037_Buch-Wittwer_LY22.indd 1 06.04.16 18:17 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 2 06.04.16 18:17 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 1 08.04.16 16:45 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 2 06.04.16 18:17 3

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 3 06.04.16 18:17 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 4 08.04.16 16:45 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 5 06.04.16 18:17 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 6 06.04.16 18:17 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 7 06.04.16 18:17 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 8 06.04.16 18:17 Mai 1945

Von den zwanzig höchsten Erhebungen im flachen Berlin sind nur acht natürlich entstanden. Die anderen sind „Trümmerberge“, in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Schutt der einst blühenden Hauptstadt errichtet. Im Volkspark Friedrichshain stehen der Große Bunkerberg (78 Meter hoch) und der Kleine Bunkerberg (48 Meter), der die Reste des 1946 von der Roten Armee gesprengten Feuerleitturms bedeckt. Zusammen mit dem benachbarten Gefechtsturm bildete der Feuerleitturm den Flakbunker Friedrichshain. Dass diese militärische Anlage, 1941 auf Befehl Hitlers errichtet, vor allem Kunst­ historikern ein Begriff ist, liegt am schmerzenden Verlust von fast 500 Kunst­ werken nur wenige Tage nach dem Ende der Schlacht um Berlin. Der Verbleib der Werke ist bis heute nicht restlos geklärt.

Unmittelbar nach Kriegsausbruch am 1. September 1939 wurde die Schließung der Berliner Museen angeordnet, ihre Sammlungen wurden zunächst in die Keller der Museen verbracht, den wertvollsten Werken wurde ein Platz im Tre­ sorraum der neuen Reichsmünze zugewiesen, der als besonders sicher galt. Bereits die ersten Luftangriffe der Alliierten zeigten jedoch, dass die Museums­ schätze auch hier nur ungenügend vor den Bomben geschützt waren. Ende Sep­ tember 1941 begannen die Kunsttransporte zu den soeben erbauten Flakbunkern am Zoologischen Garten und im Volkspark Friedrichshain. In letzterem fanden die wertvollsten Werke des Kaiser-Friedrich-Museums Schutz, dessen Samm­ lungen später den Grundstock der Gemäldegalerie und des Bode-Museums bildeten. Doch der Vormarsch der Roten Armee führte zu der späten Entschei­ dung, die Sammlungsbestände ganz aus Berlin zu evakuieren. Während Hitler von seinen Soldaten und der Zivilbevölkerung ein „Halten um jeden Preis“ forderte, wurden die Kunstwerke ab Juni 1944 in stillgelegte Salz- und Kaliberg­ werke ausgelagert. Am 8. März 1945, angesichts der sich abzeichnenden Nieder­ lage, befahl Hitler die umgehende Überführung der wertvollsten Kunstschätze in Gebiete, die von den Briten und Amerikanern besetzt werden würden. Zwischen 11. März und 7. April 1945 verließen zehn Transporte die Flakbunker. Zum wichtigsten Bergungsort der Berliner Museen wurde eine Kaligrube

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 9 06.04.16 18:17 in Thüringen, die am 8. April amerikanische Truppen besetzten. Sie entdeckten in den Schächten nicht nur große Teile des Reichsbankgoldes, sondern auch die Büste der Nofretete und tausende weitere Kunstwerke. In Berlin setzten die blutigen Kämpfe den Kunsttransporten vorzeitig ein Ende – und umfangreiche Bestände verblieben in den beiden Bunkern. Im Bunker am Zoo lagerten unter anderem der Pergamon-Fries und Schliemanns Priamos-Schatz, im Volkspark Friedrichshain harrten über 430 Bilder der Gemäldegalerie ihres Schicksals.

Am 1. Mai 1945 besetzten sowjetische Truppen den Bunker am Zoo, Trophäen­ brigaden brachten im Juni erste Kunstwerke nach Moskau. Im Bunker in Fried­ richshain brach Anfang Mai ein Feuer aus, das das erste Geschoss zerstörte. Dem dringenden Ersuchen des Generaldirektors der Staatlichen Museen Otto Küm­ mel an den sowjetischen Kommandanten, das Depot zu bewachen, wurde nicht entsprochen: Deutsche und Russen gingen ungehindert ein und aus, m­ angels elektrischen Lichts mit Papierfackeln ausgerüstet. Zwischen 14. und 18. Mai brannte es erneut. Als wenig später sowjetische Trophäenbrigaden den Bunker betraten, fanden sie unter Schutt und Asche nur noch durch die große Hitze in Kalk verwandelte Marmorskulpturen.

Wie viele Werke vor den Bränden von Plünderern gestohlen wurden, ließ sich nie ermitteln. Einige wenige Bilder tauchten Jahrzehnte später in Privat­ sammlungen auf. In den sowjetischen Transportlisten tauchten keine der 434 im F­ riedrichshainer Flakbunker verbliebenen Gemälde aus der Sammlung des ­Kaiser-Friedrich-Museums auf – was als Indiz dafür gelten mag, dass sie tatsäch­ lich den Flammen zum Opfer fielen. Unter den verlorenen Werken befinden sich zehn Werke von Rubens, je fünf von van Dyck und Veronese und drei von Caravaggio. Der Schauplatz dieser Tragödie verschwand unter 2,1 Millionen Kubikmeter Kriegsschutt.

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 10 06.04.16 18:18 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 11 06.04.16 18:18 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 12 06.04.16 18:18 Uwe Wittwer – Im Widerschein

Galerie Judin

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 13 06.04.16 18:18 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 14 06.04.16 18:18 Im Widerschein Juerg Judin und Pay Matthis Karstens

Uwe Wittwer bevorzugt das Arbeiten in breit angelegten Werkgruppen, die er über Jahre hinweg im thematischen Kern vertieft und an den motivischen Rän­ dern ständig erweitert. Die Überschaubarkeit der gewählten Themen, die Gleichzeitigkeit ihrer Fortführung und die Hierarchielosigkeit der eingesetzten Medien (Ölbild, Aquarell und Inkjet) ermöglichen ihm eine enorme Verdichtung der Bildsprache, die er durch das Erschließen stets neuer Bildquellen scheinbar unendlich fortführen kann. Die mehr als hundert in der Ausstellung Im Wider- schein – Scherben präsentierten Werke (94 Aquarelle und 10 Gemälde, alle 2016 entstanden) führen auf den ersten Blick Wittwers mit Abstand umfangreichste Serie fort: die Appropriation von Gemälden Alter Meister – ein Thema, das Wittwer praktisch ohne Unterbrechung seit 1991 beschäftigt. In den späten 1980er Jahren, während eines längeren Aufenthaltes in London, studierte er intensiv die Sammlungen der National Gallery, die gleichsam zu seinem Refe­ renzmuseum wurde. Diese Auseinandersetzung mit den großen Meistern der abendländischen Malerei wurde für den Autodidakten Wittwer zum künstleri­ schen Schlüsselerlebnis, das 1989 zu seiner Abkehr von der Abstraktion führte und einer Zuwendung zur figürlichen Malerei – in der damaligen Zeit keine populäre Strategie. In den seither entstandenen Alte-Meister-Aneignungen lässt sich eine deutliche Präferenz für das niederländische 17. Jahrhundert und dessen ruhige, kontemplative Stillleben und bürgerliche Interieurs erkennen, die sich für Wittwers subtile Verfremdungen anboten. Und nun dies: Widerschein nach Cranach, nach Lippi, nach Goya, gar nach Caravaggio – die wie immer fast ­lapidaren Titel der neuen Serie von Aquarellen lesen sich wie ein „Who’s who“ der abendländischen Kunstgeschichte. Die scheinbare Willkür dieser Vermen­ gung von Epochen, Schulen und Genres erstaunt und wirft die Frage nach einem Strategiewechsel Wittwers auf.

Doch den Schlüssel zum Verständnis dieser Ausstellung bieten nicht derartige kunsthistorische Kategorien, sondern die Provenienz der Gemälde, auf denen alle Aquarelle basieren: Der Künstler fand sie allesamt auf der Liste von Kriegs­ verlusten der Berliner Gemäldesammlung. Und so kommen bei dieser Serie

15

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 15 06.04.16 18:18 zum offensichtlichen Thema der „Alte-Meister-Appropriation“ zwei weitere zentrale Interessen Wittwers hinzu. Da ist einerseits seine Beschäftigung mit Verlust, Vergänglichkeit und dem Erblassen der Erinnerung, die sich wie ein roter Faden durch sein Werk zieht. Andererseits erhält die Serie durch die Geschichte der verlorenen Berliner Bilder eine autobiografische Dimension: Der Vater des Künstlers, aufgewachsen zwischen den Weltkriegen in der ehemals preußischen Provinz Pommern, harrte fast bis zum Ende von Hitlers Herrschaft im blutig umkämpften Berlin aus. Diesen Teil der Familiengeschichte thematisierte ­Wittwer in der Serie Verwehung (2008), für die er im Internet gefundene Foto­ grafien der ländlichen Idylle vor dem Krieg und der folgenden Flucht und Ver­ treibung zu Bildern verarbeitete. Die Zerstörung der in Berlin verbliebenen Alten Meister kann also als eine Ausweitung dieser Serie gesehen werden. Weder mit Verwehung noch mit Widerschein begibt sich Wittwer auf eine historische Spu­ rensuche, er huldigt auch keinem sentimentalen Erinnerungskult. Wittwers Beschäftigung mit Untergang und Vergänglichkeit ist stets frei von Larmoyanz. Er untersucht vielmehr die Veränderung der Aussagekraft von Bildern mit fort­ schreitender Zeit und Wissen um die historischen Ereignisse. Geradezu kühl analysiert er den Bedeutungs- und Wahrheitsgehalt von ins Netz gestellten Bildern und unser Verhältnis zu ihnen – eine Untersuchung, die ihn schon so lange beschäftigt, wie es das World Wide Web gibt.

Im Internet ist Wittwer denn auch auf die Verluste der Berliner Sammlung ­gestoßen, als er im Sommer 2015 deren Bestandskatalog für ein anderes Projekt (eine gemeinsame Ausstellung mit dem Künstler Slawomir Elsner in der Zürcher Galerie Lullin + Ferrari) systematisch durchforstete. Wittwer und Elsner waren übereingekommen, unabhängig voneinander Bilder aus der von beiden hochge­ schätzten Berliner Gemäldegalerie auszusuchen und zu referenzieren. Sie ent­ schieden sich für Papier als Trägermedium und legten fest, die Größen der Origi­ nale zu übernehmen. Entsprechend ihren bevorzugten Techniken ging Elsner mit Farbstiften ans Werk, während Wittwer farbige Aquarelle vorsah. Bei der Recherche im Bestandskatalog machten Wittwer die Textverweise auf die zahl­ reichen im Flakbunker Friedrichshain verbliebenen und möglicherweise zerstör­ ten Gemälde stutzig. Er ging den Hinweisen nach, fand die Werke auf der Lost-Art-Website, einer Datenbank, die vom Deutschen Zentrum für Kulturgut­ verluste betrieben wird, und beschloss, sich für die Ausstellung mit Elsner auf verschollene Werke zu konzentrieren. Dass ihm von den Bildern nur Schwarz- Weiß-Aufnahmen zur Verfügung standen, veranlasste den Künstler, die ­ relle ebenfalls in Schwarz-Weiß auszuführen und zudem ins Negativ zu verkeh­ ren. Letzteres ist mehr als ein ästhetisches Stilmittel, es ist vielmehr eine Verdeutlichung und Betonung des Transfer-Aktes und somit gewissermaßen eine Offenlegung seiner Strategie.

Bereits während der Arbeit für die Zürcher Ausstellung setzte sich bei Wittwer der Plan fest, den Zyklus fortzusetzen, zumal eine umfangreiche Ausstellung in der Galerie Judin in Berlin anstand. Die Größenordnung der Verluste vom Mai 1945 und die Fülle der Sujets legten eine zusammenhängende Werkgruppe nahe, vergleichbar mit der 90-teiligen Serie Monogatari (2014) oder den 77 Aquarellen der Verwehung. Dass es schließlich 94 Werke wurden, ist keinem Vorsatz

16

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 16 06.04.16 18:18 geschuldet. War er in seiner Wahl der zu referenzierenden Bilder für die Zürcher Ausstellung noch stark durch deren Formate eingeschränkt, konnte er nun völlig frei wählen. Er hielt sich dabei nicht an vorab festgesetzte Kriterien, sondern entschied spontan beim Sichten der Liste. Zwar finden sich unter den 94 Sujets durchaus einige seiner Lieblingsmaler (notabene: Niederländer), aber er wählte auch Werke von Malern, die er weniger schätzt.

So heterogen die Auswahl schließlich ausfiel und so unterschiedlich die Formate – mit einem Kunstgriff hat Wittwer die Stringenz der Serie sicherge­ stellt: die 94 Aquarelle sind ausschließlich in Rot gehalten. Diese Farbe zählt seit nunmehr 25 Jahren zu den ästhetischen Konstanten in seinem Werk. Bei den Ölgemälden bildet sie meistens gar die Grundlage der Bildschöpfung: Wittwer überzieht nahezu alle Bildgründe mit einer Schicht aus , einem synthetischen Pigment rötlich-violetter Farbigkeit. Diese traditionelle Grun­ dierung, die Wittwer von den Alten Meistern übernahm, sorgt für vielschichtige Farberlebnisse, die der Künstler selbst als „vibrierend“ beschreibt. Mit den ­vor ­liegenden Blättern hat Wittwer den Farbton, der vielfältige Assoziationen ­zwischen den Polen Gewalt und Liebe hervorruft, zum Ausgangspunkt einer umfangreichen Werkgruppe erhoben. Letztlich erobert Wittwer das gesamte Spektrum roter Farbe, das sich von einem blassen bis zu dunklem Bor­ deaux erstreckt. Nur gelegentlich sind die roten Farbnuancen mit braunen oder nahezu schwarzen Partien kontrastiert. Das liegt auch in Wittwers Anliegen begründet, die Abwesenheit der rezipierten Bildwerke mit der Abwesenheit anderer Farben zu spiegeln.

Neben der weitgehend einheitlichen Farbigkeit tragen auch die nur leicht variie­ renden Formate der Aquarelle zur ästhetischen Geschlossenheit dieser Serie bei. Die formale Homogenität steht in großem Gegensatz zum breit gefächerten motivischen Spektrum, das den typischen Querschnitt einer musealen Samm­ lung europäischer Kunst bietet: Blumenstillleben treffen auf Heilige im Marty­ rium, Meisterwerke der Kunstgeschichte auf gefällige Nebenerscheinungen und große Namen auf kaum zuzuschreibende Werkstatt­arbeiten. Es ist ein Quer­ schnitt, der nicht zuletzt Fragen nach der Lebensdauer ästhetischer und kunsthis­ torischer Maßstäbe aufwirft.

Um sich diesen musealen Motivkanon künstlerisch anzueignen, hat Wittwer zahlreiche Verfremdungseffekte eingesetzt. Die Kompositionen der Referenz­ werke wurden variiert, übermalt oder ins Negativ verkehrt. Daneben kamen insbesondere Methoden der Collage zum Einsatz. Wittwer wählte Bildaus­ schnitte und kombinierte Versatzstücke. Häufig sind Elemente der Ausgangs­ werke verschwommen, verhängt oder geradezu herausgeschnitten. Besonders oft entfernte der Künstler die dargestellten Personen. Meist markiert lediglich eine von der Umgebung geformte Silhouette die Abwesenheit der Porträtierten, beispielsweise bei Wittwers Reflexion des Familienbildes von Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (Abb. S. 55): Hier sind dunkle Linien blutgleich in den Bildbe­ reich geronnen, in dem die Dargestellten platziert waren. Auf diese Weise sind Leer­ stellen entstanden. Sie geben den Blick auf das Papier frei, das dadurch zu einem zentralen Gestaltungselement der Serie wurde.

17

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 17 06.04.16 18:18 Durch den Einsatz solcher collageartiger Verfremdungsmethoden steht Wittwer nicht zuletzt in der Tradition der Dadaisten, die vor einem Jahrhundert mit der Collage den Scherbenhaufen ins Bild setzten, den der Erste Weltkrieg hinterlas­ sen hatte. Die entsprechenden politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Rudimente und Brüche sowie das Neben- und Übereinander von Altem und Neuem wurden mit der Collage künstlerisch-ästhetisch adäquat gespiegelt. Diese Gleichsetzung der realen und künstlerischen Erscheinung ist auch bei Wittwers Aquarellen auszumachen. Der Künstler begreift die Collage deshalb nicht nur als zentrale ästhetische Methode der vorliegenden Serie, ­sondern als ihr übergeordnetes Thema. Stark beeinflusst hat ihn die Beschäftigung mit der von William S. Burroughs in den 1960er Jahren eingesetzten „Cut-up-Methode“. Sie gehört zu den radikalsten literarischen Neuerungen des postmodernen Schrift­ stellers, die diesem erlaubte, eigene, aber auch fremde Texte zu „zerschneiden“ und neu anzuordnen.

Für Wittwer hat die Collage durch die Bildwelten des Internets und die Möglich­ keiten digitaler Bildbearbeitung eine neue Legitimation und Brisanz erhalten. Das ästhetische und inhaltliche Potenzial des Verfahrens für das zeitgenössische Kunstschaffen hat er mit den vorliegenden Aquarellen eindrucksvoll demonst­ riert: Mit Schnitten, Versatzstücken und Leerstellen ist es ihm gelungen, das ästhetische und narrative Vermögen der vermutlich zerstörten Werke mit seinen eigenen künstlerischen Fragen zu verknüpfen.

Gelegentlich können die collageartigen Interventionen Wittwers gar als Negation der altmeisterlichen Ausgangswerke verstanden werden. Dies trifft beispiels­ weise auf die ins Negativ verkehrte Reflexion des Bildnisses Miss Sarah Mariott von George Romney zu (Abb. S. 52). Die beiden massiven weißen Linien, die sich im Zentrum des Blattes kreuzen, könnten das Bild im Sinne einer Collage zerschneiden oder den Bildinhalt schlichtweg durchstreichen. In anderen Fällen hat W­ ittwer diese Negationsgebärde gesteigert. Hierzu zählen unter anderem die Aquarelle, die nach einem Fruchtgehänge von Cornelis de Heem (Abb. S. 2 und 40) und einer Kopie vom Martyrium des Heiligen Bartholomäus von Jusepe de Ribera (Abb. S. 7 und 51) entstanden. Beide Blätter werden von kräftigen Linien bestimmt, die sich gleich einem Netz über das Ausgangsmotiv legen und es weitgehend verdecken. Ohne Zuhilfenahme des Titels wäre die ursprüngliche Komposition kaum auszumachen.

Mit dieser Art von Übermalung wird der Verlust der Werke aus dem Kaiser- Friedrich-Museum in besonderer Weise greifbar. Für einen Moment taucht das verschollene, oft nur als Schwarz-Weiß-Abbildung überlieferte Kunstwerk als farbige künstlerische Reflexion wieder auf, um gleich darauf unter schwung­ vollen Pinselstrichen wieder zu verschwinden. Das rezipierte Werk geht somit abermals verloren. Den entsprechenden Vorgang hat Wittwer selbst als Dekons­ truktion beschrieben: „Zunächst rekonstruiere ich das Bild in meinem Kopf. In meinen Aquarellen mache ich das aber nicht. Sie sind keine Rekonstruktionen der Bilder. Im Gegenteil: ich dekonstruiere sie eigentlich noch einmal, ich zerlege sie weiter.“ Am Ende dieses Prozesses bleiben nach Wittwer allein „Erinne­ rungsfetzen“ übrig.

18

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 18 06.04.16 18:18 Wittwer intervenierte nicht nur kompositorisch. Die Dargestellten der Gemälde hat der Künstler ebenso wenig verschont – und wiederholt zu Opfern von Gewalt gemacht. So sind zweifach verwundete Werke entstanden. Hierzu zählt beispielsweise Wittwers Transformation des großformatigen Bildnisses eines Vaters mit seinem Sohn von Giovanni Battista Moroni aus der Spätrenaissance (Abb. S. 3 und 46). Mit kräftigen, farbschweren Pinselstrichen in dunklem Bordeaux hat Wittwer die beiden Protagonisten aneinandergebunden, geradezu gefesselt. Aus dem Generationenbildnis für die Ahnengalerie ist eine Geiselnahme ge­ worden. Ähnlich ist es einer Porträtierten aus dem 18. oder 19. Jahrhundert ergan­ gen, die sich auf dem Damenbildnis findet, das in der Art des schottischen Porträ­ tisten Henry Raeburn entstand (Abb. S. 8 und 50). Auch aus dieser eleganten Dame, die den Betrachter erhobenen Hauptes und süffisanten Blickes adressiert, ist bei Wittwer eine Geisel geworden. Er hat ihr ein nahezu schwarzes Band vor die Augen geschoben. Mit dieser Augenbinde hat Wittwer die resolute Erscheinung der Portraitierten nicht nur gebrochen, sondern geradezu konterkariert: Aus der souveränen Betrachterin ist eine ausgelieferte Betrachtete geworden.

Durch derartige Eingriffe sind Bilder entstanden, die nicht zuletzt die Gewalt­ exzesse des Krieges spiegeln, denen die zugrundeliegenden Gemälde ausgeliefert waren. Dem Künstler zufolge wurden die Aquarelle wie ihre Referenzwerke somit auch zu einer „Metapher für das, was außerhalb des Flakbunkers physisch mit den Menschen passiert ist“.

Mit der vorliegenden Werkgruppe verfolgt Wittwer nach eigener Aussage kein moralisches Anliegen: „Ich habe ja keinen Heils- oder Rettungsauftrag!“ Ohne­ hin begreift Wittwer das historische Ereignis nicht als Thema seiner Aquarelle, sondern vielmehr als deren Anlass. Seine Serie versteht er folglich weder als Aufarbeitung der kulturellen Kriegsverluste noch als Aufforderung, das Schicksal der reflektierten Bildwerke zu klären. Seine Zielsetzung ist eine andere. Ausge­ hend von einem Stil- und Motivkanon, der dem Betrachter durch die zentralen musealen Sammlungen europäischer Kunst zumindest unterbewusst vertraut ist, kann Wittwer nachhaltige Irritationsmomente schaffen. Ein ästhetischer und motivischer Zwischenraum entsteht. Den Betrachter in ebendiesen Raum zwi­ schen Bekanntem und Unbekanntem zu führen, ist das erklärte Ziel des Künst­ lers: „Mich interessiert, was in dem Moment passiert, wenn man den Werktitel liest und die Assoziation zu dem genannten Künstler macht. Plötzlich greifen alle tradierten Wertsysteme nicht mehr. Denn ich liefere ja keinen van Dyck, ich liefere auch keinen de Heem. Ich liefere ja einen Wittwer!“

19

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 19 06.04.16 18:18 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 20 06.04.16 18:18 Im Widerschein Widerschein nach Widerschein nach van Anraedt Baldung

21

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 21 06.04.16 18:18 Widerschein nach Widerschein nach Bassano Bassano d. J.

22

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 22 06.04.16 18:18 Widerschein nach Widerschein nach Widerschein negativ nach Beccafumi Bellini Benson

23

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 23 06.04.16 18:18 Widerschein negativ nach Widerschein nach Berchem Bertucci

24

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 24 06.04.16 18:18 Widerschein nach Widerschein nach Widerschein nach van Beyeren Botticelli Botticini

25

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 25 06.04.16 18:18 Widerschein nach Widerschein negativ nach Widerschein negativ nach Boursse Breu d. Ä. Breu d. Ä.

26

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 26 06.04.16 18:18 Widerschein nach Widerschein nach Widerschein nach Bril Bronzino Le Brun

27

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 27 06.04.16 18:18 Widerschein nach Widerschein negativ nach Widerschein nach van de Cappelle Caravaggio Carpaccio

28

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 28 06.04.16 18:18 Widerschein nach Widerschein nach Widerschein negativ nach Chardin Claesz Cornelisz

29

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 29 06.04.16 18:18 Widerschein negativ nach Widerschein nach Widerschein negativ nach Courtois Cranach d. Ä. Cranach d. Ä.

30

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 30 06.04.16 18:18 Widerschein nach Widerschein nach di Credi Cuyp

31

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 31 06.04.16 18:18 Widerschein negativ nach Widerschein nach Widerschein nach Cuyp van Dalen Desmarées

32

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 32 06.04.16 18:18 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 33 06.04.16 18:19 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 34 06.04.16 18:19 Widerschein negativ nach Widerschein nach Widerschein nach Desmarées Domenichino van Dyck

35

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 35 06.04.16 18:19 Widerschein nach Widerschein negativ nach Widerschein negativ nach Fiorentino Flinck da Fossano

36

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 36 06.04.16 18:19 Widerschein nach Widerschein nach Widerschein nach Fyt del Garbo Ghirlandaio

37

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 37 06.04.16 18:19 Widerschein nach Widerschein negativ nach Widerschein nach Govaerts de Goya van Haecht

38

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 38 06.04.16 18:19 Widerschein nach Widerschein nach van der Hagen Heda

39

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 39 06.04.16 18:19 Widerschein negativ nach Widerschein negativ nach de Heem de Heem

40

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 40 06.04.16 18:19 Widerschein nach Widerschein negativ nach Widerschein nach Hobbema Hoyer de Hulst

41

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 41 06.04.16 18:19 Widerschein nach Widerschein nach van Huysum Jordaens

42

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 42 06.04.16 18:19 Widerschein negativ nach Widerschein negativ nach Widerschein nach Kalf de Keyser Lelienbergh

43

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 43 06.04.16 18:19 Widerschein nach Widerschein nach Widerschein nach Lippi Lippi Massys d. Ä.

44

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 44 06.04.16 18:19 Widerschein nach Widerschein nach Widerschein negativ nach Meister der Figdorschen Kreuzabnahme de Momper de Momper

45

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 45 06.04.16 18:19 Widerschein nach Widerschein nach Moreelse Moroni

46

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 46 06.04.16 18:19 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 47 06.04.16 18:20 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 48 06.04.16 18:20 Widerschein nach Widerschein nach Palamedesz del Piombo

49

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 49 06.04.16 18:20 Widerschein nach Widerschein nach Raeburn Raffael

50

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 50 06.04.16 18:20 Widerschein nach Widerschein nach Widerschein nach van Reymerswaele Reynolds de Ribera

51

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 51 06.04.16 18:20 Widerschein negativ nach Widerschein negativ nach Widerschein negativ nach Rijckhals Robert Romney

52

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 52 06.04.16 18:20 Widerschein negativ nach Widerschein nach Rubens van Ruisdael

53

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 53 06.04.16 18:20 Widerschein negativ nach Widerschein nach Widerschein nach Ruysch del Sarto Savoldo

54

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 54 06.04.16 18:20 Widerschein nach Widerschein nach Teniers Tischbein d. Ä.

55

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 55 06.04.16 18:20 Widerschein negativ nach Widerschein nach Widerschein nach Treck van Utrecht van de Velde d. J.

56

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 56 06.04.16 18:20 Widerschein nach Widerschein nach Vernet (Diptychon) da Verona

57

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 57 06.04.16 18:20 Widerschein nach Widerschein negativ nach Widerschein negativ nach Vivarini van Walscapelle Weenix

58

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 58 06.04.16 18:20 Widerschein negativ nach Widerschein nach Widerschein negativ nach Weenix Weyer Wouwerman

59

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 59 06.04.16 18:20 Widerschein nach Widerschein nach Ziesenis de Zurbaran

60

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 60 06.04.16 18:20 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 61 06.04.16 18:20 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 62 06.04.16 18:21 May 1945

Of the twenty highest elevations in the flat city of Berlin, only eight are the result of natural processes. The others are so-called “Trümmerberge,” or “rubble moun­ tains,” created in the years after the Second World War from the ruins of the once flourishing capital. Volkspark Friedrichshain is the location of two of these rubble mountains, Großer Bunkerberg (Big Bunker Mountain, 78 meters high) and Kleiner Bunkerberg (Small Bunker Mountain, 48 meters high), which cover the remains of a flak tower that was detonated by the Army in 1946. Together with the neighboring battle tower, this flak tower formed the Flakbunker Fried­ richshain complex. This military complex, erected in 1941 on Hitler’s orders, is well known to art historians due to the painful loss of almost 500 artworks just a few days after the end of the Battle of Berlin. The whereabouts of the works has still not been entirely cleared up.

Directly after the outbreak of the war on September 1, 1939, the Berlin museums were closed and their collections crated. They were initially stored in the cellars of the Berlin museums, while the most valuable works were moved to the safety of the new Reichsmünze (National Mint), which was considered especially secure. But the very first Allied air raids showed that the mint provided insufficient protection for the museum treasures. At the end of September 1941, art transports were begun to the recently built flak towers at Zoologischer Garten and Volkspark Friedrichshain. It was in the latter that the valuable works of the Kaiser-Friedrich- Museum found protection, a collection that later formed the basis for Berlin’s Gemäldegalerie and Bode-Museum. But the advances of the Red Army led to the late decision to evacuate the collection entirely from Berlin. While Hitler demanded that his soldiers and the civilian population keep hold at any price, the artworks were to be moved to salt and potash mines no longer in operation. On March 8, 1945, in the face of impending defeat, Hitler ordered that the most valuable art treasures be moved to the areas that would be occupied by the British and the Americans. Between March 11 and April 7, 1945, ten transports left the flak bunker. The most important location was a potash mine in Thuringia, which was occupied by American troops on April 8. In the tunnels of the mine,

63

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 63 06.04.16 18:21 the American troops discovered not only large parts of the Reichsbank’s holdings, but also the Nefertiti Bust and thousands of other artworks. In Berlin, the bloody fighting put an end to the art transports, and extensive holdings remained in both bunkers. The bunker at Zoologischer Garten, for example, still housed the Pergamon Frieze and Priam’s Treasure, discovered and brought to Germany by Schliemann, while over 430 paintings from the Gemäldegalerie awaited their fate at the bunker in Volkspark Friedrichshain.

On May 1, 1945, Soviet troops occupied the bunker at Zoologischer Garten; trophy brigades brought the first artworks to Moscow that June. At the start of May a fire broke out in the Friedrichshain Bunker destroying the first floor. The urgent pleas of the general director of the Staatliche Museen Otto Kümmel to the Soviet com­ manders to guard the depot went unheeded: Germans and Russians alike walked in and out at will, carrying paper torches due to a lack of electric . Another fire took place between May 14 and 18. When Soviet trophy brigades entered the bunker not much later, all they found in the rubble and ashes were several marble sculptures that had been transformed into by the great heat.

The number of works plundered has never been definitively established. A few works surfaced decades later in private collections. The Soviet transport lists include none of the 434 paintings from the collection of the Kaiser-Friedrich- Museum that were stored in the Friedrichshain Bunker: this might well indicate that they fell victim to the flames. The works lost include ten paintings by Rubens, five by Van Dyck and Veronese, and three by Caravaggio. The site of this tragedy was buried under 2.1 million cubic meters of war rubble.

64

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 64 06.04.16 18:21 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 65 06.04.16 18:21 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 66 06.04.16 18:21 Im Widerschein—Afterglow Juerg Judin and Pay Matthis Karstens

Uwe Wittwer prefers working in broad series where he penetrates a thematic core over a number of years, constantly expanding the motivic margins. The small number of subjects chosen, the simultaneousness of their continuation, and the absence of all hierarchy in terms of media used (oil painting, watercolor, and inkjet) allow him to achieve an enormous condensation of visual language that he can apparently continue almost endlessly by exploring constantly new image sources. At first glance the more than one hundred works presented in the exhibition Im Widerschein—Scherben (Afterglow—Shards, 94 watercolors and ten paintings, all created in 2016) continue Wittwer’s most extensive series: the appropriation of paintings of the Old Masters, a subject that has concerned the artist without interruption since 1991. In the late 1980s, during an extended stay in London, he intensely studied the collections at the National Gallery, which became something of a “museum of reference” for the artist. This engagement with the great masters of European painting became a key artistic experience for the autodidact Wittwer, leading in 1989 to his rejection of abstraction and his turn to figurative painting—not a popular strategy at the time. In the appropriations of the Old Masters which the artist has created since then, he has shown a clear preference for the Dutch 17th century and its restful, contemplative still lifes and bourgeois interiors, that seem well suited for Wittwer’s subtle defamiliarization techniques. And now this: Widerschein nach Cranach, nach Lippi, nach Goya, or even nach Caravaggio—the laconic titles of the new series of watercolors read like a “who’s who” of Western art history. The apparent arbitrariness of this mix- ­ing of eras, schools, and genres is surprising, and raises the question of whether Wittwer has changed his strategy.

Yet the key to understanding this exhibition is offered not by such art-historical categories, but by the provenance of the paintings on which all these watercolors are based. The artist found them all on a list of wartime losses from the Berlin Gemäldegalerie, one of the world’s greatest collections of Old Master paintings. Thus, in the Widerschein series two of Wittwer’s other central interests are added to the apparent issue of “appropriating the Old Masters”: on the one hand, there

67

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 67 08.04.16 11:14 is Wittwer’s abiding concern with the issues of loss, fugacity, and the fading of memory. On the other hand, this series takes on an autobiographical dimen­ sion due to the history of the lost Berlin paintings. The artist’s father, who grew up between the world wars in the formerly Prussian province of Pomerania, witnessed the Battle of Berlin, from which he fled just a few weeks before the end of Hitler’s rule. Wittwer already explored this part of his family history in his series Verwehung (Drift, 2008), for which he used photographs of the countryside idyll before the war, the subsequent flight and forced displacement as sources for his watercolors and paintings. The destruction of the Old Masters remaining in Berlin can thus also be seen as an expansion of this series. Neither in Verwehung nor in Widerschein does Wittwer engage in a historical search for traces, nor is he interested in fostering a sentimental cult of memory. Wittwer’s engagement with downfall and fugacity is always free of sentimentality. Instead, he explores the change in the validity of images with the passing of time and the knowledge of historical events. In an almost cool way, he explores the significance and truth content of images put on the Web and our relationship to them—a study that has interested him as long as the World Wide Web has existed.

It was also on the Internet that he discovered the losses suffered by the Berlin col-­ lections, as he systematically examined its holdings for a different project, a joint exhibition with the artist Slavomir Elsner at the Zurich Gallery Lullin + Ferrari. Wittwer and Elsner agreed to choose paintings from Berlin’s Gemäldegalerie which they both treasure highly, and to refer to them in their works. They decided to use paper as their medium and to recreate the size of the originals. Using their respective preferred techniques, Elsner went to work with crayons and Wittwer with watercolors. During the aforementioned research in the inventory catalogue, the textual references to the many paintings that were presumably destroyed in the Friedrichshain Flak Tower made him wonder. Wittwer followed the traces, found the works on the lost-art website, a data bank operated by the Deutsches Zentrum für Kulturgutverluste, and decided to focus on these vanished works for the exhibition with Elsner. Since only -and- photographs of the paint­ ings were available, the artist chose to execute the watercolors in and reversed the subjects to a negative image. The latter is more than an aesthetic stylistic technique, it is a clarification and an emphasis of the act of transfer and thus, in a sense, the revelation of his strategy.

While working for the Zurich exhibition, Wittwer made the decision to continue the cycle, as the extensive exhibition at Galerie Judin was forthcoming. The sheer dimensions of the losses from May 1945 and, as a result, the range of subjects to choose from, suggested a comprehensive series, comparable to the 90-part suite Monogatari (2014) or the 77 watercolors of Verwehung. That it ultimately became 94 works was not intentional. If in the Zurich exhibition he was limited in his choice of pictures to be referred to due to their formats, he could now choose freely. He didn’t keep to fixed criteria, but decided spontaneously while viewing the list. While the 94 subjects chosen include some of his favorite painters (mostly Dutch ones, notabene), he also selected works by painters he appreciates less. The formats chosen are as heterogeneous as the paintings themselves, but Wittwer secured the coherence of the series by way of a clever device: all 94 watercolors are

68

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 68 06.04.16 18:21 painted in various . This color has been an aesthetic constant in his work for 25 years now. In his oil paintings, it usually forms the foundation for his visual creations. Wittwer uses caput mortuum, a synthetic pigment of a reddish- , as primer for his canvases. This traditional grounding that Wittwer adopted from the Old Masters insures a complex experience of color that the artist himself describes as “vibrating.” Wittwer has now made this color, which evokes numerous associations between the poles of violence and love, the point of departure for this expansive new series. Ultimately, he took over the entire red spectrum, leading from a pale orange to a dark shade of Bordeaux. Only occa­ sionally do the red color nuances contrast with or virtually black sections. This is also due to his desire to reflect the absence of the received works of art in the absence of other .

Besides the monochromatic , the only slightly varying formats of the watercolors contribute to the aesthetic coherence of Wittwer’s suite of works. This formal homogeneity stands in great contrast to the widely varied range of motifs offered by the typical cross-section of an Old Master collection. Flower still-lifes encounter scenes of martyrdom, paintings of little importance mingle with masterpieces, and big names meet with non-attributable workshop pieces. It is a cross-section that not least raises questions about the life span of aesthetic and art-historical criteria.

To appropriate this canon of museum motifs in an artistic way, Wittwer uses several defamiliarization effects. The compositions of the reference works are varied, over-painted, or turned into their negative. Besides these techniques, he also uses collage methods. Wittwer selects details of an image and combines components. Frequently, certain elements of the original works are blurred, veiled, or cut out altogether. Very often, the artist removes the people depicted. Usually only a silhouette marks the absence of the person once portrayed. This applies to Wittwer’s reflection of Family Portrait by Johann Heinrich Tischbein the Elder (fig. p. 55), in which dark lines run like blood in the area of the picture where the persons portrayed were placed. In this way, gaps emerge, providing a view of the paper that thus becomes a pivotal stylistic element in this series.

By using such collage-like methods of defamiliarization, Wittwer stands in the tradition of the Dadaists, who a century ago employed collaging to translate the pile of shards that the First World War left behind into their art. Using collage enabled them to reflect the political, social, and cultural residues and fissures of that time in adequate aesthetic and artistic terms, as well as to visualize the juxta­ position and superimposition of the old and the new. The equation of real and artistic appearance can also be found in Wittwer’s watercolors. The artist thus understands collage not only as a central aesthetic method of the series in ques­ tion, but also as its overarching theme. Wittwer concedes that he has been strongly influenced by William S. Burroughs’ “cut-up” method. This aleatory literary technique, employed by the postmodernist writer in the early 1960s and considered his most radical literary innovation, allows for a finished text to be cut up into pieces and rearranged into a new text. “I am attempting to create a new mythology for the space age”, as Burroughs describes his intent.

69

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 69 06.04.16 18:21 There are several good reasons why Wittwer has now returned to the composi­ tional means of collage, that in the meantime had been dismissed as old-fash­ ioned. In his view, collage has gained a new legitimacy and explosiveness through the visual world of the Internet and the possibilities of digital editing. Wittwer’s series of watercolors impressively demonstrates the aesthetic and thematic potential of this technique for contemporary art. With cuts, fragments, and gaps, he succeeds in linking the aesthetic and narrative power of the presumably destroyed works with his own artistic inquiries.

Occasionally, Wittwer’s collage-like interventions can even be understood as a negation of the Old Masters that serve as their basis. This is true of George Rom­ ney’s Portrait of Miss Sarah Mariott, which Wittwer turned into its negative image (fig. p. 52). The two massive white lines that cross at the center of the page could cut the image, in the sense of a collage, or simply cancel the content of the image. In other cases, Wittwer has amplified this gesture of negation still fur­ ther. This includes for example the watercolor based on Cornelis de Heem’s A Garland of Fruit (figs. pp. 2 and 40) and a copy of The Martyrdom of St. Bartholomew by Jusepe de Ribera (figs. pp. 7 und 51). Both works are defined by powerful lines placed over the original motif like a net, largely concealing it. Without the help of the title, the original composition could hardly be made out. By painting over them in this way, the loss of the works from the Berlin collections becomes especially palpable. For a moment, the lost artwork, often only seen as a black-and-white reproduction, surfaces as a color reflection only to then disappear again under vigorous brushstrokes. The work is thus lost once again. Wittwer describes the emergence of these works as a process of deconstruction: “First, I reconstruct the painting in my mind. But in my watercolors, I don’t do that. They aren’t reconstructions of the paintings. On the contrary, I deconstruct them once again, I continue to dismantle them.” At the end of this process all that remains, accord­ ing to Wittwer, are “scraps of memory.”

Wittwer not only intervened in terms of composition. The people represented in the paintings have also not been spared by the artist, thus becoming victims of violence once again. These “twice-wounded” works include Wittwer’s trans­ formation of the large late-Renaissance painting Portrait of a Father with his Son by Giovanni Battista Moroni (figs. pp. 3 and 46). With powerful brushstrokes in a dark Bordeaux red, Wittwer bound the two protagonists to one another, virtually shackling them together. The cross-generational portrait intended for a family gallery has thus become a kind of evidence photo in a kidnapping case. Some­ thing similar has been done to the 18th or 19th century woman depicted in ­Portrait of a Lady, in the style of Scottish portraitist Henry Raeburn (figs. pp. 8 and 50). The elegant woman in this painting, who confronts the beholder with her head held high and a smug look on her face, has become a hostage in Wittwer’s paint­ ing. He has placed a black bar across her eyes. With his blindfold, Wittwer has not only broken the resolute appearance of the portrayed individual, but virtually counteracted it: the sovereign viewer becomes a viewed captive.

By way of such interventions, pictures have emerged that reflect the war excesses to which the paintings in question were subject. According to the artist, the

70

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 70 06.04.16 18:21 watercolors and their referential works thus became a “metaphor for what physi­ cally happened to people outside the bunker.”

In creating this group of works, Wittwer has no moral mission. “I am not inter­ ested in salvation or redemption!” In any event, Wittwer does not consider the historical event as the subject of his watercolors, but rather as the occasion for their creation. He thus sees his series not as a way of processing the cultural artifacts lost in the war, nor as a call to clarify the fates of the works involved. His goal is something else: based on a canon of styles and motifs that are familiar to the beholder from key museum collections of European art, at least on a subcon­ scious level, Wittwer is able to continuously unsettle the viewer. An aesthetic and thematic interstice emerges: the declared target of the artist is to lead the beholder to this very space between the familiar and the unfamiliar: “I am interested in what happens in the moment when the work title is read and an association is made to the artist mentioned. Suddenly, all traditional value systems lose their validity. For I’m not showing a Van Dyck or a De Heem, I’m showing a Wittwer!”

71

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 71 06.04.16 18:21 037_Buch-Wittwer_LY22.indd 72 06.04.16 18:21 Born 1954 in Zurich Recent Solo Recent Group Lives and works in Zurich Exhibitions Exhibitions

2015 2015 Uwe Wittwer. The King’s Tear, Parafin, Blow Up: Painting, Photography London and Reality, Parafin, London Slawomir Elsner/Uwe Wittwer: 2013 Abraham – Ovid – Das Andere, Uwe Wittwer. Margate Sands, Lullin + Ferrari, Zurich Lullin + Ferrari, Zurich Uwe Wittwer: In The Middle Distance, 2013 Abbot Hall Art Gallery, Kendal Das doppelte Bild: Aspekte Uwe Wittwer. Der Brief, Galerie Judin, zeitgenössischer Malerei, Kunstmuseum Berlin Solothurn

2012 2012 Uwe Wittwer. New Works, SMAC Art Review, Kunsthaus, CentrePasquArt, Gallery, Cape Town Biel Uwe Wittwer. Observers Delight, Holzwege: Schweizer Kunst aus der Void, Derry Sammlung der Mobiliar, Museo cantonale d’arte, Lugano 2011 The Observer, Haunch of Venison, Uwe Wittwer. New and Recent London Paintings, Haunch of Venison, London Uwe Wittwer. Andere Orte – Wäldchen, 2011 Nolan Judin, Berlin Watercolour, Tate Britain, London à l’eau – Aquarelle heute, Kunsthaus, 2010 CentrePasquArt, Biel Uwe Wittwer. Tainted Memory, Art + Art Gallery, Moscow 2010 Uwe Wittwer: The Unknown Exhibitionism: The Art of Display, Photographer, Lullin + Ferrari, Zurich The Courtauld Institute of Art, London

2009 2009 Uwe Wittwer. Raised Hide, Haunch Mythologies, Haunch of Venison, of Venison, London London Uwe Wittwer. Verwehung, Nolan Judin, Berlin 2008 Uwe Wittwer. Aquarelle 1999–2009, No Leftovers, Kunsthalle Bern Galerie Fred Jahn, Munich Glückliche Tage? Kinder in der Schweizer Kunst vom 18. Jahrhundert 2008 bis zur Gegenwart, Museum zu Uwe Wittwer. Arbeiten auf Papier, Allerheiligen, Schaffhausen Kunst(Zeug)Haus, Rapperswil-Jona Uwe Wittwer, Cohan and Leslie, 2007 New York Fade Away and Radiate, Cohan and Leslie, New York 2007 Hail and Snow, Haunch of Venison, 2006 Zurich Reprocessing Reality, MoMA PS1, New York 2005 Uwe Wittwer: Geblendet. Werke 2005 1990– 2005, Kunstmuseum Solothurn Blumenmythos. Von Vincent van & Ludwig Forum Aachen Gogh bis Jeff Koons, Fondation BeyeIer, Riehen/Basel

73

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 73 06.04.16 18:21 This book was published on the occasion of the exhibition Uwe Wittwer Im Widerschein – Scherben 30 April – 18 June 2016 at Galerie Judin, Berlin

Editor Juerg Judin

Co-editor Pay Matthis Karstens

Translations Brian Currid

Copyediting Pauline Cumbers Claudia Kühne

Graphic design Jakob Straub

Reproductions highlevel GmbH digitale mediaproduktion

Production DruckConcept

Typeface DTL Documenta

Paper Symbol Tatami, 170 g/m² Surbalin, 115 g/m²

© 2016 Judin GmbH and authors © 2016 for the reproduced works by Uwe Wittwer: the artist © for the works reproduced on pages 1 to 8: bpk / Gemäldegalerie, SMB

Published by Galerie Judin Potsdamer Straße 83 10785 Berlin

www.galeriejudin.com

037_Buch-Wittwer_LY22.indd 74 06.04.16 18:21