Alexander Häusler | Hendrik Puls | Janine Baleis UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER Faktoren- und Kontextanalyse zu den Ergebnissen der Bundestagswahl 2017 in Nordrhein-Westfalen

Landesbüro NRW 2 UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER

Faktoren- und Kontextanalyse zur Bundestagswahl 2017 des Forschungsschwerpunktes Rechtsextremismus/Neonazismus der Hochschule Düsseldorf im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, Landesbüro Nordrhein-Westfalen

IMPRESSUM

Herausgeber: Friedrich-Ebert-Stiftung Landesbüro NRW Godesberger Allee 149 53175 Bonn www.fes.de/landesbuero-nrw www.facebook.com/FESNRW https://twitter.com/FESNRW

Autor_innen: Alexander Häusler, Hendrik Puls, Janine Baleis

Redaktion: Petra Wilke, Arne Cremer Friedrich-Ebert-Stiftung, Landesbüro Nordrhein-Westfalen

Fotos: ohneski, mackerin, Nalla Padam, time./photocase.de Illustration und Retusche Pellens

Gestaltung: Pellens Kommunikationsdesign GmbH, Bonn

Druck: Druckerei Brandt GmbH, Bonn

© Friedrich-Ebert-Stiftung 2018

ISBN 978-3-96250-209-6

Für die inhaltlichen Aussagen dieser Veröffentlichung tragen die Autorinnen und Autoren der einzelnen Kapitel die Verantwortung. Die geäußerten Meinungen müssen nicht in allen Teilen der Meinung der Friedrich-Ebert-Stiftung entsprechen. Eine gewerbliche Nutzung der von der FES herausgegebenen Medien ist ohne schriftliche Zustimmung durch die FES nicht gestattet. STUDIE IM AUFTRAG DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 3

Alexander Häusler | Hendrik Puls | Janine Baleis UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER Faktoren- und Kontextanalyse zu den Ergebnissen der Bundestagswahl 2017 in Nordrhein-Westfalen

Vorbemerkung 4

1. Einleitung 5 1.1 Stimmverluste bei der Bundestagswahl 5 1.2 Durchbruch der AfD 6 1.3 Nichtwähler_innen-Mobilisierung 6

2. Fragestellungen und Untersuchungsaufbau 8

3. Hochburgen 10 3.1 Hochburgen der Volksparteien in NRW 10 3.1.1 Strukturelle Unterschiede zwischen den Hochburgen 11 3.1.2 Wahlergebnisse in den Hochburgen 15 3.2 Hochburgen der AfD in NRW 16 3.2.1 Strukturelle Merkmale der Hochburgen 17 3.2.2 Wahlergebnisse in den Hochburgen 18 3.3 Ergebnisse der Bundestagswahl 2017 im Ruhrgebiet 21

4. Aggregatdatenanalyse Wahlkreise 24 4.1 Thesen 24 4.1.1 Politisch-kulturelle Faktoren 24 4.1.2 Sozioökonomische Faktoren 25 4.1.3 Demografische Faktoren 25 4.2 Ergebnisse bivariater Korrelationen 24 4.3 Ergebnisse der multiplen linearen Regression 30

5. Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse 33

Anhang I Indikatoren 36 II Statistische Tests des Regressionsmodells 38

Angaben zu den Autor_innen 40 Abbildungsverzeichnis 40 Literatur 41 4 UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER

Vorbemerkung

Die vergangenen Bundestagswahlen waren in NRW geprägt im Jahr 2013 bereits in insgesamt 13 Landesparlamente ein- von den massiven Stimmverlusten der beiden Volksparteien1 gezogen war. Mit den Wahlerfolgen der rechtspopulistischen SPD und CDU, wobei es v. a. im vielfach als tradi­ tionelle­ AfD in NRW hat sich für alle etablierten demokratischen „Herzkammer“ der deutschen Sozialdemokratie bezeichne- Parteien in kürzester Zeit eine neue Konkurrentin heraus­ ten Ruhrgebiet zu tiefgreifenden elektoralen Umwälzungen gebildet, die programmatisch deutlich rechts von der Union kam. Symbolisch nannte SPD-Landeschef Michael Groschek anzusiedeln ist und zugleich versucht, in den Wettbewerb das Abschneiden seiner Partei bei der Bundestagswahl 2017 um linke Wähler_innengruppen einzudringen. (26 Prozent und damit 6 Punkte weniger als bei der Bundes- tagswahl 2013) „eine historische Niederlage“. Die SPD sei in Die vorliegende Studie folgt dem Anliegen, vertiefende Frage­ einer „existenziellen Krise“.2 Mit knapp 32 Prozent der Zweit- stellungen und Erkenntnisse über Wähler_innenwanderungen stimmen in NRW war die CDU gleichermaßen Siegerin und bei der Bundestagswahl 2017 in Nordrhein-Westfalen zu größte Verliererin der Bundestagswahlen in NRW, denn die formulieren. Partei musste mit einem Stimmverlust von 7,2 Prozent ge- genüber den Bundestagswahlen 2013 noch größere Verluste Die hohen Verluste der Volksparteien bei gleichzeitigem elek- als die SPD hinnehmen. toralen Durchbruch der rechtspopulistischen AfD stehen da- bei im Mittelpunkt der Untersuchung. Mittels deskriptiver Das Wahljahr 2017 stellt insbesondere mit Blick auf Nord­ Statistik und einer Aggregatdatenanalyse der Strukturdaten rhein-Westfalen auch deshalb eine historische Zäsur dar, denn der Wahlkreise und der Wahlergebnisse in NRW sollen räum- sowohl bei den Landtags- als auch den Bundestagswahlen liche Zusammenhänge zwischen Wahlbeteiligung, sozioöko- konnte mit der „Alternative für Deutschland“ (AfD) erstmals nomischen Faktoren und den Wahlergebnissen beleuchtet eine rechtspopulistische Partei in die Parlamente einziehen. werden. Dazu wird ein Fokus der Analyse auf die langjährigen Spätestens durch den Einzug in den NRW-Landtag im Mai Hochburgen der beiden Volksparteien CDU und SPD gelegt 2017 und dem starken Bundestagswahlergebnis im Herbst werden, um die tiefgreifenden Umwälzungen in der politi- konnte sich die AfD damit endgültig in der deutschen Par- schen Landschaft NRWs bei den vergangenen Bundestags- teienlandschaft etablieren, nachdem sie seit ihrer Gründung wahlen in ihrer historischen Dimension einordnen zu können.

Petra Wilke Leiterin des Landesbüros NRW der Friedrich-Ebert-Stiftung

Arne Cremer Landesbüro NRW der Friedrich-Ebert-Stiftung

1 Unter Volksparteien werden milieuübergreifende Großparteien mit realpolitischer Gestaltungskraft wie die CDU/CSU und die SPD verstanden, deren Bindungskräfte allerdings zunehmend erodieren (Walter 2009). 2 http://www.rp-online.de/politik/deutschland/bundestagswahl/bundestagswahl-ergebnisse-in-nrw-2017-historische-spd-verluste-im-ruhrgebiet-aid-1.7103190 STUDIE IM AUFTRAG DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 5

1. Einleitung

1.1 Stimmverluste bei der Bundestagswahl einer Entwicklung darstellt, welche sich viel eher als Tal- fahrt der Parteien manifestiert. Nach der „Glanzzeit der Die Volksparteien CDU/CSU und SPD mussten bei der Bun- Volksparteienherrschaft“ (Wiesendahl 2011a: 9) in den 1960er destagswahl 2017 die größten Stimmeinbußen aller Parteien und 1970er Jahren ist seit den frühen 1980er Jahren ein ste- verzeichnen. Die SPD verlor 5,2 Prozent, lag mit 20,5 Prozent tiger Bedeutungsverlust der Volksparteien zu konstatie- der Zweitstimmen noch unter dem Ergebnis von 2009 und ren, der seinen Ausdruck in Mitglieder- und Stimmverlusten erzielte damit ihr schlechtestes Ergebnis in der Geschichte sowie der Etablie­rung weiterer Konkurrenzparteien in den der Bundesrepublik Deutschland.3 Anders als vor vier Jahren, Parlamenten8 findet und mittlerweile in eine „gefährliche als die CDU/CSU und Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Abwärtsspirale“ (Wiesendahl 2011b: 46) mündete. SPD und deutlichen Gewinnen und einem Abstand zur SPD von rund CDU ziehe es dabei gleichermaßen herab, die Parteien 6,9 Millionen Stimmen die Wahl für sich entschieden (vgl. wiesen „nach ihrem Abstieg in ihrer volksparteilichen Mobi- Korte 2015: 10), erlitten 2017 auch die Unionsparteien emp- lisierungs- und Integrationsfähigkeit starke Verschleiß- findliche Verluste von 7,4 Prozent (CDU)4 und 9,8 Prozent erscheinungen­ auf, so dass sie sich von ehemaligen Groß- (CSU in Bayern)5. Ihr gemeinsames Ergebnis von 33 Prozent parteien der Premiumliga zu »medium sized«- Parteien zu- ist das zweitschlechteste in der Geschichte der Unions-Par- rückentwickelten“ (ebd.). teien, nur bei der ersten Bundestagswahl 1949 erzielten sie mit 31 Prozent einen noch geringeren Stimmanteil.6 Bei der Unbestritten ist, dass der elektorale Niedergang der SPD noch Bundestagswahl 2017 kamen SPD und Unionsparteien ad- stärker ausfällt als jener der Unionsparteien. Am Ende dieser diert nur noch auf 53,5 Prozent, in der Geschichte der Bun- Entwicklung könnte auch in der Bundesrepublik die Erosion desrepublik ist dies der niedrigste Anteil, den die Volkspar- der Sozialdemokratie stehen, wie sie in anderen west- und teien je auf sich vereinen konnten.7 Bezogen auf die Gesamt- südeuropäischen Ländern, beispielsweise in den Niederlan- zahl aller Wahlberechtigten konnten SPD und Unionsparteien den oder Italien, bereits eingetreten ist. Besonders bedenklich bei der Bundestagswahl 2017 nur noch 40,3 Prozent der stimmt daher in diesem Zusammenhang das Bundestags- Stimmen gewinnen (vgl. Vehrkamp/Wegschaider 2017: 9). wahlergebnis der SPD in dem vielfach als „Stammland“ be- zeichneten Nordrhein-Westfalen, das auch für alle anderen Rückblickend zeigt sich, dass das Wahlergebnis von 2013, Parteien von großer Bedeutung ist, weil in dem bevölkerungs- als beide Volksparteien wieder erhöhten Wähler_innen­ reichsten Bundesland rund ein Viertel aller Wahlberechtigten zuspruch mobilisieren konnten, vermutlich ein Ausreißer lebt (vgl. Korte 2013: 169).

3 https://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahlen/2017/ergebnisse.html 4 https://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahlen/2017/ergebnisse.html 5 https://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahlen/2017/ergebnisse/bund-99/land-9.html 6 https://wahl.tagesschau.de/wahlen/2017-09-24-BT-DE/charts/umfrage-historisch/chart_208589.shtml 7 http://wahl.tagesschau.de/wahlen/2017-09-24-BT-DE/charts/inc-umfrage-aktuellethemen-gallery/chart_209008.jpg 8 Nach den Grünen in den 1980er Jahren folgte nach der Wiedervereinigung die PDS, die sich nach dem Zusammenschluss mit der WASG zur Partei „Die Linke“ transformierte und damit ab Mitte der 2000er Jahre zu einer Partei mit bundesweiter Bedeutung entwickelte. Seit 2014 ist mit der „Alternative für Deutschland“ eine sechste parlamen- tarische Kraft entstanden. 6 UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER

Auffällig sind ebenso die deutlichen Stimmverluste bei den deten Partei in so kurzer Zeit fast der Einzug in den Bundes- sonstigen, nicht im vertretenen Parteien, deren tag (vgl. Korte 2015: 13). Mit Blick auf Nordrhein-Westfalen, Stimmanteil sich von 6,2 Prozent im Jahr 20139 auf 5,0 Pro- wo die AfD im Mai 2017 mit 7,9 Prozent bereits in den Land- zent im Jahr 201710 (minus 1,2 Prozent) verringerte. Neben tag eingezogen war, blieb sie bei den im September statt­ den Piraten (2017: 0,4 Prozent, minus 1,8 Prozent gegenüber gefundenen Bundestagswahlen mit 9,4 Prozent der Zweit- 2013) haben insbesondere die Parteien der radikalen Rech- stimmen zwar unter dem Bundesdurchschnitt, auffällig ist ten11 verloren. 2013 kamen fünf radikal rechte Parteien12 allerdings, dass sie in denjenigen Wahlkreisen überdurch- zusammen auf 1,8 Prozent der Zweitstimmen.13 In Nordrhein- schnittliche Ergebnisse erzielte, in denen die SPD starke Ver- Westfalen sank der summierte Stimmanteil der radikal rech- luste zu verzeichnen hatten: in den Wahlkreisen des Ruhr- ten Parteien von 1,5 Prozent bei der Bundestagswahl 2013 gebiets. In NRW gelang es der AfD insgesamt 928.425 Zweit- auf 0,4 Prozent bei der Bundestagswahl 2017. Die NPD brach stimmen auf sich zu vereinen, was ein Zugewinn von von 1,0 Prozent auf 0,2 Prozent ein. Es ist zu vermuten, dass 556.167 Zweitstimmen gegenüber 2013 bedeutet. Dem­ die seit 2015 programmatisch stetig weiter nach rechts- gegenüber stehen Verluste der beiden Volksparteien von außen gerückte AfD der NPD wenig Raum zur Etablierung 1.032.956 Zweistimmen (SPD: minus 470.406, CDU: minus eines eigenen, von der AfD abgegrenzten, politischen Profils 562.550).15 ließ und das Wähler_innenpotenzial für radikal rechte Parteien weitestgehend durch die AfD absorbiert werden konnte.14 Die AfD konnte 2017 von beiden Volksparteien Wähler_ innen gewinnen. Nach den Umfrageergebnissen der For- schungsgruppe Wahlen hatten 21 Prozent der AfD-Wähler_ 1.2 Durchbruch der AfD innen vor vier Jahren noch die Unions-Parteien gewählt, bei 10 Prozent der AfD-Wähler_innen handelt es sich um vor- Während „Die Linke“ und „Bündnis 90/Die Grünen“ ihr Er- malige SPD-Wähler_innen. Die größte Gruppe der AfD-Wäh- gebnis 2017 im Vergleich zur Bundestagswahl 2013 nur ge- ler_innen stellten mit 35 Prozent vormalige Nichtwähler_in- ring verbessern konnten, gewannen die FDP (plus 6 Prozent) nen bzw. Wähler_innen von kleineren, nicht im Bundestag sowie die AfD (plus 7,9 Prozent) stark hinzu. Beide Parteien vertretenen Parteien dar. Rund ein Viertel der AfD-Wähler_ waren 2013 knapp an der 5-Prozent-Sperrklausel gescheitert. innen votierte bereits 2013 für die rechtspopulistische Par- 2013 war die FDP, die 2009 das beste Ergebnis ihrer Ge- tei (vgl. Forschungsgruppe Wahlen 2017). Die repräsentati- schichte erzielt und in der Folge zusammen mit der Union ve Umfrage von infratest dimap zur Wähler_innenwande- die Bundesregierung gebildet hatte (vgl. Decker 2015a: 115), rung kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Demnach blieben erstmals auf die Rolle einer außerparlamentarischen Op­ 24,9 Prozent der AfD-Wähler_innen der Bundestagswahl im positionspartei verwiesen worden. 2017 gelang der fest im Jahr 2013 fern und 12,3 Prozent von ihnen wählten damals bundesrepublikanischen Parteiensystem etablierten Partei kleinere, nicht im Bundestag vertretene Parteien. 17,6 Pro- der Wiedereinzug in den Bundestag. Größere Fragen wirft zent hatten vormals die CDU und 8,6 Prozent vormals die der Durchbruch der AfD auf. Bei ihrer zweiten Kandidatur SPD gewählt. Als „Stammwähler_innen“ wurden 24,2 Pro- zum Bundestag konnte sie mit einem Ergebnis von 12,6 Pro- zent der AfD-Wähler_innenschaft ausgemacht (vgl. Tageschau zent als drittstärkste Fraktion in das Parlament einziehen, 2017). Diese repräsentativen Ergebnisse bilden die Wähler_ in dem somit erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik innenwanderung im gesamten Bundesgebiet ab. Daten, die eine rechtspopulistische Partei (vgl. Decker 2015b) vertreten ausschließlich die Wanderung von nordrhein-westfälischen ist, die in weiten Teilen zudem als „parteipolitisches Dach für Wähler_innen abbilden, liegen nicht vor. die Renaissance eines völkischen Nationalismus“ (Häusler 2016: 73) bezeichnet werden kann. Bei ihrer ersten Kandi- datur 2013 hatte die AfD mit 4,7 Prozent den Einzug in den 1.3 Nichtwähler_innen-Mobilisierung Bundestag nur knapp verfehlt. Ihr Ergebnis war auch insofern herausragend, als dass sich die „Alternative für Deutschland“ Die hohe Zustimmung vormaliger Nichtwähler_innen für die erst sechs Monate vor der Bundestagswahl 2013 als Partei AfD verläuft parallel zu einem bemerkenswerten Anstieg der konstituiert hatte. Niemals zuvor gelang einer neu gegrün- Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2017. Denn bis

9 https://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahlen/2013/ergebnisse/bund-99.html 10 https://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahlen/2017/ergebnisse/bund-99.html 11 Als radikale rechte Parteien wurden bei der Bundestagswahl 2017 gewertet: NPD, Die Rechte, Volksabstimmung, Deutsche Mitte. 12 Als radikale rechte Parteien wurden bei der Bundestagswahl 2013 gewertet: NPD, Die Rechte, REP, Volksabstimmung, pro Deutschland. 13 https://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahlen/2013/ergebnisse/bund-99.html 14 Dies wird auch an den Verlusten der NPD in ihrer einstigen Hochburg Sachsen deutlich, wo sie 2017 nur noch ein Drittel ihrer vormaligen Wähler_innenschaft erreichte (2017: 1,1 Prozent; minus 2,2 Prozent gegenüber 2013; minus 2,9 Prozent gegenüber 2009). 15 https://www.wahlergebnisse.nrw.de/bundestagswahlen/2017/aktuell/a000bw1700.shtml STUDIE IM AUFTRAG DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 7

2013 war die Wahlbeteiligung stets rückläufig gewesen, sie Ergebnis, dass es 2017 vor allem der AfD gelungen ist, in verringerte sich bei den Bundestagswahlen in den Jahren den sozial prekären Nichtwähler_innenhochburgen über- 1983 bis 2009 um fast 20 Prozent (vgl. Vehrkamp/Weg- durchschnittlich zu mobilisieren. Die Autoren sprechen des- schaider 2017: 9). Bei Wahlen niederer Ordnung, bei Land- halb von einem „AfD-Effekt“: tags-, Europa- oder Kommunalwahlen, blieb die Wahlbe­ teiligung in der Regel deutlich niedriger (vgl. Decker 2015a: „Die Gegenmobilisierung der etablierten Parteien in 59). Der Niedergang der Volksparteien, der sich an ihrem den typischen Wählermilieus fiel dagegen schwächer Wähler_innenschwund und ihrer abnehmenden Integra­ und in ihrem sozialen Profil weniger eindeutig aus. In tionskraft zeigte, ging also mit sinkender Wahlbeteiligung den wirtschaftlich starken Wählerhochburgen ist die einher. Es kann deshalb eine Krise der Repräsentation und Wahlbeteiligung deshalb nur unterdurchschnittlich der demokratischen Beteiligung diagnostiziert werden, die angestiegen. Gleichzeitig hat der AfD-Effekt zu einem sich dadurch auszeichnet, dass sich nicht nur weniger Men- überdurchschnittlichen Anstieg der Wahlbeteiligung schen an den Wahlen beteiligen, sondern dass vor allem die in den sozial prekären Nichtwählerhochburgen ge- sozioökonomisch und soziokulturell marginalisierten Be­ führt. Das hat die soziale Schieflage der Wahlbetei­ völkerungsschichten sich überproportional stark von der ligung reduziert“ (Vehrkamp/Wegschaider 2017: 16). Wahlbeteiligung abgewandt haben (vgl. Decker 2015a: 60). Obwohl sich die Schieflage zwischen den wirtschaftlich Seit 2013 ist erstmals wieder ein Anstieg der Wahlbeteiligung starken Wähler_innenmilieus und den wirtschaftlich schwa- zu verzeichnen. Nach einem leichten Anstieg von 0,7 Prozent chen Nichtwähler_innenmilieus zum ersten Mal seit mehr im Jahr 2013 stieg die Wahlbeteiligung bei der Bundestags- als 20 Jahren spürbar verringerte, bleibt diese Schieflage „auf wahl 2017 um 4,6 Prozent auf 76,2 Prozent an (vgl. Vehr- hohem Niveau sozial prekär“ (Vehrkamp/Wegschaider 2017: kamp/Wegschaider 2017: 9). Dieser Anstieg der Wahlbe­ 16). Da die Wahlbeteiligung 2017 in den Stimmbezirken mit teiligung lässt sich auch in Nordrhein-Westfalen nachvollzie- der niedrigsten Wahlbeteiligung mehr als doppelt so stark hen, wo er allerdings weniger stark als im Bundesdurchschnitt angestiegen ist wie in Stimmbezirken mit der höchsten ausgeprägt war. So beteiligten sich in NRW 75,4 Prozent Wahlbeteiligung, hat sich die Spreizung der Wahlbeteiligung (plus 3 Prozent gegenüber 2013) der Wahlberechtigten an aber spürbar verringert. Die anhand der repräsentativen der Bundestagswahl 2017. Zwar ist der im Jahr 2017 gemes- Stimmbezirke16 berechnete Spreizung der Wahlbeteiligung sene Anstieg der Wahlbeteiligung der zweitstärkste Anstieg betrug demnach 26,7 Prozent (minus 2,8 Prozent gegen- in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, zugleich über 2013) (vgl. Vehrkamp/Wegschaider 2017: 17). ist die Höhe der Wahlbeteiligung 2017 aber die „drittschlech- teste der Nachkriegsgeschichte“ (Vehrkamp/Wegschaider In Nordrhein-Westfalen hat sich die Spreizung des Wahl­ 2017: 16). Weiterhin partizipiert eine große Gruppe der ergebnisses 2017 von 15,5 Prozent im Vergleich zur Bundes- Wahlberechtigten nicht an der Wahl. Anders als im Jahr 2013 tagswahl 2013 auf 17,5 Prozent erhöht. Die niedrigste Wahl- ging der Anstieg der Wahlbeteiligung 2017 auch nicht mit beteiligung wurde mit 64,8 Prozent im Wahlkreis Stimmgewinnen für die beiden Volksparteien einher. In die II und die höchste Wahlbeteiligung mit 82,3 Prozent im Repräsentationslücke stieß vor allem die rechtspopulistische Wahlkreis Münster gemessen. AfD. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung kommt zu dem

16 Daten von infratest dimap. 8 UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER

2. Fragestellungen und Untersuchungsaufbau

Ausgehend von dem einleitend ausgeführten Problemaufriss schen kollektiven Eigenschaften. Dieses methodische Vor­ soll im Folgenden eine Analyse der Ergebnisse der Bundes- gehen wird als Aggregatdatenanalyse bezeichnet. „Aggre- tagswahl 2017 mit einem Fokus auf das Bundesland Nord­ gatdatenanalysen stellen damit eine bestimmte Form der rhein-Westfalen durchgeführt werden, die zwei Leitfragen Makro-Analysen dar, in denen nicht Individuen untersucht zum Ausgangspunkt nimmt: werden, sondern zusammenfassende Indikatoren“ (Jahn 2009: 173). Grundlegend für die Verwendung dieser Me- 1. Welche Partei bzw. welche Parteien profitierten vom thode in der Wahlforschung ist die soziologische Annahme, Niedergang der Volksparteien? dass Individuen in einem Interdependenzverhältnis mit ihrer sozialen und räumlichen Umgebung stehen. Mittels Aggre- 2. Welche Faktoren begünstigen eine Wahlentscheidung gatdatenanalysen können Zusammenhänge, beispielsweise für die AfD? zwischen der Arbeitslosenquote und dem Wahlergebnis einer ausgewählten Partei, bestimmt werden, allerdings ist Hinreichend gesicherte Aussagen zur Wähler_innenwande- es problematisch damit Ursache-Wirkungsketten, also Kau- rung und Wahlmotivation lassen sich nur mittels repräsen- salitäten, zu bestimmen (vgl. Jahn 2009: 173). Es besteht die tativ erhobener Befragungen individueller Wähler_innen zu Gefahr des ‚ökologischen Fehlschlusses‘, wenn von Korre­ ihren Wahlentscheidungen bei der letzten und den vorange­ ­ lationen auf der Aggregatebene auf Verhalten von Individuen gangenen Bundestagswahlen treffen. Über die einleitend geschlossen wird. bereits kurz zitierten Wahlnachbefragungen der Forschungs- gruppe Wahlen und von infratest dimap hinaus liegen solche Die Auswahl der in diese Aggregatdatenanalyse einbezo- Individualdaten für die Bundestagswahl 2017 nicht vor und genen Variablen ist zum einen mit der Verfügbarkeit von konnten mit den Mitteln, die für diese Untersuchung zur Daten begründet, zum anderen orientiert sie sich an beste- Verfügung standen, auch nicht erhoben werden. henden Erkenntnissen über die Bedingungen elektoraler Erfolge von Rechtsaußen-Parteien, da vor allem das hohe Aufgrund fehlender für die Untersuchung geeigneter Indi­ Ergebnis der AfD erklärungsbedürftig ist. Erst auf Basis der vidualdaten wahlberechtigter Bürger_innen zur Bundestags- Analyse des AfD-Erfolgs können die Stimmverluste der Volks- wahl 2017, muss ein anderes methodisches Vorgehen sowie parteien erklärt und die massiven Verschiebungen in der eine andere Datengrundlage gewählt und das Wahlergebnis politischen Landschaft in NRW nach den Bundestagswahlen auf der Makroebene mithilfe von Aggregatdaten analysiert eingeordnet werden. werden. Im Fokus der Analyse stehen daher nicht einzelne Wähler_innen mit ihren Wahlentscheidungen und ihren per- Die Autor_innen dieser Studie ordnen die AfD in das Spek- sönlichen, sozialen wie politischen Hintergründen, sondern trum der Rechtsaußen-Parteien ein und vermuten, dass sie die aggregierten Informationen aller Wahlberechtigten in bei der Bundestagswahl 2017 in der Wähler_innenschaft Nordrhein-Westfalen. Die der Untersuchung zugrunde lie- radikal rechter Parteien Zustimmung mobilisieren konnten. genden Daten enthalten relevante Informationen über die Außerdem werden Zusammenhänge des Grads des Wohl- Wahlkreise, welche sich als strukturell gegliederte Räume stands bzw. der Armut, des Ausländeranteils, der Bevölke- nicht nur hinsichtlich der Wahlergebnisse, sondern auch hin- rungsdichte und der Wahlbeteiligung in einem Wahlkreis sichtlich ihrer sozioökonomischen Struktur zum Teil erheblich mit dem Abschneiden der AfD vermutet. Ausführungen zu unterscheiden. Gesucht werden also Zusammenhänge zwi- den der Auswahl der Indikatoren zu Grunde liegenden The- STUDIE IM AUFTRAG DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 9

sen finden sich in Kapitel 4.1. Diese, die Analyse strukturie- dung der Bundesrepublik als Herzkammer der Sozialdemo- render Thesen, ergeben allerdings keine starke Theorie zur kratie, muss dieses Bild wohl spätestens mit den Wahlergeb- Erklärung des Wahlergebnisses. Mittels der Aggregatdaten- nissen aus dem Jahr 2017 und den dort durch die AfD er- analyse ist erklärbar, in welchen sozialräumlichen Konstel­ zielten Wahlerfolgen zumindest teilweise relativiert werden. lationen bestimmte Parteien erfolgreich sind. Möglich ist Darüber hinaus werden mit Hilfe von Mittelwertvergleichen also die Erstellung einer Kartografie der Wahlentscheidung, sozioökonomische und demografische Unterschiede zwischen welche die sozioökonomischen und demografischen Struk- den Hochburg-Wahlkreisen herausgearbeitet. Hierbei gewon­ turen einbezieht. Die Ergebnisse dieser Analyse können als nene Erkenntnisse fließen in die Formulierung von Thesen Grundlage für weitere Forschungsvorhaben genutzt werden. für die folgende Aggregatdatenanalyse ein.

Die Untersuchung ist in mehrere Analyseschritte aufgeteilt, Die in Kapitel 4 durchgeführte Aggregatdatenanalyse prüft bei denen neben der Aggregatdatenanalyse weitere metho- schließlich Zusammenhänge ausgewählter sozioökono- dische Zugänge genutzt werden. Mit Hilfe einer deskriptiven mischer, demografischer und politisch-kultureller Indikatoren Statistik werden im Kapitel 3 Spezifika der Wahlergebnisse mit dem Wahlergebnis der AfD in den 64 nordrhein-westfä- von SPD, CDU und AfD in deren Hochburgen herausgear- lischen Wahlkreisen, da insbesondere die AfD für die elek- beitet. Insbesondere für die Volksparteien sind ihre Hoch- toralen Umbrüche verantwortlich gemacht werden kann. burgen traditionell entscheidende Faktoren bei Wahlen, die Die Indikatorenanalyse zum Wahlerfolg der Partei dient folg- es für sie zu gewinnen gilt, wollen sie die Chance auf eine lich als Grundlage dafür, die Bundestagswahlergebnisse für Regierungsmehrheit wahren. Hier soll sich der Frage ange- NRW insgesamt einordnen zu können. Dazu wurde ein nähert werden, welche Parteien von den Verlusten der örtlich eigener Datensatz erstellt, der aus den vom Bundeswahl-­ dominanten Volkspartei am stärksten profitieren konnten. leiter zur Verfügung gestellten vorläufigen amtlichen End­ Gesondert in den Blick genommen werden die Wahlergeb- ergebnissen der Bundestagswahlen 2013 und 2017 sowie nisse für das Ruhrgebiet, da dies der bevölkerungsreichste ausgewählten sozioökonomischen und demografischen Raum in NRW ist und Wahlergebnisse für das Bundesland Strukturdaten der nordrhein-westfälischen Wahlkreise be- in besonderem Maße durch das Abstimmungsverhalten in steht. Ergänzend dazu wurden noch die jeweiligen Armuts- der Metropolregion Ruhr beeinflusst werden. Gewonnene gefährdungsquoten einbezogen. Näheres zur Thesenbil- Hochburgen im Ruhrgebiet haben für alle Parteien eine dung findet sich inKapitel 4.1. Erläuterungen zu den ver- herausragende Bedeutung. Galt das Ruhrgebiet seit Grün- wendeten Indikatoren finden sich im Anhang Kapitel I. 10 UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER

3. Hochburgen

3.1 Hochburgen der Volksparteien in NRW ein anderer Weg gewählt. Im Folgenden sollen die Zweit- stimmen-Ergebnisse der beiden Volksparteien in ihren Hoch- Eine Wanderung von Wähler_innen lässt sich hinreichend burgen näher untersucht werden. Hochburgen sind für Par- nur anhand von Individualdaten, wie sie bei repräsentativen teien deswegen von großer Bedeutung, weil die dort erzielte Meinungsumfragen in Nachwahlbefragungen erhoben wer- Zustimmung sich erheblich auf ihr Gesamtergebnis auswirkt. den, nachzeichnen. Daten, die ausschließlich die Wanderung Hochburgen der Volksparteien weisen seit Jahren zudem ei- von nordrhein-westfälischen Wähler_innen bei der Bundes- ne hohe Stabilität auf. Als Hochburgen wurden in einem tagswahl abbilden, liegen nicht vor und konnten im Zusam- ersten Analyseschritt diejenigen Wahlkreise definiert, in de- menhang dieser Studie auch nicht erhoben werden. Um sich nen das Ergebnis einer Partei bei der Bundestagswahl 2013 der Frage anzunähern, welche Parteien von den Stimmver- um mindestens 20 Prozent höher ausgefallen ist als im Lan- lusten der Volksparteien profitieren konnten, wurde deshalb desdurchschnitt.17 Dies sind:

Abbildung 1 Abbildung 2 Hochburgen SPD (Bundestagswahl 2013), Hochburgen CDU (Bundestagswahl 2013), Wahlergebnis >= 38,3 % Wahlergebnis >= 47,8 % (20 % über dem Durchschnittsergebnis) (20% über dem Durchschnittsergebnis)

Hochburgen SPD 2013 Hochburgen CDU 2013

Rang Wahlkreis SPD Rang Wahlkreis CDU 1 Gelsenkirchen 44,0 % 1 II 53,5 % 2 Herne – Bochum II 43,9 % 2 Paderborn – Gütersloh III 51,3 % 3 Duisburg II 43,0 % 3 Coesfeld – Steinfurt II 50,1 % 4 II 41,7 % 4 Steinfurt I – Borken I 49,8 % 5 Oberhausen – Wesel III 41,3 % 5 Hochsauerlandkreis 49,7 % 6 Dortmund II 40,9 % 6 Heinsberg 49,3 % 7 Unna I 40,9 % 7 Kleve 48,6 % 8 II 40,1 % 8 Olpe – Märkischer Kreis I 48,0 % 9 – Recklinghausen III 40,1 % Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Landeswahlleiters NRW. 10 39,8 % 11 39,2 % 12 38,6 % Um eine bessere Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu erhalten, 13 Hamm – Unna II 38,5 % wurde festgelegt, dass für die weitere Analyse die zehn Wahl- 14 Ennepe – Ruhr-Kreis II 38,3 % kreise mit den höchsten Wahlergebnissen der jeweiligen Parteien als Hochburgen gewertet werden. Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Landeswahlleiters NRW.

17 Ergebnisse andere Parteien neben den von CDU, SPD und AfD werden daher nicht analysiert, da sie über keine vergleichbaren Hochburgen verfügen, in denen die Zustim- mung mehr als 20 Prozent vom im Landesdurchschnitt erzielten Ergebnis abweicht. STUDIE IM AUFTRAG DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 11

Abbildung 3 Abbildung 4 Hochburgen SPD (Bundestagswahl 2013), Hochburgen CDU (Bundestagswahl 2013), Wahlkreise mit den höchsten Ergebnissen Wahlkreise mit den höchsten Ergebnissen

Hochburgen SPD 2013 Hochburgen CDU 2013

Rang Wahlkreis SPD Rang Wahlkreis CDU 1 Gelsenkirchen 44,0 % 1 Borken II 53,5 % 2 Herne – Bochum II 43,9 % 2 Paderborn – Gütersloh III 51,3 % 3 Duisburg II 43,0 % 3 Coesfeld – Steinfurt II 50,1 % 4 Essen II 41,7 % 4 Steinfurt I – Borken I 49,8 % 5 Oberhausen – Wesel III 41,3 % 5 Hochsauerlandkreis 49,7 % 6 Dortmund II 40,9 % 6 Heinsberg 49,3 % 7 Unna I 40,9 % 7 Kleve 48,6 % 8 Recklinghausen II 40,1 % 8 Olpe – Märkischer Kreis I 48,0 % 9 Bottrop – Recklinghausen III 40,1 % 9 Warendorf 47,1 % 10 Recklinghausen I 39,8 % 10 Gütersloh I 46,3 %

Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Landeswahlleiters NRW. Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Landeswahlleiters NRW.

3.1.1 Strukturelle Unterschiede zwischen den Die Hochburgen von CDU und SPD weisen deutliche struk- Hochburgen turelle Unterschiede auf, wie ein Mittelwert-Vergleich zeigt (siehe Abbildung 5). Die SPD-Hochburgen sind ärmer, die Auffällig ist, dass sämtliche Hochburgen der SPD im groß- Arbeitslosenquote und die Quote der Leistungsbezieher städtisch geprägten Ballungsraum des Ruhrgebiets verortet nach dem SGB II sind doppelt so hoch wie in den CDU-Hoch- sind, während die CDU-Hochburgen in eher ländlich ge- burgen. Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte prägten Kreisen von Ostwestfalen, dem Sauerland und dem und die Eigentümerquote sind in den CDU-Hochburgen Münsterland sowie am Niederrhein liegen. Diese Hochbur- höher. Die SPD-Hochburgen liegen in dicht besiedelten gen sind historisch geprägt. Das Ruhrgebiet entwickelte sich Ballungsräumen, die Bevölkerungsdichte der CDU-Hoch- spätestens Mitte der 1960er Jahre, zuvor war auch hier der burgen ist erheblich geringer. politische Katholizismus einflussreich, zu einer stabilen Hochburg der Sozialdemokratie (vgl. Strünck 2013: 42, Deutliche Unterschiede weisen die Hochburgen der beiden Decker 2015a: 163). Die ländlich geprägten Regionen des Volksparteien auch hinsichtlich der Wahlbeteiligung auf, Münsterlands, des Niederrheins und Ostwestfalens waren die in den CDU-Hochburgen um durchschnittlich 4,2 Prozent hingegen „stets nahezu uneinnehmbare Hochburgen der höher ist. Außerdem liegt die Wahlbeteiligung in der Hälfte Union“ (Hoff 2017). Die Hochburgen der beiden Volkspar- der CDU-Hochburgen über dem Landesdurchschnitt. In den teien, wie sie sich anhand der Resultate der Bundestagswahl SPD-Hochburgen wiederum wurde die durchschnittliche 2013 zeigen, können deshalb als traditionelle bezeichnet Wahlbeteiligung nur im Wahlkreis Unna I überschritten. werden. 12 UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER 2,35 0,00 1,81 1,22 -4,85 -7,97 -2,19 -3,58 -3,73 -3,44 -9,09 CDU- 28,65 -38,81 -12,30 -31,27 -73,90 -21,36 -17,00 -25,15 Hochburgen Abweichung vom 0,28 4,41 4,14 3,21 1,70 -2,05 -2,17 SPD- 41,30 40,18 44,47 14,04 13,45 10,87 25,00 59,51 -12,32 -14,65 -12,19 -18,98 NRW-Mittelwert (in %) NRW-Mittelwert Hochburgen 0 0,65 0,92 -2,42 -2,51 -0,99 -4,13 -0,35 -0,39 -0,92 -0,95 -0,04 -0,41 12,53 -17,81 -37,5 CDU- 497,05 -866,47 -4.369,31 Hochburgen etc.) führen. Da jedoch nur die Unterschiede 2 3 3,11 1,65 1,07 0,66 0,35 1,28 3,32 0,11 0,97 NRW-Mittelwert NRW-Mittelwert -8,3 -0,27 -0,08 -0,17 Abweichung vom 39,91 SPD- -45,21 521,48 -5.202,31 -2.581,25 Hochburgen 0,4 5,32 9,24 8,28 1,22 56,26 16,18 59,13 20,16 11,43 36,51 15,61 10,51 76,23 23,77 26,66 16 349,19 306,08 CDU- 31.145,69 21.676,38 Hochburgen € pro Haushalt, Einwohner pro km 2,6 8,11 0,55 12 35,43 10,85 18,01 25,36 12,15 35,78 16,62 11,25 71,99 28,01 30,61 13,4 321,79 136,54 SPD- 1.694,03 30.312,69 18.598,08 Hochburgen 7,74 8,28 0,44 1,63 10,9 43,73 16,75 96,63 11,75 24,29 12,42 35,86 15,96 75,31 24,69 27,61 64 367 Gesamt 1.172,55 35.515 21.179,33 Soziostrukturelle Indikatoren Soziostrukturelle ) 2 25 – 34 Jahre 35 – 59 Jahre 60 – 74 Jahre 18 – 24 Jahre Bevölkerung Anteil Migration Eigentümerquote 75 Jahre und älter 75 Jahre BIP ( € je Einwohner) Anzahl Wahlkreise Politische Faktoren Wahlbeteiligung (in %) Wahlbeteiligung Arbeitslosenquote (in %) Armutsgefährdungsquote Sozioökonomische Faktoren Anteil Nichtwähler 2017 (in %) Anteil Nichtwähler 2013 (in %) Anteil Alter von ... bis (in %) SGB II – Empfänger (je Tsd. Einwohner) SGB II – Empfänger (je Tsd. Bevölkerungsdichte (Einwohner je km Anteil Ausländer an Bevölkerung (in %) Anteil Wähler radikale rechte Parteien 2017 (in %) Anteil Wähler radikale rechte Anteil Wähler radikale rechte Parteien 2013 (in %) Anteil Wähler radikale rechte verfügbares Einkommen priv. Haushalte ( € je Einwohner) Einkommen priv. verfügbares Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (je Tsd. Einwohner) Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (je einen CDU-Zweitstimmenanteil von 35,9% zur Bundestagswahl erzielt 2017 haben. Eigene Darstellung nach Daten des Bundeswahlleiters. In diese Berechnung wurden die Wahlkreise angeführt, die ein AfD-Zweitstimmenanteil von einen >= SPD-Zweitstimmenanteil 11,3%; von >= 31,2% und Die Mittelwerte ergeben sich aus den aufsummierten und durch die jeweilige Anzahl Wahlkreise geteilten Wahlkreisemittelwerte. Das kann zu AbweichungenIndikators der Ergebnisse zu einer anderen gegenüber Basis führen. Mittelwerten Das ist bei einigen desselben Strukturdaten der Fall, die in unterschiedlichen Einheiten ( zwischen betrachtet Wahlkreisen werden diese sind Abweichungen hier unproblematisch. Abbildung 5 Abbildung 5 Mittelwert-Vergleich Hochburgen der SPD und der CDU bei der Bundestagswahl 2013 * ** Quelle: STUDIE IM AUFTRAG DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 13

3.1.2 Wahlergebnisse in den Hochburgen Die Piraten, die 2013 in den SPD-Hochburgen durchschnitt- lich etwas stärker als in den CDU-Hochburgen abschnitten, Beim Vergleich der Wahlergebnisse von CDU und SPD zeigt brachen auf 0,4 Prozent in den SPD- und auf 0,3 Prozent sich, dass beide Parteien in ihren Hochburgen durchschnitt- in den CDU-Hochburgen ein. Keine ähnlich signifikanten lich größere Verluste zu verzeichnen hatten als im Landes- Wähler_innenwanderungen gab es mit Blick auf die Grünen schnitt (siehe Abbildungen 6 und 7). Zugleich werden aber und Linke. Die Ergebnisse der Grünen blieben sowohl in Unterschiede zwischen den beiden Volksparteien deutlich. den CDU- als auch SPD-Hochburgen nahezu unverändert Zum einen verlor die SPD stärker in ihren Hochburgen als die (minus 0,3 Prozent bzw. minus 0,8 Prozent). In CDU-Hoch- CDU in ihren Hochburgen. Zum anderen verlor die SPD in al- burgen konnten die Grünen bei einem landesweiten Er­- len zehn Hochburgen überdurchschnittlich (zwischen 8,3 und gebnis von 7,6 Prozent durchschnittlich 6,1 Prozent und 10,6 Prozent gegenüber 2013), die CDU hingegen verlor nur in SPD-Hochburgen 5,0 Prozent der Stimmen gewinnen. in der Hälfte ihrer Hochburgen überdurchschnittlich. Die Die Linke konnte in SPD-Hochburgen ein Ergebnis von Spreizung der Verluste der CDU in den zehn untersuchten 7,8 Prozent erzielen und schnitt in CDU-Hochburgen mit Wahlkreisen ist mit 5,9 Prozent bis 10,6 Prozent auch erheb- 5,5 Prozent traditionell deutlich schwächer ab, konnte hier lich größer als bei der SPD. Wie zu erwarten war, erzielten aber knapp einen Prozentpunkt im Vergleich zur Bundes- SPD und CDU in den Hochburgen der jeweils anderen Volks- tagswahl 2013 hinzugewinnen. In SPD-Hochburgen gewann partei unterdurchschnittliche Ergebnisse, auch ihre Verluste die Linke durchschnittlich marginale 0,4 Prozentpunkte liegen dort unterhalb des landesweiten Durchschnitts. hinzu, während sie ihr Ergebnis landesweit um insgesamt 1,7 Prozent auf 7,5 Prozent aller Stimmen verbesserte. Dem- Unterschiede zeigen sich bei den Gewinnen und Verlusten gegenüber mussten die Grünen landesweit einen Stimm­ der anderen Parteien in den Hochburgen der beiden Volks- verlust von 0,4 Prozentpunkten im Vergleich zur Bundes- parteien. Während die FDP in den SPD-Hochburgen nur tagswahl 2013 verzeichnen. Die Grünen erzielten damit einen unterdurchschnittlichen Stimmenzuwachs erhielt (plus sowohl in SPD- als auch CDU-Hochburgen ein Ergebnis, das 6,6 Prozent) und im Durchschnitt 3,1 Prozent unter ihrem unter ihrem landesweiten Durchschnittsergebnis blieb, landesweiten Ergebnis blieb, erzielte die FDP in den zehn während die Linke in SPD-Hochburgen leicht besser als im CDU-Hochburgen ein Ergebnis, das nur 0,08 Prozent über landesweiten Durchschnitt abschneiden konnte. ihrem durchschnittlichen Wahlergebnis liegt, diesem also annähernd entspricht. Die radikal rechten Parteien blieben 2013 in acht von zehn CDU-Hochburgen unter ihrem Landesschnitt von 1,5 Prozent. Signifikante Unterschiede zwischen den SPD- und CDU- Nur in den Wahlkreisen Heinsberg (1,7 Prozent) und Olpe – Hochburgen zeigen sich auch im Wahlergebnis der AfD, das Märkischer Kreis I (1,6 Prozent) lagen sie über dem Landes- in den CDU-Hochburgen mit durchschnittlich 7,7 Prozent schnitt von 1,5 Prozent. Die CDU-Hochburgen im Münster- unterhalb des landesweiten Ergebnisses blieb, in den SPD- land und in Ostwestfalen zählten zu denjenigen Wahlkreisen, Hochburgen aber mit durchschnittlich 12,25 Prozent um in denen radikal rechte Parteien am schlechtesten abschnit- 3,25 Prozent höher ausfiel als im Landesschnitt. Die AfD er- ten. Bei den SPD-Hochburgen zeigte sich 2013 ein spiegel- zielte in allen SPD-Hochburgen überdurchschnittliche Ergeb- verkehrtes Bild. Die eine Spanne von 1,5 Prozent (Unna I) bis nisse zwischen 9,8 und 17,0 Prozent. Das Ergebnis im Wahlkreis 4,8 Prozent (Duisburg I) bildenden Ergebnisse radikal rechter Gelsenkirchen ist zudem das höchste in Nordrhein-Westfalen Parteien lag in diesen Wahlkreisen auf oder über dem Lan- und das vierthöchste in den westlichen Bundesländern.18 Bei desdurchschnitt. Hinzu kommt, dass sieben von zehn Hoch- den CDU-Hochburgen zeigt sich hinsichtlich der AfD ein un- burgen der radikalen Rechten 2013 zugleich Hochburgen einheitlicheres Bild. Die höchsten Wahlergebnisse erzielte der SPD waren. 2017 verloren die radikal rechten Parteien die AfD im Wahlkreis Paderborn – Güterlsoh III (9,9 Prozent), flächendeckend stark an Zustimmung. In den SPD-Hochburgen zugleich derjenige Hochburg-Wahlkreis, in dem die CDU mit sank ihr Ergebnis um durchschnittlich 2,1 Prozent und damit minus 10,6 Prozent ihre stärksten Verluste einfuhr, sowie mit fast doppelt so stark wie im Landesdurchschnitt. In keinem 9,2 Prozent im Wahlkreis Olpe-Märkischer Kreis I. Besonders Wahlkreis erreichten sie mehr als 0,8 Prozent. Überdurch- niedrige Ergebnisse zwischen 6,0 und 7,4 Prozent erzielte schnittliche Ergebnisse erzielten die radikal rechten Parteien die AfD in den CDU-Hochburgen des Münsterlandes.19 2017 in neun SPD- und drei CDU-Hochburgen.

18 Nur in den bayrischen Wahlkreisen Deggendorf (19,2 Prozent), Straubig (18,4 Prozent) und Schwandorf (17,4 Prozent) erzielte die AfD in Westdeutschland höhere Zweit- stimmen-Ergebnisse als in Gelsenkirchen. Ihr höchstes Ergebnis erzielte die AfD mit 35,5 Prozent im sächsischen Wahlkreis Sächsische Schweiz – Osterzgebirge. 19 Der die Stadt Münster umfassende Wahlkreis Münster ist keine Hochburg der CDU, die dort mit 32,8 Prozent der Zweitstimmen nur 0,2 Prozent über dem Landesdurch- schnitt lag. Die AfD erzielte in Münster mit nur 4,9 Prozent der Zweitstimmen ihr bundesweit schlechtestes Wahlergebnis. Im Wahlkreis Köln II erzielte die AfD mit 5,1 Pro- zent ebenfalls ein sehr niedriges Resultat. 14 UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER 0,0 % 0,2 % -0,4 % -0,3 % -0,5 % -0,7 % -0,2 % -0,3 % -0,6 % -0,1 % -0,6 % -0,2 % Differenz 2017 7,6 % 6,1 % 7,9 % 6,7 % 4,5 % 6,0 % 5,2 % 4,2 % 6,0 % 7,5 % 7,3 % 5,9 % GRÜNE 2013 8,0 % 6,4 % 7,9 % 7,2 % 5,2 % 6,2 % 5,5 % 4,8 % 6,1 % 8,1 % 7,1 % 6,1 % 5,5 % 4,6 % 5,4 % 4,5 % 3,1 % 3,0 % 3,0 % 5,1 % 2,8 % 6,0 % 2,4 % 5,2 % 3,1 % 3,6 % 3,4 % 3,5 % 2,3 % 3,3 % 3,2 % 6,3 % 2,8 % 3,3 % 3,9 % 2,9 % Differenz Differenz AfD 2017 2017 9,4 % 7,7 % 8,6 % 7,4 % 9,2 % 6,9 % 8,7 % 8,0 % 6,3 % 6,1 % 9,9 % 6,0 % 75,4 % 76,5 % 75,4 % 78,0 % 73,8 % 74,8 % 74,9 % 76,0 % 76,5 % 81,3 % 75,2 % 79,1 % Wahlbeteiligung 2013 2013 3,9 % 3,3 % 3,2 % 2,9 % 4,1 % 3,9 % 3,5 % 3,4 % 2,8 % 2,8 % 3,6 % 2,7 % 72,3 % 73,5 % 72,5 % 75,2 % 71,4 % 71,7 % 71,5 % 73,7 % 73,3 % 78,5 % 71,3 % 76,2 % 7,9 % 8,0 % 8,2 % 7,7 % 8,5 % 7,8 % 6,5 % 9,2 % 7,5 % 8,0 % 8,4 % 7,8 % -0,7 % -0,8 % -1,1 % -0,6 % -1,1 % -0,9 % -1,2 % -0,9 % -0,5 % -0,6 % -0,6 % -0,6 % Differenz Differenz FDP 2017 2017 0,4 % 0,4 % 0,4 % 0,4 % 0,5 % 0,4 % 0,5 % 0,4 % 0,4 % 0,3 % 0,5 % 0,3 % 13,1 % 13,2 % 13,1 % 13,1 % 13,7 % 13,5 % 11,4 % 14,3 % 12,6 % 13,6 % 13,4 % 13,1 % Radikale Rechte 2013 2013 5,2 % 5,2 % 4,9 % 5,4 % 1,1 % 1,2 % 1,5 % 5,2 % 1,0 % 5,7 % 1,6 % 4,9 % 1,3 % 5,1 % 1,7 % 5,1 % 1,3 % 5,6 % 0,9 % 5,0 % 0,9 % 5,3 % 1,1 % 0,9 % 4,4 % -1,5 % -1,6 % -1,8 % -1,7 % -1,4 % -1,7 % -1,8 % -1,7 % -1,5 % -1,5 % -1,7 % -1,3 % -5,9 % -3,4 % -5,8 % -4,9 % -4,9 % -3,5 % -0,4 % -5,2 % -5,0 % -4,6 % -4,0 % Differenz Differenz SPD 2017 2017 0,3 % 0,4 % 0,4 % 0,3 % 0,4 % 0,3 % 0,5 % 0,3 % 0,4 % 0,3 % 0,4 % 0,3 % 26,0 % 22,8 % 22,9 % 24,0 % 23,3 % 23,5 % 25,9 % 22,8 % 23,1 % 21,0 % 18,9 % 21,5 % Piraten 2013 2013 1,8 % 1,9 % 1,8 % 2,0 % 1,8 % 2,0 % 2,3 % 2,0 % 1,9 % 1,8 % 2,1 % 1,6 % 31,9 % 27,0 % 28,7 % 29,1 % 28,2 % 27,0 % 26,3 % 28,0 % 28,1 % 25,6 % 23,3 % 25,5 % -7,1 % -7,6 % -7,9 % -6,8 % -7,4 % -7,0 % -9,8 % -8,0 % -5,9 % -6,1 % 1,1 % 0,9 % 1,3 % 1,1 % -6,5 % 0,6 % 1,0 % 0,4 % 0,7 % 1,1 % 1,2 % 1,4 % 0,6 % -10,6 % Differenz Differenz CDU 2017 2017 6,1 % 5,5 % 7,5 % 5,5 % 5,4 % 5,6 % 5,6 % 5,4 % 5,5 % 5,4 % 6,6 % 4,2 % LINKE 32,6 % 41,8 % 38,4 % 40,3 % 40,6 % 41,6 % 39,5 % 41,7 % 43,9 % 44,0 % 40,7 % 47,0 % 2013 2013 4,6 % 6,1 % 5,0 % 4,4 % 4,8 % 4,6 % 5,2 % 4,7 % 4,4 % 4,2 % 5,2 % 3,6 % 39,8 % 49,4 % 46,3 % 47,1 % 48,0 % 48,6 % 49,3 % 49,7 % 49,8 % 50,1 % 51,3 % 53,5 % Landesweite Ergebnisse Mittelwerte Gütersloh I Warendorf Olpe – Märkischer Kreis I Kleve Heinsberg Hochsauerlandkreis Steinfurt I – Borken I Steinfurt I – Borken Coesfeld – Steinfurt II Paderborn – Gütersloh III Paderborn Borken II Borken Wahlkreis Mittelwerte Landesweite Ergebnisse Gütersloh I Warendorf Olpe – Märkischer Kreis I Kleve Heinsberg Hochsauerlandkreis Steinfurt I – Borken I Steinfurt I – Borken Coesfeld – Steinfurt II Paderborn – Gütersloh III Paderborn Borken II Borken Wahlkreis Eigene Darstellung nach Daten des Landeswahlleiters. 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 Rang 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 Rang Abbildung 6 Wahlergebnisse in den zehn Hochburgen der CDU aus dem Jahr 2013 Quelle: STUDIE IM AUFTRAG DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 15 -0,4 % -0,6 % -0,8 % -0,6 % -0,6 % -1,0 % -1,2 % -1,1 % -0,9 % -0,7 % -0,8 % -0,8 % Differenz 2017 7,6 % 5,8 % 5,0 % 4,8 % 5,2 % 6,9 % 7,2 % 5,5 % 6,2 % 4,4 % 5,9 % 4,6 % GRÜNE 2013 8,0 % 6,4 % 6,5 % 5,5 % 5,8 % 7,9 % 8,3 % 6,6 % 7,1 % 5,2 % 6,6 % 5,5 % 5,5 % 7,5 % 9,2 % 8,3 % 8,4 % 6,0 % 6,8 % 8,3 % 2,1 % 2,6 % 3,0 % 3,0 % 2,5 % 2,2 % 4,2 % 2,7 % 3,1 % 0,8 % 2,4 % 2,9 % 10,7 % 10,4 % 13,0 % 12,3 % Differenz Differenz AfD 9,4 % 9,8 % 2017 2017 12,0 % 12,7 % 12,4 % 12,5 % 10,9 % 12,5 % 15,0 % 15,5 % 13,4 % 17,0 % 73,2 % 64,1 % 75,4 % 71,9 % 74,3 % 76,2 % 70,7 % 73,4 % 67,6 % 64,7 % 71,4 % 68,2 % Wahlbeteiligung 2013 2013 71,1 % 69,2 % 72,5 % 74,9 % 71,8 % 4,3 % 3,9 % 4,5 % 4,1 % 4,1 % 3,8 % 4,1 % 4,2 % 4,3 % 5,1 % 4,0 % 4,7 % 74,0 % 66,5 % 70,7 % 64,7 % 63,9 % 69,0 % 65,3 % 6,6 % 7,9 % 6,9 % 7,0 % 7,1 % 7,5 % 7,0 % 6,7 % 6,3 % 5,4 % 6,3 % 6,2 % -1,5 % -2,1 % -1,1 % -1,8 % -1,6 % -1,2 % -1,4 % -2,3 % -2,3 % -4,0 % -2,2 % -2,8 % Differenz Differenz 9,7 % 8,2 % 9,1 % 9,2 % FDP 2017 2017 0,5 % 0,5 % 0,4 % 0,5 % 0,4 % 0,3 % 0,5 % 0,5 % 0,5 % 0,8 % 0,6 % 0,6 % 10,0 % 13,1 % 10,3 % 10,5 % 10,6 % 11,5 % 10,8 % 10,0 % Radikale Rechte 2013 2013 2,0 % 2,6 % 1,5 % 2,3 % 2,0 % 1,5 % 1,9 % 2,8 % 2,8 % 4,8 % 2,8 % 3,4 % 5,2 % 3,4 % 3,5 % 3,5 % 4,0 % 3,8 % 3,3 % 3,4 % 2,8 % 2,8 % 3,0 % 3,4 % -1,8 % -1,8 % -1,8 % -1,6 % -1,8 % -1,6 % -1,9 % -1,9 % -2,0 % -1,7 % -1,8 % -4,8 % -7,1 % -5,2 % -5,1 % -5,2 % -4,7 % -4,7 % -3,8 % -5,0 % -4,1 % -4,7 % -5,3 % -1,7 % Differenz Differenz CDU 2017 2017 0,4 % 0,5 % 0,4 % 0,4 % 0,5 % 0,5 % 0,6 % 0,5 % 0,5 % 0,7 % 0,6 % 0,5 % 25,8 % 32,6 % 28,6 % 29,9 % 29,4 % 27,2 % 24,5 % 26,3 % 23,4 % 22,4 % 23,4 % 22,4 % Piraten 2013 2013 2,2 % 2,3 % 1,8 % 2,0 % 2,3 % 2,1 % 2,5 % 2,4 % 2,5 % 2,4 % 2,4 % 2,3 % 30,5 % 39,8 % 33,8 % 34,8 % 34,7 % 31,9 % 29,1 % 30,1 % 28,5 % 26,6 % 28,1 % 27,7 % -8,9 % -5,9 % -8,3 % -8,9 % -8,4 % -7,4 % -8,3 % -8,3 % -9,9 % -8,9 % -9,6 % 0,5 % 0,4 % 1,3 % 0,6 % 0,3 % 0,7 % 1,3 % 0,3 % 0,6 % 0,5 % -0,4 % -0,2 % -10,6 % Differenz Differenz SPD 2017 2017 7,3 % 7,8 % 7,5 % 6,8 % 6,6 % 6,9 % 9,1 % 8,3 % 8,7 % 8,4 % 8,6 % 7,4 % LINKE 32,7 % 26,0 % 31,6 % 31,2 % 31,7 % 33,6 % 32,7 % 33,0 % 31,8 % 34,1 % 34,2 % 33,5 % 2013 2013 7,4 % 6,1 % 6,8 % 6,2 % 6,3 % 6,2 % 7,8 % 8,0 % 8,1 % 8,8 % 8,1 % 7,6 % 41,6 % 31,9 % 39,8 % 40,1 % 40,1 % 40,9 % 40,9 % 41,3 % 41,7 % 43,0 % 43,9 % 44,0 % Recklinghausen I Bottrop – Recklinghausen III Recklinghausen II Unna I Dortmund II Oberhausen – Wesel III Wesel Oberhausen – Essen II Duisburg II Mittelwerte Landesweite Ergebnisse Recklinghausen I Bottrop – Recklinghausen III Recklinghausen II Unna I Dortmund II Oberhausen – Wesel III Wesel Oberhausen – Essen II Duisburg II Herne – Bochum II Gelsenkirchen Herne – Bochum II Gelsenkirchen Wahlkreis Mittelwerte Landesweite Ergebnisse Wahlkreis Eigene Darstellung nach Daten des Landeswahlleiters. 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 Rang 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 Rang Abbildung 7 Wahlergebnisse in den zehn Hochburgen der SPD aus dem Jahr 2013 Quelle: 16 UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER

3.2 Hochburgen der AfD in NRW ländlich geprägten Wahlkreisen Oberbergischer Kreis, Siegen- Wittgenstein und Rheinisch-Bergischer-Kreis herausragende Im Folgenden soll ein gesonderter Blick auf die Hochburgen Ergebnisse. Bei der Bundestagswahl 2017 erzielte sie in die- der AfD geworfen werden, als welche ebenso diejenigen sen Wahlkreisen stark divergierende Resultate (siehe Abbil- Wahlkreise definiert wurden, in denen das AfD-Ergebnis bei dung 10). Im Kreis Mettmann erreichte die AfD nur Ergebnisse, der Bundestagswahl 2017 mindestens 20 Prozent über dem die in etwa dem Landesdurchschnitt entsprachen, in den Durchschnittsergebnis lag. Da die AfD sich erst zum zweiten Wahlkreisen Rheinisch-Bergischer Kreis sowie Rhein-Sieg Mal an einer Bundestagswahl beteiligte, verfügt sie noch Kreis II blieb die AfD deutlich darunter. nicht über traditionelle Hochburgen. Ein Vergleich der Zweit- stimmen-Ergebnisse bei beiden Wahlen ist dennoch erkennt- Abbildung 9 nisfördernd, es zeigen sich nämlich deutliche Unterschiede Hochburgen AfD (Bundestagswahl 2013), Wahlkreise mit den 12 höchsten Ergebnissen in den Wahlkreisen, in welchen die AfD die höchste Zustim- mung erzielte. Hochburgen AFD 2013

Abbildung 8 Rang Wahlkreis AFD Hochburgen AfD (Bundestagswahl 2017), Wahlergebnis >=11,3% (20 % über dem Durchschnitts- 1 Duisburg I 5,2 % ergebnis). Differenz zur Bundestagswahl 2013 2 5,1 % 3 Duisburg II 5,1 % Hochburgen AFD 2017 4 Oberbergischer Kreis 5,0 % 5 Märkischer Kreis II 5,0 % Rang Wahlkreis 2017 Differenz 6 Siegen – Wittgenstein 4,9 % 1 Gelsenkirchen 17,0 % 12,3 % 7 Rheinisch-Bergischer-Kreis 4,7 % 2 Duisburg II 15,5 % 10,4 % 8 Mettmann II 4,7 % 3 Essen II 15,0 % 10,7 % 9 Gelsenkirchen 4,7 % 4 Herne – Bochum II 13,4 % 9,5 % 10 Mülheim – Essen I 4,6 % 5 Oberhausen – Wesel III 12,5 % 8,3 % 11 Rhein-Sieg-Kreis II 4,5 % 6 Recklinghausen II 12,5 % 8,4 % 12 Recklinghausen I 4,5 % 7 Bottrop – Recklinghausen III 12,4 % 8,3 % 8 Recklinghausen I 12,0 % 7,5 % Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Landeswahlleiters NRW. 9 Hagen – Ennepe-Ruhr-Kreis I 11,8 % 7,5 % 10 Märkischer Kreis II 11,6 % 6,6 % Abbildung 10 11 Mülheim – Essen I 11,4 % 6,8 % Ergebnisse der Bundestagswahl 2017 in ausgewählten 12 Duisburg I 11,3 % 6,2 % Wahlkreisen, in denen die AfD 2013 herausragende Ergebnisse erzielte (vormalige Hochburgen) Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Landeswahlleiters NRW.

AFD Wahlergebnisse 2017 Nur die Hälfte der AfD-Hochburgen – nämlich Duisburg I, Rang Wahlkreis AFD Duisburg II, Märkischer Kreis II, Gelsenkirchen, Mülheim – Essen I und Recklinghausen I – zählten bereits 2013 zu den 18 Siegen – Wittgenstein 10,7 % zwölf Wahlkreisen mit den höchsten Zweitstimmenergeb­ 19 Oberbergischer Kreis 10,6 % nissen. Während mit Ausnahme des Wahlkreises Märkischer 32 Mettmann II 9,6 % Kreis II20 sämtliche Hochburgen der AfD 2017 in Wahlkreisen 34 Mettmann I 9,5 % des Ruhrgebiets liegen, erzielte die Partei bei der vorherigen 44 Rhein-Sieg-Kreis II 8,8 % Bundestagswahl auch in den dichtbesiedelten, unmittelbar 50 Rheinisch-Bergischer-Kreis 8,0 % an die Großstädte Düsseldorf bzw. Köln/Bonn anschließenden Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Landeswahlleiters NRW. Wahlkreisen Mettmann und Rhein-Sieg-Kreis sowie den eher

20 Der Wahlkreis umfasst den nordöstlichen Teil des Märkischen Kreises im Sauerland mit den Gemeinden Altena, Balve, Hemer, Iserlohn, Menden (Sauerland), Nachrodt- Wiblingwerde, Neuenrade, Plettenberg und Werdohl. STUDIE IM AUFTRAG DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 17

Diese Unterschiede sind erklärungsbedürftig. Als mögliche 3.2.1 Strukturelle Merkmale der Hochburgen Erklärung kann der seit 2013 vollzogene Wandel in Program- matik und Wähler_innenansprache der AfD herangezogen Aufschlussreich ist ein Mittelwert-Vergleich der AfD-Hoch- werden. Die als „Professorenpartei“ und thematisch vor allem burgen mit der Gesamtheit der nordrhein-westfälischen durch ihre Ablehnung der europäischen Währungspolitik und Wahlkreise sowie der 52 Wahlkreise, bei denen es sich nicht der von der Bundesregierung getragenen Rettungsmaß- um AfD-Hochburgen handelt (siehe Abbildung 11). Dabei nahmen verschuldeter EU-Mitgliedsländer wahrgenommene zeigt sich, dass die AfD-Hochburgen ärmer als der Landes- „Alternative für Deutschland“, veränderte ihre politische durchschnitt und der Durchschnitt der anderen 52 Wahl- Grundausrichtung sichtbar nach der Abwahl ihres Vorsitzen- kreise sind: Das verfügbare private Haushaltseinkommen den Bernd Lucke im Frühjahr 2015 und legte sowohl in den ist dort niedriger, die Arbeitslosenquote liegt hingegen mit folgenden Landtagswahlkämpfen als auch im Bundestag- 10,8 Prozent ebenso deutlich über dem Durchschnitt wie wahlkampf 2017 einen Schwerpunkt auf die Themen Mi­ der Anteil der Bezieher von Leistungen nach dem SGB-II gration, Asyl und Islam sowie Innere Sicherheit und Krimi- (13,7 Prozent). Die im Bruttoinlandsprodukt (BIP) gemes- nalität. Damit verabschiedete sich die Partei stückweise von sene wirtschaftliche Leistung je Einwohner ist in den AfD- ihrem identitätsstiftenden wirtschaftsliberalen Kurs der Grün- Hochburgen geringer, der Anteil der von ihren Eigentümern dungsphase und der nationalistische Flügel der Partei domi- bewohnten Wohnungen ebenfalls. Da die AfD-Hochburgen nierte einen stetigen Radikalisierungsprozess der AfD. Dabei fast ausschließlich im Ballungsraum Ruhrgebiet liegen, ist konnte die AfD Gelegenheiten nutzen, die sich ihr durch die die Bevölkerungsdichte dort erwartungsgemäß höher. Der seit Sommer 2015 verstärkt wahrgenommene ‚Flüchtlings- Ausländeranteil sowie der Anteil der Menschen mit Mi- krise‘ boten, die Alexander Gauland als „Geschenk an seine grationshintergrund ist ebenfalls etwas höher als im Durch- Partei“ bezeichnet hat (vgl. Häusler/Roeser 2017: 5). Obwohl schnitt. die wirtschafts- und sozialpolitischen Passagen des AfD-Grund- satzprogramms die Dominanz der marktradikalen Kräfte in Die Wahlbeteiligung in den AfD-Hochburgen lag mit Aus- der Partei widerspiegeln und es als „neoliberale Kampfschrift“ nahme des Wahlkreises Mülheim – Essen I überall unterhalb (Dietl 2017: 82) bezeichnet werden kann, versucht die AfD des landesweiten Durchschnitts von 75,4 Prozent (siehe Ab- seit einiger Zeit sich ein vermeintlich sozia­leres Profil zu ge- bildung 11). In den drei Wahlkreisen mit den besten Ergeb- ben und sich als „Partei der kleinen Leute“ (Alexander Gau- nissen lag die Wahlbeteiligung deutlich unter der 70-Prozent- land) zu positionieren, wobei sozialpolitische Positionen stets Marke. Im Mittel erreichten die AfD-Hochburgen nur eine mit Forderungen gegen Migration verbunden werden (vgl. Wahlbeteiligung von 71,8 Prozent, die somit 4,5 Prozent- Häusler/Roeser 2017: 36; Dietl 2017: 82). Soziale Sicherheit punkte unter dem Landesschnitt liegt. Auch blieb der durch- könne angeblich nur gewährleistet werden, wenn Migrant_ schnittliche Anstieg der Wahlbeteiligung in den AfD-Hoch- innen gegenüber Deutschen schlechter gestellt und Grenzen burgen mit 2,4 Prozent unterhalb des landesweiten Durch- geschlossen werden und „die geforderte finanzielle Solida- schnitt-Anstiegs von 3,0 Prozent. Eine durchschnittlicher bzw. rität innerhalb einer klar definierten und begrenzten Gemein- höherer Anstieg der Wahlbeteiligung ist nur in den Wahl- schaft erbracht wird“ (AfD 2018).21 Die AfD betreibt damit kreisen Bottrop – Recklinghausen III (3,0 Prozent) und Märki­ die „Ethnisierung des Sozialen“ (Friedrich 2017: 91). Offen- scher Kreis II (3,2 Prozent) zu verzeichnen. Zwar reduzierte bar gelang der AfD bei der Bundestagswahl 2017 zahlreiche sich auch in den AfD-Hochburgen der Nichtwähler_innen- neue Wähler_innen im Ruhrgebiet zu mobilisieren. anteil, allerdings weniger stark als im Landesschnitt. Setzt man den Nichtwähler_innenanteil der Wahl 2013 als 100, Landesweit erreichte die AfD bei der Bundestagswahl 2013 so zeigt sich, das im Landesdurchschnitt der Anteil der Nicht- ein Zweitstimmenergebnis von 3,9 Prozent. Auffällig ist auch, wähler_innen 2017 gegenüber der Vorwahl um 10,6 Prozent dass die Spreizung des Wahlergebnisses 2013 mit 2,7 bis verringerte. In den AfD-Hochburgen verringerte sich der An- 5,2 Prozent bei der Vorwahl geringer ausfiel als im Jahr 2017, teil der Nichtwähler_innen nur um 7,8 Prozent. Hinsichtlich als das Ergebnis in den Wahlkreisen zwischen 4,9 Prozent ihrer Hochburgen kann also nicht von einem „AfD-Effekt“ (Münster) und 17,0 Prozent (Gelsenkirchen) lag. (Vehrkamp/Wegschaider 2017: 16) auf die Wahlbeteiligung gesprochen werden.

21 Vgl. weitere Ausführungen der AfD unter „Der Sozialstaat braucht Grenzen“: https://www.afd.de/sozialpolitik/ 18 UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER 5,19 2,63 2,90 1,94 1,70 0,28 0,64 0,85 -9,17 -9,70 -3,28 -1,19 -2,54 -4,55 -3,40 -1,13 -1,19 -12,22 -15,34 andere WK andere Abweichung vom 5,50 4,70 5,19 -8,39 -4,71 -0,33 -2,74 -3,50 39,66 42,03 14,38 10,97 20,45 52,94 66,26 15,06 -22,59 -11,41 -12,56 NRW-Mittelwert (in %) NRW-Mittelwert WK AfD- Hochburgen* 0 2,27 9,65 1,28 0,08 0,07 -0,7 -0,4 -0,71 -9,37 -0,81 -0,13 -0,02 -0,25 -0,18 -0,29 409,9 -143,25 1.029,04 andere WK andere 0,6 3,07 3,55 3,03 0,09 1,08 1,77 0,75 1,26 NRW-Mittelwert NRW-Mittelwert -9,88 -3,55 -0,12 -0,34 -0,29 Abweichung vom 40,61 -41,86 620,73 WK AfD- -4.459,17 -1.776,25 Hochburgen* 7,03 0,42 1,38 8,35 46 12,5 24 87,26 23,88 26,91 76,13 11,35 15,78 10,77 35,86 52 376,65 1.029,3 36.544,04 21.589,23 andere WK andere € pro Haushalt, Einwohner pro km2 etc.) führen. Da jedoch nur die Unterschiede zwischen 0,53 2,71 7,99 11,5 33,85 10,81 28,24 30,64 71,76 13,52 25,55 16,71 35,74 12,08 12 137,24 325,14 1.793,28 WK AfD- 31.055,83 19.403,08 Hochburgen* 7,74 0,44 1,63 8,28 43,73 96,63 24,69 27,61 75,31 11,75 24,29 15,96 35,86 12,42 64 10,9 367 35.515 Gesamt 1.172,55 21.179,33 Soziostrukturelle Indikatoren Soziostrukturelle ) 2 60 – 74 Jahre 35 – 59 Jahre 25 – 34 Jahre 18 – 24 Jahre Bevölkerung Anteil Migration Eigentümerquote 75 Jahre und älter 75 Jahre BIP ( € je Einwohner) Anzahl Wahlkreise Politische Faktoren Wahlbeteiligung (in %) Wahlbeteiligung Arbeitslosenquote (in %) Sozioökonomische Faktoren Anteil Nichtwähler 2017 (in %) Anteil Nichtwähler 2013 (in %) Anteil Alter von ... bis (in %) SGB II – Empfänger (je Tsd. Einwohner) SGB II – Empfänger (je Tsd. Bevölkerungsdichte (Einwohner je km Anteil Ausländer an Bevölkerung (in %) Anteil Wähler radikale rechte Parteien 2017 (in %) Anteil Wähler radikale rechte Anteil Wähler radikale rechte Parteien 2013 (in %) Anteil Wähler radikale rechte verfügbares Einkommen priv. Haushalte ( € je Einwohner) Einkommen priv. verfügbares Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (je Tsd. Einwohner) Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (je Eigene Darstellung nach Daten des Bundeswahlleiters. In diese Berechnung wurden die Wahlkreise angeführt, die ein AfD-Zweitstimmenanteil zur von Bundestagswahl >= 11,3% erzielt 2017 haben. Die Mittelwerte ergeben sich aus den aufsummierten und durch die jeweilige Anzahl Wahlkreise geteilten Wahlkreisemittelwerte. Das kann zu AbweichungenIndikators der Ergebnisse zu einer anderen gegenüber Basis führen. Mittelwerten Das ist bei einigen desselben Strukturdaten der Fall, die in unterschiedlichen Einheiten ( betrachtetWahlkreisen werden diese sind Abweichungen hier unproblematisch. Abbildung 11 NRW in Wahlkreisen anderen mit AfD-Hochburgen der 2017 Bundestagswahl der bei Mittelwert-Vergleich * ** Quelle: STUDIE IM AUFTRAG DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 19

3.2.2 Wahlergebnisse in den Hochburgen Die SPD hingegen schnitt in sämtlichen AfD-Hochburgen überdurchschnittlich ab. Zugleich musste die SPD dort aber, Mit Ausnahme des Wahlkreises Märkischer Kreis II blieben anders als die CDU, überdurchschnittliche Verluste ver­ die Ergebnisse von FDP und CDU in allen AfD-Hochburgen zeichnen. So verlor die SPD in den AfD-Hochburgen im unterhalb ihres Landesdurchschnitts (siehe Abbildung 12). Schnitt 8,6 Prozent, womit die Verluste 2,7 Prozent über Auch die Grünen erzielten in sämtlichen AfD-Hochburgen den landesweit durchschnittlichen SPD-Verlusten lagen. Die Verluste und unterdurchschnittliche Ergebnisse, die FDP CDU verlor hingegen durchschnittlich nur 5,2 Prozent ge- konnte hingegen in allen zwölf Wahlkreisen erheblich hin- genüber der Vorwahl. zugewinnen. „Die Linke“ erzielte in einzelnen Wahlkreisen überdurchschnittliche, in anderen Wahlkreisen unterdurch- Bei den Hochburgen der AfD im Jahr 2017 handelt es sich schnittliche Ergebnisse. Im Schnitt blieb sie, trotz leichten mehrheitlich um traditionelle sozialdemokratische Hoch- Gewinnen, in den AfD-Hochburgen knapp unterhalb ihres burgen im Ruhrgebiet. Neun von zwölf AfD-Hochburgen des landesweiten Ergebnisses. Jahres 2017 sind identisch mit den SPD-Hochburgen des

Abbildung 12 Wahlergebnisse in den zehn Hochburgen der AFD aus dem Jahr 2013

AfD CDU SPD FDP GRÜNE Rang Wahlkreis 2017 Differenz 2017 Differenz 2017 Differenz 2017 Differenz 2017 Differenz 1 Gelsenkirchen 17,0 % 12,3 % 22,4 % -5,3 % 33,5 % -10,6 % 9,2 % 6,2 % 4,6 % -0,8 % 2 Duisburg II 15,5 % 10,4 % 22,4 % -4,1 % 34,1 % -8,9 % 8,2 % 5,4 % 4,4 % -0,7 % 3 Essen II 15,0 % 10,7 % 23,4 % -5,0 % 31,8 % -9,9 % 9,7 % 6,3 % 6,2 % 0,9 % 4 Herne – Bochum II 13,4 % 9,5 % 23,4 % -4,7 % 34,2 % -9,6 % 9,1 % 6,3 % 5,9 % -0,8 % 5 Oberhausen – Wesel III 12,5 % 8,3 % 26,3 % -3,8 % 33,0 % -8,3 % 10,0 % 6,7 % 5,5 % -1,1 % 6 Recklinghausen II 12,5 % 8,4 % 29,4 % -5,2 % 31,7 % -8,4 % 10,6 % 7,0 % 5,2 % -0,6 % 7 Bottrop – Recklinghausen III 12,4 % 8,3 % 29,9 % -5,0 % 31,2 % -8,9 % 10,5 % 7,0 % 4,8 % -0,6 % 8 Recklinghausen I 12,0 % 7,5 % 28,6 % -5,3 % 31,6 % -8,2 % 10,3 % 6,9 % 5,8 % -0,6 % 9 Hagen – Ennepe-Ruhr-Kreis I 11,8 % 7,5 % 28,9 % -6,4 % 29,3 % -7,4 % 12,6 % 8,0 % 5,8 % -0,9 % 10 Märkischer Kreis II 11,6 % 6,6 % 34,0 % -7,5 % 25,8 % -6,5 % 13,4 % 8,9 % 4,9 % -0,7 % 11 Mülheim – Essen I 11,4 % 6,8 % 28,1 % -5,7 % 29,5 % -8,7 % 12,9 % 8,4 % 6,7 % -0,4 % 12 Duisburg I 11,3 % 6,2 % 25,7 % -4,3 % 31,7 % -7,5 % 10,4 % 7,1 % 6,6 % -0,4 % Mittelwerte 13,0 % 8,5 % 26,9 % -5,2 % 31,5 % -8,6 % 10,6 % 7,0 % 5,5 % -0,6 % Landesweite Ergebnisse 9,4 % 5,5 % 32,6 % -7,1 % 26,0 % -5,9 % 13,1 % 7,9 % 7,6 % -0,4 %

Wahlbeteiligung LINKE PIRATEN Radikale Rechte in den AfD-Hochburgen Rang Wahlkreis 2017 Differenz 2017 Differenz 2017 Differenz 2017 Differenz 1 Gelsenkirchen 7,4 % -0,2 % 0,5 % -1,7 % 0,6 % -2,8 % 68,3 % 2,9 % 2 Duisburg II 8,4 % -0,4 % 0,7 % -1,7 % 0,8 % -4,0 % 64,7 % 1,1 % 3 Essen II 8,7 % 0,6 % 0,5 % -2,0 % 0,5 % -2,3 % 67,6 % 2,9 % 4 Herne – Bochum II 8,6 % 0,5 % 0,6 % -1,8 % 0,6 % -2,2 % 71,4 % 2,4 % 5 Oberhausen – Wesel III 8,3 % 0,3 % 0,5 % -1,9 % 0,5 % -2,3 % 73,4 % 2,7 % 6 Recklinghausen II 6,6 % 0,3 % 0,5 % -1,8 % 0,4 % -1,6 % 74,3 % 2,6 % 7 Bottrop – Recklinghausen III 6,8 % 0,6 % 0,4 % -1,6 % 0,5 % -1,8 % 74,9 % 3,0 % 8 Recklinghausen I 7,3 % 0,5 % 0,4 % -1,8 % 0,5 % -1,5 % 74,3 % 2,6 % 9 Hagen – Ennepe-Ruhr-Kreis I 7,2 % 0,5 % 0,5 % -1,8 % 0,5 % -1,5 % 72,4 % 1,3 % 10 Märkischer Kreis II 6,5 % 0,6 % 0,4 % -1,9 % 0,4 % -1,4 % 72,4 % 3,2 % 11 Mülheim – Essen I 7,4 % 1,0 % 0,4 % -1,7 % 0,4 % -1,8 % 76,1 % 2,5 % 12 Duisburg I 8,7 % 0,8 % 0,6 % -1,8 % 0,6 % -3,0 % 72,4 % 1,3 % Mittelwerte 7,1 % 0,4 % 0,5 % -1,8 % 0,5 % -2,2 % 71,9 % 2,4 % Landesweite Ergebnisse 7,5 % 1,3 % 0,4 % -1,8 % 0,4 % -1,1 % 75,4 % 3,0 %

Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Landeswahlleiters. 20 UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER

Jahres 2013. Die erheblichen Verluste der Sozialdemokrat_ Die radikal rechten Parteien erzielten bei der Bundestagswahl innen in diesen Wahlkreisen veränderten zwar deren Rang- 2013 in den AfD-Hochburgen ein fast doppelt so hohes Er- folge bei der Bundestagswahl 2017, dennoch erzielte die gebnis wie im Mittel der anderen 52 Wahlkreise. Auch 2017 SPD in ihnen auch bei dieser Wahl Ergebnisse, die 20 Pro- lagen ihre Ergebnisse in den AfD-Hochburgen über dem zent über dem Landesdurchschnitt lagen. Trotz der Verluste Landesdurchschnitt, allerdings verloren sie einen Großteil blieben diese sozialdemokratischen Hochburgen stabil. Von ihrer Stimmen. Statt 2,71 Prozent im Jahr 2013 betrug ihr diesen zwölf SPD-Hochburgen sind neun identisch mit den Anteil nur noch 0,53 Prozent (siehe Abbildung 12). Hochburgen der AfD (siehe Abbildung 13).

Abbildung 13 Vergleich der AfD-Hochburgen 2017 und der SPD-Hochburgen 2017 und 2013. Rot markiert: Wahlkreise, die Hochburgen beider Parteien sind

Hochburgen der AFD 2017, Hochburgen der SPD 2013, Hochburgen der SPD 2017, Ergebnis >= 11,3 % Ergebnis >= 38,3 % Ergebnis >= 31,2 % (20 % über dem Durchschnittsergebnis) (20 % über dem Durchschnittsergebnis) (20 % über dem Durchschnittsergebnis)

Rang Wahlkreis AFD Rang Wahlkreis SPD Rang Wahlkreis AFD 1 Gelsenkirchen 17,0 % 1 Gelsenkirchen 44,0 % 1 Aachen II 35,3 % 2 Duisburg II 15,5 % 2 Herne – Bochum II 43,9 % 2 Herne – Bochum II 34,2 % 3 Essen II (15 %) 15,0 % 3 Duisburg II 43,0 % 3 Duisburg II 34,1 % 4 Herne – Bochum II 13,4 % 4 Essen II 41,7 % 4 Unna I 33,6 % 5 Oberhausen – Wesel III 12,5 % 5 Oberhausen – Wesel III 41,3 % 5 Gelsenkirchen 33,5 % 6 Recklinghausen II 12,5 % 6 Dortmund II 40,9 % 6 Oberhausen – Wesel III 33,0 % 7 Bottrop – Recklinghausen III 12,4 % 7 Unna I 40,9 % 7 Dortmund II 32,7 % 8 Recklinghausen I 12,0 % 8 Recklinghausen II 40,1 % 8 Essen II 31,8 % 9 Hagen – Ennepe-Ruhr-Kreis I 11,8 % 9 Bottrop – Recklinghausen III 40,1 % 9 Duisburg I 31,7 % 10 Märkischer Kreis II 11,6 % 10 Recklinghausen I 39,8 % 10 Recklinghausen II 31,7 % 11 Mülheim – Essen I 11,4 % 11 Duisburg I 39,2 % 11 Recklinghausen I 31,6 % 12 Duisburg I 11,3 % 12 Bochum I 38,6 % 12 Hamm – Unna II 31,5 % Ergebnis < 11,3 % 13 Hamm – Unna II 38,5 % 13 Bottrop – Recklinghausen III 31,2 % 13 Hamm – Unna II 11,2 % 14 Ennepe-Ruhr-Kreis II 38,3 % Ergebnis < 31,2 % 16 Dortmund II 10,9 % 17 Mülheim – Essen I 29,5 % 25 Unna I 9,8 % 19 Hagen-Ennepe-Ruhr-Kreis I 29,3 % 29 Ennepe-Ruhr-Kreis II 9,7 % 31 Märkischer Kreis II 25,8 % 27 Bochum I 9,8 % 46 Aachen II 8,7 %

Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Landeswahlleiters NRW. STUDIE IM AUFTRAG DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 21

3.3 Ergebnisse der Bundestagswahl 2017 konnte nicht so stark wie im Landesschnitt hinzugewinnen im Ruhrgebiet (plus 7,0 Prozent gegenüber plus 7,9 Prozent).

Dem Ruhrgebiet kommt als bevölkerungsstärkste Metro­ Im Ruhrgebiet blieben die Sozialdemokraten auch 2017 die polregion NRWs eine herausragende Rolle bei Wahlen zu. stärkste Kraft, allerdings ist ihr Vorsprung gegenüber der Die Analyse der Hochburgen hat bereits aufgezeigt, dass CDU in manchen Wahlkreisen auf ein bis zwei Prozent- insbesondere im Ruhrgebiet deutliche Umbrüche bei den punkte geschrumpft. Bundestagswahlen festgestellt werden konnten. So hat die SPD ihre meisten Hochburgen im Ruhrgebiet nur mit z. T. Die Grünen erzielten im Ruhrgebiet ein leicht unterdurch- erheblichen Stimmverlusten verteidigen können. Zugleich schnittliches Wahlergebnis, das eine große Spreizung von konnte die AfD einen Großteil ihrer erstmaligen Hochburgen 4,4 Prozent (Duisburg II) bis 9,5 Prozent () auf- im Ruhrgebiet gewinnen. Insbesondere für die Sozialdemokrat_ weist. Die Linke erzielte ein leicht überdurchschnittliches innen galt bislang, dass es ohne einen deutlichen Stimmenvor- Zweitstimmenergebnis, wobei auffällig ist, dass sie mit einem sprung in NRW und dem als „sozialdemokratische Herzkam- Plus von 0,9 Prozent weniger stark als im Landesdurchschnitt mer“ apostrophierten Ruhrgebiet nicht gelingt, eine Bundes- (plus 1,3 Prozent) hinzugewinnen konnte. Beide Parteien tagswahl zu gewinnen. Da die Machtverschiebungen im Ruhr- erreichten in den Wahlkreisen Dortmund I und Bochum I gebiet folglich eine überregionale Bedeutung haben können, herausragende Ergebnisse, so dass sie dort auf einen sum- werden die Wahlergebnisse im Ruhrgebiet an dieser Stelle in mierten Zweistimmenanteil von 19,5 bzw. 19,1 Prozent ka- Relation zur vorangegangenen Analyse der Hochburgen gesetzt. men. Auf die gesamte Stadt gerechnet erreichten „Bündnis90/ Die Grünen“ und „Die Linke“ einen summierten Stimmanteil Bei der Bundestagswahl 2017 erhielt die SPD in den 18 das von 18,5 Prozent (Bochum) bzw. 18 Prozent (Dortmund). Ruhrgebiet umfassenden Wahlkreisen sowie im Kreis Wesel22 (siehe Abbildung 15) Bochum und Dortmund sind auch die durchschnittlich 31,2 Prozent der Zweitstimmen, wobei die beiden Großstädte des Ruhrgebiets, in denen die AfD mit Spannbreite der Ergebnisse von 24,7 Prozent (Essen III) bis 10,5 und 10,3 Prozent ihre schlechtesten Ergebnisse erzielte. 34,2 Prozent (Herne – Bochum II) reicht. Mit Ausnahme des Wahlkreises Essen III und des Kreises Wesel lagen die Sozial­ Der Wahlerfolg der AfD in Nordrhein-Westfalen gründet sich demokrat_innen bei den Zweitstimmen stets vor der Union. zu einem relevanten Teil in den herausragenden Wahlergeb- Die SPD verlor gegenüber der Wahl 2013 im Ruhrgebiet durch- nissen im Ruhrgebiet, wo 11 ihrer 12 Hochburgen liegen. schnittlich 7,6 Prozent. Besonders hoch fielen die Verluste in (siehe Kapitel 3.2) Durchschnittlich erreichte die AfD im den Wahlkreisen Gelsenkirchen (minus 10,6 Prozent), Essen II Ruhrgebiet 11,8 Prozent, was ein Plus von 2,4 Prozent ge- (minus 9,9 Prozent) und Herne – Bochum II (minus 9,6 Pro- genüber dem Landesschnitt ist. Am schlechtesten schnitt zent) aus. die AfD im konservativen Wahlkreis Essen III ab, dem ein- zigen Wahlkreis des Ruhrgebiets, in dem die Rechtspopu- CDU und FDP erzielten im Ruhrgebiet nur unterdurchschnitt- listen ein unterdurchschnittliches Ergebnis erzielten. Auch liche Ergebnisse. Eine Ausnahme bildete der Wahlkreis Essen im stärker ländlich geprägten Kreis Wesel, im die Städte III, in dem die FDP 15,1 Prozent erzielte (plus 9,4 Prozent). Hattingen, Wetter, Witten und Herdecke umfassenden Durchschnittlich kam die CDU auf 26,8 Prozent und die Wahlkreis Ennepe-Ruhr-Kreis II, in Bochum I, Dortmund I FDP auf 11,0 Prozent. Die CDU verlor mit 5,0 Prozent we­ und Unna I (umfasst den Kreis Unna ohne Lünen, Selm und niger stark als im Landesschnitt (minus 7,1 Prozent), die FDP Werne) blieb die AfD unter 10,0 Prozent.

22 Da der Kreis Wesel bei der Bundestagswahl in die beiden Wahlkreise und Krefeld – Wesel II aufgeteilt ist, die Stadt Krefeld aber nicht mehr zum Ruhrgebiet zu zählen ist, wurde das summierte Ergebnis des Kreises Wesel einbezogen. 22 UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER 2,2 % 2,6 % 2,6 % 2,7 % 2,5 % 2,1 % 2,4 % 2,6 % 1,3 % 2,9 % 2,3 % 2,9 % 2,7 % 1,1 % 1,3 % 4,2 % 4,2 % 3,0 % 3,0 % 2,6 % Differenz 76,2 % 74,3 % 74,3 % 73,4 % 76,1 % 77,1 % 71,4 % 72,9 % 72,4 % 68,3 % 79,5 % 67,6 % 77,1 % 64,7 % 72,4 % 70,7 % 73,9 % 74,9 % 76,0 % 73,3 % Wahlbe- teiligung 6,1 % 8,4 % 7,5 % 8,3 % 6,8 % 5,8 % 9,5 % 7,9 % 7,5 % 4,5 % 5,8 % 6,2 % 6,8 % 5,7 % 8,3 % 5,9 % 7,6 % 12,3 % 10,7 % 10,4 % Differenz AfD 9,8 % 9,6 % 8,4 % 9,7 % 9,8 % 9,8 % 12,5 % 12,0 % 12,5 % 11,4 % 13,4 % 11,2 % 11,8 % 17,0 % 15,0 % 15,5 % 11,3 % 10,9 % 12,4 % 11,8 % 7,4 % 7,0 % 6,9 % 6,7 % 8,4 % 7,6 % 6,3 % 6,7 % 8,0 % 6,2 % 9,4 % 6,3 % 8,2 % 5,4 % 7,1 % 7,0 % 7,0 % 7,0 % 7,4 % 7,2 % Differenz FDP 9,1 % 9,2 % 9,7 % 8,2 % 11,5 % 10,6 % 10,3 % 10,0 % 12,9 % 12,0 % 10,4 % 12,6 % 15,1 % 12,7 % 10,4 % 10,8 % 11,1 % 10,5 % 11,2 % 11,0 % 0,7 % 0,3 % 0,5 % 0,3 % 1,0 % 0,7 % 0,5 % 0,7 % 0,5 % 1,7 % 0,6 % 1,7 % 0,8 % 1,3 % 2,1 % 0,6 % 2,3 % 0,8 % -0,2 % -0,4 % Differenz 6,9 % 6,6 % 7,3 % 8,3 % 7,4 % 7,2 % 8,6 % 7,0 % 7,2 % 7,4 % 8,3 % 8,7 % 8,1 % 8,4 % 8,7 % 9,1 % 6,8 % 8,0 % LINKE 10,0 % 10,2 % 0,9 % -1,0 % -0,6 % -0,6 % -1,1 % -0,4 % -0,4 % -0,8 % -0,8 % -0,9 % -0,8 % -0,3 % -0,9 % -0,7 % -0,4 % -1,2 % -1,2 % -0,6 % -0,7 % -0,7 % Differenz 6,9 % 5,2 % 5,8 % 5,5 % 6,7 % 6,2 % 5,9 % 5,3 % 5,8 % 4,6 % 9,4 % 6,2 % 8,2 % 4,4 % 6,6 % 7,2 % 9,5 % 4,8 % 8,9 % 6,5 % GRÜNE 7,4 % -8,4 % -8,2 % -8,3 % -8,7 % -7,0 % -9,6 % -7,0 % -7,4 % -8,4 % -9,9 % -8,4 % -8,9 % -7,5 % -8,3 % -8,1 % -8,9 % -8,9 % -7,6 % -10,6 % Differenz SPD 33,6 % 31,7 % 31,6 % 33,0 % 29,5 % 29,9 % 34,2 % 31,5 % 29,3 % 33,5 % 24,7 % 31,8 % 29,9 % 34,1 % 31,7 % 32,7 % 30,0 % 31,2 % 29,7 % 31,2 % -4,7 % -5,2 % -5,3 % -3,8 % -5,7 % -5,2 % -4,7 % -6,5 % -6,4 % -5,3 % -6,2 % -5,0 % -5,7 % -4,1 % -4,3 % -4,7 % -4,5 % -5,0 % -5,1 % -5,1 % Differenz CDU 27,2 % 29,4 % 28,6 % 26,3 % 28,1 % 31,4 % 23,4 % 30,3 % 28,9 % 22,4 % 30,1 % 23,4 % 27,3 % 22,4 % 25,7 % 24,5 % 24,5 % 29,9 % 25,4 % 26,8 % Mittelwerte Unna I Recklinghausen II Recklinghausen I Oberhausen – Wesel III Wesel Oberhausen – Mülheim – Essen I Kreis Wesel* Herne – Bochum II Hamm – Unna II Hagen – Ennepe-Ruhr-Kreis I Hagen – Ennepe-Ruhr-Kreis Gelsenkirchen Essen III Essen II Ennepe-Ruhr-Kreis II Ennepe-Ruhr-Kreis Duisburg II Duisburg I Dortmund II Dortmund I Bottrop – Recklinghausen III Wahlkreis Bochum I Abbildung 14 Zweitstimmen-Ergebnisse der Bundestagswahl in den 2017 Wahlkreisen des Ruhrgebiets sowie im Kreis Wesel Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Landeswahlleiters NRW und des Kreises Wesel. STUDIE IM AUFTRAG DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 23

Ein Vergleich der Zweitstimmen-Ergebnisse der Bundes- tagswahl 2017 in den 11 Großstädten23 des Ruhrgebiets zeigt, dass die AfD dort mit durchschnittlich 12,6 Prozent ein leicht höheres Ergebnis erzielte als im Ruhrgebiets- 1,3 % 1,7 % 2,6 % 2,6 % 3,0 % 3,0 % 2,1 % 2,4 % 2,9 % 4,2 % 3,7 % Differenz Durchschnitt. Die höchste Zustimmung wurde ihr in Gel- senkirchen (17,0 Prozent), Herne (13,9 Prozent), Duisburg (13,3 Prozent) und Oberhausen (13,1 Prozent) zuteil. Mit 68,7 % 74,9 % 75,3 % 68,2 % 77,5 % 73,9 % 72,0 % 70,4 % 74,0 % 72,3 % 70,8 % Wahlbe- 12,8 Prozent erreichte sie auch in Hagen ein für das Ruhr- teiligung gebiet überdurchschnittliches Ergebnis. 0,3 % 0,6 % 2,1 % 1,0 % 1,1 % 0,2 % 0,4 % 1,7 % 0,4 % -0,2 % -0,3 %

Die Ergebnisse der Volksparteien in den Großstädten wei- Differenz chen kaum vom Durchschnittsergebnis im Ruhrgebiet ab. Beide Volksparteien haben in den Großstädten Verluste zu 8,6 % 6,8 % 7,4 % 7,4 % 8,2 % 8,3 % 7,8 % 6,8 % 9,6 % 7,5 % LINKE

verzeichnen, wobei diese bei der SPD erheblich höher aus- 10,1 % fallen als bei der CDU. In den Städten Mülheim/Ruhr, Essen und Hagen liegt die Union nur knapp hinter den Sozial­

demokraten, während in Städten wie Duisburg, Oberhausen, 0,7 % 0,8 % -0,5 % -0,8 % -0,4 % -0,6 % -1,3 % -0,7 % -0,6 % -1,2 % -1,3 %

Gelsenkirchen oder Dortmund die Unterschiede zwischen Differenz beiden Parteien deutlicher ausfallen. Die SPD verlor in den 11 Großstädten mit durchschnittlichen Verlusten von 5,6 % 4,6 % 6,7 % 7,6 % 5,2 % 4,8 % 8,4 % 5,3 % 5,3 % 8,4 % 5,3 %

8,8 Prozent stärker als im gesamten Ruhrgebiet, wo sie GRÜNE durchschnittlich 7,6 Prozent verlor. 8,0 % 8,9 % 9,9 % 6,8 % 7,3 % 8,3 % 6,6 % 8,0 % 6,2 % 8,4 % 12,3 % Differenz AfD 13,3 % 13,1 % 13,9 % 17,0 % 11,4 % 11,4 % 12,4 % 10,5 % 12,3 % 10,3 % 12,8 % 6,3 % 6,4 % 6,4 % 6,2 % 8,4 % 8,0 % 7,0 % 7,1 % 7,0 % 7,0 % 7,6 % Differenz FDP 9,4 % 9,5 % 9,2 % 9,2 % 12,9 % 12,6 % 10,5 % 10,7 % 10,5 % 11,0 % 11,9 % -4,2 % -5,7 % -5,6 % -3,6 % -5,0 % -4,9 % -4,7 % -5,1 % -5,3 % -4,6 % -6,3 % Differenz CDU 24,2 % 28,1 % 27,3 % 26,0 % 29,9 % 24,9 % 23,6 % 29,6 % 22,4 % 24,5 % 28,2 % -8,2 % -8,7 % -9,0 % -8,3 % -8,9 % -9,0 % -9,7 % -8,3 % -8,2 % -7,7 % -10,6 % Differenz SPD 32,8 % 29,5 % 28,3 % 33,4 % 31,2 % 30,7 % 34,5 % 31,3 % 33,5 % 31,3 % 29,6 %

23 Als Großstädte wurden Städte mit einer Einwohnerzahl von mehr als 100.000 Stadt Duisburg gewertet. De Ergebnisse in den kreisangehörigen Kommunen konnten im Rah- Mülheim/Ruhr Essen Oberhausen Bottrop Bochum Herne Recklinghausen Gelsenkirchen Dortmund Hagen

men dieser Studie aus Zeitgründen nicht extra ausgewertet werden. Abbildung 15 Ruhrgebiets des Großstädten den in 2017 Bundestagswahl der Zweitstimmen-Ergebnisse Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Landeswahlleiters NRW. 24 UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER

4. Aggregatdatenanalyse Wahlkreise

Mittels der Aggregatdatenanalyse sollen Zusammenhänge maligen Nichtwähler_innen besteht. Keine andere Partei zwischen dem Wahlergebnis der AfD und sozioökonomischen, weist einen so hohen Anteil an vormaligen Nichtwähler_in- demografischen und politisch-kulturellen Faktoren geprüft nen auf (vgl. Forschungsgruppe Wahlen 2017; Tagesschau werden. Abhängige Variable ist das Zweistimmen-Ergebnis 2017). Zugleich ist aus der vorangegangenen Untersu- der AfD bei der Bundestagswahl 2017. Die Analyse ist in chung der AfD-Hochburgen (siehe Kapitel 3.2) bekannt ge- zwei Analyseschritte unterteilt: einer bivariaten Korrelations- worden, dass die AfD in Wahlkreisen außerordentlich hohe analyse (Kapitel 4.2) und eine multiple lineare Regression Ergebnisse erzielte, die eine unterdurchschnittliche Wahl­ (Kapitel 4.3). Für NRW soll so aufgezeigt werden, welche beteiligung aufweisen. äußeren Einflussfaktoren für die elektoralen Umbrüche ins­ gesamt verantwortlich gemacht werden können. Angenä- These 1: Je stärker die Wahlbeteiligung in einem Wahlkreis hert werden soll sich dabei dem soziodemo­grafischen Profil gestiegen ist, desto höher fiel dort das Wahlergebnis der der mobilisierten AfD-Wähler_innen, um dieses in Relation AfD aus. zu den klassischen Wähler_innengruppen der Volksparteien und der übrigen im Bundestag vertretenen Parteien setzen These 2: Je niedriger die Wahlbeteiligung in einem Wahl- zu können. kreis, desto höher das AfD-Wahlergebnis.

Aus der Untersuchung der Hochburgen der Volksparteien 4.1 Thesen und der AfD (siehe Kapitel 3.1 und 3.2) ist bekannt, dass neun von zwölf der aktuellen AfD-Hochburgen zugleich Im Folgenden werden die Thesen vorgestellt, die der statis- Hochburgen der Sozialdemokratie bei der Bundestagswahl tischen Prüfung unterzogen werden. 2013 waren. Während die AfD in den SPD-Hochburgen überdurchschnittliche Ergebnisse einfuhr, blieb sie in den 4.1.1 Politisch-kulturelle Faktoren CDU-Hochburgen unterhalb des landesweiten Durchschnitts. Geprüft werden soll, ob sich dieser beobachtete Zusam­ 2017 war ein deutlicher Anstieg der Wahlbeteiligung zu ver- menhang auf das Land NRW generalisieren lässt. zeichnen, vormalige Nichtwähler_innen konnten mobilisiert werden. Zugleich erzielte die AfD ein hohes Ergebnis. Die These 3: Je höher das Zweistimmen-Ergebnis der CDU im AfD inszeniert sich seit ihrer Gründung, wie andere rechts­ Jahr 2013 ausfiel, desto niedriger ist das Wahlergebnis der populistische Parteien auch, als eine Anti-Establishment- AfD bei der Bundestagswahl 2017. Kraft. Wenn davon ausgegangen wird, dass Wähler_innen von ihrem Stimmrecht keinen Gebrauch mehr machen, weil These 4: Je höher das Zweitstimmen-Ergebnis der SPD im sie von den ihnen bisher bekannten politischen Parteien Jahr 2013 ausfiel, desto höher ist das Wahlergebnis der entfremdet sind, so bietet das Auftreten einer neuen Partei, AfD bei der Bundestagswahl 2017. die sich in deutlicher Abgrenzung zu den etablierten Parteien präsentiert, eine neue Gelegenheit, die eine erhöhte Mobi- Die AfD hat sich seit ihrer Gründung stetig radikalisiert. Die lisierung von vormaligen Nichtwähler_innen nach sich zie- Partei und ihre Vertreter_innen haben in den letzten Jahren hen kann. Aus Nachwahlbefragungen ist bekannt, dass eine Rhetorik entwickelt, die bis dato nur von radikal rechten ungefähr ein Viertel der AfD-Wähler_innenschaft aus vor- Parteien wie der NPD, „pro Deutschland“ oder den Republi- STUDIE IM AUFTRAG DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 25

kanern bekannt war. Als Beispiel dafür können auch die Spier (2010) vertreten den Ansatz der Modernisierungs- offiziellen, vom Bundesverband verantworteten, Wahlpla- verlierertheorie, wonach durch gesellschaftliche Moderni- kate der AfD zur Bundestagswahl 2017 gelten. Sechs von sierungsprozesse hervorgebrachte Verlierer_innen eine grö- neun Plakaten polemisieren gegen Einwanderung und Islam.24 ßere Wahrscheinlichkeit aufweisen, Rechtsaußen-Parteien Slogans wie „Burkas? Wir steh’n auf Bikinis“ ähneln stark bei Wahlen zu unterstützen (vgl. Spier 2010: 56). In einer vormaligen Werbe-Slogans radikal rechter Parteien. statistischen Untersuchung der Elektorate rechtspopulistischer Parteien in Westeuropa kommt der Autor zu dem Ergebnis, Es ist demnach anzunehmen, dass die AfD bei der Bundes- dass der mittlere sozioökonomische Status der Wähler_innen tagswahl 2017 unter vormaligen Wähler_innen radikal rech- rechtspopulistischer Parteien hinter dem der Wähler_innen ter Parteien große Zustimmung mobilisieren konnte, zumal anderer Parteien zurückbleibt. Demnach gelte: „Je niedriger im Unterschied zu den Splitterparteien der radikalen Rechten der sozioökonomische Status einer Person, desto höher ist eine Wahlentscheidung für die AfD nicht einer „verschenk- die Wahrscheinlichkeit der Wahl einer derartigen Partei“ ten Stimme“ gleichkommt, da der Einzug der AfD in den (Spier 2010: 263). Bundestag vor der Wahl von sämtlichen Umfragen prog­ nostiziert wurde. Aus Einstellungsuntersuchungen ist zu- These 6: Höhere Arbeitslosigkeit, geringeres Haushaltsein- dem bekannt, dass AfD-Wähler_innen durchschnittlich deut- kommen und größere Armut, gemessen am Anteil der Men- lich stärker rechtsextreme und rassistische Einstellungen schen, die Leistungen nach dem SGB II beziehen („Hartz IV“) äußern als der Bevölkerungsdurchschnitt (vgl. Hilmer et al. sowie der Armutsgefährdungsquote in einem Wahlkreis 2017: 36; Brähler/Decker 2016: 74; Hövemann/Groß 2016: gehen mit höheren Wahlergebnissen für die AfD einher 175). Zu fragen ist also, ob das Wahlergebnis der AfD in (Indikatoren: Arbeitslosenquote, Haushaltseinkommen, Ar- einem Zusammenhang mit der Zustimmung für Parteien der mutsgefährdungsquote, SGBII-Quote). radikalen Rechten bei der voran gegangenen Bundestags- wahl steht. Spiegelbildlich sollten demnach gesicherte sozioökonomi- sche Lebensverhältnisse und verbreiteter Wohlstand ten­ These 5: Je höher das Wahlergebnis für radikal rechte Par- denziell die Wahl rechtspopulistischer Parteien unwahr­ teien in einem Wahlkreis bei der Bundestagswahl 2013 war, scheinlicher machen: desto höher fiel das AfD-Wahlergebnis 2017 aus (Indikator: Wahlergebnisse radikal rechter Parteien 2013). These 7: Höherer Wohlstand in einem Wahlkreis geht mit niedrigerem Wahlergebnis der AfD einher (Indikatoren: Haus- 4.1.2 Sozioökonomische Faktoren haltseinkommen, Eigentümerquote, BIP).

In einem Überblick über den Forschungsstand zur Wahl 4.1.3 Demografische Faktoren von Rechtsaußen-Parteien in Deutschland kommt Tim Spier (2016) zu dem Ergebnis, dass die wenigen vorhandenen Über den möglichen Zusammenhang zwischen Anteil von Studien, die sich mit sozialräumlichen Einflüssen auf die Ausländern bzw. Menschen mit Migrationshintergrund und Wahlentscheidung für solche Parteien befassen, zeigen, der Wahl von rechtspopulistischen und radikal rechten Par- dass „insbesondere in wirtschaftlich schwachen Regionen teien wird, vielfach unter Bezug auf die ostdeutschen Bun- und Stadtteilen mit sozialen Problemen“ (Spier 2016: 278) desländern, angenommen, dass ein niedriger Ausländer- Rechtsaußen-Parteien reüssieren können. Auch Lubbers/ anteil eher zu stärkeren Wahlergebnissen dieser Parteien Scheepers (2001) halten fest, dass die meisten Studien zur führt, da die Wähler_innen in solchen Wahlkreisen tenden- Wahl von rechtsextremen Parteien den Erfolg dieser Parteien ziell weniger persönlichen Kontakt haben, bestehende Vor- mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und der Einwande- urteile dadurch nicht durch lebensweltliche Erfahrungen rung in Verbindung bringen. Nach der von ihnen vertrete- konfrontiert werden (Kontaktthese). nen „Competition Theory“ sind soziale Gruppen, die Ein- wanderer und ethnische Minderheiten als Bedrohung für These 8: Je niedriger der Anteil von Ausländern, desto höher ihre soziökonomische Position betrachten, weil sie mit ih- das Wahlergebnis für die AfD (Indikator: Ausländeranteil an nen um dieselben begrenzten Ressourcen konkurrieren, der Bevölkerung). besonders geneigt rechtsextreme Parteien zu wählen. Zu diesen sozialen Gruppen zählen sie unter anderem Arbeits- Aufgrund der Wahlanalysen vergangener Landtagswahlen lose, Menschen mit geringem Einkommen und Arbeiter wurde die These 5 aufgestellt, wonach es der AfD gelingt, (vgl. Lubbers/Scheepers 2001: 432). Andere Autoren wie Tim Wähler_innen radikal rechter (Kleinst-)Parteien zu mobili­

24 https://www.afd.de/meldungen-bundesverband/partnerportale/ 26 UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER

sieren. Wahlerfolge dieser Parteien werden vielfach eher in 4.2 Ergebnisse bivariater Korrelationen ländlich geprägten als in urbanen Räumen für möglich ge- halten. Als Beispiele für diese Annahme können die in den vergangenen 20 Jahren zu beobachtenden Einzüge in die Abbildung 16 Korrelationen* des Zweitstimmenanteil der AfD in den Landtage von Brandenburg, Sachsen und Mecklenburg- nordrhein-westfälischen Wahlkreisen anhand sozio- Vorpommern durch die rechtsextremen Parteien DVU und struktureller Indikatoren zur Bundestagswahl 2017 NPD gelten. Richter und Bösch (2017) konnten in ihrer Un- tersuchung der Bundestagswahl-Ergebnisse der AfD einen Sozioökonomische Faktoren NRW signifikanten Zusammenhang zwischen einer sinkenden BIP (€ je Einwohner) R -0,268 Bevölkerungsdichte und einem höheren Wahlergebnis der Sig. (2-Seitig) 0,032 AfD nachweisen. Die Autoren untersuchten sämtliche Arbeitslosenquote (in %) R 0,636 Wahlkreise der Bundesrepublik Deutschland. In ihre Unter- Sig. (2-Seitig) 0,000 suchung flossen demnach auch die dünn besiedelten Wahl- Armutsgefährdungsquote R 0,302 kreise ostdeutscher Bundesländer ein, in denen zugleich Sig. (2-Seitig) 0,015 überdurchschnittliche Zustimmung für die AfD zu beob-­ verfügbares Einkommen R -0,394 achten ist. Nordrhein-Westfalen ist ein dichtbesiedeltes und priv. Haushalte (€ je Einwohner) das einwohnerstärkste Bundesland, was aber auch über Sig. (2-Seitig) 0,001 ländliche Räume verfügt. Der für das gesamte Bundesgebiet SGB II – Empfänger (je Tsd. Einwohner) R 0,593 festgestellte Zusammenhang zwischen Bevölkerungsdichte Sig. (2-Seitig) 0,000 und AfD-Wahlergebnis soll deshalb auch für Nordrhein- Eigentümerquote R -0,310 Westfalen getestet werden. Da aus der Untersuchung der Sig. (2-Seitig) 0,013 AfD-Hochburgen (siehe Kapitel 3.2) bekannt ist, dass die Bevölkerung AfD im dichtbesiedelten Ballungsraum Ruhrgebiet ihre höchs­ 2 ten Ergebnisse erzielte, wird davon ausgegangen, dass sich Bevölkerungsdichte (Einwohner je km ) R 0,274 diese These vermutlich nicht bestätigen lässt. Sig. (2-Seitig) 0,029 Anteil Ausländer an Bevölkerung (in %) R 0,258 These 9: Je dünner besiedelt die Wahlkreise sind, desto Sig. (2-Seitig) 0,040 höher ist das AfD-Ergebnis (Indikator: Bevölkerungsdichte). Politische Faktoren

Wahlbeteiligung 2017 (in %) R -0,793 Sig. (2-Seitig) 0,000 Wahlbeteiligung 2013 (in %) -0,760 Sig. (2-Seitig) 0,000 Anstieg Wahlbeteiligung R -0,067 2013 auf 2017 (in %) Sig. (2-Seitig) 0,600 Anteil Wähler radikale rechte R 0,841 Parteien 2013 (in %) Sig. (2-Seitig) 0,000 Anteil Zweitstimmen SPD 2013 (in %) R 0,730 Sig. (2-Seitig) 0,000 Anteil Zweitstimmen CDU 2013 (in %) R -0,566 Sig. (2-Seitig) 0,000

* Pearson Korrelationskoeffizient. (Signifikanz zweiseitig). Quelle: Bundeswahlleiter, 2017; Berechnungen: Eigene. STUDIE IM AUFTRAG DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 27

Zwischen dem prozentualen Anstieg der Wahlbeteiligung Die Wahlbeteiligung zu den Bundestagswahlen 2013 und 2017 gegenüber der Vorwahl und dem Anteil der Zweitstim- 2017 stehen in einem starken negativen – dabei aber signi- men für die AfD bei der Bundestagswahl 2017 besteht nur fikanten – Zusammenhang mit dem AfD-Zweitstimmen-Er- ein sehr schwacher und nicht signifikanter Zusammenhang. gebnis zur Bundestagswahl 2017.

Das Wahlergebnis der AfD fiel demnach nicht desto Je höher das AfD-Wahlergebnis, desto niedriger die höher aus, je stärker die Wahlbeteiligung in einem Wahlbeteiligung. Somit kann die in These 2 aufge- Wahlkreis angestiegen ist. These 1 kann damit nicht stellte Annahme bestätigt werden. bestätigt werden.

Abbildung 17 Abbildung 18 Streudiagramm Korrelationen These 1 Streudiagramm Korrelationen These 2

2 R2 Linear = 0,004 R Linear = 0,628

17,50 17,50

15,00 15,00

12,50 12,50

10,00 10,00

7,50 7,50 Anteil Zweitstimmen AfD, 2017 Anteil Zweitstimmen AfD, 2017 5,00 5,00

1,00 2,00 3,00 4,00 5,00 6,00 7,00 60,00 65,00 70,00 75,00 80,00 85,00 Prozentualer Anstieg der Wahlbeteiligung Wahlbeteiligung in Prozent von 2013 auf 2017 Quelle: Eigene Darstellung. Quelle: Eigene Darstellung. 28 UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER

Das Zweitstimmenergebnis der CDU zur Bundestagswahl Das Zweitstimmenergebnis der SPD zur Bundestagswahl 2013 2013 hingegen steht in einem signifikanten aber negativen steht in einem signifikanten Zusammenhang mit dem AfD- Zusammenhang mit dem AfD-Ergebnis zur Bundestagswahl Ergebnis zur Bundestagswahl 2017. Es lässt sich daher fest- 2017. Es lässt sich daher festhalten: halten:

Je höher das CDU-Ergebnis in einem Wahlkreis zur Je höher das SPD-Ergebnis in einem Wahlkreis zur Bundestagswahl 2013 war, desto niedriger ist das Bundestagswahl 2013 war, desto höher ist das AfD-Ergebnis zur Bundestagswahl 2017. Damit kann AfD-Ergebnis zur Bundestagswahl 2017. Damit wird These 3 bestätigt werden. These 4 bestätigt.

Abbildung 19 Abbildung 20 Streudiagramm Korrelationen These 3 Streudiagramm Korrelationen These 4

R2 Linear = 0,320 R2 Linear = 0,533

17,50 17,50

15,00 15,00

12,50 12,50

10,00 10,00

7,50 7,50 Anteil Zweitstimmen AfD, 2017 Anteil Zweitstimmen AfD, 2017 5,00 5,00

25,00 30,00 35,00 40,00 45,00 50,00 55,00 20,00 25,00 30,00 35,00 40,00 45,00 Anteil Zweitstimmen CDU, 2013 Anteil Zweitstimmen SPD, 2013 Quelle: Eigene Darstellung. Quelle: Eigene Darstellung. STUDIE IM AUFTRAG DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 29

Das summierte Zweitstimmen-Ergebnis radikal rechter Par- Das Zweitstimmen-Ergebnis der AfD zur Bundestagswahl teien bei der Bundestagswahl 2013 steht in starkem signifi- 2017 steht somit in Verbindung mit den oben genannten kantem Zusammenhang mit dem Zweitstimmen-Ergebnis Indikatoren. Im Detail lässt sich herausstellen, dass vor allem der AfD bei der Wahl 2017. die Arbeitslosenquote (r=0.636) als auch der Anteil der Leis­ tungsempfänger_innen nach SGB II (r=0,593) in einem star- ken Zusammenhang mit diesem steht. Je höher der Anteil Je höher das Wahlergebnis für radikal rechte Par- der Arbeitslosen in einem Wahlkreis ist, desto höher ist teien in einem Wahlkreis 2013 ausfiel, umso höher dort auch das Zweistimmen-Ergebnis der AfD. Außerdem: ist im Jahr 2017 das AfD-Wahlergebnis. Somit kann Je höher der Anteil der Empfänger_innen von Leistungen die These 5 bestätigt werden. nach SGB II in einem Wahlkreis, desto höher ist dort auch der Zweitstimmen-Anteil für die AfD. In einem mittleren ne- gativen (-0,394) Zusammenhang steht das verfügbare Ein- Abbildung 21 kommen der privaten Haushalte und der Anteil der Zwei- Streudiagramm Korrelationen These 5 stimmen für die AfD. Mit steigendem Haushaltseinkommen sinkt demnach der Zweitstimmen-Anteil für die AfD in einem R2 Linear = 0,708 Wahlkreis. Der Zusammenhang zwischen der Armutsge­ 17,50 fährdungsquote und dem Zweitstimmen-Ergebnis der AfD ist ebenfalls mittelstark ausgeprägt – allerdings auf einem 15,00 Signifikanzniveau von p=0,05. Demnach gilt: Je höher die Armutsgefährdungsquote in einem Wahlkreis, desto höher 12,50 das Zweitstimmen-Ergebnis der AfD. Ein höherer Anteil Ar- beitsloser, ein geringeres Haushaltseinkommen und größere 10,00 Armut – gemessen am Anteil der Menschen, die existenz­ sichernde Leistungen beziehen – gehen mit höheren Wahl- ergebnissen für die AfD einher. 7,50 Anteil Zweitstimmen AfD, 2017 5,00 Somit lässt sich die These 6 mittels der Korrelation der gewählten Indikatoren bestätigen, dass höheres 0,00 1,00 2,00 3,00 4,00 5,00 Einkommen mit niedrigeren Wahlergebnissen der AfD in einem Wahlkreis einhergeht. Summe Anteil Zweitstimmen radikale rechte Parteien, 2013

Quelle: Eigene Darstellung. Der Zusammenhang zwischen der Eigentümerquote, die hier als Wohlstandsindikator herangezogen wird, und dem AfD- Wahlergebnis ist negativ, dennoch statistisch signifikant und Der Wahlkreis Duisburg II bildet hier den deutlichsten Aus- mittelstark. Ein schwacher bis mittelstarker negativer Zusam- reißer mit einer Summe von 4,8 Prozent Zweitstimmenanteil menhang besteht auch zwischen dem Bruttoinlandsprodukt für radikal rechte Parteien bei der Bundestagswahl 2013 und pro Einwohner und dem Wahlergebnis der AfD. Es lässt sich einem AfD-Ergebnis von 15,4 Prozent bei der Bundestags- daher herausstellen, dass bei steigender Eigentümerquote wahl 2017 (siehe Abbildung 12). der Zweitstimmenanteil für die AfD sinkt und bei steigendem BIP pro Einwohner ebenfalls das AfD-Ergebnis sinkt. Zwischen dem AfD Zweitstimmen-Ergebnis und der Arbeits- losenquote, dem verfügbaren Einkommen der privaten Haus- Wohlhabendere Wahlkreise – gemessen an der Eigen­ halte, dem Anteil der Empfänger von Leistungen nach SGB II tümerquote und dem BIP pro Kopf – haben nach- je 1.000 Einwohner sowie der Armutsgefährdungsquote weisbar ein geringeres AfD Wahlergebnis. These 7 besteht laut der Korrelationsmatrix ein statistisch signifikan- lässt sich damit bestätigen. ter – dabei jedoch unterschiedlich starker – Zusammenhang. 30 UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER

Der Anteil der Ausländer und das Wahlergebnis für die AfD Zwischen der Bevölkerungsdichte und dem Anteil der Zweit- stehen in einem schwachen bis mittleren Zusammenhang. stimmen für die AfD besteht ein schwacher bis mittlerer Vielmehr wird deutlich, dass mit steigendem Ausländeran- signifikanter Zusammenhang. teil auch der Anteil der Zweistimmen für die AfD steigt. Die sichtbaren Ausreißer im Streudiagramm bilden erneut die Wahlkreise Gelsenkirchen, Essen II und Duisburg II. Demnach gilt: Je stärker die Räume besiedelt sind, desto höher ist das AfD-Ergebnis. Die zuvor aufge- stellte Annahme (These 9) lässt sich daher nicht Die aufgestellte Annahme, dass ein niedriger Aus- bestätigen. länderanteil mit einem hohen AfD-Ergebnis einher- geht (These 8), lässt sich jedoch nicht bestätigten.

Abbildung 23 Streudiagramm Korrelationen These 9

Abbildung 22 R2 Linear = 0,075 Streudiagramm Korrelationen These 8 17,50 R2 Linear = 0,067 15,00 17,50

12,50 15,00

10,00 12,50

7,50 10,00 Anteil Zweitstimmen AfD, 2017 5,00 7,50 Anteil Zweitstimmen AfD, 2017 5,00 0,00 1.000,0 2.000,0 3.000,0 4.000,0 Bevölkerungsdichte am 31.12.2015 (Einwohner je km2) 5,00 10,00 15,00 20,00 25,00 Quelle: Eigene Darstellung. Bevölkerung am 31.12.2015 – Ausländer (%)

Quelle: Eigene Darstellung. 4.3 Ergebnisse der multiplen linearen Regression

Anhand der Mittelwertvergleiche (siehe Kapitel 3) und der bivariaten Korrelationen (siehe Kapitel 4.2) konnten einige zuvor aufgestellte Erwartungen und theoretische Überle- gungen veranschaulicht werden. Eine Übertragung auf die Grundgesamtheit ist allerdings erst zulässig, wenn die Da- ten einer weiteren statistischen Prüfung unterzogen wurden (vgl. Bortz 2005). Dazu wird auf die induktive Statistik zu- rückgegriffen, um die zuvor aufgestellten Annahme zu über- prüfen. Die dafür gewählte Methode der multiplen Regres- sion dient der Vorhersage einer abhängigen Variablen auf- grund mehrerer unabhängiger Variablen.

Um zu prüfen, wie das Zweitstimmen-Ergebnis der AfD zur Bundestagswahl 2017 durch die unabhängigen Variablen (z. B. die Wahlbeteiligung oder die Arbeitslosenquote) vor- hergesagt werden kann, wird die Regression durchgeführt. Zuvor sollen allerdings die Voraussetzungen getestet werden. Zu den Voraussetzungen zählt, dass die unabhängigen Va- STUDIE IM AUFTRAG DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 31

riablen nicht zu stark untereinander korrelieren, das heißt dass die standardisierten Koeffizienten (Beta) miteinander nicht zu stark in Zusammenhang stehen sollten (keine Multi­ verglichen werden können. kollinearität). Des Weiteren sollten die Korrelationen über die Grundgesamtheit hinweg konstant bestehen (Homo­ Aus dem standardisierten Koeffizient kann außerdem abge- skedastizität). Eine weitere Voraussetzung ist die Normal­ lesen werden, wie stark der Einfluss einer unabhängigen verteilung der Residuen. Variablen auf die abhängige Variable im Vergleich zu den anderen unabhängigen Variablen im Regressionsmodell ist. Mit Aufnahme der Variablen SGBII-Quote, Arbeitslosen- Die Effektstärken können so miteinander vergleichen werden, quote, Bevölkerungsdichte, Ausländeranteil und Anteil da die Messdimensionen der Variablen zuvor eliminiert wur- Zweitstimmen CDU 2013 ist die Aussage der Regression ver- den (vgl. Backhaus et al, 2011: 70). fälscht, da diese fünf Variablen sehr hohe vif-Werte auf­- weisen und damit ein Indiz dafür liefern, dass diese Variab- Abbildung 24 len sehr stark mit anderen korrelieren und damit eine der Einfluss soziostruktureller Indikatoren auf Voraussetzungen für das Regressionsmodell verletzen – so die Zweitstimmenanteile der AfD bei der Bundestagswahl 2017 in NRW würde Multikollinearität vorliegen. Um die Aussagekraft des Modells zu verbessern, wurden diese Variablen ausgeschlos- NRW sen. Auf der gewählten Datengrundlage kann somit keine Koeffizient 9,598 Aussage, die diese Items betreffen, getroffen werden. Die Konstante Std.Fehler 0,116 dazugehörigen Thesen 6, 8, 9, können daher nicht statistisch Sig. 0,000 überprüft werden. Außerdem wurde die Variable Wahlbe­ Koeffizient -0,167 teiligung 2013 nicht in die Regression aufgenommen – BIP (€ je Einwohner) Std.Fehler 0,205 bzw. von SPSS ausgeschlossen – da diese Variable vermut- Sig. 0,064 lich sehr ähnliche Informationen enthält, wie die Variable Koeffizient -0,051 Wahlbeteiligung 2017 und daher zu zu wenig Varianz­ Armutsgefährdungsquote Std.Fehler 0,137 aufklärung führen würde. Sig. 0,391 Koeffizient 0,304 Mithilfe des Durbin-Watson-Test wurde auf Homoskedasti- verfügbares Einkommen priv. Std.Fehler 0,166 ziät geprüft, allerdings ist beim vorliegenden Datensatz nicht Haushalte (€ je Einwohner) Sig. 0,000 davon auszugehen, da der Test keinen Wert um 2 erfüllt, Koeffizient 0,020 sondern unter 1,5 liegt (siehe Anhang). Da die Regression Eigentümerquote Std.Fehler 0,220 als Methode jedoch sehr robust ist, wird auch unter dem Sig. 0,838 Umstand der fehlenden Homoskedastizität mit den Daten Koeffizient -0,285 gearbeitet. Ferner sind die Residuen für NRW annähernd normalverteilt, weshalb auch diese Voraussetzung bestätigt Wahlbeteiligung 2017 (in %) Std.Fehler 0,197 werden kann. Folglich kann die Regression ausgeführt werden. Sig. 0,000 Koeffizient 0,150 Anstieg Wahlbeteiligung Std.Fehler 0,136 Das Regressionsmodell (siehe Abbildung 24) weist ein korri- 2013 auf 2017 (in %) giertes R2 von 0,840 auf und damit eine Modellgüte von 84 Sig. 0,014 Prozent. Dieser Wert zeigt an, wie groß der Anteil der Varianz Koeffizient 0,545 Anteil Wähler radikale Std.Fehler 0,244 der abhängigen Variablen (AfD-Wahlergebnis) ist, der durch rechte Parteien 2013 (in %) die unabhängigen Variablen erklärt wird. Sig. 0,000 Koeffizient -0,016 Anteil Wähler radikale Std.Fehler 0,167 Die Varianzanalyse, die bei einer Regression mithilfe von rechte Parteien 2017 (in %) SPSS durchgeführt wird, berechnet das Verhältnis von erklär- Sig. 0,824 ter (Regression) zur nicht erklärten (Residuen) Varianz. Der Koeffizient 0,402 Anteil Zweitstimmen F- Test, der darin enthalten ist, ist ein Signifikanztest. Da der Std.Fehler 0,191 SPD 2013 (in %) F-Wert einen p-Wert von < .001 aufweist, kann das vorlie­ ­gen- Sig. 0,000 de Modell demnach gegen den Zufall abgesichert werden. N 64 korr. R² 0,863 Die unstandardisierten Koeffizienten geben an, um welchen Abhängige Variablen: AfD-Zweistimmenergebnis 2017. Betrag die abhängige Variable steigt (bei positiven Koeffi­ Angegeben sind die Koeffizienten, die Standardfehler und zienten) bzw. sinkt (bei negativen Koeffizienten), wenn die die Signifikanzen (ab 0,05 als signifikant fett markiert) P < = 0,05 ’signifikant; p< 0,01 ’hochsignifikant; jeweilige unabhängige Variable um eine Einheit ansteigt. Die P < 0,001 ’höchst signifikant’ zuvor durchgeführte z-Transformation der Variablen erlaubt, Quelle: Bundeswahlleiter, 2017; Berechnungen: Eigene. 32 UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER

Die Regressionsanalyse kommt zu den folgenden Ergebnissen:

Eigentümerquote Anteil Wähler_innen radikal rechter Parteien 2013 Die Eigentümerquote wirkt sich nicht statistisch signifikant Das Wahlergebnis der AfD nimmt durchschnittlich um auf das Wahlergebnis der AfD aus. Die Effektstärke ist so- 0,545 Prozentpunkte zu, wenn die Summe des Zweitstim- wieso sehr klein, weshalb dieser Effekt vernachlässigbar ist. menanteils der radikal rechten Parteien 2013 um eine Stan- dardabweichung zunimmt. Demnach war die AfD besonders Wahlbeteiligung 2017 erfolgreich in den Wahlkreisen, in denen radikale rechte Das Wahlergebnis der AfD nimmt um durchschnittlich Parteien zur Bundestagswahl 2013 besonders hohe Ergeb- 0,285 Prozentpunkte ab, wenn die Wahlbeteiligung um nisse erzielten. Dem Zusammenhang wird im gesamten eine Standardabweichung zunimmt. Der Effekt ist höchst Modell der größte Effekt zugeschrieben – der Einfluss der signifikant. Variable hat den größten Einfluss auf das Wahlergebnis der AfD, außerdem ist der Einfluss höchst signifikant. Verfügbares Einkommen der Haushalte Das Wahlergebnis der AfD nimmt durchschnittlich um Prozentualer Anstieg der Wahlbeteiligung 0,304 Prozentpunkte zu, wenn das verfügbare Einkommen von 2013 auf 2017 der privaten Haushalte im Jahr 2014 um eine Standard­ Das Wahlergebnis der AfD nimmt durchschnittlich um abweichung zunimmt. Demnach war die AfD besonders 0,150 Prozentpunkte zu, wenn der prozentuale Anstieg der erfolgreich in den Wahlkreisen, in denen die privaten Haus- Wahlbeteiligung – zur Bundestagswahl 2013 auf 2017 – halte ein höheres Einkommen zur Verfügung haben. Dem um eine Standardabweichung zunimmt. Demnach war die Zusammenhang wird ein mittlerer Effekt zugeschrieben. Das AfD erfolgreich in den Wahlkreisen, in denen die Wahlbe­ Einkommen der privaten Haushalte wirkt sich höchst signi- teiligung von Bundestagswahl 2013 zur Wahl 2017 pro- fikant auf das Wahlergebnis der AfD aus. zentual angestiegen ist. Dem Zusammenhang wird im Ver- gleich ein geringer Effekt zugeschrieben. Der prozentuale BIP / Armutsgefährdungsquote / Anteile Wähler_innen Anstieg der Wahlbeteiligung wirkt sich signifikant auf das radikal rechter Parteien 2017 Wahlergebnis der AfD aus. Der Zusammenhang, bzw. die Wirkung des BIPs, der Ar- mutsgefährdungsquote und der Summe des Zweitstimmen- Anteil Zweitstimmen SPD 2013 anteils der radikalen rechten Parteien 2017 wirken sich nicht Das Wahlergebnis der AfD nimmt durchschnittlich um statistisch signifikant auf das Wahlergebnis der AfD aus. Die 0,402 Prozentpunkte zu, wenn der Anteil der Zweitstimmen Effektstärken sind recht gering bis sehr klein, weshalb die- für die SPD zur Bundestagswahl 2013 um eine Standard­ se Effekte ebenfalls vernachlässigbar sind. abweichung zunimmt. Somit war die AfD 2017 erfolgreich in den Wahlkreisen, in denen die SPD zur Wahl 2013 erfolg- reich war. Dem Zusammenhang wird der zweitstärkste Effekt des Modells zugeschrieben. Der Anteil der Zweit- stimmen für die SPD in einem Wahlkreis 2013 wirkt sich höchst signifikant auf das Wahlergebnis der AfD aus. STUDIE IM AUFTRAG DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 33

5. Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

Die vorliegende Untersuchung wollte die Leitfragen beant- ihnen gelang, wieder bzw. erstmals in den Bundestag ein- worten, welche Parteien vom Niedergang der Volksparteien zuziehen, als die eigentlichen Wahlsieger der Bundestags­ bei der Bundestagswahl 2017 profitierten und welche sozio­ wahl 2017 gelten. In den SPD-Hochburgen blieben die FDP- ökonomischen, demografischen und politisch-kulturellen Zuwächse unterhalb des Landesdurchschnitts, in den CDU- Faktoren die Wahlentscheidung für die AfD begünstigten. Hochburgen erreichten sie in etwa den Landesdurchschnitt. Für die 64 nordrhein-westfälischen Bundestagswahlkreise Auffällig ist, dass das AfD-Ergebnis in den CDU-Hochburgen stellt der Bundeswahlleiter verschiedene Strukturdaten zur merklich unter dem Landesdurchschnitt blieb, während die Verfügung, die als Datengrundlage der Untersuchung ver- Partei in sämtlichen sozialdemokratischen Hochburgen wendet wurden. überdurchschnittliche Ergebnisse erzielte, die in einer Span- ne zwischen 9,8 Prozent und 17,0 Prozent liegen. Weiter Das Ruhrgebiet ist von besonderer Bedeutung zeigte sich, dass neun von zwölf AfD-Hochburgen Wahlkreise Bei der Bundestagswahl 2017 erzielte die AfD in sämtlichen sind, die sowohl 2013 als auch 2017 Hochburgen der SPD Wahlkreisen des Ruhrgebiets, mit Ausnahme des Wahlkreises gewesen sind. Essen III, überdurchschnittliche Zweitstimmen-Ergebnisse. Mit Ausnahme von Dortmund und Bochum lag die AfD in Dieser sich bei den Hochburgen zeigende Zusammenhang den elf Großstädten des Ruhrgebiets sogar noch über ihrem zwischen der Höhe der SPD-Ergebnisse bei der Bundestags- Ruhrgebiets-Durchschnitt von 11,8 Prozent. Im Ruhrgebiet wahl 2013 und der Höhe des AfD-Ergebnisses 2017 konnte erreichte die AfD auch landesweit ihre besten Ergebnisse, mithilfe der multiplen linearen Regression auch für Nordrhein- elf ihrer zwölf Hochburgen sind dort verortet. Das heraus­ Westfalen als Ganzes nachgewiesen werden. Das Wahler- ragende AfD-Ergebnis von 17,0 Prozent in Gelsenkirchen ist gebnis der AfD nimmt durchschnittlich um 0,402 Prozent- das viertbeste Ergebnis der Partei in Westdeutschland. Das punkte zu, wenn der Anteil der Zweitstimmen für die SPD hohe Abschneiden der AfD zwischen Ruhr und Lippe hat bei der Bundestagswahl 2013 um eine Standardabweichung maßgeblich zu ihrem Wahlergebnis in NRW beigetragen. zunimmt. Daraus ist allerdings nicht automatisch zu folgern, dass für das hohe Ergebnis der AfD in besonderem Maße Umwälzungen in den Hochburgen ehemalige Wähler_innen der SPD verantwortlich sind. Eine In einem Analyseschritt wurden die Hochburgen der beiden solche Schlussfolgerung gibt die Datengrundlage nicht her, Volksparteien CDU und SPD sowie der AfD, ausgehend von hierfür wären Befragungen der AfD-Wähler_innenschaft nach deren besonderen Bedeutung für das Wahlergebnis der Par- ihren vormaligen Wahlentscheidungen notwendig. Die Ver- teien, untersucht. Dabei zeigte sich, dass sich die traditio- mutungen, dass es der AfD gelang, in sozialdemokratische nellen Hochburgen der beiden Volksparteien, trotz der er- Wähler_innenmilieus einzubrechen bzw. sie schon vor einiger heblichen Verluste bei der Bundestagswahl 2017, nicht ver- Zeit ins Lager der Nichtwähler_innen abgewanderte vor­- ändert haben. malige SPD-Wähler_innen mobilisieren konnte, sind aber naheliegend. Fest steht, dass je erfolgreicher die SPD bei Während die SPD in sämtlichen ihrer Hochburgen über- der Bundestagswahl 2013 in einem Wahlbezirk war, desto durchschnittliche Einbußen zu beklagen hatte, verlor die CDU erfolgreicher war dort die AfD 2017. nur in der Hälfte ihrer Hochburgen stärker als im Landes- durchschnitt. Die FDP und die AfD konnten aufgrund ihrer Ob auch das CDU-Ergebnis 2013 in einem Zusammenhang erheblichen Stimmenzuwächse und der Tatsache, dass es mit dem AfD-Ergebnis 2017 steht, kann leider nicht abschlie- 34 UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER

ßend geklärt werden, weil die Variable aus der multiplen wie es zuvor nur die radikal rechten Parteien taten. Dass linearen Regression ausgeschlossen werden musste. Die Er- sich die Wähler_innenschaft der AfD nicht nur erheblich ver- gebnisse der bivariaten Korrelation zeigen einen signifikanten, größert, sondern sich auch in ihrer Zusammensetzung ver- allerdings negativen, Zusammenhang, was darauf hindeu- ändert haben könnte, darauf deutet, neben dem Einbruch tet, dass das AfD-Ergebnis 2017 umso niedriger ausfällt, der radikal rechten Parteien, auch die Tatsache hin, dass sich desto höher das CDU-Ergebnis bei der Bundestagswahl 2013 die Hochburgen der AfD im Vergleich zur Vorwahl verän- ist. Hier kann also ein umgekehrter Zusammenhang vermu- derten. Nur die Hälfte der AfD-Hochburgen aus dem Jahr tet, aber nicht abschließend geklärt werden. 2013 stellen auch Hochburgen bei der Bundestagswahl 2017 dar. 2013 war die AfD eine erst vor wenigen Monaten Die AfD ist dort stark, wo die Wahlbeteiligung neugegründete Partei, die sich vor allem als Anti-Euro- niedrig ist – und profitiert zugleich von gestiegener Partei präsentierte. Seitdem hat sie sich hinsichtlich ihres Wahlbeteiligung Führungspersonals, ihrer Programmatik und ihrer Wahlkampf- In sämtlichen Wahlkreisen Nordrhein-Westfalens stieg bei themen gewandelt, wobei eine Radikalisierung rechter der Bundestagswahl 2017 die Wahlbeteiligung an. Die Höhe Positionen zu konstatieren ist. der Wahlbeteiligung wies aber eine große Spreizung auf. Die multiple lineare Regression kam zu dem Ergebnis, dass der Zusammenhänge mi sozioökonomischen Faktoren nicht Zweitstimmenanteil der AfD um 0,285 Prozentpunkte sinkt, umfassend prüfbar wenn die Wahlbeteiligung um eine Standardabweichung Mögliche Zusammenhänge zwischen der sozioökonomi- zunimmt. Je höher die Wahlbeteiligung in einem Wahlkreis schen Struktur der Wahlkreise und dem Wahlergebnis der war, desto niedriger fiel das Wahlergebnis der AfD aus. Die- AfD ließen sich nicht umfassend prüfen. Der Mittelwertver- ser Befund zeigt, dass die Stärke der AfD auch mit einer gleich zeigte zwar, dass die AfD-Hochburgen durchschnitt- fortbestehenden Abwendung eines Teils der Wahlberech- lich ärmer sind, die Arbeitslosigkeit dort höher und die wirt- tigten von der politischen Partizipation im Zusammenhang schaftliche Leistungsfähigkeit niedriger ist. Auf die Gesamtheit steht. der nordrhein-westfälischen Wahlkreise bezogen zeigten sich ebenfalls Korrelationen zwischen diesen soziökonomi­ Zugleich zeigte sich aber, dass die AfD von der insgesamt schen Faktoren und dem Wahlergebnis der AfD, welche auf gestiegenen Wahlbeteiligung profitieren konnte, sie also die erwarteten Zusammenhänge zwischen höherer Armut vormalige Nichtwähler_innen erfolgreich mobilisierte. Das und höheren AfD-Ergebnissen bzw. höherem Wohlstand und Wahlergebnis der AfD nimmt durchschnittlich um 0,150 Pro- niedrigeren AfD-Ergebnissen verwiesen. Dabei zeigte sich zentpunkte zu, wenn der prozentuale Anstieg der Wahlbe- anhand des Datensatzes für Nordrhein-Westfalen, dass das teiligung – zur Bundestagswahl 2013 auf 2017 – um eine AfD-Ergebnis steigt, wenn sich das den privaten Haushal- Standardabweichung zunimmt. Diesem Zusammenhang ten verfügbare Einkommen erhöht. Das Bruttoinlandspro- wird in der Regression aber ein eher geringer Effekt zuge- dukt, die Armutsgefährdungsquote und die Eigentümer­- schrieben. quote wirkten sich hingegen nicht signifikant auf das AfD- Wahlergebnis aus, was eher gegen die Annahme spricht, AfD ist dort besonders stark, wo radikal rechte dass AfD-Ergebnis hänge von sozioökonomischen Faktoren Parteien bei der Vorwahl hohe Ergebnisse erzielten ab. Allerdings sei hier noch einmal darauf verwiesen, dass Durch die multiple lineare Regression ist nachweisbar, dass wichtige Indikatoren wie die SGBII-Quote und die Arbeits- für NRW ein Zusammenhang zwischen der Höhe des Zweit- losenquote aus statistischen Gründen nicht in die Regression stimmen-Anteils der radikal rechten Parteien bei der Bundes- aufgenommen werden konnten. tagswahl 2013 und dem Abschneiden der AfD 2017 besteht. Demnach gilt, dass das AfD-Ergebnis 2017 durchschnittlich Zusammenhänge mit demografischen Faktoren nicht prüfbar um 0,545 Prozentpunkte (NRW) steigt, wenn der Zweitstim- In die Regression für NRW konnten die beiden demogra- menanteil der radikal rechten Parteien 2013 um eine Stan- fischen Variablen Bevölkerungsdichte und Ausländeranteil dardabweichung zunimmt. Je höher das Ergebnis der radikal aus statistischen Gründen nicht aufgenommen werden. rechten Parteien 2013 war, desto höher ist also das AfD- Ergebnis 2017. Fazit Mit Blick auf NRW und die Metropolregion Ruhr stellen die Auch in diesem Fall ist mit den vorhandenen Daten nicht zurückliegenden Bundestagswahlen eine historische Zäsur belegbar, dass die vormaligen Wähler_innen der radikal dar. Erstmals gelang mit der AfD einer rechtspopulistischen rechten Parteien alle zur AfD wanderten, dies ist allerdings Partei der Einzug in den Bundestag, während die Volkspar- auch deswegen zu vermuten, weil der Stimmanteil dieser teien SPD und CDU massive Stimmverluste verzeichnen Parteien massiv eingebrochen ist und die AfD im Wahlkampf mussten. Da die sich mit ihrem Wahlerfolg etablierte AfD als 2017 Themen in einer Weise in den Mittelpunkt gestellt hat, entscheidende Ursache für die elektoralen Umwälzungen in STUDIE IM AUFTRAG DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 35

NRW verantwortlich gemacht werden kann, wurden in der Bedeutung sind. Führt man sich vor Augen, dass die tradi­ vorliegenden Analyse verschiedene Einflussfaktoren in den tionellen Hochburgen der Partei im Ruhrgebiet auch ein Blick genommen, die das starke Wahlergebnis der Partei be- maßgeblicher Einflussfaktor für das bundesweite Ergebnis einflusst haben und damit erste Hinweise auf die Wähler_ der Partei sind, müssen die massiven Stimmverluste in diesen innenwanderungen in NRW insgesamt liefern. Räumen aus Sicht der SPD mit Besorgnis betrachtet werden. Dabei zeigte die Analyse der Hochburgen der Volksparteien Dabei konnte gezeigt werden, dass der Wahlerfolg der AfD eindrücklich, dass es der AfD neben dem Einzug in den Bun- in NRW unmittelbar mit den Stimmverlusten der SPD in ihren destag zusätzlich gelungen ist, nur wenige Jahre nach ihrer klassischen Hochburgen des Ruhrgebiets in Zusammenhang Gründung quasi aus dem Stand eigene Wahlhochburgen zu steht und das Ergebnis der SPD sowie der radikal rechten gewinnen, die entscheidende Bedeutung für das Gesamt­ Parteien bei der Bundestagswahl 2013 als stärkste Faktoren ergebnis der Partei hatten. Ob die AfD ihre Erfolge in diesen auf das Wahlergebnis der AfD 2017 eingewirkt haben. Es überwiegend sozialdemokratischen Hochburgen des Ruhr- sind also Wahlkreise und Stadtteile, in denen die SPD und gebiets bei kommenden Europa- und Kommunalwahlen die radikal rechten Parteien stark waren, in denen die AfD ­bestätigen kann, bleibt abzuwarten. nun besonders gut abgeschnitten hat. Insbesondere für die SPD bedeutet dieser Befund erhöhten Dies bedeutet keinesfalls, dass die elektoralen Umwälzungen Handlungsbedarf in diesen Räumen. Allerdings sollte dabei bei der Bundestagswahl allein aus Abwanderungsprozessen nicht der vorschnelle Schluss gezogen werden, dass sich die von Wähler_innen der SPD und rechter Parteien hin zur AfD AfD-Wähler_innenschaft dort mehrheitlich aus enttäuschten zu erklären sind. Vielmehr haben ebenso die starken Ver- ehemaligen SPD-Wähler_innen zusammensetzt, die nun, luste der anderen Volkspartei CDU zu einem Erstarken der womöglich durch eine partielle Übernahme von Rhetorik und AfD geführt. Inhalten der AfD, zurückgeholt werden könnte. Die SPD hat dort bereits seit 2005 erheblich an Zustimmung verloren. Außerdem konnte zusätzlich vor allem die FDP in NRW im Über die Motivation der Wähler_innen in diesen Räumen, Vergleich zu den Bundestagswahlen 2013 massiv an Stim- ihre Stimme der AfD zu geben, ist ebenso wenig bekannt, men hinzugewinnen und konnte mit knapp 8 Prozent Zu­ wie über ihre älteren parteipolitischen Präferenzen oder ihre gewinn an Stimmen noch vor der AfD die stärksten Stim- individuelle soziale oder psychosoziale Verfassung. Dem menzuwächse in NRW verbuchen. Festgehalten werden kann weiter nachzugehen ist eine Zukunftsaufgabe für wissen- zudem, dass die kleineren im Bundestag etablierten demokra- schaftliche Forschung – vor allem eine qualitative Heran­ tischen Parteien bei den vergangenen Bundestagswahlen in gehensweise wäre hier ratsam, um individuelle Einstellun- NRW kaum vergleichbare Verluste gegenüber der AfD zu gen zu untersuchen. Außerdem darf nicht aus dem Blick ge- verzeichnen hatten, sondern sich der Wahlerfolg der AfD vor raten, dass sich diese Räume durch eine geringe Wahlbe­ allem auf den Wähler_innenwanderungen aus den Lagern der teiligung auszeichnen. Es ist anzunehmen, dass es der AfD Volksparteien CDU und SPD sowie ehemaliger Nichtwähler_­ gelang, dort einen Teil der vormaligen Nichtwähler_innen innen gründet. Die Ergebnisse der Grünen blieben bei leichten wieder zur Beteiligung an der Bundestagswahl zu motivie- Verlusten nahezu unverändert während die Linke auf niedri- ren. Schwer wiegt jedoch die Tatsache, dass immer noch gem Niveau leichte Hinzugewinne verbuchen konnte. große Anteile der dort wohnenden Wahlberechtigten nicht an der Wahl partizipieren. Die Mobilisierung dieser Nicht- Nimmt man die traditionellen Hochburgen der beiden gro­ wähler_innen und ihre Einbindung in Prozesse politischer ßen Volksparteien in NRW in den Blick, wurde in der Ana­- Partizipation, die sich nicht nur auf die Wahlen beschränken lyse deutlich, dass die jüngsten Verschiebungen in der poli- sollten, ist eine Aufgabe, der sich die politischen Parteien tischen Landschaft vor allem für die SPD von besonderer zu stellen haben. 36 UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER

Anhang I: Indikatoren

I.1 Abhängige Variablen Vorleistungen (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Mieten und Pachten, Kosten für durch andere Unternehmen durchge- Wahlergebnisse führte Lohnarbeiten etc.) werden abgezogen. „Das BIP und In den Datensätzen wurden die Zweitstimmen-Anteile der die BWS können für die Kreise nur in jeweiligen Preisen an- zur Wahl zugelassenen und teilnehmenden Parteien – im gegeben werden, da in der hier betrachteten regionalen Sinne der Vollständigkeit – bei der Bundestagswahl vom Tiefe keine gesicherten gesamtwirtschaftlichen Preisindizes 24. September 2017 sowie der Bundestagswahl vom zur Deflationierung dieser Wertgrößen vorliegen.“27 22. September 2013 verwendet. Die Daten zum Bruttoinlandsprodukt wurden durch den Bundeswahlleiter zur Verfügung gestellt. Die Daten stam- I.2 Unabhängige Variablen men aus dem Jahr 2014.

Arbeitslosenquote Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte Die Arbeitslosenquote misst den Anteil der erwerbsfähigen (€ je Einwohner_in) Bevölkerung nicht älter als 65 Jahre, die arbeitssuchend und „Das Verfügbare Einkommen ist als der Betrag zu verstehen, beschäftigungslos sind bzw. lediglich eine geringfügige Be- der den privaten Haushalten für Konsumzwecke oder zur schäftigung von weniger als 15 Wochenstunden ausüben. Ersparnisbildung zur Verfügung steht. Es ergibt sich da- Ferner solche, die nicht Schüler_innen, Studierende oder durch, dass dem Primäreinkommen die monetären Sozial­ Teilnehmer_innen an beruflichen Bildungsnahmen, nicht ar- leistungen (Rente, Arbeitslosenhilfe, Kindergeld etc.) sowie beitsunfähig erkrankt oder Empfänger einer Altersrente sind.25 die sonstigen laufenden Transfers hinzugefügt werden und Die Arbeitslosenstatistik erhebt die Bundesagentur für Arbeit. die Sozialbeiträge und die sonstigen laufenden Transfers sowie Einkommensteuern und andere Steuern, die von den Quote der Empfänger_innen von Leistungen nach SGB privaten Haushalten zu leisten sind, abgezogen werden. Das II (SGB II-Quote) Primäreinkommen der privaten Haushalte enthält die Ein- Anteil der Personen, die nach der von der Bundesagentur kommen aus Erwerbstätigkeit und Vermögen, die den inlän- für Arbeit errechneten Grundsicherungsstatistik SGB II dischen privaten Haushalten zugeflossen sind (z. B. Selbst- (Sozialgesetzbuch II) Empfänger_innen von Leistungen der ständigeneinkommen, Arbeitnehmerentgelt).“28 Grundsicherung sind: „Die Grundsicherungsstatistik SGB II berichtet über Personen in Bedarfsgemeinschaften (in der Die Daten zum verfügbaren Einkommen der privaten Haus- öffentlichen Diskussion oft als ‚Hartz-IV-Empfänger‘ be­ halte wurden durch den Bundeswahlleiter zur Verfügung zeichnet), die Haushalte, in denen sie leben, sowie über Leis- gestellt. Die Daten stammen aus dem Jahr 2014. tungen, die sie zu ihrem Lebensunterhalt bekommen.“26 Eigentümer_innenquote Die Daten zur SGB II-Quote im Datensatz NRW wurde durch „Die Eigentümerquote stellt den Anteil der von Eigentüme- den Bundeswahlleiter zur Verfügung gestellt. Stichtag der rinnen und Eigentümern bewohnten Wohnungen an allen Daten ist der 31.12.2016. bewohnten Wohnungen dar. Nicht berücksichtigt sind: Leer stehende Wohnungen, Ferien- und Freizeitwohnungen, Diplomatenwohnungen/Wohnungen ausländischer Streit- kräfte sowie gewerblich genutzte Wohnungen. Die Berech- Bruttoinlandsprodukt (€ je Einwohner) nung erfolgt für Wohnungen in Wohngebäuden (ohne Das Bruttoinlandsprodukt ist ein Maß für die in einer Region Wohnheime).“29 erbrachte wirtschaftliche Leistung und gibt den Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen an, die während eines Die Daten zur Eigentümer_innenquote im Datensatz Wahl- Jahres innerhalb der Landesgrenzen einer Volkswirtschaft kreise NRW wurde durch den Bundeswahlleiter zur Ver- produziert wurden. Die bei der Produktion verbrauchten fügung gestellt.

25 https://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahlen/2017/strukturdaten/beschreibung.html#2345626b-432d-4af9-b33c-7db52ad463db 26 https://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahlen/2017/strukturdaten/beschreibung.html#82697968-ceb6-4c2a-a986-a235348296a7 27 https://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahlen/2017/strukturdaten/beschreibung.html#1ed125c8-b576-43bb-a422-4e84aa307da5 28 https://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahlen/2017/strukturdaten/beschreibung.html#c289f983-0dc6-423b-9a78-75eebac4d8ca 29 https://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahlen/2017/strukturdaten/beschreibung.html#4a19b555-7d00-470a-ab2e-6ebe089070cf STUDIE IM AUFTRAG DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 37

Armutsgefährdungsquote Ausländeranteil „Die Armutsgefährdungsquote ist ein Indikator zur Messung Der Ausländeranteil bezeichnet den Anteil der Personen an relativer Einkommensarmut und wird – entsprechend dem der Wohnbevölkerung, die nicht über die deutsche Staats- EU-Standard – definiert als der Anteil der Personen, deren bürgerschaft verfügen. Äquivalenzeinkommen weniger als 60 % des Medians der Äquivalenzeinkommen der Bevölkerung (in Privathaushalten) Die Daten zum Ausländeranteil im Datensatz Wahlkreise beträgt. Das Äquivalenzeinkommen ist ein auf der Basis des NRW wurde durch den Bundeswahlleiter zur Verfügung ge- Haushaltsnettoeinkommens berechnetes bedarfsgewichte- stellt. Stichtag der Daten ist der 31.12.2015. tes Pro-Kopf-Einkommen je Haushaltsmitglied.“30 Die Ar- mutsgefährdungsquote kann auf Grundlage des mittleren Anteil Zweitstimmen der radikal rechten Parteien Einkommens (Median) des gesamten Bundesgebiets oder Der Anteil der Zweistimmen der radikal rechten Parteien um- des mittleren Einkommens eines Bundeslandes errechnet fasst die summierten Zweistimmen-Ergebnisse der folgenden werden. In dieser Untersuchung wurde die mit dem Landes- Parteien des Rechtsaußen-Spektrums (siehe auch Anhang median errechnete Armutsgefährdungsquote verwandt. Die Kapitel II). Daten werden vom Statistischen Bundesamt zur Verfügung gestellt. Genutzt werden die aktuellsten vorliegenden Armuts­ Bundestagswahl 2013: Nationaldemokratische Partei Deutsch- gefährdungsquoten des Jahres 2016. Die Armutsgefähr- land (NPD), Die Republikaner (REP), Bürgerbewegung pro dungsquote liegt nicht für einzelne Bundestagswahlkreise Deutschland (pro Deutschland), Ab jetzt ... Demokratie durch sondern für 13 statistische Raumordnungsregionen vor, die Volksabstimmung (Volksabstimmung). zum Teil mehrere Wahlkreise umfassen.31 Bei Wahlkreisen, die in mehreren statistischen Raumordnungsregionen liegen, Bundestagswahl 2017: Nationaldemokratische Partei Deutsch- wurde die Armutsgefährdungsquote in diesem Wahlkreis land (NPD), Ab jetzt ... Demokratie durch Volksabstimmung hilfsweise durch die Bildung eines Mittelwerts der Quoten (Volksabstimmung), Deutsche Mitte (DM). der jeweiligen Raumordnungsregionen errechnet. Die Ar- mutsgefährdungsquoten können deshalb nur Unterschiede Die Daten für den Datensatz Wahlkreise NRW wurde durch zwischen den Regionen, in denen die Wahlkreise verortet den Bundeswahlleiter zur Verfügung gestellt. sind, messen. Sie können die Armutsgefährdung aber nicht trennscharf für einzelne Wahlkreise abbilden. Wahlbeteiligung Die Wahlbeteiligung misst den Anteil der Wahlberechtigten, Bevölkerungsdichte die sich an der Bundestagswahl vom 24. September 2017 Die Bevölkerungsdichte der jeweiligen regionalen Gliederung sowie an der Bundestagswahl vom 22. September 2013 ergibt sich aus der Bevölkerungszahl, dividiert durch die durch Stimmabgabe beteiligt haben. Fläche. Die Bevölkerungsdichte wird in Einwohner je km² gemessen.

Die Daten zur Bevölkerungsdichte im Datensatz Wahlkreise NRW wurde durch den Bundeswahlleiter zur Verfügung ge- stellt.

30 http://www.amtliche-sozialberichterstattung.de/A1armutsgefaehrdungsquoten.html 31 https://www.it.nrw.de/presse/pressemitteilungen/2017/pdf/238_17.pdf 38 UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER

Anhang II: Statistische Tests des Regressionsmodells

Multikollinearität Homoskedastizität Ein erster Test unter Verwendung aller oben genannten Bei dem Test auf Homoskedastizität gilt es zu prüfen, ob die Variablen hat für das Regressionsmodell für beide Daten-­ Varianz der Störterme von den unabhängigen Variablen ab- sätze – NRW und Essen – ergeben, dass Multikollinearität hängig sind. Ist dies nicht der Fall, liegt Homoskedastizität vorliegt. Um diesem Umstand entgegen zu wirken, wurden vor, denn wenn die Verteilung der Residuen unabhängig wie bereits erwähnt einige Variablen aus dem Modell entfernt, von den Werten der abhängigen Variable ist. Mithilfe des um anschließend die Regression durchführen zu können. Durbin-Watson-Tests kann Heteroskedastizität, das Gegen- teil, aufgedeckt werden. Der Test liefert einen Koeffizienten, Nach dem Ausschluss der Variablen SGBII-Quote, Arbeitslo- der zwischen 0 und 4 liegt, relevant sind an dieser Stelle senquote, Bevölkerungsdichte, Ausländeranteil, Wahlbetei- allerdings Werte um 2 (meist 1,5 bis 2,5), denn dann liegt ligung 2013 und Anteil Zweitstimmen CDU 2013 im Regres- Homoskedastizität vor. Der Wert liegt für das Regressions- sionsmodell für NRW hat sich gezeigt, dass die vif-Werte modell für NRW unter 1,5 weshalb nicht von Homoskedasti­ unter dem Standardwert von 5 liegen. Dieser Wert gibt in zität ausgegangen werden kann. Ursache dafür könnten der empirischen Forschung an – im Falle einer Überschreitung beispielsweise nicht berücksichtigte andere unabhängige des Wertes – dass Multikollinearität im Modell vorherrscht. Variablen sein, weiterhin könnte die Heteroskedastizität auf- Die Kollinearitätsdiagnostik hat gezeigt, dass nach Ausschluss grund von Messfehlern innerhalb der Daten entstanden sein. der genannten Variablen keine Multikollinearität zwischen Da die Regression jedoch, wie bereits oben erwähnt, sehr den unabhängigen Variablen mehr besteht, im nächsten robust gegen etwaige Gegebenheiten ist, wurde eine wei- Schritt konnten demnach weitere Voraussetzungen für die tere Voraussetzung für NRW getestet, um die Regression bei Regression für den Datensatz für NRW überprüft werden. einem positiven Ergebnis noch durchführen zu können.

Normalverteilung der Residuen Die Verteilung der Residuen sollte normal sein, damit bewie- sen werden kann, dass keine für die Schätzung des Wertes der abhängige Variable wichtige unabhängigen Variablen im Modell fehlt. Trifft dies zu, müssten die Abweichungen vom geschätzten Wert vom Zufall abhängen und daher normal- verteilt sein. Eine fehlende unabhängigen Variable würde sich insofern bemerkbar machen, als das keine Normalver- teilung der Residuen für das Modell bestehen würde. Für das Regressionsmodell NRW ist annähernd eine Normarverteilung gegeben. STUDIE IM AUFTRAG DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 39

Regression NRW

Abbildung 25 Streudiagramm des Datensatzes NRW

Abhängige Variable: Anteil Zweitstimmen AfD, 2017

3

2

1

0

-1 Regression Standardisiertes Residuum Standardisiertes Regression -2 -2 0 2 4 Regression Standardisierter geschätzter Wert

Quelle: Eigene Darstellung.

Abbildung 26 Histogramm des Datensatzes NRW

Abhängige Variable: Anteil Zweitstimmen AfD, 2017

15

10 Häufigkeit 5

0 -2 -1 0 1 2 3 Regression Standardisiertes Residuum

Quelle: Eigene Darstellung. 40 UMWÄLZUNGEN IN DER HERZKAMMER

Die Autor_innen Abbildungsverzeichnis

Alexander Häusler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des 10 Abbildung 1 Forschungsschwerpunktes Rechtsextremismus/Neonazismus Hochburgen SPD (Bundestagswahl 2013), Wahlergebnis >= 38,3 % der Hochschule Düsseldorf. Er forscht aktuell schwerpunkt- (20 % über dem Durchschnittsergebnis) mäßig zum Rechtspopulismus und ist Projektkoordinator der vorliegenden Studie. 10 Abbildung 2 Hochburgen CDU (Bundestagswahl 2013), Wahlergebnis >= 47,8 % Hendrik Puls ist Soziologe und forscht und publiziert zum (20% über dem Durchschnittsergebnis) Rechtsextremismus. Er arbeitete zuletzt als wissenschaftlicher Mitarbeiter für den Parlamentarischen Untersuchungsaus- 11 Abbildung 3 schuss III (NSU) des Landtags NRW. Er ist Lehrbeauftragter Hochburgen SPD (Bundestagswahl 2013), Wahlkreise mit den höchsten Ergebnissen an der Fachhochschule Bielefeld.

11 Abbildung 4 Janine Baleis studiert Politische Kommunikation im Master Hochburgen CDU (Bundestagswahl 2013), an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Seit 2017 ist Wahlkreise mit den höchsten Ergebnissen sie wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Sozialwissen- 12 Abbildung 5 schaften der Universität Düsseldorf. Ihre Forschungsinteres- Mittelwert-Vergleich Hochburgen der SPD und der CDU sen liegen im Bereich der politischen Kommunikationsfor- bei der Bundestagswahl 2013 schung, Parteiforschung und der Voting Advice Applications. 14 Abbildung 6 Wahlergebnisse in den zehn Hochburgen der CDU aus dem Jahr 2013

15 Abbildung 7 Wahlergebnisse in den zehn Hochburgen der SPD aus dem Jahr 2013

16 Abbildung 8 Hochburgen AfD (Bundestagswahl 2017), Wahlergebnis >=11,3% (20 % über dem Durchschnitts- ergebnis). Differenz zur Bundestagswahl 2013

16 Abbildung 9 Hochburgen AfD (Bundestagswahl 2013), Wahlkreise mit den 12 höchsten Ergebnissen

16 Abbildung 10 Ergebnisse der Bundestagswahl 2017 in ausgewählten Wahlkreisen, in denen die AfD 2013 herausragende Ergebnisse erzielte (vormalige Hochburgen)

18 Abbildung 11 Mittelwert-Vergleich der AfD-Hochburgen bei der Bundestagswahl 2017 mit anderen Wahlkreisen in NRW

19 Abbildung 12 Wahlergebnisse in den zehn Hochburgen der AFD aus dem Jahr 2013

20 Abbildung 13 Vergleich der AfD-Hochburgen 2017 und der SPD-Hochburgen 2017 und 2013

22 Abbildung 14 Zweitstimmen-Ergebnisse der Bundestagswahl 2017 in den Wahlkreisen des Ruhrgebiets sowie im Kreis Wesel

23 Abbildung 15 Zweitstimmen-Ergebnisse der Bundestagswahl 2017 in den Großstädten des Ruhrgebiets STUDIE IM AUFTRAG DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 41

Literatur

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Backhaus, Klaus/Erichson, Bernd/Plinke, Wulf/Weiber, Rolf (2011): Multiva- 28 Abbildung 19 riate Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Einführung, 13. Auflage, Streudiagramm Korrelationen These 3 Wiesbaden 28 Abbildung 20 Streudiagramm Korrelationen These 4 Bortz, Jürgen (2005): Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler, 6. Auf- lage, Heidelberg 29 Abbildung 21 Streudiagramm Korrelationen These 5 Decker, Frank (2015a): Parteiendemokratie im Wandel. Beiträge zur Theorie und Empirie, Baden-Baden 30 Abbildung 22 Streudiagramm Korrelationen These 8 Decker, Frank (2015b): Die „Alternative für Deutschland“ aus der verglei- chenden Sicht der Parteienforschung, in: Häusler, Alexander (Hrsg.): Die 30 Abbildung 23 „Alternative für Deutschland“. Programmatik, Entwicklung, politische Ver- Streudiagramm Korrelationen These 9 ortung, Wiesbaden, S. 7 – 23

31 Abbildung 24 Decker, Oliver/Brähler, Elmar (2016): Politische Einstellungen und Partei- Einfluss soziostruktureller Indikatoren auf präferenz: Die Wähler/innen, Unentschiedene und Nicht 2016, in: Decker, die Zweitstimmenanteile der AfD bei der Oliver/Kiess, Johannes/Brähler, Elmar (Hrsg): Die enthemmte Mitte. Autori- Bundestagswahl 2017 in NRW täre und rechtsextreme Einstellung in Deutschland. Die Leipziger ‚Mitte‘- Studie 2016, Gießen 39 Abbildung 25 Streudiagramm des Datensatzes NRW Dietl, Stefan (2017): Die AfD und die soziale Frage. Zwischen Marktradika- lismus und ‚völkischem Antikapitalismus‘, Münster 39 Abbildung 26 Histogramm des Datensatzes NRW Forschungsgruppe Wahlen (2017): Woher kommen die Wähler der AfD? Online: http://www.forschungsgruppe.de/Wahlen/Grafiken_zu_aktuellen_ Wahlen/Wahlen_2017/Bundestagswahl_2017/woher_AfD_Waehler.pdf

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Datenquellen im Internet

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Landeswahlleiter: Wahlergebnis 2017: https://www.wahlergebnisse.nrw.de/bundestagswahlen/2017/index.shtml Wahlergebnis 2013: https://www.wahlergebnisse.nrw.de/bundestagswahlen/2013/index.html

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ISBN: 978-3-96250-209-6

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