Die Trauernden Juden Im Exil“ – Ein Thema Der Europäischen Malerei Im 19
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„Die trauernden Juden im Exil“ – Ein Thema der Europäischen Malerei im 19. und 20. Jahrhundert Inaugural–Dissertation in der Philosophischen Fakultät I (Philosophie, Geschichte und Sozialwissenschaften) vorgelegt von Nicole Brandmüller aus Nürnberg D 29 Tag der mündlichen Prüfung: 27. November 2007 Dekan: Universitätsprofessor Dr. Jens Kulenkampff Erstgutachter: Universitätsprofessor Dr. Karl Möseneder Zweitgutachter: Universitätsprofessor Dr. Hans Dickel Mein besonderer Dank gilt vor allem dem DAAD, Deutscher Akademischer Austauschdienst, ohne deren großzügige Förderung durch ein Auslandsstipendium diese Arbeit in der vorliegenden Form nicht hätte entstehen können. INHALTSVERZEICHNIS Inhaltsverzeichnis EINLEITUNG 7 „Die trauernden Juden im Exil“ in Literatur, Musik und bildender Kunst 7 Kritischer Literaturbericht 20 1. TEIL I. BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN 23 1. Das Ende des Königreiches Juda (722–597 v. Chr.) 25 2. Die Zeit des Exils (597–537 v. Chr.) 27 3. Die Heimkehr und der Wiederaufbau des Tempels (537–520 v. Chr.) 31 II. UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS 32 1. Das „Dittochaeon“ des Prudentius (um 400 n. Chr.) 32 2. Mittelalterliche Psalterillustrationen (9.–13. Jh.) 34 Abendländische Buchmalerei 34 Byzantinische Buchmalerei 39 3. Die „Vorfahren Christi“ in der Cappella Sistina (1508–12) 44 4. Wandmalereien in Synagogen (18. Jh.) 47 III. ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS 51 1. Disparate Anfänge 51 William Blake und Giuseppe Bossi im Gefolge von Jacques Louis Davids Gemälde „Der Schwur der Horatier“ (1784) 51 4 INHALTSVERZEICHNIS Ferdinand Olivier und John Martin: Die landschaftliche Konkretion 58 Adam Eberle als Exponent der Münchner Schule 61 2. Eduard Bendemann und die Typenbildung im Rahmen der Düsseldorfer Schule 64 3. Ausdifferenzierungen im 19. Jahrhundert 82 Orientalisierung 82 Emotionalisierung des Weiblichen 101 Abweichende Umsetzungen 107 4. Disparate Nachwirkungen im 20. Jahrhundert 112 IV. VERWANDTE BILDMOTIVE 118 1. „Jeremias auf den Trümmern Jerusalems“ 118 2. „Gefangene Juden vor den Ruinen Jerusalems“ von Henry–Léopold Lévy (1869) 123 3. Narrative Darstellungen 125 „Wegführung der Juden in die babylonische Gefangenschaft“ 125 „Rückkehr aus dem Exil“ 130 4. Allegorische Darstellungen 132 „Das traurende (sic!) Jerusalem“ von Adam Eberle (1832) 132 „Zion und Babel“ von Eduard Bendemann (1854) 134 V. RESÜMEE 136 2. TEIL KATALOG DER WERKE Alphabetisches Register 171 5 INHALTSVERZEICHNIS ANHANG 141 Abkürzungen und abgekürzt zitierte Nachschlagewerke 141 Abkürzungen der verwendeten biblischen Bücher 142 Quellen 143 Handschriftliche Quellen 143 Gedruckte Quellen 143 Literatur 146 Abbildungen 172 Abbildungsverzeichnis 172 Katalogabbildungen 175 Bildnachweis 185 6 EINLEITUNG DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST EINLEITUNG „Die trauernden Juden im Exil“ in Literatur, Musik und bildender Kunst „An den Flüssen Babylons, dort saßen wir und weinten, wenn wir Sions gedachten. An den Weiden, die drinnen sind, hiengen wir unsere Harfen auf. Denn die uns gefangen wegführten, und die uns wegnahmen, forderten da von uns Lieder: „Singt uns ein Loblied von Sions Liedern!“ Wie sollten wir singen des Herrn Gesang im fremden Land?“1 Diese Zeilen von Psalm 1372 haben Kirchenväter, Dichter, Musiker und bildende Künstler durch viele Jahrhunderte immer wieder zu Werken unterschiedlichster Natur angeregt und erfuhren in der Malerei des 19. Jahrhunderts eine Art Typisierung unter dem Titel „Die trauernden Juden im Exil“. Das ist auch der Titel von Eduard Bendemanns berühmtem Bild, weswegen dieser Titel als Thema der hier vorliegenden Arbeit gewählt wurde. Eine philosophisch–theologische Ausgestaltung erfuhr der Psalm durch die Kirchenväter Hilarius († 367)3, Hieronymus (um 347–419/20)4 und Augustinus (354–430)5. 1 Psalm 137, Verse 1–4. Verse 5–9 lauten: „Vergeß ich dein, Jerusalem, so werde meine Rechte vergessen: es klebe meine Zunge an meinem Gaumen! Wenn ich dein nicht gedenke, wenn ich Jerusalem nicht setze über die erste meiner Freuden! Gedenke, Herr, den Söhnen Edoms den Tag Jerusalems, die da sprachen: Zerstöret, zerstöret sie bis auf den Grund! Tochter Babylons, du Elende! Wohl dem, der dir vergelten wird, was du an uns gethan! Wohl dem, der deine kleinen Kinder nimmt und die zerschmettert am Stein.“ Zitiert nach: Die Heilige Schrift des alten und neuen Testamentes. Dritter Theil. Erste Abteilung, welche das Buch Hiob und die Psalmen enthält. Aus der Vulgata mit Bezug auf den Grundtext neu übersetzt, und mit kurzen Anmerkungen erläutert von Joseph Franz von Allioli, Nürnberg 1832. 2 Psalm 137 entspricht in der Vulgata Psalm 136. In der vorliegenden Arbeit wird die Bezeichnung Psalm 137 verwendet. 3 „Tractatus super Psalmos”, um 365 n. Chr., vgl. CSEL 22, 1891, S. 725. 4 „Commentarioli in Psalmos”, vgl. CCL 72, 1959, S. 241f. 5 “Enarrationes in Psalmos” 416 n. Chr., vgl. CCL 40, 1956, S. 1964–1978. Grundlegendes zu den Kirchenvätern siehe Altaner, Berthold, Stuiber, Alfred: Patrologie, Leben, Schriften und Lehre der Kirchenväter, Freiburg, Basel, Wien 19788. 7 EINLEITUNG DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST Hieronymus z. B. versteht den Psalm dreifach: Zum einen als Gefangenschaft des jüdischen Volkes, zum anderen als die aus der Kirche ausgestoßenen Sünder und zum dritten als „höhere Gefangenschaft, durch welche die einst edle Schar ins Tal der Tränen weggeführt wurde.“6 Damit meint er die präexistenten Seelen, die, bevor sie in die jeweiligen menschlichen Körper hinabsteigen, bei den Himmlischen weilen und selig, also ohne Sünde sind.7 Bei Augustinus werden die beiden Städte Jerusalem und Babylon zu Gut und Böse abstrahiert. Allgemein führt die Auslegung der Kirchenväter zu einer tropologischen Bedeutung: Der Antagonismus zwischen den Städten Babylon und Jerusalem wird thematisiert. Babylon wird zum exemplarischen Ort der Sünde, Jerusalem zu dem des Heils und der Erlösung. Die körperliche Gefangenschaft der Juden, so versteht es auch Hilarius, ist ein Sinnbild der geistigen Gefangenschaft des Menschen durch die Sünde.8 Dies greift Luther in seiner Schrift „De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium“ von 1520 auf, wenn er von der „Babylonischen Gefangenschaft der Kirche“ spricht.9 Der lutherische Theologe und Kirchenliederdichter Cornelius Becker (1561– 1604) fasste 1601 den Plan, alle Psalmen in deutsche Lieder umzudichten. Es 6 Hieronymus’ „Commentarioli in Psalmos“, übersetzt und eingeleitet von Risse, Siegfried, Fontes Christiani 79, Turnout 2005, S. 224. 7 Vgl. ebd., S. 59f. 8 Pillinger, Renate: Die Tituli Historiarum oder das so genannte Dittochaeon des Prudentius. Versuch eines philologisch–archäologischen Kommentars, Wien 1980, S. 65; Steidle, Basilius: Vom Mut zum ganzen Psalm 137 (136) „An den Strömen BABELS, dort saßen wir…“, in: Erbe und Auftrag, Benediktinische Monatszeitschrift, 1974, Jg. 50, S. 27f; zur theologischen Bedeutung siehe Grelot, Pierre: Sens chrétien de l’ancien testament, esquisse d’un traité dogmatique, in: Bibliothèque de Théologie, série 1, Théologie dogmatique, Bd. 3, Tournai 1962, S. 475f. Zur augustinischen Psalmenauslegung siehe Fiedrowicz, Michael: Psalmus vox totius Christi, Studien zu Augustins „Enarrationes in Psalmos”, Freiburg i. Br. 1997, S. 43, 224, 293. 9 Luther verwendet den Begriff in einer seiner reformatorischen Hauptschriften „De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium“ von 1520 im übertragenen Sinne und spricht von der „Babylonischen Gefangenschaft der Kirche“. Er will damit Missstände in der damaligen katholischen Kirche aufzeigen. Luther streitet gegen die Siebenzahl der Sakramente und sieht die Kirche in der Gefangenschaft der katholischen Kurie. Vorgeschichte ist die 1309 vom französischen Papst Klemens V. initiierte Verlegung des Papstsitzes von Rom nach Avignon. 1378 kam es zum „Abendländischen Schisma“, das mit der umstrittenen Wahl des Papstes Urban VI. im Jahr 1378 begann. Aufgrund seines Verhaltens versagten ihm die Kardinäle den Gehorsam, erklärten seine Wahl für ungültig und wählten Clemens VII. zum Papst. Daraufhin exkommunizierte Urban Clemens und seine Anhänger und gründete ein eigenes Kardinalskollegium. Clemens VII. ging nach Avignon und besiegelte damit das Schisma. Das Treffen von Kardinälen und Bischöfen beider Seiten 1409 in Pisa konnte das Schisma nicht überwinden und endete mit der Wahl eines dritten Papstes – Alexander V. Das Konstanzer Konzil führte schließlich 1417 zum Rücktritt der rivalisierenden Päpste und zur Wahl Martins V., womit das „Abendländische Schisma“ beendet wurde. Das Schisma hatte allgemein die Stärkung des Konziliarismus zur Folge und verstärkte den Ruf nach Reformen, der schließlich zur Spaltung in Protestantismus und Katholizismus durch die Reformation führte. Siehe dazu Müller, Heribert: Art. zu „Abendländisches Schisma“, in: LThK 1993, Bd.1; Schwarz, Reinhard, Mühlen, Karl–Heinz zur: Art. zu „Luther, Martin“, in: RGG4 2002, Bd. 5. 8 EINLEITUNG DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST entstand „Der Psalter Davids gesangweis“, der die poesielose Psalmendichtung des humanistischen deutschen Schriftstellers und Übersetzers Ambrosius Lobwasser (1515–1585) von 1573 und ihre französischen Weisen ersetzen sollte.10 Psalm 137 besteht aus fünf Strophen, von denen die ersten beiden zitiert werden sollen: 1 „An Wasserflüssen Babylon Da saßen wir mit Schmerzen, Als wir gedachten an Zion, Da weinten wir von Herzen, Wir hingen auf mit schwerem Mut, Die Harfen und die Orgeln gut