Aktuelles

(Stand September 2016)

Zum Stand der archäobotanischen Untersuchungen Im August 2016 hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Förderung des Forschungsprojekts „Archäobotanische Untersuchungen zur Veränderung vor- und frühgeschichtlicher Wirtschaftssysteme und Umweltbedingungen am Beispiel der prähistorischen Siedlungen in der Flusslandschaft der mittleren (Gemeinde , Lkr. -Biedenkopf)“ zugesagt und dem Projekt Mittel in Höhe von 185.000 Euro bewilligt. Das Forschungsvorhaben wurde von Dr. Ralf Urz von langer Hand vorbereitet, der die entsprechenden Untersuchungen nun am Fachbereich Geographie der Philipps-Universität Marburg, in enger Kooperation mit Projektgruppe „Archäologie im um Weimar“ der hessenARCHÄOLOGIE, Außenstelle Marburg durchführen wird. Das zweijährige Forschungsvorhaben verfolgt das Ziel, Traditionen und Innovationen in der Landwirtschaft und Ernährung, sowie Veränderungen der pflanzlichen Umwelt über mehrere Jahrtausende in der Flusslandschaft der Lahn zu untersuchen. Grundlage hierfür bietet archäobotanisches Quellenmaterial (Früchte/Samen), welches seit 1991 bis heute aus über 200 datierten archäologischen Befunden zusammengetragen wurde. Das in seinem Umfang bisher einzigartige Material umspannt einen Zeitraum von rund 10.000 Jahren, beginnend mit den ersten Einflüssen auf die Umwelt durch mesolithischer Jäger- und Sammlergruppen. Die Anfänge der landwirtschaftlichen Tätigkeit während des Alt- und Mittelneolithikums zeichnen sich im Fundmaterial ebenso ab wie die bislang weitgehend unbekannte endneolithische und bronzezeitliche Agrarwirtschaft. Auch die erste intensive Landnutzungsphase während der Hallstatt- und Latènezeit und die seltenen Hinweise zur Landwirtschaft der einheimischen Bevölkerung in den Jahren um Christi Geburt können anhand dieses umfangreichen Probenarchivs untersucht werden. Nach einer Besiedlungslücke, die nach dem jetzigen Stand der Ausgrabungen von der späten Kaiserzeit bis zum Hochmittelalter reichte, wird das archäobotanische Probenmaterial aus dem Areal des geplanten Freilichtmuseums „Zeiteninsel“ bei Weimar-Argenstein auch Einblicke in Wirtschaftsweise einer mittelalterlichen Dorfstelle ermöglichen.

Mittleres Lahntal südlich von Entnahme von Sedimentproben Lage der archäobotanisch Marburg. Archäologische für archäobotanische beprobten Grabungsbefunde Prospektion im Talboden zwischen Untersuchungen aus und ihre Zeitstellung im Weimar-Niederweimar und Grabungsbefunden der prähistorischen Weimar-Argenstein (Foto R. hessenARCHÄOLOGIE auf der Siedlungsareal zwischen

Braun hA). Erweiterungsfläche der Kiesgrube Weimar-Niederweimar und Weimar-Niederweimar (Foto R. Weimar-Argenstein (Plan: N.

Braun hA). Lutz/R. Urz). Kernziel ist die Rekonstruktion der landwirtschaftlichen Schwerpunkte und Methoden dieser Epochen sowie die Analyse der Kultur- und Nutzpflanzen hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Ernährung der jeweiligen Bevölkerungsgruppe im Lahntal. Dazu soll das Quellenmaterial botanisch bestimmt, mit der Datenbank ArboDat erfasst und interdisziplinär vor dem Hintergrund der Besiedlungs-, Landschafts- und Vegetationsentwicklung im hessischen Mittelgebirgsraum ausgewertet werden. Mit der diachronen Betrachtung von Veränderungen zwischen einer noch weitgehend unbeeinflussten Landschaft im Mesolithikum bis zur intensiven mittelalterlichen Landnutzung in der Siedlungslandschaft um die Gemeinde Weimar (Lahn) soll ein Beitrag zur Kenntnis und zum besseren Verständnis von Landwirtschaftssystemen vor- und frühgeschichtlicher Siedlungen, insbesondere in einer Flusslandschaft, und ihres Wandels unter kulturellen und natürlichen Einflüssen geleistet werden. (R. Urz)

Neue Ausgrabungen in der Kiesgrube Niederweimar/Fundstelle 9 Im Jahr 2015 wurde im Rahmen einer archäologischen Voruntersuchung im zukünftigen Abbaugebiet der Kiesgrube Niederweimar auf zwei Flächen mit zusammen etwa 4 Hektar Größe der Ober- bzw. Mutterboden abgetragen. Auf der nur 0,7 Hektar großen, in der Gemarkung Argenstein gelegenen Fläche konnten dabei keine archäologischen Befunde festgestellt werden. Auf dem weiter westlich, in der Gemarkung Wenkbach gelegenen 3,3 Hektar großen Areal kamen dagegen 230 Befunde während der Maßnahme zum Vorschein.

Übersichtsplan der Wohl vorgeschichtliche Steinpackungen mit Feuerspuren - Abbauflächen in der Kiesgrube vermutlich Kochstellen - Erweiterungsfläche

Niederweimar. In Rot die Niederweimar/Kiesgrube 2015 (R. J. Braun, hA). Abbauflächen 2015/16 (Plan: S.

Gütter/R. J. Braun, hA). Nach einer ersten Begutachtung des Planums und Fundmaterials können davon etwa 160 Stellen vorläufig als vorgeschichtlich angesprochen werden. Neben Gruben- und Pfostenresten wurden erstmals auch über 40 Steinpackungen angetroffen, die wohl als Kochstellen zu interpretieren sind. Ein weiterer Beleg für neuzeitliche Heerlager im Untersuchungsgebiet war das wiederholte Auftreten von 70 überwiegend in Reihen angeordneten flachen Ofenresten. Eine genaue zeitliche Einordnung der Befunde wird erst nach Abschluss der noch im Jahr 2016 andauernden Untersuchungen möglich sein. (R. J. Braun)

Bearbeitungsstand Datenbank Seit Beginn des Projektes konnte durch Nina Lutz M.A. das gesamte Fundgut aus über 23 Jahren Ausgrabungsgeschichte im Bereich der Kiesgrube und der Straßenbaumaßnahmen in der Gemeinde Weimar/Lahn inventarisiert werden. Über 110000 Funde wurden zu diesem Zweck erfasst. Seither ist es nicht nur möglich, detaillierte Einsicht in das Inventar jedes einzelnen der über 6000 Befunde zu nehmen, sondern diese Informationen auch für quantitative Methoden zu verwenden. Hierfür wurde eine Datenbank entworfen, die die gesammelten Informationen zusammenführt und damit übergreifende Abfragen ermöglicht. Der Schwerpunkt der Inventarisierung lag in der Erfassung der chronologisch relevanten Fundstücke, um die zeitliche Einordnung der Befunde näher einzugrenzen. Bereits vorhandene Zeichnungen und Beschreibungen wurden mit der Datenbank verlinkt, so dass sich ein schneller Überblick über den Bearbeitungsstand der jeweiligen Befunde gewinnen lässt. Dichte der archäologischen Befunde im Untersuchungsraum (Plan: N. Lutz, hA).

Darüber hinaus wurden bereits weitgehend alle Grabungspläne in GIS-Pläne umgewandelt, auf deren Grundlage sich die Ergebnisse visualisieren und infografisch auswerten lassen. Durch die geleisteten Arbeiten soll dem wissenschaftlichen Bearbeiter ein geeignetes Werkzeug bereitgestellt werden, um einen guten Zugriff auf die Fülle der archäologischen Sachdaten zu bekommen. Derzeit laufende Arbeiten konzentrieren sich auf die Weiterentwicklung der Datenbank, für die im Hinblick auf die Bedienungsoberfläche weiterhin Optimierungsbedarf besteht. (N. Lutz)

Mesolithische Fundstellen im Lahntal bei Niederweimar Im Jahr 1994 wurden bei geographischen Geländearbeiten Steinartefakte entdeckt, nachdem über 1 m der oberen Erdschichten für den geplanten Kiesabbau abgeschoben worden waren. An mehreren Stellen konnten Notgrabungen durch die hessenARCHÄOLOGIE Marburg stattfinden. Insgesamt vier Fundkomplexe mit jeweils mehreren hundert Artefakten stehen dadurch zur Bearbeitung zu Verfügung. Als NW 8 ist ein etwa 3 x 4 Meter durchmessender Befund bezeichnet, der allerdings nur abgesammelt werden konnte. In einem Bereich, der als NW 9 zusammenfassend dokumentiert wurde, konnte eine Grabung mit einer Fläche von 4,50 x 4,00 m angelegt werden. Zusätzlich sind Grubenbefunde untersucht worden, von denen neun auch einzelne Steinartefakte enthielten, die oft zusammen mit bronzezeitlicher Keramik vergesellschaftet waren. Leider lässt die Befundlage nicht erkennen, ob es sich um Vermischungen oder um die Nutzung von Steinartefakten in metallzeitlichem Kontext handelt. Bei Untersuchungen durch die Wissenschaftliche Baugrund-Archäologie e.V. bei Roth-Argenstein (ParAllna- Projekt) sind u.a. etwas über 100 mesolithisch wirkende Steinartefakte gefunden worden. Technischen und typologischen Merkmalen zu folge dürfte es sich jedoch mit großer Sicherheit um metallzeitliche Fundstücke handeln. Die am besten erhaltene Fundstelle „Niederweimar 6“ wurde auf einer Fläche von 10x4 m ausgegraben. Dabei wurde eine ca. 0,30 m mächtige Schicht eines dunkelbraunen Auelehms mit der Kelle abgetragen und mehr als 2000 Steinartefakte, überwiegend aus lokalem Kieselschiefer entdeckt. Neben einigen Geräten aus Sandstein kamen einige wenige, überwiegend verbrannte Knochensplitter und Holzkohle zu Tage. Zwei Holzkohleproben der Kiefer (Pinus sylvestris) wurden datiert, erbrachten jedoch um fast 600 Jahre voneinander abweichende Ergebnisse: UtC-7263 9150 ± 60 BP // 8390 ± 80 calBC und UtC-7226 9580 ± 60 BP // 8990 ± 140 calBC. Typologische Vergleiche mit datierten Fundplätzen aus Süd- und Norddeutschland machen wahrscheinlich das die ältere Messung den Fundkomplex datiert. Ein wichtiges Ergebnis dieser Grabung ist die intakte Fundverteilung, die verschiedene Aktivitätszonen erkennen lässt. Mit ca. 2 x 1 Meter ist der Kernbereich der Schlagaktivitäten mit mindestens 20 Artefakten pro ¼ m2 erfasst. An beiden Enden der länglichen Verteilung wurden Mikrolithen und Kerbreste gefunden. In diesen Bereichen wurden die Jagdwaffen durch die mesolithischen Jäger in Stand gesetzt.

Palette aus einem feinkörnigen Sandstein Zerschlagene Sandsteinplatte mit (Wissenbacher Schiefer) mit feine Schliffspuren auf Zurichtungsspuren und Residuum. Die beiden Flächen. Die Fragmente wurden alle in Fragmente lagen bis zu 9 m auseinander

demselben ¼ m2 gefunden (Chr. Kohnen). (Chr. Kohnen).

Der Austausch beschädigter Stücke scheint aber eher außerhalb des Schlagplatzes stattgefunden zu haben, da die Mikrolithen locker in der Fläche streuen. Gut 2 Meter vom Schlagplatz entfernt wurden Fragmente einer zerschlagenen (?) Sandsteinplatte und Holzkohleflitter gefunden. Möglicherweise sind dies die Reste einer erodierten Feuerstelle, an der nicht mehr identifizierbare Arbeiten stattfanden. Da die Auswertung der Fundstelle durch Dr. Werner Schön noch nicht abgeschlossen ist, sind weitere Details zum Verhalten und der Lebensweise der mesolithischen Menschen im mittleren Lahntal zu erwarten. (W. Schön) Die urnenfelderzeitlichen Siedlungsfunde von Weimar-Niederweimar, Kreis Marburg- Biedenkopf. Die Grabungskampagnen 1991 und 2007

Auf diesen nördlichsten Flächen der archäologischen Untersuchungen in Niederweimar kamen neben einigem neolithischen Material vor allem Siedlungshinterlassenschaft en der Urnenfelderkultur (ca. 1200 – 800 v. Chr.) zutage. Darunter befinden sich mehr als 100 Befunde, vor allem Gruben und Pfostenlöcher, die sich in einem Fall als Vierpfostenbau rekonstruieren lassen. Aus den Befunden stammen ca. 57 kg Keramik, Brandlehm, verkohltes Holz, Zylinderhalsgefäß aus einem Grubenkomplex der Fläche von Steinartefakte, darunter 1991 (B. König). wenige aus Silex, einige Splitter kalzinierter Knochen und das Fragment einer Bronzenadel. Im Rahmen der Masterarbeit am Vorgeschichtlichen Seminar der Philipps-Universität Marburg (Betreuung: Prof. Dr. Andreas Müller-Karpe) werden das gesamte Fundmaterial sowie die Befunde untersucht, um einen möglichst genauen Einblick in die Siedlungstätigkeit während der späten Bronzezeit an diesem Platz zu gewinnen. Die im Anschluss vom Verfasser angestrebte Dissertation soll weitere Flächen der heutigen Kiesgrube in die Untersuchung mit einzubeziehen. Auf diesen Arealen wurde eine größere Anzahl an Gebäudegrundrissen freigelegt, die in diesem Ausmaß für den Raum Hessen einzigartig sind. Ein ebenfalls in der Gemeinde Niederweimar im Zuge des Straßenbaus aufgedecktes Brandgräberfeld kann dann mit dem Siedlungsmaterials verglichen werden. (B. König) Die Gefäßkeramik der mittelalterlichen Siedlung auf dem Gelände des archäologischen Freilichtmuseums "Zeiteninsel" Das ParAllna-Projekt, in dessen Rahmen die archäologischen Untersuchungen stattfanden, ist eine ökologische Ausgleichsmaßnahme für die Eingriffe in den Naturhaushalt, die durch den vierspurigen Ausbau der Bundesstraße 3 südlich von Marburg bedingt sind. Die Ausgrabungen dort fanden in den Jahren 2010- 2011 statt. Auf dem zukünftigen Museumsgelände kamen ca. 26 Grubenhäuser bzw. Eingrabungen sowie vier Brunnen zu Tage. Außerdem wurden ca. 50 kg keramisches Material, Metallobjekte, Schlacke, Holzkohle, Brandlehm, Tierknochen sowie ein Mühlstein gefunden.

ParAllna, Weimar-Argenstein, mittelalterlicher ParAllna, Weimar-Argenstein,

Steinbrunnen G. Grösch, WIBA, Marburg). mittelalterliche Kugelkanne (G. Grösch, WIBA,

Marburg). Im Rahmen der Masterarbeit am Vorgeschichtlichen Seminar der Philipps- Universität Marburg (Betreuung: apl. Prof. Dr. Felix Teichner) wird das keramische Material untersucht. Der Fokus liegt hierbei auf der Aufnahme der einzelnen Objekte, deren Dokumentation und der Erstellung einer Chronologie zur zeitlichen Einordnung der Siedlung. Die anschließend geplante Dissertation durch die Verfasserin wird sich u.a. mit den weiteren Funden und Befunden befassen. (J. Vonderau)