zum Anwuchs zu bringen. Steinmauern sind 3´ (Fuß) hoch und an der Basis 4´ breit, oben 3´ breit auszuführen (Vergü- • tung 2 Taler je Rute) Feldbrücken aus Feldsteinen werden für den Setzerlohn hergestellt. Der Erhalt und Fuhren • Sache des Pächters 20. Feuerung: Pächter erhält 24 Faden allerlei Abfallholz, der Faden 7´ hoch, 7´ weit, Scheiter 4´ lang + 60 • Soden Torf für den Hau- und Stecherlohn • Holländer erhält 6 Faden dito + 20.000 Soden Torf • Schäfer 2 Faden dito + 8.000 Soden Torf • Katen 2 Fuder Abfallholz + 6000 Soden Torf für den Stecherlohn 21. Der Pächter entrichtet die festgesetzten und herkömmlichen Priester- und Küstergebühren + Kirchen- und Pfarrdienste außer der Pension, d. h. als zusätzliche Last • Priester vgl. Anlage X

Unter dem Dach des Herzogs 21 • Küster: 8 Mettwürste, 112 Eier, 7 Scheffel Roggen Parchimer Maß • Von Schlowe erhält Pfarre 16 Scheffel Roggen Parchimer Maß und Ostern bis die 5. Wohnung erbaut ist 5 Taler GoldInternetversion • Gägelower Pfarre erhält 13 Fass Roggen große Maß und 7 Dreiling 22. Aus der Sternberger Salzniederlage erhält er 8 Scheffel Salz für die gewöhnlichen Preise, hat auch das Salz für Afterpächter und Einlieger zu fahren, einen Sauhund auszufüttern und ist der Borkower Mühle verpflichtet. 23. Für Zivil-, Kriminal und politische Delikte ist das Gericht des Amtes Sternberg zuständig. 24. Jährlich sind 15 Taler Beitrag zur Amtsarmenkasse zu entrichten. 25. Ohne Konsens darf das Pachtrecht nicht verkauft werden. Bei Vermögensverfall steht das Gut zur freien Verfügung der Kammer. 26. Pacht in zwei Raten zu zahlen: Antoni und Johannis, gegen Quittungsgebühr bar an die Renterei. 27. Martini-, Kopf- und Kammersteuer ist an das Amt Warin zu zahlen: 50 Taler + Gebühren. Der Pächter ist frei davon, darf von allen Beiträge einsammeln, außer von denen, die nicht bei ihm in Lohn und Brot stehen. 28. Regelung bei Unglücksfällen 29. Vertragsgebühren 30. Die Pachtdauer beträgt 16 Jahre Am 4. Juni 1802 fand dann die öffentliche Verpachtung des Güter Woserin und Schlowe unter Leitung des Kammerpräsidenten von Dorne in Schwerin statt. Den Zuschlag erhielt der Pächter des Gutes Groß Labenz, Hans Heinrich Christoph Hauschild. Zu Johannis 1802 wird ihm das Gut überwiesen, H. dem Personal vorgestellt und dieses zu fleißiger Arbeit verpflichtet. Bereits bei der Übergabe erkennt er, dass die Außenschläge schlecht und teilweise gar nicht bestellt sind. Doch zum Alptraum für ihn und auch für die Wariner Beamten sollten die Bauten werden. Aufstellung über die Gebäude in Woserin und Alt Schlowe im Jahre 1802 Hofgebäude: 1. Wohnhaus. Bleibt in der jetzigen Lage reserviert. 2. Schweinestall, hinter dem Whs. 3. Stall (40´ x 14´) 4. Verwalterhaus, alt, es ist aus seinem Material ein neues Holländerhaus zu bauen 5. Pferdestall, gemauert, Strohdach, 60´ x 42´ 6. Alte Scheune, Strohdach defekt, 101´ x 47 ½´ 7. Viehhaus, 130´ x 63 ½´ 8. Neue Querscheune, 150´ x 40´ 9. Wagenschauer, 67´ x 32´ 10. Torhaus, massiv, 31 ½´ x 9´ 11. Große Scheune, 149´ x 63 ½´ 12. zweite Scheune, 118´ x 33´ 13. Ochsenstall, 89 ½´ x 33 ½´ Dorfgebäude: 1. Katen Jochim Roepck und Jochim Möller 50´ x 31´ 2. Katen Tagelöhner Thiede und Jochim Neills + 2 Witwen, 72 ½´ x 30´, schlecht, überlebt kaum 3 Jahr, Neubau notwendig, Stall 44´ x 20´ 3. Katen Tagelöhner Wandschneider, Rohde, Veldten und Wiese, 80´ x 42´, Neubau erforderlich 4. Katen Tagelöhner Möller und Roggenheim, 46´ x 30´ 5. Krug- und Schmiedehaus, 50 ½´ x 44 ½´, reparabel, Schmiede 19´ x 19´, Neubau in 2 Jahren 6. Schäferhaus, 73´ x 17 ½´ und Anbau von 18 ¾´ x 17 ½´

22 Unter dem Dach des Herzogs 7. Katen Tagelöhner Klockow und Trost, 40 ½´ x 25´ 8. Katen Tagelöhner Friederich Roggentien 36´ x 29´, sofortiger Neubau notwendig

9. Schafstall, 50 ½´ x 41 ½´, Neubau in 3 JahrenInternetversion 10. Katen der Tagelöhner Goldberg, Gierahn und Schacht, 71´ x 27´ 11. Katen der Tagelöhner Breitsmann, Deter und Schultz, 70 ½´ x 27 ½´ 12. Holländerhaus, 66 ½´ x 40 ½´, alt, durch und durch mangelhaft, Neubau in 3 bis 4 Jahren, Anbau von 19 ½´ x 8 ½´ 13. Großer Schafstall 99 ½´ x 32 ½´ ... Als Gesamtkosten sind veranschlagt 1230 Taler und 39 Schillinge.8 Hauschild bat im Juli in einem Schreiben an den Herzog um Verbesserung der Schauerdiele, Wiederher- stellung der herausgedrückten Scheunenfundamente und Reparatur der Schweinekoben. Außerdem seien neue Fischerkähne notwendig, da der Fischereipächter bis dahin Fisch und Pacht verweigert. Auch die Öfen in den Katen seien unbrauchbar. Im Herbst war eine Prioritätenliste der Bauten in Woserin erstellt. Sie umfasste Hühnerstall, Schweinekoben, eine neue Scheune, 3 Katenwohnungen, ein neues Holländerhaus, 2 Brücken nach Schlowe, die Kähne, fast alle Dächer und natürlich das Wohnhaus des Pächters. Neue Mauersteine und Dachsteine waren vor Ort nicht zu haben und mussten von weit her herangefahren werden. Auch waren die Kapazitäten auf den Eigenbedarf ausgerichtet, so dass Ziegel nicht einfach am Markt gekauft werden konnten. Zudem war die Leistungskraft der Fuhrpflichtigen beschränkt und die Ern- te stand ins Haus. Im ganzen Amt gab es nur 26 fuhrpflichtige Bauern, so dass teuer freie Fuhren am Markt gekauft werden mussten. Mit jeder Fuhre konnten nur 200 Mauersteine herangeschafft werden. Bis zum Jahresende waren es allein 39.400 Mauersteine aus Tarnow und 18.400 Dachsteine aus Tempzin die über die 5 Meilen weite Strecke transportiert wurden. Auch die Handwerker, die vorwiegend aus dem Bereich des Klosteramtes Dobbertin kamen, waren nicht mehr bereit zu den bisherigen geringen Löhnen zu arbeiten. Sie blieben einfach aus und nahmen besser bezahlte Arbeit an. Die Herzogliche Kammer sah sich im November 1802 gezwungen, höheren Löhnen für die Tagelöhner zuzustimmen, die die Holzbearbeitung vornahmen. Das alles kostete Hauschildt erhebliche Summen, da er zu allem einen Eigenanteil leisten musste. Dabei verfiel er auf die Idee, die Löhne der Guts- arbeiter auf trickreiche Weise zu verringern. Angesichts der starken Verteuerung der Lebensmittel griff eine Regel des Pachtvertrages, wonach Hau- schildt seinen Leuten den Scheffel Roggen für einen Taler verkaufen musste, also erheblich unter dem Marktwert. Er versuchte diese Regel auszuhebeln, indem er das Recht der Drescher missbrauchte, einen ge- wissen Anteil am gedroschenen Korn mit nach Hause nehmen zu dürfen. Für die hier täglich beschäftigten Leute eine Erleichterung. H. ließ einfach deren Arbeitszeit beim Dreschen verkürzen, um alle Gutsarbeiter nacheinander zum Dreschen zu schicken und sich so seiner Pflichten zu entledigen. Dadurch bekam natür- lich jeder der Beteiligten erheblich weniger und der karge Tagelohn von 8 Schillingen musste zum Zukauf von Lebensmittel verwendet werden. Drost Suckow schrieb über diese Praxis: So lange die Leute dröschen, werden sie ihm keinen Rocken abfordern können und dürfen, aber daß er sich hinter dem Kunstgriff nicht verstecken konnte, und sie alle nach der Reihe, drey Tage in die Scheure stellen, dann aber wieder herausjagen und sagen konnte, sie hätten gedroschen – das musste ihm das Amt vereitlen. Wenn die Einlieger so viel Korn in nature verdienen, als sie brauchen, so werden sie von selbst und aus Muthwillen, ihr baares Geld nicht hingeben um sich überflüssiges Korn an zu kaufen. Das erstere wissen sie denn besser zu brauchen. Wenn sie aber so vielen Rocken nicht verdienen, als zum Lebens-Unterhalt gehört, so muß er ihnen denjenigen, der davon fehlt p.

8 Ebd.

Unter dem Dach des Herzogs 23 Scheffel für einen Thaler überlassen. Der Magen dieser Leute hat mit seinen Finanz-Operationen nichts zu thun; daß er in diesem ersten Jahre, auf der Pachtung großen Schaden leiden würde, daß

wusste er und Jedermann vorher. Wenn erInternetversion aber in den künftigen Jahren, dieser Schaden sicherlich sehr bald wieder einholen wird, so wird er die Einlieger an seinen Gewinn keinen Theil nehmen las- sen und mithin darf er auch jetzt von ihnen nicht verlangen, daß sie die Probe machen sollen, wie lange wohl jemand hungern kann. Von seinen Häckern sollte er gar nicht reden, wie viele Pächter möchten wohl im Stande sein, die erstern nicht im halben Deputat haben. Wenn jedermann diese Leute für 8 Schillinge täglich hinter dem Wechselhaken haben könnte, so würden sich mehrere Liebhaber dieses System finden. Seite 4 seines Exhibiti sagt er nun schon ganz deutlich, daß jeder Einlieger ihm den SathScheffel bezahlen soll. Er hat Höchstelendes Saatkorn geliefert – hat den Rocken auf magern ausgebaueten Acker ge- säet, und wie viel erst hat man wohl von den Ertrag erwarten? Er versprach ja damalen: Jeden Einlieger dafür einen Scheffel Rocken zu säen daß er von Johannis an bis Ende der Ernte nicht ein Vaß verkauft, und sie doch stets alle für 8 Schillinge Tagelohn gebraucht hatte. Nur unter dieser Bedingung kam er in der Ernte, als ich zu Woserin war, davon frey daß er ihnen den Rocken, den sie in diesem Zeitraum für 2 Taler pr. Scheffel gekauft hatten, nicht vergüten durfte. Alle seine Versprechungen sind zum Theil nicht hinreichend und zum Theil (wie gewöhnlich) auf Schrauben gesetzt. … Der Pensionair Hauschild ist ein reicher Mann, die Pacht ist sehr gut und er wird seinen diesjährigen Schaden sehr bald wieder einholen. Die Einlieger bleiben aber immer wer sie sind – und der deus quaest. läst sich nicht auf bessere Zeiten vertrösten.9 Suckow verspricht dem Herzog für die Zukunft, dass «solcher Auftritt zwischen den Pächtern und Einlie- gern zu Woserin nicht wieder statt finden solle.»10 Aus seiner langjährigen Erfahrung weiß er dafür ein wirksames Rezept. «Acht Tage vor Ostern, wird sich der Actuarius Lehmann dort einfinden, alle Einlieger zusammen- rufen lassen und ihnen Nahmens des Amtes erklären: daß man sich von künftigen Gallen an, nicht weiter mit der Herbeischaffung ihrer Leibesnahrung und Nothdurft belassen würde. Jetzt hätten sie und der Pensionaries Hauschild 1 ½ Jahre hindurch zusammen gelebt, sie wären mit dem Gange der Dinge, mit der Drohung und dem System ihres Brodherrn bekannt geworden. Gefiel ihnen dies alles, so wäre das dem Amte sehr angenehm, glaubten sie aber, sich anderswo verbessern zu können, so stünde ihnen die Verwechselung ihres Wohnortes frey, und die Ämter Warin, Tempzin und Sternberg offen.»11 Alle 23 Einlieger würden danach auf Kosten ihres Brotherrn das Gut verlassen dürfen und H. hätte sich auf eigene Kosten neue Leute suchen müssen, was angesichts des damaligen Arbeitskräftemangels schwierig geworden wäre. Anfang 1803 schätzen die Wariner Beamten den Wiederaufbau als immer schwieriger ein. Es sind kaum noch Ziegel aus vertretbarer Entfernung zu haben, Eichenholz und Dachstroh fehlen und Hauschild ist auf Grund seiner Verluste von weiteren Fuhrleistungen befreit. Zu allem Überfluss bricht auch noch ein Katen zusammen. Zum Glück wurde dabei niemand verletzt. Zur Erleichterung der Arbeiten schlagen sie die Errichtung einer Feldziegelei vor. Je 1000 Ziegel sind 4 Taler 24 Schillinge Gewinn zu erwarten. Die Errichtung kann auf Kosten Hauschild erfolgen (2 Scheunen, Wohn- haus, Ofen, macht 4200 Taler) und einen Betreiber habe man auch schon gefunden. Es liegt ein Angebot des Zieglers Dettmann/Tempzin vor, diese für 20 Jahre zu je 600 Taler pachten will. Im September ist die Ziegelei bis auf das Wohnhaus voll errichtet. Baubeginn war um Ostern, der erste

9 LHA, Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, 3002, Blatt 46. 10 Ebd. 11 Ebd., Gallus ist der 16. Oktober.

24 Unter dem Dach des Herzogs Brand vor 14 Tagen (20500 Mauersteine). Drost Suckow macht keinen Hehl daraus, dass er hofft, dass sie «einmalen wieder eingeht»12. Vorerst sind nur Mauersteine und Lehmziegel zu fertigen. Die Kapazität liegt

bei 100.000 Ziegeln pro Jahr. Der Ziegler erhältInternetversion je 1000 Mauersteine 3 Taler 24 Schillinge, d. h. in 5 Jahren (für diesen Zeitraum ist sie schließlich angelegt) 1750 Taler und kann somit einen Gewinn von 2250 Talern erwirtschaften. Schon im verflossenen Sommer hätte sie gute Dienste leisten können, denn H. hatte sich mit der Forderung durchgesetzt, einen neuen Pferdestall zu bauen. Drei seiner besten Pferde waren ihm bereits umgekom- men und im Winter lag Schnee in den Futterkrippen. Nach langem Zögern gibt die Kammer nach und ge- stattet entgegen früheren Plänen einen Neubau, der noch im Herbst übergeben wird. Außerdem werden in diesem Jahr 2 neue zweihischige Katen übergeben, ein neuer Ochsenstall, das Fi- schergehöft und der 4er Katen in Schlowe (das ehemalige Bauernhaus) wird repariert. Außerdem fanden sehr teure Reparaturen am Wohnhaus statt, an dem manches Fenster zweimal verglast werden musste, weil es H. während eines Wutausbruchs einfach einwarf. Hauschildt setzt sich in diesem Jahr noch in einem weiteren Punkt durch. Entgegen früheren Plänen, in Schlowe eine Meierei einzurichten, überzeugt er die Kammer diese auf dem Hohen Feld zu bauen. Dort sei guter Boden, aber ohne jede Kultur. Suckow schlägt vor, noch 1803 dort eine Scheune und einen zwei Katenwohnungen zu errichten. Ziegel habe man durch die neue Ziegelei. Aber auch 1804 geht der Bau nicht richtig voran. Nur das Viehhaus wird übergeben. In Woserin selbst wird ein durchgängig repariertes Wohnhaus übergeben, die Wagenremise ist repariert, ein 2hischiger Schmie- dekaten fertig gestellt und Schafstall und Federviehstall repariert. H. selbst weigert sich an der Abnahme der Gebäude in Gegenwart von Zeugen teilzunehmen. Stattdessen werden die Zeugen statt seiner die Abnahme vollziehen. Damit sind die gröbsten Reparaturen in Woserin vollbracht. 1805 wird noch ein neues aus Altmaterialien erbautes Schäferhaus übergeben und im Herbst die Meierei Hohenfelde mit Holländerwohnung, Viehhaus, Scheune und Katenschauer fertig. Schweinekoben und Brunnen fehlen noch. Bewohner nennen die Marti- nilisten aber erst 1814. 1807 findet der letzte Brand auf der Ziegelei statt, 1812 ersteht der neue Pächter Schulz die Reste zum Ab- bruch. Über ihren Standort gibt vielleicht das letzte große Malheur vor dem Abzug Hauschildt Auskunft. Bei einem großen Frühjahrssturm wird am 2. April 1808 der Schafstall umgeworfen. Die Reste sollen gebor- gen werden und die großen Hölzer vor der Zieglerwohnung gestapelt werden, die kleinen aber darin. Das legt nahe, dass beide in unmittelbarer Nähe zueinander lagen. Der neue Schafstall soll breiter und stabiler als bisher am Soldaten Hut erbaut werden. Für den Neubau verwendet man vorrätige Steine aus der Ziegelei Woserin. H. sträubt sich das Bauholz anzufahren und will für das Holz auch keine Gewähr übernehmen. Daher werden die Fuhrleistungen und seine übrigen Anteile aus seiner Kaution bezahlt, die er wie jeder Pächter vor seinem Einzug auf dem Hof zu zahlen hatte. Danach verliert sich Hauschildts Spur. Im Sommer 1809 wird bereits ein Herr Schulz als Hofpächter genannt, der aber nur bis 1814 bleibt.

Vom Ende Napoleons bis zum Deutschen Reich 1814 wurde Woserin vorzeitig neu zur Verpachtung angeboten. Den Zuschlag erhielt Carl Johann Friedrich Wien. Er versprach jährlich 3650 Taler an Pacht zu entrichten, dazu 50 Taler Kopf- und Kammersteuer und fast 400 Taler für Kirche und Pfarre. Wien war immer wieder mit den Pachtzahlungen in Rückstand geraten. Lange glaubte er, es läge an ei- ner Reihe von Unglücksfällen (1814/15 Misswuchs und Hagelschaden) und bei der Neueinrichtung einer

12 LHA, Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, 3002, Blatt 86.

Unter dem Dach des Herzogs 25 Pachtung zahlte man ohnehin in den ersten Jahren drauf. Aber Wien war ein umsichtiger Landwirt, seine Wirtschaft einfach und sparsam eingerichtet. Er hatte eine gute Schäferei und Pferdezucht aufgebaut. Und

trotzdem war aus einem Vermögen von 10.000Internetversion Talern ein Schuldenberg von 6000 Talern geworden. Nun ergab im Herbst 1826 eine Revision der Feldmark durch Kammerkommissar Sommer, das die Wiesen nicht ausreichend sind und der Acker zu hoch bewertet wurde. In Folge dessen ist der Ertragsanschlag für Woserin nach unten korrigiert worden. Wien bot 1814 auf der Grundlage eines Ertragsanschlags, der um 50% überhöht war. Wären Wiens Gläubiger nicht seine Verwandten, wäre er längst Pleite, schlussfolgert der zuständige Beamte in Warin und schlägt erstens vor seinen Rückstand von 900 Talern aus dem Jahrgange Joh. 1825/26 zu erlassen und zweitens die jährliche Pachtsumme für die folgenden Vertragsjahre bis auf 3000 Taler ab zu mindern. Rechnet man die geistlichen Zahlungen hinzu, so wird er dann immer noch mehr als 40 Prozent über dem Anschlag geben und das ist gewiss das äußerste was von Woserin zu leisten ist.13 Der Großherzog hatte trotz eigener drückender Schulden ein Einsehen und verfügt, dass die 900 Taler Pacht aus den Jahren 1826/27 zu erlassen sind und die Restschuld zu kreditieren ist. Wiens Schwierigkeiten gehen aber weiter. 1827 vernichtet eine Dürre das Sommerkorn, 1828 bewirkt Dau- erregen dasselbe. Obendrein krepieren im Frühjahr 100 Schafe und der Raps verdirbt. Und wieder hilft der Großherzog. Auf dem Weg aus den Schulden muss der Betrieb grundlegend umgestellt werden. Die bisher verpachteten Wirtschaftsbereiche werden bis auf die Fischerei schrittweise in die Regie des Hofes übernommen. 1842 trifft dies zuerst die Schäferei und die Holländerei, nach der Revolution 1848/49 auch die Schmiede. Einzig die Fischerei bleibt bis ins 20. Jh. selbständiger Pachtbetrieb. Geschuldet ist dies in erster Linie den großen Seeflächen, die durch Vertrag mit dem Klosteramt Dobbertin noch erweitert wurden (1841). Damals bekam das Gut jene Flächen, die im Mittelalter an das Kloster ver- pfändet und nicht wieder eingelöst worden waren.

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13 LHA, Oberste Verwaltungsbehörde des Großherzoglichen Haushalts Nr. 681.

26 Unter dem Dach des Herzogs 9.

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Der Rapsanbau wird, neben der Wollproduktion und der Pferdezucht der profitabelste Wirtschaftszweig am Hof. Werden 1832 erst 6,5 ha Raps angebaut, sind es 1838 über 15 ha. Raps brachte wesentlich mehr Geld als etwa Weizen, da seinerzeit u. a. Lampenöl daraus gewonnen wurde. Zur Verbesserung der Futterversorgung wird das Kiebitzmoor an der Grenze zur Feldmark Garden melio- riert. Trotzdem bleiben vor allem wegen der Mühle in Borkow große Wiesenflächen versumpft. Die Veränderung der Schlageinteilung soll zu einer effektiveren Bodenbewirtschaftung beitragen. Gab es 1830 8 Binnenschläge mit zusammen 351 ha und 7 Außenschläge (131 ha) plus 7 Schläge auf dem Hohen Feld (110 ha), sind für die folgende Pachtperiode ab 1831ff. noch 7 Binnen- und 5 Außenschläge in Woserin und 5 auf dem Hohen Feld. Dazu müssen neue Wege angelegt, Gräben gezogen und Brücken gebaut wer- den (allein 10 Steinbrücken). Bleibenden Verdienst erwarb sich Wien bei der Modernisierung der Hofbauten. Im Viehhaus wurden Quer- dielen eingerichtet (1832), ein neues Backhaus links vom Pächterhaus gebaut (1837), der Fischerkaten vom Werder ins Dorf versetzt (1838) und rechts vom Pächterhaus ein neues Milchenhaus (für die Milchverarbei- tung, 1846) errichtet. Allen voran sollte aber das neue Pächterhaus, das noch heute erhalten ist, genannt werden. Bereits seit dem Ankauf des Gutes durch die Herzogliche Kammer gab es immer wieder Forderungen nach einem Neu-

Unter dem Dach des Herzogs 27 bau, die immer wieder mit dem Kostenargument abgelehnt wurden. Wien gelang es, eine Hauptreparatur oder einen Neubau in seinen neuen Pachtvertrag ab 1831ff. schreiben zu lassen. Distriktsbaumeister Kern

(Wismar), für Woserin zuständig, plädierte eindringlichInternetversion für einen Neubau etwa am Ort wo heute die «Lin- denstraße» auf die «Straße am See» stößt. Hier gäbe es kaum Probleme mit dem Wasser und den Hof hätte man von hier aus besser im Blick. Weiter tat sich in der Sache aber wenig, da man glaubte noch bis mindestens 1836 Zeit zu haben. Als am 28. August 1834 Landbaumeister Kern, Amtsverwalter Krüger und Amtsauditor F. W. Jordan zur Gebäudebe- sichtigung angereist waren, besprachen sie das weitere Vorgehen. Man war bereits «... dahin übereingekommen, daß das Wohnhaus da am zweckmäßigsten auf dem alten Platze zu stehen kommen dürfte, wo jetzt der hintere Theil des Wohnhauses steht. Der linke Flügel wird zur Interimswohnung eingerichtet werden können und obwohl die Wohnung dem Pächter sehr beengt werden wird, so erklärt Herr Pens. Wien sich doch damit zufrieden, und will die Einrichtung, sowie die erforderlich werdende Küche nebst Leutestube und Speisekammer auf eigene Kosten anlegen, wenn ihm dafür die größtentheils unbrauchbaren Materialien des alten Hauses unentgeldlich gnä- digst überlassen würden. Der rechte Flügel wird wegen seiner durchaus großen Baufälligkeit sofort beim Beginn des Baues abgenommen werden müssen. Die Ableitung des Wassers vom Hofe wird zweckmäßig zu beiden Seiten des Hauses nach dem See hin geschehen können, wenn zuvor der Hof gehörig planirt und abgebrüggt seyn wird… Man überzeugte sich jedoch bei heutiger Anwesenheit vollkommen von dem gänzlichen Verfall des alten Gebäudes, das ganze Gemäuer ist gewichen und hat Risse von 4 bis 6 Zoll Breite. Nicht hierdurch allein dringt Wind und Regen in fast alle Zimmer, sondern auch sämtliche Fenster und Thüren sind so undicht, daß keine Stube mehr ordentlich zu heitzen ist. Es steht jeden Augenblick zu befürchten, daß einzelne Theile des Gebäudes einstürzen, sowie die Decken in mehreren Zimmern schon theilweise eingestürzt sind.»14 Und als ob dies nicht schon der Argumente genug war, kam der Zufall Wien zu Hilfe. «Nachdem vorstehendes Protocoll geschlossen, erhob sich ein starker Wind und in Zeit von einer Stunde wurde durch denselben nicht allein 10 bis 12 Scheiben an den überall schadhaften Fensterluchten zerbrochen, sondern sogar in dem Zimmer der Erzieherin im zweiten Stocke nach der Windseite zu stürzte während die Kinder des Pächters daselbst anwesend, ein ganzes Fach Fens- ter mit der halben Wand in die Stube herein, ohne daß jedoch Gottlob den Anwesenden dadurch Schaden zugefügt wurde.»15 Beschreibung des alten Wohnhauses (1829) I. Das Wohnhaus bildet eine hohe irregulaire Figur, es ist theils von Fachwerck mit gemauerten Tafeln theil massiv aufgeführt. Zwei massive Thurmähnliche Gebäude, jedes von 2 hohen Etagen, enthalten die wohn- baren Gemächer. Das Gebäude zur linken Seite ist 45 ½ ´ (Fuß) lang und 33 ½ ´ tief; Zwischen die- sen beiden Gebäuden befindet sich der Haupteingang zu einem 67 ´ langen und einer Etage hohen Hintergebäude von Fachwerck. Dieses Gebäude hat 2 Abseiten, worin die Leute-Stube, Mädchen- Kammer, Speisekammer, pp. befindlich sind. Die Hausdiele und Küche allein fassen den Raum des eigentlichen Gebäudes in sich. Am dem zur rechten Seite befindlichen Hauptgebäude lehnt sich ein 2 Etagen hohes Flügelgebäude von Fachwerck mit gemauerten Tafeln 35 ½ ´ lang und 36 ´ breit in welchem die Fremden-Zimmer, die Hauslehrer und Kinderstube, Inspector und Wirthschafterin Stuben pp. sich befinden; welches aber schon gänzlich verfallen und dieserhalb seit Jahren unbewohnbar ist. Nicht minder schadhaft sind die massiven Haupt-Gebäude, die Mauern der Ersten zeigen starke Versackungen und breite Spalten welche vom Hauptgesims bis zum Fundament hinunter gehen, deuten auf nunmehrige Un- haltbarkeit derselben, auch des Materiale selbst scheint den Angriffen der Witterung nicht länger

14 LHA, Domanialamt Warin, 4800, Vorgang 3. 15 Ebd.

28 Unter dem Dach des Herzogs widerstehen zu können, den die Steine fallen in Stücken aus der Mauer. Sämmtliche Fenster des Hauses sind unhaltbar, keine Stubenthür ist wegen der Versackungen mehr schließbar. Sämmtliche Bretterboden desInternetversion Hauses sind vergangen; mit Lebensgefahr betritt man die oberen Haußboden, wegen der schlechten Beschaffenheit des Bodenbelags und der Hauptbal- ckenlager; viele Decken stürzen ein weil die Balcken und Sparren vergangen sind. Auch die Abseiten Dachböden sind wegen der geringen Höhe und der spärlichen Beleuchtung kaum zu betreten, ge- schweige denn für die Wirthschaft zu nutzen. Sie sind ein Aufenthalt für Eulen, Iltis pp. Eine Hauptreparatur diese Gebäudes würde beträchtliche Kosten verursachen, und da die Erbauung eines neuen Holzflügels wegen des fehlenden Raumes nöthig werden möchte, so dürften sich die resp. Kosten nach meinen ungefähren Ueberschlage wohl auf 800 bis 850 Rthlr. belaufen. – Vort- heilhafter dürfte daher wohl der Neubau eines Wohnhauses erscheinen, denn es ist vorauszusehen, daß das alte Wohnhaus unausgesetzt, Hauptreparaturen erfordern wird, und daß wenn man die während einer Pachtperiode darauf verwandte Summe recapitulirt, es sich ergeben dürfte, daß mit der Hälfte der Summe ein neues Wohnhaus hätte erbaut werden können, womit man ein Altes zu erhalten ängstlich sich bestrebte. 16 Nach diesem Vorfall ging es relativ schnell. Im Oktober 1835 stand der Rohbau des neuen Pächterhauses, das nach den Plänen des Landbaumeisters Kern unter Aufsicht seines Schülers Lösewitz ausgeführt wurde. Die- ser hatte 1834 bereits Erfahrungen bei Baumaßnahmen am Eldekanal sammeln können, die Kern angesichts des von der Regierung durchgesetzten Bauplatzes für wichtig erachtete. Ein Jahr darauf war es bezugsfertig. Wien hatte auch hier erheblich investieren müssen. Für einen Standartbau hatte er neben den Fuhren einen Eigenanteil zu leisten. Für alle Extrawünsche musste er vollständig selbst aufkommen und hoffen, von sei- nem Pachtnachfolger einen gewissen Ausgleich zu erhalten. Bereits 1856 erfuhr der Bau mit dem «Weintraubenhaus» (enthält Saal, Damenzimmer, Boudoir, Boden) eine erste Erweiterung. Die Veranda mit Blick zum See entstand 1878. Eine komplette Modernisierung erfolgte 1912. Nachdem 1851 die Pachtzeit Wiens wegen Verhandlungen mit dem Kloster Dobbertin um ein Jahr verlängert wurde, erhielt 1852 der frühere Pächter von Carl Schultz aus Doberan den Zuschlag. Wegen der kost- spieligen Meliorationsvorhaben erbat und erhielt er die Verlängerung des Pachtvertrages auf 21 Pachtjahre. Da drei der fünf Außenschläge an die Forst gingen behielt er sich eine neue Schlageinteilung vor. Als letzte Außenschläge blieben nur Flächen im Raum des heutigen Neu Woserin. Eine freie Fruchtfolge, wie von Schultz gewünscht, lehnte die Oberste Verwaltungsbehörde des Großher- zoglichen Haushalts (so hieß seit 1846 der Vertragspartner der Woseriner Pächter) ab. Beim heiß begehrten Rapsanbau war sie aber inzwischen liberaler gesinnt als noch vor 20 Jahren. Die Wünsche waren in einem Wirtschaftsplan einzureichen und würden dann begutachtet. Es wurde aber weiter streng darauf geachtet, dass der Anbau nicht zu Lasten der Fruchtbarkeit der Äcker ging. Fruchtfolge für Woserin und Hohenfelde, 185317 Woserin 1. Winterkorn 2. Hafer, Gerste 3. Erbsen, Grünfutter und Hackfrüchte, gedüngt 4. Winterkorn und Hafer, Klee und Grassämereien 5. Klee 6. ½ Klee, ½ Raps = Brache (Kartoffel, Lein) 7. ½ Brache ½ Raps Hohenfelde:

16 LHA, Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten 3004. 17 LHA, Oberste Verwaltungsbehörde des Großherzoglichen Haushalts, Nr. 685.

Unter dem Dach des Herzogs 29 1. Winterkorn 2. Erbsen, Grünfutter

3. Hafer, Klee Internetversion 4. Klee Schaf- und Ochsenstall sollten künftig getrennt werden, in Hohenfelde sollte ein Ochsenstall für 40 Tiere errichten werden und somit eine Grundlage zur Verbesserung des stiefmütterlich behandelten Ackers in Hohenfelde geschaffen werden. Dieser hatte lange nur Schafdung gesehen. Der alte Viehstall in Woserin sollte zum Schafstall umgebaut werden und ein neues Viehhaus den Übergang zur Stallfütterung ermöglichen. Grundlage dafür war eine systematische Melioration der Feldmark. Bereits im Sommer 1853 waren 50 Arbeitskräfte mit Meliorationsarbeiten im Hütter Feld befasst. Am Ende des Jah- res ließ er die im Pachtvertrag festgelegte Begradigung und Tieferlegung der Bresenitz in Angriff nehmen. Das Projekt, ausgearbeitet von Vermessungsingenieur Breckenfelder und Kammeringenieur Schmidt, sah die Tieferlegung des Baches um ca. 1,2 m vor, in deren Ergebnis der Woseriner See um 3 ½ Fuß oder knapp einen Meter abgesenkt wurde. Im Mai 1856 waren die vorwiegend von Tagelöhnern mit Holzspaten ausgeführten Arbeiten abgeschlossen. Der kiesige Untergrund war für die Arbeiter eine Herausforderung und führte zu hohem Materialverschleiß. Nach Absenkung des Sees ließ Schultz im selben Jahr einen Damm zum Werder bauen. Der Seegrund lag jetzt an dieser Stelle nur 2 ½ Fuß tief und bot die Möglichkeit mit Buschwerk und Aushub aus der Bresenitz dieses Werk umzusetzen und so eine feste Verbindung zur Jungviehweide (damals 12,8ha) zu schaffen. Der Fleiß, den Schultz an den Tag legte, forderte seinen Tribut. Am 28.11.1859 meldete die Oberste Verwal- tungsbehörde dem Großherzog: «Pens. Schultz ist am 25.11. gegen 8 ½ Uhr abends einem ‹Herzanschlag› erlegen. Er hinterlässt eine Witwe und 2 Kinder. Der Verstorbene war ein friedliebender, gegen seine Leute wohlgesinnter Mann und ein tüchtiger Landwirt. Kränklichkeit hinderte ihn jedoch in den letzten Jahren nicht haltender Wirtschaft seine volle Tätigkeit zu widmen».18 Für die Witwe Julie Schultz, geb. von Blücher, war die nun folgende Zeit in mehrfacher Hinsicht schwierig. Zu der Trauer kamen Probleme in der Wirtschaftsführung. Den Gutsangestellten und Arbeitern erschien eine Frau nicht als vollwertiger Betriebsleiter. Dem Wirtschaftleiter Inspektor Wüstney wurde von densel- ben Leuten zum Vorwurf gemacht, die Anordnungen einer Frau auszuführen. Die Oberste Verwaltungsbehörde in Gestalt des Amtmanns Lechler stärkte Frau Schultz den Rücken und ermahnte die Leute zu Gehorsam. Lechler schätzte Frau Schultz als «sehr fleißige Wirtin» die «weder Mühe noch Arbeit»19 scheut. Zu Inspektor Wüstney äußerte er im gleichen Zusammenhang, er sei ein Mann mit gutem Ruf. Julie Schultz, die ihr ganzes Vermögen in der Pachtung hatte, suchte dieselbe für ihre Kinder zu retten. Ihre Tochter heiratete den Kaufmann Bade aus und Sohn Victor übernahm 1869 die Pachtung. Beschreibung der schwierigen finanziellen Lage der Pächterin Julie Schultz, 1869 An die hohe Oberste Verwaltungs-Behörde des Großherzoglichen Haushalts in Schwerin Der hohen Behörde mache ich mich noch einmal, mit der Bitte um Stundung der Ostern d. J. fällig gewesenen Pacht für Woserin, da ich rettungslos verloren wäre, wenn ich jetzt Execution bekäme, und alle Gnade die Sr. Königliche Hoheit mir erwiesen, wäre umsonst, wenn ich ausgepfändet wür- de, dann stürzt ja Alles auf mich ein, und ich habe keine Zeit meine Schulden abzutragen, wozu ich sonst die beste Hoffnung hege. Die Ernten der letzten Jahre waren zu schlecht, und ich bin dadurch zu sehr in Schuld geraten. Selbst das Korn, welches der Pastor bekommt habe ich kaufen müssen, auch Saatkorn und Klee muß ich noch anschaffen. Ich bin augenblicklich ohne Geld, Korn habe ich nicht zu verkaufen, Fetthammel und Wolle kommen erst später, und nach den Opfern die ich im

18 LHA, Oberste Verwaltungsbehörde des Großherzoglichen Haushalts, Nr. 686. 19 Ebd.

30 Unter dem Dach des Herzogs Antoni Termin bringen musste, war es mir unmöglich, noch die Osterpacht zu schaffen. Die hohe Behörde hat gewiß keinen Verlust zu befürchten, wenn sie auch diese Frist noch bewilligt.

Ich habe ein vorzügliches Inventarium, welchesInternetversion mein Eigenthum ist, und der hohen Behörde gerne zum Unterpfande dienen mag. So gerne wollte ich die Pachtung für meinen einzigen Sohn conser- viren. Ich hoffe das derselbe sich bald durch eine gute Heirath zur Übernahme der Pachtung fähig macht, ich fürchte aber sehr, daß unsere deßfalsigen Pläne auf immer gestört werden, wenn ich jetzt Execution bekäme, und alles Unglück auf mich einstürzt. Meine Mutterliebe zwingt mich daher zu der Bitte, um Stundung der Osterpacht, mit der Bestimmung, daß ich davon ein Drittel zu Johannis d. J., ein Drittel zu Michaelis d. J. und ein Drittel zu Weihnacht d. j. bezahle. Ich würde hoffen, dies neben der laufenden Pacht, aus den Erträgen dieses Jahres machen zu können. Wenn aber auch diese Bitte kein Gehör finden könnte, so müsste ich zu einer neuen Anleihe Anstalt machen. Dazu brauche ich aber Zeit, und deshalb bitte ich nur schlimmsten Falles, doch bis Johan- nis d. J. die Osterpacht zu stunden. Ich werde gewiß bereit sein das Verheißene sicher zu erfüllen, und hoffe mit Zuversicht daß mir dann die Möglichkeit bleibt Woserin zu behalten. Woserin d. 7ten Aprill 1869 Julie Schultz, geb. von Blücher.20 192 Einwohner wurden laut Martiniliste im Jahr 1858 gezählt. 1861/62 wurde, nachdem dies bereits größtenteils auf dem Hof geschehen war, die Dorfstraße zwischen Schmiede und Hof auf einer Breite von einer Rute abgedämmt, d.h. in diesem Falle mit Kopfsteinpflaster versehen. Im August 1870 begann im Bereich der Hoffeldmark der Chausseebau zwischen Dobbertin und Sternberg. Damit erlangte Woserin einen wesentlich besseren Zugang zu den Märkten. Am 1. Januar 1872 wurde die Gemeinde Woserin – Hohenfelde gebildet. Damit war für den Pächter Victor Schultz wegen höherer Pflichten eine um 300 Taler sinkende Pacht ab Johannis 1872 verbunden.

Blick vom Kirchturm auf den Gutshof

20 Ebd.

Unter dem Dach des Herzogs 31 Zwischen Kaiserreich und Ende des I. Weltkrieges Internetversion Eduard Dehns (gest. 1878, vorher in ) bewirtschaftete 1874-1878 Woserin. Gemäß seinem Pachtvertrag ließ er 1875 im Gutshaus einen Rauchboden einbauen und versah es 1877 mit einer Neuerung: der Dachrinne. Konsequent setzte er die Modernisierung des Hofes fort. Der Resr des Hofes wurde abgedämmt und me- lioriert, das Viehhaus in Hohenfelde durchgebaut und in Woserin selbst entstand ein moderner Pferdestall mit Wagenremise. 1880 wird für den Hof die erste Feuerspritze angeschafft. Die mit der Reichsgründung gewonnen Freiheiten nutzte besonders der Landbevölkerung. Viele suchten in den Städten oder auch in Übersee ihr Glück, so das Arbeitskräfte knapp wurden. Wohl diesem Umstand ist es zu verdanken, dass Dehns 1875 ein «kleines Gebäude für fremde Arbeiter»21 errichten lies. Es wurde in Fachwerktechnik mit Rohrdach gebaut und war beheizbar. Letzteres war aus Sicht der Verwaltungsbeam- ten Vertragswidrig, da beheizbare Gebäude kein Strohdach tragen durften. Nach dem Tod Eduard Dehns durfte die Witwe Mathilde Dehns, geb. Glantz die Pachtung behalten und heiratete später Herrn H. Felten. Das Ehepaar bewirtschaftete das Gut bis zum Jahre 1913. Nach mündlicher Überlieferung «över den ollen Herrn und de oll Madam» befleißigten sich beide größter Einfachheit und verstanden sich meisterhaft aufs sparsame, praktische Wirtschaften.22 Felten war aktives Mitglied des Landwirtschaftlichen Vereins zu Goldberg. Dieser übte beträchtlichen Ein- fluss auf die Modernisierung der Landwirtschaft aus und versuchte die Interessen seiner Mitglieder in der Politik zu vertreten. 1901 wurde Felten, der die Mitglieder auch Regional vertrat, 2. Vorsitzender des Vereins. Felten gab die Bestellung des Werders auf, der seit Jahrzehnten als Weide für Jungvieh Verwendung fand und dadurch leider arg verwilderte. Der Damm aus Knüppelholz, der die Insel seit 1856 mit dem Festland verband, verfiel mit der Zeit so sehr, dass die Fuhrwerke zuletzt schon durchs Wasser fahren mussten. Beim Durchfahren des Wassers verunglückte durch einen Fehltritt ein wertvolles Pferd, was den letzten Anstoß zur Aufgabe der Bewirtschaftung gegeben haben soll. Am 5. Oktober 1885 wurde in Woserin Hans Wilhelm Barnewitz als Sohn des Pastors geboren. Er besuchte hier die einklassige domaniale Landschule, bis sein Vater 1898 die Pfarrstelle in Klaber erhielt. H.W. Barne- witz arbeitete später als Gymnasiallehrer und widmete sich 60 Jahre lang der Geschichte und Volkskunde Mecklenburgs. Er hinterließ 1.000 Druck- und Manuskriptseiten. 1887 wurde die Bahnverbindung zwischen Karow und Wismar dem Verkehr übergeben. Sie war ein Ge- meinschaftsprojekt der Anlieger und wurde 1890 vom Staat aufgekauft. Mit ihr verbesserte sich der Zugang zu den Absatzmärkten erheblich. In der Nähe des Bahnhofs in Borkow entstand 1895 eine Gemeinschafts- molkerei der Güter Borkow, Bolz, Mustin, Rothen, und Woserin und daneben auch ein neuer gesellschaftli- cher Mittelpunkt für das Umland: eine Gaststätte mit Saal. Hier entwickelte sich ein reges Vereinsleben an dem auch die Woseriner teilnahmen. Der Aufbau der an der Chaussee gelegenen 10 Häuslereien (Neu Woserin) 1896/97 sollte vorrangig das Angebot an Arbeitskräften erweitern. Nach dem ersten Weltkrieg wurde daraus aber durch Flächenabgabe eine Bedrohung für das Gut. Im Juli 1913 übergab Felten die Pachtung (die inzwischen nur noch 966,2ha umfasste) aus Altersgründen an seinen Administrator Dehns, der die Pachtung, regulär 1915 für die Jahre 1916-34 für jährlich 22.000 Mark Pacht erstand. Der Krieg war für die Güter ein gutes Geschäft. Die Absätze waren gesichert und die Preise hoch. Statt der gut drei Dutzend Woseriner Männer, die an der Front kämpften, wurden Kriegsgefangene Russen und Serben in Woserin eingesetzt, die gute Arbeit leisteten. 1917 schlug der Blitz in eine Arbeitskolonne Kriegs-

21 LHA, Oberste Verwaltungsbehörde des Großherzoglichen Haushalts, Nr. 690. 22 Vgl. Chronik Woserin von Hans Baguhl, um 1930.

32 Zwischen Kaiserreich und Ende des I. Weltkrieges gefangener ein, tötete einen Russen und riss einem anderen die Ferse ab. Der Getötete wurde in Woserin begraben. Ein französischer Kriegsgefangener wurde hier ebenfalls begraben. Er gehörte zu einer Arbeits-

kolonne, die im Schlower Forstrevier beschäftigtInternetversion wurde. Von dort war er mit 2 anderen Kameraden geflüch- tet. Der sie verfolgende Wachmann (ein Landsturmsoldat) stellte sie im Dobbertiner Wald am Praschsee und erschoss einen, als alle 3 auf ihn eindrangen. Die Leiche wurde Anfang der 1920er Jahre exhumiert und nach Frankreich überführt. Während in den Städten im Laufe des Krieges immer mehr der Hunger um sich griff, traf das im Krieg einge- führte Rationierungssystem die Landbevölkerung auf andere Weise. Die Not gebar den Mut die bestehen- den Gesetze zu übertreten oder zu umgehen. «Schweine erlitten beim Schlachten einen gewaltigen Gewichtsverlust, andere mussten trotz bester Gesundheit notgeschlachtet werden. Die Hühner legten sehr selten, der Fettgehalt der Milch war denkbar schlecht. Kam der Herr Kontrolleur ins Dorf, so wanderten die Kostbarkeiten der Speisekam- mer zu einem Teil auf den Heuboden, in den Backofen oder in ein sonst sicheres Versteck. Dies ge- schah vielfach, um den Feldgrauen ein ‹Fettpaket› zu senden.»23 Mit dem Krieg zerbrach jedoch am Ende auch die alte Ordnung. Den Tod der Männer an der Front, Anfangs noch als Heldentod begriffen, sahen immer mehr als sinnloses Opfer. Andererseits gewannen die Frauen Selbstbewusstsein. Auf ihnen lag nun die ganze Last der Familie und sie lernten notgedrungen auch ohne ihren Ehemann zurecht zu kommen. Als dann 1917 die russischen Kriegsgefangenen von der Revolution zu Hause und dem verkündeten Kriegsende erfuhren, schöpften auch die Woseriner Hoffnung auf einen baldigen Frieden. Die deutsche Generalität sah im Ausscheiden Russlands aber ihre Chance zum Siegfrieden und hatte sich damit völlig verschätzt. Im November 1918 brach die staatliche Ordnung in Deutschland zusammen. Über- all bildeten sich Räte aus allen Schichten der Bevölkerung, die vor allem die Sicherung der Ernährung und die Verhinderung eines Bürgerkriegs wie in Russland zum Ziel hatten. Der Woseriner Bauernrat wurde aus Goldberg angeleitet.

Blick zum Gutshaus

23 Vgl. ebd.

Zwischen Kaiserreich und Ende des I. Weltkrieges 33 Von der Weimarer Republik bis 1945 Internetversion Bei der Landtagswahl 1919 erhielt die Sozialdemokratie in Woserin dreiviertel aller Stimmen. Ein Fünftel entfiel auf die Deutschnationalen. Bis zur Weltwirtschaftskrise 1929 änderte sich nur wenig daran. Woserin gehörte nun nicht mehr zum Amt Sternberg mit Sitz in Warin, sondern zum Amt Güstrow. Das be- nachbarte Borkow zum Amt Wismar. Die ersten Jahre nach dem Krieg waren von heftigen politischen Auseinandersetzungen geprägt. Es ging um den Achtstundentag, das allgemeine Wahlrecht, das Recht auf Versammlungsfreiheit und die Abschaf- fung der Gesindeordnung auf dem Lande. Eine neue autoritäre Herrschaft, wie sie die Initiatoren des Kapp-Putsches 1920 anstrebten, lehnte die Mehr- heit der Bevölkerung ab. Da die Putschisten eine ihrer Hauptstützen bei den Agrarunternehmern hatte, schlug diesen, auch weil sie traditionell bewaffnet waren, vor Ort heftiges Misstrauen entgegen. Weil auf Grund der hohen Kriegsschulden und Reparationszahlungen die Staatskasse immer weiter schrumpfte, warf die Republik die Notenpresse an. Dadurch verarmten jene, deren einzige Rücklage der mühsam zusammengetragenen Spargroschen war. Sie verloren vielfach das Vertrauen zur neuen Ordnung endgültig. Das verächtlich «Papierlappen» genannte Geld der Republik war Anfang November 1923 prak- tisch Wertlos. «In Woserin empfand man diesen Zustand zunächst nicht als unangenehm, denn in der Inflation stiegen die Sachwerte, die ja beinahe alle im Dorf in Form von Eiern, Butter, Korn und Vieh besaßen. Anders dachten die Städter. Sie sehnten sich nach der Festmark, die dann auch am 15. November 1923 als Rentenmark wieder kam.»24 Besonders die ehemaligen Frontsoldaten pflegten vor allem im Kriegerverein Borkow das Andenken an die gefallenen Kameraden. Anfang Januar 1922 wurde eine erste schlichte Gedenktafel im Anschluss an einen Gottesdienst in Woserin eingeweiht. 17 Namen trug die Tafel. Im Laufe des Sommers 1928 schließlich wurde durch den hiesigen Krieger- und Militärverein Borkow bei der Kapelle in Borkow ein Ehrenmal für die im Weltkrieg gefallenen errichtet. In einen Findling wurde eine Namenstafel eingelassen. Die 34 Gefallenen kommen aus Borkow, Schlowe, Woserin, Rothen, Mustin, Bolz. Zu den Neuerungen in der Weimarer Republik zählte eine Neuordnung der Gemeinden. Jedes Dorf bekam eine Gemeindeverwaltung, deren Mitglieder von allen frei gewählt werden konnten. Die Gemeindevertre- ter wählten dann aus ihrer Mitte den Gemeindevorsteher. Der Schwachpunkt der Reform war die Eigenfi- nanzierung der Gemeinden. Verfügten sie wie Woserin über keinerlei Gemeindeland, waren sie auf Gedeih und Verderb vom wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen im Dorf abhängig. Besonders schwer wog die- ser Nachteil in Dörfern, in denen praktisch nur ein Unternehmen tätig war. Um diese Abhängigkeit etwas zu lockern erfand die Regierung eine «Bürgersteuer», deren Höhe vom Fehl- bedarf der Gemeinden abhing. In manchem Dorf und mancher Stadt wurde sie zwangsweise eingeführt bzw. auf das für nötig befundene Niveau festgelegt.

24 Ebd.

34 Von der Weimarer Republik bis 1945 Internetversion

Gutshaus

Am ersten Juli 1927 endete mit dem Fortzug von Herrn Dehns eine Ära. Seit 52 Jahren waren Mitglieder der Familie erfolgreich Pächter in Woserin. An seine Stelle trat Ernst Lehmitz, bisher Pächter des Domänengu- tes Bülow bei Güstrow. Lehmitz hatte Woserin ohne Hohenfelde für den Zeitraum 1927 – 1948 gepachtet. Hohenfelde wurde als selbständiges Gut an Herrn Perske verpachtet, der aber wegen finanzieller Probleme nach einem Jahr wieder aufgeben musste. Das Gut wurde daraufhin wieder Woserin angegliedert. Auf der Fläche unterhalb des heutigen Volleyballplatzes stand das reetgedeckte sogenannte Rentenhaus. Dort wurden Tagelöhner, die zu alt zum arbeiten auf dem Gut waren, einquartiert. Im Mai 1928 wurde nach etwa sechsmonatiger Bauzeit der Steindamm nach Neu Woserin fertiggestellt. Der alte, im Winter nahezu unpassierbare Landweg war nur noch Erinnerung. Ernst Lehmitz war ein sehr aktiver Mann. Aus einer alten Agrarunternehmerfamilie stammend, war er 1918 Mitbegründer des Landesverbandes Mecklenburgischer Landwirte und Vorsitzender des Kreisverbandes Güstrow. Nach der Verschmelzung mit dem Deutschen Landbund zum Reichslandbund wurde er Vorsitzen- der des Kreislandbundes Güstrow und Vorstandsmitglied des Landbundes Mecklenburg-Schwerin, was er nach 10 Jahren im Mai 1929 aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste. Ihm verdankte die Organisati- on das Landbundhaus in der Güstrower Domstraße. Vielen Landwirten galt er als guter Freund und Ratgeber. Er starb bei einem Inspektionsgang durch den Gutsbetrieb am 29. September 1931 an einem Schlaganfall. Der Verlust traf das Dorf und die Familie in wirtschaftlich sehr schwieriger Zeit. Elfriede Lehmitz, die Wit- we des verstorbenen Pächters fasste allen Mut zusammen und führte den Betrieb trotz alledem bis 1945 weiter. Das Gut hatte durch die Wirtschaftskrise und die trotzdem fälligen fixen Ausgaben hohe Schulden angehäuft. Allein 20.000 Mark war man der Raiffeisengenossenschaft in Dabel für Kunstdünger schuldig. Der Gerichtsvollzieher war ein beinahe monatlich gesehener Gast. Schreibtisch, Landauer, Flügel, Büfett standen im Laufe der Zeit in den Anzeigen der Güstrower Zeitung zur öffentlichen Zwangsversteigerung in Woserin. Bei manchem lieben Stück war man froh, dass es keinen potenten Käufer gab. Gutachten der Bank für deutsche Industrie-Obligationen, 1933 • unsystematische Melioration, vollkommen verwahrlost übernommen (Ackerkultur), schon we- sentlich gebessert • Hauptanbaukulturen: Weizen 337 Morgen, Roggen 398 Morgen, Sonstiges in kleinen Flächen, Wie- sen 12,5 % der LN (z. T. Moor), Weide 9,7 % der LN, Abzugsgräben seit Jahren nicht gereinigt

Von der Weimarer Republik bis 1945 35 • Gebäude ausreichend versichert (Neubrandenburger Versicherung) • Viehbestand: 39 Pferde, 12 Fohlen, 1 Bulle, 50 Kühe, 35 Starken, 14 Kälber, 26 Zuchtschweine, 4

Mastschweine, 35 Läufer, 40 Ferkel, + PensionsviehInternetversion der Leute: 2 Bullen, 19 Kühe, 11 Starken • 1 Strohpresse, 1 Dreschsatz, 1 Lokomobil, 2 Motorpflüge, 1 Saatreinigungsmaschine, 1 Großbull- dock, 1 Lanzbulldock ´ Pflege mittelmäßig • angeschlossen an Molkereigenossenschaft Borkow m. u. H. • 2 Statthalter, 1 Schmied, 1 Stellmacher, 1 Kuhfütterer + 2 Gehilfen, 15 Deputatisten, 3 Altenteiler, 2 Hofgänger, 1 Jahrestagelöhner, 3 verheiratete Freiarbeiter, 3 ledige Freiarbeiter, 10 Artamanen, 2 Mädchen Frau Lehmitz (41), 3 Töchter (19,18,13), 2 Söhne (16,10) In dieser Krise gingen Verhandlungen über Zuwachsländereien mit den Häuslern aus Neu Woserin und Schlowe. Im Endergebnis trat das Gut 47 ha nördlich der Reichsstraße 192 an die interessierten Häusler ab. Interessiert war fast jeder, denn die meisten träumten von der wirtschaftlichen Unabhängigkeit auf einem kleinen Bauernhof.25 Das Verdienst an diesem sozialen Landzuwachs konnten sich die braunen Diktatoren an die Brust heften. Stimmte bei den Landtagswahlen am 7. Juni 1932 noch die Mehrheit der Woseriner gegen die braunen Erlö- ser (42 für die SPD, 41 für die NSDAP, 9 für KPD und 1 Stimme für die Deutschnationalen), sah es nach Terror und Reichstagsbrand am 6.3.1933 anders aus: 73 Stimmen für die NSDAP, 38 für die SPD, 3 für die KPD, 18 für die bürgerliche Einheitsfront. 1933 wohnten 271 und 1939 241 Menschen (Volkszählung) in Woserin. Für das Gut begann 1935 eine neue Phase der Bewirtschaftung. Hohenfelde wurde Teil des kombinierten Gutsbetriebes Prüzen – Lenzen – Hohenfelde. Durch diesen Abgang waren die Wirtschaftsgebäude zu groß geworden. Eine Scheune und der Ochsenstall im Einfahrtsbereich des Gutshofes waren 1938 bereits abge- rissen. Der Abbruch der alten Schmiede geplant.26 1937/38 wurden 32 ha systematisch drainiert. Dazu wurden vor allem Arbeitsfreiwillige eingesetzt. Die Kos- ten dieser Maßnahmen waren vom Pächter mit 6 % zu verzinsen. Bisher gab es in dieser Hinsicht nur Insel- lösungen. Weitere 23.6 ha sollten folgen, fielen dann aber den Kriegsereignissen zum Opfer.

Ackererträge (in Zentnern)27

Jahr Roggen Winter- Winter- Raps Sommer- Hafer Gemenge Kartoffeln Getreide gesamt Gerste Weizen Gerste 1932 11,6 11,3 9,8 s. W. G. 15,3 - 16207 1933 6,2 9,0 14,3 13,3 16,1 7,5 10995 1934 9,5 12,0 11,8 8,0 10,4 11,3 2,2 117 7397 1935 12,2 18,6 13,7 10,0 14,0 15,8 - 88 10372 1936 9,7 13,9 10,0 10,3 6,2 14,0 - 103 8754 1937 9,0 8,2 11,4 4,4 14,7 11,7 - 6850 1938 10,0 15,0 14,0 9,0 10,0 13,0 100 8970

In den 1930er Jahren wurde mit der systematischen Modernisierung der Katenwohnungen begonnen. Die sozialdemokratisch orientierte Landarbeiterschaft sollte dadurch gewonnen werden. Zur ideologischen Beeinflussung hatten die Artamanen, eine deutschvölkische Bewegung die Mitte der 30er Jahre mit der NS-Bewegung verschmolz, ein Lager in Mustin mit einer Außenstelle in Woserin. Diese führten auf den Dör- fern u.a. Theaterstücke zur Förderung des NS Gedankengutes auf. Aber auch hier hatte man selbstredend

25 LHA, Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, 3006. 26 Vgl. Lagepläne auf der 4. Umschlagseite. 27 LHA, Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, 3006.

36 Von der Weimarer Republik bis 1945 Hintergedanken, den man brauchte in Zukunft viele treu ergebene Siedler im Osten. Reichsstatthalter Hildebrandt übte ab 1938 die Jagd auf den Domänen Woserin und Hohenfelde aus, ein- schl. des Woseriner Sees. Die Behörden in SchwerinInternetversion ließen einen Jagdabschussplan aufstellen und die Jagd- aufsicht regeln. Mit Kriegsbeginn wurden wegen Arbeitskräfte- und Materialmangel begonnene Wohnbaumaßnahmen nur schleppend oder gar nicht weitergeführt.

Pfarrhaus

Wiederaufbau und Deutsche Demokratische Republik

In den letzten Apriltagen 1945 wurde an der Bresenitzbrücke zwischen Neu-Woserin und Dobbertin eine Panzersperre errichtet. Zu Kampfhandlungen ist es nicht mehr gekommen. Beim Abzug der deutschen Truppen ist die Brücke aber gesprengt worden. Am 3. Mai 1945 erreichten die Truppen der Roten Armee Woserin. Die jungen Frauen und Mädchen ver- steckten sich zur Ankunft in den Scheunen. Sie wurden entdeckt und nach Hause geschickt. Die Pächterfa- milie Lehmitz schloss sich den Evakuierungstrecks Richtung Westen an. In den ersten Tagen nach Ankunft der Roten Armee wurde im Gutshaus die Kommandantur eingerichtet. Noch im Jahr 1945 wurden dort aber Umsiedler einquartiert, später kam dann der Kindergarten hinzu. Die zerstörte Bresenitzbrücke wurde in den ersten Maitagen provisorisch mit Holz und Erde von Neu Wo- serinern verfüllt. Der Wasserrückstau machte schon nach einigen Tagen Nacharbeiten nötig. Dazu wurden von Pionieren der Roten Armee Dränrohre in das Bachbett gelegt. Erst 1947 konnte eine fachgerecht aus- geführte Brücke gebaut werden.28 Die Einwohnerzahl von Woserin war durch die Kriegswirren um das 3fache angestiegen. Die ersten Wei-

28 Der Demokrat, Zeitung der CDU vom 22.12.1947.

Wiederaufbau und Deutsche Demokratische Republik 37 sungen galten daher der Wiederherstellung der Ordnung und der Versorgung der Bevölkerung mit dem Notwendigen. In den Nächten galt ab 22 Uhr eine Ausgangssperre.

Trotzdem waren Hunger, Not und KrankheitenInternetversion ständige Begleiter. 112 Menschen starben in der Gemeinde allein an Typhus. Der zur Verfügung stehende Wohnraum war über belegt, so das auch in den Stallungen des Pfarrhofes Menschen kampieren mussten. Erst zum Ausgang des Jahres 1945 konnte die Versorgung der Bevölkerung mit dem Notwendigsten gewährleistet werden. Durch die Ausgabe von Lebensmittelkar- ten gab es z.B. für einen Arbeiter folgende Ration pro Tag: 350g Brot, 25g Fleisch, 10g Fett, 20g Zucker, 20g Nährmittel und 20g Marmelade. Im September 1945 entstand durch die Bodenreform aus der ehemaligen Staatsdomäne Woserin ein Neu- bauerndorf. Gemäß der in der Sowjetischen Besatzungszone geltenden Losung «Junkerland in Bauern- hand» wurden durch die Aufteilung des Gutes 46 Neubauernstellen und 2 Handwerkerhöfe geschaffen. Da das Gut dem Land Mecklenburg gehörte kam es zu keinen Enteignungen anlässlich der Bodenreform. Nach der Aufteilung besaß jeder Neubauern ca. 9 ha Land. Viele Neubauern kannten sich mit der Landwirtschaft nicht aus. Entweder wohnten sie vor ihrer Flucht in Städten oder sie waren in anderen Berufen zu Hause. Neben der Unwissenheit machten auch die wenigen Zugtiere, das knappe Saatgut und die fehlenden Geräte den Anfang schwer. Am 2. April 1946 wurde das Komitee der gegenseitige Bauernhilfe (VdgB) gegründet. Durch die organisierte Hilfe konnte in der schweren Anfangszeit so manches leichter geschafft werden. Mitglieder waren: Heinrich Wiechmann, Friedrich Fliegert, Rudolf Schröder, Wilhelm Behrens, Paul Peters, Willi Buchowski, Walter Möller und Wilhelm Wahls. Das Komitee hatte die Aufgabe das bäuerliche und gesellschaftliche Leben zu organi- sieren, so mussten sie z.B. das Saatgut besorgen oder bei Streitigkeiten um Stall- oder Wohnraum schlichten. 1947 entstand in Mustin der Maschinenhof der VdgB. Hier konnten sich die Woseriner Neubauern Maschi- nen und Traktoren zu günstigen Konditionen ausleihen. Später wurde daraus die Maschinenausleihstation (MAS) bzw. die Maschinen- und Traktorenstation (MTS). Die Bauern mussten jährlich ein festgelegtes Soll an pflanzlichen und tierischen Produkten an den Staat abliefern. Orientiert wurde das Maß an der bewirtschafteten Fläche und deren Bodenwertzahl. Jedes Jahr gab es im Herbst ein Erntefest. Zum Auftakt wurde jedes mal ein Umzug bis Hohenfelde und Neu-Woserin veranstaltet. Im Anschluss wartete bereits die Kaffeetafel auf die Bauern. Am Abend wurde im Gutshaus getanzt und die beste Erntekrone prämiert. Am 15. September 1946 fanden die ersten Wahlen nach dem II. Weltkrieg statt. Unter dem Grundsatz «Durch das Volk – Mit dem Volk – Für das Volk» konnten die Bewohner der Sowjetischen Besatzungszone ihren Bürgermeister bestimmen. Heinrich Wiechmann gewann die Wahl und stand dann mehrere Jahre der Gemeinde Woserin mit seinen beiden Ortsteilen Hohenfelde und Neu-Woserin vor. Die Gemeinde Woserin gehörte damals zum Bezirk Lohmen im Kreis Güstrow. Mit der Neubildung des Kreises Sternberg im Jahre 1952 kam die Gemeinde Woserin zur Gemeinde Borkow, nachdem bereits zum 1. Oktober 1945 durch den Güstrower Landrat die Umgemeindung Schlowes nach Borkow verfügt worden war.29 Borkow hatte damit folgende Ortsteile: Hohenfelde, Neu-Woserin, Rothen, Schlowe und Woserin. Am Ausgang der 40er Jahre wurden mit dem Schaf- und Kuhstall, der Stellmacherei und der Feldscheu- ne ehemalige Wirtschaftsgebäude des Gutes abgerissen. Das noch verwertbare Baumaterial wurde an die Neubauern zum Bau eigener, größerer Ställe abgegeben. Nur die Weizenscheune ist später durch einen Sturm zusammengebrochen. Zur Verbesserung der Wohnverhältnisse wurden in den 50er Jahren drei Wohnhäuser mit Stall in der Lin- denstraße 2, 10 und 11 neu und der ehemalige Schweinestall zu 2 Wohnungen (Am See 5 und 5A) mit Stallungen ausgebaut.

29 LHA, Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten 3006.

38 Wiederaufbau und Deutsche Demokratische Republik Internetversion

Kinderreiches Dorf

Im Jahr 1950 besaßen u.a. die Bauern Wilhelm Ernst, Hans-Wilhelm Ernst, Wilhelm Lutter, Richard Lutter, Wilhelm Möller, Siegfried Möller, Heinrich Wichmann, Walter Dankert und Paul Friedrich Topp Höfe im Ort. Mit den Jahren wanderten einige Neubauern in andere Berufe ab. Das frei werdende Land übernahm der kreislich geleitete ÖLB (Örtlicher Landwirtschaftsbetrieb). Am 27. September 1957 ging daraus u.a. die LPG «Morgenrot» Borkow hervor. Auch Woseriner Neubauern waren Gründungsmitglieder und gingen den «Schritt vom Ich zum Wir». Bis zur vollständigen «Kollektivierung der Landwirtschaft» in Woserin sollte es aber noch 5 Jahre dauern. Die Kuhställe für das Milchvieh am Ortsausgang nach Hohenfelde wurden 1963 fertiggestellt. So wurde in Woserin die Grundlage für eine moderne Rindermast und Milchproduktion innerhalb der LPG (T) «Morgen- rot» Borkow geschaffen. Am 13. März 1953 bekam Woserin zusammen mit den Dörfern Hohenfelde, Neu-Woserin, Garden und Gar- dermühe seinen Anschluss an das öffentliche Elektrizitätsnetz. Davor war das Leben mit Kerzen- und Later- nenlicht ausgeleuchtet. Die einzige Stromversorgung in Woserin war bis zum Ende des Krieges der Genera- tor des Gutes. Mit ihm wurden aber nur das Gutshaus, die Inspektorenwohnung (heute Am See 2) und die Stallungen versorgt. Das von den Neubauern benötigte Wasser zum Tränken der Tiere musste bis 1963 vom See geholt werden. Woserin erhielt in diesem Jahr durch den Bau eines Brunnens eine zentrale Wasserversorgung. Die auf dem Grundstück Lindenstraße 12 errichtete Anlage wurde erst am 25. Januar 2002 wieder abgebaut.

Im Gutshaus befanden sich zuerst, neben der Kommandantur und einem Schulraum, ausschließlich Woh- nungen für Flüchtlinge und Aussiedler. Später wurde dort auch der Kindergarten und der Verkaufsladen eingerichtet. Später zog der Laden in die Lindenstraße 9A um, bevor im Jahr 1959 der Konsum gebaut wurde. Er versorg- te die Bewohner mit den Waren des täglichen Bedarfs. Die Bank vor dem Bungalow war in der hellen Jah- reszeit ein beliebter Treffpunkt der Einwohner. Zum Wohle der Anwesenden wurde so manchen Abend die Öffnungszeit verlängert. Von 1961 bis zum Schluss im November 1991 arbeitete dort Frau Behrens. Seitdem kommt der fahrende Landhandel wieder nach Woserin. Im Winter 1959/60 wurden die 12 Eichen gefällt, sie standen am Südufer des Hofsees und waren eines der Wahrzeichen Woserins. Ihr Holz wurde nach Woserin geschafft und zum Verheizen im Dorf verteilt.

Wiederaufbau und Deutsche Demokratische Republik 39 Im Schulgebäude (heute Lindenstraße 14) wohnte in der linken Hälfte der Lehrer, während in der anderen der Unterricht stattfand. Nach der Auflösung der Schule im Jahre 1964 wurde das gesamte Gebäude zu

Wohnzwecken genutzt. Als erste Mieter zog dieInternetversion Familie Buchholz ein. Die Insel (Großer Werder) im Woseriner See ist bis nach der Wende noch als Kuhweide bewirtschaftet wor- den. Dazu wurden die Rinder durch die schmale Furt zwischen Halbinsel und Insel getrieben. In den 70er Jahren wurde die alte Schmiede (gegenüber Lindenstraße 1) abgerissen. Fischer Schulz hatte bis zu seiner Flucht nach dem Krieg das Fischereirecht für den Woseriner und den Schwarzen See. Mit zwei Gesellen wurde regelmäßig abgefischt. Danach übernahmen die Gesellen treu- händerisch den Betrieb, ehe 1955 Erich Buchholz und kurze Zeit später sein Sohn Werner dazu stieß. Am 1. Januar 1959 wurde dann der VEB Binnenfischerei Schwerin gegründet. Werner Buchholz leitete den Be- triebsteil Woserin über 30 Jahre. Anfänglich waren die Aktivitäten des volkseigenen Betriebes auf die Fischerei beschränkt. Um den Betrieb rentabler zu machen kam aber von 1960-1970 auf dem heute noch bestehenden Gelände eine Entenmast- anlage hinzu. Hier wurden pro Saison bis zu 12.000 Enten zur Schlachtreife geführt. Parallel wurde im Jahr 1970 die Forellenzucht aufgebaut. Lange Hälteranlagen führten damals auf den See hinaus. Die Belegschaft, inzwischen auf 5 Kollegen angewachsen, erhielt im Jahre 1983 ein neues Wirtschafts- und Sozialgebäude. Bewirtschaftet wurden bis zur Privatisierung des Betriebes neben dem Woseriner und dem Schwarzen See auch der Entensee, der Bolzer See und der Borkower See mit Mildenitzlauf bis hoch zum Schwarzen See.

Fischerei

Bis in die 50er Jahre wurden auf dem Katzenteich (heutige Schafweide in der Dorfmitte) noch Gänse gehü- tet. Damals stellte sich der Teich auch noch nicht als versumpfter Pfuhl dar, so das dort im Winter sehr oft das Laufen mit Schlittschuhen möglich war. Die medizinische Versorgung der Woseriner erfolgte vor 1945 und in den Jahren danach durch Ärzte aus Sternberg und Dobbertin. Erst am 1. Dezember 1965 verbesserte sich die Situation durch die Eröffnung einer staatlichen Arztpraxis in Borkow. Nach der Abwicklung des staatlichen Gesundheitswesens der DDR im Jahre 1991 wurde die praktizierende Allgemeinmedizinerin noch bis 1996 von der Gemeinde finanziert. Eine Gemeindeschwester sah ab 1977 einmal in der Woche nach dem Rechten.

40 Wiederaufbau und Deutsche Demokratische Republik Eine staatliche Zahnarztpraxis wurde im Jahre 1967 ebenfalls in Borkow eingerichtet. Sie schloss allerdings schon in den 80er Jahren aus gesundheitlichen Gründen.

Inzwischen sind die Wege wieder länger. Die nächstliegendenInternetversion Praxen befinden sich in Dabel und Dobbertin. Der in Norddeutschland sehr schneereiche Winter 1978/79 suchte auch Woserin heim. Tagelang war der Ort von der Außenwelt abgeschnitten. Die Einwohner konnten weder zur Arbeit noch zur Schule fahren. Nachdem eine Trasse durch Räumfahrzeuge der NVA aus Dabel frei gemacht wurde konnten zumindest Nutzfahrzeuge den Ort verlassen. Zum Einkaufen wurden z.B. Fahrten mit Traktor und Hänger organisiert. Im Dezember 1980 übernimmt Rudolf Hildebrandt aus Mustin kommend die LPG in Borkow. Im Jahr 1983 zählte Woserin 67 Einwohner. Das Gutshaus wurde bis zu seinem Verkauf an die Bezirksdirektion Straßenwesen im Jahre 1966 als Wohn- und Schulgebäude genutzt. Die Berliner Einrichtung betrieb das Gutshaus zuerst ausschließlich als Ferien- lager, bis nach einigen Umbauten es auch als Schulungs- und Erholungsheim «Kurt Bürger» dienen konnte. Bis zum Jahr 1990 war das Haus das Zentrum des Dorfes.

Schulungs- und Erholungsheim «Kurt Bürger»

Von 1990 bis heute

Bei der Kommunalwahl im März 1990 wurde der alte auch der neue Bürgermeister. Herr Matern wurde so- mit bei der ersten Wahl nach der Wende im Amt bestätigt. Mit einer Eröffnungsbilanz für die 150 Mitglieder wurde am 1. Juli 1991 die LPG Morgenrot privatisiert, es entstand die Marktfrucht und Rinderzucht GmbH Borkow. Außer der neuen Rechtsform veränderte sich für die Kolleginnen und Kollegen erheblich mehr: während in der LPG noch 105 angestellt waren, so wurden später nur noch 20 Mitarbeiter beschäftigt. 1994 wurde der Kreis Sternberg aufgelöst und Borkow und einige andere Gemeinden dem neu gegründe- ten Landkreis zugeordnet.

Von 1990 bis heute 41 2001 wurden durch die Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern mehr als 10 Grundstücke mit den da- rauf stehenden Häusern verkauft. So konnten einige Mieter «ihre» Häuser erwerben und z.T. jahrelang leer

stehende Häuser bekamen neue Besitzer. Internetversion Im Herbst 2006 nahm durch den Verkauf des Gutshauses und des Ferienlagers ein langer Leidensweg sein Ende. Mehrere Interessenten hatten in den Jahren seit der Schließung des Ferienlagers versucht das Objekt vom Land Berlin zu erwerben. Der ehemalige Turnplatz vor der Kirche wurde im Jahre 2004 im Rahmen der Dorferneuerung zum Park- platz umgestaltet. Um die Wirkung ein wenig abzumildern stellte die Gemeinde zwei Jahre später Bänke auf und in Eigeninitiative der Bewohner wurde längs der Kirchhofmauer ein Staudenbeet angelegt. Im Jahr 2003 beauftragte die Gemeinde die Beräumung der Pferdestallruine. Im selben Jahr wurde einer der beiden Schweineställe in Privatinitiative abgerissen und die Flächen vorbildhaft begrünt. 2004 wurde die Borkower Rinderzucht und Marktfrucht GmbH an Norbert und Martin Rethmann verkauft. Ein Jahr später wurden die sanierten Rinderställe in Betrieb genommen und die marode Maschinenhalle abgerissen. 2008 wurde dann das Feuerwehrhäuschen abgerissen und die Kurze Straße in Plummwerder umgenannt. Im selben Jahr erhielten die jüngsten Einwohner von Woserin einen Spielplatz. Das Dorf verändert seit der Wende auch im Wohnbereich sein Gesicht. Einige Häuser wurden in den ersten Jahren durch Fortgang der Bewohner leer gezogen. 2001 wurden durch die Landgesellschaft Mecklenburg- Vorpommern mehr als 10 Grundstücke mit den darauf stehenden Häusern verkauft. So konnten einige Mie- ter «ihre» Häuser erwerben und die z. T. jahrelang leer stehenden Häuser bekamen neue Besitzer. Trotz des Leerstandes sind keine Häuser verfallen und schließlich abgerissen worden. Das Dorf blieb somit als Gutsdorf mit prägender Katenzeile erhalten. Verändert hat sich aber die soziale Struktur, im Jahr 2009 leben noch 33 Einwohner fest in Woserin. Von den 30 Höfen wird die Hälfte als Wochenend- und Ferienhäuser genutzt. Reges Treiben herrscht dadurch eher an den Wochenenden der freundlichen Jahreshälfte und in den Sommermonaten.

Gepflasterte Lindenstraße

42 Von 1990 bis heute Schulische Entwicklung in Woserin Internetversion Schule vor 1900 Im Mittelalter regelte die katholische Kirche das geistige Leben. Wir wissen wenig über Schulen aus dieser Zeit. Es ist anzunehmen, dass es auf dem Lande damals kaum Schulen gab. Mitte des 16. Jh. gab die Refor- mation Luthers erste Impulse. Die Küster der Schulen lehrten, natürlich ohne jede pädagogische Ausbil- dung Katechismus, Lesen und Singen. In der Zeit des 30-jährigen Krieges (1618 – 1648) wird das Schulwesen aber weit zurück geworfen. In den kleinen Dörfern war es oft üblich, dass ortsansässige Handwerker wie Schneider oder Schuster Schul- unterricht, als Nebenverdienst erteilten. In den Schulen ersetzten oft Schläge den pädagogischen Unterricht. Das Beichtkinderverzeichnis von 1751, geführt von Pastor Friederich Passow, ist wohl die älteste Quelle die auf einen Schulunterricht in Woserin und Borkow hinweisen: Christof Rabe Leinweber und Schulmeister Ernst Steffens Schulmeister, flicket auch zur Not Schuh. Lorentz Zarnitz Küster und Schneider in Woserin. Erbherr und Patronus ist zu dieser Zeit, Jobst von Bülow. In den meisten Dörfern war es um die Schulbildung noch elend bestellt. Die Schulpflicht, die inzwischen eingeführt worden war, ließ sich nur schwer durchset- zen. So war der Analphabetismus unter den Heranwachsenden noch stark verbreitet. Der landesgrundgesetzliche Erbvergleich 1755 führt zu einer Dreiteilung der Schulobrigkeit im Land: Es gab domaniale, ritterschaftliche und landschaftliche Schulen (letztere sind die Schulen der Städte und Käm- mereidörfer). Die Schulaufsicht liegt bei der Geistlichkeit, der Kirche. Dieser Zustand hielt sich bis 1918. Das Schulnetz war zwar flächendeckend, aber es herrschte die einklassige Landschule vor (1 Lehrer, 30 - 70 Schüler aller Jahrgänge). Die Domanialschulen (staatlich) erhalten 1771 durch Friedrich den Frommen eine Schulordnung (u. a. Win- ter- und Sommerschule). Kinder aus ärmeren Volksschichten konnten im Sommer für längere Zeit von der Schule befreit werden, weil sie als «Dienstkinder» zum Lebensunterhalt der Familie beitragen mussten. Kin- der ab neun Jahren konnten einen Diensterlassschein erwerben, um im Sommer auf Kosten des Unterrichts bei den Erntearbeiten zu helfen oder das Vieh zu hüten. Erste Mecklenburgische Schulordnungen gab es im Jahre 1833/1836. Jedoch der Erlass der Schulordnung war das eine, ihre Verwirklichung das andere. Die Schulordnung regelte die wechselseitigen Beziehungen von Kirche und Schule. Die Schulkinder hatten ihren Unterricht mit Gesang, Gebet und Vorlesen aus der Bi- bel. Wichtige Fächer waren Lesen, Schreiben, Rechnen, Religion, die vom Pastor und seinem Gehilfen, dem Küster, unterrichtet wurden. Der regelmäßige Besuch des Gottesdienstes war selbstverständlich. Die Schule stand unter Aufsicht des Superintendenten oder des ortsansässigen Pastors. Der Unterricht für die Kinder der Pächter fand getrennt von den anderen Kindern des Dorfes im Pächterhaus statt. Aus den Martinilisten ist ersichtlich, dass Pächter Schulz 1812 seine Kinder durch den Kandidaten der Theologie Blendow unterrichten ließ, 1813 wird ein Hauslehrer Calain (vermutlich französischer Herkunft) in den Listen erwähnt. Die nächsten Lehrer erwähnen die Listen zwar erst 1854, doch dürfte das Ereignis um das alte Gutshaus (während des Unterrichts brach infolge eines Sturms eine Mauertafel der Außenwand heraus) verdeutlichen, dass diese nur eine Momentaufnahme sein können. 1854-56 ist also Herr Cölle und 1858-59 Herr Riemann Hauslehrer bei Pächter Schultz. Danach verliert sich diese Spur.

Schulische Entwicklung in Woserin 43 Schule ab 1900 Die folgenden geltenden Schulregeln (ca. 1900) zeigen das fehlende pädagogische Verständnis der wilhel- minischen Zeit: Internetversion

• Alle Schüler sitzen anständig, gerade mit dem Rücken angelegt in Reihen hintereinander. • Jedes Kind legt seine Hände geschlossen auf die Schultafel. • Die Füße werden parallel nebeneinander auf den Boden gestellt. • Sämtliche Kinder schauen dem Lehrer fest ins Auge. • Sprechen, Plaudern, Lachen, Flüstern, Hin- und Herrücken, heimliches Essen, neugieriges Um- hergaffen dürfen nicht vorkommen. • Das Melden geschieht bescheiden mit dem Finger der rechten Hand. Dabei wird der Ellenbogen des rechten Armes in die linke Hand gestützt. • Beim Antworten hat sich das Kind zu erheben, gerade zu stehen, dem Lehrer fest ins Auge zu schauen und in vollständigen Sätzen rein und laut zu sprechen. Die Schulen wurden beaufsichtigt von staatlichen Schulinspektoren. Hier einige Auszüge des fünfseitigen Berichtes von Schulinspektor Lindemann: Am Montag, den 06.03.1905 habe ich vormittags von 08.00 - 10.30 Uhr die Domanialschule zu Wo- serin inspiziert. Die Schule zu Woserin wird zur Zeit von 37 Kindern besucht. Außer Woserin ist noch in Hohenfelde eingeschult. Das Schulzimmer ist hinreichend groß und mit Ventilation versehen. An Lehrmitteln sind die nötigen Karten, ein kleiner Globus, die Martenschen Zeichenvorlagen und drei Serien der Schröder – Kullschen Bilder vorhanden, welche alle in einem erst vor kurzem angeschafften Schran- ke aufbewahrt werden. Die Bedürfnisanstalt für die Schulkinder ist ausreichend, auch für die Knaben. Der Lehrer Voß (geb. am 29.Januar 1874) ist seit Ostern 1901 in Woserin. Er hielt zunächst eine Katayese über den Anfang des vierten Hauptstückes, welche unter seiner Befangenheit etwas litt. Die Fragestellung war oft schwerfällig und unverständlich, fachlich gab er aber das Richtige. Eine Lektion mit der letzten Abteilung in biblischer Geschichte (Jesus der Kinderfreund) ging besser. Ich prüfte die Kinder im Memorinerstoff, der ziemlich sicher angeeignet war. Im Rechnen, in welchem der Lehrer die 4 Abteilungen vorführte, wurde nicht genügendes geleistet, auch die Lesefertigkeit der Kinder war mit Ausnahme der ersten Abteilung nicht so, wie sie sein sollte. In der Geografie (Amerika) und in der Geschichte (Karl der Große, Luther) gaben die Kinder im ganzen befriedigende Antworten. Die Vorführung und Behandlung eines naturgeschichtlichen Bildes habe ich dem Lehrer Voß auf seine Bitte erlassen. Er meinte, dass er in diesem Unterrichtsfache noch nicht geübt genug sei. Die Aufsatz- und Diktathefte waren nicht recht sauber, nur einzelne enthielten gute Arbeiten, sie waren aber alle korrigiert. Die Schreibhefte waren besser gehalten, die Zeichenblöcke im Allgemeinen ge- nügend. Der Gesang der Kinder war zu schleppend. Bei der Inspektion waren der Pastor Stolzenburg und die beiden Schulvorsteher, Kirchenrat Sparmann und Häusler Rieck zugegen. Nach Entlassung der letzteren sprach ich dem Lehrer Voß mein Urteil über seine Leistungen aus und verschwieg ihm nicht, dass er wohl mehr erreichen könnte, was er auch selbst zugab. Es fehlt seinem Unterrichte vor allem an Frische und Lebendigkeit, wodurch auch die Kinder in eine gewisse Schläf- rigkeit geraten. Der Mangel hat seinen Grund in der Persönlichkeit des Lehrers, der in seinem ganzen Wesen etwas Scheues und Mattes hat, welches auf die Kinder übergeht. An Fleiß lässt es der Lehrer Voß nach dem Zeugnis des Pastors Stolzenburg nicht fehlen, was auch daraus hervorgeht, dass er für seine Schule eine recht gute Ortskarte nach der Woseriner Feldkarte angefertigt hatte. Mit dem neuen Volksschulunterhaltungsgesetz wurde ab 1.4.1921 die Finanzierung der Schulen auf eine neue Grundlage gestellt. Fortan bezahlte die Gemeinde Schulreinigung, die Anschaffung von Lehrmit- teln, Beihilfe zur Anschaffung von Lernmitteln, die Anlage des Turnplatzes u.a.m. Das Schulgebäude wur- de Gemeindeeigentum, aus den Küsterländereien wurden Schuldienstländereien. Sie zogen sich zwischen Schmiede (gegenüber Lindenstraße 2) und altem Fischerhof (Plummwerder 1 und 2) rings um den Friedhof. Lehrer Baguhl schrieb in seinen Aufzeichnungen zum Schulleben:

44 Schulische Entwicklung in Woserin «Neu war auch die Wahl von Elternvertretern in den Schulvorstand, wodurch eine engere Zusam- menarbeit zwischen Schule und Elternhaus geschaffen wurde.

Große Beliebtheit erfreuten sich unsere ElternabendeInternetversion und unsere Kinderfeste, die von 1922 ab hier re- gelmäßig stattfanden. Sie förderten das gleichzeitige Verständnis zwischen Elternschaft und Lehrer, der mannigfachen Ertüchtigung der uns anvertrauten Kinder zum Nutzen und darüber hinaus als Volksfeste die Festigung der dörflichen Gemeinschaft.»30

Klassenbuch Winterhalbjahr 1936/37

Lehrer in dieser Zeit: • Ostern 1901 Herr Voß • um 1910 Herr Günther • um 1914 Herr Zarnitz • 1920 – 1934 Herr Baguhl • um 1935 Herr Drews • um 1939 Herr Dehns • bis 1945 Herr und Frau Brühshaber

30 Ebd.

Schulische Entwicklung in Woserin 45 Internetversion

Klassenfoto aus den 30er Jahren

Schule ab 1945 Bis 1945 wurde in der Schule an der Dorfstraße unterrichtet. Nach dem Krieg war die Schule mit Flüchtlingen belegt. Daher wurde der Kuhstall des ehemaligen Pfarrhofes notdürftig als Schulraum hergerichtet. Nach dem die Schule wieder geräumt war, konnten die Kinder wieder ihren Klassenraum beziehen. Da der Schul- raum nicht mehr ausreichte, wurde aber ein zusätzlicher Raum im ehemaligen Gutshaus, als zweiter Schul- raum, eingerichtet. In einem Schulraum hatte ein Lehrer mehrere Klassen zur gleichen Zeit zu unterrichten. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges begann in ganz Deutschland die «antifaschistisch-demokratische Um- wälzung» in Form einer demokratischen Schulreform. Es wurde das «Gesetz zur Demokratisierung der Deutschen Schulen» eingeführt, welches die bisherigen «faschistischen und imperialistischen Einflüsse» beseitigen sollte. Unter Führung der «Arbeiterklasse» sollte die Schule den «Charakter einer tiefer gehen- den, revolutionären Umwälzung» annehmen und die Grundsätze der Wissenschaftlichkeit, Weltlichkeit und Unentgeltlichkeit des Unterrichts verwirklichen. Diesen Zielen konnte man nur teilweise gerecht werden, da die Grundsätze der Staatlichkeit und Parteilichkeit über alle anderen gestellt wurden. Die Schule des Sozialismus vermittelte nicht nur ausschließlich Bildung, sondern beanspruchte auch die Erziehung der Kinder und Jugendlichen für sich. Dazu schuf der Staat zahlreiche Massenorganisationen wie z.B. FDJ, Pionierorganisation, GST usw. 1960 wurden die Woseriner Schüler ab der fünften Klasse nach Dabel umgeschult. Zu Beginn des Schuljah- res 1962/63 wurde dann die 4. Klasse nach Borkow verlegt. 1964 wurden die restlichen Klassen von Woserin nach Borkow verlegt. Ab jetzt fuhren regelmäßig Schulbusse. Seit März 1973 fuhren alle Schüler zur Poly- technischen Oberschule «Hans Beimler» Dabel.

Lehrer in dieser Zeit: • ab 1945 Herr Teuser • 1950 – 1957 Herr Jantzen und Frau Borowski

46 Schulische Entwicklung in Woserin Internetversion

Klassenfoto aus den 50er Jahren

Mit der Auflösung der Teiloberschulen und dem Aufbau eines Schulzentrums zu Beginn des Jahres 1973 fand auch in unserem Schulbereich ein über 25 Jahre währender Prozess sein Ende. Gab es, 1948 noch Schulen in Borkow, Dabel, Gägelow, Hohen-Pritz, Holzendorf, Wamckow und Woserin, so wurden mit den Schulen Wamckow, Hohen-Pritz, Borkow die letzten Schulen im Bereich Dabel aufgelöst. Zweifel und Kritik an dieser Maßnahme wurden in der damaligen Zeit zwar nicht öffentlich, aber recht häu- fig geäußert: Befürchtungen über weitere Entfremdung der Kinder durch staatliche Maßnahmen; Hohe Kosten die dem Staat anfallen; Verlust eines Hauptträgers der Kultur in den Gemeinden. Kritikern wurde erwidert, dass ein moderner Unterricht nur in modern eingerichteten Schulen erfolgen kann. Tatsächlich verbesserten sich die Lehr-, Lern- und Arbeitsbedingungen für Lehrer und Schüler beträcht- lich. Helle Unterrichtsräume, gut eingerichtete Fachräume für Chemie, Physik, Biologie, Geographie sowie ein Werkraum bildeten gute materielle Bedingungen um die Lehrpläne in hoher Qualität zu erfüllen. Auch weitere Unterrichtsräume wurden zu Fachräumen umfunktioniert und mit selbst gefertigten Anschauungs- tafeln, Bildern und Modellen fachgerecht ausgestaltet. So gab es auch Fachunterrichtsräume für Deutsch, Fremdsprachen, Geschichte, Staatsbürgerkunde, Kunst, Mathematik und Musik. In einem 74 m² großen Klassenraum mit Steinfußboden wurde Sport betrieben. Ausweichmöglichkeiten fanden die Sportlehrer in der alten Schule im Dorf, im Saal der Gaststätte «Zur Eisenbahn» und später in der Sporthalle der NVA bis dann im Jahre 1985 mit dem Bau der Turnhalle auch normale Bedingungen für den Sportunterricht ge- schaffen wurden.

Kirche

Die Kirche gehört seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahre 1234 zum Dobbertiner Archidiakonat. Das guts- herrschaftliche Patronat lag nachweislich seit 1329 in den Händen der Besitzer von Woserin und Borkow. Mit dem Übergang des Gutes Woserin in den Besitz des Großherzogs im Jahre 1802 wechselte auch das Patronat zum Landesherren.

Kirche 47 Baugeschichte (zusammengetragen von Dr. Tilo Schöfbeck) Die Feldsteinkirche von Woserin entstand in zwei mittelalterlichen Hauptbauphasen. Zuerst entstanden Chor und Langhaus als abgeschlossene Einheit, erst zweihundertInternetversion Jahre später der Turm. Der ältere Teil gehört zu den späteren Bauten der ersten Kirchengeneration, in einer Zeit vom Übergang der romanischen zur gotisch Epoche. Die dendrochronologische Untersuchung der letzten erhaltenen Dachhölzer aus Eiche (zwei sogenannte Windrispen zur Längsaussteifung der Dachsparren) ergab die jahrgenaue Datierung des Fälljahres auf 1278 (d). Da das Bauholz zu dieser Zeit nachweislich saftfrisch verwendet wurde, kann von einer Fertigstellung des Bauwerks im Jahr 1279 ausgegangen werden. Die Giebel entstanden unmittelbar nach Aufrichtung des Dachwerks, sie wurden an diesem verankert und schützen seitdem das Dach vor Sturm. Anschließend entstanden die Domikalgewölbe. Als kurze, einjochige Saalkirche mit eingezogenem Chor gehört der Woseriner Sakralbau zu einem selte- nen Bautyp. Ihre etwa gleichaltrigen Schwesterkirchen der Umgebung in Gägelow, Ruchow oder besitzen, wie die meisten Kirchen des Übergangs, ein zweijochiges Langhaus oder sind als schlichter Saal angelegt. Auch die gleichzeitige Errichtung von Chor und Schiff spricht für ihre Einzigartigkeit. Turmlos angelegte Kirchen sind hingegen relativ verbreitet, viele von ihnen erhielten erst im 15. Jh. einen steinernen Turm. Auch der Woseriner Turm entstand erst exakt 200 Jahre (1478 (d)) später, wie die Untersu- chung seines weitgehend intakten hölzernen Innengerüstes ergeben hat. Die Fertigstellung kann damit auf das Jahr 1479 datiert werden. Über seinen ursprünglichen Abschluss, die Form seines Helms ist bisher nichts bekannt. Das heutige schlichte Satteldach erhielt er erst um 1790, als auch die übrigen Dächer erneuert wurden. Vermutlich besaß er auch einen achtseitigen Helm über vier Giebeln, die sogenannte Bischofsmüt- ze, wie sie beispielsweise noch im benachbarten Witzin zu finden ist. Die Binnenkonstruktion diente der Verankerung des ursprünglichen Dachs und trug möglicherweise auch den mittelalterlichen Glockenstuhl. Als Ständerbau ist sie untereinander kreuzverstrebt und verriegelt. An der Nordseite steht am feldsteinernen Chor ein Anbau. Er ist mit Backsteinen gemauert und beherbergt das Bülow›sche Erbbegräbnis. Im Jahre 1856 erfuhr die Inneneinrichtung der Kirche eine Veränderung. Altar, Kanzel und Gestühl sind dazu neu angefertigt worden. Das Altarbild stammt von Gaston Lenthe und zeigt Christus am Kreuz mit Johan- nes und Maria.

Die Sanierung der Kirche (zusammengetragen von Detlef Witt) Mit der politischen Wende 1989 und der deutschen Wiedervereinigung 1990 änderten sich die Bedingun- gen für den baulichen Erhalt der Kirchen im Land grundlegend. Baumaterialien waren nun in ausreichender Menge und Qualität vorhanden, allerdings standen angesichts der Ausgabenfülle nicht genügend Mittel der staatlichen Denkmalpflege bereit. Durch z.T. großzügige Spenden konnten dringend notwendige Sanierungsarbeiten an unserer Kirche durchgeführt werden. Erwähnt werden sollen u.a. der ZONTA Club München II, Eduard Dehns und die Che- miefirma Lehmann und Voss. Das Hamburger Unternehmen hat einen beträchtlichen Teil der Spenden auf- gebracht. Zum Dank erinnern in den Fenstern auf der Südseite des Chores das Hamburger Wappen und das Firmenlogo an diese daran. Damit setzt die Kirche eine jahrhundertealte Tradition des Stiftergedenkens fort. Im ersten Bauabschnitt wurde das Kirchenschiff saniert, im zweiten der Chor und der stark vom Schwamm befallene Anbau auf der Nordseite und im dritten Bauabschnitt folgten Arbeiten am Turm. Im Einzelnen wurden u.a. folgende Arbeiten durchgeführt: • Mauerkrone, Traufbalken und Sparrenfüße erneuert • Westgiebel des Turms abgebrochen und neu errichtet • Vermauerung des Nordportals neu gesetzt

48 Kirche • Dacharbeiten an Kirche und Turm • Treppe des Anbaus neu aufgemauert

• Sanierung der zum Ende des 19. Jh. angeschafftenInternetversion Orgel der Firma Gerhard • Schwarz aus Rostock • Restauration des grünen Antependiensatz (textiler Altar- und Kanzelbehang) • erste Wandmalereien restauriert Da für die Kirche das Thema «Hubertus – der Schutzheilige der Jagd» gewählt wurde nehmen auch neue Ausstattungsstücke darauf Bezug. So wurde ein Geweihleuchter aufgehängt und die Orgel durch neue Re- gisternebenzüge zur «Jagdorgel» umgestaltet. Zu den Besonderheiten des von der Firma Wolfgang Nußbücker in , 1995 instandgesetzten Instruments gehören die Züge «Entenruf», «Schuss», «Vogelgezwitscher» und «Kuckucksruf», die bei den in- zwischen zur Tradition gewordenen Woseriner Hubertusmessen für musikalische Überraschungen sorgen. Eine weitere Besonderheit der Woseriner Kirche ist, dass auf dem Turm anstelle des Hahns ein vergoldeter Hirsch mit einem Kreuz im Geweih in die Landschaft grüßt. Es ist der Hirsch, der der Legende nach dem Jäger Hubertus erschienen ist, und ihn zur Umkehr bewogen hat. Im Mai 1999 wurden bei einem Turm- fest die neu gefertigte Kugel (gefüllt mit Münzen und einer Tageszeitung) und der «Wetterhirsch» auf dem Chordach angebracht. Nächste Sanierungsschritte werden die Herrichtung der beiden nachträglich angesetzten Stützpfeiler am Turm und die Neuausmalung des Innenraumes sein. Es bleibt in der Kirche noch viel zu tun, vor allem ist es aber in der Hand der Gemeinde, die Kirche wieder mit Leben zu füllen und sie als Ort der Einkehr und Begegnung zu nutzen.

Pastoren Von den Woseriner Pastoren aus der römisch-katholischen Zeit gibt es keine Aufzeichnungen. Die Pastoren seit der Reformation waren: 1541 Heinrich Monnich 1569 – 1587 Caspar Voigt 1588 – 1626 Joachim Duncker 1627 – 1659 Werner Caloander 1660 – 1674 Georg Philipp Spon 1675 – 1688 Friedrich Sopanus 1690 – 1713 Detlov Josua Müller 1715 – 1757 Friedrich Passow 1758 – 1793 Detlov Friedrich Passow ( Sohn des Vorgängers) 1796 – 1833 Friedrich Wilhelm Passow (Sohn des Vorgängers) 1834 – 1881 Wilhelm Pet. Carl Hartmann 1881 – 1898 Julius C. Paul Barnewitz 1898 – 1912 Gustav C. Hermann Christian Stolzenburg 1912 – 1926 Wilhelm C. Johannes Tilse 1927 – 1930 Wilhelm Janssen 1930 Walter Kittel 1931 – 1933 G. Stock 1933 – 1946 Dr. Ludwig Bohnen 1946 – 1950 Reinhold Thulke 1950 Karl - August Brandt (Lohmen) 1951 – 1984 Kurt - Vollrath Peters (Dobbertin) 1984 – heute Hans Herbert Lange (Dabel)

Kirche 49 Der letzte in Woserin arbeitende und wohnende Pastor war Herr Thulke. Ab 1950 war die Stelle bis 2003 ku- ratorisch von Pastoren anderer Kirchgemeinden mit betreut worden. Am 1. Dezember 2003 wurde Woserin

zur ruhenden Pfarrstelle erklärt und mit der KirchgemeindeInternetversion Dabel vereinigt.

Flurnamen der Gemarkung Woserin

Die Bezeichnung von Teilen der Feldmark diente praktischen Zwecken, wie der Orientierung. Im Volksmund entstanden, geben sie oft Aufschluss über frühere bzw. auch noch heutige Nutzungs-, Bo- den- und Eigentumsverhältnisse. Sie gerieten all zu oft in Vergessenheit, wenn sie nicht schriftlich festge- halten wurden.

Boomgartens Bruchwiese Am Hofsee, nördlich des Gutes befand sich ein Baum- 2655 5,76 (Bumgornsbrook) garten Krug Worth Ist Land, das sich meist hinter der Hofstelle befindet 3445 7,47 und nicht dem Flurzwang unterliegt. Der Bauer konnte es nach Belieben verwenden. Camps Koppel Südlich der Gieren Wisch 10346 22,4 Gieren Wisch Abgeleitet von Giersch? (Geißfuß oder Aegopodium 841 1,8 podagraria L.) Nettel Wisch Nettel = Nesseln = Unkraut 310 0,67 Die Marchs Wehrter Gegenüber dem großen Werder im See; von Maddel? 385 0,8 (Windhafer) Die Große Binning Koppel 6010 13,03 Water Wisch Wasserwiese 715 1,55 Die Baas Wisch Baas - im Norddeutschen gebräuchliche Bezeichnung 4409 9,5 für Herr Die Baas Wischen Koppel Koppel südlich der Baas Wiese 10940 23,7 Sagenbergskoppel Südlich des Sagenbergs 11388 24,6 Sagenberg 60,4m. westlich von Hohenfelde an der Bolzer Grenze Die Kahle Städe Südlich des alten Kruges 1753 3,8 Die Teibben Bruchs Koppel 11350 24,6 Die große Nachtkoppel Damals am Bolzer See, nur für die älteren Tiere... Nachts wurde hier das Vieh zusammengetrieben Die Bauer Koppel Zwischen Mostsee und Hofsee Das Pfarrbruch Zur Pfarre gehörige Brüche: a) am Weg nach Borkow [Name des Grabens unbekannt], zu Borkow gehörig, b) westlich der Burganlage am Holzsee Der Kamp Geschütztes bzw. eingezäuntes Flurstück außerhalb des Dorfes Der Schulenberg Westlich des Bresenitzsees, Höhe unbekannt

50 Flurnamen der Gemarkung Woserin Der Serrahnsche Kamp Kamp an der Bresenitz. Im Slawischen bedeutet Serr- ahn soviel wie Aalfang.Internetversion Das Rothe Land Gerodetes Land Die Bresenitz Seit alters her Grenze zur Gemeinde Dobbertin, ent- springt bei Suckwitz Der Hop Wischen Schlag Hofwiesenschlag? Der Drünckelbeeren Schlag Die Drunkel- oder Rauschbeere, eine in Mooren wach- sende eßbare Beere Das Drünckelbeeren Moor Im o. g. Schlag Torfabbau (1802, MfLDF 3002); heute Krambeerenmoor Die Grabower Dieke Teiche der Grabows Der Stein Bäcker Schlag Abgeleitet vom Steinbach, der in die Mildenitz fließt Auf dem Krüz (Grot und Vor der Reformation sollen hier Kreuze am Wege ge- Lütt Krüz) standen haben. Kleine Nachtkoppel Damals Jungviehkoppel Die Schmäde Worth Worth der Schmiede Harms Wiese Nach dem Familiennamen Hoge-Bergs Koppel Hoher Berg Koppel an der Borkower Grenze Borkower Scheide Grenze zu Borkow Hassel Werder Gegenüber der Gieren Wisch am Hof See Brinck Werder Brinck bezeichnet leicht erhöhte Stelle oder Rand Borg Wall Burgwall, Slawenb urg (Slawencorpus 1973, 15/47; Basti- an 1960, Burgwallinventar, Nr. 1090) Hüttensee Früher Weißer See (1826) 978 2 Schwarzer See Westlich des Hüttensees (1853) 540 1,2 Hütter Feld Zur Glashütte gehöriges Pachtland, darin die Hüt- ter Wiese, der Steinbäcker Bruch, der Weiße und der Schwarze See Hütter Wiese Nördlich des Schwarzen Sees Großer Werder Insel im Woseriner See. Insel, aber auch erhöhtes Land zwischen Niederungen Hofsee Teil des Woseriner Sees der am Gutshof lag Holzsee Teil des Woseriner Sees der nach dem Holzeinschlag zum Holzflössen über den Bresenitzabfluß genutzt wurde Mühlensee Teil des Woseriner Sees an dem die Garder Mühle lag (gespeist durch den Bresenitzzufluß) Zwölf Eichen Am Südufer des Hofsees gelegene Pflanzung von 12 Eichen

Die Flurnamenkarte befindet sich in der 3. Umschlagseite.

Flurnamen der Gemarkung Woserin 51 Woseriner Sagen Internetversion Vom Flachs Im Mittelalter bauten die Woseriner besonders viel Flachs an. Fast auf jedem Bauernhof gab es daher einen Webstuhl, auf dem Leinenzeug hergestellt wurde. Die Katenleute, die nicht viel Land besaßen, nutzten die freien Flächen hinter und vor ihren Häusern für den Flachsanbau. Allmählich rückten sie ihre vor dem Haus befindlichen Flachsbeete immer dichter an die Dorfstraße heran. Schließlich war sie so eingeengt, das kaum noch ein Wagen hindurchfahren konnte. Erst als der Gutsherr ein Machtwort sprach, wurde die Straße auf eine festgelegte Breite geräumt.

Der Riesenstein Bei Borkow hauste ein Riese. Der verfolgte misstrauisch, wie die Menschen in Woserin eine Kirche bauten. Er konnte nämlich das Glockengeläut nicht ausstehen, weil er davon fürchterliches Ohrensausen bekam. Als die Kirche schon fast fertig war, wollte er sie zerstören. Er suchte sich einen großen Stein und stieg auf den Wiedenberg bei Borkow. Von dort schleuderte er mit ganzer Kraft den Stein auf die Kirche. Doch er hatte sich überschätzt. Die Kirche war weiter entfernt, als er dachte. So flog der Stein nur bis an die Woseriner Feldmark und fiel zur Erde.

Der Teufelsstein Im Hütterfelde südlich des schwarzen Sees bei Woserin steckt ein großer Findling in der Erde. Der Teufel, der bekanntlich die Kirchen nicht liebt, hatte die Absicht, die Woseriner Kirche mit einem großen Stein zu zerschmeißen. Er nahm den größten Stein, den er finden konnte. In seiner Wut hatte er nicht bedacht, das so ein Stein schwerer als ein gewöhnlicher war. Er warf daher zu kurz, und der Stein fiel schon an der Grenze zu Woserin herunter. Weil der Teufel mit dem Stein zu tun hatte, traute sich wohl keiner, ihn zu zerschlagen. So liegt er auch jetzt noch an der Grenze zu Borkow.

52 Woseriner Sagen QUELLENVERZEICHNIS Internetversion Literatur Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde (MJB). Mecklenburgisches Urkundenbuch (MUB). Julius Freiherr von Maltzan: Einige gute Mecklenburgische Männer, Wismar 1882. Chronik Woserin von Hans Baguhl, um 1930. Fred Ruchhöft: Die Entwicklung der Kulturlandschaft im Raum Plau – Goldberg im Mittelalter, Rostock 2001. Friedrich Schlie: Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Großherzogthums Mecklenburg-Schwerin, Band IV, Schwerin 1896ff. «Der Demokrat», Zeitung der CDU , 1946 – 48. «Güstrower Zeitung», «Mecklenburgische Zeitung», 1896 – 1932. «Mecklenburger Bote», 1898 – 1945. «Niederdeutscher Beobachter», 1932 – 41. Bestände des Mecklenburgischen Landeshauptarchiv Schwerin (LHA): • Regestenkartei • Ministerium für Landwirtschaft Domänen und Forsten (MfLDF) • Großherzogliches Amt Warin (Domanialamt Warin) • Oberste Verwaltungsbehörde des Großherzoglichen Haushalts (OVBdGH) • Siedlungsamt • Lehnakten • Kirchenvisitationsprotokolle • Rat des Kreises Güstrow • Die Direktorialvermessungskarte von 1768 • Die Schmettausche Karte von 1788 • Die Wiebekingsche Karte von 1786

Fotos Private Aufnahmen

Quellenverzeichnis 53 IMPRESSUM Internetversion Herausgeber Gemeinde Borkow 2009

Inhalt Ralf-Rudolf Berg (Dobbertin) Helga Böhnke (Dabel) Olaf Lorenz (Borkow) Andre van Uehm (Woserin) Dr. Tilo Schöfbeck (Schwerin) Detlef Witt (Greifswald)

Lektorat Katharina Kuhlmann (Dabel)

Layout & Satz Annika Lorenz (Berlin)

Druck Güstrower Werkstätten GmbH Außenstelle Druckerei

54 Impressum Internetversion

Flurnamenkarte der Gemarkung Woserin maßstabslos

Zeichnung: Andre van Uehm, 2009 Internetversion

Lagepläne Woserin 1849 (oben) und 1939 (unten)

Zeichnungen: Andre van Uehm, 2009