„Die trauernden Juden im Exil“ – Ein Thema der Europäischen Malerei im 19. und 20. Jahrhundert

Inaugural–Dissertation in der Philosophischen Fakultät I (Philosophie, Geschichte und Sozialwissenschaften)

vorgelegt von

Nicole Brandmüller aus Nürnberg

D 29 Tag der mündlichen Prüfung: 27. November 2007

Dekan: Universitätsprofessor Dr. Jens Kulenkampff Erstgutachter: Universitätsprofessor Dr. Karl Möseneder Zweitgutachter: Universitätsprofessor Dr. Hans Dickel

Mein besonderer Dank gilt vor allem dem DAAD, Deutscher Akademischer Austauschdienst, ohne deren großzügige Förderung durch ein Auslandsstipendium diese Arbeit in der vorliegenden Form nicht hätte entstehen können. INHALTSVERZEICHNIS

Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG 7

„Die trauernden Juden im Exil“ in Literatur, Musik und bildender Kunst 7

Kritischer Literaturbericht 20

1. TEIL

I. BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN 23

1. Das Ende des Königreiches Juda (722–597 v. Chr.) 25

2. Die Zeit des Exils (597–537 v. Chr.) 27

3. Die Heimkehr und der Wiederaufbau des Tempels (537–520 v. Chr.) 31

II. UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS 32

1. Das „Dittochaeon“ des Prudentius (um 400 n. Chr.) 32

2. Mittelalterliche Psalterillustrationen (9.–13. Jh.) 34

Abendländische Buchmalerei 34 Byzantinische Buchmalerei 39

3. Die „Vorfahren Christi“ in der Cappella Sistina (1508–12) 44

4. Wandmalereien in Synagogen (18. Jh.) 47

III. ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS 51

1. Disparate Anfänge 51

William Blake und Giuseppe Bossi im Gefolge von Jacques Louis Davids Gemälde „Der Schwur der Horatier“ (1784) 51

4 INHALTSVERZEICHNIS

Ferdinand Olivier und John Martin: Die landschaftliche Konkretion 58 Adam Eberle als Exponent der Münchner Schule 61

2. Eduard Bendemann und die Typenbildung im Rahmen der Düsseldorfer Schule 64

3. Ausdifferenzierungen im 19. Jahrhundert 82

Orientalisierung 82 Emotionalisierung des Weiblichen 101 Abweichende Umsetzungen 107

4. Disparate Nachwirkungen im 20. Jahrhundert 112

IV. VERWANDTE BILDMOTIVE 118

1. „Jeremias auf den Trümmern Jerusalems“ 118

2. „Gefangene Juden vor den Ruinen Jerusalems“ von Henry–Léopold Lévy (1869) 123

3. Narrative Darstellungen 125 „Wegführung der Juden in die babylonische Gefangenschaft“ 125 „Rückkehr aus dem Exil“ 130

4. Allegorische Darstellungen 132

„Das traurende (sic!) Jerusalem“ von Adam Eberle (1832) 132 „Zion und Babel“ von Eduard Bendemann (1854) 134

V. RESÜMEE 136

2. TEIL

KATALOG DER WERKE Alphabetisches Register 171

5 INHALTSVERZEICHNIS

ANHANG 141 Abkürzungen und abgekürzt zitierte Nachschlagewerke 141 Abkürzungen der verwendeten biblischen Bücher 142 Quellen 143 Handschriftliche Quellen 143 Gedruckte Quellen 143 Literatur 146

Abbildungen 172 Abbildungsverzeichnis 172 Katalogabbildungen 175 Bildnachweis 185

6 EINLEITUNG DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST

EINLEITUNG

„Die trauernden Juden im Exil“ in Literatur, Musik und bildender Kunst

„An den Flüssen Babylons, dort saßen wir und weinten, wenn wir Sions gedachten. An den Weiden, die drinnen sind, hiengen wir unsere Harfen auf. Denn die uns gefangen wegführten, und die uns wegnahmen, forderten da von uns Lieder: „Singt uns ein Loblied von Sions Liedern!“ Wie sollten wir singen des Herrn Gesang im fremden Land?“1

Diese Zeilen von Psalm 1372 haben Kirchenväter, Dichter, Musiker und bildende Künstler durch viele Jahrhunderte immer wieder zu Werken unterschiedlichster Natur angeregt und erfuhren in der Malerei des 19. Jahrhunderts eine Art Typisierung unter dem Titel „Die trauernden Juden im Exil“. Das ist auch der Titel von Eduard Bendemanns berühmtem Bild, weswegen dieser Titel als Thema der hier vorliegenden Arbeit gewählt wurde.

Eine philosophisch–theologische Ausgestaltung erfuhr der Psalm durch die Kirchenväter Hilarius († 367)3, Hieronymus (um 347–419/20)4 und Augustinus (354–430)5.

1 Psalm 137, Verse 1–4. Verse 5–9 lauten: „Vergeß ich dein, Jerusalem, so werde meine Rechte vergessen: es klebe meine Zunge an meinem Gaumen! Wenn ich dein nicht gedenke, wenn ich Jerusalem nicht setze über die erste meiner Freuden! Gedenke, Herr, den Söhnen Edoms den Tag Jerusalems, die da sprachen: Zerstöret, zerstöret sie bis auf den Grund! Tochter Babylons, du Elende! Wohl dem, der dir vergelten wird, was du an uns gethan! Wohl dem, der deine kleinen Kinder nimmt und die zerschmettert am Stein.“ Zitiert nach: Die Heilige Schrift des alten und neuen Testamentes. Dritter Theil. Erste Abteilung, welche das Buch Hiob und die Psalmen enthält. Aus der Vulgata mit Bezug auf den Grundtext neu übersetzt, und mit kurzen Anmerkungen erläutert von Joseph Franz von Allioli, Nürnberg 1832. 2 Psalm 137 entspricht in der Vulgata Psalm 136. In der vorliegenden Arbeit wird die Bezeichnung Psalm 137 verwendet. 3 „Tractatus super Psalmos”, um 365 n. Chr., vgl. CSEL 22, 1891, S. 725. 4 „Commentarioli in Psalmos”, vgl. CCL 72, 1959, S. 241f. 5 “Enarrationes in Psalmos” 416 n. Chr., vgl. CCL 40, 1956, S. 1964–1978. Grundlegendes zu den Kirchenvätern siehe Altaner, Berthold, Stuiber, Alfred: Patrologie, Leben, Schriften und Lehre der Kirchenväter, Freiburg, Basel, Wien 19788.

7 EINLEITUNG DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST

Hieronymus z. B. versteht den Psalm dreifach: Zum einen als Gefangenschaft des jüdischen Volkes, zum anderen als die aus der Kirche ausgestoßenen Sünder und zum dritten als „höhere Gefangenschaft, durch welche die einst edle Schar ins Tal der Tränen weggeführt wurde.“6 Damit meint er die präexistenten Seelen, die, bevor sie in die jeweiligen menschlichen Körper hinabsteigen, bei den Himmlischen weilen und selig, also ohne Sünde sind.7 Bei Augustinus werden die beiden Städte Jerusalem und Babylon zu Gut und Böse abstrahiert. Allgemein führt die Auslegung der Kirchenväter zu einer tropologischen Bedeutung: Der Antagonismus zwischen den Städten Babylon und Jerusalem wird thematisiert. Babylon wird zum exemplarischen Ort der Sünde, Jerusalem zu dem des Heils und der Erlösung. Die körperliche Gefangenschaft der Juden, so versteht es auch Hilarius, ist ein Sinnbild der geistigen Gefangenschaft des Menschen durch die Sünde.8 Dies greift Luther in seiner Schrift „De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium“ von 1520 auf, wenn er von der „Babylonischen Gefangenschaft der Kirche“ spricht.9 Der lutherische Theologe und Kirchenliederdichter Cornelius Becker (1561– 1604) fasste 1601 den Plan, alle Psalmen in deutsche Lieder umzudichten. Es

6 Hieronymus’ „Commentarioli in Psalmos“, übersetzt und eingeleitet von Risse, Siegfried, Fontes Christiani 79, Turnout 2005, S. 224. 7 Vgl. ebd., S. 59f. 8 Pillinger, Renate: Die Tituli Historiarum oder das so genannte Dittochaeon des Prudentius. Versuch eines philologisch–archäologischen Kommentars, Wien 1980, S. 65; Steidle, Basilius: Vom Mut zum ganzen Psalm 137 (136) „An den Strömen BABELS, dort saßen wir…“, in: Erbe und Auftrag, Benediktinische Monatszeitschrift, 1974, Jg. 50, S. 27f; zur theologischen Bedeutung siehe Grelot, Pierre: Sens chrétien de l’ancien testament, esquisse d’un traité dogmatique, in: Bibliothèque de Théologie, série 1, Théologie dogmatique, Bd. 3, Tournai 1962, S. 475f. Zur augustinischen Psalmenauslegung siehe Fiedrowicz, Michael: Psalmus vox totius Christi, Studien zu Augustins „Enarrationes in Psalmos”, Freiburg i. Br. 1997, S. 43, 224, 293. 9 Luther verwendet den Begriff in einer seiner reformatorischen Hauptschriften „De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium“ von 1520 im übertragenen Sinne und spricht von der „Babylonischen Gefangenschaft der Kirche“. Er will damit Missstände in der damaligen katholischen Kirche aufzeigen. Luther streitet gegen die Siebenzahl der Sakramente und sieht die Kirche in der Gefangenschaft der katholischen Kurie. Vorgeschichte ist die 1309 vom französischen Papst Klemens V. initiierte Verlegung des Papstsitzes von Rom nach Avignon. 1378 kam es zum „Abendländischen Schisma“, das mit der umstrittenen Wahl des Papstes Urban VI. im Jahr 1378 begann. Aufgrund seines Verhaltens versagten ihm die Kardinäle den Gehorsam, erklärten seine Wahl für ungültig und wählten Clemens VII. zum Papst. Daraufhin exkommunizierte Urban Clemens und seine Anhänger und gründete ein eigenes Kardinalskollegium. Clemens VII. ging nach Avignon und besiegelte damit das Schisma. Das Treffen von Kardinälen und Bischöfen beider Seiten 1409 in Pisa konnte das Schisma nicht überwinden und endete mit der Wahl eines dritten Papstes – Alexander V. Das Konstanzer Konzil führte schließlich 1417 zum Rücktritt der rivalisierenden Päpste und zur Wahl Martins V., womit das „Abendländische Schisma“ beendet wurde. Das Schisma hatte allgemein die Stärkung des Konziliarismus zur Folge und verstärkte den Ruf nach Reformen, der schließlich zur Spaltung in Protestantismus und Katholizismus durch die Reformation führte. Siehe dazu Müller, Heribert: Art. zu „Abendländisches Schisma“, in: LThK 1993, Bd.1; Schwarz, Reinhard, Mühlen, Karl–Heinz zur: Art. zu „Luther, Martin“, in: RGG4 2002, Bd. 5.

8 EINLEITUNG DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST entstand „Der Psalter Davids gesangweis“, der die poesielose Psalmendichtung des humanistischen deutschen Schriftstellers und Übersetzers Ambrosius Lobwasser (1515–1585) von 1573 und ihre französischen Weisen ersetzen sollte.10 Psalm 137 besteht aus fünf Strophen, von denen die ersten beiden zitiert werden sollen: 1 „An Wasserflüssen Babylon Da saßen wir mit Schmerzen, Als wir gedachten an Zion, Da weinten wir von Herzen, Wir hingen auf mit schwerem Mut, Die Harfen und die Orgeln gut An ihre Bäum der Weiden, Die drinnen sind in ihrem Land, Da mußten wir viel Schmach und Schand Täglich von ihnen leiden.

2. Die uns gefangen hielten lang So hart an selben Orten, Begehrten von uns ein Gesang Mit gar spöttlichen Worten Und suchten in der Traurigkeit Ein fröhlichn Gsang in unserm Leid, Ach lieber tut uns singen Ein Lobgesang, ein Liedlein schon Von den Gedichten aus Zion, Das fröhlich tut erklingen.(…)“11

Der Franzose Jacques–Charles–Louis de Clinchamp de Malfilâtre (1732–1767) unternahm um 1750 eine freie Übersetzung von Psalm 137 in 10 Verseinheiten. „Assis sur les bords de l’Euphrate, Un tendre souvenir redoubloit nos douleurs; Nous pensions à Sion dans cette terre ingrate, Et nos yeux, malgré nous, laissoient couler des pleurs.

Nous suspendîmes nos cithares Aux saules qui bordoient ces ravages déserts; Et les cris importunes de nos vainqueurs barbares A nos tribus en deuil demandoient des concerts. (…)”12

10 Lobwassers Werk basiert nicht auf dem hebräischen Urtext und der Übersetzung Martin Luthers, sondern auf dem von Guillaume Franc (1505–1570), Loys Bourgeois (1510–1561) und Pierre Davantès (1515–1561) vertonten französischen Genfer Psalter von Clément Marot (1495–1544) und Théodore de Bèze (1519–1605). 1865 wurden die Melodien von Claude Goudimel (1514–1572) in vierstimmige Chorsätze gesetzt. Das Werk hatte über 100 Auflagen und wurde im deutschen reformierten Gottesdienst bis ins 18. Jahrhundert verwendet. Vgl. Jung, Rainer H.: Art. zu „Lobwasser, Ambrosius“, in: MGG 2004, Bd.11. 11 Der Psalter in vierstimmigen Liedsätzen von Heinrich Schütz nach Cornelius Beckers Dichtungen hrsg. von Blankenburg, Walter, Kassel 1936, S. 141.

9 EINLEITUNG DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST

Zur Revolution von 1848 in Frankreich sollten diese Zeilen, wie später ausgeführt wird, ein Gemälde zum Thema „Die trauernden Juden“ anregen.13

Friedrich von Uechtritz (1800–1875) und Auguste Anicet–Bourgeois (1806–1871) haben 1836 das Thema der Babylonischen Gefangenschaft aus unterschiedlichen Perspektiven in Theaterstücken verarbeitet. Uechtritz veröffentlichte ein dramatisches Gedicht in drei Akten mit dem Titel „Die Babylonier in Jerusalem“.14 Anicet–Bourgeois’ Drama „Nabuchodonosor“ wurde am 17. Oktober 1836 in vier Akten im Théâtre de l'Ambigu in uraufgeführt.15 Es bildete später die textliche Vorlage zu Verdis Oper „Nabucco“, die noch besprochen wird.16

Zwischen 1844 und 1851 schrieb Heinrich Heine (1797–1856) in Paris die Gedichtsammlung „Romanzero“, die 1851 veröffentlicht wurde.17 Psalm 137 wird ironisch, ja sogar spöttisch paraphrasiert: „Bey den Wassern Babels saßen Wir und weinten, unsre Harfen Lehnten an den Trauerweiden – Kennst du noch das alte Lied?

Kennst du noch die alte Weise, Die im Anfang so elegisch Greint und sumset, wie ein Kessel, Welcher auf dem Herde kocht? (…)“18

Die ironische Gebrochenheit, die in der zweiten Strophe anfängt, zieht sich über die vielen Verse hinweg bis zum Ende.

12 Poésies de Malfilâtre, Poèmes, odes et traductions, hrsg. von Derome, Léopold, Paris 1884, S. 136. 13 Siehe S. 107f. in dieser Untersuchung. 14 Uechtritz, Friedrich von: Die Babylonier in Jerusalem, Düsseldorf 1836. 15 Anicet–Bourgeois, Auguste, Cornu, Francis: Nabuchodonosor, drame en quatre actes, Paris 1836. 16 Siehe S. 89f. in dieser Untersuchung. 17 „Romanzero“ besteht aus drei Büchern: „Historien“, „Lamentationen“ und „Hebräische Melodien“. Das dritte Buch enthält drei balladenartige Gedichte mit spezifisch jüdischer Thematik, von denen das zweite den Titel „Jehuda Ben Halevy“ trägt und in vier Abschnitte unterteilt ist. Es erzählt vom Leben des gleichnamigen spanisch–jüdischen Dichters, Gelehrten und Begründers des mittelalterlichen Zionismus Jehuda Ben Ha–Levi (1075–1142). Im zweiten Teil ist Psalm 137 paraphrasiert. Vgl. Herrmann, Helene: Studien zu Heines Romanzero, 1906, S. 58ff. und besonders S. 78f. 18 Heinrich Heine, Historisch–kritische Gesamtausgabe der Werke, hrsg. von Windfuhr, Manfred Bd. 3/1, Romanzero, Gedichte, 1853 und 1854, Lyrischer Nachlass bearbeitet von Bartelt, Frauke, Destro, Alberto, Hamburg 1992, S. 135f.

10 EINLEITUNG DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST

In Mexiko, das seit Wiedergewinnung der Unabhängigkeit von der spanischen Krone 1821 von Bürgerkriegen heimgesucht wurde19, stellten Dichter wie José Joaquín Pesado (1801–1861) und Manuel Carpio (1791–1860) Analogien zwischen der babylonischen Gefangenschaft und der Gefangenschaft Mexikos her. Pesado schuf eine fünf–strophige Paraphrase von Psalm 137 mit dem Titel „El israelita prisionero en Babilonia“: “Del Eufrates remoto en la orilla De Judá me acordé con tristura, Y al mirar su marchita hermosura, La corriente con Ilanto aumenté. De memorias funestas y amargas Solo vive el dolor que alimento. “En un sauce, ludibrio del viento, „Para siempre mi lira colgué.” (…)“20

Carpio widmete eine ganze Elegie und ein Sonett dem Thema. „Cautividad de los judios en Babilonia, Dedicada al Senor Doctor D. José María Covarrubias“: „En un tiempo infeliz los Caldeos Hombres fuertes, de seno sombrío, Arrancaron al pueblo judío De su patria la hermosa Canan. Los cautivos, atados los brazos, Caminaron por vastos desiertos, Y Ilegaron, al fin, casi muertos De Babel á la grande ciudad. (…)”21

Der englische Dichter Algernon Charles Swinburne (1837–1909), das Enfant Terrible der viktorianischen Lyrik, verfasste 1871 ein Gedicht mit dem Titel „Super Flumina Babylonis“22. Es ist Teil einer politischen Gedichtsammlung, die sich mit dem gerade beendeten Risorgimento in Italien befasst. In 32 Strophen präsentiert Swinburne die Passion Christi, seinen Tod und die Wiederauferstehung als Gleichnis der Gefangenschaft Israels und seiner Befreiung und gleichzeitig als

19 Vgl. dazu Lateinamerika: Geschichte und Gegenwart, Zentralinstitut für Lateinamerika–Studien der Katholischen Universität Eichstätt, Akademiebericht Nr. 190, Dillingen a.d. Donau 1991, S. 27ff. 20 Poesias, Originales y traducidas de José Joaquín Pesado, México 1839, S. 220f. 21 Poesias del Sr. Dr. Don Manuel Carpio, Mexíco 1875, S. 53. 22 Das Gedicht gehört zu seinem Werk „Songs before Sunrise”. Vgl. The Complete Works of Algernon Charles Swinburne, Poetical Works, hrsg. von Gosse, Edmund, Wise, Thomas James, Bd. 2, New York 1968, S. 102–107.

11 EINLEITUNG DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST

Sinnbild von Italiens gegenwärtiger Knechtschaft und der künftigen Freiheit. Die Wiederauferstehung Christi wird zum Äquivalent des italienischen Risorgimento.23 „By the waters of Babylon we sat down and wept, Remembering thee, That for ages of agony hast endured, and slept, And wouldst not see.

By the waters of Babylon we stood up and sang, Considering thee, That a blast of deliverance in the darkness rang, To set thee free.(…)”

Später (Strophe 16 und 17) heißt es: „By the hillside of Calvary we beheld thy blood, Thy bloodred tears, As a mother’s in bitterness, an unebbing flood, Years upon years.

And the north was Gethsemane, without leaf or bloom, A garden sealed; And the south was Aceldama, for a sanguine fume Hid all the field. (…)”24

Eine musikalische und literarische Reflexion vereinen die 1815 von dem jüdischen Komponisten Isaac Nathan (1792–1864) zusammengestellten „Hebrew Melodies“, zu denen Lord Byron (1788–1824) die Texte dichtete.25 Als der jüdische Komponist Isaac Nathan im „Gentleman’s Magazine“ vom 13. Mai 1813 verlauten ließ, er wolle Synagogenmelodien “all of them upwards of 1000 years old and some of them performed by the Antient (sic!) Hebrews before the destruction of the Temple.“26 veröffentlichen, fiel er damit aus der Reihe der bisherigen Vertonungen zu biblischen Gesängen und traf doch den Nerv der Zeit.27 Bei Byron gründeten zwei der „Hebräischen Melodien“ auf Psalm 137: „By the Rivers of Babylon“, das in „Selection of Hebrew Melodies“ im Mai 1815 gleichzeitig

23 „Songs before Sunrise“ entstanden aus Swinburnes Bewunderung für den Demokraten und Freiheitskämpfer Giuseppe Mazzini (1805–1972), der in im Exil lebte. Sie propagieren demokratische Ideale und politische Freiheit und billigen die Revolution als Mittel zum Zweck. Vgl. Welby, Earle T.: A Study of Swinburne, 1926, S. 91–114. 24 Swinburne in: Gosse, Wise 1968, S. 102 und 104f. 25 Vgl. Convay, David: Art. zu „Nathan, Isaac“, in: MGG 2004, Bd. 12. 26 Zitiert bei Ashton, Thomas L.: Byron’s Hebrew Melodies, London 1972, S. 5. 27 Die romantische Bewegung in England griff auf die mittelalterliche Geschichte zurück, so z. B. Sir Walter Scott (1771–1832) in „Ivanhoe“, James Macpherson (1736–1796) in „Ossian“ usw. Vgl. Ashton 1972, S. 3.

12 EINLEITUNG DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST mit der musikalischen Herausgabe publiziert wurde28, und „The Valley of Waters“, das erst 1829 in einer späteren Ausgabe der „Hebrew Melodies“ erschien.29 Schon am 10. September 1812 zog Lord Byron das Thema in einem Brief an den Politiker Lord Holland (Henry Richard Vassal Fox, 3rd Baron Holland 1773– 1840) ins Lächerliche: „By the waters of Cheltenham I sat down and drank, when I remembered thee, Oh Georgiana Cottage! As for our harps, we hanged them up upon the willows that grew thereby. Then they said, “Sing us a song of Drury Lane,” etc.; – but I am dumb and dreary as the Israelites.”30

Einige Monate später, am 15. Januar 1813, hatte Byron eine erste Paraphrase des 137. Psalms „By the Rivers of Babylon we sat down and wept“ geschrieben, zu der er vermutlich von Lady Caroline Lamb (1785–1828)31 angeregt wurde. „I am going to the Chapple (sic!) Royal St. James. Do you ever go there? It begins at ½ past 5, and lasts till six; it is the most beautiful singing I ever heard; the choristers sing “By the waters of Babylon”.”32

Dass die Thematik des 137. Psalm Byron intensiv beschäftigte, zeigt zudem noch die Umdichtung einer Textpassage im Theaterstück „Don Juan“, II, 16: „So Juan wept, as wept the captive Jews By Babel’s waters, still remembering Sion: I’d weep, but mine is not a weeping muse….”33

Psalm 137 musikalisch zu interpretieren, war kein Novum. Aus der Vielzahl der musikalischen Werke zu dem Thema sollen einige markante Beispiele herausgegriffen werden. In der Musik der Hochrenaissance und des Barock war die Vertonung des 137. Psalms sehr beliebt. Der aus Flandern stammende Kirchenmusiker und Kapellmeister der Lateransbasilika Orlande de Lassus (1530/32–1594) vertonte 1585–88 den ersten Vers des Psalms34, der Italiener

28 Die deutsche Übersetzung des Shakespeare-Übersetzers Otto Gildemeister (1823–1902) wurde unter der Abbildung von Bendemanns „trauernden Juden“ in der Zeitschrift Ost und West 1901, Jg. 1, Heft 1, Sp. 15/16 abgedruckt. 29 Vgl. Ashton 1972, S. 25f. 30 Ebd., S. 167. 31 Mit der Ehefrau des künftigen Premierministers Lord Melbourne hatte Byron eine Liebesaffäre. Zu Caroline Lamb siehe eine neue Biographie von Douglass, Paul: Lady Caroline Lamb, A Biography, New York 2004. 32 Vgl. Ashton 1972, S. 163, Anm. 1. 33 Ebd., S. 167. 34 Vgl. Schmid, Bernhold: Art. zu „Lassus, Orlande de“, in: MGG 2003, Bd. 10.

13 EINLEITUNG DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST

Giovanni Pierluigi Palestrina (ca.1525–1594) 1584 die ersten beiden Verse in lateinischer Sprache.35 Der am Hof von Mantua wirkende jüdische Musiker und Komponist Salamone Rossi (ca.1570–ca.1630) dagegen war der erste Musiker der Neuzeit, der seine Motetten für die Synagoge auf Hebräisch komponierte. 1622 publizierte er den dramatischsten der mehrstimmigen Gesänge zu Psalm 137 mit dem Titel „Al Naharot Bavel“.36 Kurz davor beendete der deutsche evangelisch–lutherische Komponist und kurfürstliche Kapellmeister in Heinrich Schütz (1585–1672) die Arbeit an den vermutlich schon 1612/13 konzipierten „Psalmen Davids“, die 1619 erschienen. Unter den 26 mehrchörigen Psalmenvertonungen befindet sich „An den Wassern zu Babel“. Schütz vertonte die von dem Theologen und Pfarrer der Nicolaikirche in Leipzig Cornelius Becker (1561–1604) verfassten Gedichte „Der Psalter Davids gesangweis“.37 Der Franzose François Cosset (1620–?) komponierte 1673 nicht nur einen Choral, sondern eine ganze Messe mit dem Titel „Super Flumina Babylonis“.38 Genannt werden sollen noch Franz Liszt (1811–1886), der 1859 den „137. Psalm“ in Musik setzte39, und der böhmische Komponist Antonín Dvořák (1841–1904), der 1894 „Při řekách Babylonských“ in „Biblische Lieder“ op. 99, Nr. 7 musikalisch ausarbeitete.40 Den Höhepunkt in der musikalischen Ausarbeitung des Themas bildet Giuseppe Verdis dritte Oper „Nabucco“. 1842 in der Mailänder Scala uraufgeführt, gehört sie zu den auch heute noch häufig gespielten Bühnenwerken. Nabucco ist die italienische Form von Nebukadnezar. Im „Gefangenenchor“ des dritten Aktes kommt eindringlich das Sehnen des jüdischen Volkes nach Freiheit zum Ausdruck: „Va, pensiero, sull’ ali dorate; Va, ti posa sui clivi sui colli, Ove olezzano tepide e molli! L’aure dolci del suolo natal! Del Giordano le rive salute, Di Sionne le torri atterrate… Oh mia patria sì bella e perduta Oh membranza sì cara e fatal! (…)”41

35 Vgl. Ackermann, Peter: Art. zu „Palestrina, Giovanni Pierluigi da”, in: MGG 2005, Bd. 13. 36 Vgl. Steinheuer, Joachim: Art. zu „Rossi, Salamone“, in: MGG 2005, Bd. 14. 37 Vgl. Breig, Werner: Art. zu „Schütz, Heinrich“, in: MGG 2006, Bd. 15. 38 Vgl. Leroux, Martial: Art. zu „Cosset, François“, in: MGG 2000, Bd. 2. 39 Vgl. Altenburg, Detlef, Schröter, Axel: Art. zu „Liszt, Franz“, in: MGG 2004, Bd. 11. 40 Vgl. Döge, Klaus: Art. zu „Dvořák, Antonín“, in: MGG 2001, Bd. 5. 41 Giuseppe Verdi, Nabucco, Textbuch (Italienisch–Deutsch), Einführung und Kommentar von Pahlen, Kurt, Mainz 1999, S. 99. Die letzte bekannte musikalische Interpretation ist das Lied

14 EINLEITUNG DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST

Neben der Vielzahl an literarischen und musikalischen Umsetzungen des Bibelpsalms stehen nur zwei Bildhauerwerke. 1899 fertigt der zur Berliner Bildhauerschule gehörige Gustav Heinrich Eberlein ohne Auftrag die erotische

Skulptur „Die trauernden Juden im Exil“ (KATALOG 35A, BILD K95). Der Architekt und Denkmalpfleger Carl Alexander von Heideloff (1789–1865) arbeitete um 1850 an einem „Kunstmaterialien–Lexikon“. Darin führt er unter dem Begriff „Ahnung“ aus: „Vorgefühl (praesagitio) eines freudigen oder traurigen Ereignisses, das sich jedoch gewöhnlich auf Familien– oder Herzensangelegenheiten bezieht;“ (…) Die Ahnung oder das Vorgefühl wird wohl am treffendsten durch ein Frauenzimmer vorgestellt, welches zur Nachtzeit am Ufer eines Sees die Harfe spielt.“42

Als Attribut führt Heideloff eine am Boden liegende Harfe mit zersprungener Saite auf. Ob Eberlein von dieser Bedeutungszuordnung wusste, kann nicht nachgewiesen werden; doch könnte man das Motiv der nur zum Teil zerrissenen Saiten an Zedekias43 Harfe mit der Hoffnung, dem Vorgefühl auf Freiheit gleichsetzen. Dies unterstreicht das 1886 entstandene Gemälde mit dem Titel 44 „Hope“ (BILD T1) von George Frederic Watts (1817–1904). Er präsentiert die Hoffnung als Frau mit verbundenen Augen, auf der Erdkugel sitzend und auf einer Lyra spielend, von der alle Saiten bis auf eine gerissen sind. Beinahe ein Jahrhundert später, 1987 entsteht das zweite bildhauerische und zugleich das letzte Werk zum Bildmotiv der „trauernden Juden“ im 20. Jahrhundert überhaupt. Der fränkische Bildhauer Julian Walter zeigt unter dem Titel

„Babylonische Gefangenschaft“ (KATALOG 46A, BILD K107) drei auf knappe Formen reduzierte menschliche, in Ketten gelegte Gestalten; sie schreiten hintereinander in einer Reihe, in die sich jeder einreihen könnte. Walter, der kein bestimmtes Vorbild für sein Werk hatte, will damit die Unfreiheit des Menschen in der

„Rivers of Babylon“ der deutschen Disco–Formation „Boney M.“, das 1978 17 Wochen auf Platz 1 der deutschen Hitliste war. Der Text des Liedes ist eine Paraphrase auf Psalm 137: “By the rivers of Babylon, there we sat down Ye–eah we wept, when we remembered Zion. When the wicked Carried us away in captivity Required from us a song Now how shall we sing the Lord’s song in a strange land. (...)“ 42 Probedruck des Kunstmateralien–Lexikons, Nürnberg, GNM, Nachlass Heideloff, I B 214, S. 29. 43 Siehe S. 27f. in dieser Untersuchung. 44 Öl auf Leinwand, 142,2 x 111,8 cm, London, Tate Gallery.

15 EINLEITUNG DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST

Gesellschaft und im gesamten Weltgefüge verdeutlichen.45 Die babylonische Gefangenschaft hat für Walter also eine abstrakte Bedeutung, die mit der des Augustinus vergleichbar ist.

Den höchsten Stellenwert nimmt das Thema „An den Wassern Babylons trauernde Juden“ in der Malerei ein. Die Vielzahl von Werken, die zum größten Teil erst während der Forschungen zur vorliegenden Arbeit entdeckt wurden, wird hier erstmalig im Zusammenhang analysiert. Die vorliegende Untersuchung besteht aus zwei Teilen: einem Katalog der Werke und einem Textteil. Der Katalog umfasst 46 Artikel, in denen Informationen zum Künstler, zur Entstehungsgeschichte des Werkes, eine Bildbeschreibung sowie eine Auflistung von Quellen– und Literaturangaben enthalten sind. Er ist die Grundlage für den Textteil. Der Textteil enthält vier große Kapitel. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Entwicklung des Bildmotivs im 19. und 20. Jahrhundert. Die vereinzelten Umsetzungen des Bildmotivs in den vorhergehenden Jahrhunderten werden in einem eigenen Kapitel chronologisch aufgezeigt.

Es stellt sich die Frage, warum das alttestamentarische Thema der „Trauernden Juden“, im ersten Kapitel „Biblische und historische Grundlagen“ anhand der Bibelquellen und antiker Texte ikonographisch definiert, erst im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts als bedeutungsvolle und eigenständige Darstellung bildwirksam wird. Die Ursache ist in der Französischen Revolution zu sehen, die allen Menschen „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" verhieß und dies auch den Juden zugestand. 1791 wurden den Juden zuerst in Frankreich die Bürgerrechte zugestanden, dann setzte allmählich in den übrigen europäischen Ländern ein Prozess der Judenemanzipation ein. In den deutschsprachigen Fürstentümern wurde die rechtliche Gleichstellung der Juden nicht in einem einmaligen Staatsakt, sondern allmählich in vielen Einzelschritten ab 1797 bis 1918 erreicht. Die Juden waren über Jahrhunderte eine rechtlich, religiös und sozial erniedrigte Minderheit und durften auch nur bestimmte Berufe z. B. im Geld– und Bankwesen ausüben; nun aber, zu Beginn des 19. Jahrhunderts, gehörten sie

45 Persönliche Mitteilungen von Julian Walter anlässlich eines Besuchs in seinem Atelier.

16 EINLEITUNG DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST zum Bildungsbürgertum, allerdings häufig unter der Bedingung, sich christlich taufen zu lassen.46 So sah Heinrich Heine in der Taufe das Entréebillet zur europäischen Kultur, und Eduard Bendemann, Sohn eines jüdischen Berliner Bankiers, wurde gleich nach seiner Geburt christlich getauft.47 Er gehörte in Deutschland zu den ersten Malern, die das Bildmotiv als Gemälde umsetzten. In Preußen wurden den Juden ab 1812 die Bürgerrechte zugestanden, und in Berlin entstanden zu Beginn des 19. Jahrhunderts die literarischen Salons, zu denen Christen und Juden der geistigen Elite gleichermaßen Zutritt hatten; die Initiatoren der berühmtesten Salons waren tatsächlich selbst Juden bzw. Jüdinnen: Rahel Varnhagen van Ense geb. Levin (1771–1833) und Henriette Herz geb. Lemos (1764–1847), die beide die literarische und geistige Elite Deutschlands um sich versammelten.48 In Frankreich wurde mit der Julirevolution von 1830, die mit König Louis Philippe (Regierungszeit 1830–1848) ein liberal eingestelltes Regime an die Regierung brachte, ein Versuch gemacht, an die Revolutionsgesetzgebung von 1791 (gleiche Bürgerrechte für alle) wiederanzuknüpfen.49 Die ersten eigenständigen Bilder zum Thema entstanden 1837 durch Romain Cazes und 1844 durch Eugène Delacroix. In England, wo 1852 Philip Hermogenes Calderon das erste Gemälde mit trauernden Juden schuf, wurde 1847 erstmals ein Jude in das Unterhaus gewählt und 1853 war die staatsbürgerliche Gleichstellung der Juden weitgehend durchgesetzt.50 Das Bildmotiv „Die trauernden Juden im Exil“ ist sicherlich kein Thema der Judenemanzipation, aber es resultiert daraus. Die Geschichte des Bildmotivs wird die unterschiedlichen Anfänge zu Beginn des 19. Jahrhunderts dokumentieren, Schlüsselbilder herausfiltern, verschiedene Hauptströmungen aufzeigen, die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts ausbildeten, und die vereinzelten „Ausläufer“ würdigen, die um die Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden sind.

46 Vgl. Battenberg, Friedrich: Das Europäische Zeitalter der Juden, Zur Entwicklung einer Minderheit in der nichtjüdischen Umwelt Europas, Bd. 2: Von 1650 bis 1945, Darmstadt 2000², S. 86ff. Vgl. des Weiteren Wyrwa, Ulrich: Die Emanzipation der Juden in Europa, in: Kotowski, Elke–Vera, Schoeps, Julius H., Wallenborn, Hiltrud (Hg.): Handbuch zur Geschichte der Juden in Europa, Bd. 2: Religion, Kultur, Alltag, Darmstadt 2001, S. 336–352. 47 Krey, Guido: Gefühl und Geschichte – Eduard Bendemann (1811–1889), Eine Studie zur Historienmalerei der Düsseldorfer Malereischule, Weimar 2003, S. 25, Anm. 4. 48 Vgl. Battenberg 2000², Bd. 2, S. 81ff. 49 Vgl. ebd., S. 136. 50 Vgl. ebd., S. 137ff.

17 EINLEITUNG DAS THEMA „DIE TRAUERNDEN JUDEN IM EXIL“ IN LITERATUR, MUSIK UND BILDENDER KUNST

Zur Abrundung der vorliegenden Untersuchung werden im letzten Kapitel Bildmotive, die mit dem Thema der „trauernden Juden“ verwandt sind, vergleichend herangezogen.

18 „BY THE RIVERS OF BABYLON…“

BY THE RIVERS OF BABYLON

We sate down and wept by the waters Of Babel, and thought of the day When our foe, in the hue of his slaughters, Made Salem’s high places his prey; And ye, oh her desolate daughters! Were scattered all weeping away.

While sadly we gazed on the river Which rolled on in freedom below, They demanded the song; but, oh never That triumph the stranger shall know! May this right hand be withered for ever, Ere it string our high harp for the foe!

On the willow that harp is suspended, Oh Salem! its sound should be free; And the hour when thy glories were ended But left me that token of thee: And ne’er shall its soft tones be blended With the voice of the spoiler by me! Lord Byron, Hebrew Melodies 1815

19 EINLEITUNG KRITISCHER LITERATURBERICHT

Kritischer Literaturbericht

Das Bildmotiv „Die trauernden Juden im Exil" ist in der Kunstgeschichte bislang noch nie erschöpfend und im Zusammenhang von den ersten Ausformungen bis zu den Darstellungen in der jüngsten Vergangenheit untersucht worden. In den bisher veröffentlichten Arbeiten51, in Dissertationen und Einzelstudien52 zur Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts werden nur Teilaspekte behandelt und Vergleiche angestellt; sie waren für die vorliegende Untersuchung jedoch sehr hilfreich. Den Grundstein für diese Arbeit aber legte Karl Möseneder mit seinem Aufsatz „Die Weltgeschichte und das Weltgericht“, Über Wilhelm von Kaulbachs „Die Zerstörung Jerusalems“53. Er weist auf die möglichen Wurzeln des Bildmotivs hin und führt Aspekte von Wolfgang Beckers Aufsatz „Jüdisches in der Bildkunst des 19. Jahrhunderts"54 weiter. Becker formuliert im Rahmen der Untersuchung zu Kaulbachs „Die Zerstörung Jerusalems“ zum ersten Mal den Gattungsbegriff „Klagebilder" für die Umsetzungen des Bildmotivs bei Olivier, Eberle und Bendemann. Möseneder definiert diese „Klagebilder" als eine „Subspezies des Untergangsbildes". In seiner 2003 erschienenen Dissertation55 führt Guido Krey einige Ausformungen des Bildmotivs auf. Die detaillierte Einzelanalyse über Bendemanns „trauernde Juden“, für die der Autor die Umsetzungen des

51 Cohn–Wiener, Ernst: Die jüdische Kunst, Ihre Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart, Berlin 1929; Schütz, Chana C. (Hg.): Lesser Ury, Bilder der Bibel, Der Malerradierer, Berlin 2002. 52 Es gibt zwei sehr wertvolle Einzellstudien über Bendemanns Gemälde „Die trauernden Juden“: Börsch–Supan, Helmut: Zur Urteilsgeschichte der Düsseldorfer Malerschule: Eduard Bendemanns Gemälde „Trauernde Juden“, in: Düwell, Kurt, Kollmann, Wolfgang (Hg.): Rheinland–Westfalen im Industrie–Zeitalter, Beiträge zur Landesgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 4: Zur Geschichte von Wissenschaft, Kunst und Bildung an Rhein und Ruhr, Wuppertal 1982, S. 219–226. Wille, Hans: „Die Trauernden Juden im Exil“ von Eduard Bendemann, in: Wallraf–Richartz–Jahrbuch 1996, Köln, S. 307–316. Erfreulicherweise gibt es auch einen interessanten Aufsatz zur spanisch–mexikanischen Umsetzung des Bildmotivs: Rojas, Fausto Ramírez: La Cautividad de los Hebreos en Babilonia: Pintura bíblica y nacionalismo conservado en la academia mexicana a mediados del siglo XIX, in: Curiel, Gustavo, Mello, Renato Gonzáles, Haces, Juana Gutiérrez (Hg.): Arte, Historia y Identidad en América: Visiones comparativas, Bd. 2, México 1994, S. 279–295. 53 Möseneder, Karl: „Die Weltgeschichte und das Weltgericht“, Über Wilhelm von Kaulbachs „Die Zerstörung Jerusalems“, in: Münchner Jahrbuch für bildende Kunst, 3. Folge, Bd. 47, München 1996, S. 103–146. 54 Becker, Wolfgang: Jüdisches in der Bildkunst des 19. Jahrhunderts, Variationen zu Kaulbach’s „Zerstörung Jerusalems“, in: Eckert, Willehad Paul, Ehrlich, Ernst Ludwig (Hg.): Judenhass, Schuld der Christen?!, Essen 1964, S. 257–278. 55 Krey 2003.

20 EINLEITUNG KRITISCHER LITERATURBERICHT

Bildmotivs bei Ferdinand Olivier, Adam Eberle, Joseph von Führich und Eugène Delacroix vergleichend heranzieht, war für die hier vorliegende Arbeit substantiell. In der Auswahl der Vergleichsbeispiele zum Bildmotiv der „trauernden Juden“ orientiert sich Krey vermutlich an Beckers o. g. Aufsatz. Während Krey eine Geschichte des Bildmotivs innerhalb der fünf aufgeführten Vergleichsbeispiele nur andeutet, aber keine weitere Entwicklung aufzeigt, beschließt Becker seine kurze Abhandlung mit Eugène Delacroix' Umsetzung bereits Mitte des 19. Jahrhunderts. In „Christliche Restauration und Antijudaismus, Aspekte der Kunst der deutschen Romantik"56 bespricht Peter Dittmar das Gemälde „Die trauernden Juden im Exil" von Eduard Bendemann und auch Joseph von Führichs erste Umsetzung des Themas im Rahmen der realitätsbezogenen, religiösen Historienmalerei. Laut Dittmar haben die beiden Gemälde keinen gesellschaftlichen und aktuellen Bezug; vielmehr wird die Trauer als Modus eingeführt. Dittmars Überlegungen waren für diese Arbeit sehr nützlich.57

Die englische, französische und italienische Fachliteratur hat sich bisher weder mit der Geschichte des Bildmotivs auseinandergesetzt noch werden mehrere Umsetzungen des Motivs vergleichend erwähnt. In den jeweiligen Monografien, die hier beispielhaft herausgegriffen werden sollen, werden zwar Umsetzungen der Franzosen Eugène Delacroix58, Romain Cazes59, Charles Landelle60 und Aimé Morot61, der Engländerin und des Engländers Evelyn de Morgan62 und Herbert Schmalz63 und schließlich des Italieners Antonio Puccinelli64 aufgeführt und teilweise näher beleuchtet, aber sie werden nicht im ikonologischen Kontext

56 Dittmar, Peter: Christliche Restauration und Antijudaismus, Aspekte der Kunst der deutschen Romantik, in: Erb, Rainer, Schmidt, Michael (Hg.): Antisemitismus und Jüdische Geschichte, Studien zu Ehren von Herbert A. Strauss, Berlin 1987, S. 329–364. 57 Zu einiger Verwirrung führt jedoch, dass Dittmar Führichs Studie zur Erstausführung der „trauernden Juden“ von 1828 (KATALOG 4A, BILD K4) zeigt und bespricht, diese aber für die Vorstudie zu dem 1837 entstandenem Gemälde (KATALOG 8B, BILD K27) hält. Die Bemerkung, dass „Führich kaum mehr als eine Paraphrase zu dessen Bild (Bendemanns, Anm. der Verf.) gelang (S. 363), ist für die erste Umsetzung Führichs zu dem Thema nicht richtig. Sie passt vielmehr auf das 1837 entstandenen Gemälde, das dem Bendemanns sehr ähnlich ist. 58 Johnson, Lee: The Paintings of Eugène Delacroix, a Critical Catalogue, The Public Decorations and their Sketches, Bd. 5, Text, Oxford 1989. 59 Vigne, Georges: Romain Cazes (1808–1881), peintre secret du second empire, Ausst., Montauban 1995. 60 Pillion, Didier, Schaettel, Charles: Charles Landelle (1821–1908), exposition rétrospective, Laval 1987. 61 Moreau–Vauthier, Charles: L’oeuvre de Aimé Morot, Paris 1906. 62 Gordon, Catherine (Hg.): Oil Paintings, London 1996. 63 Blakemore, Trevor: The Art of Herbert Schmalz, London 1911. 64 Durbé, Dario: Antonio Puccinelli, Roma 1997.

21 EINLEITUNG KRITISCHER LITERATURBERICHT betrachtet. Den einzigen ikonologischen Bezug stellt Bruno Foucart in „Le renouveau de la peinture religieuse en France (1800–1860)" 65 her. In seinen Bemerkungen über Charles Landelles religiöse Malerei, zu der das Gemälde „Les

Femmes de Jérusalem captives à Babylone" (KATALOG 21M, K57) gehört, weist Foucart in einer Fußnote auf die Ausführung von Cazes zum selben Thema hin.

Die Literatur zeigt, dass einzig Bendemanns Gemälde vielfach diskutiert und in einen ikonologischen Zusammenhang gestellt wurde. Nicht berücksichtigt wurden dabei die vielen weiteren künstlerischen Werke, die zum Teil erst im Rahmen dieser Arbeit wiederentdeckt wurden. Mit der Genese des Bildmotivs vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, die in dieser Form und Vollständigkeit bislang noch nie aufgezeigt worden ist, wird eine weitere Lücke in der Erforschung verschiedener Aspekte und Zusammenhänge der Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts geschlossen. Sie steht im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung, aber die wirklichen geschichtlichen Zusammenhänge und die frühen Ausformungen müssen vorab beschrieben werden.

65 Foucart, Bruno: Le renouveau de la peinture religieuse en France 1800–1860, Paris 1987.

22 BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN

I. BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN

Der geschichtliche Hintergrund des Bildmotivs „Die trauernden Juden im Exil“ ist der Untergang des Staates Juda und die Zerstörung Jerusalems. Die damit verbundene babylonische Gefangenschaft ist eine Epoche in der Geschichte des jüdischen Volkes, deren Beginn auf das Jahr 586 v. Chr. datiert wird, als der neubabylonische König Nebukadnezar II. (Regierungszeit 604–562 v. Chr.)66 Jerusalem eroberte, den Tempel Jahwes zerstörte und die jüdische Oberschicht nach Babylonien verschleppte. Perserkönig Kyros II. (601–530 v. Chr.) gestattete nach der Eroberung des babylonischen Reiches den Gefangenen ab 537 v. Chr. die Heimkehr nach Jerusalem, um den Tempel wiederaufzubauen.67

Das Alte Testament ist die umfassendste Quelle für die Babylonische Gefangenschaft des Volkes Israel: So berichten das zweite Buch der Könige (2 Kön 24; 25) und das zweite Buch der Chronik (2 Chr 36) sowie Passagen der Bücher Esra (Esra 1; 2), Nehemia (Neh 7) und Ester (Est 2, 5–8.) davon; hinzu kommen die Niederschriften der prophetischen Bücher Jesaja (Jes 40–55), Jeremia (Jer 24–29; 39; 52), das gesamte Buch Ezechiel68, Daniel (Dan 1) und die Klagelieder sowie Psalm 137. Sich weitgehend auf die Schilderungen des Alten Testaments stützend, informiert Flavius Josephus (37/8–100 n. Chr.), der jüdische Feldherr und Geschichtsschreiber im Dienste Roms, im 10. und 11. Buch der „Antiquitates

66 Siehe Berger, Paul–Richard: Art. zu „Nebukadnezar II“, in: BBKL 1993, Bd. 6. 67 Siehe dazu: Stein, William: Art. zu „Exile, Babylonian“, in: Landman, Isaak (Hg.): The Universal Jewish Encyclopedia in Ten Volumes, New York 1948, Bd. 4; Roth, Cecil: Geschichte der Juden, Von den Anfängen bis zum neuen Staate Israel, 1954, S. 42–81; Wellhausen, Julius: Israelitische und jüdische Geschichte, Berlin 1958, S. 132–153; Borchhardt, Paul: Art. zu „Exile, Babylonian“, in: Roth, Cecil (Hg.): Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971, Bd. 6; Ben– Sasson, Haim Hillel: Geschichte des jüdischen Volkes, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum 7. Jahrhundert, München 1978, S. 199–228; Newsome, James D. Jr.: By the Waters of Babylon, an Introduction to the History and Theology of the Exile, Edinburgh 1980, S. 29–123; Soggin, Jan Alberto: Einführung in die Geschichte Israels und Judas, Darmstadt 1991, S. 164–187; Donner, Herbert: Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzügen, Bd. 2: Von der Königszeit bis zu Alexander dem Großen, mit einem Ausblick auf die Geschichte des Judentums bis Bar Kochba, Göttingen 1995², S. 402–465. (2 Bde.) 68 Kapitel 1–32 berichtet über die Ereignisse zwischen 593 und 587 v. Chr., ab Kapitel 33 geht es um die Jahre nach 587 v. Chr.

23 BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN

Judaicae“69 (80–94 n. Chr.) über das Ereignis der in mehreren Phasen erfolgten Deportation der Bewohner des Reiches Juda nach Südbabylonien.

69 Flavius Josephus: Jüdische Altertümer, übersetzt von Clementz, Heinrich, 2 Bde., Nachdr. der Ausgabe von 1899, Köln 1959. Im 1. Kapitel des 11. Buches finden sich Auszüge des in seleukidischer Zeit abgefassten Werks „Χαλδαϊκά“ des babylonischen Priesters Berossos. Vgl. Donner 1995², S. 404; Schnabel, Paul: Berossos und die babylonisch–hellenistische Literatur, Leipzig 1923.

24 BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN DAS ENDE DES KÖNIGREICHS JUDA

1. Das Ende des Königreichs Juda (722–597 v. Chr.)

Der Untergang des Südreiches Juda70 mit der Hauptstadt Jerusalem begann mit dem Machtanspruch fremder Völker: Die Eroberung des nördlichen Königreichs Israel durch die Assyrer 722 v. Chr. ließ das Südreich Juda unter der Fremdherrschaft kapitulieren. Der assyrische Kult hielt Einzug in Jerusalem. Als Jahre später die assyrische Macht verfiel, wurde Juda unter König Josia (639 – 609 v. Chr.)71 eine letzte Blütezeit, eine politische und religiöse Renaissance (2 Kön 18, 3 – 4; 22–23; 2 Chr 29–31; 34–35, 19) beschert. Unter dem Einfluss des Propheten Jeremia wurde der Jahwekult für alle Bewohner verbindlich (Jer 3f). Doch ein aufstrebendes Babylon erhob seinen Machtanspruch erneut. Während 612 v. Chr. die assyrische Hauptstadt Ninive unter der Belagerung der Babylonier fiel, nutzte Josia die assyrische Schwäche, um einige Teile des nördlichen Israel zurückzuerobern.72 Ägypten, das ein erstarktes Mesopotamien fürchtete und sich mit den Assyrern verbünden wollte, traf auf ein Widerstand leistendes Juda. 609 v. Chr. wurde Josia geschlagen. Seine Nachkommen und die judäische Aristokratie wurden nach Ägypten deportiert. Pharao Necho II. setzte Eljakim, einen der Söhne des religiösen Reformkönigs Josia, als Vasallenkönig von Juda ein und änderte dessen Namen in Jojakim (608 – 598 v. Chr.)73 (2 Kön 23, 29–35; 2 Chr 35, 20– 36, 4; Jer 22, 10–12, Ez 19, 4). Die Tributpflicht Judas an Ägypten währte nicht lange. 605 v. Chr. vernichtete der babylonische König Nebukadnezar auf seinen Feldzügen nach Syrien und Palästina die verbündeten assyrischen und ägyptischen Mächte. Jojakim wurde ihm untertan und blieb drei Jahre babylonischer Vasall. Danach sann er auf Befreiung und verbündete sich entgegen den Ratschlägen des Propheten Jeremia mit Ägypten (2 Kön 24, 1; Jer 25–25; Jos Flav Antiquitates X, 6, 3). 597 v. Chr. wurde der abtrünnige König Jojakim von Nebukadnezar zur Rechenschaft gezogen (2 Kön 24, 2ff; 2 Chr 36, 6– 8; Dan 5, 2; Jos Flav Antiquitates X, 6, 2). Jerusalem wurde belagert, der Tempel Jahwes geplündert und seine Schätze samt der Bundeslade, die seitdem verschollen ist, nach Babylon gebracht (Jer 27, 18–22). Die Katastrophe traf aber

70 Das Südreich Juda mit der Hauptstadt Jerusalem entstand nach dem Tod des israelitischen Königs Salomo 926 v. Chr., als die nördlichen Stämme der Israeliten von der Dynastie Davids abfielen. Vgl. dazu Roth 1954, S. 33ff. 71 Siehe Kessler, Rainer: Art. zu „Josia“, in: BBKL 1992, Bd. 3. 72 Vgl. Soggin 1991, S. 174. 73 Siehe Kessler, Rainer: Art. zu „Jojakim“, in: BBKL 1992, Bd. 3.

25 BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN DAS ENDE DES KÖNIGREICHS JUDA

nicht mehr Jojakim, der vermutlich während der Belagerung gestorben war74, sondern seinen Sohn Jojachin.75 Diesem wurde von Jeremia die babylonische Gefangenschaft prophezeit (Jer 22, 24–28).

74 Vgl. Donner 1995², S. 405. 75 Siehe Kessler, Rainer: Art. zu „Jojachin“, in: BBKL 1992, Bd. 3.

26 BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN DIE ZEIT DES EXILS

2. Die Zeit des Exils (597–537 v. Chr.)

Nachdem Jojachin drei Monate lang König gewesen war, übergab er die Stadt widerstandslos an Nebukadnezar (2 Kön 24, 8). Er selbst wurde mit zahlreichen Angehörigen der Oberschicht, des Adels, der Priesterschaft und des Handwerkerstandes in die Verbannung nach Babylon geschickt (2 Kön 24, 14).76 Unter den Verbannten befand sich auch der Prophet und Priestersohn Ezechiel, der nach Tel Abib am Kebar–Kanal bei Nippur verschleppt wurde (Ez 1, 1–3). Auch die Vorfahren Esthers und ihres Pflegevaters Mordechai gehörten zu den Gefangenen. Diese gelangten aber nach Susa, und der Verlauf ihrer Geschichte war ein anderer (Est 2, 5–7).77 Auch das Schicksal des Propheten Daniel ist mit der Epoche der babylonischen Gefangenschaft verknüpft: Bereits um 603 v. Chr. wurde Daniel nach Babylon ins Exil deportiert. Er wurde am Hof des Königs Nebukadnezar erzogen und erhielt dort eine einflussreiche Stellung (Dan 1, 1–6).78

Der Prophet Jeremia, der in Jerusalem zurückgeblieben war, korrespondierte mit den Verbannten. Im Auftrag Jahwes riet der Prophet, sich auf eine lange Gefangenschaft einzurichten (Jer 29, 4–7). Zur Neubesetzung des leeren davidischen Thrones entschied sich der babylonische König für einen Onkel Jojachins namens Mattanja (2 Kön 24, 17–25 und Jos Flav, Antiquitates X, 7, 1).79 Nebukadnezar inthronisierte diesen in Jerusalem und änderte seinen Namen in Zedekia80 (598/7–587/6 v. Chr.): Juda trat so in das zweite Stadium des Vasallentums ein. Zedekia war der letzte König des Reiches Juda und ein „mit

76 Die Zahl der Deportierten wird auf 10.000 beziffert. In Anlehnung an Luthers Übersetzung liegt darin der Ursprung der Redewendung von den „ober(st)en Zehntausend“. 24, 16 spricht dagegen von 7000 Besten und 1000 Handwerkern. Bei Jer 52, 28–30 ist die Rede von 3023 Judäern. Nach Josephus, Antiquitates X, 7,1 waren es 10.832 junge Leute und Handwerker. 77 Esther ist die Base und Pflegetochter des Juden Mordechai. Sie wurde zur Gemahlin des persischen Königs Ahasveros (Xerxes I., 485–465) erhoben. Durch ihren Einfluss und ihre Stellung rettete sie die nach der Gefangenschaft in Babylon verbliebenen Juden vor einem durch den Minister Haman beabsichtigten Massenmord. Die unterdrückten Juden stillten ihre Rachedurst, indem sie in der Festung Susa ca. 500 ihrer persischen Feinde töteten; dies führte zur Einführung des Purimfestes. An diesen Tagen wird das Buch Esther verlesen. 78 Nach Josephus, Antiquitates X, 10, 1 zählt Daniel zu den Deportierten aus der Zeit Zedekias. Bis in die ersten Jahre des Königs Kyros blieb Daniel in Babylon. Seine Erlebnisse wie „Die drei Jünglinge im Feuerofen“, „Das Gastmahl des Belsazar“ mit dem sprichwörtlichen „Menetekel“ an der Wand und „Daniel in der Löwengrube“ sind zu bekannten Metaphern für die Stärke des Glaubens geworden. 79 Nach 2 Chr 36, 10–21 war er Jojachins Bruder. 80 Siehe Kessler, Rainer: Art. zu „Zedekia“, in: BBKL 1998, Bd. 14.

27 BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN DIE ZEIT DES EXILS beschränkten Befugnissen ausgestattete(r) Reichsverweser“.81 Zu keiner Zeit hatte Zedekia die volle Anerkennung bei der Bevölkerung von Jerusalem und Juda (Jos Flav Antiquitates X, 7, 2). Als rechtmäßiger König galt der Verbannte Jojachin, auf dessen Rückkehr man in der Heimat hoffte (Jer 28, 1–4; 24).82 Ezechiel erlebte in der Verbannung 593/2 v. Chr. seine Berufung zum Propheten (Ez 1,1). Seine Visionen zeigten ihm, wie die zurückgebliebenen Juden in Jerusalem Götzendienst verrichteten: Sie waren abtrünnig geworden. Im neunten Jahr seiner Amtszeit, etwa zwischen 594 und 593 v. Chr., bildete Zedekia mit anderen Herrschern der Gegend eine antibabylonische Koalition und verursachte damit den Untergang Judas (2 Chr. 36, 13; Ez 17, 13f; Jos Flav Antiquitates X, 7, 2f). Der babylonische Herrscher schlug diesmal ohne Zögern zu und belagerte Jerusalem eineinhalb Jahre lang (2 Kön 25, 1ff; Jer 52, 1ff; 2 Chr 36, 14–21; Jer 39, 1–14; Ez 33, 21; 40, 1). 586/87 v. Chr. war die Stadt ausgehungert. Zedekia konnte zunächst fliehen, wurde aber gefasst. Nebukadnezar ließ ihn blenden und in Ketten nach Babylonien transportieren, wo sich seine Spuren verlieren (2 Kön 25 2–7). Jerusalem wurde vollkommen zerstört: der salomonische Tempel niedergebrannt, hohe Staatsbeamte und die Priesterschaft wurden hingerichtet, die städtische Bevölkerung und der Rest der Oberschicht nach Babylonien in Marsch gesetzt. Diese trafen dort auf die Verbannten von 598/7 v. Chr., deren Hoffnung auf eine schnelle Rückkehr in die Heimat mit der Nachricht über die endgültige Zerstörung des Tempels zunichte wurde. Wiederum war ein Teil der Bevölkerung deportiert worden: 832 Jerusalemer (Jer 52, 28–30). Der Prophet Jeremia selbst entging dem Schicksal der Verbannung und zog nach Ägypten (Jer 40–43).83 In den Jahrzehnten nach dem Untergang des Staates Juda und der Zerstörung Jerusalems begann für das Volk Israel das Zeitalter der Zerstreuung in mehrere

81 Soggin 1991, S. 181. 82 Jeremias vergleicht die Verbannten in Babylon mit einem Korb voller guter, schmackhafter Feigen, Zedekia und seinen Anhang dagegen mit schlechten Feigen, die man nicht genießen kann. 83 Jeremia trat mit Gedalja, dem von den Babyloniern ernannten Gouverneur des Landes, in Verbindung und folgte nach dessen Ermordung, durch einige Judäer gezwungen, seinen nach Ägypten flüchtenden Landsleuten, wo er seine letzten Lebenstage verbrachte. Mit ihm zog auch Baruch, der Jeremias letzte Worte aufschrieb. Zeit und Ort seines Todes sind unbekannt. Siehe dazu Schulz, Werner: Art. zu „Jeremias“, in: BBKL 1992, Bd. 3.

28 BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN DIE ZEIT DES EXILS

Länder, die Diaspora.84 Das Ende der staatlichen Selbstständigkeit markiert in der Geschichte Israels einen Wendepunkt. Während über die Geschichte des Landes Juda von 586 v. Chr. bis zur Heimkehr der Verbannten im Jahre 538 v. Chr. nichts bekannt ist, sind durch den Propheten Ezechiel und Deuterojesaja85 aufschlussreiche Nachrichten über die im babylonischen Exil lebenden Judäer überliefert. Es war die Elite des Volkes Israel, die in Babylon leben musste. Die Bauernschicht wurde in Juda zurückgelassen; ihrer städtischen Führungsschicht beraubt, war sie politisch aktionsunfähig (2 Kön 24, 14; 25, 12). Der Hofstaat des Königs war in die Stadt Babylon, die Metropole des neubabylonischen Reiches, gebracht worden. Den größten Teil der Verschleppten siedelten die Babylonier in verschiedenen Kolonien an (Esra 2; Neh 7). Sie blieben in Familien organisiert und pflegten ihre Stammbäume (Esra 2, 59; Neh 7, 61): Ihr nationaler und ethnischer Zusammenhang blieb gewahrt.86 Manche brachten es zu Wohlstand (Esra 1,6; 2,68f), und selbst Sklavenhandel war den Juden erlaubt (Esra 2, 65). Die Leiden der Juden in der Gefangenschaft waren also vermutlich nicht körperlicher, sondern seelischer Art. Die einzige Hoffnung für das Volk war die einer baldigen Rückkehr in die Heimat. In diesem Glauben wurden sie von den Propheten Ezechiel und Deuterojesaja gestärkt.87 Obgleich Ezechiel zunächst als Unheilsprophet auftrat und die Geschichte Israels als eine Geschichte des Abfalls vom Glauben verkündete (Ez 16; 20; 23), wurde er zur Zeit der zweiten Deportationswelle 587/6 v. Chr. ein Prophet der Restauration. Ebenso verkündete Deuterojesaja die Befreiung und Heimkehr des jüdischen Volkes (Jes 40–55).

Psalm 137 überträgt die Exilzeit in ihrer historischen Gesamtheit: Er abstrahiert das Geschehen in Form eines Klageliedes, das die inneren Konflikte und Sehnsüchte der Verbannten widerspiegelt. Die von starken Emotionen getragenen Aussagen und die anschauliche Darstellung vermitteln ein detailliertes Bild von der

84 Der Begriff Diaspora (griech.: διασπορά = Zerstreuung) bezeichnet seit dem späten 19. Jahrhundert hauptsächlich religiöse oder ethnische Gruppen, die ihre Heimat verlassen haben und unter Andersdenkenden lebend über weite Teile der Welt zerstreut sind. Vgl. dazu Ruth, Mayer: Diaspora, eine kritische Begriffsbestimmung, Bielefeld 2005, S. 31ff. 85 So wird der anonyme Prophet genannt, dessen literarische Hinterlassenschaft in Jes 40–55 vorliegt und der gegen Ende der Exilzeit, in den vierziger Jahren des 6. Jh. v. Chr., an unbekanntem Orte in Babylonien aufgetreten ist. Siehe dazu Donner 1995², S. 419. 86 Da sich die Juden im Exil auf das Geistige ihres Glaubens zurückziehen mussten, wurde die Tora Mittelpunkt ihres Lebens. Das Gebet trat an die Stelle der Opferbräuche im Tempel. Auch die Synagoge soll in dieser Zeit entstanden sein. Äußere Zeichen wie die Beschneidung und die Einhaltung des Sabbats erhielten besonderen Wert. Siehe dazu Soggin 1991, S. 185; Grübel, Monika: Judentum, Köln 1997², S. 19. 87 Vgl. Donner 1995², S. 418ff.

29 BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN DIE ZEIT DES EXILS

Situation der trauernden Juden, die an Babels Flüssen saßen und weinten: Der Psalm ist „ausgezeichnet durch (…) die frische Farbe seiner kleinen Gemälde“.88 In einer Abfolge kleiner persönlicher Erlebnisse schildert er das Heimweh der Juden im Exil (Vers 1–3), beschreibt die Heimat Jerusalem als Inbegriff der Freude (Vers 4–6) und verflucht die Feinde (Vers 7–9).

88 Reuß, Eduard: Die hebräische Poesie, der Psalter, die Klagelieder und das Hohelied, Braunschweig 1893, S. 276.

30 BIBLISCHE UND HISTORISCHE GRUNDLAGEN DIE HEIMKEHR UND DER WIEDERAUFBAU DES TEMPELS

3. Die Heimkehr und der Wiederaufbau des Tempels (537–520 v. Chr.)

Während der jahrzehntelang andauernden Exilzeit veränderte sich das politische Gleichgewicht des babylonischen Reiches. Der babylonische König Nabonid, der seit 556 v. Chr. regierte, stiftete in seinem Reich Unruhe, indem er sich mit der Götzenpriesterschaft anlegte. Im persischen Hochland erhob sich Mitte des 6. Jahrhunderts der persische Fürst Kyros. Dieser stürzte das medische Königtum und machte sich selbst zum König. Kyros dehnte seine Macht weiter nach Westen aus, schlug 546 v. Chr. den lydischen König Kroisos und zog ins Zweistromland, wo er 539 v. Chr. Nabonid besiegte und den babylonischen Königsthron beanspruchte.89 Dieses welthistorische Datum 539 v. Chr. stellt das Ende der Gefangenschaft der Juden in Babylonien dar (2 Chr 36, 22). In seinem ersten Regierungsjahr erließ der persische Großkönig ein Edikt an die im Exil lebenden Judäer, das ihnen die Heimkehr erlaubte, um den Tempel in Jerusalem wiederaufzubauen (Esra 1, 2–3; Jes 44, 28; 45, 1; Neh 7, 5ff; Jer 25, 12–14; Jos Flav Antiquitates XI, 1). Die Zahl der Heimkehrer wird mit 43 360 angegeben, dazu 7337 Bedienstete und mehr als 200 männliche und weibliche Musikanten (Esra 2, 64). Ein Teil der Juden blieb jedoch in Babylon zurück und bildete dort ein kulturelles jüdisches Zentrum. Aus den dort geführten Diskussionen der Schriftgelehrten entstand im 6. Jahrhundert n. Chr. der Babylonische Talmud.90 Die auf das babylonische Exil folgende Epoche wird die „Zeit des zweiten Tempels“ genannt. Unter der Führung Serubabels, des Enkels Jojachins und Sohns Sealthiels (Mt 1, 12) kehrten die ersten Verbannten in ihre Heimat zurück (Esra 1, 8). Im zweiten Jahr nach ihrer Ankunft in Jerusalem war die feierliche Grundsteinlegung für den Tempel (Esra 3, 8), der um das Jahr 515 v. Chr. geweiht wurde. Im Jahre 70 n. Chr. wurde er von den Römern unter Kaiser Titus (39–81 n. Chr.) zerstört. Der Tempelkult in Jerusalem fand damit sein Ende.91

89 Vgl. Ben–Sasson 1978, Bd. 1, S. 206f. Zu Kyros II. siehe BBKL Bd. 4, 1992. 90 Siehe dazu Battenberg 2000², Bd. 1: Von den Anfängen bis 1650, S: 27f. 91 Vgl. Borchhardt, Paul: Art. zu „Exile, Babylonian“, in: Encyclopaedia Judaica, 1971, Bd. 6.; Donner 1995², S. 537–552.

31 UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS DAS DITTOCHAEON DES PRUDENTIUS

II. UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS

1. Das „Dittochaeon“ des Prudentius (um 400 n. Chr.)

Die erste erschließbare Darstellung des Bildmotivs „Die trauernden Juden im Exil“ wird durch den spanischen Dichter Aurelius Prudentius Clemens 92 überliefert und um das Jahr 400 n. Chr. datiert. In seinem Werk „Tituli Historiarum“, auch „Dittochaeon“93 genannt, kommentiert er einen biblischen Bilderzyklus. 48 hexametrische Vierzeiler erläutern achronologisch jeweils 24 Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament.94 Das 23. Tetrastichon zum Alten Testament, die Tituli 89–92, paraphrasieren Psalm 137. „Gens Hebraeorum peccamine capta frequenti fleverat exilium dirae Babylonis ad amnes; tum patrios cantare modos praecepta recusat organaque in ramis salicis suspendit amarae.“95

Die Vierzeiler waren vermutlich Bildaufschriften in einer Kirche.96 Dafür spricht der kurze deskriptive Epigrammstil. Jedes Tetrastichon ist ein in sich

92 Aurelius Prudentius Clemens, der bedeutendste Dichter der christlich–lateinischen Literatur, wurde 348 n. Chr. geboren. Das Datum seines Todes ist nicht überliefert, man vermutet aber vor 410 n. Chr. Vom Leben des Prudentius ist nur bekannt, was er in der Vorrede (Praefatio) von 404/405 zum Gesamtwerk äußert. Das „Dittochaeon“ wird darin nicht erwähnt. Der Dichter lebte in einer Zeit des Umbruchs: Das Christentum musste das Erbe der paganen Kultur antreten. Prudentius verschmolz antike Kultur mit christlichem Gedankengut. Im Mittelalter gehörte Prudentius zu den meistgelesenen Autoren. Luther erwähnt ihn in seinen Tischreden. Vgl. Brockhaus, Clemens: Aurelius Prudentius Clemens in seiner Bedeutung für die Kirche seiner Zeit, Neudruck der Ausgabe von 1872, Wiesbaden 1970, S. 1–19; Kah, Marianne: „Die Welt der Römer mit der Seele suchen…“. Die Religiosität des Prudentius im Spannungsfeld zwischen „pietas christiana“ und „pietas Romana“, Bonn 1990, S. 1ff. 93 Zur Problematik des Titels siehe Pillinger 1980, S. 5. 94 Die Szenen des Alten Testaments sind: 1. Der Sündenfall, 2. Kain und Abel, 3. Die Arche Noah, 4. Die Eiche von Mamre, 5. Das Grab der Sara, 6. Der Traum des Pharao, 7. Die Wiedererkennung des Joseph, 8. Der brennende Dornbusch, 9. Der Durchzug Israels durch das Rote Meer, 10. Die Gesetzgebung, 11. Speisung in der Wüste durch Wachteln und Manna, 12. Die eherne Schlange, 13. Das den See zu Mara versüßende Holz, 14. Das Wasserwunder von Elim, 15. Zug durch den Jordan, 16. Die Eroberung Jerichos, 17. Samsons Kampf mit dem Löwen, 18. Samson bindet Fackeln an die Schweife der Füchse, 19. David und Goliath, 20. David als König, 21. Der salomonische Tempel, 22. Die Kinder der Propheten, 23. An den Wassern Babylons, 24. Das Wunder an der Sonnenuhr von Hiskia. 95 CSEL 61, 1926. „Das infolge seiner zahlreichen Sünden in Gefangenschaft gebrachte Volk der Hebräer beweinte seine Verbannung an den Flüssen des grausamen Babylon: dann schlägt es den Befehl aus, der Väter Weisen zu singen, und hängt seine Harfen auf die Zweige der bitteren Weide.“ zitiert nach Pillinger 1980, S. 64. 96 Vgl. ebd., S. 12f. Dort wird darauf verwiesen, dass der spanische Jesuit Faustino Arévalo (1747–1824) bereits 1788–89 die Tituli für Bildaufschriften hielt. Diese Meinung wurde in der Literatur bald verworfen, bis Renate Pillinger sie als richtig feststellte.

32 UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS DAS DITTOCHAEON DES PRUDENTIUS abgeschlossenes Ganzes, in dem der Dichter die Tempora gezielt verwendet hat.97 Während die Verse 89 bis 90 Gründe und Umstände der babylonischen Gefangenschaft im Imperfekt schildern, sind Tituli 91 bis 92 im Präsens verfasst: Der Darstellungsinhalt des 23. Vierzeilers war folglich der Moment, in dem die Juden den Befehl, zu singen, zurückweisen und die Harfen in die Weiden hängen. Zu diesem Vierzeiler gibt es keine auch nur annähernd zeitlich entsprechende ikonographische Parallele: Er ist der einzige Hinweis auf die Stelle in Psalm 137, und das über viele Jahrhunderte hinweg. Aus der achronologischen Ordnung der einzelnen Vierzeiler – das 23. Tetrastichon dürfte eigentlich erst auf die Verse 93 bis 96 folgen – könnte man schließen, dass die Tituli des Prudentius eine Beschreibung bereits vorhandener Bilder sind.98 Der Ort, an dem sich die Basilika mit den zwei Bilderzyklen99 befand, ist nicht nachzuweisen. Es wird vermutet, dass die betreffenden Bilder in einem öffentlichen Gotteshaus in der spanischen Heimat des Dichters zu sehen waren.100

97 Vgl. ebd., S. 13. Zudem lässt sich das Werk in die literarische Gattung der Tituli Historiarum einordnen. Die Tradition reicht von Ambrosius (Disticha) über Prudentius, Claudian (Miracula Christi), Paulinus (Tituli zu den Gemälden der Felixkirche in Nola–Cimitile) und Rusticus Helpidius (Tristicha) bis ins Mittelalter. 98 Vgl. ebd., S. 18, Anm. 41. 99 Denkbar wäre eine Anordnung in zwei parallele Reihen von je 24 Bildern an den Langhauswänden, in der typologische Entsprechungen in einigen der Szenen wirksam geworden sein könnten. Siehe dazu Pillinger 1980, S. 16f. 100 Vgl. Rösler, Augustin: Der katholische Dichter Aurelius Prudentius Clemens, ein Beitrag zur Kirchen– und Dogmengeschichte des vierten und fünften Jahrhunderts, Freiburg i. Br. 1886, S.125. Rösler nennt sogar die Namen der Kirchen: Calagurris oder Saragossa.

33 UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS MITTELALTERLICHE PSALTERILLUSTRATIONEN

2. Mittelalterliche Psalterillustrationen (9.–13. Jh.)

Die nächsten Zeugnisse für das Motiv „Die trauernden Juden im Exil“ finden sich in frühmittelalterlichen Psaltern aus dem 9. Jahrhundert. Es handelt sich dabei um Wortillustrationen:101 Sowohl abendländische als auch byzantinische Buchmaler haben die Verse von Psalm 137 wörtlich genommen, „also den Bildgehalt der Worte unangetastet ins Bild übertragen, (…)“.102 Obgleich es etymologische Übertragungen sind, gibt es zwischen den abendländischen und den byzantinischen Psalterillustrationen unterschiedliche Gestaltungsweisen.

Abendländische Buchmalerei

Der zwischen 816 und 835 im Auftrag des Bischofs Ebo in der Benediktinerabtei Hautvillers bei Reims entstandene Utrecht Psalter103 beinhaltet das früheste Beispiel einer Psalterillustration, die die trauernden 104 Juden an den Wassern von Babylon zeigt (BILD T2). Die Miniatur ist ohne Rahmung mittig in die Kolumne gesetzt. Als einzige Darstellung der Psalterillustrationen präsentiert sie die Verse 1 bis 9 des 137. Psalms in einer

101 Vgl. Pächt, Otto: Die Buchmalerei des Mittelalters, München 1984, S. 167. 102 Ebd., S. 168. 103 Der karolingische Utrecht Psalter ist das Hauptwerk der so genannten Reimser Schule. Die Handschrift enthält den ganzen Psalter in der gallikanischen Version der Hieronymus–Übertragung, Cantica des Alten und Neuen Testaments, das Vaterunser und das Apostolische Glaubensbekenntnis. 108 Blatt im Format 33,5 x 26 cm sind in brauner Tinte in Capitalis Rustica geschrieben. Es gibt nur eine Initiale, und zwar zu Psalm 1. Jedem der Psalmen, Cantica und dem Glaubensbekenntnis ist eine Federzeichnung vorangestellt, die den Text meist wörtlich veranschaulicht. Um das Jahr 1000 wurde der Psalter nach England in die Abtei von Canterbury gebracht und dort dreimal kopiert: Harley 603 (Harley Psalter), frühes 11. Jh., London, British Museum; Ms. R. 17 (Canterbury Psalter), um 1150, Cambridge, Trinity College; Lat. 8846 (Paris Psalter), um 1200, Paris, Bibliothèque Nationale. Nach der Auflösung der englischen Klöster durch Heinrich VIII. im Jahre 1539 gelangte der Psalter in Privatbesitz. Der letzte Besitzer war Sir Robert Cotton (1571–1631). 1716 wurde die Handschrift der Stadt Utrecht geschenkt und befindet sich nun in der Bibliothek der Rijksuniversiteit. Vgl. dazu Mütherich, Florentine: Karolingische Buchmalerei, München 1979, S. 22f; Horst, Koert van der, Noel, William, Wüstefeld, Wilhemina C. M. (Hg.): The Utrecht Psalter in Medieval Art, Picturing the Psalms of David, Ausst., Westrenen 1996, S. 168ff. 104 Folio 77 recto. Vgl. DeWald, Ernest: The Illustrations of the Utrecht Psalter, Princeton 1932, S. 59f.

34 UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS MITTELALTERLICHE PSALTERILLUSTRATIONEN

Bilderfolge,105 ist also mehrszenig. Die so entstandenen Wort–Bilder sind nur im Zusammenhang mit dem Psalmentext verständlich. Der Verzicht auf Farbe und der skizzenhaft–graphische Charakter schaffen ein „bildliches Äquivalent für das blitzartige Aufleuchten und Sichjagen der Gedanken, Bilder, Stimmungen der Dichtung (…) Lesen und Schauen ist hier eins“.106 Die Illustration zeigt die Wasser Babylons als ein mannigfach geschwungenes Band am unteren Abschluss des Bildes. In der Mittelachse fordert eine Gruppe mit kurzen Tuniken bekleidete Babylonier die am Ufer sitzenden Juden auf, Lieder zu singen. Einige Juden stehen vor der Gesandtschaft der Eroberer. Ganz rechts, wo der Fluss entspringt, hängen die Leiern an den Bäumen (Vers 1–3). Links oben sieht man den Psalmisten mit mehreren Anhängern auf einer Anhöhe stehend gen Himmel flehen, wo aus einem Wolkenband die Hand Gottes erscheint. Unmittelbar darunter ist die Stadt Jerusalem durch die Abbreviatur einer Stadtmauer gezeigt. Darin ist eine Gruppe von Menschen vor einem Tempel versammelt, dessen Vorhänge zur Seite gerafft sind. Rechts oberhalb des Tabernakels steht der bartlose Christus mit Kreuznimbus auf einem Hügel, begleitet von drei Jüngern, und deutet auf seine Lippen – das Schicksal Jerusalems prophezeiend (Vers 6). Rechts und links – im Mittelgrund – wird die Eroberung und Zerstörung zweier Städte durch eine Vielzahl lanzenschwingender Soldaten gezeigt: Es sind die Städte Edom und Babylon (Vers 7–9).107 Die gleichsam unzusammenhängenden Motive und Wortbilder werden durch ein landschaftliches Panorama vereinigt: Dem Auge des Betrachters wird so ein einheitliches Bild vorgetäuscht.108

Der zeitgleich zwischen 820 und 830 in Saint–Germain–des–Prés entstandene Stuttgarter Psalter109 macht es dem Betrachter einfacher: Eine

105 Eine identische Verbildlichung der Verse des 137. Psalms findet man bei den in England kopierten Handschriften des Utrecht Psalters, wie z. B. beim Canterbury Psalter. Vgl. dazu James, Montague, R.: The Canterbury Psalter, London 1935, S. 43. 106 Pächt 1984, S. 172. 107 Vgl. DeWald 1932, S. 59f. 108 Vgl. Pächt 1984, S. 169. Vorbild sind die illusionistischen Landschaftsprospekte der Antike, in denen es keine bestimmte Ordnung gibt, die Motive zu lesen.

35 UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS MITTELALTERLICHE PSALTERILLUSTRATIONEN

110 farbige Miniatur (BILD T3) konzentriert sich ausschließlich auf die ersten drei Verse: Die interlineare Illustration zeigt einen Propheten, vermutlich Jesaja,111 der trauernd an einem Fluss sitzt. Links im Hintergrund sieht man die Abbreviatur einer Stadtmauer mit drei Türmen, die mit dem Namen babilon beschriftet ist. Rechts fordert ein Kriegsherr in Begleitung mehrerer Soldaten mit erhobenem Zeigefinger den sitzenden David112 auf, Lieder zu singen. Die Harfen113 hängen in einem Weidenbaum hinter den beiden Protagonisten. Die Landschaft um den Fluss ist belebt durch Enten und Gänse.

Noch reduzierter ist die Darstellung im St. Albans Psalter (BILD T4), dem ersten bekannten Beispiel eines privaten Psalteriums, gemalt für die englische Einsiedlerin Christina von Markyate (ca. 1096–ca. 1155) um 1125– 31.114 Die Illustration ist nicht wie beim Utrecht– und Stuttgarter Psalter als

109 Die karolingische Handschrift Cod. Bibl. Fol. 23, auch Stuttgarter Psalter genannt, befindet sich in der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart. Er gehört zu den ältesten und umfangreichsten Bilderzyklen zu den Psalmen im Mittelalter. 316 farbige Miniaturen zeigen 470 biblische Einzelszenen, fast jede Seite der 170 Pergamentblätter im Format 28 x 18 cm weist Bilder auf, die den Text illustrieren. Vgl. dazu DeWald, Ernest T.: The Stuttgart Psalter: Biblia Folio 23, Wuerttembergische Landesbibliothek, Stuttgart, Princeton 1930, S. 105; Der Stuttgarter Bilderpsalter Bibl. Fol. 23 Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Bd. 2: Untersuchungen, Stuttgart 1968, S. 55ff., 151ff.; Eggenberger, Christoph: Psalterium Aureum Sancti Galli, Mittelalterliche Psalterillustrationen im Kloster St. Gallen, Sigmaringen 1987, S. 167. 110 Folio152 recto. 111 In den „Untersuchungen“ zum Stuttgarter Psalter von 1968, S. 144 ist die Rede von „Jeremias“. Da dieser, wie in Kapitel 1 ausführlich erklärt wurde, nicht in die Gefangenschaft nach Babylon geführt wurde, ist es zutreffender, die Figur als Jesaja oder gar Ezechiel zu deuten. Diese waren beide die geistigen Führer des israelitischen Volkes in der Gefangenschaft. 112 Die Figur als König Jojachin zu benennen, wäre logischer, da dieser in die babylonische Gefangenschaft verschleppt wurde. 113 Vgl. Panofsky, Dora: The Textual Basis of the Utrecht Psalter Illustrations, in: The Art Bulletin, März 1943, Bd. 25, Nr. 1, S. 53. Die Autorin unterscheidet zwei Bibelübersetzungen, die als Textgrundlage dienten: Die Gallikanische und das Hebraicum, eine mehr an dem hebräischen Original orientierte Variante. 114 Der St. Albans Psalter, MS St. Godehard 1, setzt sich aus verschiedenen Teilen zusammen; es sind im Einzelnen: ein liturgischer Kalender, 40 ganzseitige Miniaturen aus dem Leben Christi, eine Lage mit dem Lied des Alexis und ein Brief an Papst Gregor auf französisch, drei Bilder von Jesus in Emmaus, ein Diskurs über Gut und Böse und der Buchstabe B (Beatus vir), der den Anfang der Psalmen markiert, die Psalmen, Gebete und Gesänge, eine Doppelseite mit dem Martyrium des Hl. Alban und der musizierende David. Die Handschrift wurde von Geoffrey de Gorron, Abt von St. Albans, geschaffen (1119–1146). Bis zur Reformation wurde sie wahrscheinlich in Christinas kleinem Priorat in Markyate, Hertfordshire, nicht weit von St. Albans aufbewahrt. Während des Bürgerkriegs brachte ein katholischer Glaubensflüchtling das Manuskript in das englische Benediktinerkloster in Lamspringe in Niedersachsen. 1803 kam das Buch in die St. Godehardkirche in Hildesheim. Vgl. Goldschmidt, Adolph: Der Albanipsalter in Hildesheim und seine Beziehung zur symbolischen Kirchensculptur des 12. Jahrhunderts, Berlin 1895; Pächt, Otto, Dodwell, C.R., Wormald, Francis: The St. Albans

36 UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS MITTELALTERLICHE PSALTERILLUSTRATIONEN

Miniatur in der Kolumne gestaltet, sondern zeigt eine bewohnte Initiale, die als Teil des in roten Majuskeln geschriebenen Titels von Psalm 137 auch nur diesen verbildlicht. Die Initialen des St. Albans Psalters gehören zu den ersten, in denen das Ornament sowohl das Initialinnere als auch den Buchstabenkörper geräumt hat.115 Der mit Farbbändern hinterlegte Körper des Buchstaben „S“ wird zu den „Wassern Babylons“ und bildet zugleich einen Fluss mit verschiedenen Fischen darin. An den Ufern des „S“ entlang sitzen zu beiden Seiten trauernde Israeliten, den Kopf meist in die Hände gestützt, darunter drei Frauen. In der oberen Bucht der Initiale, die weitaus belebter ist, stehen zwei Bäume; in den einen hängt ein Mann seine Harfe. Im unteren Teil sitzen vier diskutierende Juden. Die Initiale des St. Albans Psalters zeigt eine Verflechtung von szenischer Darstellung und Text. Keine Landschaft wie beim Utrecht– und auch Stuttgarter Psalter, sondern der Buchstabenkörper wird zum „Träger, Schauplatz und Lebensraum der figürlichen Darstellung“116: Die Illustration wird zum Ornament.

Ebenfalls für den privaten Gebrauch, aber ein knappes Jahrhundert später geschaffen, zeigt die Miniatur des Elisabethpsalters in Cividale del Friuli117 118 zu Psalm 137(BILD T5) eine ganzseitige zweigeteilte Illustration: Oben stehen die hinter ihrem König versammelten und in Ketten gelegten Israeliten, die Nebukadnezar, flankiert von zwei Leibwachen, wegführt;

Psalter, London 1960; Haney, Kristine: The St. Albans Psalter, an Anglo–Norman Song of Faith, New York, Washington, Bern u. a. 2002; Geddes, Jane: Der Albani Psalter, eine englische Prachthandschrift des 12. Jahrhunderts für Christina of Markyate, 2005. Siehe dazu außerdem die Internetseite über den St. Albans Psalter der Universität Aberdeen www.abdn.ac.uk/stalbanspsalter. 115 Vgl. Pächt 1984, S. 94. 116 Pächt 1984, S. 77. 117 Der in voll ausgebildeter gotischer Minuskel geschriebene Codex (Ms. CXXXVII) entstand vermutlich in Kloster Reinhardsbrunn zu Beginn des 13. Jahrhunderts. Seinen Namen verdankt der Psalter dem erstmals 1350 im Inventar des Domschatzes von Cividale del Friuli fassbaren Status als Reliquie der hl. Elisabeth. Die heute im Museo Archeologico Nazionale in Cividale aufgewahrte Bilderhandschrift entstand für die Landgräfin Sophie, Gemahlin des Landgrafen Hermann I. von Thüringen und Schwiegermutter Elisabeths. Auf seinen 173 Blättern mit dem Format 22,5 x 17 cm enthält er einen der größten hochmittelalterlichen Bildzyklen aus dem damaligen thüringisch-sächsischen Gebiet. Die teilweise ganzseitigen Miniaturen sind im sogenannten „Zackenstil“ gefertigt. Vgl. dazu Wolter-von dem Knesebeck, Harald: Der Elisabethpsalter in Cividale del Friuli und der Thüringer Landgrafenhof, in: Wartburg-Jahrbuch 2001, Regensburg 2002, S. 25-52. Ders.: Der Elisabethpsalter in Cividale del Friuli. Buchmalerei für den Thüringer Landgrafenhof zu Beginn des 13. Jahrhunderts (Denkmäler deutscher Kunst, hg. vom Deutschen Verein für Kunstwissenschaft), Berlin 2001, zugleich Diss. Phil. Göttingen 1998. 118 Folio 139 verso.

37 UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS MITTELALTERLICHE PSALTERILLUSTRATIONEN darunter sitzen eben diese verschleppten Juden und ihr König bereits im Exil in der Stadt Babylon direkt am Ufer des Euphrat, der vor der turmbewehrten Mauer dahinfließt. Ergänzt wird die bis dahin noch unbekannte Darstellung der trauernden Juden durch die am Fluss wachsende große Weide, in der vier unterschiedliche Saiteninstrumente hängen. Diese späte abendländische Psalterillustration zu Psalm 137 dürfte von den durchgängig illustrierten Psaltern unabhängig sein. Die gebräuchliche Motivik der direkt am Ufer des Flusses sitzenden trauernden Juden, die von den Babyloniern nach Psalm 137,3 zum Musizieren aufgefordert werden, wurde zu einer neuen und einzigartigen Darstellung variiert, die den Schwerpunkt über die Trauer der Juden hinaus auf die „körperliche“ Gefangenschaft in der Stadt Babylon legt. Die Israeliten sitzen zusammen mit ihrem König hinter den Mauern Babylons und blicken auf Fluss und Weide.

38 UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS MITTELALTERLICHE PSALTERILLUSTRATIONEN

Byzantinische Buchmalerei

Die byzantinische Buchmalerei zeichnet sich durch Darstellungen außerhalb des Schriftspiegels aus. Fern der Tradition des Utrecht Psalters sind marginale Illustrationen die typenspezifische Ausstattung von Psalterhandschriften im Osten: die Randpsalterien. Einzelne ungerahmte Bildelemente sind verbindungslos über den Blattrand verstreut.119 Während die Darstellungen der frühen westlichen Psalter noch durch ein landschaftliches Gefüge vereint wurden, reduzierten die byzantinischen Buchmaler die Illustration zur Abbreviatur. Eine der ältesten Abbildungen der trauernden Juden aus dem byzantinischen Kunstkreis befindet sich im 120 Khludov Psalter (BILD T6). Dieser ist der am besten erhaltene von drei Psaltern mit marginalen Illustrationen, die 843 kurz nach dem Ende des Ikonoklasmus entstanden sind.121 Diese post–ikonoklastischen byzantinischen Randpsalter gehören zu den ältesten Psaltern und sind besonders aufschlussreich, da sie als „Visual Polemics“ (bildhafte Polemik) gegen die Juden verstanden werden können.122 Der Khludov Psalter und die anderen stilistisch verwandten Handschriften führen die künstlerischen Traditionen der frühchristlichen Kunst fort. Sie stehen an der Grenze

119 Vgl. Büttner, Frank Olaf (Hg.): The Illuminated Psalter, Studies in the Content, Purpose and Placement of its Images, Turnhout 2004, S. 91. Es gibt zwei Bilderredaktionen, die die byzantinische Buchmalerei prägen: die mönchisch–theologische, deren Charakteristikum die im Text erklärten Randdarstellungen sind, und die aristokratische, die sich durch ganzseitige Miniaturen auszeichnet. Vgl. Tikkanen, Johan Jakob: Die Psalterillustration im Mittelalter, Bd. 1, Heft 1 und 2: Byzantinische Psalterillustrationen, Helsingfors 1895/1897, S. 91–111 und S. 112–134. 120 Der Khludov Psalter, Codex 129, wird im historischen Museum von Moskau aufbewahrt. Die Handschrift ist auf Griechisch geschrieben. 169 Folios mit dem Format 19,5 x 15 cm weisen 225 Randillustrationen auf. Im 15. Jh. befand sich der Psalter auf dem Berg Athos. Von dort wurde er vermutlich in das Kloster der Hl. Dreieinigkeit auf der türkischen Insel Halki gebracht. V. Gregorovitch erwarb den Psalter während einer Reise nach Griechenland und in die Türkei und brachte ihn nach Russland. 1860 erwarb A. I. Khludov, dessen Namen für den Psalter adaptiert wurde, das Manuskript und stiftete es dem Kloster St. Nicholas in Moskau. 1917 wurde der Khludov Psalter 1844–47 dem Historischen Museum übergeben. Vgl. dazu Corrigan, Kathleen: Visual Polemics in the Ninth–Century Byzantine Psalters, Cambridge 1992, S. 140f. 121 Im byzantinischen Reich waren während der Zeit von 726 bis 787 und 815 bis 843 religiöse Bilder verboten. Vgl. Horst, Noel, Wüstefeld 1996, S. 172. 122 Corrigan stellt in „Visual Polemics in the Ninth–Century Byzantine Psalters“ die These auf, dass die Illustrationen der Psalter nach dem Bilderstreit eine byzantinisch–orthodoxe Position verteidigen; die Gegner, die in den Psaltern abgebildet sind, stellen keine Ikonoklasten, sondern Juden dar. Es sollen also zu einem großen Teil anti–jüdische Bilder sein.

39 UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS MITTELALTERLICHE PSALTERILLUSTRATIONEN zwischen der älteren und der späteren byzantinischen Kunstepoche.123 So lebt in der Illustration von Psalm 137 die antike Kunst in der Darstellung eines Flussgottes weiter: Der Fluss entspringt dem Mund des personifizierten Euphrats, eines der vier Paradiesflüsse.124 Die farbenfrohe Miniatur unterhalb des Textes zeigt einen bärtigen Flussgott auf der Spitze eines Felsens sitzend. Aus seinem Mund strömt das Wasser quer über die Seite und bildet den unteren Abschluss der Szenerie, in der zwei Männer in orientalischer Tracht die Hebräer auffordern Lieder zu singen. Die Beischrift kennzeichnet sie als περσαι (Perser). Der Baum mit rechteckigen Harfeninstrumenten in den Ästen grenzt – unmittelbar hinter die babylonischen Soldaten gesetzt – die Illustration vom Text ab.

Abbreviaturhafter erscheint die Darstellung der trauernden Juden in dem zur gleichen Zeit geschaffenen, fragmentarisch erhaltenen Manuskript Cod. gr. 125 20 (BILD T7): Präsentiert wird eine Gruppe sitzender und stehender Frauen in grünlichen Kleidern. Vor ihnen befindet sich die Abbreviatur eines Flusses, der aus dem Mund des personifizierten Euphrats oberhalb der Trauernden entspringt. Die Babylonier fehlen. Die Rahmung, die bei der Darstellung des Khludov Psalters und bei Fragment Gr. 20 fehlt, bildet der ein Jahrhundert später, 1066, geschaffene Theodor Psalter126 bei der Verbildlichung von Psalm 137127 in besonderer

Weise aus (BILD T8). Die Ströme, die aus den Mündern zweier sich

123 Vgl. Tikkanen 1895/1897, S. 15. 124 Vgl. Poeschke, Joachim: Art. zu „Paradiesflüsse“, in: LCI 1994, Bd. 3. Die Personifikation wird Ende des 10. Jh. bis zum 14. Jh. zur dominierenden Darstellung der Paradiesflüsse. Gewöhnlich werden die Paradiesflüsse als sitzende oder stehende Männer, nackt oder mit einem Lendentuch bekleidet und mit großen Krügen, aus denen Wasser hervorquillt, dargestellt. Vgl. außerdem Tikkanen 1895/97, S. 26f. 125 Aufbewahrungsort des Fragmentes ist die Bibliothèque Nationale in Paris. Der Psalter ist in griechischer Schrift verfasst. Erhalten sind 27 Randillustrationen auf 40 Blättern im Format 19,9 x 15,2 cm. Die Deckfarben sind zum Teil sehr stark abgeblättert, so dass nur noch die Komposition als Ganzes zu erkennen ist. Im 17. Jahrhundert war der Psalter im Besitz des Mönchs Laurentius Blondel (1671 – 1740). Im frühen 18. Jh. wurde die Handschrift von Monsieur Lovail an die Bibliothèque Royal in Paris gegeben. Vgl. dazu Dufrenne, Suzy: L’Illustration des Psautiers Grecs du Moyen Age (Pantocrator 61, Paris Grec 20, British Museum 40731), Paris 1966, S. 41; Corrigan 1992, S. 146f. 126 Der Theodor Psalter 19. 352, der sich seit 1853 in der British Library in London befindet, wurde im Auftrag des Abtes Michael der Studios–Klöster in Konstantinopel von dem Erzpriester Theodorus aus dem Kloster Basilios des Großen in Caesarea geschaffen. 440 Miniaturen auf 208 Folios im Format 19,8 x 23, 1 cm begleiten den Text, der in griechischer Minuskel geschrieben ist. Vgl. dazu Der Nersessian, Sirarpie: L’Illustration des Psautiers Grecs du Moyen Age II, Paris 1970, S. 11; Barber, Charles (Hg.): Theodore Psalter, Electronic Faksimile, Illinois 2001, S. 1ff. 127 Folio 176 recto. Vgl. Der Nersessian 1970, S. 56.

40 UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS MITTELALTERLICHE PSALTERILLUSTRATIONEN gegenübersitzender Flussgötter herabsprudeln, umfließen zu beiden Seiten einen großen Baum und eine Gruppe von Personen, um sich dahinter zu vereinigen: ein naturalistischer Rahmen! Die Hauptszene zeigt rechts zwei stehende und mehrere auf dem Boden sitzende Hebräer. Ihre Instrumente hängen in dem Baum, der sich links hinter zwei stehenden Babyloniern in leichtem Bogen emporhebt und mit seinem Laubdach die gesamte Figurengruppe überwölbt. Die in das Jahr 1059 datierte Handschrift Gr. 752128, die sich in der vatikanischen Bibliothek befindet, zeigt eine neue Bilderredaktion (BILD T9): Als goldgrundige, mit einem ornamentalen Rahmen versehene Miniaturen füllen die Illustrationen die breiten Marginalränder der Handschrift. Das Motiv „Die trauernden Juden im Exil“ ist zum ersten Mal als kleines Gemälde definiert. Im Gegensatz zum fragmentarisch erhaltenen Psalter Gr. 20, in dem – soweit erkennbar – nur Frauen trauern, sitzen in der Darstellung dieses Psalters drei Israeliten unter zwei Weidenbäumen, in deren Äste sie ihre Instrumente gehängt haben, am Boden. Ihre Hand– und Fußgelenke sind mit Fesseln versehen: Ein Detail, das in den bisherigen Illustrationen nicht abgebildet wurde. Am oberen Bildrand entspringen aus dem Maul eines Löwenkopfes „die Wasser Babylons“. Der Fluss fällt diagonal nach unten in das Maul eines Fisches.129 Auch hier wurde wie bei dem frühen Manuskript Gr. 20 auf die Darstellung der Babylonier verzichtet. Als einer der letzten Belege für die Illustration von Psalm 137 in byzantinischen Psaltern entstand in der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts die Darstellung im Codex Vat. Gr. Nr. 1927.130 Die der mönchisch–theologischen Redaktion verwandte Handschrift131 zeigt eine Kombination der trauernden 132 Juden mit dem Autorenbildnis des leierspielenden David (BILD T10): Die

128 Die Handschrift ist vermutlich in den Hl. Johannes Studios in Konstantinopel entstanden. Mit dem Format 33, 5 x 27 cm gehört sie zu den großen Manuskripten. Vgl. dazu DeWald, Ernest T.: The Illustrations in the Manuscripts of the Septuagint, Volume III, Psalms and Odes, Part 2: Vaticanus Graecus 752, Princeton 1942, S. 9ff. 129 Oberhalb der zwei Bäume steht: επì ταις ìτέαις εν μέσω αυτοις εκρεμάσαμε (ν) τα όργανα (Wir haben mitten in die Weiden selbst die Instrumente aufgehängt). Der wasserspeiende Löwenkopf ist als ποταμο (ς) βαβυλων (ος) (Fluss Babylons) bezeichnet. 130 Über das Manuskript Vaticanus graecus 1927 ist sehr wenig bekannt. Seit Ende des 17. Jhs. befindet es sich in der Vatikanischen Bibliothek. Vgl. DeWald, Ernest T.: The Illustrations in the Manuscripts of the Septuagint, Volume III, Psalms and Odes, Part 1: Vaticanus Graecus 1927, Princeton 1941, o. S. (The History and Description of the Manuscript). 131 Vgl. Tikkanen 1895, S. 91. 132 Folio 245 recto. Vgl. ebd. S. 39f.

41 UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS MITTELALTERLICHE PSALTERILLUSTRATIONEN narrative Szene der trauernden Juden an den Wassern Babylons wird um die Darstellung des David erweitert und typologisch–allegorisch erhöht. Ähnlich der Handschrift Vat. Gr. 752 handelt es sich um eine goldgrundige Miniatur, die aber nun nicht mehr an den Rand gesetzt ist, sondern die gesamte Breite des Textes einnehmend zu einer interlinearen Miniatur wird. Auf einem Hügel im Zentrum der Illustration ist die im Bedeutungsmaßstab dargestellte Erscheinung des jugendlichen, die Harfe spielenden David platziert. Sein Haupt ist bekrönt und von einem Nimbus umgeben. Der Strom, der die Wasser Babylons repräsentiert, fließt aus dem Mund eines gewaltigen Kopfes links und verläuft schräg über die untere Bildhälfte. Am jenseitigen Ufer sitzt eine Gruppe gefangener Juden auf dem Boden. Sie werden von drei rechts am Rand stehenden, bärtigen und lanzentragenden Babyloniern aufgefordert zu singen. Dieses letzte Beispiel einer Psalterhandschrift aus dem byzantinischen Kunstkreis verdeutlicht, dass die Kunst von einer wörtlichen Übernahme des Textes Abstand nahm, um sich in einen höheren Zusammenhang zu stellen. Das Alte Testament ist Quellenwerk der christlichen Heilsgeschichte und als solches allein für die Ikonographie des Mittelalters maßgebend. Der Psalter wurde im Mittelalter als Prophezeiung auf den Messias gedeutet, weswegen man zur Ausschmückung seit dem 11. Jahrhundert Bilder aus dem Leben Christi und Davids nahm. Das Motiv „Die trauernden Juden im Exil“ hat keine typologische Entsprechung im Neuen Testament. Die Illustration zu Psalm 137 ist vielmehr auf die historische Begebenheit hin orientiert und betont summarisch das Narrative: ein „Historienbild“, bei dem der eschatologische Charakter vernachlässigt wird. Auffälligerweise enthält ein Psalter meist nur dann eine Illustration zu Psalm 137, wenn alle Psalmen mit Miniaturen versehen wurden. Bei Psaltern mit ausgewählten Miniaturen bevorzugte man typologische Szenen, die den heilsgeschichtlichen Zusammenhang akzentuieren. Mit dem Niedergang des bebilderten Psalters im 14. Jahrhundert hören auch die Darstellungen der trauernden Juden an den Wassern Babylons auf. An die Stelle des Psalters tritt das illuminierte Stundenbuch mit einem Passionszyklus oder einem Marienoffizium als häufigste Form des reich bebilderten Andachtstextes für den Privatgebrauch, in denen nur noch auf

42 UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS MITTELALTERLICHE PSALTERILLUSTRATIONEN

Geschehnisse des Neuen Testaments Bezug genommen wird.133 Das Motiv, das die Leiden des jüdischen Volkes verbildlicht, wird in der Tafelmalerei der kommenden Jahrhunderte nicht übernommen.

133 Vgl. Büttner 2004, S. 1f.

43 UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS DIE „VORFAHREN CHRISTI“ IN DER CAPPELLA SISTINA

3. Die „Vorfahren Christi“ in der Cappella Sistina (1508–12)

Die Deckenfresken der Sixtinischen Kapelle in Rom, unter Papst Sixtus IV. zwischen 1475 und 1483 erbaut, wurden von Michelangelo im Auftrag Papst Julius’ II. ab 1508 in nur vier Jahren geschaffen. Dargestellt sind Szenen aus der Genesis. Das dazugehörige Rahmenprogramm ist jedoch voller Hinweise auf das Exil der Juden in Babylon. Alle sechs dargestellten Propheten, ausgenommen Jonas, stehen mit dem geschichtlichen Ereignis in Verbindung. Jesaja weissagte das Exil bereits drei Generationen vor Josia, dem letzten König von Juda. Jeremia, der über dem Thron des Papstes positioniert ist, war Freund und Ratgeber des Josia. Seine Klagelieder spiegeln die Leiden im Exil wider. Ezechiel war einer der Propheten, die in das Exil verschleppt wurden. Die Prophezeiungen Daniels, der am Hofe Nebukadnezars lebte, nahmen in dieser Zeit ihren Anfang. Zacharias lebte in der Nachexilzeit und war Prophet des Serubabel, der den Tempel in Jerusalem wiederaufbaute. Auch der Prophet Joel, über den am wenigsten bekannt ist, lebte zu dieser Zeit im Königreich Juda. Judith, deren Darstellung sich in einem der vier Eckzwickel befindet, lebte während der Exilzeit. Zu erwähnen ist schließlich die erithräische Sybille, die ihre Prophezeiungen angeblich in Babylon aufschrieb.134 Der signifikanteste Hinweis jedoch wird in der Abfolge der Lünetten und Stichkappen gegeben, in denen sich die Fresken der Vorfahren Christi nach

Matthäus’ Genealogie (Mt 1, 1–16) befinden (BILD T11/12). Die Reihenfolge der Stammväterfiguren, die sich chronologisch alternierend rechts und links über die Decke zieht, wird an der Stelle verändert, wo die babylonische Gefangenschaft zeitlich einzuordnen ist. Die Lünette mit Hiskia, Manasse und Amon folgt nicht etwa an der gegenüberliegenden Wand, sondern befindet sich gleich neben der Lünette mit Josia (Amons Sohn), Jojachin (erster König in der babylonischen Gefangenschaft) und Sealthiel (Jojachins Sohn). Erst dann wird der alternierende Rhythmus wieder aufgegriffen, und es schließt gegenüber die Lünette mit Serubabel, Abiud und Eliakim an. Eine Darstellung der babylonischen Gefangenschaft in einem eigenem Feld fehlt zwar, obgleich diese Epoche zu den wichtigsten Ereignissen im Alten

134 Vgl. Hartt, Frederick: Lignum vitae in medio paradisi: The Stanza d’Eliodoro and the Sistine Ceiling, in: Art Bulletin, Juni 1950, Nr. 2, Bd. 32, S. 210.

44 UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS DIE „VORFAHREN CHRISTI“ IN DER CAPPELLA SISTINA

Testament gehört; jedoch wird laut Pappas durch die oben erwähnte strukturelle Besonderheit im Bildprogramm, durch den Bruch in der alternierenden Folge der Stammväterfiguren, die babylonische Gefangenschaft symbolisiert.135 Aus der Geschichte der europäischen Malerei war das Bildthema „Die trauernden Juden im Exil“ zwar lange verschwunden, doch kommt es in dem komplexen Bildprogramm der Sixtina sehr wohl vor: Im Zwickel zwischen Jesaja und der delphischen Sibylle und über der Josia–Jojachin–Sealthiel–Lünette136 ist Jojachin mit seiner Frau und seinem Sohn Sealthiel als trauernde Familie in nächtlicher Atmosphäre gezeigt (BILD T13): Sie sind ganz offensichtlich in babylonischer Gefangenschaft137, also „trauernde Juden im Exil“. Alle drei haben die Augen geschlossen. Die mächtige Figur des lagernden Königs Jojachin streckt sich in Seitenansicht durch den Zwickel und schließt den Betrachter aus der

135 Vgl. Pappas, Andrea: Observations on the Ancestor Cycle of the Sistine Chapel Ceiling, in: Source, 1992, Bd. 11/2, S. 27–31; Tolnay, Charles de: Michelangelo, Bd. 2: The Sistine Ceiling, Princeton 1945, S. 87. Laut Pappas besteht eine Beziehung zwischen den Lünetten und den Fresken aus dem Quattrocento an den Wänden darunter. Letztere würden die priesterliche Autorität betonen. Sie zeigen an der Südwand Geschichten aus dem Leben des Moses und an der Nordwand Episoden aus dem Leben Jesu. Serubabel, der in der Lünette gegenüber Josia gezeigt ist, erhielt seinen Rang als Führer des jüdäischen Volkes von den Priestern. Zugleich ist die Darstellung Serubabels direkt über dem Feld mit der selten gezeigten Episode „Die Bestrafung von Korach, Datan und Abiram“ (Num 16, 1–35) von Botticelli platziert. Sie sind die levitischen Priester, die Moses und Aaron die zivile und religiöse Macht über das auserwählte Volk abgesprochen hatten. Aus diesem Grund wurden sie vom Erdboden verschluckt und zusammen mit ihren Familien von einem unsichtbaren Feuer verbrannt. Korrespondierend dazu ist Josia über dem Fresko „Die Schlüsselübergabe an Petrus“ (Mt 16, 13–20) von Perugino an der gegenüberliegenden Seite dargestellt. Es versinnbildlicht laut Pappas die Vorrangstellung des Bischofs von Rom. Die Präsenz von Josia und Serubabel darüber intensiviert den Sinn der Bestrafung von Ungehorsam gegen die göttlichen Gesetze und gegen jene, die sie repräsentieren. Gleichzeitig sollen die Stammväter die Autorität der Stellvertreter Gottes, also der Päpste beglaubigen. Denn Josia und Serubabel waren gehorsame Führer, und ihre Gegenüberstellung mit den darunter befindlichen Szenen akzentuieren deren Gehorsam. Die alttestamentarischen Episoden in Verbindung mit den Lünetten könnten also auf die Beziehung zwischen den Leviten, den Angehörigen des Priesterstandes, und den Königen von Juda hinweisen. Diese Beziehung soll nun emblematisch auf den Papst hinweisen. Über 100 Jahre nach Beendigung des Abendländischen Schismas steht Julius’ II. Pontifikat unter den drohenden Zeichen eines neuen Schismas: Treuebruch und Ungehorsam gegen göttlich legitimierte Macht. Die strukturelle Besonderheit des Bildprogramms der Sixtina an Stelle der Epoche der babylonischen Gefangenschaft könnte also im Kontext der Auseinandersetzung Julius’ II. mit den Nachwirkungen des Abendländischen Schismas und der drohenden neuen Teilung des Papsttums zusammenhängen. Julius II. sieht sich als ein Nachfolger von Serubabel, der den Tempel Gottes wieder aufgebaut hat. Vgl. auch Bull, Malcolm: The Iconography of the Sistine Chapel Ceiling, in: The Burlington Magazine, August 1988, Bd. 130, S. 605. 136 Eine Nachzeichnung der Darstellung von Sealthiel und seiner Mutter entstand zwischen 1801 und 1815 im napoleonischen Raum. Bleistift auf Papier, aufgezogen, 39,1 x 27,4 cm, Neapel, Museo Nazionale di San Martino, vgl. Causa Picone, Marina: Museo Nazionale di San Martino, I disegni del Cinquecento e del Seicento, La collezione Ferrara Dentice, Neapel 1999, Nr. 162. 137 Die Bibel berichtet, das Jojachin 560 v. Chr. aus dem Gefängnis entlassen wird und einen Sitz an der königlichen Tafel erhält: Er wird von den Babyloniern begnadigt. Vgl. 2 Kön 25, 27–30; 1 Chr 3, 16–18; Jer 52, 31–34. Im Jahr 1900 wurden sogar Verwaltungsurkunden in Form von Keilschrifttafeln in der Südburg Babylons gefunden, die Lebensmittelrationen für Jojachin und fünf seiner sieben Söhne beschreiben. Vgl. Donner 1995², S. 407.

45 UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS DIE „VORFAHREN CHRISTI“ IN DER CAPPELLA SISTINA familiären Einheit aus. Seine Frau sitzt – ihr Kind umfangend – nach rechts ins Profil gekehrt. Sie haben keine Verbindung zur Außenwelt.

Der gegenüberliegende Zwickel zeigt ebenfalls gefangene Juden (BILD T14): Es ist Sealthiels Sohn Serubabel, der die Juden aus der Gefangenschaft nach Jerusalem führen wird, mit seinen Eltern. Im Gegensatz zu dem Zwickel der Familie Jojachins dominiert hier die Mutter die Darstellung. Ins Profil nach rechts gerückt sitzt sie auf dem Boden und blickt aus dem Bild heraus. Ihr Kind, in Rückansicht gezeigt, lehnt an ihren aufgestellten Beinen. Im Hintergrund, vom Dunkel der Nacht umgeben, sitzt der gealterte Sealthiel. Sein Kopf ist geneigt, sein Kinn liegt auf der schlaffen Brust; er scheint zu schlafen. Michelangelo zeigt also in den Lünetten der Stichkappen zwei Darstellungen des Bildmotivs. Die Besonderheit dabei ist, dass es sich nicht um namenlose Juden handelt, wie es z. B. in den Psalterillustrationen der Fall ist, sondern um zwei Generationen der „Vorfahren Christi“, also historisch benennbare Persönlichkeiten, deren statuarische Ruhe und Monumentalität für die Ausformung des Bildmotivs im 19. Jahrhundert bedeutsam werden.

46 UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS WANDMALEREIEN IN SYNAGOGEN

4. Wandmalereien in Synagogen (18. Jh.)

Der Ursprung der Synagoge ist umstritten: Krinsky nimmt an, dass die Synagoge in Folge der Zerstörung des salomonischen Tempels und des babylonischen Exils entstanden ist.138 Fern der Heimat und ihres traditionellen Gebetszentrums befanden sich die Juden in einem Land, das ihnen als unrein galt (Ez 4,13). Mittelpunkt wurden „Versammlungen zu Gebet und Unterweisung an >den Strömen Babels<“139, in denen die Verbannten versuchten, ihre Riten und Bräuche zu wahren. Als den Juden gestattet wurde, in ihre Heimat zurückzukehren, bauten sie einen bescheideneren Tempel, als es der erste gewesen war. Die ehemaligen Gefangenen und ihre Nachkommen haben es vermutlich beibehalten, rituelle Versammlungen außerhalb des Tempels abzuhalten. Aus diesen Versammlungen unter freiem Himmel entwickelte sich allmählich der Brauch, ein Gebäude für die religiösen Zusammenkünfte zu nutzen: die Synagoge (griechisch συνάγογeiν = zusammenführen, versammeln).140 Die ersten archäologischen Beweise für die Existenz von Synagogen wurden außerhalb der Grenzen Palästinas gefunden. So gehört die Synagoge von Dura Europos, die im Jahre 200 n. Chr. erbaut wurde, zu der Gruppe der so genannten Diaspora–Synagogen.141 Obgleich es keine Zeugnisse bildhafter Darstellungen des 137. Psalms in den frühen Synagogen gibt, findet man das Motiv schematisiert als Abbreviatur an den Wänden osteuropäischer Holzsynagogen des 18. Jahrhunderts. Nachdem im Mittelalter nur wenige Synagogen gebaut wurden, entwickelten sich die jüdischen Gemeinden in Polen im 16. und 17. Jahrhundert zu kulturellen Zentren mit reger Bautätigkeit: Es entstanden Stein– und Holzsynagogen. Während die Steinbauten vor allem in den größeren Städten

138 Vgl. Krinsky, Carol Herselle: Synagogues of Europe, Architecture, History, Meaning, Cambridge, London 1985, S. 5f. Eine konträre Meinung vertritt Künzl, Hannelore: Der Synagogenbau in der Antike, in: Schwarz, Hans–Peter (Hg.): Die Architektur der Synagoge, Stuttgart 1988, S. 45. Die Entstehung der Synagoge fällt in eine Zeit, als der Tempel zu Jerusalem noch bestand. Die Synagoge hat also nicht als Tempelersatz gedient, sondern besaß eine andere Funktion. 139 Roth, Cecil: Die Kunst der Juden, Bd. 1, Frankfurt am Main 1963, S. 64. 140 Vgl. Krinsky 1985, S. 5f. 141 Roth 1963, Bd. 1, S. 64f und 82ff. Die Wände der Dura–Europos–Synagoge waren mit Fresken bedeckt, die in drei aufeinander folgenden Streifen biblische Zyklen darstellen. Obgleich – in den zur Hälfte erhaltenen Fresken – keine Darstellung der trauernden Juden an den Wassern Babylons nachgewiesen werden kann, gibt es eine Bilderfolge, die die Vision des Propheten Ezechiel zeigt. Am Kanal Kebar erhielt Ezechiel seine Berufung zum Propheten in der babylonischen Gefangenschaft. Siehe S. 27 in dieser Untersuchung.

47 UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS WANDMALEREIEN IN SYNAGOGEN errichtet wurden, waren für Dörfer und Kleinstädte hölzerne Synagogenbauten typisch. Im Außenbau schlicht gehalten, weisen sie innen Wandmalereien in religiös–dekorativem Stil auf.142 Die 1648 einbrechende Katastrophe durch die Kosakenaufstände und die damit einhergehenden Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung veranlasste die polnischen Juden, Zuflucht in der Welt des Glaubens zu suchen. Das Judentum schuf sich eine eigene kulturelle Welt und grenzte sich von der polnischen Kultur ab, die sich am Katholizismus des Westens orientierte. Dies äußert sich in der Kunst und insbesondere in Wanddekorationen der Synagogen, die voll religiöser Andeutungen den ursprünglich volkstümlichen Charakter des Judentums hervorheben:143 Waren in den frühen Bauten die Wände durch Schriftbänder in symmetrische Zonen gegliedert, die mit einer folkloristischen Ornamentmalerei, mit Tieren – vor allem dem Zodiak – und Symbolen wie der Menorah ausgefüllt waren, entwickelten sich im 18. Jahrhundert die eingestreuten kleinformatigen Bilder mit religiösem Inhalt, meist Themen aus den Psalmen, zu einer großformatigen Landschaftswiedergabe.144 In die personenlosen Landschaftsprospekte sind Motive aus der babylonischen Gefangenschaft integriert, die die Sehnsucht nach Zion versinnbildlichen.145 1760 versah der folkloristische Künstler Jehuda Leib (Lebensdaten unbekannt) 146 die Synagoge in Przedborz147 mit Wandmalereien.148 Ein Fresko zeigt unzählige Instrumente wie Trompeten, Zimbeln, Violinen und ein Cello vor dem

Hintergrundprospekt des fiktiv als Turmstadt dargestellten Jerusalems (BILD T15). Einzig die am Himmel flatternden Vögel beleben die Komposition: Ein Stillleben aus Instrumenten imaginiert die Trauer des jüdischen Volkes in der Gefangenschaft.

142 Vgl. Künzl, Hannelore: Jüdische Kunst, Von der biblischen Zeit bis in die Gegenwart, München 1992, S. 86. 143 Vgl. Roth 1963, Bd. 1, S. 126f; Davidovicz, David: Wandmalereien in alten Synagogen, das Wirken des Malers Elieser Sussmann in Deutschland, Hameln, Hannover 1969, S. 7f. 144 Künzl 1992, S. 89ff. 145 Vgl. „If I forget thee…“ Longings for Jerusalem in the Jewish Folk Art of Eastern Europe, in: Ariel, The Israel Review of Art and Letters, 1996, Bd. 102. 146 Der Name ist durch eine Inschrift des Künstlers selbst bekannt, in der Übersetzung von Wischnitzer: „The work of Yehuda Leib, done with his own hands“. Datiert ist es auf das Jahr 5520, was nach unserer Zeitrechnung 1760 entspricht. Vgl. Wischnitzer, Rachel: The Architecture of European Synagogues, Philadelphia 1964, S. 146. 147 Siehe hierzu Moshe, Verbin: Wooden Synagogues of Poland in the 17th and 18th Century, Herzliya 1992², Nr. 20. 148 Vgl. Loukomski, George K.: Jewish Art in European Synagogues, From the Middle Ages to the Eighteenth Century, London, New York, Melbourne u.a. 1947, S. 57; Breffny, Brian de: The Synagogue, London 1978, S. 125; Piechotkowie, Maria und Kazimierz: Polichromie polskich bóznic drewnianych, in: Polska sztuka ludowa, 1989, Bd. 43, 1–2, S. 79.

48 UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS WANDMALEREIEN IN SYNAGOGEN

Auf ähnliche Weise malt der Architekt und Künstler David Friedländer (Lebensdaten unbekannt) 149 um 1800 „Die trauernden Juden im Exil“ in der von ihm erbauten Synagoge in Grojec (BILD T16). In der Mitte des Bildes hängen Trompeten und Violinen an den Bäumen eines Parks. Rehe auf der Wiese und Vögel im Himmel schaffen eine pastoral anmutende Atmosphäre. Links ragt vierstufig der Turm zu Babel in die Höhe. Rechts endet das Gemälde mit einer Vedute Jerusalems, das als typische polnische Stadt mit Häusern mit geziegelten Dächern gezeigt ist.150 Obgleich Friedländer das Motiv „Die trauernden Juden im Exil“ im Gegensatz zu Leib als ein in sich geschlossenes Landschaftsgemälde mit zwar fiktiver, aber zeitgenössischer Stadtansicht gestaltet, verwenden beide Künstler das gleiche stilllebenhafte Kompositionsschema: das Motiv der in den Bäumen hängenden Musikinstrumente als Metapher für die Trauer der Juden in Kombination mit einer Stadtansicht Jerusalems, die die Hoffnung auf Wiedergewinnung ihrer Heimat versinnbildlicht. Synagogale Innendekorationen mit dieser Thematik waren im Ostjudentum weit verbreitet151, sind aber fast alle im zweiten Weltkrieg von den Nationalsozialisten zerstört worden.152 Erkennbar sind sie noch in den um 1920 entstandenen Wandmalereien in der Synagoge von Cznerowitz in der Ukraine: Musikinstrumente hängen in den Bäumen. Zelte am Fluss zeugen von der Anwesenheit der deportierten Juden (BILD T17). Die Hoffnung auf die Rückkehr in die Heimat versinnbildlichen das sprießende Grün der verstümmelten Bäume und das helle Licht am Horizont.153

149 Siehe hierzu Davidovicz, David: David Friedländer, Ein jüdischer Künstler im 18. Jh., in: Gazit, 1957, 171–178, S. 144–148 (hebräisch). 150 Vgl. „If I forget thee…“ in: Ariel 1996; Breffny 1978, S. 125, Bild S. 126. 151 Weitere Illustrationen von Psalm 137 gab es in der Synagoge von Peczenizyn vom Ende des 18. Jahrhunderts (BILD T18). Die in den Bäumen hängenden Instrumente wie Trompeten, ein Horn, Zimbale, Psalter, Violinen und Trommeln sind charakteristische Instrumente einer jüdischen Musikkapelle um 1800. Vgl. dazu Piechotkowie Maria und Kazimierz: Bramy Nieba, Warschau 1996, S. 304–306. In der Synagoge von Zydaczów entstanden die Malereien von 1792 bis 1809 (BILD T19). Die Westwand war mit einem Fries aus Bäumen mit darin hängenden großen Instrumenten versehen. Vgl. Piechotkowie 1996, S. 380–382. Eine weitere Darstellung ist in der Hohen Synagoge im Krakauer Stadtviertel Kazimierz belegt. Neben der Opferung des Isaak und der Arche Noah sind an den Bäumen hängende Harfen an den Wassern Babylons gezeigt. Eine seltene Kombination, da figurale Abbildungen nicht üblich waren. Vgl. Krinsky 1985, S. 58. 152 Künzl 1992, S. 88. Zu der Zerstörung der Synagogen in Polen siehe Davidovicz, David: Synagogues in Poland and their Destruction, Jerusalem 1960. 153 Krey 2003, S. 97. Ebenfalls um 1920 entstanden die Wandmalereien, die Musikinstrumente zeigen, in der Kirznershe Synagoge in Jasi, Moldavien. Vgl. „If I forget thee…“ in: Ariel 1996.

49 UMSETZUNGEN DES BILDTHEMAS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS WANDMALEREIEN IN SYNAGOGEN

Zusammenfassend ist an dieser Stelle festzuhalten, dass den Umsetzungen des Bildmotivs bis zum Ende des 18. Jahrhunderts keine bestimmte Vorläuferrolle für die Ausformungen im 19. und 20. Jahrhundert zugewiesen werden kann: Es sind unabhängige Vorformen, die mit der späteren Typisierung des Bildmotivs nur das Thema gemeinsam haben. Gleichwohl haben die Deckenfresken der Sixtina, wie später ausgeführt wird, gerade für Eduard Bendemanns Gemälde „Die trauernden Juden im Exil“ eine bestimmende Rolle gespielt: zwar nicht in Bezug auf das Thema, wohl aber in der Monumentalität und Gestik der biblischen Figuren. Das Motiv „Die trauernden Juden im Exil“ ist also vor Beginn des 19. Jahrhunderts von keiner kontinuierlichen Bildtradition geprägt.

50 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS DISPARATE ANFÄNGE

III. Entwicklung des Bildmotivs

1. Disparate Anfänge

William Blake und Giuseppe Bossi im Gefolge von Jacques Louis Davids Gemälde „Der Schwur der Horatier“

In einer Epoche der britischen Malerei, in der die Gattungen des Porträts und der Landschaft vorherrschten, bestimmte die menschliche Gestalt das Oeuvre des ikonographisch eigenwilligen Engländers William Blake. Im Kontext von Werken zur Bibel schuf der Malerdichter für seinen Mäzen Thomas Butts 1806 das

Aquarell „By the Waters of Babylon“ (KATALOG 1A, BILD K1), ein kleinformatiges Blatt, das wie die übrigen Bibelillustrationen für den Privatgebrauch bestimmt war. Das Motiv „Die trauernden Juden“ ist kein allein stehendes Bild, sondern Teil einer größeren Ikonographie, der Illustrierung der Bibel.154 Blake konzentriert sich in seiner Darstellung auf den spannungsvollen Dualismus zwischen Juden und Babyloniern, den er durch die räumliche Verteilung des Bildpersonals hervorhebt. Die Bilderfindung, Gegensatzpaare kontrastierend gegenüberzustellen, wie hier würdevolle Unterdrückte und herrische Unterdrücker, stammt nicht von Blake. Seine Bibelillustration war eine von vielen künstlerischen Erwiderungen auf das epochemachende Gemälde „Der 155 Schwur der Horatier“ (BILD T20) des französischen Klassizisten Jacques Louis David (1748–1825) von 1784, dessen Gemälde Blake als Reproduktionsstecher bekannt waren. Das Bild, das im Namen von König Ludwig XVI. vom Grafen Charles–Claude d’Angiviller (1730–1809) bei David in Auftrag gegeben wurde156, visualisiert eine minutiöse Momentaufnahme, die letztendlich keine

154 Die Bibel war Blakes wichtigste Quelle, aus der er seine Motive entnahm. Für den Künstler war das Buch der Bücher nicht eine Aufzählung von historischen Ereignissen oder die Form eines spirituellen Dokuments, sondern die Verkörperung der gesamten Menschheitsgeschichte, der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Bibel gab ihm den Schlüssel zum Verstehen, und seine künstlerische Kreativität war eine Form des Lobpreisens und ein Ausdruck des Glaubens. Diametral zu den Präraffaeliten oder der Gruppe der Nabis war die Idee von Blake, ein goldenes Zeitalter herbeizuführen, mit der Kunst als Religion und der Imagination als schöpferischer Phantasie. Siehe dazu Singer, June K.: The Unholy Bible, a Psychological Interpretation of William Blake, New York 1970. 155 Öl auf Leinwand, 330 x 425 cm, Paris, Musée du Louvre. 156 Vgl. Stolpe, Elmar: Klassizismus und Krieg, Über den Historienmaler Jacques–Louis David, Frankfurt, New York 1985, S. 133ff.

51 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS DISPARATE ANFÄNGE ikonographische Vorgabe in der Erzählung des Römers Livius hat157: Die drei Söhne des Horatius schwören ihrem Vater, die Vorherrschaft Roms gegen Alba Longa zu verteidigen. Um den Verlust ihrer Heere zu vermeiden, beschließen die beiden verfeindeten Städte, einen Zweikampf entscheiden zu lassen. Die Wahl fällt auf zwei Drillingsbrüderpaare: auf die Horatier für Rom und auf die Curatier für Alba Longa. Eine schicksalhafte Entscheidung, ist doch Sabina, die Schwester der Curatier, mit einem Horatier verheiratet, und Camilla, die Schwester der Horatier, mit einem der Curatier verlobt.158 „Diesen Konflikt interpretiert David als Geschlechterantagonismus“.159 Während die in den Kampf ziehenden Männer die Organisationsform des Staates verkörpern, sind die zurückgelassenen Frauen als Metapher für die Familie zu verstehen. Die Frauen sind keine Akteure in der Geschichte, sie bleiben schönheitlich passiv.160 Trauer scheint bei David also etwas spezifisch Weibliches zu sein, das in der Natur der Frau begründet ist: eine weibliche Verhaltensweise, die die Polarität der Geschlechter hervorhebt.161 Johann Joachim Winckelmann (1717–1768), dessen Schriften David beeindruckten, hielt sich seit 1755 in Rom auf. Dem Bibliothekar, der später Präsident der Altertümer und Scriptor der Vatikanischen Bibliothek war, erschien das klassische Ideal als etwas Natürliches, im Leiblichen Aufgehobenes. Die Moral erfolgt nicht christlich dogmatisch, sondern aus ästhetischer Anschauung.162

157 Zwischen Rom und der Mutterstadt Alba war es zum Krieg gekommen. Genaueres zur Geschichte vgl. Stolpe 1989, S. 57ff. 158 Vgl. Titus Livius: Römische Geschichte, Buch I–III, lateinisch–deutsch hrsg. von Hillen, Hans Jürgen; Feix, Josef, Bd. 1, Buch I, 24–26, München, Zürich 1987, S. 63–73. 159 Held, Jutta: Zur Vorgeschichte des romantischen Frauenbildes in Frankreich, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Ernst–Moritz–Arndt Universität Greifswald, 1986, Bd. 5, 3–4, S. 28. Der Franzose David hat dabei die Neuerungen des Engländers Gavin Hamilton (1723–1798) vor Augen, die sich in dem zwischen 1760 und 1775 in Rom entstandenen und von Domenico Cunego (1727–1794/1803) gestochenen Zyklus von sechs großformatigen Bildern zu Homers „Ilias“ manifestierten. Hamilton markiert den dramatischen Kontrast zwischen statuarischen Helden und trauernden Frauen: Die Totenklage als Verhaltensweise der Frau zeichnet sich ab. Vor allem ist die „Beweinung des Patroklos“ für Davids „Horatierschwur“ offenbar von Bedeutung gewesen. In diesem Gemälde hat Hamilton die rechte Seite den griechischen Helden vorbehalten, während die Frauen die linke Seite einnehmen. Achill, der mit seinen pathetischen Gesten die beiden Seiten miteinander zu verbinden versucht, wird von seinem Schmerz zur Frauenseite gezogen. Vgl. dazu Busch, Werner: Das sentimentalische Bild, Die Krise der Kunst im 18. Jahrhundert und die Geburt der Moderne, München 1993, S. 138ff. 160 Vgl. Held 1986, S. 29. 161 Vgl. Spickernagel, Ellen: Groß in der Trauer, Die weibliche Klage um tote Helden in Historienbildern des 18. Jahrhunderts, in: Schmidt–Linsenhoff, Viktoria (Hg.): Sklavin oder Bürgerin? Französische Revolution und Neue Weiblichkeit 1760–1830, Ausst., Frankfurt 1989, S. 311. 162 Busch 1993, S. 138.

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Winckelmann faszinierte die Verbindung von Leid und gezügeltem Ausdruck, also die Sichtbarmachung von Gefühlen und Leidenschaften verbunden mit dem höchsten Maß an Ästhetik. Er suchte sein Schönheitsideal in der trauernden Frau 163 und fand dies in der hellenistischen Figurengruppe der Niobe (BILD T21) . Die im 18. Jahrhundert so berühmten Skulpturen der Niobe und des Laokoon deutet Winckelmann als Ideale eines geschlechtsspezifischen Umgangs mit Affekten.

„Um zu erklären, was ich behaupte, weiß ich keine berühmteren und vollkommeneren Beispiele als die Niobe und den Laokoon, von welchen das erste ein Bild der Furcht vor dem gegenwärtigen Tode, das andere ein Bild des höchsten Leidens und Schmerzes ist. (…) Ein solcher Zustand der Seele, wo Empfindung und Überlegung aufhören, und welcher der Gleichgültigkeit ähnlich ist, verändert keine Züge der Gestalt und Bildung, weshalb der Künstler in diesem Werke die höchste Schönheit bilden konnte, wie er es getan hat: denn Niobe und ihre Töchter sind die höchsten Ideen derselben.“ 164

David zeigt in seinem Gemälde eine programmatische Rollenteilung, um dem Axiom Winckelmanns der schönheitlich trauernden Frau gerecht zu werden. Dies betont er noch durch die Beziehungslosigkeit der Geschlechtergruppen: Zwischen den leidenden Frauen und den Kriegern findet keinerlei Interaktion statt. Im Gegenteil, jede Gruppe erscheint in sich selbst zentriert und isoliert von der anderen. Die Architektur der dorischen Säulenhalle unterstützt die figürliche Aufteilung. Die einzige Verbindung ist der kleine Junge, Sohn der Sabina, den die Amme zusammen mit dem kleinen Brüderchen schützend mit ihren Gewändern umfängt. Denkt man sich den in der Mittelachse stehenden Horatius aus dem davidschen Gemälde weg, sind die Parallelen zwischen Blakes Aquarell und dem „Schwur der Horatier“ unübersehbar: Nicht nur die bildliche Komposition, sondern auch die Verteilung der Personen an ihrem Bildort zeugen von Blakes Vertrautheit mit dem epochalen Signalbild des Franzosen. Genau wie David behält Blake das strenge

163 Niobe war die Tochter des Tantalos, die Schwester von Pelops und die Frau des Amphion. Stolz auf ihre Kinder, sieben Söhne und sieben Töchter, verhöhnte sie Leto, die nur zwei Kinder besaß, Apollon und Artemis. Um die ihrer Mutter angetane Schmach zu rächen, töteten Apollon und Artemis alle Kinder der Niobe mit Pfeilen. Vor Schmerz erstarrt wurde Niobe in ihrer kleinasiatischen Heimat am Berge Sipylos in einen weinenden Felsen verwandelt. Vgl. Schubert, K.: Artikel zu „Niobe“, in: LAW 1994, Bd. 2. 164 Winkelmann, Johann Joachim: Vorläufige Abhandlung zu den Denkmalen der Kunst des Altertums, in: Ders.: Sämtliche Werke, hrsg. von Eiselein, Joseph, Bd. 7, Donauöschingen 1825, S. 122f.

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Gegenüber bei. Jedoch weicht er in der Hierarchisierung in zwei entscheidenden Punkten von David ab: Zum einen löst er den Geschlechterantagonismus auf und betont stattdessen den Gegensatz zwischen Gefangenen und Machthabern; zum andern verbindet er die Gruppen durch Gesten und Blicke. Die babylonischen Machthaber, König, Feldherr und Frau stehen genau wie die Horatier parallel nach hinten gestaffelt, doch Blake lockert den Korpus der brüderlichen Dreieinheit auf und führt den Gestus der zum Schwur erhobenen Hände der Horatier im empor- gestreckten Arm der königlichen Begleiterin zusammen: Blake weist also einer Frau die dominante und interagierende Rolle zu. David akzentuiert den Gegensatz von Männern und Frauen nicht allein durch ihren Bildort, sondern auch durch die Körperhaltungen. Während die Männer gestählt eine synchrone Disziplin wahren, sind die drei Frauen spannungslos in sich zusammengesunken dargestellt. Analog dazu setzt Blake der wirkungskräftigen Statuarik Nebukadnezars und seines Gefolges die zusammengedrängten, angsterfüllten Juden gegenüber. Doch festigt Blake die Gruppe im formalen Aufbau und lässt sie zu einem dreieckigen Korpus verschmelzen, während die zwei stehenden, sich auf ihr Ruder lehnenden Juden die Komposition zu Gunsten der Gruppe der Juden noch unterstützen. Blake gibt also den jüdischen Gefangenen viel Substanz und nimmt gleichzeitig den babylonischen Unterdrückern an Eindruckskraft. Wie David schon in seinem Horatierschwur, harmonisiert Blake das Bildgefüge. Die Entstehungsgeschichte des Gemäldes zeigt, dass die Frauen nicht nur als schmückendes Beiwerk deklariert werden dürfen, sondern einem eigenen Wertesystem entsprechen. David lag daran, die Gegensätzlichkeit zwischen Männer– und Frauengruppe zu pointieren und gleichzeitig den Stellenwert der Geschlechtergruppen zu harmonisieren. Ein schwieriges Unterfangen: So wurden die kompositorische Anordnung der weiblichen Figuren und die Umgebung ihres Bildortes mehrmals verändert, während das Schrittmotiv und die einprägsame Armhaltung der horatischen Männer schon in den ersten Entwurfskonzeptionen feststanden. In einer frühen Zeichnung, die sich in Lille, Palais des Beaux–Arts befindet, hat David die Frauen zwar in dieselbe Räumlichkeit wie die Männer, aber 165 in eine mit häuslichen Utensilien versehene Umgebung gesetzt (BILD T22). In der Endfassung ist jegliches attributive Interieur verschwunden. In der Skizze in Lille

165 Vgl. Stolpe 1985, S. 61f.

54 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS DISPARATE ANFÄNGE ist der Frauengruppe ein Mann zugeordnet; dieses verunklärende Motiv entfernt David in der endgültigen Fassung. Daraus wird deutlich, dass dem Künstler die kontrastierende Wirkung der beiden Gruppen essentiell war. Der kundige Betrachter weiß, dass die Helden sterben werden, während die Trauer der Frauen fortdauern wird, ja zeitlos ist. Blake konkretisiert die Trauer, die im „Schwur der Horatier“ noch Beiwerk war, und begründet sie biblisch in Psalm 137; dabei vertraut er der Komposition des Franzosen. So finden sich weitere Parallelen: Die drei Schwerter, die der alte Horatius in seiner erhobenen Hand hält, sind zu drei Instrumenten geworden, die in der Weide hängen. Selbst die Arkaden finden sich in den Säulenhallen wieder, die das Stadtbild Babylons bestimmen. Der Architektur wird aber im Gegensatz zu dem Gemälde Davids keine räumliche Funktion zugewiesen, da Blake auf malerische Effekte verzichtet und zeichnerisch flächig bleibt. Die Lanze in der linken Hand des vorderen Horatiers wird bei Blake zum Zepter des Königs und multipliziert sich in den Speeren der Gefolgschaft des Herrschers. Die von David kommende klare Struktur in Blakes Aquarell erlaubt trotz des miniaturhaften Maßstabs des Bildformats eine figürliche Monumentalität. Die Figuren wiederum verraten eine Herkunft von der manieristischen Druckgrafik nach Michelangelo und Raffael. Michelangelesk ist auch die Attitüde der beiden jungen Männer, die sich auf ihr Ruder stützen. Die nackte, aufrecht stehende

Christusfigur in S. Maria sopra Minerva von 1518–20 (BILD T23) wird gegenwärtig: Christus in unversehrter, antikischer Leibesschönheit hält das Kreuz nicht wie ein Passionssymbol, sondern bildet damit eine komplementäre Einheit. Es ist ein sinnliches Auffassen ohne Leidensmerkmale, das Blake auf die mit Eisenfesseln angeketteten Männer überträgt. Das Aquarell blieb unter der großen Anzahl an Bibelillustrationen, die Blake gefertigt hat, unbekannt und konnte deshalb für die nachfolgenden Werke zum Bildmotiv kein Vorbild sein.

Die Weiblichkeit als Ausdrucksträger der Trauer setzt David auch im Gemälde „Die Liktoren bringen Brutus die Leichen seiner Söhne“ von 1789 kontrastierend 166 ein (BILD T24). Er scheint seine im „Schwur der Horatier“ angedeutete Botschaft zu vertiefen; wiederum ist die rechte Bildhälfte den trauernden Frauen vorbehalten, diesmal jedoch sind sie nicht mehr nur passiv, sondern auch aktiv

166 Vgl. Schnapper, Antoine: J.–L. David und seine Zeit, Fribourg, Würzburg 1981, S. 78.

55 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS DISPARATE ANFÄNGE dargestellt. Verschiedene Stadien der Trauer manifestieren sich in ihnen: vom Schrecken der ersten Tochter über die Wehklage der Mutter und die Ohnmacht der zweiten Tochter bis hin zur Trauer der Magd. Brutus hingegen sitzt mit geballter Faust und verkrampften Füßen im Schatten verborgen. Wie auch im „Schwur der Horatier“ geht es um den Konflikt zwischen privatem Glück und öffentlichen Interessen, der durch die Polarisierung von trauernden Frauen und pflichtbewusstem Patriarch verdeutlicht wird.167

Einen symbiotischen Ausgleich der beiden Gemälde Davids erreicht der mailändische Maler und Kunstsammler Giuseppe Bossi. Die damalige Kunstlandschaft Italiens war im Wandel begriffen, woran Davids „Schwur der Horatier“ nicht unschuldig war, denn er bewirkte eine Loslösung von der „oberflächlichen“ Kunst des Rokoko und eine Hinwendung zu den „moralischen“ Allüren des Klassizismus.168 Zwar noch kleinformatig und skizzenhaft, geht Bossi mit seiner Zeichnung „Super Flumina Babilonis“, wohl zwischen 1810 und 1815 entstanden, (KATALOG 2A, BILD K2) weiter als Blake und fertigt das Werk ohne Auftraggeber und ohne übergeordneten Kontext. Bossi kannte David von seinen Lehrjahren in Paris. Sind seine vorangegangen Werke Imitationen nach Perugino, Raffael, Leonardo und Michelangelo, die sich in freier Umsetzung sogleich als Produkt des Klassizismus zu erkennen geben169, öffnet sich dem Betrachter hier eine Szenerie, die als spätbarock–klassizistisches Leidensspektakel die trauernden Juden zeigt. Während Blake wie David geometrisiert und systematisiert, inszeniert Bossi eine gerundete Komposition. Er löst die letzte mögliche Konfliktkonstellation auf und verzichtet auf die Darstellung der Babylonier. Im Mittelpunkt stehen die verschiedenen Ausformungen von Trauer, die Bossi sowohl an Frauen als auch an Männern präsentiert. In den Körperhaltungen und Bewegungsmotiven reflektiert die Zeichnung das Studium der Antike und Davids. Der profilansichtige Alte mit zwei Kindern im Arm erinnert

167 Körner, Hans: „Das trauernde Königspaar“ von Carl Friedrich Lessing und das lyrische „Situationsbild“ in der Pariser und Düsseldorfer Malerei, in: Sitt, Martina (Hg.): Carl Friedrich Lessing, Romantiker und Rebell, Düsseldorf 2000, S. 30 spricht gar davon, dass die trauernden Frauen in „Der Schwur der Horatier“ und „Die Liktoren bringen Brutus die Leichen seiner Söhne“ „das Ethos der männlichen Hauptfigur(en) nicht mit tragen, solcherart den Erzählzusammenhang stören“. 168 Vgl. Poppi, Claudio: From Avant–Garde to the Academy: A Line of Development for Italian Neoclassicism, in: Olson, Roberta J. M. (Hg.): Ottocento, Romanticism and Revolution in 19th– Century Italian Painting, New York 1992, S. 43–50. 169 Siehe dazu Ost, Hans: Das Leonardo–Porträt in der KGL. Bibliothek Turin und andere Fälschungen des Giuseppe Bossi, Berlin 1980.

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an den blinden Belisarius in Davids gleichnamigem Gemälde von 1781 (BILD T25). Neben dem Vorbild antiker Flussgottheiten ist die Sokratesfigur des Bildes „Tod des Sokrates“ das Vorbild zu der Figur eines Mannes links in der Zeichnung (BILD T26). Während Sokrates die Hand nach dem Schierlingsbecher ausstreckt, greift der Jude nach der Harfe. Beide mahnen mit dem Zeigefinger der anderen Hand. Die Figurenkonstellation von Paris und Helena aus Davids gleichnamigen Bild findet sich in dem zueinander gewandt sitzenden Paar rechts im Vordergrund (BILD T27). Obgleich die Zeichnung unvollendet blieb, wirkt sie überdeterminiert. Lebhaft erschließen die in die biblische Geschichte integrierten Halbakte den Raum. Bossi gestaltet einen Sog der Wehklage, die über den Vordergrund nach links hallt, sich dort in einer Kurve nach rechts über den Mittelgrund zieht und ins Unbestimmte verklingt. Bossi bildet damit ein Hoffnungsmotiv aus, wie es sich 1819 im Gemälde

„Das Floß der Medusa“ (BILD T28). des französischen Romantikers Théodore Géricault (1791–1824) monumental konkretisierte. Die Zeichnung des Künstlers gelangte in private Hände und hatte keinen Einfluss auf den nachfolgenden überraschenden Aufschwung und die außergewöhnliche Entfaltung des Motivs.

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Ferdinand Olivier und John Martin: Die landschaftliche Konkretion

Der Dessauer Ferdinand Olivier arbeitete zwischen 1825 und 1830 das Bildmotiv „Die trauernden Juden im Exil“ erstmalig als großformatiges Ölbild aus. Dabei kannte er die Zeichnungen von Blake und Bossi nicht, sondern wurde von anderen Vorbildern geprägt. Die konträren Auffassungen der Malerei Caspar David Friedrichs (1774–1840) und jene der Nazarener miteinander verbindend170, gestaltet Olivier das Bildmotiv aus der spätbarocken Tradition der Landschaftsmalerei, die durch den Einfluss Claude Lorrains (1600–1682) und Jacob van Ruisdaels (1628/29–1682) realistische Gehalte in die Landschaftskomposition eingeführt hatte. Der Tiroler Joseph Anton Koch (1768– 1839), der auf Olivier in Wien großen Einfluss ausübte, schuf daraus eine Durchdringung von idealer Landschaft und an der Wirklichkeit orientierter Vedute.171 Olivier malte eine an Landschaftsskizzen orientierte, ideale italienische Landschaft, die von Baumgruppen, Grote nennt sie das „Claudesche Requisit“172, und einem Regenbogen dominiert wird (KATALOG 3A, BILD K3). Ein Rhythmus von hellen und dunklen Plänen durchzieht den Bildraum. Das Bildpersonal „Die trauernden Juden im Exil“ belebt die Landschaft und erschließt sie räumlich. Sie sind Staffagefiguren, die den sublimen Charakter der Landschaft hervorheben. Die Komposition wird von einem höheren Standpunkt aus gesehen. Als unmittelbares Vorbild für Oliviers Gemälde dürfte Kochs „Heroische Landschaft mit 173 Regenbogen“ (BILD T29) gedient haben, von der mehrere Varianten existieren. Die erste Fassung schuf Koch 1805 für Giuseppe Carnesecchi, den Wirt des Café del Greco in Rom, die letzte und größte Fassung 1815174. Das auffälligste Motiv ist der doppelte, teilweise noch von dunklen Wolken hinterlegte Regenbogen, der

170 Siehe hierzu Märker, Peter: “Selig sind die nicht sehen und doch glauben“, Zur nazarenischen Landschaftsauffassung Ferdinand Oliviers, in: Städel–Jahrbuch, Neue Folge, Bd. 7, München 1979, S. 187–206; siehe außerdem Börsch–Supan, Helmut: Die Deutsche Malerei von Anton Graff bis Hans von Marées 1760–1870, München 1988, S. 207ff. 171 Vgl. Supan 1988, S. 181ff. 172 Grote, Ludwig: Die Brüder Olivier und die deutsche Romantik, 1938, S. 336. 173 „Heroische Landschaft mit Regenbogen“, 1805, 116,5 x 112,5 cm, Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle. Vgl. Lutterotti, Otto R. von: Joseph Anton Koch 1768–1839, Leben und Werk, mit einem vollständigen Werkverzeichnis, Wien, München 1985, S. 284, G10, Farbt. V. Die Naturvorlage für das Gemälde ist das Aquarell „Vietri am Golf von Salerno“, in dem Koch 1795 seine Vision Großgriechenlands, die unteritalienische Küste, in der Art der Schweizer Studien festgehalten hat. Vgl. ebd., S. 366, Z657, Abb. 95. 174 „Heroische Landschaft mit Regenbogen“, 1815, 188 x 171,2 cm, München, . Vgl. ebd., S. 290, G30.

58 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS DISPARATE ANFÄNGE innerhalb des hochrechteckigen Bildformats einen symmetrischen, halbrunden oberen Rahmen bildet und die Landschaft darunter zu einem „verdichteten Weltbild“175 zusammenfasst. Den Hintergrund nimmt eine bergüberragte Tempelstadt am Meer ein. Davor breiten sich unterschiedliche Erdzonen aus, die von Menschen belebt werden. Koch hat die Hauptgruppe links in den Vordergrund vor eine Baumkulisse gesetzt. Es ist ein Hirtenvolk mit Schaf– und Ziegenherden. Eine der Frauen weist auf die Lichterscheinung am Himmel.

In einem anderen Hauptwerk, „Landschaft mit dem Dankopfer Noahs“ (BILD T30) zeigt Koch biblische Figuren. Das ebenfalls in mehreren Fassungen existierende Gemälde entstand zwischen 1803 und 1815.176 Im Gegensatz zu „Heroische Landschaft mit Regenbogen“ sind die Figuren der Landschaft weniger untergeordnet. Noah und seine Sippe sind vor ein ödes, vom Wasser zerstörtes Land mit vielen Tieren gesetzt. Der weite Landschaftsraum bestimmt den Eindruck. Auf der linken Bildhälfte überfängt der von dunklen Wolken umgebene Regenbogen eine massive Bergkulisse, auf der die Arche aufgelaufen ist. Einige der Frauen rechts im Vordergrund blicken voller Erfurcht auf das von Gott geschenkte Naturphänomen. Olivier hat ein Resümee aus beiden Bildern Kochs gezogen. Er verteilt biblische Figuren, genauer „trauernde Juden“, in einer idealen Landschaft; dabei rückt die Historie in den Hintergrund und die Formen der Landschaft werden erhaben. Schlüssel ist der Regenbogen, auf den, wie bei den Gemälden Kochs, das Bildpersonal hinweist. Den Erneuerungsbestrebungen der religiösen Malerei nachkommend, bemüht sich Olivier um eine metaphorische Landschaftsdarstellung. Der Regenbogen, der seit Noah als Sinnbild für den erneuerten Bund Gottes mit den Menschen gilt177, besagt hier die Verheißung des künftigen Jerusalem. Olivier gestaltet also keine Klage über das gegenwärtige Unglück, sondern eine zeitumspannende Sicht auf den Ort der künftigen Erlösung.178 Das Motiv wird eschatologisch aufgeladen. In dieser Hinsicht ist das Gemälde Oliviers ein Werk im Sinne der Nazarener, die eine christlich gefärbte Malerei bevorzugten.

175 Lutterotti 1985, S. 53. 176 „Landschaft mit dem Dankopfer Noahs“, 1803, 86 x 116 cm, Frankfurt a. M., Städelsches Kunstinstitut. Vgl. ebd., S. 282, G4. Zu den anderen Fassungen siehe ebd., S. 289, G27, Abb. 33, G28, S. 290, G29. 177 Vgl. 1 Mose 9. Zum Regenbogen siehe Roters, Eberhard: Malerei des 19. Jahrhunderts, Themen und Motive, Bd. 1, Köln 1998, S. 272–289. 178 Vgl. Wille 1996, S. 315.

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Beinahe ein Jahrzehnt später illustrierte der Engländer John Martin in einem eigens initiierten Projekt die Bibel. Der für seine gigantischen Bildmaße bekannte Kollege William Turners (1775–1851) übertrug seine panoramahaften Bildmotive für die Bibelillustration ins Kleinformat. Analog zu Claude Lorrain (1600–1682) setzte Martin seine Figuren vor eine Landschaft mit monumentalen Architekturen, deren virtuose Perspektiven den Betrachter mit ins Bild ziehen und den Eindruck des Sublimen erzeugen.179 In dem kleinformatigen Blatt für Psalm 137 von 1835 sind die Figuren Vordergrundstaffage, um die monumentalisierte Landschaft und

Architektur zu beleben und die Größendimensionen zu akzentuieren (KATALOG 7A,

BILD K25). Martin entschied sich, die Szene als Nachtdarstellung zu zeigen, der die von Natur aus dunkle Technik des Schabdrucks zu Gute kommt. Mondlicht lässt die am Wasser trauernden Frauen hell erstrahlen, während die Umgebung im Dunkeln versinkt und teilweise silhouettenhaft aufblitzt. Weist Olivier durch den Regenbogen auf eine tiefere Bedeutung der Darstellung hin, sind „Die trauernden Juden“ bei Martin Beiwerk und Kontrastmittel einer überdimensionalen Natur– und Architekturlandschaft. Auch in einer überarbeiteten zweiten Fassung mit dem Titel „The Daughters of Jerusalem Weeping“ veränderte Martin nichts an dem Verhältnis Figur und Landschaft, hellte aber die Figuren der trauernden Frauen auf und wies im Titel explizit auf das Bildpersonal hin. Die Mezzotinta Martins weist schon voraus auf eine Entwicklung, die sich erst in den kommenden Jahrzehnten immer deutlicher herauskristallisierte: Ausschließlich Frauen verkörpern die „trauernden Juden“. Die Weiblichkeit als Ausdrucksträger, wie sie in einem späteren Kapitel besprochen wird, nimmt ihren Anfang bei Martin. Die Umsetzungen von Olivier und Martin blieben die einzigen Werke zum Bildmotiv, in denen der Landschaft ein höherer Stellenwert als dem Bildpersonal eingeräumt wurde.

179 Vgl. Leuschner, Vera: Art. zu “(2) Johann Heinrich Ferdinand Olivier”, in: Dict. of Art 1996, Bd. 23.; Humphreys, Richard: The Tate Britain Companion to British Art, London 2001, S. 121f.

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Adam Eberle als Exponent der Münchner Schule

In der Zeit zwischen Oliviers Gemälde von 1825/30 und Martins Bibelillustration von 1835 fertigte der aus Aachen stammende Adam Eberle 1832 kurz vor seinem Tod in Rom die Sepiazeichnung „Die Israeliten in der babylonischen

Gefangenschaft“ (KATALOG 6A, BILD K24). Eberle war einer der ersten Schüler von Peter von Cornelius (1783–1867) in Düsseldorf. Cornelius, ein wichtiger Vertreter der Nazarener, folgte nach einem längeren Romaufenthalt 1819 dem Ruf Ludwigs I. nach München, wo er 1820 mit der Ausmalung von zwei Sälen in der von Klenze erbauten begann; ein Jahr später übernahm er zusätzlich die Leitung der Düsseldorfer Kunstakademie. Er arbeitete im Winter in Düsseldorf und im Sommer in München, wo er mit einer Anzahl von Schülern seine Freskoentwürfe ausführte. 1824 machte Cornelius das Amt in Düsseldorf für den aus Berlin kommenden Wilhelm Schadow (1788–1862) frei, der den Grundstein für den Aufstieg der mit München konkurrierenden Düsseldorfer Malerschule legte. Cornelius trat 1825 in München den dortigen Direktorposten der Akademie an; Eberle folgte seinem Lehrer und half ihm bei der Ausgestaltung der Glyptothek, die bis 1830 dauerte. Cornelius sah in der Freskomalerei die Erneuerung der deutschen Kunst. Durch sein Wirken brachte er die Monumentalmalerei in München voran, während er der Landschaftsmalerei abgeneigt war. Gleich nach der Annahme der Direktorenstelle veranlasste er die Schließung der Landschaftsklasse, die bisher von Wilhelm von Kobell (1766– 1855) geleitet worden war.180 Die Mitarbeit an den Fresken der Glyptothek war für Eberle wohl die unmittelbarste Erfahrung und bildete den Grundstein seines Schaffens. Die beiden quadratischen Säle gestaltete Cornelius mit Bildprogrammen zur griechischen Götterwelt und zum Trojanischen Krieg aus.181 Bei allem Gedränge der Figuren und aller Dramatik achtete Cornelius gleichermaßen auf Entsprechungen, auf gestalterisches Gleichgewicht und auf eine straffe Gliederung. Rhythmische Bindungen der Figuren zu Gruppen und der Gruppen zum Bildganzen zeichnen

180 Vgl. Ludwig, Horst (Hg.): Münchner Maler im 19. Jahrhundert, München 1981, Bd.1, S. 187– 191; Ebertshäuser, Heidi C.: Malerei im 19. Jahrhundert, Münchner Schule, München 1979, S. 55ff.; Börsch–Supan 1988, S. 53ff., 210ff. 181 Vgl. Büttner, Frank: Peter Cornelius, Fresken und Freskenprojekte, Bd. 1, Wiesbaden 1980, S. 125–223.

61 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS DISPARATE ANFÄNGE die Kompositionen aus. Das Primat der Zeichnung, die Abstraktion des Sinnlichen auf die Linie und der Verzicht auf eine vegetabile Ausschmückung182 sind die Merkmale der Kunst Cornelius’. Unter diesem Einfluss entwarf Eberle ein komplexes Figurengeflecht im Kleinformat, in der die zeichnerische Bilderfindung an erster Stelle steht. Das mit 22 Figuren komponierte Blatt bildet das Heilsgeschehen allegorisch–narrativ unter dem Deckmantel der Babylonischen Gefangenschaft ab. Eberle ist der einzige Künstler, der zwei Psalmenverse miteinander kombinierte und beide unter der Zeichnung vermerkte. Der 126. Psalm als Bildunterschrift soll dem Betrachter den eigentlichen Inhalt der Zeichnung verdeutlichen: die Erlösung des Menschen. Eberles Umsetzung interpretiert das Bildthema zum ersten und einzigen Mal explizit christlich. Er konkretisiert den eschatologischen Sinn, der bei Olivier durch den Regenbogen angedeutet ist; dabei integriert er die jenseitige Komponente durch den in Wolkenbändern auffahrenden Ezechiel und konzentriert sich auf dessen Prophezeiungen in Kapitel 34, in dem das Kommen des wahren Hirten aus dem Hause Davids verheißen wird. Im Vordergrund stellt er das Leben und Sterben Jesu in drei Stationen dar. Es ist ein zutiefst religiöses Werk, in dem der Künstler selbst eine Rolle spielt: Eberle hat sein Bildnis in die Zeichnung gesetzt.183 Er ist der Totengräber, der vor dem Leichnam Jesu sitzt. Einige Motive können auf die Fresken in der Glyptothek zurückgeführt werden. Zentrales Motiv bei Eberle ist der babylonische Soldat, der aus einem Krug Wasser oder Wein in eine Schale gießt: ein im Psalm ungenanntes Motiv. Cornelius zeigt es in einem lünettenförmigen Wandfresko des

Göttersaals: „Der Olymp“ (BILD T31). Im Kreis der Götter steht Herakles auf seine Keule gestützt und hält in seiner rechten Hand ein Trinkhorn, in das Hebe ihren Trank gießt. Es ist die Begrüßung des Herakles im Olymp. Das erste Kosten des Nektars bedeutet die Vollendung der Vergöttlichung des Heros. Eberle hat diese Begrüßungszeremonie übernommen und ironisiert: Nicht der Jude, sondern der Babylonier selbst hält die Trinkschale. Heißen die Machthaber etwa ihre Gefangenen willkommen? Für die zu Boden gefallene Männerfigur findet man das Vorbild im Heroensaal.

Im Gewölbefresko „Das Urteil des Paris“ (BILD T32) erscheint auf der linken Seite

182 Vgl. Lammel, Gisold: Kunst im Aufbruch, Malerei, Graphik und Plastik zur Zeit Goethes, Stuttgart 1998, S. 354; Büttner 1980, Bd. 1, S. 220f. 183 Vgl. Förster, Ernst: Denkmale deutscher Baukunst, Bildnerei und Malerei, Leipzig 1857, Bd. 3, S. 30.

62 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS DISPARATE ANFÄNGE eine Erynie als Pendant des Flussgottes rechts. Im Gegensatz zu Cornelius, der die Seitenfiguren dem ungewöhnlichen Bildzuschnitt eines Trapezes einzupassen versuchte, setzt Eberle die Figur in die Mitte des Vordergrunds. Ganz der Schüler von Cornelius, war für Eberle die Originalität der Erfindung, die er als Entwurf festhielt, wichtiger als die eigenhändige Ausführung im Großformat. In Format und Gestaltung könnte die Zeichnung ein Freskenentwurf sein, der durch Eberles frühen Tod nicht realisiert wurde. Eberles Ausführung des Bildmotivs erfuhr möglicherweise deshalb keinerlei Nachahmung, weil es im Schatten eines großformatigen Gemäldes zum selben Thema stand: Eduard Bendemanns „Trauernde Juden im Exil“, mit dem ihm der künstlerische Durchbruch gelang. Peter Cornelius, der die Entstehung des Blattes vermutlich betreute, bekundete dem polnischen Diplomaten Graf Athanasius Raczynski (1788–1874), der gerade die erste Monographie zur Deutschen Malerei seiner Zeit verfasste184, sein Interesse an einem Vergleich zwischen Eberles Sepiazeichnung und Eduard Bendemanns großformatiger Ausführung in Öl. „A propositio Eberle! Hier gäbe es eine höchst interessante Paralise aufzustellen zwischen den gefangenen Juden Eberle’s und Bendemann’s – ein Feld um kritisches Talent (worauf es jetzt doch ankommt) zu entwickeln.“.185

Der geforderte Vergleich ist bei Raczynski angedeutet worden: „Ich hätte gern eine Abbildung aus dieser Zeichnung (gemeint ist Eberles Zeichnung, Anm. der Verfasserin) mitgetheilt, aber die Erlaubnis dazu ist mir verweigert worden. Meine Leser wären sonst in Stande gewesen, zwei Darstellungen eines und desselben Gegenstandes von zwei der bedeutendsten Künstler der beiden Malerschulen, zu München und Düsseldorf, von Bendemann und Eberle, miteinander zu vergleichen.“186

184 Sie erschien in französischer und in deutscher Sprache. Raczynski, Athanasius: Histoire de l’art moderne en Allemagne, 1836–1841; Geschichte der neueren deutschen Kunst, Berlin 1836– 1841. 185 Riegel, Herman: Peter Cornelius, Festschrift zu des großen Künstlers hundertstem Geburtstage, 23. September 1883, Berlin 1883, S. 335, Nr. 76. 186 Raczynski Athanasius: Geschichte der neueren deutschen Kunst, Bd. 2: München, Stuttgart, Nürnberg, , (Regensburg), Karlsruhe, Prag und Wien mit einem Anhang: Ausflug nach Italien, Berlin 1840, S. 226.

63 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS EDUARD BENDEMANN

2. Eduard Bendemann und die Typenbildung im Rahmen der Düsseldorfer Schule

Im selben Jahr wie Eberles Blatt entstand im Umfeld der Düsseldorfer Malerschule das Gemälde „Die trauernden Juden im Exil“ von Eduard Bendemann (KATALOG 5A,

BILD K5). Die Künstler gestalteten also ihre Werke unabhängig voneinander zur selben Zeit. Eberle starb noch nicht dreißigjährig am 18.4.1832. Bendemanns noch unfertiges Gemälde war im Juli 1832 in Düsseldorf in einer Ausstellung des Kunstvereins für die Rheinlande und Westphalen zu sehen.187 Während Bendemanns Gemälde sofort populär wurde, wurde Eberles Blatt erst am 11. Dezember 1832 im Schorn’schen Kunst–Blatt ausführlich besprochen.188 Der junge Düsseldorfer189 Bendemann kannte die Blätter von Blake, Bossi, Martin und Eberle freilich nicht, jedoch war es möglich, dass er die „Landschaft mit trauernden Juden“ von Olivier gesehen hatte. Schadow berichtet, dass die Reisegesellschaft, die nach Rom unterwegs war, am 17. September 1830 in Heidelberg bei Fritz Schlosser einkehrte.190 Dieser war es, der bei Olivier das Gemälde bestellt hatte und in Stift Neuburg bei Heidelberg bewahrte. Laut königlichem Ausstellungskatalog hat Bendemann das Gemälde allerdings nach eigener Erfindung geschaffen.191 Bendemann steht in der Tradition der Düsseldorfer Malerschule, die sich in der nachnapoleonischen Ära entwickelte, als das Rheinland 1815 zu Preußen kam. Die Malerschule stand im engen Zusammenhang mit der 1773 gegründeten und in den 1820er Jahren reformierten Düsseldorfer Akademie sowie dem 1829 gegründeten Kunstverein. Unter dem Direktorat von Peter von Cornelius, 1821– 25, wurde die Akademie zu einem Zentrum nazarenisch–romantischer Monumentalmalerei mit großen Bildinhalten. Cornelius gab jedoch 1825 seine Stellung im preußisch regierten Düsseldorf auf und ging nach München, da er glaubte, seine Idee von der Erneuerung der Kunst durch die Wandmalerei besser

187 Vgl. Krey 2003, S. 106. 188 Vgl. Handzeichnungen, in: Kunst–Blatt 1832, Nr. 99, S. 393f. 189 Bendemann war von Geburt Berliner; da er aber zum Aushängeschild der Düsseldorfer Malerschule wurde, soll für ihn in dieser Arbeit die Bezeichnung „Düsseldorfer“ erlaubt sein zur Unterscheidung der Münchner Schule mit Eberle. 190 Vgl. Schadow, Wilhelm: Bemerkungen auf der Reise von 1830, in: Jahresbericht der staatlichen Kunstakademie Düsseldorf 1945–1947, S. 61. 191 Vgl. Börsch–Supan, Helmut (Hg.): Die Kataloge der Berliner Akademie–Ausstellungen 1786– 1850, Bd. 2, Berlin 1971, 1832, Nr. 41.

64 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS EDUARD BENDEMANN am bayerischen Hof verwirklichen zu können.192 Sein Nachfolger wurde Wilhelm Schadow, ein der Bildnismalerei verbundener Berliner Maler. Obwohl beide Künstler zu den Nazarenern gehörten, entwickelte Schadow einen anderen Stil als Cornelius an der Münchner Akademie. Die Vorherrschaft der gezeichneten Kartons war hiermit gebrochen. Bewegliche Leinwandbilder statt Fresken wurden bestimmend. Der Anspruch auf Monumentalität wurde ins Leinwandbild aufgenommen. Dem neuen Direktor folgten aus Berlin sieben Schüler – unter ihnen Eduard Bendemann –, die als eine Vervielfältigung und zugleich als Modifikation von Schadows Kunstideal die Schule prägten. Schadow kam aus der Schule des Karl Wilhelm Wach (1787–1854), der Stil und Erziehungsmuster Jacques Louis Davids auf dem Umweg über Rom nach Berlin gebracht hatte. Im Gegensatz zu Cornelius, dessen Schulbetrieb dem der Malerfürsten der Hochrenaissance glich, pflegte Schadow eine enge freundschaftliche Bindung zu seinen Schülern. Dieser Schülerkreis dürfte Schadows Kunstverständnis, dem die Idee des „Poetischen“ zugrunde liegt, gut gekannt haben: nämlich das „unsichtbare Band zwischen der Seele und ihrem Schöpfer“ in der malerischen Anschauung sichtbar werden zu lassen. Die künstlerische Verfahrensweise dazu ist die Synthese von Idealismus und Naturalismus.193 Nach Cornelius’ Konzentration auf die monumentale Freskomalerei führte Schadow in Düsseldorf die Ölmalerei und den Realismus ein. Obwohl er dem religiösen Historienbild den höchsten Rang zuwies, ließ er an der Akademie den anderen Gattungen genügend Spielraum. Die frühe Düsseldorfer Malerei entwickelte einen sinnlich–innerlichen, gefühlsbetonten Stil. Idealität, poetische Stoffe, lyrisch–weiche Empfindung und eine naturalistische Auffassung des Gegenstandes durch Technik und Kolorit zeichneten die Historienbilder im engeren Schadowkreis aus.194 Wahre Empfindung, Würde und Einfachheit sind die Säulen einer erneuerten religiösen Malerei. Den Betrachter zum Mitfühlen anzuregen, ist eine auf Leon Battista Alberti – in seinem Werk „De Pictura“ von 1435 formuliert – zurückreichende Anforderung an die Historienmalerei. Sanfte

192 Der preußische König Friedrich Wilhelm III. bevorzugte nicht das Fresko, sondern die Ölmalerei. Vgl. Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, Berlin 1927, Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III., S. 457. 193 Vgl. dazu Tucholski, Barbara Camilla: Friedrich Wilhelm von Schadow 1789–1862, künstlerische Konzeption und poetische Malerei, Diss., Bonn 1984, S. 159ff. 194 Vgl. Mai, Ekkehard: Die Düsseldorfer Malerschule und die Malerei des 19. Jahrhunderts, in: Kalnein, Wend von (Hg.): Die Düsseldorfer Malerschule, Mainz 1979, S. 23ff.

65 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS EDUARD BENDEMANN und stumme Trauer, Versunkenheit und Sehnsucht, nicht kriegerisches Geschehen ist eine Auffassung, wie man sie in Düsseldorf noch 1838 vertrat: „Das menschliche Leiden in seinen verschiedenen Abstufungen vom häuslichen, alltäglichen Jammer bis zum starren, stummen Schmerze eines unrettbaren Verderbens wurde ziemlich ausgebeutet, wenn auch noch nicht lange so, daß in Zukunft den Begabten der Weg zu eclatanten Entdeckungen verschlossen wäre.“195

Bereits 1840 aber konstatierte Karl Immermann (1796–1840), der in Magdeburg geborene Schriftsteller und Theaterintendant des Düsseldorfer Stadttheaters: „Jetzt beginnt das Blatt sich zu wenden. Eine Umstimmung der Meinung naht ganz sichtbar an. Zwar bestellen und kaufen die Liebhaber noch reichlich, aber das Urteil der Stimmführer spricht schon seit einigen Jahren häufig vom Düsseldorfer Schmerz, von der Weichlichkeit, vom stereotyp gewordenen Brüten.“196

Der „Düsseldorfer Schmerz“ begann mit Carl Friedrich Lessing (1808–1880), dem Großneffen von Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781). Lessing studierte zunächst in Berlin Landschaftsmalerei. Durch den Einfluss Wilhelm Schadows, dem er 1826 nach Düsseldorf folgte, malte er seine ersten Historien. Im Winter 197 1828/29 entwarf Lessing „Das Trauernde Königspaar“ (BILD T33), das er 1830 großformatig ausführte. Es ist ein Auftragswerk des Preußischen Kunstvereins zu Berlin, das bald nach Russland gelangte, aber durch einen Kupferstich bekannt wurde198; ein Erstling einer ganzen Reihe von Kompositionen mit trauernden Figuren. Ludwig Uhland (1787–1862), der vor allem durch seine Lieder und Balladen zu Dichterruhm gelangt war, regte Lessing zu diesem Hauptwerk der Düsseldorfer Malerschule an. Der Künstler bezog sich auf die letzte Strophe von Uhlands Romanze „Schloß am Meer“199 von 1805. Lessing stellt auf ergreifende

195 Püttmann, Heinrich: Die Düsseldorfer Malerschule und ihre Leistungen seit der Einrichtung des Kunstvereins im Jahre 1829, Leipzig 1838, S. 91. 196 Immermann, Karl: Düsseldorfer Anfänge. Maskengespräche (1840), Ders.: Werke in fünf Bänden, hrsg. von Wiese, Benno von, Bd. 4: Autobiographische Schriften, Frankfurt a. M. 1973, S. 646. 197 Öl auf Leinwand, 206 x189 cm, St. Petersburg, Eremitage. 198 Vgl. Müller von Königswinter 1854, S. 110. 199 „Wohl sah ich die Eltern beide, Ohne der Kronen Licht, Im schwarzen Trauerkleide; Die Jungfrau sah ich nicht.“ Aus: Ludwig Uhland Werke, hrsg. von Schwab, Hans–Rüdiger, Bd.1: Gedichte, Dramen, Versepik und Prosa. Frankfurt a. M. 1983, S.139.

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Weise die Trauer im königlichen Schloß nach dem Tod der Königstochter dar.200 201 Zwei Jahre später folgte „Der trauernde Räuber im Gebirge“ (BILD T34), 1832 mehrere Darstellungen zur Ballade „Lenore“ von Gottfried August Bürger (1747– 1794). Für Lessings elegische Werkreihe kann eine Ahnenreihe klassizistischer und romantischer Vorbilder aufgeführt werden202, an deren Anfang Davids „Schwur der Horatier“ mit den in der rechten Bildhälfte trauernden Frauen steht.203 Die Trauer im „Horatierschwur“ wurde bereits von dem württembergischen Klassizisten Eberhard Wächter (1762–1852) in dem seinerzeit sehr berühmten 204 Gemälde „Hiob und seine Freunde“ (BILD T35) biblisch begründet. Sein großformatiges Hauptwerk hatte Wächter im Auftrag von Senator Don Abbondio Faustino, Fürst von Rezzonico (1742–1810), 1793 in Rom begonnen und seit 1808 in Stuttgart weitergeführt.205 Wächter bezog sich auf die alttestamentarische Geschichte von Hiob (Hiob 2, 11–13) und malte den vom Unglück Verfolgten mit seinen drei Freunden. Der dem französischen Akademismus verpflichtete Künstler schuf ein Übergangswerk:206 Im streng geometrisierenden Bildsystem sichtlich von David beeinflusst, wird bei Wächter jedoch schon die Konkretisierung der Trauer in Form von monumentalen Figuren in vorderster Bildschicht in einem biblischen Topos wirkmächtig. Der Künstler verzichtete auf alles Beiwerk. In völliger Reglosigkeit sitzen Hiob und seine Freunde da. Aus den horatischen Helden Davids sind trauernde Männer geworden. Vorbildhaft wirkte vermutlich auch die Trauergestalt in dem Fresko „Josephs Traumdeutung“207, das Wilhelm Schadow 1816/1817 in den Hauptraum der Wohnung des preußischen Generalkonsuls Jakob Ludwig

Salomo Bartholdy (1779–1825) im Palazzo Zuccari in Rom malte (BILD T36). Die

200 Eine sehr eindringliche Beschreibung liefert Raczynski 1836 im ersten Band seiner „Geschichte der neueren deutschen Kunst“, S. 125f. 201 1830, Öl auf Leinwand, 42,2 x 48,6 cm, Philadelphia, Pennsylvania, Philadelphia Museum of Art. 202 Vgl. Leuschner, Vera: Der Landschafts– und Historienmaler Carl Friedrich Lessing (1808– 1880), in: Kalnein 1979, S. 89. 203 Vgl. Becker, Wolfgang: Paris und die deutsche Malerei 1750–1840, München 1971, S. 49. 204 Öl auf Leinwand, 194,6 x 274,5 cm, Stuttgart, Staatsgalerie. 205 Vgl. Köster, Paul: Eberhard Wächter (1762–1852). Ein Maler des deutschen Klassizismus, Diss., Bonn 1968, S. 170f, Nr. 58; Mai, Ekkehard, Repp–Eckert, Anke (Hg.): Triumph und Tod des Helden, europäische Historienmalerei von Rubens bis Manet, Ausst., Mailand 1988, S. 338f. 206 Vgl. Möseneder 1996, S. 113. 207 Szene aus dem Freskenzyklus der Casa Bartholdy in Rom. 1816/17, 234 x 235 cm, Berlin, . Vgl. dazu Donop, Lionel von: Die Wandgemälde der Casa Bartholdy in der National–Galerie, Berlin 1889; Büttner 1980, Bd. 1, S. 76ff.; McVaugh, Robert Eastburn: The Casa Bartholdy Frescoes and Nazarene Theory in , 1816–1817, o. O. 1981.

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Gefangenen, die im Kerker auf Entscheidung über Leben und Tod warten, hören Josephs Erklärung. Während der Mundschenk begnadigt werden wird, hört der Bäcker von seiner bevorstehenden Verurteilung. Niedergeschlagen sitzt er mit übereinandergeschlagenen Beinen da und blickt zu Boden. Haltung und Ausdruck der Figur führen zu Bendemanns zentral sitzender Männergestalt in den „trauernden Juden“. Als weiteres in der Ahnenreihe könnte man das Cornelius–Fresko „Die 208 Zerstörung Trojas“ (BILD T37) im Heroensaal der Münchner Glyptothek ansehen. Nach dem bei Cornelius bekannten Schema ist das Fresko um eine Mittelgruppe komponiert: um Königin Hekabe und ihre Töchter und Schwiegertöchter. Um das Motiv der Trauer arrangiert Cornelius die Handlungsstränge. Als Vorbild für die kompositionelle Zusammenführung der trauernden Figuren des Hiobs, des Josephs und der Hekabe nahm Bendemann das Gemälde 209 „Glaube, Hoffnung und Liebe“ (BILD T38) von Heinrich Maria von Hess (1798– 1863). 1819 entstanden, wurde es in Deutschland durch eine eigens vom Künstler angefertigte Lithographie und einen Stich von Franz Hanfstaengl bekannt.210 Unter einem halbrunden Rahmenabschluss sitzen die weiblichen Personifikationen von drei christlichen Tugenden unter einem Baum; sie geben die Anordnung der trauernden Juden Bendemanns vor.

Für die Darstellung und Reflexion von Gefühlen in Gemälden formuliert der Philosoph und Linkshegelianer Friedrich Theodor Vischer (1807–1887) im vierten Band seiner neunbändigen Werkreihe „Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen“ von 1853/54 den Begriff des „Situationsbildes“, das in das Gebiet des „Lyrischen“ gerät: „Den Standpunkt des Lyrischen betritt die geschichtliche Malerei in der Darstellung subjektiv bewegter Momente, die nicht unmittelbar zur Handlung gespannt, vielmehr meist als Nachklang einer vorhergegangenen Handlung und tiefe Empfindung des Schicksals erscheinen. Das Situationsbild im engeren Sinne dagegen stellt sich zwar auf den Schauplatz der Handlung, ergreift aber Arten des Tuns oder Lagen aus einer Reihe von Taten und

208 Das Lünettenfresko „Die Zerstörung Trojas“ entstand im Rahmen der Ausmalung des Götter– und des Heldensaals der Glyptothek in München (1818–1824), die im 2. Weltkrieg zerstört wurden. Vgl. dazu Büttner 1980, Bd. 1, S. 125–223. 209 1819, Öl auf Holz, 59 x 67,5 cm, St. Petersburg, Eremitage. 210 Vgl. Asvarishch, Boris I.: The Hermitage, Catalogue of Western European Painting, German and Austrian Painting, Nineteenth to Twentieth Centuries, Florenz 1988, Nr. 84.

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Schicksalen, die ihrer Natur nach eine zur Beobachtung des Seelenlebens einladende Dauer zeigen, (…)“211

Nach Vischer gehört das Gemälde von Eduard Bendemann „in dieses rein psychologisch subjektive Gebiet“212. Der Düsseldorfer führt das Thema, das Lessing mit seinen trauernden Gestalten begann, mit der 1832 vollendeten, aber schon 1830/31 in Italien begonnenen Komposition „Die trauernden Juden im Exil“ zum Höhepunkt. „Dieses Bild ist voll Schmerz und Verzicht, man kann es nicht genug loben hinsichtlich des Ausdrucks, der höchsten Auffassungsgabe, der Großartigkeit der Formen und der Reinheit, Klarheit und Bescheidenheit der Farben. Es verdeutlicht wahrhaft das Jetzt ohne Zukunft, eine Erde ohne Himmel, den erhabenen, gleichgültigen Blick der Verzweiflung inmitten des täglich wachsenden Leides. Ohne Zögern können wir behaupten, daß diese Leinwand als der Höhepunkt des bisher in der Düsseldorfer Schule Geschaffenen zu betrachten ist. Die Qualitäten dieses Bildes sind so offensichtlich, daß sie sogar die Gleichgültigkeit unserer Landsleute zu besiegen vermochten, die sonst eher selten zu spontaner Bewunderung neigen. Dieses Bild hat einen wahren Enthusiasmus in großen Teilen Deutschlands ausgelöst, es wurde schon in Kupfer gestochen, und ein Platz in allen Schaufenstern ist ihm sicher.“213

Weshalb ein Bildgegenstand, der die Trauer biblisch begründet, einen weitaus größeren Erfolg erfahren hat als Lessings „Trauerndes Königspaar“, erläutert der Philologe Otto Gruppe (1804–1876). Er bewertet in der Ausstellung der Königlichen Akademie der Künste 1832 die „Trauernden Juden“ höher, weil Bendemann sich nicht auf den subjektiven Inhalt eines lyrischen Gedichts bezog, sondern einen welthistorischen, biblischen Gegenstand als Motiv nahm. „Der starre Schmerz, noch die Unbegreiflichkeit des Geschicks, die erste Betäubung des gewaltigen Schlages war es dort (Trauerndes Königspaar, Anm. der Verfasserin); hier (Trauernde Juden, Anm. des Verfassers) nun ist es ein Schmerz, der schon gedauert hat, und noch eben so dauern wird; dort mehr Heftigkeit, mehr Ungestüm, mehr Sprachlosigkeit, hier ein zwar schon

211 Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder die Wissenschaft des Schönen hrsg. von Vischer, Robert, Bd. 4: Kunstlehre Bildnerkunst/Malerei, 2. Nachdr. der zweiten Auflage von 1923, Hildesheim, Zürich, New York 1996², S. 404. Siehe dazu außerdem Pochat, Götz: Friedrich Theodor Vischer: Gedanken zur Form und Funktion der Historienmalerei im 19. Jahrhundert, in: Mai, Ekkehard (Hg.): Historienmalerei in Europa, Paradigmen in Form, Funktion und Ideologie, Mainz 1990, S. 253–261. 212 Ebd., S. 405. 213 Immermann, Karl: De la peinture en Allemagne au XIXe siècle (1833), hrsg. von Karge, Henrik in: Immermann–Jahrbuch 3, Frankfurt a. M. 2002, S. 9–33 (dazu deutsche Übersetzung von Ansgard Danders im Internet unter www.immermann.de).

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ruhigeres, aber nur volleres Maß und, wenn es möglich ist, eine noch innerlichere Sprache; dort nur der Schmerz der Elternliebe um den Verlust einer blühenden Tochter, hier die Trauer einer Familie über die Austilgung eines ganzen Volkes vom Erdboden. (…) Bendemanns Gegenstand dagegen ist wahrhaft welthistorisch, durchaus populair, keiner Beihülfe bedürftig, überdies an sich reicher und größer:“.214

Dies dürfte auch der Grund sein, weshalb das Bildmotiv „der trauernden Juden“ in der Malerei des 19. Jahrhunderts einen wahren Aufschwung erlebte und sogar ins 20. Jahrhundert nachwirkte.

Den überwältigenden geschichtlichen Stoff hat Bendemann in einen engen Rahmen gebracht, der eine Gruppe von wenigen Figuren um einen gefesselten Greis umschließt.215 Die Figuren, die bei Olivier in einer idealen italienischen Landschaft verstreut sind, zeigt der Düsseldorfer in einem nahen Fokus zu einer pyramidalen Einheit verbunden vor einem orientalischen Landschaftsambiente. Im Unterschied zu allen oben beschriebenen Umsetzungen des Bildmotivs zeichnet sich Bendemanns Gemälde durch das Fehlen eines jeglichen Handlungsmotivs aus. Durch Stille und Erhabenheit wird eine gedrückte melancholische Stimmung hervorgerufen. Georg Gottfried Gervinus (1805–1871), Literaturhistoriker und einer der Göttinger Sieben, beschreibt dies in seinen Venetianischen (sic!) Briefen als „Empfindungen (…) über nicht gesehene Handlungen“216. Die Komposition ist allein vom zeitlosen Zustand der Trauer und des Schmerzes bestimmt. Die Trauer ruht in sich selbst, so dass Bedeutung und Sein zu einer Einheit verbunden sind. Entscheidend für die Stabilität des Bildgefüges ist die Inschrift auf dem Rahmen. Sie gibt die ersten beiden Verse von Psalm 137 wieder. Zwar hat Eberle unter seiner Sepiazeichnung ebenfalls Psalmenverse vermerkt, die den Bildgegenstand erläutern; neuartig bei Bendemann jedoch ist die Symbiose von

214 Gruppe, Otto: Ausstellung der Königlichen Akademie der Künste, in: Allgemeine Preußische Staats–Zeitung, 14. Oktober 1832, Nr. 286, S.1147. 215 Vgl. Kohut, Adolf: Eduard Bendemann, in: Allgemeine Zeitung des Judentums 1911, Nr. 48, S. 570. 216 Gervinus, Georg Gottfried: Venetianische Briefe über neudeutsche und altitalienische Malerei, in: Blätter für literarische Unterhaltung, 1839, Nr. 253, S. 1026. Gervinus spottet, „daß die Düsseldorfer fast alle sich nicht an eigentliche Actionen wagen. Wo sie auch historische Compositionen einmal geben, da weilen sie auf dem Momente der Empfindung, der Ruhe (…)“. Siehe außerdem Möseneder, Karl: Tizian als nationalpädagogisches Vorbild, Georg Gottfried Gervinus „Venetianische Briefe über neudeutsche und altitalienische Malerei“, in: Ecker, Hans– Peter (Hg.): Methodisch reflektiertes Interpretieren, Festschrift für Hartmut Laufhütte zum 60. Geburtstag, Passau 1997, S. 306.

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Rahmen mit Inschrift und Bildgefüge, wie es sie bei den nachfolgenden Werken nicht mehr so explizit geben sollte. Das Bildpersonal ist entsprechend den Worten der Psalmenverse verteilt: Das weinende, sich auf den Schoß des Harfners stützende Mädchen befindet sich auf der rechten Bildhälfte, wo in der Rahmeninschrift „und weineten“ zu lesen ist. Wenn die, wohlgemerkt deutsche, nicht lateinische oder gar hebräische Inschrift und die Fesseln um das Handgelenk des Harfners nicht wären, könnte die Gruppe auch für italienische Landsleute gehalten werden. Erst das Lesen des Verses, verbunden mit dem erkennenden Betrachten, vergegenwärtigt die Geschichte, denn die Freude des Menschen über das Wiedererkennen ist substantiell. „Die Menschen denken, und der Betrachter soll ihre Gedanken nachvollziehen.“217 Die historische Authentizität der alttestamentarischen Geschichte der babylonischen Gefangenschaft und die indirekte Gegenwartsbezogenheit der seit dem Exil in der Diaspora lebenden Juden erklären die emphatischen Reaktionen und das Bedürfnis, das biblische Geschehen ins 19. Jahrhundert zu projizieren. Die Popularität des Bildes wurde durch den Kupferstich Ferdinand Ruscheweyhs gewährleistet, den der Kunstverein in Düsseldorf 1831, noch vor Beendigung des Gemäldes, herausgab.218

Dem Bild wurde eine heilsgeschichtliche Aussage unterlegt und auch im Sinne eines Historienbildes ein exemplum virtutis: die Warnung, nicht vom Glauben abzufallen. „Die Trauer der „Hebräer im Exile“ ist uns nicht bloß durch die Quelle, die uns Nachricht davon bringt, ehrwürdig, sondern steht auch durch die Prophezeiungen, welche sich daran knüpfen und durch die Gefühle, welche sich darin aussprechen, mit dem christlichen Glauben in tiefer innerer Beziehung.“219

Das Gemälde sollte in St. Maria im Kapitol in Köln seinen Platz finden. Im Kirchenraum jedoch konnte dem Gemälde keine Sakralfunktion zugewiesen

217 Börsch–Supan 1988, S. 399. Die Formulierung bezieht sich bei Börsch–Supan auf Bendemanns Gemälde „Zwei Mädchen am Brunnen“, allerdings passt sie ebenso gut auf „Die trauernden Juden Im Exil“. 218 Vgl. dazu Achenbach, Sigrid: Eduard Bendemann 1811-1889, Die Werke in den Staatlichen Museen zu Berlin und im Mendelsohn-Archiv der Staatsbibliothek zu berlin Preußischer Kulturbesitz, Ausst., Berlin 2007, S. 91f, D 35, Abb. S. 95. 219 26. Juli 1832, General–Versammlung für das Jahr 1831, in: Verhandlungen 1831, S. 6. Zitiert bei Krey 2003, S. 106.

71 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS EDUARD BENDEMANN werden, zudem war es in Größe und Form nicht auf einen bestimmten Ort hin ausgelegt.220 Tatsächlich hat der evangelisch getaufte Bendemann das alttestamentarische Thema in subtiler Weise mit christlichen ikonographischen Bildmotiven angereichert. Unverkennbar ist die Affinität der links im Bild befindlichen Mutter mit Kind zur Muttergottes. Von der Komposition her wird das Auge des Betrachters auf sie gelenkt. Eine weitere christliche ikonographische Besonderheit ist der Weinstock, der die Weide umrankt. Es ist die Pflanze der Eucharistie.221 Nach Wille habe Bendemann durch den Weinstock den Sieg des Christentums über das durch die Weide bezeichnete Judentum symbolisieren wollen.222 Das Motiv der Hoffnung ist bei Bendemann wesentlich verborgener als bei Olivier mit dem Regenbogen und bei Eberle mit Ezechiel auf dem Wolkenband. Wie sehr die Assoziation mit Maria und dem Jesusknaben der Mutter–Kind– Gruppe im Gemälde Bendemanns von der Darstellungsweise abhängt, illustriert die Chromolithographie223 einer Bibelillustration, die um die Mitte des 19.

Jahrhunderts nach dem Original Bendemanns entstanden ist (BILD T39). Die Farben der Gewandung der Frau mit Kind und dem Greis wurden getauscht. Auch das Kopftuch der Mutter ist nicht mehr weiß, sondern orientalisiert mit rot–gelbem Streifenmuster. Die Analogie zu Maria mit dem Jesusknaben geht vollständig verloren. Desgleichen nimmt das blaue Gewand dem Alten seine prophetische Monumentalität. Die Lithographie erscheint durch die Überlagerung mit orientalischen Elementen vielmehr auf das Exotische reduziert.

Bezeichnend für die Düsseldorfer Malerschule und ihren Direktor Schadow ist der Realismus. Der Berliner Schadow malte vor seiner Düsseldorfer Zeit ausschließlich Bildnisse und empfahl die Porträtmalerei als Schulung für ein genaues Studium der Natur.224 Während Eberles Zeichnung weder vegetabile Elemente im Vordergrund noch architektonische Details im Hintergrund aufweist,

220 Vgl. ebd., S. 106ff. 221 „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“, Joh 15, 5. Vgl. auch KATALOG 5A, Anm. 28. 222 Zu den weiteren eschatologischen Botschaften des Gemäldes siehe Wille 1996, S. 308ff. Vgl. außerdem Platthaus, Andreas: Der Weinstock siegt über die Weide, Hoffnung statt Resignation: „Die trauernden Juden“ von Eduard Bendemann, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. August 1996, Nr. 182, S. 5. 223 Maße unbekannt, Privatbesitz. Prinzipiell gehört die Lithographie in den Katalog, es konnten aber leider keine genauen Angaben dazu ermittelt werden. 224 Vgl. Börsch–Supan, Helmut: Das Frühwerk Wilhelm von Schadows und die berlinischen Voraussetzungen der Düsseldorfer Schule, in: Kalnein 1979, S. 61.

72 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS EDUARD BENDEMANN besticht Bendemanns Ausführung durch die naturalistische Wiedergabe der Pflanzen im Vordergrundstreifen. Aber auch im Bildpersonal kommt der Realismus zum Tragen. Zwar sind die Figuren der Sixtinischen Decke entlehnt, doch haben die Gesichter die Züge von zeitgenössischen Personen. Bendemann paarte Kunstwerke des italienischen Cinquecento mit einer Porträtphysiognomie des 19. Jahrhunderts. Die Figur des mächtigen Harfners hat ihren Ursprung in der Gestalt 225 des Jeremias (BILD T40). und weist gleichzeitig die Gesichtszüge Schadows 226 auf. Die Darstellung Sealthiels und seiner Mutter in einer der Lünetten (BILD T14) wird bei Bendemann in der Mutter–Kind–Gruppe gegenwärtig. Aber auch

Michelangelos „Madonna auf der Treppe“ (BILD T41) ist zu erkennen. Das Gesicht der Mutter dagegen ist ein Porträt der zeitgenössischen Italienerin Francesca Primavera.227 Greifbar wurde der biblische Stoff durch die im Klassizismus entstandene Kunstform des Tableau vivant. Im Mai 1833 ließ Karl Immermann auf der Dürerfeier Bendemanns Gemälde „Die trauernden Juden im Exil“ als lebendes Bild nachstellen und von Otto Nicolais (1810–1849) Vertonung des 137. Psalm begleiten.228 Der preußische Komponist hat es einige Jahre später abgelehnt, den von Temistocle Solera (1815–1878) verfassten Text zu „Nabucco“ zu vertonen. Dass das Gemälde Bendemanns ein geeignetes Werk für ein Lebendes Bild ist, zeigt Edmund Wallner in seinem Kompendium „Eintausend Sujets zu Lebenden Bildern“229 von 1876: Er schlägt die Darbietung „der trauernden Juden“ als Marmorgruppe, also ganz in weiß vor. Zudem gibt er die Geschlechter der Darsteller – anders als im Original – als drei Herren und eine Dame vor. Offenbar sind es jetzt nicht mehr nur Frauen, wie Davids „Horatierschwur“ eindringlich vor Augen führt, die Trauer und Schmerz spürbar machen und sichtbar werden lassen.

225 Diesen Vergleich stellte bereits August Hagen an, in: „Ueber drei geschichtliche Gemälde der Düsseldorfer Schule, Königsberg 1833, S. 5f. „Vergleiche ich die Werke aller Zeiten und aller Schulen, so kann ich die Zusammenstellung nur als Eigenthum der Düsseldorfer Schule ansehn. Der patriarchalische Greis im rothen Gewande mit gelber Kopfbedeckung ist eine Welt des tiefsten und zartesten Gefühls. Michel Angelo’s Propheten, die ich am ersten ihm an die Seite stellen möchte, stehen von göttlicher Begeisterung erfüllt über die Menschheit erhaben, er ist ganz Mensch und dennoch über ihr.“. 226 Vgl. dazu KATALOG 5K. 227 Vgl. ebd. 228 Immermann, Karl: Briefe 1832–1840, in: Ders.: Briefe, hrsg. von Hasubek, Peter, Textkritische und kommentierte Ausgabe in drei Bänden, Bd. 2: 1832–1840, München 1979, S. 192. 229 Wallner, Edmund: Ein Verzeichnis mit mehr als 1000 kleineren wie größeren Genrebildern, historischen Gruppen und biblischen Tableaux, Erfurt 1876², S. 32.

73 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS EDUARD BENDEMANN

Aber nicht allein durch die Nachstellung des Gemäldes als Lebendes Bild und die Verbildlichung porträthafter Physiognomien wird ein Bezug zur Gegenwart hergestellt, sondern vor allem durch den tagespolitischen Hintergrund der Judenemanzipation, in deren Rahmen die jüdische Volksgruppe in das Staatssystem integriert wurde. Der Journalist und Schriftsteller Hermann Püttmann (1811–1874) zog bereits in seinem Buch „Die Düsseldorfer Malerschule und ihre Leistungen seit der Errichtung des Kunstvereins im Jahre 1829“ von 1839 die Parallelen. Püttman schreibt, dass Bendemanns Judenbilder (gemeint sind „Die trauernden Juden“ und „Jeremias auf den Trümmern Jerusalems“) „ein tiefernstes Wort hinein in die Tagesdebatten über Emancipation“ sprechen, da „die Beziehungen zur Gegenwart doch klar und deutlich“ hervortreten, obwohl „die Schilderung des Unglücks im Gewande der Vergangenheit erscheint“. 230 Die Meinung der Zeitgenossen machte das Gemälde Bendemanns zwar noch berühmter, doch führte sie auch zu einer politisch–assoziativen Überlagerung, die vom Künstler selbst sicherlich nicht beabsichtigt war. Es erfuhr sogar fast 80 Jahre später eine unmittelbare Einbindung in einen jüdischen Kontext und wurde bekrönender Bildteil eines Plakates, das Zalman Zwieg (Lebensdaten unbekannt) 231 um 1910 für die „Erinnerung an Jerusalem“ gestaltete (BILD T42). Etwa zur selben Zeit judaisierte der polnische Maler Wilhelm Wachtel

Bendemanns Gemälde (KATALOG 37A, BILD K97).

Zweifellos Bendemann nachahmend, führte Joseph von Führich, einer der orthodoxesten aus dem konservativ–katholischen Lager der Nazarener, dessen Werk in der Hauptsache der religiösen Kunst gewidmet ist, 1837 seine

Zweitfassung aus (KATALOG 8A, BILD K26), die „gewissermaßen als Protest gegen Bendemanns süßlich empfindsame Darstellung der „Gefangenen Juden“ gemeint war und wohl auch so aufgefasst wurde“.232 Obgleich Führich eine rechteckige Rahmenform wählt, wirkt das Gemälde auf den ersten Blick wie eine Paraphrase auf Bendemanns Komposition. Er integriert

230 Püttmann 1839, S. 43f. 231 Im Besitz der Gross Family Collection, Tel Aviv. Dabei handelt es sich um ein Misrach (Osten), das an der Ostwand der Synagoge in Richtung Jerusalem hängt und zur Orientierung für das Gebet dient. Wesentlich bekannter ist ein Misrach um 1900, in dem spiegelverkehrt das Gemälde „Jeremias auf den Trümmern von Jerusalem“ wiedergegeben ist. Als Rahmen dient ein Postament ohne perspektivische Tiefenwirkung, bestehend aus einem niedrig getreppten Sockel und einer Fassade, die als Lade aufzufassen ist. Siehe hierzu: Bendt, Vera: Judaika Katalog, Abteilung Jüdisches Museum, Berlin 1989, S. 376f, Kat. 288, Abb. S. 344. 232 Dreger, Moriz: Joseph Führich, Wien 1912, Bd.1, S. 173.

74 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS EDUARD BENDEMANN jedoch ein eigenes, das Bild dominierendes Motiv: Anstelle des trauernden, prophetengleichen Alten setzt er einen kraftvollen, jungen, christusähnlichen Mann ins Zentrum; der Alte – in sich gefallen – ist nach links versetzt. Auf der gleichen Verständnisebene wie Bendemann stehend, schafft Führich ein christlich gefärbtes Gemälde. Dabei behält er das bei, was Bendemann und schon vor ihm Blake und Bossi aufgelöst haben: Er trennt Männer und Frauen. Die linke Bildhälfte nehmen der alte und der junge Mann ein, während die rechte Bildhälfte der Frau mit Kind und dem jungen Mädchen vorbehalten ist. Keine Berührung, kein Blick verbindet die beiden Seiten; einzig der nach links gewandte Kopf der jungen Mutter deutet eine Zusammengehörigkeit an. Vielmehr haben die Personen ihr Pendant auf der jeweils anderen Seite. Die beiden inneren Figuren, der junge Mann und die Mutter, trauern in sich gekehrt, die beiden äußeren Gestalten, der alte Mann und am deutlichsten das Mädchen, schaffen eine Verbindung zur Außenwelt. Im Gegensatz zu Bendemann geht Führich sogar soweit, den Betrachter mit einzubeziehen, denn das der Vittoria Caldoni ähnelnde Mädchen fängt den Blick des Betrachters ein. Sie ist noch mehr „bildimmanente Reflexionsfigur“233 als die anderen. Dadurch und auch mit den ergreifenden Empfindungen des übrigen Bildpersonals, wie z. B der Mutter mit Kind, bewirkt Führich eine emphatische Sinnbildlichkeit. Ob diese „sich um einen Grad echter äußert“ 234, wie Paul Schmidt behauptet, sei dahingestellt. Obgleich das Gemälde kompositionell vielfältiger erscheint – Führich platziert eine weitere Person in Rückansicht gesehen hinter den Baum – büßt es an statuarischer Monumentalität ein. Vielmehr entsteht ein Element des Volkstümlich–Gemütlichen235, das die wenig gebrochenen Buntfarben noch bekräftigen. Trotz der großen Ähnlichkeit zur Ausführung Bendemanns soll Führich, laut einer eigenhändigen Notiz, das Bildthema schon während seines Romaufenthaltes 1827–1829 ausgearbeitet haben. Vermutlich wollte Führich dem Düsseldorfer Bendemann das Recht der Bilderfindung streitig machen. Der heutige Verbleib

233 Den Begriff „Reflexionsfigur“ ersann Werner Busch in: Ders. 1993, S. 148ff. „dieses nachsinnende Sichversenken einer Figur, das ein Sichversenken des Betrachters mit sich zieht“ ist eine Bilderfindung englischer neoklassizistischer Künstler der 1760er Jahre in Rom. Vgl. hierzu Sitt, Martina (Hg.): Angesichts der Ereignisse, Facetten der Historienmalerei zwischen 1800 und 1900, Düsseldorf 1999, S. 15f. 234 Schmidt, Paul Ferdinand: Jospeh von Führichs religiöse Kunst, Berlin 1920, S. 12. 235 Vgl. Börsch–Supan 1988, S. 406.

75 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS EDUARD BENDEMANN des Gemäldes ist zwar unbekannt,236 eine unvollendete Feder– Bleistiftzeichnung von 1828 (KATALOG 4A, BILD K4) gibt dennoch Aufschluss über die Ausführung in Öl. Wem nun das Recht der Bildschöpfung gebührt, kann nicht mehr nachgewiesen werden. Führichs Entwurf weist ein rundweg anderes Kompositionsschema auf, das weder mit der ca. sechs Jahre später entstandenen Zweitfassung noch mit Bendemanns Gemälde etwas gemeinsam hat. Es ist eine Eigeninterpretation des Malers. Obgleich das Gemälde durch die Wiener Kunsthandlung Ataria im Leipziger Kunstverein ausgestellt war237, scheint es keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen zu haben. Die unvollendete Zeichnung deutet auf ein vielfiguriges und bewegtes Bildgefüge hin, das von Anekdoten geprägt ist.

Einen ganz eigenen Zugang zu dem Thema der „trauernden Juden“ findet Carl

Oesterley in einer Radierung von 1841 (KATALOG 11A, BILD K30). Als Kunstgeschichtsprofessor war er sicherlich mit den meisten Ausformungen, die bis zu seiner Zeit entstanden waren, vertraut. Die dezentrierte Anordnung der Personen am Rande des Blattes und der Ausblick in der Mitte erinnert an William Blakes Bibelillustration. Da er sie aber vermutlich nicht gekannt hat, kann es als eigene Bilderfindung gewertet werden. Das Bildpersonal ist eindeutig von Bendemann beeinflusst. Am deutlichsten wird dies in der in Rückansicht gezeigten Figur des am Boden lagernden Mädchens, das Trost und Halt bei dem stehenden Greis findet. Auch die Frauen auf der linken Bildhälfte sind von Bendemann entlehnt. Die ältere Frau mit Kopftuch entspricht der Mutter mit Kind, das daneben kniende Mädchen der jungen Frau mit Harfe.

Die nicht zu unterschätzende Bedeutung der druckgraphischen Verbreitung238 hatte zur Folge, dass die Bilderfindung von Bendemann sogar in entfernten Winkeln Englands bekannt wurde. Dies demonstriert eine Glasmalerei der St Mary’s Parish Church in Stockport, in der Diözese Chester. Die im Lauf der Jahrhunderte verfallene Kirche wurde zwischen 1813 und 1817 vollständig

236 Nach Wörndle, Heinrich von: Joseph Führichs Werke, nebst dokumentarischen Beiträgen und Bibliographie, Wien 1914, S. 73, Nr. 404 befand es sich zuletzt in Privatbesitz in Prag. In der übrigen Literatur wird die Existenz dieses Gemäldes nicht bestätigt. 237 Vgl. ebd. In Raczynskis 1836, Bd. S. 168 ist das Gemälde „Die trauernden Juden im Exil“ von Eduard Bendemann durch einen Stich von Wright and Folkard in London abgebildet. 238 1851 kam in England eine weitere Reproduktion des Bendemann’schen Gemäldes von James Charles Armytage (ca.1820–1897) heraus.

76 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS EDUARD BENDEMANN wiederaufgebaut und erhielt Mitte des 19. Jahrhunderts im Zuge weiterer Veränderungen neue Glasfenster.239 Auf Höhe der Kanzel, an bedeutender Stelle also, erblickt man die Mittelgruppe des Gemäldes von Bendemann als

Glasmalerei im „By the Waters of Babylon and Jerusalem Window“ (BILD T43). Der Harfner und das auf seinem Schoß liegende Mädchen wurden eins zu eins übernommen. Die Figuren dahinter und links neben dem Alten sind freie Ergänzungen. Die Komposition des Düsseldorfers ist abbreviaturhaft in ein Hochformat gefasst.

Etwa zu der Zeit, als die Glasmalerei entstand, 1852, griff der junge Künstler Philip Calderon, gerade aus Paris zurückgekehrt, wo François Picot (1786–1868) sein

Lehrer war, das Thema der babylonischen Gefangenschaft auf (KATALOG 17A, BILD K41). Die Äußerung seines Künstlerkollegen George Adolphus Storey (1834 – 1919) gibt Aufschluss über die Popularität und auch Selbstverständlichkeit des Themas: “Calderon exhibited his first picture at the Academy in 1853. I remember it well, for we both made sketches of the same subject, which was “By the waters of Babylon there we sat down; yea, we wept when we remembered Zion”.240

Offensichtlich war Bendemanns Komposition Vorbild für den spanischstämmigen Engländer gewesen. Der trauernde, in die Ferne blickende Alte, auf dessen Schoß ein junges Mädchen wie hingegossen liegt, und die im Mittelgrund befindliche Mutter–Kind–Gruppe sind von Bendemann entlehnt. Auch die Konzentration auf einen einzelnen Baum erinnert an Bendemanns Bild. Doch wo der Deutsche einen authentischen „babylonischen“ Schauplatz geschaffen hat, setzt Calderon die Juden in eine herbstlich–nordische Landschaft mit laubarmen Bäumen, mit der die buntfarbenen Gewänder der trauernden Juden kontrastieren. Zudem verändert er den Bildort einiger Figuren. Hat Bendemann sein Bildpersonal im Querformat symmetriert, staffelt Calderon seines – bedingt durch das Hochformat – in den Mittelgrund. Dabei gelingt ihm ein wirkungsvoller Kunstgriff: Zwischen dem Greis und der Frau mit Kind öffnet sich der Blick auf eine seltsame Fratze. Calderon ist der einzige Künstler, der das Motiv eines grotesken Menschenkopfes verwendet,

239 Vgl. Westhall, Roy: Stockport, a Pictorial History, Shopwyke Hall, 1988, o.S. 240 Storey, George Adolphus: Philip Hermogenes Calderon, R.A., in: The Magazine of Art, 1898, S. 447. Storey selbst hat vermutlich kein Gemälde zu der erwähnten Skizze ausgeführt. Der Verbleib der Skizze ist unbekannt.

77 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS EDUARD BENDEMANN wie es aus den byzantinischen Psalterhandschriften bekannt ist. 1853, als das Gemälde in der Royal Academy ausgestellt war, kam der byzantinische Theodor Psalter in das British Museum.241 Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass Calderon den Flussgott, aus dessen Mund in der Illustration zu Psalm 137 die Wasser Babylons fließen, gesehen und im Nachhinein hinzugefügt hat.

Sogar außerhalb Europas wirkte Bendemanns Bilderfindung, wie es das 1858 entstandene Gemälde „La Cautividad de los Hebreos en Babilonia“ (KATALOG19A,

BILD K43) des mexikanischen Künstlers Joaquin Ramírez beweist. Er variiert zwar stärker als Calderon, dennoch ist die Wurzel für Ramírez’ Komposition bei Bendemann zu suchen, und zwar zu einem nicht unerheblichen Teil bei 242 Bendemanns 1836 gemaltem „Jeremias auf den Trümmern Jerusalems“ (BILD T44). Offensichtlich hat der Mexikaner die Komposition des Jeremiasgemäldes auf das Bildmotiv der trauernden Juden übertragen. Die Gruppe der Juden ist zentral vor einen großen Steinquader platziert, der an die Ruinen erinnert, auf deren Trümmern der Prophet sitzt. Die Figur des Jeremias findet ihr Spiegelbild in dem links sitzenden Mann mit dem roten Gewand. Er hat keine Schriftrolle in der Hand, sondern seinen Arm über eine Harfe gelegt. Um auf die Darstellung des Propheten nicht verzichten zu müssen, zeigt Ramírez einen Leviten mit gehörnter Mitra und Schriftrolle. Eine weitere Analogie zu dem Gemälde des Düsseldorfers ist auffällig: die Ausrichtung der Figuren. Bei Bendemann und bei Ramírez sitzen die zentralen Figuren, die Alten und die Frauen mit ihren Kindern, nach links gewandt; das Mädchen rechts bei Bendemann und der jüdische Priester rechts bei Ramírez sind isoliert von den anderen dargestellt. Der große Unterschied zu Bendemanns trauernden Juden zeigt sich in der Vielzahl der Personen, die verschiedene Stadien der Trauer und Verzweiflung präsentieren: von Resignation über Beten bis zum Händeringen und innerlichen Aufbäumen. Sie lassen sich aus der Komposition des Jeremiasgemäldes ableiten. Auch Anklänge an das Werk eines anderen Künstlers werden deutlich: an Paul 243 Delaroches (1797–1859) „Pilger am Petersplatz in Rom“ (BILD T45) von 1842.

241 Vgl. Siehe S.40f. in dieser Untersuchung. 242 1835/36, Öl auf Leinwand, 224 x 414 cm, ehemals Hannover, Leineschloss, nach 1943 zerstört. Deshalb soll hier eine farbige, im Kunsthandel befindliche Ölskizze als Beispiel dienen. 243 1842, Öl auf Leinwand, 164 x 205 cm, Poznan, Museum Narodowe.

78 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS EDUARD BENDEMANN

Hier ist das Motiv der am Boden sitzenden Frau und der auf ihrem Schoß lagernden Kinder vorgegeben. Die Kenntnis um die Gemälde des Düsseldorfers gelangte sicherlich über den Spanier Pelegrín Clavé (1811–1880), den Lehrer Ramírez’, nach Mexiko. Clavé lernte in Rom die Kunst der Nazarener kennen und führte sie als Direktor der Kunstakademie San Carlos in Mexiko in die dortige Kunstlandschaft ein.244 „Los asuntos sagrados son los más proprios para nostros porque estamos más a sus alcances, conocemos más el espíritu de esta religión y sobre todo los cuatrocentistas, nos han quedalo excelentes modelos para este género (…)“245

Das Bild mit dem alttestamentarischen Thema wurde zum Symbol für die Angst um die Unabhängigkeit des Landes, die die politische Entwicklung Lateinamerikas von 1825 bis 1870 prägte, d. h. die Gestalten des Bildes und die Aussage wurden mit einem neuen Hintergrund hinterlegt. Jeder, der das Gemälde ansah, verband das Bildthema mit dem zeitgenössischen Geschehen. 1851 wurde nur der dritte Akt von Verdis Oper „Nabucco“ in Mexiko aufgeführt: der Akt, in dem die gefangenen Juden an den Wassern Babylons von Heimweh und Schmerz singen; erst fünf Jahre später wurde die ganze Oper gezeigt.246 Die Umsetzung des Bildthemas von Ramírez blieb nicht die einzige, die mit zeitgenössischem und politischem Geschehen verknüpft wurde.247

Das Gemälde Bendemanns wurde nicht nur motivisch erwidert, sondern ironisch abgewandelt und zeitgenössisch reflektiert. Noch 1832 entstand das Gemälde 248 „Die trauernden Lohgerber“ (BILD T46) von Adolf Schrödter (1805–1875). In den ersten Düsseldorfer Jahren versuchte der Maler zunächst, sich der Gesinnung der Schadow–Schule anzupassen, aber bereits 1832 richtet sich Schrödter in seinem Genre–Realismus inhaltlich und formal gegen die sentimentale Richtung der

244 Clavé errang auf der Kunstakademie in Barcelona den Rompreis und durfte 1835 als Stipendiat nach Rom reisen. Dort entstand unter Overbecks Einfluss eine Reihe von Gemälden mit biblischen Inhalten. 1845 wurde er in Rom zum Direktor der Academia San Carlos in Mexiko gewählt und reiste 1846 nach Mexiko. Vgl. ThB 1912, Bd. 7; Moreno, Salvador: El pintor Pelegrín Clavé, Mexiko 1966, S. 7ff.; García Barragán, Elias: El arte académico en el extranjero, in: México en el mundo de las colecciones de arte, México moderno, Bd. 5, Mexiko 1994, S. 191ff. 245 Zitiert bei Rojas 1994, S. 286. 246 Vgl. ebd., S. 284. 247 Siehe zu Puccinelli S. 89f. und zu Richard-Cavaro S. 107f. in dieser Untersuchung. 248 Öl auf Holz, 33 x 30,5 cm, Frankfurt am Main, Städelsches Kunstinstitut.

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Düsseldorfer Malerschule.249 Nach Karl Gutzkow (1811–1878) geht das Gemälde auf ein „Berlinisches Sprüchwort“ zurück.250 Es handelt sich hierbei um die Redensart „Seine Felle davonschwimmen sehen“, die im Sinne von sich nicht erfüllenden Hoffnungen verwendet wird. Der Ursprung der Redensart bezieht sich auf den Beruf des Lohgerbers. Die Lohgerber gehören zur Zunft der Lederhersteller, deren Rohstoff Tierfelle sind. Da beim Gerbprozess viel Wasser benötigt wird, befanden sich schon früher Gerbereien direkt an Flussläufen. Der erste Arbeitsschritt eines Lohgerbers besteht in der Spülung des Fells in fließendem Wasser. Wenn dem Gerber dabei durch Unachtsamkeit die Felle davonschwimmen, gehen seine Hoffnungen auf den verdienten Lohn damit ebenfalls verloren. Genau diesen Moment hat Schrödter dargestellt. Die bewusste Parodie zeigt plumpe männliche Figuren, die auf einem schräg von rechts ins Bild führenden Steg am Fluss knien. Beide starren ohne Hoffnung, beinahe verzweifelt den für den Betrachter nicht mehr sichtbaren Tierfellen hinterher. Es ist der Augenblick vor dem Lamento. Gleich wird die Bühne, ein an sich stiller und friedlicher Ort, von Wehgeschrei erfüllt sein. Im Hintergrund sieht man mittelalterliche Häuser. In einem Hof davor binden vier Männer die gegerbten Tierfelle zusammen.

Adolf Friedrich Teichs’ (1812–1860) „Gefangene Griechen von Mamelucken 251 bewacht“ (BILD T47) von 1836 hingegen kann als typisches Historienbild des 19. Jahrhunderts betrachtet werden. Thematischer Hintergrund sind die griechischen Freiheitskämpfe gegen die türkische Herrschaft (1821–1830). Teichs hat Bendemanns Juden in ein zeitgenössisches griechisches Gewand gekleidet.252 Das Erstlingswerk des Künstlers der Düsseldorfer Malerschule galt als Erfolg, der zum größten Teil der Wahl des Vorbilds zu verdanken ist.

249 Dies wird allgemein in der Literatur so festgehalten. Siehe dazu Rosenberg, Adolph: Geschichte der modernen Kunst, Bd. 2: Die deutsche Kunst, Erster Abschnitt 1795–1848, Leipzig 1894², S. 389: Adolph Schrödter, (…), verspottete (…) nicht bloss diese ganze Gattung von Bildern, indem er 1832, also noch in ihrer höchsten Blüthezeit, seine (…) „Trauernden Lohgerber“ malte, sondern lieferte zugleich eine treffende Kritik dieser fragwürdigen Elegien, indem er nicht vergass, die Ursache ihrer Trauer, das fortschwimmende Fell, mit zu malen.“ Tatsächlich sind die Felle aber nicht zu sehen. Baumgart, Fritz: Idealismus und Realismus 1830–1880, Die Malerei der bürgerlichen Gesellschaft, Köln 1975, S. 73. 250 Vgl. Gutzkow, Karl: Wilhelm Schadow, in: Ders.: Gesammelte Werke, Bd. 2: Öffentliche Charaktere, Frankfurt a. M. 1845, S. 317. 251 Öl auf Leinwand, 185,5 x 247,5 cm, Münster, Landesmuseum. 252 Püttman 1839, S. 77 bemerkt: „Die Thessalonicher sind Bendemann’s Hebräer in griechischer Bekleidung“.

80 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS EDUARD BENDEMANN

„Nicht jedes Talent ist berufen in Kunst oder Wissenschaft selbstständige Bahnen zu brechen, aber wir dürfen unsere Anerkennung nicht verweigern, wenn wir den jüngeren Künstler mit Eifer der Richtung folgen sehen, welche von anderen bereits höchst glücklich bestimmt ward. Daß eine Vergleichung nahe liegt, daß sie manches Gute uns übersehen läßt, was uns ohne sie sehr gefallen hätte, ist natürlich: wir wollen deshalb den jungen Künstler nur loben, daß er sich ein solches Vorbild wählte wie es Bendemanns gefangene Juden in Babylon waren. Ein solches Nachstreben bringt uns mehr gute Bilder wie unzeitige Originalität ohne Beruf. (…)“253

Von der pyramidalen Komposition der Figuren im Zentrum des Gemäldes, die vor Tempelruinen lagern, bis hin zu Isolation der Einzelfigur erinnert Teichs Historienstück an Bendemanns „Trauernde Juden“. In der damals aktuellen Thematik des griechischen Freiheitskampfes und dem angeblichen lokalen Bezug der dargestellten Szene – ein 1835 entstandenes Aquarell studiert die Hintergrunddetails254 – manifestieren sich die Unterschiede.

253 Quast, Ferdinand von: Bericht über die Berliner Kunst–Ausstellung, in: Museum, Blätter für bildende Kunst, 1836, Jg. 4, Nr. 43, S. 335. 254 Vgl. Westhoff–Krummacher, Hildegard: Katalog der Gemälde des 19. Jahrhunderts im Westfälischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster 1975, S. 165.

81 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT

3. Ausdifferenzierungen im 19. Jahrhundert

Orientalisierung

Die Komposition Bendemanns, die durch eine Vielzahl von druckgraphischen Reproduktionen ikonographisch verbreitet wurde, prägte sich in das Gedächtnis des Bürgertums ein. Dazu bemerkt Karl Gutzkow 1837 ironisch: „daß man (…) die babylonischen Juden schon auf Strickmustern, Tabacksdosen und Bilderbogen zum Ausmalen für Nürnberger Tuschkastenkünstler erblicken kann.“255 Der Architekt und Kunsthistoriker Ferdinand von Quast (1807–1877) berichtet 1837 in der Zeitschrift „Museum“ von einem Gespräch aus dem Jahre 1834 mit François Gérard (1770–1837). Der Franzose besaß einen Kupferstich von Bendemanns trauernden Juden und meinte „seit Raphaels Zeiten kenne er nicht solche Composition, und er wünsche von Herzen dem Lande Glück, das solchen Künstler besitze“.256 Auch ein Brief von Mathilde von Waldenburg (1817–1884), Tochter des Prinzen August von Preußen, an Schadow belegt, dass Bendemanns Werke in Paris Aufmerksamkeit erregt haben. Am 26. Dezember 1845 schrieb sie: „Scheffer äußerte sich mit vielem Interesse und Kenntnis über deutsche Kunst und Kunstdichtung, lobte Bendemann’s trauernde Juden sehr, die hier viel mehr Eindruck gemacht hätten, als die Hussitenpredigt Lessing’s.“257

Bei dem in Holland geborenen und in Frankreich wirkenden Maler Ary Scheffer (1795–1858) traf Bendemanns Komposition auf einen künstlerisch religiös gepolten Nerv. Die Werke des niederländisch–französischen „Nazareners“ Scheffer, mit denen er nachhaltig seinen Schüler Charles Landelle258 beeinflusste, zeigen ein ähnliches Kunstverständnis wie Bendemann. In Scheffers Oeuvre bekam das von Vischer deklarierte „Lyrische Situationsbild“ einen außerordentlichen Stellenwert.259 So steht die Artikulation des Themas in Frankreich zunächst in der Tradition des von Bendemann erfundenen Bildtypus.

255 Gutzkow 1845, S. 314. 256 Quast, Ferdinand von: Gérard’s Urtheil über die neuere deutsche Kunst, in: Museum, Blätter für bildende Kunst, 1837, Jg. 5, Nr. 7, S. 50. 257 Waldenburg, Mathilde von: Briefe aus Frankreich an Herrn Direktor W. von Schadow, Gotha 1873, S. 37. 258 Siehe S. 101ff. in dieser Untersuchung. 259 Vgl. Körner 2000, S. 33.

82 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT

Zwar gab schon Paul Delaroche der französischen Historienmalerei eine neue Richtung und psychologisierte die Darstellung seiner Historienbilder, doch übten die Gemälde des „Düsseldorfer Schmerzes“ ebenso ihre Wirkung auf die Malerei in Frankreich aus.

1836 wurde das Schauspiel „Nabuchodonosor“260 des Dramatikers Auguste Anicet–Bourgeois (1806–1871) in Paris uraufgeführt. Es thematisiert die Eroberung Jerusalems durch den babylonischen König Nebukadnezar und das anschließende Exil. Die Schauspieler tragen exotische und orientalisierte Kostüme

(BILD T48), um die Fremdheit des Themas hervorzuheben. Ein Jahr später, 1837, stellte Romain Cazes sein Gemälde „Captivité des Juifs à Babylone“ (KATALOG 9A,

BILD K28) im Pariser Salon aus. Ob ein Zusammenhang besteht, kann nicht bewiesen werden, doch zumindest kann die Vermutung ausgesprochen werden, dass der junge, gerade aus dem Atelier von Ingres kommende Maler das Theaterstück gesehen und daraus Eindrücke verarbeitet hat. Im Kunst–Blatt von 1837 erwähnt der Bericht über den französischen Salon261 die Analogie von Cazes’ Ausführung mit der 1836 entstandenen Komposition „Die Tochter Jephtas“262 von Henri Lehmann (1814–1882), der auch ein Schüler Ingres 263 war. Das Gemälde ist heute verloren. Die kleinformatige Ölskizze (BILD T49) jedoch verrät auffällige Parallelen zwischen dem Gemälde von Cazes und dem von Lehmann, die wohl am deutlichsten in der Gestaltung der weiblichen Figuren und „in der etwas sonderbaren Art und Weise, wie man den Namen auf die Leinwand schreibt.“264 zu finden sind. Cazes, der das Gemälde seines Kollegen sicherlich gesehen hat, verarbeitet Elemente der Komposition, doch ist es vielmehr der Einfluss von Ingres, der beide verbindet. Auch wenn Cazes Lehmanns Gemälde vor Augen hatte, orientiert er sich motivisch und zu einem großen Teil auch kompositionell an Bendemann. Das sich auf die Knie des Alten stützende Mädchen rechts im Bild Bendemanns wird bei Cazes zu einer Rückenfigur, die sich auf der linken Bildhälfte an die Beine einer Frau lehnt. Auch

260 Anicet–Bourgeois, Auguste, Cornu, Francis: Nabuchodonosor, drame en quatre actes, Paris 1836. 261 Vgl. Collow, Eduard: Der Pariser Salon im Jahre 1837, I, in: Kunst–Blatt 1837, Nr. 41, S. 168. 262 Öl auf Leinwand, 170 x 195 cm, Collection des Ducs d’Orléans, verloren. Vgl. Aubrun, Marie– Madeleine: Henri Lehmann 1814–1882, catalogue raisonné de l’oeuvre, Nantes 1984, S. 79, Nr. 133. 263 Öl auf Leinwand, 23,2 x 30,2 cm, Dijon, Privatbesitz. Vgl. Aubrun 1984, S. 79, Nr. 134. 264 Collow in: Kunst–Blatt 1837, Nr. 41, S. 168.

83 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT die eigenwillige Farbkombination ihrer Kleidung übernimmt Cazes, doch verwendet er sie entgegengesetzt: Über einem violetten Unterkleid trägt die Frau ein gelbes kurzärmeliges Obergewand. Der Franzose deutet die Lünettenform mit gemalten Bildelementen eines transluziden Farbspiels an. In der Tradition des „Zimmerorientalisten“265 Ingres stehend, gestaltet Cazes seine Komposition optisch sinnlicher: Zwar boten Bendemanns „Trauernde Juden“ dem Betrachter eine exotische Atmosphäre mit den orientalisch anmutenden Gebäuden eines fiktiven Babylon, dem Wüstenkastell, dem Euphrat und einem Anklang von südlicher Vegetation, so dass schon Friedrich von Uechtritz Bendemanns Werk unter dem Wort „Orientalismus“ zusammenfasste266, doch erst Romain Cazes, der als Sohn eines Archäologen mit dem Altertum vertraut war, vollzog den eingeschlagenen Weg in den Orient.267 Er hob das Orientalisch–Exotische durch ein leuchtendes Farbenspiel hervor und versinnlicht den Bildgegenstand: Es ist die erste orientalisierte Umsetzung des Bildmotivs. Der eigentliche Bedeutungsträger, die Trauer, wird exotisch aufgeladen. Der Beginn des Orientalismus in Europa läßt sich also auf den Anfang des 19. Jahrhunderts datieren. Ihm ging im 18. Jahrhundert die so genannte Turquerie voraus. Neben wachsendem Tourismus wirkte der Ägyptenfeldzug Napoleons 1798/99 stimulierend.268 So zeigt das Gemälde „Napoleon bei den Pestkranken 269 von Jaffa (11. März 1799)“ (BILD T50), das der Franzose Antoine Jean Gros (1771–1835) im Auftrag von Joséphine de Beauharnais (1763–1814) schuf, die erste große bildliche Manifestation des Orientalismus. Das Gemälde gehört zu den herausragenden Werken der Propaganda Napoleons und zeigt den unerschrockenen General im Hof einer als Lazarett umfunktionierten Moschee inmitten von Pestkranken. Wie einst Christus den Aussätzigen berührt hat, berührt Napoleon mit der bloßen Hand einen Kranken unter der Achselhöhle, also da, wo die Pestbeule sitzt. Ein Arzt versucht den Feldherrn davon abzuhalten.270 In der Komposition wird Gros’ Lehrer David und dessen Gemälde „Der Schwur der

265 Vgl. Leitzke, Angelika: Das Bild des Orients in der Französischen Malerei, von Napoleons Ägypten–Kampagne bis zum Deutsch–Französischen Krieg, Diss., Marburg 2001, S. 1, Anm. 4. 266 Vgl. Uechtritz, Friedrich von: Blicke in das Düsseldorfer Kunst– und Künstlerleben, Bd. 2, Düsseldorf 1838–1840, S. 99. 267 Vgl. Krey 2003, S. 117. 268 Vgl. LDK 1993, Bd. 5, Art. zu „Orientalismus“; Leitzke 2001, S. 13. 269 Öl auf Leinwand, 523 x 715 cm, Paris, Musée du Louvre. 270 Vgl. Brunner, Manfred Heinrich: Antoine–Jean Gros. Die napoleonischen Historienbilder, Diss., Bonn 1979, S. 141ff.

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Horatier“ gegenwärtig: Von ihm übernimmt Gros die Arkadenarchitektur, rückt diese jedoch aus der Bildsymmetrie. Völlig neuartig ist, dass bei der Gestaltung der Komposition die orientalistischen Elemente die klassizistischen Elemente überlagern. Die Antike wird als Muster zugunsten des Orients aufgegeben: Durch maurische Bogenformen, das Minarett und orientalische Zinnen entsteht ein exotisches Ambiente. Gleichermaßen verhält es sich mit dem Bildmotiv „Die trauernden Juden im Exil“: Der Orientalismus als westlicher Stil der Herrschaft und des Autoritätsbesitzes über den Orient271 überzieht die Darstellung von Bendemanns trauernden Juden. Dies zeigt sich bei Roman Cazes in der Darstellung der orientalisierten Kleidung und des exotischen Hintergrunds.

Das Fremde, der Orient begann nun mehr und mehr, die Maler und das Publikum zu reizen. Eugène Delacroix intensivierte die Reize des Sinnlichen auf wirklichkeitsnahe Art. Durch seine Reise nach Nordafrika im Jahre 1832 kam es zu einer grundlegenden Wende in der ästhetischen und stilistischen Entwicklung des Künstlers.272 Im Pendentif der vierten, der Theologie gewidmeten Kuppel der Bibliothek des Palais Bourbon, der Abgeordnetenkammer Frankreichs, sieht man das Gemälde „La Captivité à Babylone“ (KATALOG 12A, BILD K31), das Delacroix zwischen 1842 und 1844 schuf. Zwar rezipierte der Franzose die Komposition Bendemanns, was den historischen Wert der Bilderfindung des Deutschen untermauert – er zeigt eine Mutter–Kind–Gruppe und einen älteren Mann, die unter einem Baum lagern, – doch opferte Delacroix die große Form der malerischen Qualität.273 „Die Klage der Hebräer versinkt in der flimmernd farbigen Welt des Orients.“274 Delacroix erreichte die Umsetzung von Formen aus der Farbe, die bei ihm zum Akteur wird. Durch eine prachtvolle realistische Farbgebung machte er den Orient gegenwärtig. Ein maßgebendes, die Kunst des Orientalismus begleitendes Element kommt bei Delacroix noch hinzu: die Erotik. Im Werk des französischen Orientalisten Jean–Auguste–Dominique Ingres (1780–1867), einem Schüler Davids, begründet sich die Symbiose von Orientalisierung und Erotisierung mit der Darstellung von

271 Vgl. Said, Edward W.: Orientalism, London 2003, S. 4ff. 272 Vgl. Leitzke 2001, S. 140–156. 273 Eine von René Piot 1937 angefertigte Kopie (KATALOG 41A, BILD K102) zeigt, wie sich die Form durch die Reduktion von Farbe noch weiter auflöst. 274 Becker 1964, S. 268.

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Haremssklavinnen, die in dem Gemälde „Das türkische Bad“, entstanden zwischen 1859 und 1863, kulminiert. Doch schon 1814 kombiniert er mit der 275 Darstellung „Die große Odaliske“ (BILD T51) einen weiblichen Akt mit orientalischen Accessoires. Der Künstler, der den Orient nie bereiste, stützt sich bei seiner Darstellung von Haremsdamen auf literarische Quellen. Im Gegensatz zu dem realistischen Orientalismus von Delacroix wird der Orientalismus von Ingres zur Apotheose Erotik gewordener Malerei.276 Delacroix zeigt die trauernden, von Bendemann und Cazes noch so maßvoll gekleideten Juden teilweise entblößt. Wie ein Aquarell–Bleistiftentwurf (KATALOG

12B, BILD K32) dokumentiert, hat sich der Künstler erst bei der Endfassung zu einer erotisierten Optik entschlossen. Das Motiv ist Teil eines neubarocken Bildprogramms und in einen höheren ikonographischen Sinnzusammenhang gestellt: der Entstehung, Geschichte und Vernichtung der menschlichen Kultur, in der die babylonische Gefangenschaft als eine Epoche der religiösen Entwicklung von Bedeutung ist. Mit der Ausformung bei Eugène Delacroix festigt sich das orientalisierte Bildmotiv „Die trauernden Juden im Exil“. Der schon bei Bendemann in der Hintergrundstaffage angedeutete Exotismus bestimmt über Cazes zu Delacroix das gesamte Bildgefüge.

Thematisch angeregt und vermutlich zeitgleich mit Delacroix’ Gestaltung des Pendentifs „Captivité à Babylone“ fertigt Delacroix’ Mitarbeiter Louis de Planet zum gleichen Zeitpunkt wie sein Meister, wohl 1842/43, ein kleinformatiges

Gemälde mit dem Titel „Dernière Halte des Juifs emmenés en Captivité“ (KATALOG

13A, BILD K35). Im Gegensatz zu Delacroix orientiert sich Planet nicht an der Komposition Bendemanns, sondern erfindet ein narratives Bildgefüge mit mehreren Figuren. Dabei thematisiert er nicht allein die Trauer, sondern gestaltet ebenso einen Konflikt zwischen Sieger und Besiegtem links, zeigt angsterfüllte, vom langen Marsch erschöpfte Menschen mittig und einen rebellischen Juden rechts. Die gedrehte, sich aufbäumende Körperhaltung, die hinter dem Rücken gefesselten Hände der Figur haben ihre Wurzel in dem aus dem Grabmalsprojekt für Papst Julius II. stammenden „Rebellischen Sklaven“ von Michelangelo, der

275 „Die große Odaliske“ ist ein Auftragswerk für Caroline Murat geb. Bonaparte (1782–1839), der Königin von Neapel, 1814, Öl auf Leinwand, 91 x 162 cm, Paris, Musée du Louvre. 276 Vgl. Lemaire, Gérard–Georges: Orientalismus, Das Bild des Morgenlandes in der Malerei, Köln 2000, S. 198ff.

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schon seit 1794 im Louvre ausgestellt ist (BILD T52). Mehr noch dürften die manieristischen und barocken Derivate des Sklaven Michelangelos auf Planet eingewirkt haben, denn sie sind bärtig, wie der Jude in Planets Gemälde. Zwischen 1614 und 1618 schufen Pietro Francavilla (1548–1615), ein Schüler Giambolognas, und Francesco Bordoni (1580–1654) vier Skulpturen von gefangenen Männern, die ab 1635 den Sockel der Reiterstatue Heinrichs IV. am 277 Pont–Neuf schmückten (BILD T53). Ein weiteres Skulpturenquartett von Gefangenen konnte Planet im Invalidendom sehen. Einst säumten die vier, 1682– 85 von Martin Desjardins (1637–1697) geschaffenen Gefangenen, auch bekannt als die vier besiegten Nationen Spanien, Heiliges Römisches Reich, Brandenburg und Holland, den Sockel der Statue von Ludwig XIV. am Place des Victoires.278 Jede der vier männlichen Bronzefiguren drückt eine unterschiedliche Reaktion auf die Gefangenschaft aus: Rebellion, Hoffnung, Resignation und Trauer. Einer der

Gefangenen, genannt „Der Holländer“ (BILD T54), ist ein nackter Mann mittleren Alters mit kurzem Bart. Die energische Körperdrehung, die ein Sichaufbäumen impliziert, und die Beinstellung erinnern stark an Planets Gestalten. Obgleich die Gegenüberstellung von Babyloniern und Juden schon bei Blake – allerdings unbekannt gebliebener – Bildgegenstand war, zeigt Planets Ausformung zum ersten Mal eine brutal anmutende Drohgebärde eines Babyloniers gegen einen gefesselten, hilflos am Boden kauernden Juden. Dieser schreckensvollen Szene links stellt der Künstler die ebenfalls neuartige Figur eines aufsässigen, sich unter den Fesseln der Gefangenschaft windenden Juden gegenüber. Mit der Gestaltung des Motivs von de Planet beginnt wieder eine gefühlsmäßige Polarisierung – wie bei Blake schon aufgezeigt – zwischen zwei Figurengruppen: den würdevollen Unterdrückten und den machtvollen Unterdrückern.

Einen Schritt zu weit ging Jean–François Millet im Republikjahr 1848 mit seiner

Darstellung zum Bildthema (KATALOG 14A, BILD K36). Womöglich von der rüden Szenerie in Planets Darstellung ermuntert, machte er die Drohgebärde der babylonischen Soldaten zum Hauptmotiv. Nicht die Trauer, sondern Unterdrückung und Bedrohung durch die babylonischen Eroberer stehen im Mittelpunkt. Die vornüber gebeugten, den jüdischen Frauen die Harfe

277 Vgl. Bresc–Bautier, Geneviève: Art ou politique? Arcs, statues et colonnes de Paris, Paris 1999, S. 36–41. 278 Vgl. ebd, S. 64–68.

87 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT aufdrängenden Soldaten sind Derivate von Poussins „Tod des Germanicus“279

(BILD T55) von 1626. Hier stehen sie am Bett des sterbenden Feldherrn und bieten ihm Wein aus einem Kelch an. Millets Umsetzung der „trauernden Juden“ wurde von den Zeitgenossen als zu brutal empfunden, geriet schnell in Vergessenheit und erfuhr keinerlei Nachahmung.

Ab Planet wird es deutlich: Die Bildform, einst von Bendemann vorgegeben, verändert sich. Das orientalisierte Motiv beginnt sich mehr von der statuarischen Ruhe des Vorbilds Bendemann und dem lyrischen Grundton der Darstellung abzuwenden und ein szenisches Eigenleben zu entwickeln. Das Bild wird zum Ereignisbild und erzählt. Und noch etwas anderes ist bemerkenswert: Das Thema heißt in Frankreich von Beginn an, also seit Romain Cazes’ „Captivité des Juifs à Babylone“, die „Gefangenschaft der Juden in Babylon“, und nie „Les juifs pleureuses en exil“, „Die Trauernden Juden im Exil“. Immerhin hat die Darstellung Bendemanns maßgebenden Einfluss auf die Umsetzung zweier Künstler (Delacroix und Cazes), und das, obwohl der Titel eine ereignisreichere Thematik vermuten ließe. Bei Planet liegt der Einschnitt. Schon allein der Titel seines Bildes verspricht Narrativität.

Wie bereits dargelegt, wurde ab Ende der 1830er Jahre die Seelenmalerei der Düsseldorfer mehr und mehr abgelehnt. Karl Gutzkow wies 1837 entschieden die gemalte Reflexion zurück, indem er sich gegen Lessings „Trauerndes Königspaar“ und Bendemanns „Trauernde Juden“ wendet, die „erst durch Zuthat der Vernehmenden ergänzt werden müssen. Eine solche nothwendige Thätigkeit stört aber beim Gemälde die Einheit des Kunstwerkes und setzt es der Missdeutung aus.“280 Auch Vischer wendet sich 1842 dagegen: „Bendemann scheint geneigt zu sein, in jenem hinsterbenden Schlummerleben der Wehmut zu beharren.“281 Genauso verhielt es sich in Frankreich: Schon die entsprechende Kapitelüberschrift in Baudelaires Kritik des Salons von 1846 ist bezeichnend: In „Ary Scheffer und von den sentimentalen Affen“ heißt es:

279 Auftraggeber des Werkes war Kardinal Francesco Barberini. Öl auf Leinwand, 148 x 196,5 cm, Minneapolis, Institute of Arts. 280 Gutzkow 1845, S. 316f. 281 Vischer, Friedrich Theodor: Betrachtungen über den Zustand der jetzigen Malerei (1842), in: Ders.: Kritische Gänge, hrsg. von Vischer, Robert, Bd. 5, München 1922, S. 43.

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„Früher war das Publikum Ary Scheffer wohlgesonnen; es fand in diesen poetischen Bildern seine liebsten Erinnerungen aus großen Dichtern wieder und das genügte ihm. (…) Aber die Künstler, selbst die von mittelmäßiger Originalität, haben dem Publikum seit langem wahre Malerei gezeigt, die mit sicherer Hand und nach den einfachsten Regeln der Kunst ausgeführt ist: so wurde es der unsichtbaren Malerei nach und nach überdrüssig und ist Scheffer gegenüber heute grausam und undankbar. Und es tut recht daran!“282

Durch „unsichtbare Malerei“ die Vorstellungskraft des Bildbetrachters noch länger zu strapazieren, wurde nach und nach immer unbeliebter, vielleicht kann man sogar sagen, dass es lästig wurde. Das Bildmotiv entwickelte sich daher zu einer vielfigurigen, narrativ opulenten Komposition, in der dem Betrachter der Konflikt zwischen den Juden und den Babyloniern vor Augen geführt wird. Im Großformat konkretisierte sich dies bei dem Italiener Antonio Puccinelli. Im Gegensatz zu Delacroix ist er in seinem Gemälde „La Schiavitù degli Ebrei in

Babilonia“ (KATALOG 16A, BILD K38) einem akademisch geschulten Orientalismus verpflichtet. Das Gemälde entstand 1851 in Rom, wo Puccinelli den Zweitplatzierten des französischen Prix de Rome von 1850, William Bouguereau (1825–1905) kennenlernte. Im Februar 1851, früher als Puccinelli, begann Bouguereau die Idee für eine Komposition zur Thematik einer Stadtplünderung mit der darauf folgenden Wegführung der Menschen in die Gefangenschaft zu entwickeln. Das Gemälde „Les juifs emmenés en captivité“ (BILD T56), ein vielfiguriges und episodenreiches Gemälde, war das Ergebnis.283 Puccinelli, der das Gemälde vielleicht gesehen hat, schuf mit seiner Komposition das dazugehörige Pendant bzw. vervollständigte das historische Geschehen, das im Werk Bouguereaus den Anfang nahm.284 Im Gegensatz zu Bouguereau, der ein an den barocken Klassizismus Poussins erinnerndes Werk schuf, gestaltete Puccinelli ein romantisches Gemälde mit narrativen Elementen. Auch wenn Bouguereau Puccinelli die Beschäftigung mit der Thematik der babylonischen

282 Baudelaire, Charles: Juvenilia–Kunstkritik 1832–1846, in: Ders.: Sämtliche Werke/Briefe, hrsg. von Kemp, Friedhelm, Pichois, Claude und Drost, Wolfgang, Bd. 1, Darmstadt 1977, S. 259. 283 Das Gemälde wird im Kapitel „IV. Verwandte Bildmotive“ genauer besprochen. 284 Ein kleines Pastell mit einer unbestimmten biblischen Szene wird in der Literatur als Vorstudie genannt. Die aus der Wirklichkeit beobachtete Szene zeigt die Brotverteilung von Frauen an Frauen. Vgl. Durbé 1997, S. 18, 79. Beweisen konnte Durbé den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Pastell und Gemälde allerdings nicht. Die Szene mag durch ihren orientalisch anmutenden Charakter dem Stil des Gemäldes sicherlich verhaftet sein, doch hat sie mit der biblischen Ikonographie nichts gemeinsam.

89 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT

Gefangenschaft vorgegeben hat, so gab doch die politische Situation seines Heimatlandes Italien den entscheidenden Anstoß. Die Epoche des Risorgimento bestimmte die Politik Italiens zwischen 1815 und 1870 und umfasste sowohl den Kampf um die politische Befreiung von fremden Dynastien wie die der spanischen Bourbonen im Süden und die der österreichischen Habsburger im Norden als auch die Reichsgründung zum nationalen Einheitsstaat.285 Puccinelli fertigte das Gemälde zwar nach der 1848er Revolution, die in Frankreich begann, auf Italien übergriff und dort entscheidende Veränderungen hervorrief286, doch mutet seine Umsetzung des Themas resignierend an. Keine Anzeichen von Rebellion oder Widerstand, sondern einzig Trauer, Resignation und die Bedrohung durch die Babylonier beherrschen das Bild. Die Abendstimmung betont eher den lyrischen Charakter des Themas als den Appell an die Italiener, für die Erreichung eines gesamtitalienischen Nationalstaats zu kämpfen. Vermutlich hat Puccinelli Eindrücke aus der Oper „Nabucco“ des Komponisten Giuseppe Verdi (1813–1901)287 verarbeitet. Das am 9. März 1842 in Mailand uraufgeführte Bühnenwerk handelt von der Gefangenschaft der Juden in Babylon. Hinter dem Bild der Freiheitssehnsucht des jüdischen Volkes konnten die italienischen Patrioten ihre eigenen nationalen Forderungen erkennen. Verdi machte das Sehnen des jüdischen Volkes nach Freiheit zu einem Symbol für den

285 Vgl. Lill, Rudolf: Geschichte Italiens vom 16. Jahrhundert bis zu den Anfängen des Faschismus, Darmstadt 1980, S. 92ff. 286 Im Februar 1848 wurde im Königreich Sardinien–Piemont die konstitutionelle Monarchie mit Zweikammersystem eingerichtet; im Königreich Neapel–Sizilien kam es im Januar 1848 zu schichtenübergreifenden Aufständen, die König Ferdinand II. schließlich zwangen, ebenfalls eine Verfassung zu erlassen; und auch in der Toskana und im Kirchenstaat traten Verfassungen in Kraft. Im Kampf gegen die antiliberale, österreichische Fremdherrschaft übernahm König Karl Albert von Sardinien–Piemont die Führung der italienischen Staaten; nach anfänglichen Erfolgen unterlagen die Italiener im Juli 1848, und auch nach der Wiederaufnahme des Krieges im März 1849 konnten sie die Österreicher nicht bezwingen. Der Versuch, die Österreicher aus Italien zu verdrängen und einen selbstbestimmten, konstitutionell organisierten Staat zu schaffen, war gescheitert. Inzwischen war es im November 1848 in Rom zu radikaldemokratischen Erhebungen gekommen; der Papst floh vor den Aufständen aus Rom, und im Februar 1849 rief Giuseppe Mazzini in Rom die Republik aus, die sich bis zum Sommer halten konnte. Die Revolution war weitgehend gescheitert. Vgl. Lill 1980, S. 14ff. 287 Verdi wurde als Anagramm benutzt für die politische Parole „Vittorio Emanuele Re D’Italia“. Viktor Emanuel II., König von Sardinien–Piemont, galt als Hoffnungsträger in der Einigungsbewegung. 1861 bestieg er als Viktor Emanuel I. den Thron des geeinten Königsreichs Italien. Vgl. Pauls, Birgit: Giuseppe Verdi und das Risorgimento, Ein politischer Mythos im Prozess der Nationalbildung, Berlin 1996, S. 10; Engelhardt, Markus (Hg.): Verdi und seine Zeit, Laaber 2001, S. 364.

90 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT italienischen Widerstand gegen die Fremdherrschaft der Habsburger.288. Vor allem die Szene, in der der Chor der hebräischen Gefangenen „Oh membranza sì cara e fatal! Arpa d’or dei fatidici vati, Perquè muta dal salice pendi? (…)289“ singt, scheint in der Darstellung des Gemäldes festgehalten. Puccinelli war nicht der einzige, der das Bildmotiv in der Zeit des Risorgimento umsetzte. Der Neapolitaner Saverio Altamura (1822–1897), Mitbegründer der um 1855 entstandenen „Macchiaioli“290, war Mitkämpfer der Revolution von 1848 und musste nach der Niederschlagung ins Exil gehen.291 Drei Jahre später zeigte er im Caffè Michelangelo in Florenz neben zwei anderen Werken „Episodio della schiavitù degli ebrei“. Das Thema scheint also gerade nach den immensen politischen Umwälzungen die allgemeine Gefühlslage als zeitgenössischer Kommentar widerzuspiegeln. Bereits 1831 hatte Francesco Hayez (1791–1882) vaterländische Gefühle 292 bezeugt. Das monumentale Gemälde „Die Vertriebenen von Parga“ (BILD T57) stellt den Auszug der christlichen Bevölkerung aus der Stadt Parga dar, die 1818 von den Engländern an die Türken übergeben wurde.293

Obwohl in England die Bilderfindung von Bendemann durch Calderon leicht variiert übernommen wurde, schuf der präraffaelitische Künstler Simeon Solomon sechs Jahre später, 1858, mit der Tusche–Sepiazeichnung „By the Waters of

Babylon“ (KATALOG 20A, BILD K44) eine zwar kleinformatige, aber vielfigurige und narrativ reich strukturierte Komposition. Es ist die erste Umsetzung des Bildmotivs eines jüdischen Künstlers in England. Im England des 19. Jh. erlebte das Judentum einen entscheidenden Wandel seines Status’. Ließ Eduard I. (1239–1307) 1290 die Juden aus England ausweisen, durften sie 1656 unter Cromwells Protektorat wieder einwandern. Von der Mitte des 17. Jh. an hatten englische Juden im Vergleich zu den Judenverfolgungen auf dem europäischen Festland ein sicheres Leben. Anfang des 19. Jahrhunderts war die staatsbürgerliche Gleichstellung der Juden mit der Bevölkerung weitgehend durchgesetzt. In den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts

288 Vgl. Pahlen 1999, S. 157f. 289 Ebd. S. 99. 290 Vgl. Lankheit, Klaus: Von der napoleonischen Epoche zum Risorgimento, Studien zur italienischen Kunst des 19. Jahrhunderts, München 1988, S. 151ff. 291 Ebd. S.177. 292 Öl auf Leinwand, 210 x 290 cm, Brescia, Pinacoteca Civica. 293 Vgl. Röttgen, Herwarth: Historismus in der Malerei – Historismus in Italien, in: Mai 1990, S. 289.

91 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT begann sich dann eine Entwicklung abzuzeichnen, die zur Emanzipation der Juden führte.294 In diesem sozialgeschichtlich brisanten Umfeld war Simeon Solomon der erste jüdische Künstler, der sich auf Themen aus dem Alten Testament spezialisierte und dafür jüdische Modelle mit semitischen Gesichtszügen verwendete.295 Solomon kreierte im Gegensatz zu seinem jüdischen Lehrer Solomon Alexander Hart (1806–1881), Professor für Malerei an der Royal Academy und führender Exponent für Historiengemälde aus der englischen Geschichte und Literatur, ein neues Hybrid: die jüdische Historienmalerei. Bis zum frühen 20. Jahrhundert war es für einen Juden ziemlich unüblich, sich in der britischen Kunst so offensichtlich mit seiner Religion zu identifizieren.296 Das Werk des damals 17jährigen ist von der jüdischen Kultur und Tradition seiner Familie angeregt worden und damit Zeugnis seines Interesses und seiner Hingabe an Glaube und Ritus. Auffällig sind die vielen Kinder, die Liebe und Trost von den Erwachsenen erhalten. Der Schlüssel zu diesen Mutter–Kind–Gruppen ist der Bildtypus Madonna mit Kind und Heiligen des Trecento und Quattrocento. Die National Gallery besaß 1857 mehrere Gemälde mit dieser Ikonographie. So z. B. aus der Werkstatt des Botticelli ein Tondo „Die Jungfrau und das Jesuskind mit 297 dem Hl. Johannes und einem Engel“ (BILD T58). Solomon hat den Bildtypus friesartig aneinandergereiht; die Komposition endet nicht etwa an den Seiten, sondern ist von den Bildrändern überschnitten. Diese friesartige Abfolge leitet zur nächsten Novität in Solomons Ausführung des Motivs über. Zum ersten Mal werden archäologische Funde, wie z. B. die Reliefs aus Ninive, die der Archäologe Austen Henry Layard (1817–1894) entdeckte, vorbildhaft verwendet. Dies sollte einige Jahrzehnte später üblich werden.298 Zudem schlug Layard in seinem Buch „Discoveries in the Ruins of Nineveh and Babylon, with Travels in Armenia, Kurdistan, and the Desert” von 1853 erstmalig eine Verbindung zwischen Altem

294 Vgl. Battenberg 2000², S. 137ff. 295 Vgl. Kleeblatt, Norman L.: Jewish Stereotype and Christian Prototype: The Pre–Raphaelite and Early Renaissance Sources for Simeon Solomon’s Hebrew Pictures, in: Casteras, Susan P., Faxon, Alicia Craig (Hg.): Pre–Raphaelite Art in its European Context, London 1995, S. 121ff. 296 Vgl. ebd., S. 117. 297 Um 1490, Tempera auf Holz, London, National Gallery. 298 Austen Henry Layard grub ab 1845 im Auftrag des Britischen Museums in den assyrischen Königsstätten Nimrud und Ninive, um die großen Museen mit Bau– und Kunstwerken zu bestücken. Vgl. Könige am Tigris, Assyrische Palastreliefs in Dresden, Ausst., Dresden 2004, S. 33ff.

92 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT

Testament und den archäologischen Funden in Mesopotamien vor.299 Das Interesse an assyrischer Kunst verhalf Solomon zu einer authentischen Wiedergabe, die sich vor allem in Physiognomie, Kleidung und Attributen des Bildpersonals zeigt. Ein offensichtlicher Vergleich kann vor allem in der Darstellung der Barttracht der Babylonier durchgeführt werden: Ein Reliefstück im British Museum präsentiert den assyrischen König Assurnasirpal II.

(Regierungszeit 884–859 v. Chr.) unter einem Schirm auf seinem Streitwagen (BILD T59). Markant ist die Haar– und Barttracht des Königs und des Wagenlenkers, ein rechteckiger, ja kantiger langer Bart, der aus kleinen Zöpfen besteht. Genau solche Bärte zeichnen die Babylonier bei Solomon am linken Bildrand aus. Des Weiteren findet man die typischen Sonnenschirme bei der Prozession im Hintergrund. Die Darstellung wird archäologisiert. Die Treue zur Natur bzw. zu einer historischen Detailgenauigkeit vereint die Darstellung mit dem präraffaelitischen Ideal. Der englische Schriftsteller und Kunsthistoriker John Ruskin (1819–1900) bemerkt in “Modern Painters III” von 1856: „true religious ideal” zeigt „events historically recorded, with solemn effort at a sincere and unartificial conception.”300 Die Zeichnung “By the Waters of Babylon” ist im Gegensatz zu Solomons übrigen Werken unbekannt geblieben und hat keine Wirkung hinterlassen. Nach Vollendung ist sie bald in Privatbesitz gelangt und heute verschollen.301

Beinahe konträr zu Solomons Ausformung des Motivs präsentiert sich die Umsetzung des englischen Klassizisten Edward Poynter. Beide fertigten Bilder zur Bibelgalerie der Dalziel–Brüder, jedoch nur Poynter setzte Psalm 137 im Kontext der Dalziel’s Bible Gallery 1865 bildlich um (KATALOG 23A, BILD K61). Obgleich im Kleinformat ausgeführt, ist die detailreiche Zeichnung Poynters von großer Bedeutung. Neuartig an der Komposition Poynters ist, dass sie nicht die gemeine Bevölkerung Judas in der Gefangenschaft zeigt, sondern gemäß der biblischen Erzählung die reiche jüdische Oberschicht, verkörpert durch Frauen. Diese leben zwar in Wohlstand, können aber im Exil dennoch nicht glücklich werden. Dass der Künstler noch ganz Klassizist ist, verdeutlichen die maßvoll in Gewänder gehüllten Frauen, die sich in eleganten, beinahe dekadenten Posen dem Betrachter

299 Vgl. Seymour, Gayle: The Life and Work of Simeon Solomon, Diss., Ann Arbor 1987, S. 37. 300 Ruskin, John: Modern Painters, hrsg. von Barry, David, New York 1987, S. 315. 301 Vgl. KATALOG 20A.

93 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT präsentieren. Poynter, der ehemals im Kunstgewerbe tätig war, konzentriert sich mehr auf einen Orientalismus der Details. Im Gegensatz zu Delacroix verhüllt er die Weiblichkeit mit klassischen Gewändern und deutet eine Enthüllung in dem Motiv der Revelatio an, das in der rechts auf der Stufe sitzenden Frau gegenwärtig wird. Entsprechend dem Motiv der durch Gottes Hand entschleierten Synagoge302

(BILD T60), die ihre Verblendung abwirft, um die zentrale Bedeutung Jesu in der Heilsgeschichte anzuerkennen, so hebt die Jüdin ihren Umhang an, um das Geschehen hinter sich sehen zu können. Womöglich hat Poynter eine solche Darstellung gekannt und integriert. Bendemanns figürliche Konzeption ist bei dem Engländer nicht mehr zu erkennen. Der von einem Weinstock umrankte Weidenbaum wird von Poynter durch einen Ahorn ersetzt. Die Blattform ähnelt der des Weinblatts; jedoch ist eine Verwechslung durch Poynter höchst unwahrscheinlich, denn sicherlich war ihm die Symbolik des Weinstocks bekannt. Neben dem Ahorn sind Seerosen die einzigen vegetabilen Elemente, denn Poynter zeigt ein architektonisch befestigtes Ufer, das sich beim königlichen Palast befindet. Das ist neu und erfreute sich bei den darauf folgenden Umsetzungen des Motivs von englischen Künstlern enormer Beliebtheit.

Obgleich die Ecole des Beaux–Arts mit ihrem wichtigsten Wettbewerb, dem Prix de Rome303, das ganze Jahrhundert hindurch ausschließlich Themen aus der biblischen Geschichte oder der klassischen Mythologie stellte, bildete die Orientmalerei jahrzehntelang das Rückgrat des Salons. Erst spät, im Jahre 1873, wurde das Bildmotiv „Captivité des Juifs à Babylone“, mittlerweile als Thema bekannt und schon in vielen Umsetzungen im Salon ausgestellt, zum Thema des Prix de Rome de la peinture d’histoire.304 Beispielhaft für den ausgetragenen Wettbewerb sollen die Umsetzungen des

Erst– und des Drittplatzierten, Aimé Morot (KATALOG 26 1A, BILD K64) und Jean–André

Rixens (KATALOG 26 3A, BILD K69), des Prix de Rome von 1873 stehen; das Gemälde von Edouard Debat–Ponsan, dem Zweitplatzierten, ist verschollen (KATALOG 26 2A,

302 Wie z.B. in dem Sakramentar von Tours, 1150–1200. Vgl. dazu Judentum im Mittelalter, Ausst., Eisenstadt 1978, S. 109ff. 303 Der Prix de Rome war für Kunststudenten die begehrteste Auszeichnung und galt als Sprungbrett zu höchsten akademischen Ehren. Daneben ermöglichte er den Gewinnern einen vierjährigen Aufenthalt an der Französischen Akademie in der Villa Medici in Rom. Siehe hierzu Grunchec, Phillipe: Les concours des Prix de Rome 1797–1863, Bd. 1, Paris 1986. 304 Guiffrey, M. Jules und Barthelemy, M. J.: Liste des Pensionnaires de l’Académie de France à Rome, donnant des noms de tous les artistes récompensés dans les Concours du Prix de Rome de 1663 à 1907, Paris 1908, S. 134.

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BILD K67). Von den übrigen Teilnehmern können nur die Pausen Aufschluss über die Komposition geben (KATALOG 26 4A–10A, BILD K71–77). Auf Grund der oftmals sehr rudimentären Zeichnungen kann nicht von vornherein festgelegt werden, ob es sich bei den Ölfassungen um orientalisierte Gemälde handelt; aber auf Grund exotischer Architekturen und Details, wie z. B. Sphingen, die in der Pause von

Théobald Chartran zu sehen sind (KATALOG 26 5A, BILD K72), ist es ziemlich wahrscheinlich. In der Pariser Ecole des Beaux–Arts herrschte seit ihrer Gründung 1648 die Tradition, schmerzliche Gefühlszustände darzustellen.305 Die Gemälde, mit denen die jeweiligen Künstler den Prix de Rome gewonnen haben, verbildlichen bevorzugt die anmutige Theatralisierung menschlichen Leids.306 Die Thematik „Captivité à Babylone“ passte also ideal in die Themenvorliebe der französischen Malerei. Alle Künstler gestalteten unabhängig voneinander die gleiche Konfliktsituation, den Kontrast von Gefangenen und Machthabern und die damit verbundene Artikulation von unterschiedlichsten Emotionen. Lediglich der Spielraum, der den Machthabern eingeräumt wurde, ist verschieden. Bei der Umsetzung von Morot mag sicherlich die Darstellung der spielenden Kinder eine große Rolle für die Erringung des ersten Platzes gespielt haben. Sie bringen ein anrührendes und auch aufheiterndes Moment in die Dramatik des Bildgegenstandes. Schon Charles Moreau–Vauthier (1851–1924) weist in seiner noch zu Lebzeiten des Künstlers entstandenen Publikation „L’oeuvre de Aimé Morot“ von 1906 vor allem auf die Szene mit den Kindern hin: „On est charmé à la vue des deux enfants qui jouent dans les bras de leur mère tandis que celle–ci, renversée, se lamente sur l’épaule du père. Il n’y a pas là seulement un accent d’ironie bien exprimé; il y a aussi un contraste purement plastique et très heureux, dans l’opposition de la fillette toute blonde et du gamin très brun.“307

305 An der Pariser Akademie wurde die Gattung der Historienmalerei das erste Mal definiert und sozusagen staatlich sanktioniert. In den Conférences der Académie Royale, die durch André Félibien protokolliert wurden, stand die Historienmalerei und was ein Historienbild ausmacht im Zentrum. Mit Raffael und Poussin wurde ein stilistischer Rahmen gesetzt, der die kunsttheoretische und ästhetische Orientierung der Regeln bestimmen sollte. Die von Alberti stammende Lehre von den Affekten, d.h. eine dargestellte Szene sollte in der Lage sein, beim Betrachter eine der Handlung entsprechende Wirkung auszulösen, war in Frankreich bekannt und wurde in die dortige Kunsttheorie integriert. Vgl. Gaehtgens, Thomas W., Fleckner, Uwe (Hg.): Historienmalerei, Berlin 1996, S. 26ff. 306 Vgl. Wilson, John Montgomery: The Painting of the Passions in Theory, Practice and Criticism in Later Eighteenth Century France, Diss., o. O. 1981, S. 14ff.; Montagu, Jennifer: The Expressions of the Passions, The Origin and Influence of Charles le Brun’s Conférence sur l’expression générale et particulère, New Haven, London 1994, S. 68ff. 307 Moreau–Vauthier 1906, S. 6.

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Aber nicht nur der radikale Realismus in der Darstellung der Kinder ist ein einzigartiges Motiv, Morot ersetzt den prophetengleichen Alten durch eine junge Familie. Der junge, beinahe unbekleidete Mann bzw. Familienvater ist in der gleichen nachdenklichen Pose gezeigt, wie sie vorher der Prophet innehatte. Der Gewinner des Prix de Rome verzichtet sogar auf die obligatorische Weide308 und wählt eine steinige, vegetationslose Umgebung. Es ist die erste Umsetzung, die den im Psalmenvers erwähnten Baum weglässt. Der Orientalismus kommt vor allem in der detaillierten Gestaltung kostbarer Stoffe und Materialien wie z. B. die der Harfe zum Ausdruck. Rixens Gemälde hingegen erscheint weniger opulent und erfinderisch. Er zeigt die bewährte Darstellung des resignierenden Greises schräg hinter der zentralen Gruppe des Priesters und des nackten Jünglings vor der Palastmauer, also einem befestigten Ufer, wie es durch Poynter bekannt wurde. Zwar basieren beide Bilder auf dem seit Planet gängigen Bildtypus, doch fügt Morot neue Motive hinzu.

308 Bei den „Weiden“ an den Strömen Babylons handelt es sich eindeutig um die Euphrat–Pappel, die in der Flussvegetation des Euphrat vorherrscht. Weide und Euphrat–Pappel werden leicht verwechselt, weil ein Teil des Blattwerks der Pappel dem der Weide gleicht. Zur Kontroverse der verschiedenen Namen und deren Übersetzungen siehe Zohary, Michael: Pflanzen der Bibel, Vollständiges Handbuch, Stuttgart 1995³, S. 130f.

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Die Begeisterung für den Orient in Europa wurde durch Ereignisse wie die französische Eroberung Algeriens 1830 und den griechischen Freiheitskampf 1821–30 weiter angefacht. Reisen in den Orient, wie sie Delacroix schon 1832 unternahm, und in zunehmendem Maße auch nach Palästina, waren keine Seltenheit mehr unter den Künstlern. Durch das Medium der Fotografie, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in zunehmendem Maße als Dokumentationsmethode sowohl für archäologische Ausgrabungen als auch für persönliche Erinnerungen ("Souvenir") diente309, kamen vor allem bei den Engländern archäologische Details zu der Darstellung orientalischer Motive hinzu.310 Der holländische, aber in England tätige Maler Lawrence Alma–Tadema fügte Elemente antikisch–römischer Architektur und Kunst in die Malerei ein. Besondere Detailtreue, in der das Studium am Objekt offensichtlich ist, zeichnen seine Gemälde aus.311 Seit der Herausgabe der Bibelgalerie der Dalziel–Brüder 1881 orientierten sich englische Maler an der Umsetzung des Bildmotivs durch Edward Poynter; seine Bilderfindung des als Treppe architektonisch befestigten Ufers im nahen Bildausschnitt wurde sogar maßgebend. Thomas Bowman Garvie verwendete sie in seinem 1887 geschaffenen Gemälde „By the Waters of Babylon“ (KATALOG 30A,

BILD K81). Möglicherweise kannte Garvie die Darstellung von Aimé Morot, denn auch der Engländer verzichtete auf den Weidenbaum und fügte ein bislang nur sehr selten verwendetes Motiv hinzu: die Darstellung des Königs mit Gefolge. Die erste Gegenüberstellung von König und Gefangenen findet man bei Blake, ähnlich intensiv in der Polarisierung von Unterdrückten und Unterdrückern zeigt es sich im

Gemälde von Girodon de Pralong (KATALOG 22A, BILD K60). Auf beiden Bildern stehen bzw. sitzen sich die Gruppen parallel zum Bildgrund gegenüber. Garvie hingegen versetzt den König und seinen Hofstaat in den Hintergrund und entschärft somit den Zwei–Gruppen–Antagonismus. Mit dieser Darstellung des Königs im Hintergrund nimmt Garvie der Polarisierung zwischen herrischen Unterdrückern

309 Siehe dazu Haworth–Booth, Mark (Hg.): The Golden Age of British Photography 1839–1900, Ausst., Millerton, New York, London 1984, S. 82ff.; Khemir, Mounira: L’Orientalisme, l’orient des photographes au XIXe siècle, Ausst., Paris 1994, Einleitung. 310 Die englischen Maler waren im Unterschied zu den französischen Orientmalern, bei denen das fantastische Element stark ausgeprägt war, an einer realitätsgetreuen Schilderung der Schauplätze interessiert. Vgl. hierzu Leitzke 2001, S. 30. 311 Alma–Tadema stützte seine Bilder auf gut recherchierte, archäologische Themen und brachte eine umfangreiche Sammlung von Fotografien antiker Kunst und Architektur zusammen. Siehe hierzu Prettejohn, Elizabeth: Antiquity fragmented and reconstructed, Alma–Tadema’s Compositions, in: Becker, Edwin, Morris, Edward, Prettejohn, Elizabeth und Treuherz, Julian (Hg.): Sir Lawrence Alma–Tadema, Ausst., New York 1996, S. 33–42.

97 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT und würdevollen Unterdrückten die Schärfe und schafft ein historisch– orientalisiertes Ambiente. Garvie integriert im Gegensatz zu Alma–Tadema archäologische Details aus der babylonisch–assyrischen Welt: An der Mauer links sieht man die detailgetreue Kopie eines assyrischen Palastreliefs aus Nimrud. Es zeigt einen geflügelten Genius mit Vogelkopf und Menschenkörper. Der vogelköpfige Schutzgott befruchtet mit dem Zapfen in der rechten Hand die palmettenartige Blüte des Lebensbaumes, während er in der linken Hand ein Kultgefäß in Form eines Bronzeeimers hält. Im Original weist das Relief eine Inschrift des babylonischen

312 Königs Assurnasirpal II. (884–860 v. Chr.) auf (BILD T61). Ein weiteres Relief befindet sich an der Mauer neben der Treppe. Hierbei könnte es sich – obgleich nicht genau zu erkennen – um eine Relieffolge mit einem Zug von Tributbringern handeln, das sich am Eingang des Thronsaales im Palast von Nimrud befand (BILD T62). Die Darstellung der Bildbühne insgesamt geht zurück auf eine romantisierende Rekonstruktionszeichnung (BILD T63), die der Architekt und Schriftsteller James Fergusson (1808–1886) 1851 in London gefertigt hat und 1853 im zweiten Band von Layards „Monuments of Niniveh“ veröffentlicht wurde.313 Darauf sieht man rechts eine zum Wasser führende Treppe, flankiert von steinernen Löwen auf Podesten, die der auf Garvies Gemälde gleicht. Durch solche archäologisch genauen Details ausgestaltet, hat das Gemälde das Flair einer Expeditionsberichterstattung, was bei der Umsetzung des Deutsch–Engländers Herbert Schmalz noch offensichtlicher wird. Er gestaltet „The

Daughters of Judah in Babylon” von 1892 (KATALOG 32B, BILD K84) sowohl archäologisch als auch farblich opulenter.314 Schmalz, der aus demselben Landstrich, Northumberland, wie Garvie kam, kannte vermutlich dessen Komposition. Beide strukturieren den Bildaufbau ähnlich: Der König mit Hofstaat erhöht auf einem Treppenabsatz im Hintergrund stehend, während trauernde Juden, hauptsächlich Frauen, im Vordergrund direkt am Wasser lagern. Im Gegensatz zu Garvie reiste Schmalz 1890 nach Griechenland, Jerusalem, Syrien und in den Libanon, wo er u. a. in Baalbek die Gelegenheit hatte, Tempelruinen

312 Vgl. Könige am Tigris 2004, S. 60ff. 313 Vgl. ebd., S. 38. James Fergusson, der auch der Erbauer des Ninivehofs im Londoner Kristallpalast war, veröffentlichte 1851 die Schrift „The Palaces of Niniveh and Persepolis restored“. 314 Zur Farbgestaltung vgl. BILD K83.

98 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT mit den libanesischen Bergen im Hintergrund zu malen315, um Material für biblische Szenen zu sammeln. Seine persönlichen Eindrücke der Reise hielt er in einem tagebuchartigen Bericht fest, der in „The Art Journal“ 1893 veröffentlicht wurde. An der Klagemauer, wo der Künstler viele Abende verbrachte, beobachtete er folgende Szene, die sich auf dem Gemälde wiederfindet. „You see a group of women sitting on the ground in a circle, and one reads from the Lamentations, the Book of Esther, or the Psalms; then they swing themselves slowly to an fro, and moan with tears running down their cheeks. But they do not alone come here to mourn over the glories of their temple which is destroyed, and their greatness which is departed, because of their priests who have gone astray, and their kings who have condemned God – but also to seek comfort for present and personal afflictions.”316

Figuren und Ambiente wirken authentisch. So erinnern u. a. die Kopfbedeckungen und die Barttracht des Königs und des Hohepriesters an das Relief mit der

Darstellung des babylonischen Königs auf dem Streitwagen (BILD T59); der Künstler ließ es sich auch nicht nehmen, die heidnische Welt mit ihren prunkvollen Architekturen zu integrieren. Den typischen pyramidenförmigen Stufentempel Mesopotamiens, den Zikkurat, der im Alten Testament als Turm von Babel Erwähnung gefunden hat, präsentiert Schmalz im Hintergrund. Rechts könnte der Tempel der Ischtar, Göttin der Liebe und des Krieges, gezeigt sein. Sowohl die Löwen, die sich zu dem zinnenbekrönten Geländer vor dem Eingang des Bauwerks erheben, als auch die Skulpturen der Schlangen auf den Postamenten sind attributive Tiere der großen Göttin.317 Während Garvie die weiblichen Figuren im Aussehen variiert, also auch eine Frau mit blonden Haaren zeigt, bildet Schmalz fast stereotyp anmutende Frauen mit dunklen, lockigen Haaren ab. Der Mann, der bei Garvie noch zentral platziert ist, rückt bei Schmalz in der Rolle eines von der Mutter umarmten Sohnes in den Mittelgrund. In der überarbeiteten Fassung von 1918 verzichtet er sogar auf ihn.

(KATALOG 32A, BILD K83). Es hat fast den Anschein, als hätte er die Jüdinnen jünger und hübscher gestaltet, ja beinahe stilisiert. Die stilisierte Darstellung der Figuren,

315 Vgl. Blakemore 1911, S. 77f. 316 Schmalz, Herbert: A Painter’s Pilgrimage, in: The Art Journal, London 1893, S. 99. 317 Dies zeigt sich vor allem auf dem Ischtartor, das sich im Berliner Pergamonmuseum befindet. Es war zur Zeit Nebukadnezars II. eines der Stadttore von Babylon.

99 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT vor allem des weiblichen Bildpersonals, ist keine Bilderfindung des Deutsch– Engländers318, in der Orientalisierung des Bildmotivs aber einzigartig.

Die Bilddokumentation aus dem Orient gipfelt in der Gouache von James Tissot

(KATALOG 34A, BILD K94) von 1896/97. Er reichert seine Umsetzung des Motivs nicht etwa mit archäologischen Details an, sondern hält eine zeitgenössische Studie des orientalischen Lebens fest. Was bei Delacroix mit der Wiedergabe der realistischen Farbatmosphäre beginnt, führt Tissot mit dem Bildpersonal und dem Bildort zum Höhepunkt. Den erotischen Aspekt, der Delacroix’ Ausführung entscheidend prägt, lässt Tissot jedoch weg. Es handelt sich vielmehr um ein Porträt des Orients mit topographisch authentischen Angaben und der Darstellung zeitgenössischer Lebensweise der Menschen in Palästina. Für Mitteleuropäer ist auch heute noch ein Stadtbild typisch orientalisch, in dem meist nur Männer scheinbar ziellos umherschlendern, in Gruppen zusammenstehen und sich unterhalten oder in Straßencafés sitzen und die Passanten beobachten. „Tissot’s Bible is much more than an illustrated (…) Testament; it is a kind of catholic Baedecker“.319 Obgleich es sich bei der Gouache um eine Illustration zum Alten Testament handelt, bleibt der biblische Kontext beinahe verborgen; einzig das harfenähnliche Instrument in der Weide vorne links verhindert es, die Darstellung als „entbiblisiert“ zu bezeichnen.

318 Siehe zu Evelyn de Morgan S. 104f. in dieser Untersuchung. 319 Wood, Christopher: Tissot. The Life and Work of Jacques Joseph Tissot 1836–1902. London 1986, S. 147.

100 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT

Emotionalisierung des Weiblichen

Die bisherigen Ausformungen des Motivs haben gezeigt, dass Orientalismus und Erotisierung parallel einhergehen, dass sogar erst die Orientalisierung des Motivs den Impuls gibt, die Sinnlichkeit des weiblichen Körpers zu betonen und die Erotik in gesellschaftlich erlaubtem Rahmen zu genießen.320 Wird hingegen die Weiblichkeit zum Ausdrucksträger, kann auf die Orientalisierung verzichtet werden; die Erotisierung bleibt jedoch bestehen.

Das großformatige Gemälde „Les Femmes de Jérusalem captives à Babylone“

(KATALOG 21A, BILD K45) von Charles Landelle zeigt zum 1861 ersten Mal in der Geschichte des Bildmotivs ausschließlich Frauen im Großformat. Zur Erinnerung: John Martin hat schon in den 1830er Jahren das Motiv nur mit Frauen dargestellt. Im Gegensatz zu Landelles Ausführung war die Bibelillustration von Martin kleinformatig und die Figuren der monumentalen Landschaft untergeordnet, also im Weitwinkel gesehen. Landelle befreit Davids trauernde Frauen nun gänzlich aus dem Dualismus der Geschlechter. Dennoch orientiert er sich an David und stellt emotionale Gegensatzpaare dar. Landelle polarisiert die Frauen untereinander. Im figuralen Zickzack links beginnend führt er entgegengesetzte Gemütsbewegungen vor: Verzweiflung der Halb–Liegenden und Lethargie der Alten, heroische Gefasstheit der im Mittelpunkt Stehenden und ängstliches Anklammern des Mädchens, Resignation der Sitzenden und entschlossenes Handeln der Frau, die ihre Lyra aufhängt. Als Schüler des Paul Delaroche an der Ecole des Beaux–Arts in Paris war Charles Landelle die Psychologisierung des Bildgegenstandes vertraut. Hatte Delaroche mit seinen Gemälden doch zeitgleich mit der Düsseldorfer Malerschule angefangen, die Vorstellungskraft des Betrachters zu fordern, um die Geschichte zu vervollständigen. Landelle führt die „unsichtbare Malerei“ jedoch verhaltener weiter. Das Gemälde ist immer noch eine Variation der Bilderfindung Bendemanns, denn Landelle zeigt wenige Figuren monumental fokussiert. Die figurale Komposition entspricht einer Pyramide. Die auffälligste Parallele ist das sich auf die Alte stützende, halb am Boden liegende Mädchen. Es ist das von

320 Vgl. LDK 1993, Bd. 5, Art. zu „Orientalismus“.

101 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT

Bendemann, nur von einem anderen Blickwinkel aus gesehen. Wie schon Cazes kehrt Landelle die eigenwillige Farbkombination von lila–gelb um, doch gestaltet er die Figur des Mädchens durch ihren geschwungenen Rücken, ihre gewölbte Hüfte, Nacken und Halspartie und die Brust weitaus sinnlicher. Den erotischen Ansatz übernahm Landelle sicherlich von Ary Scheffers 321 Gemälde „Die Frauen von Souli“ (BILD T64) von 1827: eine von mehreren Kompositionen zu den griechischen Freiheitskämpfen.322 Von Scheffers 323 bekanntestem Bild „Der Hl. Augustinus und seine Mutter, die Hl. Monika“ (BILD T65) von 1846, das in mehreren Versionen existiert, übernahm er den cäciliengleichen Blick. Das Vorbild zu dem Motiv des eindringlich zum Himmel gewandten Blicks, wie ihn die rotgewandete Frau und die am rechten Bildrand kniende Figur innehaben, ist die Darstellung der Heiligen Cäcilie im gleichnamigen 324 Gemälde von Raffael (1483–1520) (BILD T66). Im Stil der Sacra Conversazione steht die heilige Cäcilie umgeben von Heiligen im Zentrum des hochformatigen Gemäldes. Sie blickt zum Himmel, wo ein Engelschor in einer Wolkenöffnung erscheint. Bei Landelle wandelt sich der Blick: Er ist nicht mehr verzückt, sondern wird flehentlich und hat im Gegensatz zu Raffaels Cäcilie kein für den Betrachter sichtbares Ziel.325 Einen Anklang an Michelangelo findet man dagegen in der alten Jüdin links im Bild; sie erinnert in Haltung und Kleidung an die delphische Sibylle an der

Sixtinischen Decke (BILD T67). Die am Boden sitzende Frau mit Harfe ähnelt in ihrer blauen Gewandung und dem weißem Kopftuch der madonnengleichen Figur bei Bendemann. Doch im Unterschied zu dem Düsseldorfer und in Analogie zu Führich hat Landelles Umsetzung eine Reflexionsfigur, die mit dem Betrachter im Blickkontakt steht: das Mädchen. In ihr wird die Stimmung subsumiert und

321 Öl auf Leinwand, 261,5 x 359,5 cm, Paris, Louvre. 322 Das Bild bezog sich auf das heroische Opfer der griechischen Frauen von Souli, die von einer Felsenklippe in den Tod sprangen, um sich nicht den Türken ergeben zu müssen. Scheffers Umsetzung wurde zur Zielscheibe konservativer Angriffe, die sich u. a. gegen das als unschicklich erachtete sinnliche Äußere der Heldinnen wandte. Vgl. Athanassoglou–Kallmyer, Nina: Delacroix zwischen „Griechenland“ und „Die Freiheit“, Anmerkungen zur politischen Allegorie im Frankreich der Restaurationszeit, in: Germer, Stefan, Zimmermann, Michael F. (Hg.): Bilder der Macht – Macht der Bilder, Zeitgeschichte in den Darstellungen des 19. Jahrhunderts, München, Berlin 1997, S. 262. 323 Öl auf Leinwand, 147 x 114 cm, Paris, Musée du Louvre. Vgl. Dazu Ewals, Leo: Ary Scheffer 1795-1858, Gevierd Romanticus, Ausst., Dordrecht 1995, S. 257ff., Kat. 64. 324 Öl auf Holz, 238 x 150 cm, Bologna, Pinakothek. 1514 schuf der Renaissancekünstler das Bild für die Kirche San Giovanni in Monte in Bologna. 325 Landelle malte 1848 selbst ein Bild der „Heiligen Cäcilie“, das sich in Paris in Notre–Dame– des–Champs befindet.

102 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT verdichtet und direkt auf den Betrachter übertragen. Ob der Weidenkranz auf ihrem Kopf eine Anspielung auf die Dornenkrone Christi ist, sei dahingestellt. Die zweite, kleinere Fassung von Landelles „Les Femmes de Jérusalem captives à Babylone“ (KATALOG 21N, BILD K58) erscheint durch den halbrunden Bildabschluss sakraler. In dieser Rahmenform scheint die Erotik der Figuren zurückgenommen. Schon allein die bedeckte Schulter der mittig stehenden Frau entkräftet eine Emotionalisierung fleischlicher Natur und führt zu einer Rücknahme des Sinnlichen. Wie bei Bendemann, der in Deutschland allerdings ungleich früher den Erfolg seiner „Trauernden Juden“ feiern durfte, war auch die Komposition von Landelle ein großer Erfolg. Ähnlich viele Einzelstudien schlüsseln die Genese des Werks auf (KATALOG 21B–M, BILD K46–57). Im Gegensatz zu Bendemann, dessen Komposition viele Nachahmer gefunden hatte, führte Landelles Umsetzung zu einer Weiterentwicklung des Bildmotivs in Bezug auf die Bedeutung der Weiblichkeit als Ausdrucksträger.

Die Wertigkeit von Bendemanns Bilderfindung wird wiederum sehr deutlich in der

Umsetzung des Motivs bei Anselm Feuerbach (KATALOG 24A, BILD K62), der das Thema 1869 aufgreift. Die Darstellung der in Babylon gefangenen Juden rezipiert deutlich Bendemanns Gemälde und zeigt gleichzeitig den Einfluss französischer Kunst. Während Landelle auf eine prophetengleiche Mittelfigur verzichtete und Frauenpaare schuf, ersetzte Feuerbach den alten Mann von Bendemanns Komposition durch eine nachdenkliche Frau, die im Zentrum der Gruppe thront. Dies ist neu. Das Motiv des auf die Knie des Propheten bzw. hier der heroischen Frau hingelagerten Mädchens hat Feuerbach, wie schon einige Künstler vor ihm, von Bendemann übernommen. In der Figur der erhaben, ja königlich dargestellten

Frau wird auch Lessings „Trauerndes Königspaar“ (BILD T33) gegenwärtig, denn Gesicht und Kopfhaltung erinnern an die um ihre Tochter trauernde Königin. Feuerbachs zentrale Frauengestalt ist maßvoll gekleidet, während die übrigen weiblichen Figuren in durchscheinenden Gewändern ihren Körper präsentieren. Der Künstler betont den erotischen Aspekt. Als Vorbild ist deshalb unbedingt Delacroix’ Pendentif im Palais Bourbon zu nennen. Nicht nur die Frau anstelle des Alten ist ein neues von Feuerbach ersonnenes Motiv, sondern auch die Kombination der Komposition Bendemanns mit einer

103 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT neuen Farbwertigkeit, weswegen auch hier Delacroix’ Umsetzung von Bedeutung ist. Die koloristische Technik der Pariser und Antwerpener Akademien, die sich Feuerbach jeweils vor Ort zu Eigen machen konnte, baut die Komposition aus der Farbe heraus auf.

Ähnlich wie bei Feuerbach verhält es sich auch bei der dritten Umsetzung des Motivs von Joseph von Führich. Etwa 50 Jahre nach seiner zweiten Fassung, wohl 1871/72 greift der Maler die Thematik im Kontext einer Bibelillustrierung ein letztes

Mal auf (KATALOG 25A, BILD K63). Der Topos des babylonischen Exils wird um des Textspiegels willen in Profilansicht gezeigt. Wie bei Feuerbach der alte Prophet durch eine sinnierende Frau ersetzt wird, so rückt auch bei Führich die Frau in Frontalansicht ins Zentrum, während die drei Männer im Profil an den Rand gedrängt sind. Diesmal ist die Weiblichkeit durch das Muttersein noch weitaus intensiver gestaltet, hingegen die Erotik komplett zurückgenommen. Führich weist der Frau weiterhin die Rolle der Trauernden zu, während die Männer sukzessive in ihrer pyramidalen Anordnung ein Hoffnungsmotiv aufbauen.

Die Malerin Evelyn de Morgan aus der zweiten Generation der Präraffaeliten vervielfacht, typisiert und erotisiert die Frauendarstellungen friesartig in ihrem

1882/83 gemalten Bild „By the Waters of Babylon“ (KATALOG 27A, BILD K78). Anders als bei Solomon kam es Morgan nicht auf eine authentische Wiedergabe von Figuren und ihrer Umgebung an, sondern auf eine dekorative Symmetrie, in der die Figuren verschiedene Körperhaltungen mit Kleidern unterschiedlicher Farbe einnehmen. Trotz des langgestreckten Formats, das eine friesartige Wirkung erzielen soll, ist das Bild in sich abgeschlossen. Als unmittelbares Vorbild dürfte das 1879/80 entstandene Gemälde „Die 326 Wasser des Lethe“ (BILD T68) ihres Onkels John Roddam Spencer–Stanhope (1829–1908) gedient haben. Übernommen hat sie das langgestreckte Querformat, in dem es keinen Mittelgrund, sondern nur Vorder– und Hintergrund gibt, und die Vielzahl der trauernden Figuren. Vor den Inseln der Seligen liegen die Wasser des Lethe, in der griechischen Mythologie eine Quelle in der Unterwelt, woraus die Seelen der Verstorbenen das Wasser des Vergessens trinken. Ein Zug der Verstorbenen bewegt sich auf den Strom zu, um ihm am anderen Ufer verjüngt

326 Tempera auf Leinwand, 147,5 x 282,4 cm, Manchester, Manchester City Art Galleries.

104 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT und unbeschwert zu entsteigen. Stanhope vermischt klassizistische und christliche Bildauffassungen zu einer psychedelischen Vision eines paradiesischen Zustands.327 Die Thematik der physischen und psychischen Gefangenschaft, die sich wie ein roter Faden durch Morgans Oeuvre zieht, findet ihren ersten Ausdruck in der Umsetzung des Bildmotivs der „Trauernden Juden“.328 Ihre nachfolgenden Gemälde beziehen sich immer direkter auf den Zustand der Gefangenschaft: so in „Hope in a Prison of Despair“ (1887), „The Captives“ (undatiert), und „The Gilded Cage“ (1919), die Themen aus der griechischen Mythologie zeigen.

Auch Kate Gardiner Hastings stellte im selben Jahr, 1883, ein Gemälde mit der gleichen Thematik aus (KATALOG 28A, BILD K79). Im Gegensatz zu ihrer Malerkollegin Morgan schuf Hastings eine überschaubare und symmetrisch ausgewogene Komposition mit nur wenigen Figuren, ausschließlich Frauen. Die vegetabilen Elemente sind stilisiert und an den Rand gedrängt, um das figürliche Gefüge zu rahmen. Handlungsmotive wie z. B. Trauer werden in den Hintergrund gerückt, werden also zur Nebensache, um der statuarischen Ruhe im Vordergrund Raum zu geben. Analog zu Morgan verzichtet Hastings auf einen Mittelgrund. Stattdessen hinterfängt eine parallel zum Bildrand verlaufende Mauer die Bühne im Vordergrund.

Mit der Artikulation des Bildmotivs von Pierre Lagarde im Jahre 1885 kommen die wesentlichen Neuerungen der vorangegangenen Gemälde in einem Bild zusammen. Das Gemälde „Super Flumina Babylonis“ (KATALOG 29A, BILD K 80) ist als nächtliche Szene präsentiert. Dies ist an sich keine Neuheit, haben doch schon Richard–Cavaro 1848329 und John Martin 1835 Nachtdarstellungen gewählt. Als Schüler des Landschaftsmalers Charles Busson (1822–1908) reduzierte Lagarde im Unterschied zu Landelle die Monumentalität der Figuren und weist dem landschaftlichen Ambiente eine größere Rolle zu. Auf der Bildbühne setzt Lagarde das Hauptaugenmerk auf die bis zur Taille entblößte Frau mit Kind, die eine Harfe in die Äste einer Weide hängt. Nicht die Trauer, sondern das

327 Vgl. Metken, Günther (Hg.): Präraffaeliten, Ausst., Baden–Baden 1973–74, S. 287, Nr. 183. 328 Vgl. Smith, Elisa Lawton: Evelyn Pickering de Morgan and the Allegorical Body, London 2002, S.79. 329 Siehe S. 107f. in dieser Untersuchung.

105 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT

Aufhängen der Harfe ist zum ersten Mal das Hauptmotiv in einem Gemälde zum Thema „Die trauernden Juden im Exil“. Die richtungsweisende Neuerung jedoch ist die Separation einer einzelnen Frau mit Kind von der Gruppe und ihre Positionierung in die Mittelachse der Komposition, während die übrigen jüdischen Gefangenen rechts und links an den Rand gerückt sind, und die offensichtliche Sinnlichkeit, die nur die Hauptperson zur Schau stellt. Die studierte Figur des rechts in der Bildecke kauernden Alten war schon bei Debat–Ponsan (BILD K67) zu sehen. Die Weiblichkeit ist also nicht allein durch die Erotisierung der weiblichen Figur inszeniert, sondern wird durch die Mutterschaft intensiviert. Die madonnenhafte Mutter–Kind–Gruppe Bendemanns, die bei Führichs Psalmillustration schon ins Zentrum gerückt ist, wird aus der christlichen Interpretation gelöst und profan verweiblicht.

Drei Jahre später, 1888, noch bevor Lagardes Gemälde durch die Weltausstellung 1889 an Popularität gewann, vollzog der Engländer Arthur Hacker einen letzten entscheidenden Schritt (KATALOG 31A, BILD K82): Er reduzierte die Staffagefiguren; die wenigen, die übrigblieben, verband er mit der Landschaft; er entmaterialisierte sie gleichsam und konzentrierte sich in seinem hochformatigen Gemälde auf die sitzende, in ein dunkles durchscheinendes Gewand gehüllte, geheimnisvolle Frauenfigur. Obwohl ein Kind zu ihren Füßen schläft, wird keine Mütterlichkeit impliziert, denn der laszive Blick der Frau, der den Betrachter ins Bild zieht, wirkt erotisierend, die Frau selbst feenhaft. Besonders auffallend ist die Vorbildhaftigkeit von Poynters Ausformung des Motivs in der Dalziel–Bibelgalerie. Hacker übernimmt das architektonisch befestigte Ufer und verzichtet wie Garvie und Schmalz, deren Kompositionen etwa zur selben Zeit entstanden, auf den Baum. Offensichtlich haben ihn auch die schönen, aber in weite Gewänder gehüllten Frauen in Poynters Holzstich zur Nachahmung bewegt. Wie Morgan malte Hacker meist dasselbe Modell und passte es dem jeweiligen 330 Bildthema an, so bei „The Syrinx“ (BILD T69) von 1892, einem Motiv aus der 331 griechischen Mythologie, und bei „The Annunciation“ (BILD T70) aus demselben Jahr.

330 Öl auf Leinwand, 193,4 x 61,4 cm, Manchester, Manchester City Art Galleries. Hier ist auch das schwarze, durchscheinende Tuch wieder im Bild; nur verdeckt es hier nichts. 331 Öl auf Leinwand, 231 x 125,7 cm, London, Tate Gallery.

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Abweichende Umsetzungen

In keine der beiden Hauptströmungen, Orientalisierung und Emotionalisierung des Weiblichen, lassen sich die folgenden einzigartigen Artikulationen des Bildthemas einordnen.

1849 stellte Richard–Cavaro im Salon das Gemälde „Les Exilés“ (KATALOG 15A, BILD K37) aus. Wie der Titel des Gemäldes schon ahnen lässt, fußt Cavaros Komposition nicht direkt auf Psalm 137, sondern hat eine Paraphrase von Psalm 137 des französischen Dichters Charles–Louis de Malfilâtre (1733–1767) aus der Mitte des 18. Jahrhunderts als literarische Quelle. Die Darstellung bezieht sich nicht direkt auf die biblische Geschichte der babylonischen Gefangenschaft: Es scheint vielmehr eine allegorische Darstellung für politisches Exil im Allgemeinen zu sein. Richard–Cavaro setzt Trauernde in antikischer Gewandung nicht an die Ufer der Flüsse Babylons, sondern auf eine vegetationslose Klippe am Meer. Auf die Darstellung des Exilorts Babylon verzichtet Cavaro. Das Gemälde, ein Auftragswerk des Innenministeriums, könnte als nicht– instrumentalisierte Propaganda für Frankreichs zweite Republik gesehen werden332, in der Louis Napoleon, der Neffe Napoleons I., mit einem konservativ– populistischen Programm Präsident wurde.333 Der „neue“ Staat suchte deshalb nach einem repräsentativen Bild und schrieb einen Wettbewerb für die Figur der 334 335 Republik aus. Das Gemälde „La République“ (BILD T71) von Sébastien– Melchior Cornu (1804–1870) gehört zu den 20 finalen Werken von etwa 450 Bildern, die 1848 konkurrierten. Die lorbeerbekränzte Personifikation der Republik steht kontrapostisch mit hocherhobenem rechtem Arm auf einem steinernen Thron mit Löwenköpfen. Hinter ihrem Kopf erstrahlt gloriengleich die Sonne, während der Rest in einem schemenhaften Dunkel verschwindet.

332 Am 18. und 19. September 1999 wurde das Gemälde im Rahmen der „Journées du Patrimoine“ zum Thema „Patrimoine et citoyenneté“ besprochen. 333 1852 erhob sich der Präsident als Napoleon III. zum französischen Kaiser und begründete damit das zweite Kaiserreich. 334 Vgl. dazu Chaudonneret, Marie–Claude: La figure de la République, Le concours de 1848, Paris 1987. 335 Öl auf Leinwand, 72,8 x 59,3 cm, Besançon, Musée des Beaux–Arts.

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Richard–Cavaro, der nicht am Wettbewerb teilgenommen hat, verpackt den Patriotismus in eine Historie und läßt die Personifikation der zweiten Republik in der Figur des in die Ferne weisenden Propheten anklingen. Cavaro abstrahiert Psalm 137 und behandelt ihn religionsneutral; dabei gewinnt die Darstellung eine universelle und in diesem Fall eine politisch deutbare Dimension. Der Künstler hat verschiedene Motive aus davidischen Gemälden übernommen; so findet die blonde Frau im Arm des in die Ferne weisenden

Propheten ihren Vorgänger im Brutusbild (BILD T24). Der blinde Belisarius des gleichnamigen Gemäldes spiegelt sich in dem Alten mit den beiden Kindern wider. Richard–Cavaro hierarchisiert wie David: Die Trauer ist weitgehend den Frauen überlassen, während die beiden Propheten die psychischen als physischen Stützen der Juden in der Gefangenschaft sind. Sie geometrisieren mit ihrer säulenartigen Erscheinung, ihrem festen und standhaften Auftreten die Komposition. Doch löst Cavaro wie Bossi, dessen Werk er allerdings nicht kannte, das strenge Gegenüber auf und rundet die Komposition. Richard–Cavaro verschärft den Kontrast zwischen den Geschlechtern, den David begonnen hat: Er schafft Paare, in denen sich der Geschlechterantagonismus noch offensichtlicher manifestiert. Die Frauen werden in sich zusammengesunken, hoffnungslos und erotisiert neben starken, Hoffnung spendenden Männern dargestellt.

Keine christliche Interpretation, wie sie die Zeichnung von Adam Eberle von 1832 zeigt, sondern die Integration des alttestamentarischen Bildmotivs in eine christliche Thematik gestalteten die Spanier Isidoro Lozano und Germán Hernandez 1855/56 an der Decke des roten Salons im Palazzo Santa Maria di Monserrato in Rom, dem heutigen Centro spagnolo di studi ecclesiastici. Sie verwenden das Motiv der „trauernden Juden“ bei der Darstellung des „geistlichen

Werks der Barmherzigkeit“ für die „Trösterin der Trauernden“ (KATALOG 18A, BILD K42). Die „geistlichen Werke der Barmherzigkeit“ sind in der katholischen Tradition seit dem Mittelalter den „leiblichen“ gegenübergestellt worden, während sie in der protestantischen Tradition keine Rolle spielen.336 Wenn sie auch nicht auf bestimmten Bibelquellen beruhen, haben die Künstler die Werke biblischen

336 Vgl. Büttner 1980, Bd. 2, S. 428.

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Szenen zugeordnet337 und diese mit den sieben Tugenden verknüpft. Psalm 137 mit dem geistlichen Werk der Barmherzigkeit „Trauernde Trösten“ in Zusammenhang zu bringen, ist nicht abwegig: auf den barmherzigen, die Sünden des Volkes Israel vergebenden Gott wird in der babylonischen Gefangenschaft hingewiesen (Kgl 3, 23.). Das Lünettengemälde offenbart eine figurenkompositorische Abhängigkeit von dem Werk Bendemanns – der zentral zwischen zwei Frauen und einem Kind sitzende, rotgekleidete Mann und der Ausblick auf Babylon mit der weiten Entfernung zum Fluss –, jedoch fehlt ein wichtiges Element, das das Bildmotiv in den Hauptströmungen des Orientalisierung und der Weiblichkeit als Ausdrucksträger immer aufweist: die Harfe. Zudem verzichten die Spanier auf die Weide, die bei den meisten Werken ein bildimmanentes Attribut ist. Stattdessen konzentrieren sie sich auf eine Komposition, in der die Figuren zwar frontal zum Betrachter, aber erhöht platziert sind, so dass der panoramaartige, freilich vom rundbogigen Bildabschluss beschnittene Ausblick auf die im Flusstal gelegene Stadt und die dahinter liegenden Berge beinahe mehr Raum einnehmen als die Gruppe der Juden. Unterstützt wird der Blick in die Ferne durch die Geste der jesusgleichen Figur in Dreiviertelrückansicht, die mit der Hand in die Heimat weist, um den Verschleppten Hoffnung zu machen. Die „geistlichen Werke der Barmherzigkeit“ im 19. Jahrhundert bildhaft zu manifestieren, war keine Neuheit. Peter Cornelius hatte schon 1841 dasselbe Thema an der Nordwand des Campo Santo, der Ruhestätte der königlichen Familie in Berlin, geplant. Die Kartons in Berlin zeugen von dem gescheiterten 338 Projekt. Cornelius bleibt in seinen Darstellungen allgemein (BILD T72), d.h. er

337 Die 1. Lünette, „Den Unwissenden belehren“, zeigt Jesus auf dem Laubhüttenfest. Ein Vers aus Joh 7,16 „Meine Lehre ist nicht mein, sondern des, der mich gesandt hat.“ verdeutlicht die Darstellung. In der 2. Lünette, „Den Zweifelnden raten“, ist Jesus und der reiche Jüngling darstellt. Aus Mt 19,17: „Willst du aber zum Leben eingehen, so halte die Gebote.“ Die 3. Lünette zeigt Johannes vor Herodes und veranschaulicht das geistliche Werk „Den Sünder zurechtweisen“ aus Mk 6,18: „Es ist nicht recht, daß du deines Bruders Frau hast.“ Lünette vier, „Dem Beleidiger verzeihen“, zeigt die Szene David und Schimi aus 2 Sam 16, 11. „Laßt ihn ruhig fluchen, denn der Herr hat’s ihm geboten“. Lünette V zeigt Psalm 137. Die Darstellung der 6. Lünette, „Die Lästigen und die Schwierigen ertragen“, ist aus Hiob 42,6 entnommen: „Darum spreche ich mich schuldig und tue Buße in Staub und Asche“. Lünette VII schließlich, „Für alle beten“, zeigt eine Messe. 338 Friedrich Wilhelm IV. von Preußen berief Cornelius 1841 nach Berlin mit dem Auftrag, den Campo Santo mit Malereien zu schmücken. Das Projekt wurde später infolge der Revolution von 1848 und der Krankheit des Königs aufgegeben. Die Kartons mit den Entwürfen befinden sich in Berlin, SMPK. KStkab. Vgl. Büttner 1980, Bd. 2, S. 301ff.

109 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT bezieht sich auf keine bestimmten Bibelstellen, wird jedoch der Todesthematik des Campo Santo gerecht. Das Neu– und Einzigartige in der Darstellung der Spanier ist die Symbiose einer mittelalterlichen Thematik mit dem Bildmotiv der „trauernden Juden“, was das Werk zu einer beispiellosen Umsetzung des Historismus macht.

Völlig entgegengesetzt zu dem Werk der Spanier Lozano und Hernandez verbildlicht der jüdische Maler Lesser Ury 1896 sein großformatiges Gemälde

„Jerusalem“ (KATALOG 33A, BILD K85). Bei seiner Vorliebe für die flüchtigen Eindrücke der Großstadt, die er in impressionistischer Manier malte, ist „Jerusalem“ Urys erstes Monumentalwerk zu einem biblischen Thema. Als das Bild in der Galerie Gurlitt gezeigt wurde, schrieb der Schriftsteller Franz Servaes (1862–1947) in der „Neuen deutschen Rundschau“ Man nannte ihn in wohlwollenden Kreisen ein Talent, wartete aber immer noch auf das, was er leisten würde, auf das Werk, das seine Signatur im großen tragen würde. In übel wollenden Kreisen – und das waren die breitesten – stritt man ihm jegliches Talent und jegliche Leistungsfähigkeit überhaupt ab. Nun hat er doch sein „Werk“ geschaffen und hat ihm den Stempel seines Schicksals in einer Weise aufgeprägt, daß es außer dem künstlerischen noch einen dokumentarischen Wert besitzt. Es ist monumentales Werk geworden.“339

Die Monumentalität der Figuren wie auch das Fehlen eines Handlungsmotivs und die kompositorische Anlage kommen immer noch von Bendemann. Doch wie noch kein Maler vor ihm zeigt Ury Juden nicht nur im historischen Zusammenhang, sondern in zeitgenössischem Gewand und gestaltet damit eine Allegorie des modernen Judentums, eine moderne Judaisierung. Er zeigt nur die Männer in „moderner“ Kleidung und charakterisiert ihre Köpfe; die Frauen in langen Gewändern und Kopftüchern bleiben den Blicken des Betrachters weitgehend verborgen. Ury ist der erste, der das Bildmotiv mit sichtbarem Bezug zum zeitgenössischen Judentum unter Subsumierung der Vergangenheit darstellt. Konzeptionell ist das ursprünglichste Vorbild wohl Leonardo da Vincis „Abendmahl“; unmittelbarer dürfte das von Ferdinand Hodler (1853–1918) 1892 340 geschaffene Gemälde „Die Lebensmüden“ (BILD T73) auf Ury gewirkt haben: Der

339 Servaes, Franz: Moderne Monumentalmalerei, in: Neue deutsche Rundschau 7, Berlin 1896, S. 19f. 340 Öltempera auf Leinwand, 149,7 x 294 cm, München, Neue Pinakothek. Vgl. dazu Schmidt, Katharina (Hg.): Ferdinand Hodler, Eine symbolistische Vision, Ausst., Ostfildern 2008, S. 142f

110 ENTWICKLUNG DES BILDTHEMAS AUSDIFFERENZIERUNGEN IM 19. JAHRHUNDERT vertikale Parallelismus, der hier den Betrachter zur Ansicht von fünf nebeneinander sitzenden Greisen zwingt, formuliert eine Bildsprache, deren formaler Rigorismus abweisend erscheinen musste. Die Gleichartigkeit der Haltungen verhärtet sich in der Symmetrie des Bildaufbaus zum ornamentalen Fries. Das Motiv der Bank und die vorherrschende Symmetrie sind Kompositionselemente, die Ury von Hodler übernommen haben könnte. Doch löst Ury die starre Frontalität auf und gibt den männlichen Gestalten ihre eigenwilligen, charakteristischen Köpfe, zu denen er viele Einzelstudien in Kohle, Kreide, in Gouache und in Öl nach Modellen von Bauern und Fischern fertigte.341 Die dumpfe Starrheit, die in Hodlers Gemälde vorherrscht, wird bei Ury gebrochen: Zwischen die resignierenden Juden setzt er eine hoffnungsvolle Person, die in die undefinierte Ferne blickt: ein seit den Anfängen des Bildmotivs fester Bestandteil der Komposition.

341 Vgl. Schlögl, Hermann A., Schwarz, Karl: Lesser Ury, Zauber des Lichts, Berlin 1995, S. 82.

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4. Disparate Nachwirkungen im 20. Jahrhundert

Die erste Artikulation des Bildmotivs im neuen Jahrhundert stammt von Maurice

Denis, dem Hauptvertreter der Nabis (KATALOG 36A, BILD K96). 1904 entstand der Entwurf „An den Herbst, die Musik mildert das Verlangen, die Traurigkeit oder Super flumina babylonis“, der für die Ausstattung des Musikzimmers des Wiesbadener Theaterintendanden Curt Mutzenbecher gedacht war. Die Darstellung „der trauernden Juden“ erscheint hier in einem völlig neuen Zusammenhang. Als Teil einer Raumdekoration war sie durchaus bekannt. Delacroix hat sie schon über 60 Jahre zuvor in einen geschichtsübergreifenden Kontext gestellt, und auch die Spanier Lozano und Hernandez integrierten die Verbildlichung von Psalm 137 in ein theologisches Bildprogramm. Nun soll das Motiv Dekoration in einem Musikzimmer werden; Hauptthematik ist also nicht die Gefangenschaft in der Fremde und das Sehnen nach der fernen Heimat, sondern die Musik. Es ist eigentlich ein Paradoxon, denn die Juden spielen nicht auf ihren Harfen; im Gegenteil, sie hängen die Instrumente in die Bäume und verweigern das Ansinnen ihrer Zwingherrn. Das mag wohl der Grund sein, warum Denis das Thema unausgeführt ließ und stattdessen das Motiv der musizierenden Jungfrauen im Himmel bevorzugt hat. Die Darstellung von Denis hat sich vom Schema Bendemanns nun vollständig gelöst. Das langgestreckte Querformat mit den überlängten Figuren erinnert vielmehr an Evelyn de Morgans Umsetzung des Motivs. War bei der Engländerin schon die Figur der Frau typisiert, sind bei Denis die ersten Anklänge einer Abstraktion zu erkennen. Kalte Farbtöne und das fehlende Rot schaffen eine transluzide und unwirkliche Atmosphäre.

Ganz anders präsentiert sich die 1910 entstandene Radierung „An den Wassern zu Babylon“ (KATALOG 38A, BILD K98) des jüdischen Künstlers Ephraim Moses Lilien. Der jüdische Kunsthistoriker Lothar Brieger (1879–1949) meint das Neue zu erkennen, das Lilien mit seiner Umsetzung vollzieht: „Bei Lilien entsteht etwas ganz Neues: junge Frauen, die auf den Stufen eines Palastes am Wasser zu Babel sitzen, schluchzend, die Harfen in den Händen. Denn Lilien erkennt als Erster, daß dieser Psalm ganz offenbar ein Psalm der hübschen jungen jüdischen Frauen sein muß, denen Väter, Gatten und Kinder

112 ENTWICKLUNG DES BILDMOTIVS DISPARATE NACHWIRKUNGEN IM 20. JAHRHUNDERT

gemordet wurden, und die nun, in Gefangenschaft und Harem geschleppt, ihre Sieger mit den Liedern ihrer Heimat erheitern sollen. So ist das Werk Liliens reich an Ausdeutungen, die aus inneren Beziehungen zur Bibel erwachsen sind, wie sie kein Illustrator der Bibel vor ihm haben konnte.“342

Da aber kein Gesicht zu sehen ist, kann Brieger nur annehmen, dass es junge, hübsche Frauen handelt. In dieser Hinsicht ist Liliens Umsetzung eigentlich nicht neu, präsentierte Landelle doch bereits 1861 trauernde Jüdinnen, von denen alle bis auf eine jung und hübsch dargestellt sind. Neu bei Lilien ist der Schritt zum Ornamentalen; seine Radierung ist die einzige Umsetzung des Bildmotivs in der Manier des Jugendstils. Sicherlich war Lilien das Gemälde von Lesser Ury bekannt, doch scheint er sich in seiner Darstellung an den englischen Künstlern zu orientieren, die als Bildbühne ein architektonisch befestigtes Ufer mit Treppe und einen mit Schilf oder Seerosen bedeckten Wasserausschnitt wählten. Lilien erotisiert und stilisiert die Darstellung der weiblichen Figuren mit gleichsam ornamentaler Wirkung. Die Anfänge dafür sind bei Evelyn de Morgan zu suchen, die eine typisierte Frauenfigur multipliziert und im Vordergrund des Gemäldes dekoriert. Wurde bei Ury eine religiös– und ethnisch–soziale, realistische Perspektive direkt sichtbar, versteckt Lilien diese in der eleganten Gestaltungsform des Jugendstils. Dies ist auch in anderen Werken erkennbar: Der Künstler, der eng mit der Zionistischen Bewegung des Theodor Herzl (1860–1904) verbunden war, gestaltete 1901 die Einladung zum fünften Zionistenkongress in Basel mit dem

Titel „Vom Ghetto nach Zion“ (BILD T74). Ein Engel mit dem Stern Davids auf der Brust weist den gequälten, in einer Dornenhecke gefangenen Ghettojuden auf ein Leben in Selbstbestimmung in der alten/neuen Heimat hin, symbolisiert durch einen Bauern, der bei aufgehender Sonne sein Feld kultiviert.343 Die aufgehende Sonne ist also eine zionistische Ikonographie.344 Dies beweisen noch weitere

Blätter Liliens, so z. B. „Der jüdische Mai“ (BILD T75)und „Passah“ (BILD T76). In beiden Bildern, die aus dem Buch „Lieder des Ghetto“ von 1902 stammen345, wird

342 Brieger, Lothar: E. M. Lilien, Eine künstlerische Entwicklung um die Jahrhundertwende, Berlin, Wien 1922, S. 224f. 343 In der Alten Synagoge in Essen gab es im November/Dezember 2005 eine Ausstellung mit dem Thema „E.M. Lilien: Jugendstil und Zionismus“. 344 Vgl. Shilo–Cohen, Nurit (Hg.): Bezalel 1906–1929, Jerusalem 1983, S. 215. 345 Die „Lieder des Ghetto“, zu denen Lilien die Illustrationen schuf, wurden von dem amerikanischen Lyriker Morris Rosenfeld (1862–1923) in jiddischer Sprache verfasst und thematisieren die soziale Not, das Elend und die Unterdrückung der einfachen Juden. Vgl.

113 ENTWICKLUNG DES BILDMOTIVS DISPARATE NACHWIRKUNGEN IM 20. JAHRHUNDERT ein Exiljude der aufgehenden Sonne, dem Sinnbild Zions gegenübergestellt. Bei „Passah“ ist die Sonne sogar mit „Zion“ beschriftet.346 Das Bildmotiv der trauernden Juden bzw. Jüdinnen hat Lilien ebenfalls mit der aufgehenden Sonne kombiniert, doch wird der politische Anklang durch die Erotisierung unterdrückt. Offensichtlich sozialkritisch ist eine frühere stilllebenhafte Umsetzung des

Bildmotivs, die Lilien für den Einband der „Lieder des Ghetto“ schuf (BILD T77). Gezeigt wird eine Harfe, verziert mit Vogelkopf und –flügel, mit gesprungenen Saiten, die in den kahlen Ästen eines Weidenbaumes hängt. Der Stamm wird von einer Dornenhecke umrankt. Im Hintergrund sieht man die Silhouette einer Stadt. Dass beide Darstellungen, „An den Wassern zu Babylon“ und der Einband zu „Lieder des Ghetto“, denselben Inhalt haben, zeigt eine 1977 in Israel herausgegebene Briefmarke (BILD T78), auf der beide Umsetzungen Liliens abgebildet sind.

Das Pendant zu Liliens schönen jungen Frauen ist Joseph Budkos Holzschnitt von 1921 (KATALOG 40A, BILD K101). Budko zeigt im Gegensatz zu Lilien nur greise Männer und orientiert sich in seiner Komposition stark an Bendemanns Umsetzung, die er weiterführt und judaisiert. So macht er aus Bendemanns Rundbogenform einen Kreis und multipliziert den prophetenhaften Alten. Aus der weinumrankten Weide, vor der Bendemann sein Bildpersonal angeordnet hat, wird eine Harfe. Schließlich die Inschrift: War sie bei Bendemann auf Deutsch, so weist sie bei Budko in hebräischer Sprache auf das Werk eines jüdischen Künstlers; dies ist auch bei Wachtels Gemälde der Fall. Während Lilien die im 19. Jahrhundert aufgekommene Strömung der Emotionalisierung des Weiblichen im 20. Jahrhundert weiterentwickelt hat, bricht Paul Klee mit allem bisher Dagewesenen. War bei Maurice Denis schon eine beginnende Abstraktion vorhanden, präsentiert sich bei Klee das Bildmotiv zum ersten Mal ohne gegenständliche Formen. Das Bildmotiv hat sich nun, wenn auch für kurze Zeit, vollständig von seiner alten Bildform gelöst. Bei der Ausführung von 1913 illustriert er die ersten beiden Verse von Psalm

137 (KATALOG 39A, BILD K99). Alles Gegenständliche hat sich in undefinierbare

Brenner, Michael: The Renaissance of Jewish Culture in Weimar Germany, New Haven, London 1996, S. 27; Derda, Hans–Jürgen: Im Geist des Zionismus: Der Künstler Ephraim Moses Lilien im Braunschweigischen Landesmuseum, in: Almog, Oz, Milchram, Gerhard (Hg.): E. M. Lilien, Jugendstil, Erotik, Zionismus, Ausst., Wien 1998, S. 18. 346 Vgl. Brenner 1996, S. 27.

114 ENTWICKLUNG DES BILDMOTIVS DISPARATE NACHWIRKUNGEN IM 20. JAHRHUNDERT

Formen aufgelöst, die die Bildfläche homogen überziehen. Der Betrachter, der um das Bildthema weiß, imaginiert Tränen und flehende Gestalten. Daß Klee mit diesen Formen Trauer verdeutlichen wollte, zeigen verschiedene andere Zeichnungen, die Klee im selben Jahr gefertigt hat, so z. B. das Blatt mit dem Titel 347 „Lied des Jammers“ (BILD T79). Bezeichnend ist, dass er für die Zeichnung „Jerusalem meine höchste 348 Wonne“ (BILD T80), die den sechsten Vers des 137. Psalms illustriert, keine tränenhaften Formen verwendet. Den Gefangenen in Babylon erscheint das unerreichbar ferne Jerusalem wie ein Traumbild. Klee zeichnet ein fragiles Liniengerüst, das architektonische Formen einer Stadt auf dem Berg andeutet: Zion, der Ort nach dem sich die Juden in Babylon sehnten.349 Wie sich das Bildmotiv innerhalb von Klees Ouevre verändert, zeigt das 1918 entstandene Aquarell „An den Wassern Babylons“ (KATALOG 39B, BILD K100). Klee, der 1914 mit Macke und Moillet eine Reise nach Tunis unternahm, um sich dort mit den von Robert Delaunay (1885–1941) entwickelten Theorien über Licht und Farbe zu beschäftigen, fertigt 1918 ein weiteres Aquarell zum Thema „der trauernden Juden“. Die Eindrücke, die der Künstler während seiner Orientreise geschöpft hat, äußern sich durch die Darstellung von Palme und Pyramide. Das Aquarell ist also die letzte orientalisierende Umsetzung des Bildmotivs: Ein dekoratives System mehrfarbiger Rechteckfelder und anderer geometrischer Elemente strukturiert die Bildfläche, dabei scheinen die farbigen Flächen willkürlich zusammengefügt. Die tränenhaften Formen mit den Schraffuren seiner ersten Version sind ebenfalls noch zu erkennen. Ähnlich wie Bendemann, der eine Symbiose von Darstellung und Rahmen mit Inschrift erfand, setzt Klee zum ersten Mal den Titel direkt ins Bild. Die Schriftzüge lassen den Betrachter einige Bildelemente als Gegenstände erkennen und so als der biblischen Geschichte der babylonischen Gefangenschaft zugehörig assoziieren.

Der neuseeländische Künstler Patrick Hayman vereint gleichermaßen Schrift und

Bild in seinem Gemälde „By the Waters of Babylon (KATALOG 45A, BILD K106), das etwa 40 Jahre später als die Zeichnung Klees entstand. Zwar arbeitet Hayman

347 1913, Feder auf Papier, 6,8 x 9,8 cm, Privatbesitz. 348 1914, Feder, 19 x 8,5 cm, Luzern, Slg. Angela Rosengart. 349 Vgl. Lankheit 1963, S. 203f.

115 ENTWICKLUNG DES BILDMOTIVS DISPARATE NACHWIRKUNGEN IM 20. JAHRHUNDERT wiederum gegenständlich, schafft aber keine homogene Darstellung, sondern kombiniert die Motive willkürlich. Hier wird zum zweiten Mal in der Geschichte des Bildthemas durch Verwendung jüdischer Symbolik ein Bezug zum Judentum hergestellt, aber zum ersten Mal ist er durch die beliebige und vom Bildgesetz unabhängige Anordnung so offensichtlich. Bendemann hingegen integriert die jüdischen Symbole subtil als Rapport aus Davidsternen, die die Kragenborte des Gewandes des Greises verzieren. Das Gemälde reflektiert des Künstlers starkes Interesse an Heroen und Märtyrern aus geschichtlichen, religiösen und literarischen Quellen.350 Hayman, selbst Jude, dokumentiert mit dem Gemälde die Notlage des jüdischen Volkes im Alten Testament und schafft durch die abstrahierte Darstellung eine universelle Metapher von sozialer Ausgrenzung und Enteignung.

Nach Klees Exkurs ins Abstrakte artikulieren der englische Maler Cecil Collins

1932 (KATALOG 42A, BILD K103) und der Franzose André Bauchant 1937 (KATALOG 43A,

BILD K104) das Bildmotiv im Stil der Naiven Kunst. Wiederum gegenständlich gestalten beide Maler das in der Darstellung unverändert gebliebene Motiv von trauernden Menschen, die an den Ufern eines Flusses lagern, mit einem extrem vereinfachten Formenvokabular, das die Figuren ungelenk, beinahe linkisch wirken lässt. Die Flächigkeit, ein Stilmittel der abstrakten Kunst, ist geblieben. Collins zeigt die trauernden Juden erstmalig als nackte Figuren; es wird aber kein Zusammenhang zu dem Bildpersonal der orientalisierten und weiblich emotionalisierten Bilder hergestellt. Dennoch scheint der Engländer der Bildtradition aus dem 19. Jahrhundert mehr verbunden zu sein als Bauchant, zeigt er doch die Harfe in der Weide hängend, während Bauchant darauf verzichtet und stattdessen ein neues, bislang noch nie gezeigtes Motiv integriert: den Turm zu Babel, dessen Darstellung als Stufenturm Bauchant dem 1563 entstandenen Gemälde „Der Turmbau zu Babel“ von Pieter Brueghel (1525/30–1569) entlehnt hat. Offensichtlich klingt bei dem Franzosen die archäologische Bilddokumentation der im späten 19. Jahrhundert entstandenen Gemälde der Engländer Garvie und Schmalz nach; die orientalistische Bildtradition seiner Heimat Frankreich ist ihm geblieben, erkennbar an den Gewändern und den Kopfbedeckungen der Figuren.

350 Schriftliche Information von Abby Sisam, Ferner Galleries, Auckland, Neuseeland.

116 ENTWICKLUNG DES BILDMOTIVS DISPARATE NACHWIRKUNGEN IM 20. JAHRHUNDERT

Das letzte Bild in der langen Reihe der Umsetzungen des Bildmotiv, das der Engländerin Leslie C. Benenson, geht zu den Anfängen des Bildmotivs und greift die Tradition auf (KATALOG 44A, BILD K105): Die Künstlerin konzentriert sich wie Bendemann und Landelle auf die handlungslose Monumentalität und den pyramidalen Aufbau der Figuren, die Landschaft wird nur angedeutet. Die in der Mitte hoch aufragende Frauengestalt erinnert in ihrer aufrechten, Hoffnung spendenden Haltung an die Frau im Zentrum von Landelles Gemälde. Sie ist nicht vom Schicksal gebeugt wie die anderen, sondern hoch aufgerichtet, unbeugsam. Benenson geht also auch im Stil, nicht nur im Thema zurück zu den traditionellen Darstellungen. Sie greift verschiedene Elemente früherer Umsetzungen auf, schafft aber eine zeitlose Darstellung, die für alle Interpretationen offen und toposhaft zu verstehen ist.

117 VERWANDTE BILDMOTIVE JEREMIAS AUF DEN TRÜMMERN JERUSALEMS

IV. VERWANDTE BILDMOTIVE

Neben dem Bildmotiv „Die trauernden Juden im Exil“ tauchen in der europäischen Malerei vereinzelt Darstellungen auf, die inhaltlich mit den Ereignissen um die babylonische Gefangenschaft verwandt sind.

1. „Jeremias auf den Trümmern Jerusalems“

Das Bildmotiv „Jeremias auf den Trümmern Jerusalems“ zeigt den Propheten nicht allein in statuarischer oder sitzender Darstellung mit Schriftrolle, wie es in der byzantinischen Kunst, im Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit der Fall war (Duccio, Claus Sluter, Donatello, Piero della Francesca), sondern als Protagonisten eines geschichtlichen Ereignisses. Jeremias wirkte etwa von 626, dem Jahr seiner Berufung zum Propheten, bis 587 v. Chr. in Jerusalem und prophezeite jahrelang den Untergang des Reiches Juda, der im Jahr 586 v. Chr. tatsächlich eintrat.351 Der Prophet wird auch für den Autor der sog. „Klagelieder“ (Klgl) gehalten, die – aus fünf Gedichten bestehend – von der Zerstörung Jerusalems und des Tempels von 586 v. Chr. berichten.352 Sie sind die ikonographische Quelle der Darstellung des „trauernden Jeremias“. Als die vermutlich früheste eigenständige, von einer Bibelillustration unabhängige Ausformung des Motivs ist das 1630 entstandene Gemälde

Rembrandts bekannt (BILD T81). Erst Wilhelm von Bode (1845–1929) wies dem Bild seinen heutigen Titel zu, vorher galt es wechselweise als Darstellung des Anchises vor dem brennenden Troja oder des Lot vor dem brennenden Sodom. Rembrandt hat vor allem auf die „Jüdischen Altertümer“ von Flavius Josephus, die er in der deutschen Ausgabe von 1574 besaß, zurückgegriffen. Das 9. Kapitel des 10. Buches berichtet, dass Nebukadnezar den Propheten aus der Gefangenschaft befreien und ihn nach Babylon einladen wollte. Jeremias ließ wissen, dass er nicht gedenke, fortzugehen, vielmehr wünsche er, in seiner zerstörten Stadt zu bleiben. Daraufhin befahl der König einem gewissen Godalias, den Propheten zu

351 Siehe dazu Fohrer, Georg: Erzähler und Propheten im Alten Testament, Heidelberg, Wiesbaden 1988, S. 113f, 126f. 352 Vgl. ebd., S. 141f.

118 VERWANDTE BILDMOTIVE JEREMIAS AUF DEN TRÜMMERN JERUSALEMS versorgen. Dieser bedachte ihn mit reichen Geschenken und erlaubte ihm zu gehen, wohin er wollte.353 Rembrandt zeigt Jeremias in einer ruinösen Räumlichkeit, aber auf einem kostbaren Teppich sitzend; alles ist von Licht erfüllt und strahlt golden. Der niederländische Meister kannte die Darstellung der „Melancholie“ von Albrecht Dürer (1471–1528), denn er zeigt den Propheten in der derselben nachdenklichen Haltung. Links gibt ein Säulentor den Ausblick auf das brennende Jerusalem im Hintergrund frei. Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Bildmotiv des auf Jerusalems Trümmern trauernden Jeremias nicht mehr dargestellt; es war auch durch die fälschliche Annahme, Rembrandt stelle jemand anderen als Jeremias dar, nicht allgemein bekannt. Der Franzose Jean–Victor Schnetz (1787– 1870), Schüler von Jean–Baptiste Regnault (1754–1829) und David, und seinerzeit ein hochangesehener akademischer Maler, dürfte 1819 einer der ersten gewesen sein, die das Bildmotiv aufgriffen.354 Berühmt wurde das Motiv erst durch die vielgelobte, aber auch vielkritisierte355 Umsetzung von Eduard Bendemann, der es 1836 für den preußischen Kronprinzen, den späteren König Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861), als 356 Gemälde (BILD T82) ausführte. Ob Bendemann das Gemälde des Franzosen kannte, kann nicht nachgeprüft werden, da es zum letzten Mal auf der Pariser Weltausstellung 1867 zu sehen war und heute verloren ist.357 Bendemann schuf also vermutlich ein Werk, das unbelastet von einer gesicherten Ikonographie war, dennoch blieb ihm keine zu große gestalterische Freiheit. Der Kronprinz wollte ursprünglich eine Wiederholung der „trauernden Juden“, sah jedoch davon ab,

353 Vgl. Brown, Christopher, Kelch, Jan, Thiel, Pieter van: Rembrandt, ein Meister und seine Werkstatt, Gemälde, Ausst., Berlin, Amsterdam, London 1991, S. 146. 354 Vgl. Archives Nationales F/21/0180, Dossier 40. 355 Während Bendemanns „Trauernde Juden“ als ergreifende, rein menschliche Illustration eines biblischen Themas aufgefasst wurde, sah man (vor allem Püttman 1839, S. 44) den „Jeremias“ als tagespolitisches Kampfbild an. Vgl. Schlink, Wilhelm: Jacob Burckhardt und die Kunsterwartung im Vormärz, Wiesbaden 1982, S. 12. 356 1835/36, Öl auf Leinwand, 224 x 414 cm, ehemals Hannover, Leineschloss, nach 1943 zerstört. Zur Geschichte des Bildes siehe Renger, Konrad: Eduard Bendemanns „Jeremias“, Vorzeichnungen und Würdigungen eines verlorenen Hauptwerkes der Düsseldorfer Malerschule, in: Flemming, Victoria von, Schütze, Sebastian (Hg.): Ars naturam adjuvans, FS für Matthias Winner, Mainz 1996, S. 621–637 und Krey 2003, S. 136–166. Siehe außerdem die bei beiden Autoren besprochene zeitgenössische Rezeption. 357 Vgl. Chesneau–Dupin, Laurence: Jean–Victor Schnetz 1787–1870, Couleurs d’Italie, Ausst., Flers 2000, S. 179, Nr. 28.

119 VERWANDTE BILDMOTIVE JEREMIAS AUF DEN TRÜMMERN JERUSALEMS weil Bendemann versprach, „ein neues vollendeteres Werk verwandten Inhalts darzustellen.“358 Tatsächlich gehört der „Jeremias“ zu den Bildern des „Düsseldorfer Schmerzes“, denn genau wie bei den „trauernden Juden“ liegt der Focus auf der Befindlichkeit der wenigen Figuren. Es handelt sich nicht um einen historisch einzigartigen Moment, sondern vielmehr um die Darstellung eines menschlichen Zustandes mit allen seinen Emotionen, die der Betrachter reflektiert. Im Unterschied zu den „trauernden Juden“ zeigt er aber nun keine namenlosen Figuren mehr, sondern Jeremias als biblisch benennbare Persönlichkeit. Zur Erinnerung: Michelangelos „trauernde Juden“ in den Lünetten der Sixtinischen Decke zeigen die Stammväter, also auch namhafte jüdische Personen. Carl Gustav Carus formuliert es im Kunst–Blatt von 1836 in der Besprechung über Bendemanns „Jeremias“ treffend: „Die Heranführung des Momentes aus der Geschichte der Menschheit im Ganzen, durch die Darstellung der entschiedensten Persönlichkeit im Einzelnen“359 Im Gegensatz zu den „trauernden Juden“ liegt der Darstellung des „Jeremias“ keine bestimmte Textelle in der Bibel zugrunde. Franz Kugler (1808–1858), der Redakteur von „Museum, Blätter für bildende Kunst“ schlägt in einer Besprechung des Gemäldes in seiner Zeitschrift einige Verse vor, die als ikonographische Quelle dienen könnten360: Wie z. B. „Die Aeltesten der Tochter Zion liegen auf der Erde und sind still, sie werfen Staub auf ihre Häupter und haben Säcke angezogen; die Jungfrauen von Jerusalem hängen ihre Häupter zur Erde. – Ich habe schier meine Augen ausgeweinet, dass mir davon wehe thut; meine Leber ist auf der Erde ausgeschüttet über dem Jammer der Tochter meines Volkes, da die Säuglinge und Unmündigen auf den Gassen in der Stadt verschmachteten; (…) wie die tödtlich Verwundeten, und in den Armen ihrer Mütter den Geist aufgaben“ (Jer 2, 10f)

Tatsächlich findet man die genannten Motive auf Bendemanns Bild wieder. In der Mitte des Gemäldes thront Jeremias auf den Trümmern des Tempels; er stützt

358 Hagen, August von: Die deutsche Kunst in unserem Jahrhundert, eine Reihe von Vorlesungen mit erläuternden Beischriften, Bd. 1, Berlin 1857, S. 347. 359 Carus, Carl Gustav: Bemerkungen über Bilder der Düsseldorfer Schule, ausgestellt in Dresden im December 1836, in: Kunst–Blatt 1837, Nr. 28, S. 118. 360 Vgl. Kugler, Franz: Jeremias auf den Trümmern von Jerusalem, Oelgemälde von E. Bendemann, in: Museum, Blätter für bildende Kunst, 1836, Jg. IV, Nr. 18, S. 140 (137–142). Siehe auch Kugler, Franz: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte, Dritter Theil, Stuttgart 1854, S. 154ff.

120 VERWANDTE BILDMOTIVE JEREMIAS AUF DEN TRÜMMERN JERUSALEMS seinen gebeugten Kopf mit der Hand; um ihn her Verwüstung mit Toten und Verletzten, Frauen klagen um ihre toten Kinder. Im Hintergrund sieht man das zerstörte und noch brennende Jerusalem. Wenn Bendemann auch nicht direkt auf die Darstellung Rembrandts zurückgreifen konnte, gab es doch sehr bekannte Gemälde mit ähnlichen Bildtypen, so z. B. Delacroix’ Gemälde „Das sterbende Griechenland auf den 361 Trümmern von Missolonghi“ (BILD T83) von 1827 und Eberhard Wächters „Die 362 trauernde Muse auf den Trümmern Athens“ (BILD T84) von 1830. Beide stellen keine Ereignisse, sondern Allegorien dar. „Das sterbende Griechenland auf den Trümmern von Missolonghi“ bezieht sich auf die Belagerung der griechischen Stadt Missolunghi und ihre Eroberung am 15. Mai 1826. Griechenland, gezeigt als Frau in zeitgenössischer griechischer Kleidung, kniet auf den Trümmern der Stadt, unter denen Tote begraben liegen.363 Während Delacroix politisches Zeitgeschehen allegorisch erhöht, geht es Wächter um die Reflexion der Vergänglichkeit der Kultur Griechenlands. Er zeigt eine lorbeerbekränzte Frau, die auf den verfallenen und verwitterten Resten eines Tempels sitzt. Die Ruinen und die erhöht liegende Stadt im Hintergrund finden sich in Bendemanns „Jeremias“ wieder. Überhaupt hat Wächters Seelenmalerei, wie schon erwähnt, Einfluss auf Bendemann und die Düsseldorfer ausgeübt.364, Rudolf Friedrich Suhrlandt (1781–1862) baut diesen Ansatz in seinem 1839 365 gemalten Jeremiasbild (BILD T85) weiter aus. Der Prophet sitzt mit langem Bart und wallendem roten Gewand inmitten einer Menschenmenge, die sich ängstlich und auch vorwurfsvoll an ihn wendet. Der Prophet selbst blickt dabei mit erhobener Hand flehentlich zum Himmel. Waren es bei Bendemann neben Jeremias einige wenige Figuren, „wimmelt“ es in Suhrlandts Darstellung geradezu von Menschen. Noch stärker kommt dieser Horror vacui in der vermutlich das 366 Gemälde vorbereitenden, aquarellierten Federzeichnung (BILD T86) zum Ausdruck.

361 1827, Öl auf Leinwand, 208 x 147 cm, Bordeaux, Musée des Beaux–Arts. 362 1830, Öl auf Leinwand, 73 x 83 cm, Stuttgart, Staatsgalerie. 363 Vgl. Athanassoglou–Kallmyer 1997, S. 257. 364 Möseneder 1996, S. 113. 365 Das in Privatbesitz befindliche Gemälde, Öl auf Leinwand, 137 x 186 cm, war 1855 auf der Weltausstellung in Paris zu sehen. Vgl. Bötticher 1948, Bd. 2, S. 865, Nr. 12. 366 33,2 x 47,3 cm, Schwerin, Staatliches Museum.

121 VERWANDTE BILDMOTIVE JEREMIAS AUF DEN TRÜMMERN JERUSALEMS

Die Vielfigurigkeit verknüpft mit Handlungsabläufen, die Suhrlandts Umsetzung auszeichnet, wird erst Jahre später bei dem Bildmotiv „Die Wegführung der Juden in die Gefangenschaft“ im großen Stil relevant.

Bendemann in der Konzentration auf wenige für das Geschehen wichtige Personen folgend, die im Vordergrund agieren und den gesamtem Bildraum ausfüllen, gestaltet Julius Schnorr von Carolsfeld (1794–1872) den Holzschnitt zu

„Jeremiä Klage“ (BILD T87), der zu den zwischen 1851 und 1860 entstandenen „Bilder zur Bibel“367 gehört. Carolsfeld zeigt Jeremias nicht sitzend, sondern stehend. Ein Bein auf einen Säulenstumpf gestellt, stützt er mit der rechten Hand seinen Kopf, während er die Linke ausgestreckt hält. Im Mittelgrund rechts wehklagen zwei bekrönte Frauen; die Stadt ist wie ausgestorben. Heißt es doch in den Klgl 1, 1 „Wie liegt die Stadt so wüste, die voll Volks war? Sie ist wie eine Witwe.“

Noch figurenreduzierter als das eben erwähnte, aber dafür mit einem großen landschaftlichen Umfeld ist das gegen Ende des Jahrhunderts, 1898/99, 368 entstandene Gemälde „Le lamentazioni di Geremia“ (BILD T88) von Giovanni Segantini (1858–1899). In der rechten Bildhälfte, auf Augenhöhe des Betrachters kniet der Prophet mit erhobenen Händen in Dreiviertelrückansicht allein auf einem Berg. Unter ihm, in einer Talsenke, liegt Jerusalem begrenzt von Bergketten im Hintergrund; der Himmel ist wolkenschwer. Nichts in der Darstellung erinnert mehr an Bendemann, der Italiener scheint sich vielmehr die Jeremiasdarstellung Rembrandts zum Vorbild genommen zu haben. Der Prophet ist weit weg vom Geschehen, jedoch nicht mehr passiv; Segantinis Darstellung dürfte wohl die einzige sein, in der Jeremias aktiv trauert und den Betrachter auffordert, mitzutrauern. In Marc Chagalls (1887–1985) 369 Darstellung „Klagelied des Jeremias" von 1956 (BILD T89) ist der Prophet wieder in sich gekehrt und hält die Torarolle schützend an sich gepresst.

367 Vgl. Julius Schnorr von Carolsfeld, Die Bibel in Bildern und andere biblische Bilderfolgen der Nazarener, Ausst., Neuss 1982, S. 6ff. 368 Öl auf Karton, 88 x 109 cm, Privatbesitz. 369 Aus „Die Bibel I“, Farblithographie 1956, 35,5 x 26,2 cm. Vgl. Sorlier, Charles, Mourlot, Fernand: Chagall, lithograph, Monte Carlo 1960, Bd. 1, Nr. 140.

122 VERWANDTE BILDMOTIVE GEFANGENE JUDEN VOR DEN RUINEN JERUSALEMS

2. „Gefangene Juden vor den Ruinen Jerusalems“ von Henri–Léopold Lévy (1869)

Eine einzigartige Darstellung zeigt der jüdische Maler Henri–Léopold Lévy (1840– 1904) mit der Komposition „Hébreux captifs pleurant sur les murs de Jérusalem“ 370 (BILD T90), für die er die dritte Auszeichnung vom Salon 1869 erhielt. Es wurde gelobt als ein „ouvrage remarquable d’une main vive et forte, qui annonce à la fois une intelligence heureuse de la composition dramatique et l’entente, aujourd’hui trop rare, des harmonies vigoureuses de la couleur“.371

Wie schon der Titel verrät, zeigt das Gemälde die trauernden Juden nicht an den Wassern Babylons, sondern an den verfallenen Ruinen Jerusalems. Lévy kombiniert in dem Gemälde zwei mittlerweile sehr bekannte Darstellungsformen: die der „trauernden Juden“ und die „des auf den Trümmern Jerusalems trauernden Jeremias“. Drei männliche Personen, als die Lebensalter Kindheit, Jugend und Alter interpretierbar, stellen den Niedergang und die Demütigung des jüdischen Volkes exemplarisch dar. Durch die quadratischen Steinplatten des Bodens entsteht ein tiefenräumlicher Sog, eine „tintoretteske“ Tiefenillusion, die den Blick suggestiv zu dem bewegten, grausigen Geschehen im Bildmittelgrund führt. Levy zeigt also namenlose trauernde Juden vor einem Hintergrundgeschehen.

Mit der Darstellung Lévys ist die Bibelillustration „Trauer Jerusalems“ nach Jer 39, 372 14–18 von Gustave Doré (1832–1883) (BILD T91) vergleichbar. Auch hier sieht

370 Vgl. Archives Nationales F/21/7640, Folio 3: Photos des salons. Im selben Jahr wurde es vom Staat gekauft und war, bevor es nach Nancy übergeben wurde, auf der Internationalen Kunstausstellung im Münchner Glaspalast zu sehen. Vgl. L’art en France sous le Second Empire, Ausst., Paris 1979, S. 381. 1878 war es noch einmal auf der Exposition universelle in Paris ausgestellt. Vgl. Archives Nationales F/21/4909B, Dossier 10, Pièce 44; Catalogue officiel de l’Exposition universelle de 1878 à Paris, Bd. 1, Groupe 1, oeuvres d’arts classes 1 à 5, Paris 1878, S. 46, Nr. 579. 371 Zitiert bei Bour, Edouard: Henry Lévy, in: La Lorraine artiste, Nr. 23, 1905, S. 31. 372 Von 1862 bis 1865 entwarf Doré Zeichnungen für die Bibel, die 1866 zweibändig in Folio mit 228 Holzstichen (118 für das Alte und 110 für das Neue Testament) erschien. Noch Ende desselben Jahres kam eine weitere zweibändige Folioausgabe mit 230 Holzstichen heraus. In der zweiten Ausgabe wurden 13 Illustrationen der ersten Ausgabe gestrichen, dafür kamen 15 neue hinzu, 22 wurden ausgebessert und 11 überarbeitet. Vgl. hierzu Leblanc, Henri: Catalogue de l’oeuvre complet de Gustave Doré, Paris 1931, S. 47ff. Ein Exemplar, das 30 unveröffentlichte Zeichnungen enthält, wurde speziell für den Künstler gedruckt. Wenige Jahre nach Publikation der Doré–Bibel entstanden in vielen Ländern Großauflagen in

123 VERWANDTE BILDMOTIVE GEFANGENE JUDEN VOR DEN RUINEN JERUSALEMS man trauernde Juden in Jerusalem; unter ihnen steht Jeremias mit dem Rücken an die Mauer gelehnt. Bei den von den Babyloniern zurückgelassenen Juden zu seinen Füßen zeigen sich Schmerz und Trauer in allen nur erdenklichen Ausdrucksformen, ähnlich wie bei Ramírez oder Puccinelli.

unterschiedlichen Formaten mit oft in Höhe und Breite beschnittenen Bildern. Siehe hierzu Schmidt, Anke: Doré illustriert die Bibel, in: Guratzsch, Herwig, Unverfehrt, Gerd (Hg.): Gustave Doré, Illustrator, Maler, Bildhauer, Beiträge zum Werk, Bd. 1, Ausst., Dortmund 1982, S. 133.

124 VERWANDTE BILDMOTIVE NARRATIVE DARSTELLUNGEN

3. Narrative Darstellungen

„Wegführung der Juden in die babylonische Gefangenschaft“

Neben der Darstellung „Die trauernden Juden im Exil“ erscheint im 19. Jahrhundert vor allem die der „Wegführung der Juden in die babylonische Gefangenschaft“. Bildlich thematisiert wurde die „Wegführung der Juden“ schon ab dem 13. Jahrhundert. Ein aus der Diözese von Mainz stammendes Evangeliar aus der Mitte des 13. Jahrhunderts zeigt im zweiten Teilbild einer ganzseitigen 373 Miniatur auf Goldgrund die Wegführung der Juden nach Babylon (BILD T92). Im Großformat findet man das Bildmotiv in der Painted Chamber, dem Schlafzimmer König Edwards I. (1272–1307) im Westminster Palace, die ein unbekannter Künstler im späten 13. Jahrhundert mit Fresken ausstattete. 1834 durch Feuer zerstört, sind die Wandmalereien durch Kopien von Charles Alfred Stothard (1786–1821) und Edward Crocker (ca. 1757–1836) aus dem frühen 19. Jahrhundert überliefert.374 Sie zeigen Schlachtenszenen aus dem Alten Testament und die Krönung von Edward, dem Bekenner (um 1004–1066).375 Zwei Szenen illustrieren Begebenheiten, die zur Epoche der babylonischen Gefangenschaft 376 gehören: „Nebukadnezar und Jojachin“ (BILD T93) und „Zedekia und der 377 Untergang von Jerusalem“ (BILD T94). Die erstere zeigt Jojachin vor Nebukadnezar und den babylonischen König zu Pferde, wie er mit erhobenem Schwert Jojachin und dessen Frau, beide ebenfalls beritten, in die Gefangenschaft führt. Die zweite Malerei zeigt Soldaten, die plündern oder mit Schwertern und Geißeln gefesselte Juden vor sich hertreiben. In der Tafel– und Freskenmalerei der Renaissance und des Barock taucht die „Wegführung der Juden“ nicht auf. Erst im 19. Jahrhundert, nach den ersten Umsetzungen der „trauernden Juden“, finden sich Darstellungen des Themas. Zu

373 Folio 18v. Vgl. Hofmann, Josef, Hans, Thurn: Die Handschriften der Hofbibliothek Aschaffenburg, Aschaffenburg 1978, S. 38ff. 374 Der Kunsthistoriker Ernest W. Tristram (1882–1952) hat sie in „English Medieval Wall Painting: the Thirteenth Century, 2 Bde., Oxford 1950” aufbereitet. Zur Painted Chamber siehe im Textband S. 86–115. 375 Vgl. Brayley, Edward Wedlake, Britton, John: The History of the Ancient Palace and the Houses of Parliament at Westminster, London 1836; Binski, Paul: The Painted Chamber at Westminster, London 1986, S. 71ff. 376 Vgl. Binski 1986, S. 121, Nr. 21. 377 Vgl. ebd. S. 121f, Nr. 22.

125 VERWANDTE BILDMOTIVE NARRATIVE DARSTELLUNGEN den ersten Künstlern der Neuzeit, die dieses Motiv aufgriffen, dürfte wohl William Bouguereau gehören. Er errang 1850 den Prix de Rome und durfte daraufhin an der Académie de France in Rom studieren. Dort entstand 1851 das Gemälde „Les 378 Juifs emmenés en captivité“ (BILD T56). Der Künstler notierte in seinem Tagebuch stichpunktartig die Entstehungsgeschichte der Komposition: 26. Februar 1851 „Sac d’une ville“, „assauts“ „le peuple emmené en captivité“, 19. März „travaille aux captifs – découragement“, etwas später „travaille à une composition des captifs – grand changement“.379 Daraus wird deutlich, dass das Thema nicht von vornherein auf die Wegführung in die babylonische Gefangenschaft festgelegt war, sondern verschiedene Gedankengänge sukzessive zur Gestaltung des Motivs führten. Das Gemälde schildert den Marsch einer großen Schar von gefangenen Juden. Begleitet von den teils berittenen Soldaten Nebukadnezars, sind sie in Ketten gelegt und bewegen sich zögernd vorwärts. Im Hintergrund sieht man die Ruinen des geplünderten und niedergebrannten Jerusalem. Im Vordergrund, wo das Gelände etwas abfällt, liegen die Leichen derer, die dem Feind Widerstand geleistet haben. Eine gänzlich konträre, neobarocke Formulierung des Themas ist durch Alfred Bellet du Poisat (1823–1883) erhalten, der 1864 das Bild „Les Hébreux conduits 380 en captivité“ (BILD T95) malte. Das Gemälde wurde im Salon Lyon 1864 und im Salon Paris 1865 ausgestellt. Die Meinungen dazu sind zweigeteilt: so werden die Originalität, die Bewegtheit und die malerischen Qualitäten gelobt381, jedoch wird bemängelt, dass das Gemälde „trop gai pour le sujet“382 wirke. Es erweist sich im Vergleich zu Bouguereaus Darstellung tatsächlich als rauschendes Farbspiel. Ein gewaltiger Tross von Menschen, darunter Babylonier, die die Tempelgeräte mitsamt der Bundeslade fortschaffen, berittene Soldaten mit Standarten und Trompeten und gefangene Juden, bewegt sich auf den Betrachter zu. Im Vordergrund werden die Gefangenen nach rechts getrieben. Im Hintergrund steigen Rauchsäulen vor dem blauen Himmel auf. Die stilistische Verwandtschaft zu Delacroix, die auch schon von den Zeitgenossen erwähnt wurde383, ist

378 Öl auf Leinwand, 77 x 103 cm, Privatbesitz. 379 Zitiert bei William Bouguereau 1825–1905, Ausst., Paris 1984, S. 147, Nr. 10. 380 1864, Öl auf Leinwand, 214 x 355,5 cm, Lyon, Musée des Beaux–Arts. 381 Voleine, Morel de: Notes sur l’exposition de 1865, in: Revue du Lyonnais, 1865, S. 178f. (176– 183); Mantz, Paul: Salon de 1865, in: Gazette des Beaux–Arts, 1865, S. 510. 382 Vgl. Mantz 1865, S. 510. 383 Vgl. ebd.

126 VERWANDTE BILDMOTIVE NARRATIVE DARSTELLUNGEN augenfällig: mitreißende Bewegungsabläufe wie bei dem aus der Mittelachse hervorstürmenden Pferd, Figurengruppen, die sich hin zum Betrachter bewegen, und pointiert gesetzte Farben. Als Schüler von Delacroix ist Bellet du Poisat natürlich von der Kunst seines Lehrers geprägt. In der Mittelachse wird eine Frau von einem Reiter attackiert, dessen Pferd sich mitten im Sprung befindet. Das Vorbild hierzu ist sicher die Hauptfigur von Delacroix' Gemälde "Die Freiheit führt 384 das Volk an" (BILD T96): Das wehende, von den Schultern geglittene und die Brüste entblößende Kleid, die Schrittstellung, die ein Voranstürmen impliziert, und der erhobene Arm gleichen der Allegorie der Freiheit. Auch die fliehenden und getriebenen Gestalten in Francois Heims (1787-1865) Gemälde "Die Zerstörung 385 Jerusalems" (BILD T97) von 1824 finden sich multipliziert bei Bellet du Poisat wieder. Ebenfalls voller Bewegungsdynamik ist die Illustration "Die Zerstörung Jerusalems und die Wegführung der Israeliten nach Babel" von Schnorr von

Carolsfeld (BILD T98). Im Unterschied zu Bellet du Poisats Komposition führen die Bewegungsabläufe vom Betrachter weg und enden in ungewisser Ferne. Die bisher aufgeführten Bildbeispiele zum Thema "Die Wegführung der Juden in die Gefangenschaft" zeigen deutlich den Unterschied zum Bildmotiv der "trauernden Juden": Hier wird wie in einer Langzeitaufnahme das Verharren in Trauer auf die Leinwand gebannt, während die "Wegführungen" eine Geschichte erzählen, einen Prozess und Handlungsabläufe - manchmal sogar ungleichzeitige -, darstellen. Ein ganzes biblisches Kapitel fasst Eduard Bendemann in seinem Gemälde 386 "Die Wegführung der Juden in die babylonische Gefangenschaft" (BILD T99) zusammen, mit dem er seine Trilogie über die Gefangenschaft des jüdischen Volkes in Babylon vollendet. Bendemann schafft eine Synthese zwischen zwei Bildmotiven: dem „Jeremias“ und den „trauernden Juden“. Um die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen deutlich zu machen, hat Bendemann die Bildbühne in eine obere und eine untere Ebene gegliedert, die als Diagonalen fungieren. Auf die jenseitige Komponente, die im oberen Rundbogen mit der von Engeln

384 1830, Öl auf Leinwand, 360 x 225 cm, Paris, Musée du Louvre. 385 Ca. 1824, Öl auf Leinwand, 29,1 x 35 cm, Paris, Musée du Louvre. 386 1865, Öl auf Leinwand, 117 x 132 cm, Düsseldorf, Kunstmuseum. Es ist der Entwurf für das monumentale Gemälde von 1872, Öl auf Leinwand, 416 x 510 cm, das sich in der Berliner Nationalgalerie im Treppenhaus zum dritten Geschoß befand und im 2. Weltkrieg zerstört wurde (BILD T100). Zur Entstehungsgeschichte siehe Krey 2003, S. 179–191.

127 VERWANDTE BILDMOTIVE NARRATIVE DARSTELLUNGEN umgebenen, schwebenden Gottesfigur dargestellt ist, hat Bendemann im finalen

Gemälde verzichtet (BILD T100). Formaler und inhaltlicher Mittelpunkt der Komposition ist der nachdenkliche Prophet Jeremias, der auf sein biblisches Buch gestützt frontal zum Betrachter auf der unteren Bühne sitzt. Er ist die „bildimmanente Reflexionsfigur“387, die mit den übrigen Figuren nicht in Verbindung steht und ein Bindeglied zum Betrachter darstellt. Bei den "trauernden Juden" handelte es sich ausschließlich um solche Reflexionsfiguren.388 Jetzt hat Bendemann die Anzahl seines Bildpersonals erheblich gesteigert: von wenigen erhabenen Figuren in den "trauernden Juden im Exil" über einige schon in Handlungsabläufe integrierte im "Jeremias" bis hin zum Horror Vacui, der Überdetermination in der "Wegführung der Juden". Jeremias, seinen Schreibgehilfen Baruch neben sich, ist der ruhende Pol inmitten der aufgeregt gestikulierenden Männer oder der verzweifelt die Hände ringenden Frauen. In der oberen Ebene zieht Nebukadnezar auf dem Streitwagen davon, hinter ihm der geblendete, in Ketten gelegte Zedekia, gefolgt von beutebeladenen babylonischen Soldaten und den Leviten, die die im Goldglanz hell erstrahlende Bundeslade tragen. Anders als bei den "trauernden Juden" gestaltet Bendemann jetzt ein Ereignisbild; es scheint so, als wolle er damit dem Urteil Vischers von 1842389 entgegenwirken. Zur Erinnerung: Ab Planets Umsetzung der "trauernden Juden" beginnt die Gestaltung des Bildmotivs sich vom handlungslosen Situationsbild zum Ereignisbild zu wandeln. Bei Lévys Gemälde "Hébreux capitfs sur les murs de Jérusalem" (BILD T90), das zwischen Bendemanns Entwurf und dem finalen Gemälde in der Berliner Nationalgalerie entstand, ist dieser Ansatz auch schon vorhanden. Hat sich Wilhelm Kaulbach (1804–1874) bei seinem monumentalen Gemälde 390 „Die Zerstörung Jerusalems“ (BILD T101) von 1846 Anregungen von Bendemanns „trauernden Juden“ und „Jeremias“ geholt391, setzt sich Bendemann nun wiederum mit dem Gestaltungsprinzip Kaulbachs auseinander.392 Die Belagerung und

387 Sitt 1999, S. 15. 388 Vgl. Anm. 232. 389 Vgl. Vischer, Theodor Friedrich: Betrachtungen über den Zustand der jetzigen Malerei (1842), in: Vischer 1922, Bd. 5. 390 1846, Öl auf Leinwand, 585 x 705 cm, München, Neue Pinakothek. 391 Vgl. Möseneder 1996, S. 114. 392 Den Auftrag für das Kolossalgemälde hatte Angelina von Radziwill (Lebensdaten unbekannt) 1836 Kaulbach erteilt. Unerwartet kündigte die Fürstin im September 1838 den Vertrag. König Ludwig I., der die monumentale Größe anordnete, erwarb schließlich das 1846 vollendete Gemälde. Vgl. ebd., S. 104.

128 VERWANDTE BILDMOTIVE NARRATIVE DARSTELLUNGEN

Zerstörung Jerusalems durch den römischen Kaiser Titus im Jahr 70 n. Chr. thematisierend, zeigt Kaulbach die geschichtliche Entwicklung auf verschiedenen Realitätsebenen, die die räumlich-zeitliche Einheit eines historischen Ereignisbildes sprengt. Rechts im Hintergrund das nahende römische Heer mit Titus an der Spitze, links im Hintergrund die brennende Stadt, im Mittelgrund die Schlacht, im Vordergrund betende, flehende, verzweifelte Gestalten, darüber und dazwischen immer wieder strafende oder rettende Engel, rechts eine Familie in abgeklärter Ruhe, dennoch auf der Flucht, und über allem thronen die vier Propheten Jesaja, Jeremias, Ezechiel und Daniel.393

393 Ausführlicher beschrieben bei Möseneder 1996, S. 103ff.

129 VERWANDTE BILDMOTIVE NARRATIVE DARSTELLUNGEN

„Rückkehr aus dem Exil“

Das Pendant zum Bildmotiv „Die Wegführung der Juden“ ist die Darstellung zum Thema „Rückkehr aus dem Exil“. Ikonographische Quelle ist das biblische Buch Esra. In der Geschichte der Malerei wird dieses Motiv eher selten aufgegriffen. Vor dem 19. Jahrhundert findet man viel häufiger Darstellungen, die König Cyrus zeigen, der den Juden erlaubt, aus Babylon in ihr Land zurückzukehren und den Tempel wiederzuerrichten, wie z. B. in der Miniatur aus einer Bibel aus dem Gumpertuskloster in Ansbach aus dem 12. Jahrhundert.394 Die Szene ist vertikal durch eine Säule mit Volutenkapitell geteilt und zeigt links die Juden vor König

Cyrus und rechts den Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem (BILD T102). Als Gemälde findet man das Bildmotiv weder im Mittelalter noch in der Neuzeit ausgeführt. Auch als Bibelillustration bleibt es im 19. Jahrhundert eine Ausnahme.

Eine kolorierte Lithographie (BILD T103) nach Raffael zeigt einen von links ins Bild kommenden Menschenzug mit Kamelen, der auf dem Heimweg nach Jerusalem ist. Der unbekannte Künstler hatte nicht etwa eine genaue Vorlage, sondern komponierte frei nach Raffaels 1519 entstandener Komposition „Joseph wird von seinen Brüdern verkauft“ (BILD T104) in den Loggien des Vatikan. So ist der in Dreiviertelrückansicht gesehene, nach rechts schreitende Mann in der kurzen, grünen Tunika und dem Fellbündel um die Hüften bei Raffael spiegelverkehrt auf der rechten Seite dargestellt. Auch die Kamele und die Hintergrundlandschaft sind von Raffael entlehnt. Schnorr von Carolsfeld baut seine Komposition „Die Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft“ (BILD T105), wie auch schon „Die Wegführung“, aus den Bildecken heraus auf: Von beiden Seiten strömen die Menschen herbei und formieren sich zu einem gewaltigen Zug. Links ziehen zwei Frauen einen Handwagen mit einem betenden, fast verhüllten Mann darauf, rechts weist ein sich hoch aufgerichteter Mann in Rückansicht mit erhobenen Händen in die Ferne, wo Jerusalem zu erahnen ist. Die Szenerie erinnert an Géricaults „Floß der 395 Medusa“ (BILD T28): Durch die Gestik der pyramidal aufgetürmten Gruppe, die

394 Cod. 121, Blatt 288, „Die Juden vor Cyrus“ und „Wiederaufbau des Tempels“, Salzburger Schule, Erlangen, Universitätsbibliothek. 395 1819, Öl auf Leinwand, 491 x 716 cm, Paris, Musée du Louvre.

130 VERWANDTE BILDMOTIVE NARRATIVE DARSTELLUNGEN dem Schiff Argus am Horizont Signale gibt, wird ein Sehnsuchtsmotiv ausgebildet. Genau das geschieht auch bei Schnorr von Carolsfelds Illustration zu Esra 1, 5. Wie auf dem Floß, wo neben Verletzten sogar Tote liegen, baut sich hinter dem gebrechlichen Paar in der rechten Bildecke eine Figurenpyramide auf; die ausgreifenden Gebärden der heimkehrenden Juden weisen auf das in der Ferne liegende Jerusalem. Das Bildmotiv „Die Rückkehr aus dem Exil“ schildert wie die „Wegführung in die babylonische Gefangenschaft“ und im Unterschied zu den „trauernden Juden“ wiederum ein „Fortschreiten“, zeigt also keinen Zustand, sondern vom Betrachter wegführende Bewegungsabläufe.

131 VERWANDTE BILDMOTIVE ALLEGORISCHE DARSTELLUNGEN

4. Allegorische Darstellungen

„Das traurende (sic!) Jerusalem“ von Adam Eberle (1832)

Aus dem Nachlass Adam Eberles gibt es eine unvollendete Zeichnung mit dem 396 Titel „Das traurende (sic!) Jerusalem“ (BILD T106), die die alttestamentarische Thematik des babylonischen Exils allegorisch verdichtet. Es ist vermutlich Eberles letztes Werk. 1840 wurde die Zeichnung durch einen Stich von Joseph Blanz (1818–1881) in Raczynskis zweitem Band „Geschichte der neueren deutschen Kunst“ publiziert“.397 Darunter sind die entsprechenden Bibelstellen vermerkt: „Jérusalem captive. Die gefangene Jerusalem (Jerem. K. 52) ihrer übermüthigen Feinde Spott u. Hohn Hesek. 5.15. 22.4. Klagel. 1.5. 2.16) von ihren Propheten gewarnt und bestraft, beweint und getröstet.“

Eberle stellt das gefangene Jerusalem als Königin dar, die in der Mitte des Blattes auf den Stufen ihres mit Löwenköpfen verzierten Thrones lagert. Umhüllt von einem langen Schleier trägt sie eine Krone auf dem geneigten Haupt und blickt zu Boden. Zu beiden Seiten des Thrones stehen fünf weitere Königinnen. Es sind die allegorischen Darstellungen der mit Jerusalem verfeindeten Städte, die die Gefallene in ihrer Erniedrigung verhöhnen. Rechts befinden sich die vier großen Propheten als Zeugen der Erfüllung des göttlichen Gerichts, welches sie dem jüdischen Volk vorhergesagt haben.398 Die linke Bildhälfte schildert das Geschehen in seiner ganzen Grausamkeit: Tote und Verletzte liegen aufeinander, während die babylonischen Eroberer jüdische Gefangene, unter ihnen der König, und die Tempelschätze davonschleppen. Eberle hat hier eine „Halb allegorische, halb dramatische (…) Komposition“399 erfunden, deren gestalterische Wurzel in dem Fresko „Die Zerstörung Trojas“ (BILD T37), einst im Heroensaal der Münchner Glyptothek zu sehen, seines Lehrers Cornelius liegt. Wie sich das Geschehen um die Gestalt der trauernden Hekabe entfaltet, so ist die Personifikation Jerusalems von handelnden Figuren umgeben. Die bei Cornelius auf der linken Seite dargestellte Rückenfigur des halbnackten

396 Bleistift auf Papier, 42,4 x 58,6 cm, Basel, Kunstmuseum, Kupferstichkabinett. 397 Vgl. Raczynski 1840, Bd. 2, Bilderheft. 398 Vgl. Raczynski 1840, Bd. 2, S. 225. 399 Neue Lithographien, in: Kunst–Blatt 1837, Nr. 5, S. 20.

132 VERWANDTE BILDMOTIVE ALLEGORISCHE DARSTELLUNGEN

Kriegers, der ein Kind herumschleudert, erfährt bei Eberle in dem jungen Mann, der einem Kind aufhelfen möchte eine Umkehrung ins Positive. Die Mischung zwischen Allegorie und Geschichte zeichnet auch seine

Zeichnung „Die Israeliten in der babylonischen Gefangenschaft“ (BILD K24) aus. Darin findet man rechts eine sitzende Frauenfigur mit Spiegel, die der Kunsthistoriker Ernst Förster (1800–1885) als die Personifikation Zions deutet. Bei Eberles Bildschöpfung des trauernden Jerusalems fehlt jedoch die in der Zeichnung zur „babylonischen Gefangenschaft“ noch vorhandene jenseitige Komponente. Dafür abstrahiert er in der Personifikation des trauernden Jerusalems die Darstellung der „trauernden Juden“ und kombiniert sie mit narrativen Elementen aus dem Bildmotiv der „Wegführung“.

133 VERWANDTE BILDMOTIVE ALLEGORISCHE DARSTELLUNGEN

„Zion und Babel“ von Eduard Bendemann (1854)

Die jenseitige Komponente wiederum ist bei Bendemanns Komposition von „Zion 400 und Babel“ (BILD T107) fundamental. „Auf Veranlassung seiner Mutter“ entstand 1854 eine Zeichnung, die ein „großes Freskengemälde“ werden sollte, „dessen Komposition die in den trauernden Juden begonnene, im Jeremias fortgesetzte Trias abschließend, die Tochter Zions und die Tochter Babels zeigen soll,“401 Der Erhebung Zions links ist der Untergang Babylons gemäß der Prophetie des Jesaja (47; 52) gegenübergestellt. Die ungleichen Schicksale liegen im frommen bzw. lasterhaften Wesen der beiden Städte begründet, wie es die Kirchenväter auslegten.402 Es handelt sich um eine symmetrische Komposition, die durch einen Pfeiler in der Mittelachse getrennt wird. Darüber schließt ein halbkreisförmiges Tympanon ab, in dem sich als jenseitige Komponente die Vollstrecker Gottes befinden. Auf einem Wolkenband thront mit ausgebreiteten Flügeln und gezücktem Schwert in der rechten Hand der geharnischte Erzengel Michael, die linke Hand machtverkündend erhoben. Je drei Engelsboten, zu beiden Seiten ausgesandt, vollbringen den Willen Gottes. Es herrscht eine binäre Logik: Bendemann hat eine Allegorie, in der abbreviaturhaft das jeweilige Geschehen erzählt wird, unter der Komponente des Jenseitigen subsumiert. Dabei hatte Bendemann mehrere Vorbilder zur Auswahl. Die Personifikation Jerusalems auf den Stufen des Throns zeigt Eberle schon in seiner Zeichnung „Das traurende (sic!) Jerusalem“. Ferner das Kaulbachgemälde „Die Zerstörung Jerusalems“, das für die Unterteilung in eine göttliche und eine weltliche Ebene wegweisend war, und schließlich die Allegorie–Darstellungen von 403 Wilhem Schadow, wie z. B. das Gemälde „Pietas und Vanitas“ (BILD T108) von 1842, das alle Komponenten in einer Komposition vereint. Die Parabel der klugen

400 Schwarze Kreide, mittig unten signiert und datiert: „18 EB (ligiert) 54“, links und rechts unten bezeichnet: „Mache dich auf, mache dich auf Zion. Hinunter in den Staub du Tochter Babel“, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen KStKab. Vgl. Bötticher 1948, Bd. 2, S. 81, Nr. 36. Inwieweit Bendemanns Komposition einem Ende der 1830er Jahre geplanten Freskenprojekt entspricht, kann nicht nachgewiesen werden. Bereits August 1837 wurde in der General-Versammlung des Kunstvereins für die Rheinlande und Westphalen bestimmt, dass Bendemann ein großformatiges Bild mit dem Thema „Zion und Babel“ bis zum Jahre 1840 al fresco ausführen wird; der Ort des Freskos ist jedoch noch unklar. Vgl. Krey 2003, S. 37, Anm. 78. 401 Hagen 1857, S. 348. 402 Siehe S. 7f. in dieser Untersuchung. 403 Öl auf Leinwand, 194 x 144 cm, Bonn, Rheinisches Landesmuseum.

134 VERWANDTE BILDMOTIVE ALLEGORISCHE DARSTELLUNGEN und der törichten Jungfrauen wird durch weibliche Personifikationen dargestellt, die wie in einem Diptychon einander gegenübergestellt sind; in der Lünette über ihnen befindet sich der segnende Christus in einer Gloriole. Das Gleichnis selbst wird in zwei Szenen auf den Postamenten der Arkadenbögen gezeigt, unter denen die Frauen zu sehen sind. Eberle und Bendemann verwenden in beiden Darstellungen die Allegorie, um das Ereignis zeitlos zu überhöhen. Der Darstellungsmodus der Allegorie wird mit dem der Historie kombiniert und zeigt dieselbe Ikonologie die dem Bildmotiv „Die trauernden Juden im Exil“ zugrunde liegt. August von Hagen hat dies schon im Zusammenhang mit Bendemanns Oeuvre 1857 bemerkt: „Bendemann, so scheint es, hatte schon damals, da er die trauernden Juden malte, den Gedanken gefasst in verschiedenen Darstellungen ein, den Gegenstand möglichst erschöpfendes Epos der ihm heiligen Erinnerung zu widmen.“404

404 Hagen 1857, S. 347f.

135 RESÜMEE

RESÜMEE

Ausgehend von der Kunst des französischen Klassizisten Jacques-Louis David entwickelt sich im 19. Jahrhundert in der Malerei eine Ästhetisierung der Trauer, die unter dem Einfluss der Judenemanzipation in Europa zu einer neuen Bildschöpfung führt: den „trauernden Juden im Exil". Die Anfänge des Bildmotivs sind disparat, und es gibt keine kontinuierliche Bildtradition. Das Motiv taucht erstmalig um das Jahr 400 n. Chr. auf, als der spanische Dichter Prudentius einen biblischen Bilderzyklus kommentiert. Die nächsten fassbaren Bildzeugnisse sind viele Jahrhunderte später die mittelalterlichen Psalterillustrationen aus dem 9. – 13. Jahrhundert. Wiederum Jahrhunderte später stellt Michelangelo bei der Ausmalung der Decke der Sixtinischen Kapelle die Vorfahren Christi und indirekt die babylonische Gefangenschaft dar. Die statuarische Ruhe und Monumentalität seiner Gestalten werden für die Malerei des 19. Jahrhunderts richungsweisend. Wandmalereien des 18. Jahrhunderts in Synagogen spielen für die Entwicklung des Bildmotivs keine Rolle. Erst Jacques-Louis Davids „Schwur der Horatier" setzt einen Meilenstein. Zwar sind hier die Männer das agierende Element, während den Frauen eine passive Trauerhaltung vorbehalten ist, aber nachfolgende Gemälde präsentieren bereits trauernde Männer und Frauen, zum einen in großartigen Landschaften, zum andern in vielfigurigen „Momentaufnahmen“. Erst mit der 1832 entstandenen Umsetzung Eduard Bendemanns beginnen eine Typisierung und der eigentliche Triumphzug des Motivs. Kein anderes Gemälde mit diesem Thema zieht so viele Nachahmungen und Wiederholungen nach sich, kein anderes Gemälde gewinnt eine solche Popularität und wird mit einer derartigen Intensität metaphorisch aufgeladen. Bendemann isoliert das Grundmotiv des Opfers, subsumiert die Trauer als schmerzlichen Seelenzustand in einem ikonographischen Zusammenhang und sublimiert sie ästhetisch. Damit überwindet die Darstellung der Trauer ihren attributiven Charakter, den sie noch bei Davids „Horatierschwur" besitzt. Die Trauer an den Wassern Babylons entwickelt sich vom Dekorum zu einem wirkmächtigen Topos, der weit bis über die Grenzen Deutschlands bekannt wird.

136 RESÜMEE

Von Bendemanns Typenbildung ausgehend, einem nach Vischer „lyrischen Situationsbild“, entwickeln sich zwei Hauptströmungen: die Orientalisierung und die Emotionalisierung des Weiblichen. Für beide Richtungen ist zunächst die Komposition Bendemanns richtungsweisend. In der Orientalisierung, die bei Delacroix kulminiert, wandelt sich das Bildmotiv ab Planet um die Mitte des 19. Jahrhunderts durch das Hinzufügen der Babylonier zum Ereignisbild. Gegensatzpaare werden kontrastierend gegenübergestellt, die sich als würdevolle Unterdrückte und herrische Unterdrücker manifestieren. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ist besonders bei den englischen Umsetzungen des Motivs ein verstärkter Hang zur Orientalisierung bis hin zur Archäologisierung zu beobachten, die mit den damaligen archäologischen Entdeckungen (z. B. Austen Henry Layards Ausgrabungen in Ninive und Babylon ab 1845) in Zusammenhang steht. Neben den Figuren wird ein historisch authentisches Ambiente wichtig, angereichert mit Fundstücken aus den damals aktuellen Ausgrabungsorten in Assur und Ninive, so bei Solomon, Garvie und Schmalz. Auffällig ist, dass hier die Polarisierung von babylonischen Machthabern und jüdischen Gefangenen betont wird.

Währenddessen schlägt der französische Maler Landelle 1861 eine andere Richtung ein, die sich auf die Frau als Ausdrucksträgerin konzentriert und den Aspekt des Erotischen ohne orientalisierende Elemente hervorhebt. Im Unterschied zu den "trauernden Juden" als orientalisiertes Ereignisbild fehlt die Darstellung der Babylonier. Mit der Emotionalisierung des Weiblichen beginnt in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Entwicklung, welche die Frau sukzessive als Hauptperson in den Mittelpunkt des Motivs stellt und im 1885 entstandenen Gemälde des Franzosen Lagarde kulminiert, der die erotische Frau mit der mütterlichen Frau in seiner Darstellung verbindet. Mit dem ausgehenden Jahrhundert versiegen die beiden Strömungen, die das Bildmotiv der "trauernden Juden" beinahe ein ganzes Jahrhundert lang getragen haben. Die zum Teil opulente Farbigkeit weicht einer reduzierten Farbgebung so bei Ury, Lilien und Denis. Im 20. Jahrhundert sind die Nachwirkungen des Bildmotivs so disparat wie seine Anfänge. Es äußert sich in den unterschiedlichen avantgardistischen Kunstformen: in der Kunst der Nabis bei Denis, im Jugendstil bei Lilien, in der Abstrakten Kunst bei Klee und Hayman bis hin zu den

137 RESÜMEE

Ausdrucksformen der Naiven Kunst bei Collins und Bauchant. Erst die englische Künstlerin Benenson geht in ihrer kleinformatigen Zeichnung zurück zu der traditionellen Darstellung, die mit Bendemann ihren Anfang nahm. Der Vergleich mit den thematisch verwandten Werken zeigt, dass im 19. Jahrhundert kein anderes Motiv eine derartige Nachfolge gefunden hat und vielfach von Künstlern aus ganz Europa aufgegriffen wurde.

Das Motiv ist auch heute noch in der Malerei zu finden. Es hat die Grenzen Europas überschritten und ermöglicht dem Betrachter neue Sichtweisen und Interpretationen.

138 KURZE ZUSAMMENFASSUNG

KURZE ZUSAMMENFASSUNG

Ausgehend von der Kunst des französischen Klassizisten Jacques-Louis David entwickelt sich in der Malerei eine Ästhetisierung der Trauer, die unter dem Einfluss der Judenemanzipation in Europa zu einer neuen Bildschöpfung führt: den „trauernden Juden im Exil“. Die Anfänge des Bildmotivs sind disparat und es gibt keine kontinuierliche Bildtradition. Erst mit der 1832 entstandenen Umsetzung von Eduard Bendemann beginnt die Typisierung und der eigentliche „Triumphzug“ des Motivs. Bendemann isoliert das Grundmotivs des Opfers, subsumiert die Trauer als schmerzlichen Seelenzustand in einem ikonographischen Zusammenhang und sublimiert sie ästhetisch. Damit hat sich die Darstellung der Trauer vom Dekorum zu einem wirkmächtigen Topos entwickelt. Von Bendemanns Typenbildung ausgehend, einem handlungslosen Situationsbild, entwickeln sich zwei Hauptströmungen: die Orientalisierung und die Emotionalisierung des Weiblichen. In beiden Strömungen ist zunächst die Komposition Bendemanns richtungweisend. In der Orientalisierung des Bildmotivs wandelt sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts das Situations– zum Ereignisbild. In der zweiten Hälfe des Jahrhunderts ist vor allem bei den englischen Umsetzungen des Motivs der Hang zur Archäologisierung zu beobachten, der mit den damaligen archäologischen Entdeckungen in Zusammenhang steht. Währendessen wird in Frankreich eine andere Richtung eingeschlagen, die sich auf die Frau als Ausdrucksträger konzentriert und den Aspekt des Erotischen ohne orientalisierende Motive hervorhebt. Mit dem ausgehenden Jahrhundert versiegen beiden Strömungen, die das Bildmotiv der „trauernden Juden“ beinahe ein ganzes Jahrhundert getragen haben. Die Nachwirkungen im 20. Jahrhundert sind genauso disparat wie die Anfänge des Bildmotivs. Sie äußern sich in der jeweiligen avantgardistischen Kunstform. Das Motiv ist auch heute noch in der Malerei zu finden. Es hat die Grenzen Europas überschritten und ermöglicht dem Betrachter neue Sichtweisen und Interpretationen.

139 SUMMARY

SUMMARY

Basing on the spreading emancipation of the Jews in Europe and influenced by the French neo-classicist Jacques-Louis David, a new subject matter was created in European painting aestheticizing the pictorial representation of mourning: “The Mourning Jews in Exile” or “By the Waters of Babylon”. Throughout the centuries the instances of the motif are few and far between. It was as late as in 1832 that Eduard Bendemann established a typification and set a standard with his most famous painting “Die trauernden Juden im Exil” and the actual triumph of the motif began. Bendemann isolated the basic motif of mourning by showing it as a painful state of mind in an iconographic context and sublimated it aesthetically. Thus the representation of mourning developed from decorum to powerful and effective topos. Based on Bendemann’s typification of picturing a situation without action, two main currents of painting developed: the “Orientalization” and the “Emotionalization of Femineity”. First Bendemann’s composition was trend-setting for both tendencies. Yet in the middle of the 19th century, the orientalizing branch changed the picture expressing a situation into a picture showing an action. In the second half of the 19th century the English painters tended to introduce archeologically correct details in connection with the archeological findings in Babylon and Nineveh. In the meantime, in France the painters concentrated on woman as medium of expression emphasizing the erotic aspect without any orientalizing motifs. Towards the end of the 19th century both currents petered out though they had nourished the motif through almost a whole century. Just like in the beginnings we only find a few instances of the motif in the 20th century in their respective artistic avant-garde forms. The motif crossed the European borders and can nowadays be found in different parts of the world. The beholder is invited to discuss new perspectives and interpretations.

140 ANHANG

Abkürzungen und abgekürzt zitierte Nachschlagewerke

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141 ANHANG

RDK: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, begonnen von Schmitt, Otto, hrsg. vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Stuttgart, später München 1937ff. RGG4: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, vierte, völlig neu bearbeitete Auflage, hrsg. von Betz, Hans Dieter, Browning, Don S., Janowski, Bernd, Jüngel, Eberhard, 8 Bde., Tübingen 1998–2005. ThB: Thieme–Becker Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, begründet von Thieme, Ulrich, Becker, Felix, unter Mitwirkung von etwas 400 Fachgelehrten bearbeitet und redigiert von Vollmer, Hans, Kreplin, B.C., Müller, J., Scheewe, S., Wolff, H., Kellner, O., hrsg. von Vollmer, Hans, 37 Bde., Leipzig 1907–1950.

Abkürzungen der verwendeten biblischen Bücher

Die Schriften des Alten Testaments

Die Bücher der Geschichte des Volkes Gottes Gen Genesis (1 Mose) 1 Kön Das erste Buch der Könige (= 1 Sam Das erste Samuel) 2 Kön Das zweite Buch der Könige (= 2 Sam Das zweite Samuel) 1 Chr Das erste Buch der Chronik 2 Chr Das zweite Buch der Chronik Esra Das Buch Esra Neh Das Buch Nehemia Est Das Buch Ester

Die Bücher der Lehrweisheit und die Psalmen Hiob Das Buch Hiob Ps Die Psalmen

Die Bücher der Propheten Jes Das Buch Jesaja Jer Das Buch Jeremia Klgl Die Klagelieder Ez Das Buch Ezechiel Dan Das Buch Daniel Hos Das Buch Hosea (Osee)

Die Schriften des Neuen Testaments

Die Evangelien Mt Das Evangelium nach Matthäus Mk Das Evangelium nach Markus Joh Das Evangelium nach Johannes

Abkürzung des antiken Geschichtswerkes Jos Flav Antiquitates Josephus, Flavius: Antiquitates Judaicae

142 ANHANG QUELLEN

Quellen

Handschriftliche Quellen

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189 VI. KATALOG DER WERKE WILLIAM BLAKE

1. W ILLIAM B LAKE (1757–1827)

A. By the Waters of Babylon, 1806 Bild K1 Wasserfarbe, schwarze Tinte auf Papier 40,4 x 38,1 cm Signatur unten rechts: 1806 WB inv Provenienz: 1943 Hinterlassenschaft von Grenville L. Winthrop Harvard University Cambridge, Fogg Art Mu- seum

Der 1757 in London geborene und aus ärmlichen Verhältnissen stammende Dichter und Maler William Blake, der mit 14 Jahren eine Lehre bei dem Graveur James Basire (1730– 1802) begann, wollte nicht nur als Kupferstecher fremder Entwürfe sein Geld verdienen. Früh schon behauptete er, Visionen gehabt zu haben und beschäftigte sich mit der Bibel, den Büchern der Propheten und den Dichtungen John Miltons (1608–1674). 1779 schrieb er sich an der Royal Academy ein, an der er den Neoklassizisten John Flaxman (1755– 1826) und den Schweizer Romantiker Henry Fuseli (Johann Heinrich Füssli 1723–1792) kennenlernte. Die Arbeiten beider Künstler sollten später sein Wirken beeinflussen.1 Als „eccentric but very ingenious artist“2 machte sich William Blake als Buchillustrator einen Namen. Im Jahre 1799 erhielt Blake von Hauptmann Thomas Butts (1757–1845)3, der zu Blakes wichtigstem Mäzen wurde, den Auftrag, fünfzig Temperagemälde zu biblischen Themen für je eine Guinee zu malen.4 Den Temperagemälden folgten ab 1800 über 80 Aquarelle. Insgesamt gestaltete Blake für Thomas Butts über 135 Werke zur Bibel.5 Als Butts 1845 starb, sammelten zwei Männer die Illustrationen zur Bibel: William Michael Rossetti (1829–1919), der Bruder von Dante Gabriel Rossetti (1828–1882), hatte 1863 eine Liste von Blakes Werken angefertigt; und W. Graham Robertson, der zwischen 1884 und 1940 ca. ein Viertel der Bilder erworben hatte. Im Juli 1949 wurde die Robertson Blake Collection bei Christie’s, London, versteigert.6

Das kleinformatige, nahezu quadratische Blatt „By the Waters of Babylon“ zeigt eine achsensymmetrische Komposition der Figuren: Juden, die Psalm 137 singen. Es treten groß gesehene Figuren in einem flächenverhafteten Lineament auf. Jen- seits des Flusses, der am unteren Bildrand entlang läuft, sitzt im Vordergrund –

1 Vgl. Sanders, Lloyd, C. (Hg.): Celebrities of the Century: Being a Dictionary of Men and Women of the Nineteenth Century, Vol. 2, London 1887. 2 Watkins, John, Shobel, Frederic: A Biographical Dictionary of the Living Authors of Great Britain and Ireland: Comprising Literary Memoirs and Anecdotes of their Lives, and a Chronological Register of their Publications, with a Number of Editions printed, London 1816. 3 Zwischen 1803 und 1810 erbrachten Blake die Illustrationen 400 Pfund. Vgl. dazu Bentley, Ge- rald Eades Jr.: The Stranger from Paradise, 2001, S. 186. 4 Vgl. Blakes Brief an seinen Freund George Cumberland vom 26. August 1799, in: Keynes, Geoffrey (Hg.): The Letters of William Blake, New York 1956, S. 37ff. 5 Vgl. Butlin, Martin: William Blake, London 1978, S. 86; ders.: The Paintings and Drawings of William Blake, New Haven, London 1981, Bd. 1, S. 317. 6 Vgl. Keynes, Geoffrey: William Blake’s Illustrations to the Bible, Clairvaux 1957, S. 22, S. 10; Butlin 1981, Bd. 1, S. 348. 1 VI. KATALOG DER WERKE WILLIAM BLAKE

von stehenden Personen umgeben – die zusammengekauerte Gestalt eines Alten mit seiner Familie unter einer Weide. Über ihren Köpfen öffnet sich der Ausblick auf eine Stadt, durch die sich der von Booten befahrene Fluss bis zu einer fernen Hügellandschaft windet. An seinen Gestaden erheben sich mehrstöckige Säulen- hallen mit Kuppeln. Trotz der Aussicht in die Ferne herrscht keine Tiefenräumlich- keit, sondern eine bildparallele Anordnung, so dass alle Raumvorstellungen an Gebärde und Konturierung der Personen gebunden sind. Ausgangspunkt ist der bärtige Mann, der mit angezogenen Beinen an dem mächtigen Stamm des Baumes lehnt, dessen einziger sichtbarer Ast den Blick auf den Himmel verdeckt. Das übrige Laubwerk ist vom oberen Bildrand überschnit- ten. Am bloßen Fuß des Alten – den anderen verdeckt sein langes Gewand – ist eine Eisenfessel angebracht, die ihn an den zusammengesunkenen Leidensge- nossen daneben kettet. Er hält die Arme verschränkt vor die Brust und blickt mit gebeugtem Haupt in das Antlitz seines Zwingherrn. Seine Sippe, die sich zur linken Seite hin sukzessive an Größe und Alter ver- jüngt, drängt sich angsterfüllt an seine Seite. Hinter der Person, die ihren Kopf in den Schoß vergräbt, sieht man das Gesicht einer Frau. Vier Kinder, in lange Ge- wänder gehüllt, die sogar ihre Füße verdecken, stehen aneinandergeschmiegt bei der Mutter. Das Mädchen, das ihr am nächsten ist, drückt den Kopf, die Augen geschlossen, an ihre Wange. Der kleinste, vom Arm der Schwester umfasst, kniet und blickt mit erhobenem Kopf aufmerksam zu zwei weiteren männlichen Gefan- genen. Nur mit einem Lendentuch bekleidet stehen diese angekettet, mit ver- schränkten Beinen auf ein langes Ruder gestützt, entspannt da. Ihre Gesichter mit dem kurzgelockten Haupthaar tragen klassische Züge. Der Vordere beobachtet mit zusammengezogenen Augenbrauen die auf dem Wiesenstück kauernde Trau- ergemeinschaft. Der Hintere, fast gänzlich vom rechten Bildrand überschnitten, schaut sinnierend zu Boden. Diesen beiden gegenüber steht eine Gesandtschaft Babylons: in vorderster Reihe König Nebukadnezar, der sowohl das ikonographische als auch das formale Pendant zur Gruppe der Juden bildet. Der bärtige König, der sich durch eine schlichte Krone und ein Zepter in der Hand auszeichnet, trägt als Einziger ein far- biges, nämlich rotes Gewand, das seinen Körper in Manier der nassen Gewan- dung antiker Plastik umspielt. Neben ihm, zur Bildmitte gestaffelt, stehen die rang- höchsten Personen in Dreiviertelansicht: zunächst ein Feldherr in kunstvoll ge-

2 VI. KATALOG DER WERKE WILLIAM BLAKE

schmiedeter Rüstung, das Haupt mit Lorbeer bekränzt. In seiner rechten Hand hält er – wie seine Soldaten dahinter – einen Speer. Die Spitzen reichen bis zum obe- ren Bildabschluss. Zu ihm gehört die prächtig in weiß gekleidete Dame, deren Hand er hält. Sie trägt einen auffälligen Kopfputz: eine Art Turban mit Feder. Ihr Gewand ist nicht minder verziert: Das dekolletierte Kleid ist an den Rändern mit einer Rundbogenborte versehen. Mit ihrem linken ausgestreckten Arm weist sie auf die Instrumente, die im Baum hängen: eine Harfe, ein Shofar, eine Schalmei und eine Lyra. Dabei blickt sie fordernd den Alten an, von dem der Blick des Be- trachters seinen Lauf genommen hat.

Literatur Gilchrist 1907, S. 491, Nr. 4. · Figgis 1925, Abb. 84. · Keynes 1957, S. 22, Abb. Nr. 78. · Blunt 1959, S. 70, 107. · Bindman 1977, S. 209. · Butlin 1981, Bd. 1, S. 348f., Nr. 466, Bd. 2, Abb. 541.

·

Entwurf

B. By the Waters of Babylon, 1805/06 Indische Tusche auf Papier 24,5 x 17,5 cm Provenienz: Mrs. Alexander Gilchrist, 1893 anonymer Verkauf bei Sotheby’s Seit 1893 verschollen

Diese Tuschzeichnung, zu der es weder Informationen noch eine Abbildung gibt, ist seit dem anonymen Verkauf bei Sotheby’s 1893 verschollen. Vermutlich ist das Blatt in private Hände gelangt.

Literatur Butlin 1981, Bd. 1, S. 608, Nr. 842.

3 VI. KATALOG DER WERKE GIUSEPPE BOSSI

2. G IUSEPPE B OSSI (1777–1815)

A. Super Flumina Babilonis, ca. 1810–157 Bild K2 Wasserfarbe, Feder laviert auf Papier 64,7 x 96 cm Unsigniert Provenienz: 1920 Vermächtnis des Cristoforo Bellotti8 Mailand, Gabinetto dei Disegni

Der 1777 in der Nähe von Mailand geborene klassizistische Maler, Literat und Kunst- sammler Giuseppe Bossi erlangte Berühmtheit durch die Kopie von Leonardo da Vincis Abendmahl in S. Maria delle Grazie, die er 1807–09 im Auftrag des Vizekönigs Eugène Beauharnais anfertigte.9 Seine künstlerische Ausbildung erhielt er an der Akademie in Mailand, u.a. bei Andrea Appiani (1754–1817), mit dem er später die Pinacoteca di Brera gründete. Ab 1795 folgte ein längerer Rom–Aufenthalt. Als Bossi 1801 nach Mailand zurückkehrte, gewann er den Concorso della Riconoscenza mit seinem Gemälde „La Riconoscenza della Repubblica Cisalpina a Napoleone“ (zerstört). Als Vertreter der Akademie in Paris machte er die Bekanntschaft von Jacques Louis David (1748–1825). Dieser und vor allem die Kunst der Renaissance beeinflussten sein Schaffen maßgeb- lich.10 Der Künstler besaß eine bedeutende Sammlung von Zeichnungen, u.a. das Skizzenbuch Raffaels, das 1822 von der Accadèmia in Venedig erworben wurde.11 Die figurenreiche, querformatige Zeichnung gehört vermutlich zu Bossis letzten Werken und ist unvollendet. 1815, bereits an Schwindsucht erkrankt, malte er in der Villa Melzi in Bellagio zusammen mit Giuseppe Lavelli und Carlo Prayer (1789–1832) Grisaillebilder,12 zu denen dieses Blatt vermutlich gehört.

An den Ufern des Euphrat lagern unter Bäumen mehrere Gruppen von Juden. Die Stadt Babylon, von der nur die Umrisse einiger Gebäude mit Portiken zu erkennen sind, liegt erhöht auf der rechten Seite. Der Fluss, der von rechts aus dem Bildmit- telgrund kommend eine Biegung macht, verläuft diagonal von der rechten Bildecke

7 Die Angaben über die Zeichnung verdanke ich Frau Arnalda Dallaj, Conservatore del Gabinetto dei Disegni del Castello Sforzesco di Milano. 8 Vgl. Nenci, Chiara: Le Memorie di Giuseppe Bossi. Diario di un Artista nella Milano Napoleonica 1807–1815, Mailand 2004, S. 148, Anm. 418. 9 Vgl. Ost, Hans: Das Leonardo–Porträt in der Königlichen Bibliothek Turin und andere Fälschun- gen des Giuseppe Bossi, Berlin 1980. Der Karton, der sich ehemals in Mailand, Museo del Cas- tello Sforzesco befand, ist zerstört. Siehe außerdem Fehl, Philipp: In Praise of Imitation: Leo- nardo and his Followers, in: Gazette des Beaux–Arts, 1995, Bd. 126, S. 6–12. 10 Vgl. De Tibaldo, Emilio: Biografia degli italiani illustri: nelle scienze, lettere ed arti del secolo XVIII, e de’ contemporanei. Venezia 1835; AKL 1996. 11 Vgl. Haskell, Francis: Wandel der Kunst in Stil und Geschmack, Ausgewählte Schriften, Köln 1990, S. 279: „1822 ermöglichten die österreichischen Behörden der Accadèmia in Venedig, die große Sammlung von Zeichnungen zu kaufen, die der aus Mailand stammende klassizistische Maler Giuseppe Bossi erworben hatte. Darunter befand sich auch das berühmte >Skizzenbuch Raffaels<, das über Generationen hinweg in allen Studien über den Künstler eine entscheidende Rolle gespielt und dabei für große Verwirrung gesorgt hat, sowie zahlreiche an- dere Zeichnungen von unterschiedlicher Qualität“. 12 Vgl. Nagler 1835, Bd. 2; Zatti, Susanna, Stolzenburg, Andreas: Art. zu „Bossi“, in: AKL 1996, Bd. 13. 4 VI. KATALOG DER WERKE GIUSEPPE BOSSI

in den Hintergrund, so dass sich bildparallel zwei Uferstreifen, ein diesseitiger und ein jenseitiger ausbilden. Auf dem diesseitigen Vordergrundstreifen setzen zwei dicht nebeneinander stehende Weiden, deren Stämme in entgegengesetzte Rich- tungen gewachsen sind, einen vertikalen, links neben der Mittelachse liegenden Akzent. Ihr hängendes Blattwerk ist nur angedeutet und vom oberen Bildrand überschnitten. In einem Ast des schräg in die Mitte ragenden Baumes hängt ein Psalter, ein dreieckig geformtes Instrument mit zwei Stäben. Rechts ist der Blick auf den Fluss freigelassen. Kontrastreich heben sich die angedeuteten zweidimensionalen Um- risslinien der oberen Bildhälfte von dem plastisch gehaltenen Vordergrundstreifen ab. Dieser verläuft über die gesamte Bildbreite und ist von Männern, Frauen und Kindern belebt, die in vielfältigen Gesten und Haltungen ihrem Kummer Ausdruck verleihen. Durch die Schattengebung wird deutlich, dass das Licht von links auf die Szenerie fällt. Obwohl der Schwerpunkt des Bildes im linken Bereich liegt, lenkt das Bildper- sonal in einem kontinuierlichen Rhythmus von Bewegung und Gegenbewegung die Blickrichtung des Betrachters vom diesseitigen Ufer an den Bäumen vorbei zum jenseitigen Ufer im Bildmittelgrund und zur Stadt. Den Anfang macht rechts die liegende Figur in Rückansicht, die den Kopf in den Armen vergräbt. Neben ihr sitzt ein Paar in nahezu symmetrischer Körperhaltung auf einem Felsvorsprung. Sie sitzen mit dem Rücken gegeneinander, wenden sich aber beide in einer Vier- teldrehung dem Betrachter zu. Der bärtige Mann stützt sich dabei mit dem rechten Arm auf dem Stein ab. Seine linke Hand umgreift eine Harfe, die nur teilweise zu sehen ist. Die Frau lagert mit verschränkten Füßen an seiner Seite. Ein Tuch be- deckt ihre Hüften, der Rest des Körpers ist entblößt. Schräg hinter ihr befinden sich drei Personen, die einen Halbkreis bilden. Ein nackter Mann in halber Rückansicht sitzt mit ausgestreckten Beinen und zusam- mengesunkenem Oberkörper auf einem ausgebreiteten Tuch und verbirgt sein Gesicht am Stamm des Baumes. Die Haare fallen seitlich herab. Sein Arm, den er über dem Kopf an den Stamm lehnt, bildet mit dem Rücken einen Bogen, der sei- ne Muskeln hervortreten lässt. Unmittelbar hinter ihm, vornübergebeugt, steht ein weiterer Mann. Vollständig in ein Gewand gehüllt, sucht er mit dem rechten Arm Halt am Baum, während er sich – in einer Geste des Schmerzes – auf die Finger beißt. Gegenüber im Halbschatten, genau in der Mittelachse des Bildes, erkennt

5 VI. KATALOG DER WERKE GIUSEPPE BOSSI

man die Umrisse einer halb liegenden, nackten Frau, die sich verzweifelt mit bei- den Händen den Kopf hält und klagt. Neben diesen drei Trauergestalten nimmt die linke Bildecke eine größere Grup- pe von Juden ein, die aus einem bärtigen Greis, zwei Frauen und drei Kindern besteht. Dicht zusammengedrängt drücken sie ihr Leid auf unterschiedliche Weise aus. Der alte Mann schließt, als Pendant zu der liegenden Gestalt am rechten Bildrand, die Figurenfolge des Vordergrundstreifens ab. Er sitzt gebeugt, dem Be- trachter in Profilansicht gezeigt, auf einem Steinblock. Mit beiden Armen umfängt er zwei nackte Kinder, die sich schutzsuchend an ihn schmiegen. Neben ihm ste- hen zwei Frauen in Frontalansicht und öffnen die Gruppe zu einem Halbkreis. Während die eine mit ihrem rechten Arm den Hals des Mannes berührt und still mit geneigtem Kopf trauert, schluchzt ihre Leidensgenossin, die Arme zum Him- mel reckend, auf. Die Gewänder beider Frauen sind nach unten gerutscht und las- sen ihre Brüste zum Vorschein kommen. Ein kleiner Junge drängt sich an seine jammernde Mutter. In Schrittstellung zerrt er am Kleid der Frau und blickt dabei direkt aus dem Bild. Seine nackte Gestalt schließt den Figurenbogen nach rechts ab. In der zweiten Bildebene, etwas erhöht links hinter der trauernden Gemein- schaft, sitzt ein mit einem Lendentuch bekleideter Mann am Boden. In der Pose eines antiken Flussgottes präsentiert er seinen athletischen Oberkörper dem Be- trachter. Dabei hält er mit ausgestrecktem Arm seine Harfe zwei Männern hin, die damit beschäftigt sind, Instrumente in die Äste des Baumes zu hängen. Doch der eine – ihm den Rücken zuwendend – hat die dargebotene Harfe noch nicht be- merkt. Sein Profil scheint zugleich mit dem Hintergrund zu verschmelzen. Sein Begleiter geht ihm zur Hand. Zwischen der Armspanne der mächtigen, sitzenden Männergestalt und der Rückenfigur am Baum öffnet sich ein Durchblick auf den Fluss. Ein Boot mit zwei Insassen und einer Person, die sich in das Ruder stemmt, erscheint im Hintergrund. Nun versperren die Stämme der Weiden die Aussicht auf das jenseitige Ufer. Lässt man den Blick weiter schweifen, erspäht man die vagen Umrisse von fünf Personen. Unmittelbar am Wasser befinden sich zwei Frauen, erkennbar an ihren entblößten Brüsten. Die linke kniet und scheint sich den Rücken zu waschen, wäh- rend die andere auf ihr Kind aufpasst, das mit einer Harfe spielt. Zwei in Mäntel gehüllte Gestalten beugen sich von hinten über die Frauen. Daneben sieht man

6 VI. KATALOG DER WERKE GIUSEPPE BOSSI

eine Gruppe von drei Personen in langen Gewändern. Sie bilden einen Kreis, in- dem sie sich gegenseitig umarmen und ihre Köpfe zusammenstecken, als würden sie sich Trost zusprechen. Im Gegensatz dazu scheinen die Männer daneben in Aufruhr zu sein. Der vorderste sitzt noch am Boden, während die anderen schon aufgesprungen sind. Alle vier, in Profilansicht gezeigt, deuten mit ausgestreckten Armen auf das für den Betrachter Ungewisse und Unsichtbare.

Literatur Bedoni 1980/81, Nr. 69.

7 VI. KATALOG DER WERKE FERDINAND OLIVIER

3. F ERDINAND O LIVIER (1785–1841)

A. Landschaft mit trauernden Juden, 1825/30 Bild K3 Öl auf Leinwand 98 x 132 cm Unsigniert Rahmen mit Schrifttafel: An den Wasserflüs- sen Babylons saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten Provenienz: 1926 Erwerb von der Galerie Burg, Köln Lübeck, Museum für Kunst und Kulturge- schichte der Hansestadt Lübeck

Ferdinand Olivier wurde 1785 in Dessau geboren. Er war der jüngste Bruder von Heinrich (1783–1848) und Friedrich Olivier (1791–1851). Mit Heinrich verbrachte er zwei Jahre in Dresden, wo sie die Werke von Jacob van Ruisdael (1628–1682) und Claude Lorrain (1600–1682) kopierten. Seine künstlerische Ausbildung erhielt er von Jacob Wilhelm Mechau (1745–1808) und Carl Ludwig Kaaz (1776–1810), beides Vertreter der idealen Landschaftsmalerei. Seit 1811 war er in Wien tätig, wo er nachhaltig von Joseph Anton Koch (1768–1839) beeinflusst wurde, einem wichtigen Vermittler zwischen idealisierter und romantischer Landschaftsmalerei. Unter Kochs Einfluss entwickelte er eine historische Landschaft, in der biblische, mythische oder einheimische Figuren den Raum erschließen. Obgleich ihm eine unmittelbare Italienerfahrung fehlte, unterhielt er lebhafte Beziehungen zu Overbeck und dessen Kreis, so dass er 1817 in die Lukasbrüderschaft aufgenommen wurde. 1830 folgte er seinem Bruder Friedrich nach München, wo er ab 1833 bis zu seinem Tode als Professor an der Kunstakademie arbeitete.13 Das Gemälde „Landschaft mit trauernden Juden“ entstand im Auftrag von Johann Friedrich Heinrich Schlosser (1780–1851), der Oliviers erster Mäzen war, für Stift Neuburg bei Heidelberg.14 Es zeigt seinen Stilwandel zur klassischen Landschaft15 und basiert zum Teil auf Skizzen, die sein Bruder Friedrich in Italien anfertigte.16

13 Vgl. Schaden, Adolph (Hg.): Artistisches München im Jahre 1835, München 1836; Friedrich August, Voigt, Bernhard Friedrich (Hg.): Neuer Nekrolog der Deutschen, Illmenau 1841; Nagler 1841, Bd. 11; ThB 1932, Bd. 26; Börsch–Supan, Helmut: Die Deutsche Malerei von Anton Graff bis Hans von Marées 1760-1870, München 1988, S. 207ff.; Leuschner, Vera: Art. zu “(2) Jo- hann Heinrich Ferdinand Olivier”, in: Dict. of Art 1996, Bd. 23. 14 Vgl. Grote, Ludwig: Die Brüder Olivier und die Deutsche Romantik, Berlin 1938, S. 335. In Suhr, Norbert: Friedrich Schlosser als Förderer der Künstler, in: Hinkel, Helmut (Hg.): Goethekult und katholische Romantik, Fritz Schlosser (1780–1851), Mainz 2002, S. 251 ist nicht mehr die Rede von einem Auftragswerk, sondern lediglich von einer Erwerbung eines weiteren Hauptwerks Ferdinand Oliviers „Die trauernden Juden an den Wassern Babylons“. Der Autor weist aber an- fangs auf die ungünstige Quellenlage und die nicht mehr existierenden Gemäldeverzeichnisse der Kunstsammlung Stift Neuburg hin. Grote 1938, S. 388 kannte noch ein solches Verzeichnis von 1842. Die allgemein in der Literatur vertretene Meinung, dass es sich um ein Auftragswerk Fritz Schlossers handelt, könnte somit den Tatsachen entsprechen. Doch warum Schlosser ein Werk mit solcher Thematik in Auftrag gegeben hat, bleibt ungeklärt. Denn er konvertierte 1814 in Wien zum Katholizismus, dem Beispiel seines Bruders Christian Friedrich folgend. 15 Vgl. Suhr 2002, S. 251. 16 Vgl. Leuschner, in: Dict. of Art 1996, Bd. 23. 8 VI. KATALOG DER WERKE FERDINAND OLIVIER

In einer klassischen Ideallandschaft mit flachem, sich windendem Wasserlauf, der von Bäumen und Buschwerk umstanden ist, lagern trauernde Juden in Gruppen vereint an den Ufern. Im Hintergrund erhebt sich das von einer massiven Stadt- mauer umgebene Babylon mit antik anmutenden, monumentalen Bauwerken. Die zinnenbekrönten Türme des Befestigungswalls, Kirchtürme und eine weiße Kuppel setzen Akzente. Rechts ist unter den Bäumen hindurch der Blick in die Ferne frei- gegeben, in der die Silhouette eines Turmes zu erahnen ist. Über das stimmungsvolle Firmament der rechten Bildhälfte spannt sich ein Re- genbogen, während mittig die sonnendurchfluteten Wolken sich auflösen und den blauen Himmel durchscheinen lassen. Im Gegensatz zu dem in strahlendes Licht getauchten Profil der Stadt erscheint der Vordergrund im Schatten. Die dunklen Töne des braunen Flussufers und die grün–schwärzlichen Schattierungen des Laubes dominieren das Bild. Der Fluss, der sich von rechts in den Bildmittelgrund schlängelt, wo sich ein Aquädukt auf der Wasseroberfläche spiegelt, hat einen Ausläufer, der parallel zur Bildebene den Vordergrundstreifen bildet. Am Gestade des Flussarmes haben sich links sechs Juden versammelt. Vier davon, zwei Männer und zwei Frauen, sitzen mit trübsinnig gesenktem Blick am Boden, zwei weitere dahinter hängen ihre Harfen in die Äste eines Baumes, der, vom linken und oberen Bildrand überschnitten, die Funktion eines rahmenden Bildelementes innehat. Die zentrale Figur dieser Gruppe, ein barhäuptiger Greis mit langem Bart und Kummerfalten auf der Stirn, sitzt frontal zum Betrachter, seine Arme auf die Knie gestützt. Mit niedergeschlagenem Blick verleiht der Alte, der ein Buch neben sich liegen hat, seinem Leiden Ausdruck. Sein orangerotes Unterge- wand wird zu einem großen Teil von einer dunkelblauen Tunika überdeckt, die von seiner linken Schulter faltenreich über seine Beine fällt. Zu seiner Linken sitzen zwei Frauen. Die Vordere, im Halbprofil gezeigt und dem brütenden Alten zuge- wandt, ist von Kopf bis Fuß in ein graues Gewand gehüllt. Ihren Kopf hat sie in die linke Hand gestützt und blickt mit zusammengezogenen Augenbrauen als Zeichen der Trauer auf das Wasser. Der rechte Arm liegt kraftlos auf ihrem Knie. Schräg hinter der Frau sieht man den Oberkörper einer von Kummer gebeugten Gestalt. Dunkle Tücher, die das Haupt umgeben, verdecken fast vollständig das zu Boden gewandte Gesicht. Das Pendant zu den beiden Frauen bildet ein jüngerer, halb liegender Mann, dessen rechter Arm auf einer Harfe ruht. Die Beine angezogen, sein Musikinstru-

9 VI. KATALOG DER WERKE FERDINAND OLIVIER

ment als Stütze, tut er es den anderen gleich und gibt sich seinem unglückseligen Schicksal mit schmerzvoller Miene hin. Die Farben seiner Bekleidung sind konträr zu der des alten Mannes, dem er zugewandt ist. Unmittelbar dahinter, kontrastierend zu der unglücklichen, nahezu vor Schmerz erstarrten Sitzgruppe, sind zwei Männer damit beschäftigt, ihre Harfen in den Baum zu hängen. Der eine, im Profil präsentiert, trägt einen roten Überwurf und eine Judenkappe. Mit beiden Händen hebt er bedächtig sein Saiteninstrument auf einen Ast. Eine weitere männliche Figur, schräg hinter ihm in den Schatten ge- taucht, macht es ihm nach. Von da wandert der Blick des Betrachters in größere räumliche Tiefen, um ge- genläufig von rechts nach links den Mittelgrund zu durchschweifen, wo Juden an Uferböschungen gemeinsam ihr Schicksal beklagen. Dabei erspäht man rechts die Rückansicht einer parallel zum Bildgrund liegenden männlichen Gestalt, deren rostrote Bekleidung einzig die bloßen Füße unbedeckt lässt. Verzweifelt vergräbt er den Kopf in den Armen. Eine weitere männliche Figur scheint besänftigend auf den Unglücklichen einzureden und deutet dabei hoffnungsvoll mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand in die lichtüberströmte Ferne, die die Bäume jenseits des Flusses freigeben. Da sich dieser Mann auf einer abschüssigen Uferböschung befindet, auf der er sich mit seinem linken Arm aufstützt, ist nur sein in einen tür- kisfarbenen Umhang gehüllter Oberkörper sichtbar. Von dem dunklen Uferstreifen geht der Blick des Betrachters nun wieder nach links, tiefer in den Mittelgrund, wo man auf einem helleren Wiesenstück noch vier Personen ausmacht. Ihre Gebärden vermitteln den Eindruck, als würden sie leb- haft, wohl über ihre auswegslose Situation, diskutieren. Der von hinten dargestell- te Mann, gekleidet in eine kurze Tunika und phrygische Mütze, gestikuliert, in Schritthaltung leicht nach vorne gebeugt. Auch sein Begleiter, ganz in blau mit Kappe, wendet sich zu dem Paar, das zu ihren Füßen am Rande des Wassers sitzt. Die Frau zieht mit ihrer resignierten Pose den Blick des Betrachters auf sich. Das rechte Bein angewinkelt und das linke ausgestreckt, stützt sie ihr Haupt mit der linken Hand, während ihr anderer Arm kraftlos herabhängt. Ihr Leidensgenos- se hingegen wendet sich um und scheint an der Konversation der beiden Männer teilzunehmen. Folgt man nun dem Lauf des von Büschen und Bäumen gesäumten Flusses weiter in Richtung der befestigten Stadt, so trifft der Blick auf ein Paar, das nahe

10 VI. KATALOG DER WERKE FERDINAND OLIVIER

dem Aquädukt vor einer Trauerweide sitzt. Die durch die weite Entfernung undeut- lichen Silhouetten spiegeln sich auf der Wasseroberfläche. Der allgemeinen Stimmung der Trauer und Resignation stehen der Regenbo- gen17 und die abziehenden Gewitterwolken, die die Sonnenstrahlen von links in das Bild einfallen lassen, als trostreiches Element gegenüber.

Literatur Krauss 1913, S. 20f. · Bengt 1926, S. 137, Nr. 180. · Heise 1928, S. 42, Nr. 65, Abb. 75. · ThB 1932. · Grote 1938, S. 335f., S. 333, Abb. 213. · Becker 1967, S. 262. · Börsch–Supan 1988, S. 210. · Wille 1995, S. 315. · Dict. of Art 1996. · Mö- seneder 1996, S. 113. · Suhr 2002, S. 251, 271, Nr. 29, Abb. F6.

17 Zur Thematik des Regenbogens siehe Roters, Eberhard: Malerei des 19. Jahrhunderts, Themen und Motive, Köln 1998, Bd. 1, S. 272–288. 11 VI. KATALOG DER WERKE JOSEPH FÜHRICH

4. J OSEPH VON F ÜHRICH (1800–1876)

A. Die trauernden Juden im Exil, 1828 Bild K4 Studie zur Erstausführung Braune Tinte und Bleistift auf Papier 24 x 43 cm (mit Passepartout 36 x 43,8 cm) Unsigniert Provenienz: 1924/25 Überstellung aus der Österreichischen Galerie Wien, Albertina

Der 1800 in Böhmen geborene Joseph von Führich vertrat die nazarenische Kunstrichtung in Wien am entschiedensten, seit er 1834 vom Fürsten Metternich zum Kustos der akademischen Gemäldegalerie berufen worden war.18 Führich lernte zuerst bei seinem Vater, einem frommen Landmaler. 1819 kam er auf die Prager Kunstschule. Durch Vermittlung des Fürsten Metternich erhielt er ein Reisestipendium für Italien. In Rom schloss sich Führich 1827 dem Kreis um Friedrich Overbeck (1789–1869) an.19 Dort entstand bereits 1828 nach einer eigenhändigen Notiz Führichs eine Erstausführung „Die trauernden Juden“20. 1829 kehrte der Maler nach Prag zurück. Sein Sinn für Natur als Ort religiösen Geschehens hat Führich innerhalb der nazarenischen Kunst eine eigene Richtung zugewiesen.21

Die unvollendete Zeichnung zeigt die Sänger von Psalm 137, die ohne Definition von Raum und Örtlichkeit auf die Fläche gesetzt sind. Figurale Bezüge, die die Zeichnung zu einer festen Komposition verbinden, sind angedeutet. Dem Betrach- ter öffnet sich ein Halbkreis von vier Personen: Links beginnend mit einem Jun- gen, gefolgt von zwei älteren Männern, rechts endend mit einer Mutter, die ihr Kind stillt. Zwei Figurenpaare sind separiert von der Hauptgruppe. Schräg hinter den vier Personen im Mittelpunkt, im rechten Bereich des Bildes, sitzen abge- wandt ein Mann und eine Frau. Etwas weiter rechts kann man bei genauem Hin- sehen die Umrisse von Kopf und Oberkörperpartie einer Person mit erhobenen

18 Vgl. Börsch–Supan 1988, S. 406. 19 Vgl. Wurzbach, Constantin von: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, enthaltend die Lebensskizzen der denkwürdigen Personen, welche 1750 bis 1850 im Kaiserstaate und in seinen Kronländern gelebt haben, Wien 1858; ThB 1916, Bd. 12; Geller, Hans: Der junge Füh- rich, in: Die Kunst und das schöne Heim, 1949, Jg. 48, Heft 1, S. 14–17; Wörndle, Heinrich von: Joseph Ritter von Führich, Sein Leben und seine Kunst, München 1911. 20 Vgl. Wörndle, Heinrich von: Josef Führichs Werke, Nebst dokumentarischen Beiträgen und Bib- liographie, Wien 1914, S. 73, Nr. 404. Doch in: Briefe aus Italien an seine Eltern (1827–1829), Freiburg im Breisgau 1883, berichtet Führich nicht über die Komposition der „Trauernden Ju- den“, die angeblich 1828 in Rom entstanden sein soll. 21 Vgl. Zimmermann, Rainer: Heimkehr zur religiösen Kunst, Gedenkblatt für den deutschböhmi- schen Maler Josef Führich (1800–1876), in: Ostdeutsche Monatshefte, 1956, 22. Jg., Heft 7, S. 416f. 12 VI. KATALOG DER WERKE JOSEPH FÜHRICH

Armen erkennen. Wenn die Zeichnung vollendet wäre, würde diese Gestalt – nach ihrer Haltung zu schließen – eine Harfe in einen Baum hängen. Am linken Bildrand sieht man deutlicher die Umrisslinien eines stehenden Paa- res. Ihr Gebaren lässt vermuten, dass es sich um schaulustige Babylonier handelt, die die Trauernden im Vorbeischlendern beobachten. Der bärtige Mann trägt eine Art Toga und einen Turban, seine weibliche Begleitung ein langes, tailliertes Kleid. Ihr Gesicht ist unkenntlich. Mit dem linken Arm weist sie auf etwas, vermutlich eine Harfe. Sie fordert die Juden auf, Lieder zu spielen. Als ob er darauf antworten wollte, hebt der zu ihren Füßen sitzende Junge seine linke Hand als Gestus der Ablehnung und stützt dabei gleichzeitig seinen linken Arm auf einen in knappen Umrissen wiedergegebenen Felsen neben sich. In eine Kurztunika gekleidet, sitzt er seitlich verlagert da. Seine rechte Hand ruht auf dem Oberschenkel. Er hält sei- nen Kopf geneigt, dabei blickt er wehmutsvoll zu Boden. Im Gegensatz dazu fan- gen die Augen des Greises die Blicke des Betrachters ein. Mit übereinander ge- schlagenen Beinen und konträr dazu überkreuzten Armen, die auf den Knien auf- liegen, sitzt er in Frontansicht gezeigt im Zentrum des Figurenbogens. Er trägt ein langes Gewand, darüber einen Umhang. Dieser ist über den Kopf gezogen, rahmt das von Trauer gezeichnete, bärtige Gesicht und fällt an den Schultern herab. Der neben ihm sitzende Mann verleiht seinem Kummer Ausdruck, indem er den Kopf gebeugt in die Hand stützt. Im Profil erkennbar sitzt er zusammengekauert, den Umhang schutzsuchend um seinen Körper gewickelt. Dem Betrachter am nächsten lagert eine ihr Kind stillende Frau: Sie ist die ein- zige, deren Gefangenschaft durch die Eisenfessel an ihrer linken Hand zwar of- fensichtlich ist, die aber kein Trauergebaren an den Tag legt. Sie hält ihr nacktes Baby auf dem Schoß und umfängt es mit dem rechten Arm, während es an ihrer entblößten Brust saugt. Der gefesselte Arm liegt kraftlos am Boden. Mutter und Kind zeigen die gleiche Beinhaltung, ein Bein abgewinkelt, das andere ausge- streckt. Die Sinnlichkeit der Darstellung wird durch das von ihrer Schulter rut- schende Gewand noch hervorgehoben: Nacken, Schulter und Brust sind den Bli- cken des Betrachters dargeboten. Auf ihrem gebeugten Haupt trägt sie eine Kap- pe, so dass von ihrem Gesicht nur die Nase und die Mundpartie zu sehen sind. Es scheint so, als würde Führich die intime Geste des Stillens in den Mittelpunkt set- zen wollen. Mit Mutter und Kind schließt der Bogen des Personenhalbkreises.

13 VI. KATALOG DER WERKE JOSEPH FÜHRICH

Rechts dahinter – in Rückansicht gezeigt – sitzen ein Mann und eine Frau ne- beneinander. Die Frau, deren Gewand bis zur Taille hinuntergeglitten ist, wirft sich mit nacktem Oberkörper und über dem Kopf gefalteten Händen an die Schulter des Mannes. Bei ihrer Haarfrisur war sich Führich noch nicht sicher. Die Haare sind gescheitelt. Ein Teil der Haare ist im Nacken zu Zöpfen geflochten, die obe- ren fallen offen über den Kopf. Doch hat der Maler den Umriss eines Knotens dar- über gezeichnet. Im Gegensatz zu dem expressiven Gestus seiner Begleiterin sitzt der Mann ruhig da. Sein Kopf ist von einer Kapuze verdeckt. Keine Regung, keine Geste wird bei ihm deutlich. Zwischen den beiden sieht man den Kopf eines Scha- fes, das sich an die Seite der Frau schmiegt. Führich hat sich in dieser Entwurfszeichnung auf die Komposition der einzelnen Figuren konzentriert und den Schauplatz der Szenerie unklar gelassen. Leider ist der Aufbewahrungsort des Gemäldes, in dem dieser Entwurf ausgeführt wurde, heute unbekannt.22

Literatur Dreger 1912, Textband S. 173, Tafelband T. 26. · Wörndle 1914, S. 73, Nr. 404 a. · Schmidt 1920, S. 12, Abb. 17. · Erb 1987, S. 362f., Abb. 13.

22 Bei Wörndle 1914, S. 73, Nr. 404 wird der damalige Aufbewahrungsort genannt: „Jos. St. Oesterreicher, Prag“. 14 VI. KATALOG DER WERKE EDUARD BENDEMANN

5. E DUARD B ENDEMANN (1811–1889)

A. Die trauernden Juden im Exil, 1832 Bild K5 Öl auf Leinwand 183 x 280 cm Unsigniert Inschrift in den Zwickeln des Rahmens, links: An den Wassern/zu Babylon/sassen wir, rechts: und weineten, wenn/wir an Zi- on/gedach–/ten. Provenienz: 1832 Erwerb mit Hilfe des Kunst- vereins für die Rheinlande und Westphalen, Düsseldorf Köln, Wallraf–Richartz–Museum, Fondation Corbout

Eduard Bendemann wurde 1810 in Berlin als Sohn eines angesehenen jüdischen Bankiers geboren. Auf Wunsch seines Vaters wurde er mit zwei Jahren, 1812, in der evangelischen St. Marienkirche in Berlin getauft.23 Durch Julius Hübner (1806–1882) angeregt, der 1829 eine Schwester des Malers heiratete, wandte sich Bendemann der Malerei zu und studierte bei Wilhelm Schadow (1789–1862) in Düsseldorf. Von Ende 1829 bis April 1831 unternahm Bendemann mit diesem eine Italienreise. Dort lernte er im Kreis der Nazarener die Meister der Renaissance kennen.24 Während dieser Zeit nahm die Konzeption seines ersten Hauptwerks „Die trauernde Juden im Exil“ bereits feste Form an.25 Zurückgekehrt vollendete Bendemann das Gemälde, das 1832 ein Erfolg auf der Berliner Akademieaus- stellung war und noch im gleichen Jahr vom Kunstverein für die Rheinlande und Westphalen erworben wurde, um „ seine Stelle in einer der Kirchen Kölns zu finden“26

Unter einem halbrunden Bildabschluss als sakraler Form27 sitzt im Zustand völli- ger Ruhe und Trauer ein bärtiger Mann, umgeben von drei Frauen und einem Kind. Die Personen sind verankert in einer Dreieckskomposition – akzentuiert durch die Lünettenform des Rahmens. Die Inschrift in den Zwickeln des vergolde- ten Rahmens erläutert den Gegenstand des Gemäldes: Es sind die Anfangsworte zu Psalm 137. Die Personen lagern achsialsymmetrisch zentriert auf einem spär-

23 Vgl. Krey, Guido: Gefühl und Geschichte, Eduard Bendemann (1811-1889), Eine Studie zur His- torienmalerei der Düsseldorfer Malerschule, Weimar 2003, S. 25, Anm. 4. 24 Vgl. Nagler 1835, Bd. 1; ThB 1909, Bd. 3; Börsch–Supan, Helmut: Art. zu „Bendemann“, in: AKL 1996, Bd. 8; Krey, Guido: Art. zu „Bendemann“, in LDM 1997, Bd. 1. 25 Vgl. Wille, Hans: „Die Trauernden Juden im Exil“ von Eduard Bendemann, in: Wallraf–Richartz– Jahrbuch, 1996, Bd. 56, S. 311. 26 Immermann, Karl: Kunstnachrichten aus Düsseldorf, in: Kunst–Blatt 1932, Nr. 94, S. 375. Nagler 183, Bd. 1 vermerkt, dass es für die Frauenkirche in Köln bestimmt war. Grundlegend dazu ist Börsch–Supan, Helmut: Zur Urteilsgeschichte der Düsseldorfer Malerschule: Eduard Bende- manns Gemälde „Trauernde Juden“, in: Düwell, Kurt, Kollmann, Wolfgang (Hg.): Rheinland– Westfalen im Industrie–Zeitalter, Beiträge zur Landesgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 4: Zur Geschichte von Wissenschaft, Kunst und Bildung an Rhein und Ruhr, Wuppertal 1982, S. 219–226. 27 Vgl. Börsch–Supan 1988, S. 399. Siehe außerdem Roters 1998, Bd. 1, S. 272–288. 15 VI. KATALOG DER WERKE EDUARD BENDEMANN

lich bewachsenen Erdstreifen im Vordergrund. Hinterfangen werden sie von einem von Weinlaub28 umrankten Weidenbaum, dessen Blattwerk – verwoben mit den Ranken des Weines – von dem bogenförmigen Rahmenabschluss überschnitten wird. Zu beiden Seiten der Gruppe öffnet sich der Blick auf den völlig unbewegten Fluss. An dessen jenseitigem Ufer ist in einer Wüstenlandschaft das von einer Stadtmauer umgebene Babylon mit orientalisierenden Turmbauten zu sehen. Die Gebäude der Stadt und der Himmel spiegeln sich auf der Wasseroberfläche. Obwohl die lebensgroßen Figuren im Vordergrund als Gruppe erscheinen, wirkt jede Person isoliert und in Trauer versunken. Durch ihre Anordnung um den Baum bilden sie einen nach vorn ausschwingenden Halbkreis, der von dem halbange- winkelten Bein des liegenden Mädchens zum Fuß des Greises verläuft und am Fuß der Frau mit dem Kind endet: ein Arrangement, das dem rundbogigen Motiv des Bildabschlusses antwortet. Die figuralen Kompositionen sind aus der Einzelfigur entwickelt worden, wie die

vielen Vorarbeiten zeigen (KATALOG 5C–I, BILD K7–13). In der Mittelachse und zugleich im Zentrum der Gruppe sitzt dem Betrachter zugewandt ein alter Mann. Sein nach links ins Halbprofil gerückter Kopf wird von einer braunen Kapuze bedeckt. Die Kragenborte des Gewandes ist mit einem Rapport aus Davidstern und gekreuzten Stäben verziert.29. Vor seinen Beinen hält er mit seiner an eine Kette gefesselten rechten Hand eine Harfe, die ihm aus den Fingern zu Boden zu gleiten scheint. Unter dem Instrument, das im flachen Winkel auf dem Erdstreifen aufsetzt, lugt sein bloßer Fuß hervor. Sein linker Arm umfängt ein Mädchen. Es sitzt seitlich ver- lagert auf einem Bein, das andere leicht weggeschoben, und stützt sich mit den Armen auf das linke Knie des alten Mannes. Kummervoll birgt sie ihr Gesicht in seinem Schoß und fasst dabei mit ihrer rechten Hand an den Kopf, so dass man bemerkt, wie kunstvoll sie ihr blondes Haar in Zöpfen, die mit einer roten Schleife zusammengehalten werden, um ihr Haupt geschlungen hat. Ihre Kleidung besteht aus einem gelben Unterkleid und einem violetten kurzärmeligen Obergewand mit einer Blätterbordüre am Saum. Ihre Tracht bewirkt an den Oberschenkeln, wo die kurze Tunika endet, einen komplementären Farbkontrast. Sie ist die einzige unter

28 Vgl. Thomas, Alois: Art. zu „Weinstock“, in: LCI 1994, Bd. 4. Der Weinstock war schon in der Antike ein beliebtes Ornament und religiöses Symbol. Im AT wird kommendes Glück mit einem fruchtbringenden Weinstock verglichen (Gen 40, 9; 49, 11). Unter dem Weinstock sitzen bedeu- tet Wohlergehen, 3 Kg 4, 25. Nach Osee 10, 1 ist er auch das Symbol Israels. 29 Vgl. Wille 1996, S. 316, Anm. 7. 16 VI. KATALOG DER WERKE EDUARD BENDEMANN

den Trauernden, deren Haltung auf ein leidenschaftliches Empfinden schließen lässt, obwohl der Gesichtsausdruck dem Betrachter verborgen bleibt. Im Gegensatz dazu drückt die Haltung und Gestik der jungen Frau hinter ihr stille Resignation aus. Sie lehnt sich mit dem Rücken an den Baumstamm und ist so von der Gruppe räumlich separiert. Jedoch wird sie durch die Beinhaltung des halb–knienden Mädchens in die Gruppe einbezogen: Eine Gewandfalte bedeckt Fuß, Unterschenkel und Knie, schwingt bogenförmig nach vorn und stellt so die Verbindung her. Als einzige der Dargestellten wendet sie ihr Gesicht, dessen linke Partie verschattet ist, dem Betrachter zu; doch sind ihre Augen fast geschlossen. Ihr dunkles Haar ist gescheitelt und an den Seiten zu Knoten hochgesteckt. Ein blaues Band ist in ihrer Frisur verflochten; die Schleife hat sie um den kleinen Fin- ger der linken Hand, mit der sie ihren Kopf stützt, gewickelt. Den linken Arm wie- derum stützt das linke Knie, während die rechte Hand auf einer am Boden stehen- den Zither ruht. Über einer weißen Bluse mit ausladenden Ärmeln trägt sie ein grünes, in der Taille geschnürtes Trägerkleid. Ein brauner Mantel ist über ihre an- gewinkelten, leicht zur Seite fallenden Beine geworfen. Er überdeckt ihre Füße und fällt weit über das Wiesenstück, so dass er vom Bildrand überschnitten wird. Ihr Pendant – antithetisch angeordnet – ist die Mutter mit dem Kleinkind auf der anderen Seite des Baumes. Scheinbar in sich gekehrt, weist ihr Blick doch nach links aus dem Bild heraus; dies und die Innigkeit, mit der sie ihr Kind behütet, macht sie zur Hoffnungsträgerin der unter dem Baum versammelten Personen. Madonnenhaft mit einem blauen Kleid und einem weißen Kopftuch bekleidet sitzt sie, mit übereinander geschlagenen Beinen, ihr Kind auf dem Oberschenkel hal- tend, zur rechten Seite des Harfners. Sie ist nach links ins Profil gekehrt, während das Kind, das sich an ihren Oberkörper schmiegt, nur in Rückansicht zu sehen ist. Es trägt einen weißen Schurz mit gelben Streifen. Innig schmiegt es sich in die Armbeuge der Mutter und drückt das Köpfchen mit den blonden Haaren an ihren Hals. Die Frau hält den Kopf leicht geneigt, ihr schönes Antlitz wird dem Betrach- ter im Profil präsentiert. Auch hier endet ein Halbkreis, der seinen Anfang bei dem frontal gezeigten Gesicht der Frau auf der rechten Bildseite nimmt und sich über das Halbprofil des Harfners fortsetzt bis zur nach links blickenden Frau. Danach fällt der Blick auf die Hintergrundlandschaft, auf die Stadt. Eine steiner- ne Brücke im Hafen, die die Mauerzüge miteinander verbindet, ist durch mikro- skopisch kleine Figurenszenen belebt. Der Ausblick auf der rechten Seite gibt

17 VI. KATALOG DER WERKE EDUARD BENDEMANN

noch ein Stück der Stadtmauer frei, davor erstreckt sich eine von Palmen bewach- sene Hügellandschaft. Die Vegetation im Vordergrund ist naturalistisch dargestellt. So bewachsen den Erdstreifen allerlei feine Gräser und ein Spitzwegerich, der in der rechten Bildecke gedeiht.

Literatur Kunst–Blatt 1832, Nr. 93, S. 371, Nr. 94, S. 375 (Kunstnachrichten aus Düsseldorf von Karl Immermann). · 1833, Nr. 45, S. 181, Nr. 79, S. 316. · Hagen 1833, S. 1ff. · Humboldt, Wilhelm von: Kunstvereinsbericht vom 19. März 1833, in: Leitzmann 1907, S. 588ff. · Kunst–Blatt 1834, Nr. 19, S. 76, Nr. 96, S. 382. · Detmold 1834, S. 18. · Nagler 1835. · Carus 1836, Teil 2, S. 257f. · Raczynski 1836, S. 167ff. · Kunst–Blatt 1837, Nr. 28, S. 111 (Bemerkungen über die Bilder Düsseldorfer Schule, ausgestellt in Dresden im Dezember 1836 von Carl Gustav Carus). · Quast 1837, S. 50. · Fahne 1837, S. 171. · Püttmann 1839, S. 43ff., 82. · Rac- zynski 1840, S. 226. · Uechtritz 1840, S. 74. · Immermann, Karl: Briefe 1832– 1840, in: Hasubek 1979, S. 192. · Füßli 1843, S. 476ff. · Jüdischer Plutarch 1848. · Müller von Königswinter 1854, S. 29ff. · Vischer: Aesthetik oder die Wissenschaft des Schönen (1853/54), in: Vischer, 1923, Bd. 4, S. 405. · Hagen 1857, Bd. 1, S. 313, 345ff. · Springer 1858, S. 94. · Lübke 1860, S. 715. · Förster 1879, S. 319. · Gutzkow 1879, Bd. 9, S. 251ff. · Pecht 1881, S. 271. · Becker 1888, S. 144, 152f. · Frimmel, Levin 1889/90, Nr. 15, S. 226f., 335. · Donop 1890, S. 4. · Schrattenholz 1891, S. 3. · Muther 1893, Bd. 1, S. 232ff. · Rosenberg 1894², Bd. 2, S. 388f. · Schaarschmidt 1902, S. 75ff., Abb. S. 77. · ThB 1909. · Kohut 1911, Nr. 48, S. 570. · Koetschau 1925, S. 7–16 mit Abb. · Ders. 1926, S. 68, 82, Abb. S. 144. · Schwarz 1928, S. 127, Abb. S. 126. · Cohn–Wiener 1929, S. 236f. · Beenken 1944, S. 291, 293. · Landman 1948, Bd. 2, Abb. S. 13. · Bötticher 1948, Bd. 1, S. 79. · Schilling 1963, Nr. 28. · Ders. 1964, S. 479f. · Hütt 1964, S. 24f., Abb. 6 auf S. 24, S. 168. · Büchner, Kroh 1965, S. 29, Nr. 1939. · Becker 1967, S. 262ff. · Börsch–Supan 1971, Bd. 2, S. 1832, Nr. 41. · Kalnein 1979, S. 24, 33, 89, 154, 263, 262 Abb. 25. · Trier, Weyres 1979, Bd. 3, S. 100ff. · Börsch–Supan 1984, S. 22f., 51, 276, 302, Abb. 26 · Geismeier 1984, S. 353, 548, Tafel 198. · Dittmar 1987, S. 359ff. · Börsch–Supan 1988, S. 399. · AKL 1994. · Hütt 1995, S. 34f., 235, 240, Abb. 15. · Lammel 1996, S. 385. · Möseneder 1996, S. 114f., Abb. 15. · Platthaus 1996, Nr. 182, S. 5. · Wille 1996, Köln, S. 307–316. · LDM 1997, Bd. 1, S. 112, 116. · Aschenborn 1998, S. 14ff. · Bushart, Eberle 2000, S. 37. · Krey 2003, S. 88ff., S. 239 Abb. 1, S. 317 Farbt. · Locher 2005, S.74 Abb. 46. · Achen- bach 2008, S. 30f, 34f, 91f.

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Entwürfe

B. Gesamtstudie Bild K6 Aus dem Skizzenbuch der Italienreise 1831, 40 recto Bleistift auf Papier 18 VI. KATALOG DER WERKE EDUARD BENDEMANN

11,7 x 16,6 cm Unsigniert Provenienz: 1977 Ankauf aus der privaten Sammlung Erwin Bendemanns, London Göttingen, Öffentliche Sammlung, Kunstsammlung der Universität, Graphische Sammlung

Bendemann legte das Skizzenbuch während seines Italienaufenthaltes von Ende 1829 bis April 1831 an. Im Sedezformat besteht es aus 44 Blättern, die jeweils in der äußeren oberen Ecke mit Bleistift in arabischen Ziffern von 1 bis 44 numme- riert sind. Es ist mit einem handgebundenen Pergamenteinband mit einer Lasche und Verschlussband ausgestattet. Das Vorsatzpapier ist blau eingefärbt und in den Innendeckel mit fliegendem Blatt geklebt. Auf dem Einband ist nachträglich ein Etikett aus Papier mit einer handschriftlichen Datierung in Bleistift angebracht worden.30 Die darin enthaltene Skizze, die die Gesamtkonzeption des Gemäldes „Die trauernden Juden im Exil“ in Umrisslinien entwickelt, beweist, dass der kompositionelle Aufbau des Bildpersonals bereits vor der Rückkehr nach Düssel- dorf feststand. Die Rahmenform mit dem bogenförmigen Abschluss ist mit Stri- chen festgelegt. Darin sind in einem pyramidalen Aufbau die Konturen von vier Personen verankert: Die zentrale Gestalt des Harfners, die beiden Frauen, die ihn flankieren, und das Mädchen, das sich an seine Seite schmiegt und den Kopf in seinen Schoß birgt. Der Baum, unter dem die Gruppe sitzt, ist mit seinem Blatt- werk skizziert. Die den Hintergrund definierenden Schraffuren lassen noch keine genauen Formen erkennen.

Literatur –

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30 Vgl. Angaben im Magdeburger Index: www.bildindex.de: Eduard Bendemann, Skizzenbuch Ita- lien. 19 VI. KATALOG DER WERKE EDUARD BENDEMANN

C. Akt einer sitzenden Frau im Linksprofil, 1831 Bild K7 Bleistift 29,5 x 26 cm Unsigniert, aber datiert: Febr. 1831 Rom Provenienz: – Hamm, Städtisches Gustav–Lübcke–Museum

Die Vorzeichnung bereitet in einer Aktstudie die Sitzhaltung der im Gemälde links- positionierten Mutter mit Kind vor. Bendemann konzentriert sich dabei vor allem auf die gramgebeugte Haltung der Frau, die mit eingefallenen Schultern sinnie- rend zu Boden blickt.

Literatur Donop 1890, S. 26, Nr. 236. · Wille 1988, S. 57, Nr. 83, Abb. 75. · Ders. 1996, S. 312, Abb. 6. · Krey 2003, S. 98, S. 241, Abb. 5.

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D. Studie zum Faltenwurf des Rockes der Mutter, um 1830 Bild K8 Bleistift, braun laviert, Tuschpinsel 21 x 29 cm Unsigniert Provenienz: – Hamm, Städtisches Gustav–Lübcke–Museum

In einer Präzisierung der Einzelform studiert Bendemann den Faltenwurf des Ro- ckes der Mutter. Hat sich Bendemann in der obigen Skizze noch der gebeugten Körperkontur der Mutter im Akt gewidmet, beschäftigt er sich in diesem Entwurf mit den Auswirkungen der übereinander geschlagenen Beine auf das Gewand der Mutter. Obgleich es sich bei dem Unterkleid um eine leere Stoffhülle handelt, ima- ginieren Faltenwurf und Faltenformen körperliche Konturen und Plastizität.

Literatur Wille 1988, S. 57, Nr. 84, Abb. 76. · Ders. 1996, S. 312, Abb. 7. · Krey 2003, S. 98, S. 241, Abb. 6.

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E. Studie des Kopftuchs der Mutter Bild K9 Aus dem Skizzenbuch der 1. Italienreise

20 VI. KATALOG DER WERKE EDUARD BENDEMANN

Juli 1830, 51 recto Bleistift und Feder auf Papier 23,5 x 33 cm Provenienz: – Berlin, Kunstsammlung, Stiftung Archiv der Akademie der Künste

Das Blatt zeigt eine Studie des Kopftuches der Mutter in Dreiviertelrückansicht. Einzig die Form des Tuches imaginiert Kopf– und Schulterpartie der Mutter. Im Gemälde hat sich Bendemann für eine Profilansicht entschieden.

Literatur Krey 2003, S. 116, Anm. 64.

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F. Studie zum Faltenwurf der Beinpartie des Harfners Bild K10 Aus dem Skizzenbuch der 1. Italienreise Juli 1830, 53 recto Bleistift und Feder 23,5 x 33 cm Provenienz: – Berlin, Kunstsammlung, Stiftung Archiv der Akademie der Künste

Die Zeichnung konzentriert sich auf den Faltenwurf über der Beinpartie des Harf- ners. Es ist die einzige Vorarbeit, die einen anderen Bildteil als den der Figuren- gruppe der Frau mit Kind studiert.31 Als körperlose Hülle konturiert der Faltenwurf des Gewandes eine körperliche Struktur. Die Stofflichkeit wird mit einer Bleistift- schraffur taktil gestaltet.

Literatur Krey 2003, S. 98, Anm. 64.

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G. Kopfstudie der Mutter, um 1831 Bild K11 Öl auf Leinwand 25,7 x 18 cm Unsigniert

31 Wille 1996, S. 311 war diese Studie zur Beinpartie des Harfners offensichtlich nicht bekannt. 21 VI. KATALOG DER WERKE EDUARD BENDEMANN

Provenienz: – Privatbesitz

Die hochformatige Ölstudie konzentriert sich auf die Ausarbeitung des in Profilan- sicht gezeigten Kopfes der Mutter. Der Entwurf scheint auf den ersten Blick fast fertig zu sein. Die durchgearbeitet glatte Malerei des Gesichts und der bis zu den Rändern ausgeführte dunkle Hintergrund täuschen darüber hinweg, dass es sich um eine Skizze handelt: Die Falten des Kopftuches sind nur flüchtig in Form von Bleistiftstrichen einer Vorzeichnung angedeutet.

Literatur Wille 1996, S. 314, Abb. 12.

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H. Kopfstudie der Mutter, um 1831 Bild K12 Öl auf Malpappe, an den Ecken alt ergänzt 27,5 x 23,5 cm Signatur unten links: Bendemann. Provenienz: – Hamburg, Kunsthandel

Die Ölstudie fokussiert den Kopf der Mutter. Beinahe vom unteren Bildrand über- schnitten, füllt der Kopf mit dem vom Tuch umschmiegten Gesicht das Blatt. Der Charakter einer Studie wird durch den unvollendeten Zustand verstärkt, wie an den Abbruchrändern der linken dunklen Partie zu erkennen ist. Die pastose Tech- nik erlaubt weder eine feine Linienführung noch die weiche Nuancierung der in- einander verschmelzenden Farbtöne.

Literatur Thomas Le Claire 1989, S. 34, Nr. 15, Abb. S. 35. · Wille 1996, S. 314, Abb. 11. · Krey 2003, S. 100f., 243 Abb. 9.

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I. Kopfstudie der Mutter, 1832 Bild K13 Öl auf Leinwand 32 x 23 cm Signatur unten rechts: EB.

22 VI. KATALOG DER WERKE EDUARD BENDEMANN

Provenienz: Familie Rath Düsseldorf/Krefeld, 1986 Erwerb von der Galerie Förster Düssel- dorf Wuppertal, Stiftung Sammlung Volmer

Das hochformatige Ölgemälde ist vermutlich die letzte Vorarbeit vor der finalen Ausführung. Es zeigt die Kopf– und Schulterpartie der Mutter, detailliert als voll- ständiges Gemälde ausgearbeitet. Der Kopf der Frau ist leicht nach vorne ge- beugt, so dass das Profil eine Diagonale durchs Bild zieht. Durch den mit ins Bild genommenen Schulteransatz wird die leichte Kopfdrehung nach links deutlich. Das rosige Inkarnat kontrastiert mit den sphärischen, gelb – blau changierenden Farbtönen des Hintergrundes, die sich im Weiß des Kopftuches wiederfinden. In weich geschwungenen Falten umrahmt das Tuch das Gesicht, so dass nur der gescheitelte, dunkle Haaransatz zu sehen ist. Erst jetzt kommt in den Zügen der Mutter das Porträt der Francesca Primavera, einer häufig dargestellten Schönheit der Zeit, zur Geltung.32

Literatur Fehlemann 2003, S. 22.

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J. Die trauernden Juden im Exil, um 1832 Bild K14 Öl auf Pappe 26,5 x 38,5 cm Signatur unten links: EB. Provenienz: 1937 Vermächtnis Johann Fried- rich Lahmann Bremen, Kunsthalle

Diese Ölstudie arbeitet die durch viele Einzelstudien vorbereitete Komposition far- big heraus:

„Die Kostüme in warmen, verhaltenen Farben; die Frau links oli- vegrün mit weißem Kopftuch, das die Fleischfarbe rein rosa er- scheinen lässt. Der mittlere braunrot, die beiden rechts gelb und blau. Boden und Bäume braungrün. Die Ferne in Lilagrau. Der

32 Vgl. die Beschriftung der gerasterten Kompositionszeichnung KATALOG 5K. Siehe außerdem Mil- denberger, Hermann: Vittoria Caldoni und der Kult des Modells im 19. Jahrhundert, in: Künstler- leben in Rom, Bertel Thorvaldsen (1770–1844), Der dänische Bildhauer und seine deutschen Freunde, Nürnberg 1992, S. 95–103. 23 VI. KATALOG DER WERKE EDUARD BENDEMANN

Himmel leichtes, mit Weißgrau durchsetztes Orangegelb im oran- gebraunen Ausschnitt.“33

So wird die Skizze bei der Ausstellung in der Königlichen Nationalgalerie in Berlin 1906 beschrieben. In der finalen Fassung hat Bendemann einen Farbentausch vorgenommen: Das Kleid der Mutter mit Kind – hier noch olivegrün – bekommt ein Blau zugewiesen, eine Anspielung auf Maria, die Mutter Gottes, während bei der jungen Frau das Blau des Mieders durch einen dunkelgrünen Farbton ersetzt wird. Dass die Studie primär als Farbkomposition zu verstehen ist, beweisen die durch den pastosen Farbauftrag nur grob angedeuteten Details der Vegetation und der Hintergrundstaffage.

Literatur Donop 1890, S. 26, Nr. 235. · Ausstellung Deutscher Kunst aus der Zeit von 1775–1875 1906, S. 24, Nr. 81, Abb. S. 25. · Gerkens, Heiderich 1973, S. 31f., Abb. 208. · Kreul 1994, S. 10, Nr. 114. · Wille 1996, S. 312f., Abb. 9. · Bushart, Eberle, Jensen 2000, S. 37.

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Wiederaufnahmen des Motivs

K. Durchzeichnung für Kupferstich Die trauernden Juden im Exil, 1832 Bild K15 Bleistift, aquarelliert auf Papier 34,7 x 52,7 cm Beschriftet unten „(Quadrat 3–9) I Weißes Kopftuch. II Weiß mit gelben Streifen. III. Blau. (Quadrat 14 –21) dunkelgelber Kopfputz – dunkelrothes Gewand. (Quadrat 19–21) Frie Schadow34. (Quadrat 24–30) Violettes Ober- kleid – Gelbes Unterkleid. (Quadrat 32–34) blaues Band am Kopfe. Grünes Kleid Weiße Aermel Bräunlicher Mantel.“ Unsigniert Provenienz: Berlin, SMPK Kupferstichkabinett

33 Ausstellung Deutscher Kunst aus der Zeit von 1775–1875 in der Königlichen Nationalgalerie Berlin 1906, Katalog der Gemälde, München 1906, S. 24, Nr. 81. 34 Bei Krey 2003, S. 99 steht „Herr Schadow“. Es heißt aber eindeutig „Frie Schadow“. 24 VI. KATALOG DER WERKE EDUARD BENDEMANN

Das Blatt ist eine eigenhändige Durchzeichnung, die Bendemann als Kupferstich- vorlage für Ferdinand Ruscheweyh (1785–1846) angefertigt hat. Der bis 1832 in Rom lebende Ruscheweyh war vom Kunstverein für die Rheinlande und Westpha- len noch vor der Fertigstellung des Gemäldes beauftragt worden, Bendemanns Gemälde in Kupfer zu stechen.35 Dies belegen die Beschriftungen in den beiden Zwickeln, die von Julius Hübner, dem Schwager Bendemanns, stammen. Links: „Eigenhändige Durchzeichnung von E. Bendemann, nach der Zeich- nung, welche er zu Ruscheweih’s Stich gemacht hatte, um sie mit Quadraten zu verkleinern und die er mir schickte, ehe ich noch das Bild gesehen. Der Kopf des Weibes mit dem Kinde ist nach einem in Rom gemachten Studium, nach der schönen Francesca Primavera, die ich auch gezeichnet habe. JH (ligiert).“

Rechts: „Zu dem Kopf des Alten hat ihm W. Schadow selber gesessen, u. hat er selber noch das lebensgr. Studium à la prima in Oel gemalt, in seinem Besitze (Bendemann.). Der Kopf der weiblichen Figur auf dieser Seite ist ihm besonders schwer geworden u. hat er ihn einmal weggewischt. JH (ligiert) Die Farbannotizen sind von ihm.“

Die gerasterte Kompositionszeichnung ist bis auf einige Veränderungen der aqua- rellierten Landschaft mit dem Gemälde identisch. Hübner, der von 1831 bis 1833 in Berlin lebte, muss die Zeichnung vor der Akademieausstellung, die im Herbst 1832 stattfand, erhalten haben.36

Literatur: Krey 2003, S. 99f. · Achenbach 2008, S. 34f, Abb. S. 35.

35 Vgl. Immermann, Karl: Kunstnachrichten aus Düsseldorf, in: Kunst-Blatt 1832, Nr. 94, S. 376. Der Stich von Ruscheweyh befindet sich im Fogg Art Museum der Harvard University Cam- bridge, Mass. Dabei handelt es sich um ein Geschenk des William Gray aus der Sammlung des Francis Calley Gray. Bei Nagler 1835, Bd. 1 ist eine weitere Lithographie von G. E. Müller er- wähnt, „die über den Werth des Originals nicht entscheiden kann.“. Zeitgenössische Reproduk- tionen haben geschaffen: Büchel; H.Bürkel; E.Eichens; F.Felsing; C.E.Forberg; F.Jentzen; E.Goldfriedrich; C.Hahn; F.Hanfstängl (Als Resultat der am 18. April 1843 gehaltenen Verlo- sung des Albrecht–Dürer–Vereins ist angegeben, dass die „Trauernden Juden“, gestochen von Hanfstengl, 11 mal vergeben wurden, vgl. GNM, Nürnberg, Nachlass Heideloff, I B 238); E.F.Heinrigs (Köln, Öffentliche Slg., Kölnisches Stadtmuseum); Th.Hosemann; G.Koch; W.Oelschig; C.W.Overbeck; J.Roloff; J.G.Schreiner (Köln, Öffentliche Slg, Wallraf–Richartz– Museum, Graphische Slg.); X.Streifensand; C.Süssnapp; B.Weiss (mit J.G.Schreiner zusam- men, Köln, Öffentliche Slg, Wallraf–Richartz–Museum, Graphische Slg); C.Wildt (Fogg Art Mu- seum, Harvard University Cambridge, Mass.) 36 Vgl. Krey 2003, S. 100. 25 VI. KATALOG DER WERKE EDUARD BENDEMANN

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L. Die trauernden Juden im Exil, nach 1832 Bild K16 Öl auf Leinwand 69 x 102,5 cm Beschriftet in den Zwickeln, links: An den Wassern/zu Babylon/sassen/wir, rechts: und weineten, wenn/wir an Zion/gedach–/ten. Unsigniert Provenienz: Erwerb Mai 1963 bei Lempertz, Köln Schweinfurt, Museum Georg Schäfer

Es handelt sich um eine präzise Wiederholung des Kölner Gemäldes mit dem Un- terschied, dass die Anfangsworte des Psalms in die Zwickel gemalt wurden. Laut Wille37 könnte es sich um die von Schrattenholz erwähnte Kopie handeln, die die- ser im Speisesaal der Familie Bendemann gesehen hat.38 Ob sie von Bende- manns eigener Hand stammt, lässt sich nicht beweisen.39

Literatur Schrattenholz 1891, S. 17.· Lempertz Auktion 474 1963, Nr. 218, Abb. T. 39. · Schäfer 1977, Nr. 14. · Wille 1996, S. 313, Abb. 10. · Bushart, Eberle, Jensen, 2000, S. 37.

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M. Die trauernden Juden im Exil, nach 1832 Bild K17 Öl auf Leinwand 61,5 x 91,5 cm Inschrift in den Zwickeln, links: An den Was- sern/zu Babylon/sassen/wir und, rechts: wei- neten wenn/wir an Zion/gedach–/ten.40 Unsigniert

37 Wille 1996, S. 313, Abb. 10. Offensichtlich wusste Wille den Aufenthaltsort des Gemäldes nicht, da die Abbildung mit „ehemals Köln, Kunsthandel“ beschriftet ist. 38 Vgl. Schrattenholz, Josef: Eduard Bendemann, Betrachtungen und Erinnerungen, Düsseldorf 1891, S. 17; Wille 1996, S. 313, Anm. 22. 39 Wille 1996, S. 313 geht davon aus, dass es sich um eine getreue Wiederholung handelt, da es die einzige Variante ist, bei der der Bibelvers in den oberen Zwickeln gemalt und nicht – wie im Kölner Gemälde – in hölzernen Lettern aufgesetzt ist. 40 Die Inschrift ist wie beim Kölner Gemälde in Holzlettern aufgesetzt. Das „n“ bei „Wassern“ ist offensichtlich heruntergefallen. 26 VI. KATALOG DER WERKE EDUARD BENDEMANN

Provenienz: Besitz der Nachfahren Eugenie Pilotys, 2004 Kunsthandel München Privatbesitz

Diese verkleinerte Wiederholung entspricht detailliert in der Ausführung der Origi- nalfassung. Das Gemälde stammt zwar aus dem Besitz der Nachfahren Eugenie Pilotys, dennoch ist dies kein Beweis dafür, dass Bendemann es eigenhändig ge- malt hat.

Literatur Neumeister Auktion 326 und V.157, 1. Dezember 2004, S. 265, Nr. 520. · Sachs 2004, Nr. 290, S. 47.

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N. Die trauernden Juden im Exil, nach 1832 Bild K18 Öl auf Leinwand 39,9 x 56,8 cm In den Zwickeln ist der Psalmenvers vermerkt, wurde aber übermalt Unsigniert Provenienz: 1960 Ankauf bei Kuehl in Dres- den Erfurt, Angermuseum

In der Literatur wurde diese Fassung – angeblich in Italien gemalt – vielfach für eine Vorarbeit zum Gemälde im Kölner Wallraf–Richartz–Museum gehalten.41 Aber nach neuesten Erkenntnissen des Angermuseums handelt es sich um eine Kopie nach Eduard Bendemann.42 Der Vergleich zu anderen Bendemann zuge- schriebenen Fassungen brachte offensichtliche Unterschiede zu Tage: Unstim- migkeiten, Vereinfachungen und Verunklärungen der Darstellung insgesamt und besonders der Details beweisen, dass es sich sicherlich nicht um ein originales Werk von Bendemann handelt. Insbesonders am Fuß der männlichen Figur, an der Harfe, bei der Darstellung des Faltenwurfes, beim Gesicht der auf der rechten

41 Vgl. Keisch, Claude: Abschied, Reise, Heimkehr, Berlin o. J., o. S.; Hütt, Wolfgang: Die Düssel- dorfer Malerschule 1819–1869, Leipzig 1984, S. 276; Wille 1996, S. 312. 42 Es könnte sich hierbei um die zeitgenössische Kopie von Eduard Grünler (1799-1879) handeln. Diese wurde am 19. Juni 1833 erworben, im Neuen Pavillon beim Schloss Charlottenburg plat- ziert und nach dem 27. März 1946 in die Sowjetunion abtransportiert. Aufgeführt ist das ver- schollene Werk bei Bernhard, Marianne: Verlorene Werke der Malerei, München 1965, S. 63 unter dem Titel „Szene aus einer Sage“. Die Auskunft über den Verbleib von Grünlers Kopie verdanke ich Gerd Bartoschek von www.lostart.de. 27 VI. KATALOG DER WERKE EDUARD BENDEMANN

Seite sitzenden Frau, am Laubwerk des Baumes etc. werden die angesprochenen Unterschiede als Schwächen deutlich.43 Das Gemälde wirkt flächig. Schon Wille hat 1995 auf den spröden Gesamteindruck und die noch nazarenische Prägung hingewiesen.44

Literatur Schlesisches Museum der Bildenden Künste Breslau 1928, S. 5, Nr. 2, Abb. 2. · Keisch 1978, mit Abb. · Hütt 1984, S. 276, Abb. 26. · Ders. 1986, S. 94, 81, Abb. 104. · Wille 1996, S. 312. · Bushart, Eberle, Jensen 2000, S. 37. · Goodman 2004, S. 37, Abb. 14.

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O. Die trauernden Juden im Exil, nach 1832 Bild K19 Öl auf Leinwand 71 x 103 cm Inschrift in den Rahmenzwickeln wurde abge- kratzt Unsigniert Provenienz: 1995 Erwerb aus dem Kunsthan- del Frankfurt am Main, Jüdisches Museum

Bei der seit 1995 im Jüdischen Museum in Frankfurt befindlichen Fassung ist eine andere Farbgebung signifikant: Kräftige Mischfarben dominieren das Gemälde und lassen vermuten, dass es sich um eine Kopie nach Bendemann handelt. De- tails wie das Davidsternornament am Gewandsaum des Harfners fehlen.

Literatur –

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P. Die trauernden Juden im Exil, um 1832 Bild K20 Kreide/Papier 71 x 103 cm Inschrift in den Zwickeln: links: An den Was- sern/zu Babylon/sassen/wir, rechts: und wei- neten, wenn/wir an Zion/gedach–/ten.

43 Schriftliche Auskunft von Frau Dr. Miriam Krautwurst, Kustodin des Angermuseums Erfurt. 44 Vgl. Wille 1996, S. 312. 28 VI. KATALOG DER WERKE EDUARD BENDEMANN

Unsigniert Provenienz: 1992 Kunsthandel New York Minneapolis, The Minneapolis Institute of Arts

Diese bis ins Detail ausgeführte Zeichnung gibt keinen Aufschluss darüber, ob es eine vorbereitende Studie oder eine Kopie ist. Die detaillierte Zeichnung mit ihrer dominierenden monochromen Struktur der Kreide spricht vielmehr für eine Kopie. Keine der Vorarbeiten von Bendemann ist in Kreide ausgeführt. Auch die Literatur überliefert keine Hinweise, dass Bendemann eine Kreidezeichnung zu „Die trau- ernden Juden im Exil“ angefertigt hat. Literatur Christie’s Auction 19th Century European Paintings, Drawings and Watercolors 1992, Nr. 17 Abb.

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Q. Die trauernden Juden im Exil, nach 1832 Bild K21 Öl auf Leinwand 69,8 x 102,9 cm Unsigniert Provenienz: 1998 Kunsthandel New York Unbekannt

Im Gegensatz zu der Kopie in Frankfurt dominieren in dieser Wiederholung verhal- tene Erdtöne.

Literatur Sotheby’s Auction Fine 19th Century European Paintings, Drawings and Sculpture 1998, Nr. 1 Abb.

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R. Die trauernden Juden im Exil, nach 1832 Bild K22 Öl auf Leinwand 34 x 42,5 cm Unsigniert Provenienz: 1992 Kunsthandel München Unbekannt

Die Kopie nach Bendemanns Gemälde zeigt eine weniger nah fokussierte Darstel- lung der trauernden Juden: Der umgebenden Landschaft und der Vegetation wird

29 VI. KATALOG DER WERKE EDUARD BENDEMANN

wegen des fehlenden Bogens eine größere Ausdehnung zugesprochen. Der von Weinlaub umwucherte Weidenbaum und die Menschen rücken vom Betrachter ab. Die Gruppe der Juden wirkt nicht mehr monumental, was auch mehr dem Klein- format der Kopie entspricht.

Literatur Neumeister Auktion 271 und 272, 9. Dezember 1992, S. 72, S. 134, Abb. 516.

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S. Die trauernden Juden im Exil, nach 1832 Bild K23 Öl auf Leinwand 28 x 44,5 cm Unsigniert Provenienz: Dauerleihgabe aus Privatbesitz Münster, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte

Auf Grund der Schwächen in der Gestaltung der Gesichter handelt es sich vermut- lich um eine Kopie nach Bendemann.

Literatur Langemeyer 1977, S. 164, Anm. 7.

30 VI. KATALOG DER WERKE ADAM EBERLE

6. A DAM E BERLE (1805–1832)

A. Die Israeliten in der babylonischen Gefangenschaft, 1832 Bild K24 Bleistift laviert auf Papier Blatt 56,7 x 73, 7 cm, Unterlage 65 x 78 cm Signatur auf der Unterlage unten links: Eberle, bezeichnet Psalm 137 An den Wassern zu Babel sassen wir, und weineten, wenn wir an Zion gedachten. (unlesbar) Psalm 126 Ein Lied im höhern Chor. Wenn der Herr die Ge- fangenen Zions erlösen wird, werden wir sein wie die Träumenden. Provenienz: 1867 Geschenk von Emilie Linder im Legat Basel, Kupferstichkabinett

Adam Eberle wurde 1805 in Aachen geboren. 1821 trat er in die Düsseldorfer Akademie ein und gehörte dort zu den ersten Cornelius–Schülern. Vier Jahre später folgte er seinem Lehrer nach München, wo er ihm bei der Ausmalung des Götter– und Heldensaales in der Glyptothek half. Im Herbst 1829 begleitete er Carolina Cornelius, die Frau seines Lehrers, Emilie Linder (1797–1867), eine Kunstsammlerin aus Basel, und deren Freundin, die Basler Malerin Rosalie Wieland–Rottmann, nach Rom, wo er sich dem Kreis der Nazarener anschloss. Eberle bevorzugte biblische und mythologische Themen. In Depressionen verfallen, zerstörte der Maler viele seiner Werke.45 Im Jahr seines Todes, 1832, fertigte der Maler in Rom die vielfigurige Sepiazeichnung „Die Israeliten in der babylonischen Gefangenschaft“ an46, die in den Besitz Emilie Linders kam.47

In einer Lünette tummeln sich auf engstem Raum gefangene Juden und ihre baby- lonischen Zwingherrn: Es herrscht ein Horror vacui. Auf der Unterlage des Blattes sind in Bleistift die Anfangsverse von Psalm 137 und 126 geschrieben. Die Dar- stellung ist eine Verknüpfung der Psalmenverse: Das Leid der Juden und der Hin- weis auf ihre Erlösung finden gleichermaßen Platz auf der Zeichnung. Unter zwei Bäumen, die rechts und links eine Senkrechte markieren, hält sich eine große Anzahl von Personen auf: Greise, Mütter mit Kindern, junge Männer,

45 Vgl. Nagler 1837, Bd. 4; ThB 1914, Bd. 10; Ludwig, Horst (Hg.): Münchner Maler im 19. Jahr- hundert, München 1981, Bd. 1, S. 260; Roth, Carsten: Art. zu „Eberle“, in: AKL 2002, Bd. 31. 46 Vgl. Handzeichnungen, in: Kunst–Blatt 1832, Nr. 99, S. 394. Dort ist ebenfalls vermerkt, dass Cornelius die Absicht hatte, eine Lithographie anfertigen zu lassen. Gemeint ist vermutlich der Stich von Johannes Burger, in: Förster, Ernst: Denkmale deutscher Baukunst, Bildhauerei und Malerei, Bd. 3/3, Tafelband, Leipzig 1857. 47 Zu Emilie Linder siehe Jent, Verena: Emilie Linder 1797–1867, Studien zur Biographie der Bas- ler Kunstsammlerin und Freundin Clemens Brentanos. Dissertation, Basel 1967. Zur Provenienz vgl. S. 12. Dort ist vermerkt, dass die Zeichnung zwischen 1831 und 1832 mit sechs anderen Zeichnungen für 275,– gekauft wurde. Escher, Konrad: Die Emilie–Linder–Stiftung, in: Jahresbe- richte der Öffentlichen Kunstsammlung, Neue Folge 6, Basel 1909 hat seinem Bericht „Auszug aus dem Testament“ angehängt. Dort findet man auf S. 35 die Notiz, dass „Die trauernden Ju- den in Babylon“ einst Emilie Linders Wohnzimmer schmückten. 31 VI. KATALOG DER WERKE ADAM EBERLE

Frauen und Kinder, aber auch drei babylonische Soldaten, die genau in der Mitte nach hinten gestaffelt um eine Gruppe sitzender Juden stehen. Rechts im Hinter- grund erheben sich die von einer Mauer umgebenen Gebäude Babylons, links füllt ein Jude an einem Felsen eine Schale mit Quellwasser. Ins Bildgeschehen ist eine jenseitige Komponente integriert: Über dem Schau- platz des Geschehens, direkt unter dem bogenförmigen Bildabschluss, schwebt, von einem Wolkensaum getragen, der Prophet Ezechiel. Mit wehendem Gewand sitzt er in einem Wagen, dem die geflügelten Symbole der vier Evangelisten (Tet- ramorph) „vorgespannt“ sind. Seine Arme sind ausgebreitet. Ein neben ihm sit- zender Engel mit weit ausgebreiteten Flügeln umfasst ihn mit beiden Armen: Der Prophet empfängt seine Vision. Diese wird dem Betrachter ganz im Vordergrund vorgeführt: Niedergang und Wiedererstehen des jüdischen Volkes durch die Ver- heißung des wahren Hirten aus dem Hause Davids48. Die Erlösung durch den kommenden Messias verkörpern drei Figuren der gefangenen Juden. Diese, zwar in die Gemeinschaft der Trauernden integriert, führen Leben und Sterben Jesu in drei Stationen vor Augen. Den Anfang macht die Darstellung des schlafenden Knaben in der linken Bildecke. Die Beine angewinkelt mit den Fußsohlen am Bo- den und den Zeigefinger zum Mund geführt, liegt das Kind nackt auf ein Kissen gebettet. Ein daneben lagerndes Mädchen hebt mit der linken Hand sacht das La- ken vom Gesicht des Jungen, als würde sie es dem Betrachter zur Schau stellen wollen. Dabei stützt sie sich mit der rechten Hand am Boden ab. Ihre Haare fallen offen bis zu den Hüften herab. Weiter zur Mitte folgt ein unter seiner Bürde niedergestürzter Mann. Bäuchlings, sich mit der rechten Hand abfangend, versucht er, mit der anderen Hand über die Schulter greifend, seine Last, einen spitzen Pflock, auf dem Rücken zu halten. Sein Leid hat ihm eine Träne entlockt, die ihm über die Wange rinnt. Durch die Schwertscheide des in der zweiten Bildebene stehenden Babyloniers, die in einem Winkel von 90 Grad auf den Holzpflock trifft, entsteht für das Auge des Betrachters eine optische Täuschung: ein Kreuz. Die Bürde des Mannes wird als Kreuz wahr- genommen. Eine Anspielung auf Christus, der mit dem Kreuz stolperte. Das über die Schulter geworfene Gewand, das die Schnittstelle der beiden „Balken“ ver- deckt, unterstützt diese Sinnestäuschung.

48 Vgl. Ez 34. 32 VI. KATALOG DER WERKE ADAM EBERLE

Der junge Mann ist in Profilansicht gezeigt. Seine Körperhaltung formt durch das nach hinten ausgestreckte Bein und den Bogen seines Rückens eine Diago- nale. Akzentuiert durch den Pfahl weist diese die Blickrichtung nach rechts, zu dem am Boden liegenden, verhüllten Leichnam. Zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen, beklagen diesen. Wegen der über ihn gebeugten Figur ist von dem To- ten nur der Oberköper sichtbar. Das Gesicht ist von Tüchern bedeckt. Eine Urne steht bereit. Der Junge kniet vor dem leblosen Körper und bettet seinen Kopf auf dessen Brust, dabei umfängt er ihn mit den Armen, so dass er seinen in eine kur- ze Tunika gekleideten Körper in Rückansicht präsentiert. Am Kopfende des Leich- nams steht ein Mädchen, halb verdeckt von dem zu Boden gefallenen Mann. Ihr Profil lässt ein geschlossenes Auge erkennen. Sie hält den Kopf leicht geneigt, und während sie sich traurig mit der linken Hand an die Stirn greift, drückt sie den anderen Arm an ihre Brust. Ihr gegenüber, ganz am rechten Bildrand, beobachtet kniend ein junger, bärti- ger Mann das Geschehen. Es ist der Totengräber, der die Gesichtszüge von Eber- le trägt.49 Der Maler präsentiert sich nachdenklich: Linke Hand und rechter Ellen- bogen ruhen auf dem Griff seines Werkzeugs, der Kopf ist auf die rechte Hand gestützt, der kleine Finger in den Mund gesteckt. Die literarische Quelle für die Darstellung dieser Pose ist ein Gedicht des persischen Dichters Feridoddin Addar (1119–1229), der durch einen Freund bekannt wurde.50

„(…) Wissenschaft den Finger steckt in den Mund und weinet: Was des Seins Geheimnis ist nimmer ihr erscheinet. Was sein Wesen, lernst du nie, lass das Speculieren! Oeffnet jedes Wesen nicht zu dem Freund dir Thüren? Doch wenngleich in jedem Ding du den Freund kannst finden, Stehst du doch betroffen da, kannst ihn nicht ergründen. Nimmer kann je Wissenschaft was Gott ist begreifen. Muss nicht unstet sie umher stets in den Worten schweifen? Wisse, alles Leben deckt wunderbar ein Schleier, Selbst der Himmel kreist allein durch der Sehnsucht Feuer.(…)“51

Die Gruppe um den Leichnam lässt den Blick auf eine junge Frau frei, die unter dem Baum sitzt: Die Personifikation Zions.52 Sie trägt ein langes Gewand, und ihr

49 Vgl. Förster 1857, S. 30. 50 Tholuck, Friedrich August G.: Blüthensammlung aus der Morgenländischen Mystik, Berlin 1825, S. 257f. Siehe auch Förster 1857, S. 31. 51 Das Gedicht heißt „Das Sein, das grösste aller Räthsel“. Zitiert aus: Tholuck 1825, S. 257ff. 52 Vgl. Förster 1857, S. 30. 33 VI. KATALOG DER WERKE ADAM EBERLE

Haupt, dessen Haare üppig über die Schulter fallen, schmückt ein Kranz. Mit dem linken Ellenbogen stützt sie sich auf das rechte Knie, so dass ihr Oberkörper fast unnatürlich gedreht erscheint. In der Hand hält sie einen Spiegel. Doch sie blickt nicht hinein, sondern entrückt nach oben. Sie vermittelt vom eschatologisch– akzentuierten Geschehen im Vordergrund zur Gruppe der Juden: Der Grundge- danke von Psalm 137 spricht sich in den zwei bärtigen Juden und einer Frau aus, die durch die Allegorie des Heilsgeschehens zwar in den Mittelgrund gedrängt sind, dennoch den Kern der Komposition bilden. Umringt von drei Babyloniern stehen drei der Gefangenen in Interaktion mit je- weils einem der Soldaten. Der vordere Zwingherr gießt aus einem Schlauch Wein in eine Schale. Vom Betrachter abgewendet, trägt er über einem kurzen Gewand einen Harnisch und ein Schwert an der Hüfte. Um die Schultern hat er einen Um- hang geschlungen, der ihm quer über den Rücken fällt. Seinen Kopf bekrönt ein Helm mit buschigem Schweif. Mit lockendem Blick bietet er das Getränk dem Ju- den an, der in das Studium der Heiligen Schrift vertieft ist. Von Kopf bis Fuß in ein Gewand gehüllt, liest er in dem auf seinem Schoß liegenden Buch. Sich mit dem linken Ellenbogen auf sein Knie stützend, schirmt er mit der Hand sein Gesicht von den Blicken des Kriegers ab. Ein anderer Soldat mit nacktem Oberkörper, bartlosem Gesicht und einer Kap- pe auf dem Kopf legt seinen Arm auf die Schulter des jüngeren Mannes. Er ver- sucht dessen Aufmerksamkeit auf die Harfe am Baum zu lenken, indem er mit seiner Hand über die Saiten des Instruments streicht. Eine Geißel hängt an sei- nem Handgelenk. Der ins Profil gerückte Jude wendet seinen Kopf, so dass man sein Antlitz sieht. Obwohl er voller Angst zu sein scheint, macht er eine abwehren- de Gebärde; er weist wohl das Ansinnen, ein Lied zu spielen, zurück. Der dritte Babylonier trägt ein Kopftuch und Ohrringe. Mit Speer und Schild ausgerüstet steht er da und richtet seinen Blick unter den halbgesenkten Lidern auf die Frau im Schatten, die mit gefalteten Händen an der Schulter des Greises Schutz sucht. Ihr Kopf ist von Tüchern umschlungen; man erkennt nur das ins Halbprofil gewendete Gesicht. Ein paar Haarsträhnen schauen an der Schulter hervor. Vor der Gruppe sitzt eine Mutter und umarmt ihr Kind. Sie ist in Dreiviertel – Rückansicht gezeigt. Ihr Haar wird durch ein geknotetes Tuch zusammengehalten. Kraftlos liegt ihr Arm auf dem rechten Knie. Von dem Kind sind nur der Haarschopf und der Arm, der sich um den Hals der Mutter legt, zu sehen. Daneben stehen ein Früchtekorb und

34 VI. KATALOG DER WERKE ADAM EBERLE

ein Wasserkrug. Links im Abseits sitzt ein brütender, alter Mann. Die Augenbrauen zusammengezogen, blickt er finster aus dem Bild, am Betrachter vorbei. Er hat die Hände in-einandergelegt. Hinter ihm spielt ein kleiner Junge auf der Harfe im Baum. Frontal zum Betrachter stehend, passt er sich mit einer eleganten S–Kurve seines Körpers dem Halbrund des Rahmens an. Mit der rechten Hand greift er nach oben an die Saiten des Instruments. Sein nach hinten geneigter Kopf wird vom bogenförmigen Bildabschluss überschnitten. Auf der rechten Seite des Bildes sitzen vier Juden um die kleine Statuette eines Gottes versammelt. Doch keiner von ihnen blickt auf das Götzenbild. Ein älterer Jude, an den Stamm des Baumes gelehnt, neigt sein bärtiges Haupt und weist mit dem Zeigefinger zur Stadt, als würde er den fremden Gott aus seinem Blickfeld verbannen. Neben ihm sieht man einen jungen Mann in Rückansicht, dessen Ar- me an den Oberkörper gefesselt sind. Auch er wendet sich von dem Bildnis des Gottes ab. Ihm folgt ein flehentlich gen Himmel betender Jude. Hinter diesem er- kennt man noch den zu Boden geneigten Kopf einer weiteren Person.

Literatur Kunst–Blatt 1832, Nr. 34, S. 170, Nr. 99, S. 393f. · Raczynski 1840, Bd. 2, S. 225f. · Förster, 1857, Bd. 3, S. 29–31, Abb. · Hagen 1857, S. 170. · Riegel 1883, S. 335, Nr. 76. · Maillinger 1886, S. 236, Nr. 3096. · Becker 1888, S. 120. · Fey 1896, S. 9. · Escher 1909, S. 35, S. 39, 42. · Nagler 1837. · Jent 1967, Anhang S. 12. · Ludwig 1981, Bd. 1, S. 260, Abb. · Krafft 1983, S. 44. · LDM 1997, Bd. 1, S. 307. · Becker 1964, S. 263f. · Möseneder 1996, S. 113f., Abb. 13. · Krey 2003, S. 110.

35 VI. KATALOG DER WERKE JOHN MARTIN

7. J OHN M ARTIN (1789–1854)

A. By the Waters of Babylon, 1835 Bild K25 Aus: Illustrations for the Bible Mezzotinta mit Kupferstich 18,7 x 28,9 cm Bedruckt: Designed and Engraved by John Martin, K.L.B./PSALM CXXXVII./London, Pub- lished May 1st. 1835, by John Martin, 30, All- sop Terrace, New Road:/Messrs. Ackermann & Co. _ A Paris, chez M. Victor Morlot, Pas- sage Vivienne, No. 26./PART IX., bedruckt rechts: Déposé. Provenienz: – Privatbesitz Michael J. Campbell

John Martin wurde 1789 als jüngstes von 13 Kindern in der Nähe von Newcastle upon Tyne, England, geboren. Seine künstlerische Ausbildung begann er bei einem dort ansässigen italienischen Maler aus dem Piemont namens Boniface Musso (erwähnt 1751), dem er 1806 nach London folgte. Dort verdiente er seinen Lebensunterhalt als Glasmaler. 1812 entschied sich Martin für eine Karriere als Maler. Vorrangig biblische Sujets sollten nun seine Malerei bestimmen. Untergangsbilder wie „The Fall of Babylon“ von 1819 gehörten zu seinen ersten Erfolgen.53 1830 entschloss sich der nun gesell- schaftlich etablierte Künstler zu seinem ambitioniertesten Projekt: Zur Publikation einer Serie von Stichen unter dem Titel „Illustrations to the Bible“, die aus 40 Illustrationen zum Alten und Neuen Testament bestehen sollte. Das Alte Testament erschien bis 1835 in 10 Bänden. Die Bände des Neuen Testaments wurden nie publiziert. Das Projekt brachte Martin den finanziellen Ruin.54 In Band IX findet sich eine der dunkelfarbigsten Darstellungen in der Bibelserie des John Martin: Psalm CXXXVII. Martin produzierte ungefähr zur selben Zeit eine weitere Version dieses Themas mit dem Titel „The Daughters of Jerusalem Weeping“, die als Holzschnitt in „Westhall and Martin’s Illustration of the Bible“ publiziert wurde.55 Noch während die Platte im Druckprüfstand war, hellte Martin den Kupferstich auf und fügte Details im architektonischen Aufbau der Stadt und im landschaftlichen Gefüge hinzu.56

Weitläufig erstreckt sich vor dem Betrachter eine düstere, dicht bewaldete Fluss- landschaft, die im Hintergrund von einer Stadt mit monumentalen Bauwerken be- grenzt wird. Rechts hebt sich die mächtige Silhouette des Turmes zu Babel vor

53 Vgl. Knight, Charles (Hg.): Biography (The English Cyclopaedia Division III), London 1856; Dict. of Art 1996. 54 Martin, John: Illustration of the Bible, London: published by John Martin, 30, Allsop Terrace, New Road 1831–35. Siehe dazu Balston, Thomas: John Martin 1789–1854, His Life and Works, Lon- don 1947, S. 133ff.; Campbell, Michael, J.: John Martin, Visionary Printmaker, York 1992, S. 120ff. 55 The Daughters of Jerusalem Weeping, Nr. 80, in: Martin, John, Westhall, Richard: Illustrations of the Bible, by Westhall and Martin, with Descriptions by the Rev. Hobart Caunter, B.D., 48 Wood– Engravings, by Various Engravers, London 1835–1836. Vgl. Balston 1947, S. 290, 9b 27 80; Campbell 1992, S. 147. 56 Vgl. Campbell 1992, S. 147. 36 VI. KATALOG DER WERKE JOHN MARTIN

dem lichtdurchzogenen Horizont ab. In der vorderen Bildebene winden sich die dunklen Fluten des Stromes – von rechts aus dem dunklen, unergründlichen Bild- mittelgrund kommend – nach links. Am jenseitigen Ufer unter einer Weide, in deren herabhängenden Zweigen die feingeschwungene Harfe kaum auszumachen ist, lagert auf einer lichten, unbe- waldeten Landzunge eine Gruppe von sieben jüdischen Frauen. In der von Seero- sen bedeckten Wasseroberfläche spiegeln sich ihre Gestalten wider. In lange wei- ße Gewänder und Umhänge gehüllt, klagen sie und blicken dabei in die Fluten. In ihrer Mitte stehen im Halbprofil nach rechts gesehen zwei Jüdinnen einander um- armend Seite an Seite. Betrübt haben sie ihre Köpfe geneigt. Die linke hält in der Hand ihres herabhängenden rechten Armes eine große, schön geschwungene Harfe, die auf dem Boden aufsetzt. Links sitzt auf einem Stein eine Jüdin, die ihren Kopf in die Hand stützt und zugleich ihre Augen mit dieser Hand bedeckt. Ihrer in sich gekehrten Sitzpose entgegengesetzt, wendet die Frau rechts neben der Ste- henden ihren Oberkörper zu dieser hin: Dies scheint Teil einer Bewegung zu sein, ein Hin–und–Her–Wiegen. Sie hat die Hände in den Schoß gelegt und die Füße überkreuzt. Drei weitere Personen kauern – ihre Köpfe auf den angezogenen Knien – etwas weiter rechts. Der Blick des Betrachters, der durch den gewundenen Verlauf des Ufers weiter in den Mittelgrund gelenkt wird, erspäht auf der nächsten kleinen Landzunge zwei weitere Personen, die wiederum unter einer Weide kauern. Dahinter erheben sich die gewaltigen Stadtmauern Babylons. Ein Tor, flankiert von zwei Türmen, führt in eine majestätische Stadtanlage, in der Säulenhallen und andere monumentale Gebäude dominieren. Bis zum Horizont erstrecken sich die Bauten. Beinahe erdrückend lastet das fremde, dunkle Babylon auf der kleinen Gruppe von Jüdin- nen, deren Gestalten vom Mond bestrahlt hell aufleuchten.

Literatur Balston 1947, S. 287, 9a 11 17, S. 290, 9b 27 80. · Feaver 1975, S. 131, 133, Nr. 97 Abb. · Campbell 1986, S. 81, Nr. 108. · Ders. 1992, S. 147 Abb.

37 VI. KATALOG DER WERKE JOSEPH FÜHRICH

8. J OSEPH VON F ÜHRICH (1800–1876)

A. Die trauernden Juden, 1837 Bild K26 Öl auf Leinwand 113 x 163,5 cm Signatur: unten mittig Jos. Führich pinx. A.D. 1837. Provenienz: 1945 Ankauf aus der Sammlung Erwin Graf Nostitz–Rieneck Prag, National Galerie

1837 entstand die Zweitfassung der „Trauernden Juden“, die im kompositionellen Aufbau nicht an den Entwurf von 1828 (KATALOG 4A, BILD K4) anschließt. Vielmehr orientiert sie sich – abgesehen von der Rahmengestaltung – an Bendemanns Gemälde „Die Trauernden Juden im Exil“ (KATALOG 5A, BILD K5) von 1832. Das Gemälde war 1838 in Wien und 1839 auf den Ausstellungen in Prag und Dresden zu sehen.57

In nahem Fokus sitzen Juden im Halbkreis auf einem kargen Erdstreifen unter zwei dicht nebeneinander stehenden Weiden, deren spärlich bewachsene Äste vom oberen Bildrand überschnitten sind. Eine Harfe mit der Schnitzerei eines Da- vidssterns als Ornament hängt an einem Aststumpf. Es sind sechs Personen an der Zahl: Den Anfang nimmt ganz links ein Greis, ihm folgt nach rechts ein junger, bärtiger Mann, es schließen sich eine Mutter mit Kind und ein Mädchen an, ein Mann schräg hinter dem Baum beendet die Runde. Zu beiden Seiten der Gruppe ist der Blick freigelassen: Links auf eine hügelige Flusslandschaft mit dichtbelaub- tem Baum, rechts auf die Mauern Babylons mit Türmen, Säulen und Kuppeln. Noch weiter in der Ferne am Horizont erstrecken sich Gebirgsketten. Den über der Stadt intensiv blauen Himmel durchziehen zur Mitte des Bildes hin Wolkenbänder, die sich links zusammenballen. Die Juden im Vordergrund begegnen ihrem gemeinsamen Schicksal mit in sich gekehrter Trauer. Der alte, bärtige Mann ganz links lehnt, ins Halbprofil gerückt, am Baumstamm, dabei hat er das linke Bein aufgestellt. Er hält seinen Kopf etwas geneigt und blickt mit gerunzelter Stirn zum Himmel. Eine rote Haube mit geknote- ten Zipfeln, die an den Seiten herunterhängen, bedeckt sein Haupthaar. Das

57 Vgl. Müller, Rudolf: Künstler der Neuzeit Böhmens, Biographische Studien, Joseph von Führich, in: Mittheilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen, 1877/78, 16. Jg., 3. Heft, S. 190: Müller vermerkt außerdem, dass das Gemälde „Eigenthum des kunstfreundlichen Grafen Erwin Nostiz geworden und Zierde seiner Galerie in Prag, wählte sie der Kunstverein für Böhmen zur Mitgliedsprämie für 1842. Franz Hanfstängel in Dresden übernahm zu dem Zwe- cke die lithographische Reproduktion, die als eine meisterhaft gelungene zu bezeichnen ist.“ Vgl. dazu noch Wörndle 1914, S. 73, Nr. 405a. 38 VI. KATALOG DER WERKE JOSEPH FÜHRICH

bräunlich–gelbe Gewand umhüllt bis auf die Zehen seines linken Fußes vollstän- dig seinen Körper. Selbst seine Hände hat er unter den Umhang gesteckt. Der jüngere Leidensgenosse neben ihm nimmt durch die Frontalität seiner Dar- stellung und durch das Rot seines Umhanges eine zentrale Rolle ein. Er sitzt et- was erhöht auf einem Felsbrocken. Beide Beine unterschiedlich stark angewinkelt, zieht er das rechte doch soweit an seinen Körper heran, dass er – die gefalteten Hände auf dem Knie ruhen lassend – sein Kinn darauf abstützen kann. Die Lider gesenkt, blickt er nachdenklich nach untern. Halblange, dunkle Haare rahmen sein Gesicht mit der langen markanten Nase. Unter seinem roten Mantel, der falten- reich die linke Schulter, den linken Arm und die Beine umhüllt, trägt er ein weißes Hemd und Hosen, die in die braunen Ledersandalen gesteckt sind. Am linken Handgelenk ist eine Fessel angebracht. Mit dem Ausdruck größerer Verzweiflung über die hoffnungslose Lage der Ge- fangenschaft stützt die neben ihm im Schneidersitz sitzende Frau ihren Kopf in die rechte Hand und kehrt ihr Gesicht ins Profil. Nicht einmal der nackte Knabe, der auf ihrem Schoß liegt und mit dem Saum ihres Kleides spielt, vermag es, ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen. Über einer vorn geknoteten weißen Bluse trägt sie ein beigefarbenes Kleid. Ihr beschuhter Fuß schaut unter der Kleidung hervor. Ein dunkelgrünes Tuch ist über ihre Beine gebreitet und verdeckt halb einen zuge- schnürten Sack, der unter ihrem linken Knie liegt. Sie umfasst das Kind auf ihrem Schoß zärtlich, so dass das Köpfchen mit dem blonden Schopf auf ihrem Arm lie- gen kann. Ein weißes Tuch mit grünem Muster ist halb um ihre goldblonden Haare geschlungen; ein goldenes Stirnband schmückt ihren Kopf. Hinter ihr, schon halb im Schatten des Baumes, sitzt ein Mädchen. Sie ist die einzige der jüdischen Gefangenen, die mit dem Betrachter in Blickkontakt tritt und das ihr ins Gesicht geschriebene Leid offen präsentiert.58 Sie kniet und lehnt sich nach links zur Gruppe. Ihr in der Taille geschnürtes rosafarbenes Kleid betont mit einem Carmenauschnitt die zarten Schultern. Ihr Haar ist kunstvoll frisiert: Ein ge- flochtener Zopf ist um ihren Kopf gelegt und rahmt ihr feines Gesicht mit dem halbgeöffneten Mund. Während die linke Hand auf dem Oberschenkel ruht, wird ihr rechter Arm, mit dem sie sich vermutlich abstützt, von der Frau vor ihr verdeckt. Ein weißer Rock kommt unter ihrem Kleid zum Vorschein. Sie ist barfuß.

58 Vermutlich hat Führich mit ihrer Person ein Porträt der schönen Bauerntochter Vittoria Caldoni ins Gemälde integriert. Vgl. Mildenberger 1992, S. 96f. Schon 1821 schuf Friedrich Overbeck ein Bildnis der Caldoni, das sich heute in der Neuen Pinakothek München befindet. Führichs Jüdin zeigt eine große Ähnlichkeit mit diesem Porträt. 39 VI. KATALOG DER WERKE JOSEPH FÜHRICH

Hinter dem Baum, abgesondert von der Gruppe, sitzt – dem Betrachter den Rü- cken zukehrend – ein weiterer Jude an den Stamm gelehnt im Schatten. Von den anderen fast verdeckt, sieht man nur seinen nach links gewandten Kopf mit dem Nackenansatz. Er trägt ein Tuch über dem Kopf, das er um den Hals mit einer Kordel fixiert hat. Von seinem Profil zeichnen sich die Nasenspitze, einige Bart– und Haupthaare gegen das Weiß des wolkigen Himmels ab. Das von einem gräu- lichen Gewand bedeckte Knie des aufgestellten rechten Beines, um das sich seine gefalteten Hände spannen, ragt zwischen den Köpfen der Frauen hervor.

Literatur Vystava Krasoumné Jednoty 1839. · Große 1859, S. 53. · Wurzbach 1859. · Müller 1877/78, 16. Jg., 3. Heft, S. 189f., 223. · Becker 1888, S. 114f. · Frimmel 1889/90, Nr. 15, S. 227. · Wörndle 1914, S. 73, Nr. 405. · ThB 1916 · Tetzel 1925, S. 40. · Bötticher 1948, Bd. 1, S. 361, Nr. 20. · Zimmermann 1956, Heft 7, S. 411, Abb. · Krey 2003, S. 117, Anm. 149, Abb. 25.

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Entwurf

B. Farbentwurf, 1836 Bild K27 Bleistift, Farbenblei 20,7 x 31 cm Signatur: unten mittig Jos Führich dat A.D. 1836 Provenienz: 1912 Kunsthandel Wien, Gabriel Poszony59

Die Gesamtstudie nimmt alle Elemente des Bildes vorweg. Neben Detailänderun- gen der Vegetation im Vordergrund zeigt sich die hauptsächlichste Variante in der Mittelfigur und an dem ganz rechts sitzenden Mädchen: Führich hat die Rollen der beiden Personen vertauscht. Im Entwurf bezieht der junge, hier bartlose Mann den Betrachter mit ein, indem er ihn mit seinem Blick fixiert. Das Mädchen dagegen schaut nach rechts, aus dem Bild heraus. Ihr Gesicht ist dabei ins Profil gekehrt, so dass die schönen Züge noch nicht deutlich als die der Vittoria Caldoni erkenn- bar sind.

59 Vgl. Wörndle 1914, S. 73. 40 VI. KATALOG DER WERKE JOSEPH FÜHRICH

Die ungleich filigranere und schön geschwungene Harfe hängt an einem unver- sehrten Ast. Im Gemälde bietet eine größere Holzfläche am Harfenfuß Platz für Schnitzereien, in denen der Davidstern, das Symbol des Judentums, sinnbildhaft wirken kann. Die Gebäude der Stadt sind weiter in der Ferne skizziert. Im Gemäl- de erheben sich die Mauern Babylons genauer erkennbar jenseits des Ufers. Die Bedrohung durch die Babylonier wirkt dadurch gegenwärtiger. Die Verkürzung des sichtbaren Fußes der Mutter ist unstimmig. Im Gemälde hat Führich die perspektivische Verzerrung umgangen und lässt nur ein kleines Stück des Fußes mit Schuh erkennen.

Literatur Handzeichnungssammlung Alexander Flinsch Berlin 1912, S. 37, Nr. 259 mit Abb. · Wörndle 1914, S. 73, Nr. 404b.

41 VI. KATALOG DER WERKE ROMAIN CAZES

9. R OMAIN C AZES (1810–1881)

A. Captivité des Juifs à Babylone, 1837 Bild K28 Salon Paris 1837 Öl auf Leinwand 97 x 130 cm Signatur: unten rechts ROMAIN CAZES MDCCCXXXVII Provenienz: 1983 Ankauf der Stadt Montau- ban aus dem Besitz von Mlle Marie Paul– Cazes Montauban, Musée Ingres

Romain Cazes wurde 1810 als zweiter von sechs Söhnen des Dichters und Archäologen Victor Cazes geboren. 1830 kam er an die Ecole des Beaux–Arts, wo er ein Schüler von Ingres wurde, dessen Einfluss vor allem in der Gestaltung weiblicher Gesichter auffällig wird.60 Zu seinen ersten Werken, die der Künstler im Pariser Salon ausstellte, gehörte „Captivité des Juifs à Babylone“ von 1837.61 Es handelt sich um ein querformatiges Gemälde, in dem die Lünettenform durch die Komposition von gemalten Bildelementen angedeutet wird. In den folgenden Werken mit religiösen Sujets verwendete der Maler Rahmen mit bogenförmigem Bildabschluss. Diese Entwicklung, die aus dem Rahmen eine sakrale Form macht (KATALOG 5A, BILD K5 ), kulminiert in den Wandmalereien der Kirchen der Provinz und von Paris, die er ab 1850 hauptsächlich fertigte. Mit diesen Werken lieferte er maßgebliche Beiträge zur Erneuerung der religiösen Wandmalerei in Frankreich.62

Acht Gestalten in orientalisch bunten Gewändern sind im Schatten zweier Wei- denbäume in nahezu symmetrischer Komposition versammelt. Der Landstreifen, auf dem sie lagern, ist spärlich mit Gras bewachsen. Zu beiden Seiten der Gruppe bietet sich die Aussicht auf eine fruchtbare Flusslandschaft, die durch flimmernde Sonnenstrahlen verklärt wird. Auf der linken Seite erheben sich jenseits des Flus- ses hinter Palmen die Mauern Babylons. Rechts sieht man am Horizont die ver- schwommene Silhouette eines Berges. Der ferne Hintergrund und der Himmel verschmelzen zu einem atmosphärischen Farbspiel, das – mit dem dunklen Vor- dergrundstreifen kontrastierend – in der Kleidung der Figuren wieder aufklingt. Das für Weiden typische herabhängende Astwerk, zu einem großen Teil vom obe- ren Bildrand überschnitten, führt fort, was mit der Tönung des Himmels im linken

60 Vgl. Vigne, Georges: Romain Cazes (1808–1881), peintre secret du second empire 1995, S. 30. 61 Vgl. Bellier de la Chavignerie, Emile Auvray, Louis: Dictionnaire général des artistes de l’école Française depuis l’origine des arts du dessin jusqu’à nos jours (...), Paris 1882-87; Jouin, Hen- ry: Romain Cazes, Peintre d’histoire, L’école d’Ingres, Paris 1904; ThB 1912, Bd. 6; Vigne, Georges: Art. zu „Cazes“, in: AKL 1997, Bd. 17. 62 Vgl. Foucart, Bruno: Le renouveau de la peinture religieuse en France (1800–1860), Paris 1987; S. 223f; van den Broeck, E.: Un peintre chrétien: Romain Cazes, in: L’art et l’autel, Au- gust/September 1903, S. 474f. 42 VI. KATALOG DER WERKE ROMAIN CAZES

Bereich schon angefangen hat: Es bildet ein Halbrund, unter dem die Trauer der Juden in verschiedensten Haltungen und Gebärden zum Ausdruck kommt. Das Zentrum wird von einem bärtigen, dem Betrachter frontal zugekehrten Greis ein- genommen. Er sitzt direkt vor dem zweigeteilten Baumstamm in der Mittelachse; sein Kopf ragt in die Lücke. Über seinem Haupt hängt, kaum erkennbar, eine Har- fe in den Zweigen. Nach vorne gebeugt stützt er sich mit dem linken Ellenbogen auf sein Knie, während die Rechte kraftlos in seinem Schoß ruht. Sein Gesicht ist von den Strapazen gezeichnet. Müde blickt er zu Boden. Über einem weißen Ge- wand trägt er einen weiten braunen Umhang, der am Saum mit dunkleren Bän- dern verziert ist. Sein Haupt bedeckt ein weiß–rot gestreiftes, nur an der Stirn sichtbares Kopftuch, da er – als Zeichen der Trauer – den Umhang auch über den Kopf gelegt hat. Ganz im Schatten sitzt ins Halbprofil gewandt ein jüngerer, bartloser Mann vor dem zweiten Baumstamm. Da sich auf der rechten Bildhälfte eine Person weniger befindet als auf der linken, ist die Darstellung des Baumes ein ausgleichendes Element, um einen achsialsymmetrischen Bildaufbau zu wahren. In der Pose ei- nes Denkers – Daumen und Zeigefinger der rechten Hand um das Kinn gelegt – blickt er nach rechts aus dem Bild. Seine Haare sind vollständig von einem schwarzen Kopftuch bedeckt. Zu seinen Füßen hat sich eine junge Frau niederge- lassen; den Kopf auf die Knie des Mannes bettend, scheint sie zu schlafen. Ihr schönes Gesicht zeigt sie im Halbprofil. Die Haare stecken unter einem weißen Kopftuch mit roten Streifen, das über ihren Nacken fällt. Da vor ihr, dem Betrachter am nächsten, eine Mutter mit Kind kauert, sind Arme und Beine verdeckt, so dass nur ihre seitliche Schulter–, Rücken– und Gesäßpartie zu sehen sind. Der Um- hang ist passend zu der Kopfbedeckung rot mit hellen Streifen. Vom Schatten des Baumes nicht eingefangen, sitzt nach links ins Profil gekehrt, etwas von der Gruppe abgerückt, im Vordergrund eine vornübergebeugte Frau mit einem Kleinkind. Ihre weiße Kleidung setzt einen leuchtenden Akzent zu den dun- kelgekleideten Personen unter dem Baum. In voluminösen Falten umgibt das Ge- wand ihren Körper und liegt ebenso üppig auf dem Boden auf. Mit beiden Händen hält sie das winzige, in Tüchern eingewickelte Baby. Liebevoll drückt sie das Ge- sicht des Kindes an ihre Wange. Eine dunkle Haarsträhne kommt unter ihrem ge- streiften Kopftuch zum Vorschein.

43 VI. KATALOG DER WERKE ROMAIN CAZES

Von ihrer Gestalt wird der Blick des Betrachters zu der Gruppe junger Frauen geführt, die den linken Bildbereich einnehmen. Zunächst dominiert die einzige ste- hende, frontal ansichtige Figur auf dem Bild: eine junge Frau, ebenfalls mit Kind. In der Komposition eine Senkrechte bildend, ist sie als Pendant zu dem schmale- ren Baumstamm im rechten Bildbereich zu verstehen. Fast mürrisch blickt sie un- ter gesenkten Lidern auf den Greis. Dabei hält sie das Kleine mit ihrem weiten ro- ten Umhang umfangen und drückt es zärtlich an ihre Brust, so dass der Kopf des Babys in ihrer Halsbeuge ruht. Ein Kopftuch bedeckt haubenartig die Haare. Dunk- le Haarsträhnen rahmen ihr ovales Gesicht. Die zu ihren Füßen sitzenden Frauen erscheinen ungleich erregter in ihrem Leid. Ihre bunten, dekorativ wirkenden Gewänder vermitteln eine Bewegtheit, die im Kontrast zu der dumpfen Ruhe der um den Greis gescharten Personen steht. Während die eine, ins Halbprofil nach links gekehrt, betet und dabei gen Himmel blickt, beugt sich die Frau daneben nach vorn bis zu den Knien und birgt ihr Ge- sicht in den Händen. Beide Frauen haben gelbgestreifte Tücher um den Kopf ge- schlungen. Die Frau am linken Rand trägt über einer weißen Bluse und einem blauen Rock einen leuchtend roten Kittel. Sie ist die einzige, deren Augen geöffnet sind. Die beiden Frauen neben ihr verbergen ihren Kummer vor den Augen des Betrachters. Das in Rückansicht gezeigte Mädchen lehnt sich halb liegend an die Beine der rotgewandeten Frau, die zur Rechten des Alten sitzt. Ihre Kleidung setzt komplementäre Farbakzente: Ein sattgelber Umhang, dessen dünner Stoff ihren Körper umspielt, ist bis zu den Oberschenkeln hoch gerutscht und lässt ein flieder- farbenes Unterkleid hervorschauen. Ihr dunkles Haar ist im Nacken zu einem Kno- ten geflochten. Ihr Umhang hat sich verschoben und lässt so den Blick auf den oberen Rückenansatz und die Schulterpartie frei, was ihre Verletzlichkeit unter- streicht.

Literatur Kunst–Blatt 1837, Nr. 41, S. 168 (Der Pariser Salon im Jahre 1837 von Eduard Collow). · Bellier 1882–87. · Comte de Gironde 1918, S. 108–112. · ThB 1912. · Foucart 1987, S. 237, Anm. 161. · Prevost, D’Amat 1959. · Julia, Lacambre 1995, S. 453. · Vigne 1995, S. 14, 30f., Abb. 2, S. 77. · AKL 1997. · Lavallée 1999, S. 69.

44 VI. KATALOG DER WERKE THOMAS COUTURE

10. T HOMAS C OUTURE (1815–1879)

A. Super Flumina Babylonis, vermutlich 1836 Bild K29 Öl auf Leinwand 33,4 x 40,7 cm Signatur: leichte Spur eines Schriftzuges un- ten links (nicht lesbar), wahrscheinlich T.Couture63 Provenienz: 1938 Vermächtnis Maurice Ma- gnin Dijon, Musée Magnin

Der durch das 1847 im Salon ausgestellte Untergangsbild „Die Römer der Verfallszeit“64 bekannt gewordene Thomas Couture wurde 1815 in Senlis geboren. 1831 trat er in die Ecole des Beaux–Arts ein und wurde dort zunächst Schüler von Antoine–Jean Gros (1771–1835) und später des Paul Delaroche (1797–1856). Sechsmal versuchte der Künstler als Schüler der Kunstakademie den Grand Prix de Rome zu gewinnen. 1837 schaffte er den Second Grand Prix mit dem Thema „Opfer des Noah“.65 Die kleinformatige Ölstudie „Super Flumina Babylonis“ ist vermutlich eine Ölskizze für eine der Prüfungen des „Concours d’esquisses“, der 1816 an der Ecole des Beaux–Arts eingeführt wurde.66 Vermutlich handelt es sich tatsächlich um solch einen Wettbewerbsentwurf. 1836 ist unter den vier Themen das Sujet „La Fille de Jephté“ zu finden. Laut Beschreibung der Szene, die vom Prüfungsgremium vorgegeben war, könnte diese Ölskizze die Vorarbeit zu „La Fille de Jephté“ sein.67

Eine Gruppe von sechs trauernden Frauen befindet sich auf einem abschüssigen, kargen Gelände. Der pastose Farbauftrag erlaubt keine Feinheiten: alles ist grob skizziert. Den Hintergrund nimmt die Silhouette eines Berges ein, der nach rechts über die Mitte bis zu einem Fluss abfällt. Ein Baum, der sich im linken Bildbereich erhebt, ist das einzig erkennbare vegetative Element in der Komposition. Im Mittelpunkt steht ein Frauenpaar. Einander zugekehrt ertragen sie ihr Leid auf unterschiedliche Weise. Die eine Frau, groß und schlank von Gestalt, ist be- kleidet mit einem weißen, ärmellosen Gewand, durch Bänder an Taille und Hüfte

63 Vgl. Magnin, Jeanne: Musée Magnin, peintures et dessins de l’Ecole Française, Dijon 1938, S. 54, Nr. 198; Clergeau, Marie Jeanne: Catalogue raisonné des peintures de Thomas Couture demeurées dans les collections publiques en France, Paris, 1987, S. 149, Nr. 46. In der neueren Literatur ist die Urheberschaft des Thomas Couture umstritten, das Gemälde wird bevorzugt ei- nem anonymen Maler zugeschrieben. Vgl. hierzu Starcky, Laure: Les peintures Françaises, ca- talogue sommaire illustré, Dijon, Paris 2000, S. 220. 64 Vgl. Roters 1998, Bd. 2, S. 16ff. 65 Vgl. Glaeser, Ernest: Biographie nationale des contemporains, Paris 1878, Bellier 1882–87. Grundlegend: Boime, Albert: Thomas Couture and the Eclectic Vision, New Haven, London 1980. 66 Vgl. Starcky 2000, S. 220. Die Vermutung wird von der Tatsache untermauert, dass es sich bei der Ölskizze um dasselbe Format handelt, das beim Concours d’esquisses verwendet wurde. Zum Concours d’esquisses siehe Grunchec, Philippe: Les Concours d’esquisses peintres, Paris 1986, Bd. 1; speziell zu den Formaten S. 21. 67 Vgl. ebd., S. 90. 45 VI. KATALOG DER WERKE THOMAS COUTURE

fixiert. Während sie mit dem rechten Arm ein Mädchen stützt, hängt ihr linker Arm kraftlos herab; die Harfe, die sie in ihrer Hand hält, droht ihren Fingern zu entglei- ten: Sie konzentriert sich ganz auf das Mädchen, das den Kopf an ihrer Brust birgt und sich mit den Händen an die Schultern der Frau klammert. Das helle Gewand ist dem Mädchen bis zur Hüfte gerutscht und entblößt ihre Brüste. Ihre Haltung drückt Verzweiflung aus. Dem entgegen wirkt die Stärke der sie tröstenden Frau. Wie Rahmenfiguren für dieses dramatische Szenario der gegensätzlichen Gefühle wirken die zwei zur Mitte ins Halbprofil gewandten Frauen zu beiden Seiten des Paares. Ihre Haltung und die dadurch ausgedrückten Gefühle erscheinen den Pro- tagonisten des Bildes diametral entgegengesetzt. Während die eine – links neben dem aufgewühlten Mädchen – ruhig, beinahe apathisch am Baum lehnt, kniet ihr Gegenüber, vom rechten Bildrand überschnitten, und betet inbrünstig gen Himmel. Die ihr Schicksal offenbar demütig hinnehmende Frau trägt über einem weißen Kleid einen weiten grünlich–blauen Umhang, der ihren Kopf bedeckt. Ein brauner Besatz verziert den Saum des Mantels. Der Kopf ist leicht geneigt, ihre Hände lie- gen gefaltet im Schoß. Armreifen schmücken beide Handgelenke. Den auffälligsten Akzent in der Studie setzt die Betende durch ihre Kleidung: einen roten Rock und ein weißes Hemdchen, das ihre Schultern frei lässt. Die lan- gen, braunen, zu einem Zopf geflochtenen Haare ziert ein rotes Band, in dem die Farbe des Rockes wieder anklingt. Schräg dahinter, im zweiten rahmenparallelen Raumplan, stehen zwei sich einander umarmende Gestalten. Unklare Körperdefi- nitionen lassen keine genauere Beschreibung zu. In der Studie dominiert der Cha- rakter des Unvollendeten. An dekorativen Details bescheiden, konzentriert sich die Darstellung allein auf die vielfältigen Ausformungen des Gefühls der Trauer.

Literatur Dayot 1913, S. 21; Nr. 13. · Magnin 1922, Bd. 2, S. 386, Nr. 588. · Dies. 1938, S. 54, Nr. 198. · Vergnet, Laclotte 1962, S. 231. · Clergeau 1987, S. 149, Nr. 46. Julia, Lacambre 1995, S. 456. · Starcky 2000, S. 220·

46 VI. KATALOG DER WERKE CARL OESTERLEY

11. C ARL O ESTERLEY (1805–1891)

A. Israels Volk weinend an den Wassern von Babylon 1841 Bild K30 Illustration zu Christian Andersens „Bilderbuch ohne Bilder“, 1841 Radierung 13,4 x 9,15 cm Signatur: unten links C. Oesterley inv et fec. 1841 Provenienz: Superintendent Oesterley (Enkel des Malers), Wittingen, 1897 Erwerb des Mu- seum of Fine Arts, Boston Boston, Museum of Fine Arts

Der Maler und Kunstgeschichtsprofessor Carl Oesterley, geboren 1805 in Göttingen, wurde 1844 zum königlichen Hofmaler in Hannover ernannt. Zunächst studierte er Archäologie, Geschichte und Philosophie. Nach seiner Promotion nahm er in Dresden bei Johann Gottlob Matthäi (1753–1832) Zeichenunterricht und hielt sich ab 1824 bis 1829 in Rom auf.68 Sein berühmtestes Werk ist das 1835 entstandene Gemälde „Die Tochter Jephtas“69, das sich im Landesmuseum von Hannover befindet. Ab 1841 fertigte der Malerradierer insgesamt 12 Platten zu Andersens „Bilderbuch ohne Bilder“ für die Buchhandlung Vieweg in Braunschweig, welche sie jedoch nicht publiziert hat.70 Es handelt von einem einsamen, in einem Dachstübchen wohnenden Maler; der Mond besucht ihn an 33 Abenden und erzählt ihm Geschichten. Zum Andenken daran soll der Maler danach Bilder zeichnen. Am achten Abend kommt der Mond hinter schweren Wolken nicht zum Vorschein und der Maler sinniert über die Erlebnisse des Mondes: „Er glitt über die Gewässer der Sündflut, lächelte gerade so, wie er zu mir herunterblickte, auf Noahs Arche nieder, und brachte Trost und Kunde von der neuen Welt, die hervorblühen würde. Als das Volk Israels weinend an Babylons Flusse stand, schaute er wehmütig nach den Weiden, wo die Harfen hingen. (…)“71

Die Radierung Oesterleys zeigt im Hochformat und nahem Fokus ein mit Schilf bewachsenes Uferstück mit fünf im Halbkreis angeordneten Juden. Rechts steht ein alter Weidenbaum, dessen knorrige, von Weinlaub und sogar Trauben um- rankten Äste vom oberen Bildrand überschnitten werden. Die üppig belaubten Zweige füllen das obere Bilddrittel. Eine Harfe hängt an einem abgebrochenen Ast. An den Stamm lehnt sich, in Dreiviertelrückansicht nach links blickend, ein alter Mann in langem, faltenreichem Gewand. Sein bärtiges Gesicht ist im Halb- profil zu sehen. Links neben ihm, in Rückansicht gesehen, lagert eine Frau. Sie

68 Vgl. ThB 1931, Bd. 25; Nagler 1841, Bd. 11; Lachner, Eva: Karl Oesterley 1805-1891, in: May, Otto Heinrich (Hg.): Niedersächsische Lebensbilder, Hildesheim 1954, Bd. 2, S. 261ff. 69 1835, Öl auf Leinwand, 131,2 x 116,8 cm, Hannover, Landesmuseum. 70 Vgl. Andresen, Andreas: Die Deutschen Maler-Radirer (Peintres-graveurs) des Neunzehnten Jahrhunderts, nach ihren Leben und Werken, 1878, Bd. 3, S. 178f. 71 Andersen, Hans Christian: Bilderbuch ohne Bilder, Halle a.d. S. 1882, S. 13. 47 VI. KATALOG DER WERKE CARL OESTERLEY

stützt sich mit dem rechten Arm am Boden ab und hält mit ihrer Linken die linke Hand des Greises. Sie ist in ein in der Taille gerafftes Kleid gehüllt, und um ihren Kopf mit dem hochgesteckten Haar sind Tücher gebunden. Schräg gegenüber, am linken Bildrand, steht ein müde wirkender Mann vor ei- ner zweiten, dichtbelaubten Trauerweide. Er wendet sein bärtiges Gesicht dem Betrachter zu und stützt Arm und Kopf auf eine große, am Boden stehende Harfe, die am Fuß mit Schnitzereien verziert ist. Vor ihm sitzen zwei erschöpft aussehen- de Frauen. Die ältere sitzt mit aufgestellten Knien frontal zum Betrachter. Falten- reich verdeckt ihr langes Gewand Beine und Füße, aber ihre linke Schulter und das Dekolletée sind entblößt. Sie neigt leicht den Kopf und hält die Augen ge- schlossen; ein Tuch bedeckt die Haare. An ihrer linken Seite kniet ein Mädchen, das der Betrachter im Profil sieht. Sie hat die Hände im Schoß gefaltet und ihren Kopf mit den schulterlangen, lockigen Haaren zum Himmel gewandt. Zwischen den beiden Figurengruppen, im Zentrum der Komposition, öffnet sich der Blick auf den Fluss und das weit entfernte, jenseitige Ufer, wo sich majestä- tisch die Gebäude Babylons erheben. Palmen geben der Stadt einen orientali- schen Charakter. Hinter fernen Ufern sieht man am Horizont das Halbrund der untergehenden Sonne.

Literatur Andresen 1878, S. 179f. · Senf 1957, S. 180, Nr. 62.

48 VI. KATALOG DER WERKE EUGÈNE DELACROIX

12. E UGÈNE D ELACROIX (1798–1863)

A. La Captivité à Babylone, 1842–44 Bild K31 Öl auf Leinwand 221 x 291 cm Inschrift auf Ovaltafel unter dem Bild LA CAPTIVITE A BABYLONE Paris, Palais Bourbon, Bibliothek

Der 1798 geborene Eugène Delacroix, der bedeutendste Wandmaler seiner Zeit, begann um 1833 mit der Epoche machenden Ausmalung des Salon du Roi im Palais Bourbon, dem Sitz der Nationalversammlung. Darauf folgte der Auftrag des Innenministers Graf Montalivet (1801–1880), die Decke der Bibliothek ebenfalls mit Bildern auszuschmücken, womit er von 1838 bis 1847 zusammen mit Gustave Lassalle–Bordes (1814–1868), Louis de Planet (KATALOG 13A, BILD K35), Louis–Jean–Baptiste Boulangé (1812–?) und am Ende des Vorhabens, 1845, Pierre Andrieu (1821–?) beschäftigt war.72 Dort schuf er einen Zyklus, der in den beiden Halbkuppeln an den Schmalseiten der lang gestreckten Galerie die Geburt der Kultur mit Orpheus an der Südseite und ihre Vernichtung durch Attila an der Nordseite darstellt. In den Pendentifen der fünf raumüberwölbenden Kuppeln befinden sich die Errungenschaften menschlichen Kulturgutes: Wissenschaft, Philosophie, Gesetzgebung, Theologie und schließlich Poesie. Die vierte, der Theologie gewidmete Kuppel, vereinigt zwei Szenen aus dem Neuen Testament und zwei aus dem Alten Testament: Der Darstellung „Der Zinsgroschen“ und „Tod Johannes des Täufers“ stehen „Adam und Eva“ und die „Gefangenschaft in Babylon“ gegenüber.73 Dieses Pendentif führte Delacroix laut der niedergeschriebenen Erinnerungen seines Mitarbeiters Louis de Planet allein aus.74 Auf der Suche nach Bildthemen zu diesen Stoffen zog er seinen Freund Frédéric Villot (1809–1875), Kurator der Gemäldesammlung des Louvre (1848–1861), zu Rate.75 Da der Bedeutungsinhalt dem Publikum verschlossen blieb, veröffentlichte Delacroix 1848 einen erläuternden Kommentar zum Programm der Wandmalereien in der Bibliothek. Zum Gemälde „La captivité à Babylone“ heißt es:

„Une famille éplorée assise aux bords du fleuve, contemple douloureusement les flots en pensant à la patrie absente. Dans la champagne, auprès des murs de la ville, des Hébreux dis-

72 Vgl. Correspondance générale d’Eugène Delacroix, hrsg. von Joubin, André, Bd. 2: 1838–1849, Paris 1931/32; Meier–Graefe, Julius: Eugène Delacroix, Beiträge einer Analyse, München 1922, S. 58ff.; Jobert, Barthélémy: Art. zu „Delacroix“, in: AKL 2000, Bd. 25. 73 Vgl. Geffroy, Gustave: Les peintures d’Eugène Delacroix à la bibliothèque de la Chambre des Députés, Paris 1903; Escholier, Raymond: Delacroix, peintre, graveur, écrivain, 1848–1863, Paris 1929, Sérullaz, Maurice: Les peintures murales de Delacroix, Paris 1963, S. 49ff.; John- son, Lee: The Paintings of Eugène Delacroix, a Critical Catalogue, Oxford 1989, Bd. 5, S. 33ff.; Daguerre de Hureaux, Alain: Delacroix, Das Gesamtwerk, Stuttgart 1994, S. 258ff. 74 Vgl. Planet, Louis de: Souvenirs de travaux (sic!) de peinture avec M. Eugène Delacroix, hrsg. von Joubin, André, Paris 1929, S. 18. Aufgrund der zahlreichen Mitarbeiter, die Delacroix be- schäftigte, ist nicht immer eindeutig zu klären, welches Pendentif von Delacroix bzw. seinen Mitarbeitern gestaltet wurde. Planets Souvenirs geben darüber Aufschluss. 75 Vgl. Delacroix in Joubin 1931/32, Bd. 2, S. 22. 49 VI. KATALOG DER WERKE EUGÈNE DELACROIX

persés, occupés de vils travaux ou succombant sous la tris- tesse.“ 76

In der Mitte des prächtig gold–gerahmten Pendentifs sitzt eine trauernde Familie an der Uferböschung des Flusses. Rechts steht eine Weide, deren Äste ein halb- rundes Blätterdach formen und so die Szene am oberen Bildrand einfassen. Eine Harfe hängt an einem Ast. Auf der linken Seite, hinter der Familie, liegt eine Per- son auf dem Bauch im Gras und blickt zum Himmel. Im Hintergrund zieht sich die verschwommene Silhouette der Stadt wie ein Band am Horizont entlang. In der Landschaft davor, dicht bei den Mauern der Stadt und rechts am Ufer des Flusses, sieht man verstreut Hebräer, die mit ländlichen Arbeiten und Wasserholen be- schäftigt sind. Den konvexen Rahmenabschnitten des Zwickels entgegenwirkend besteht die Grundform der Komposition aus einem Kreis, in den die Protagonisten integriert sind. Der Vater, eine mächtige Männergestalt, sitzt frontalansichtig am Rand der Uferböschung und lässt die übereinander geschlagenen Füße baumeln. Darunter sieht man die Fluten des Stromes, der über die gesamte Breite des unteren Zwi- ckelabschnittes verläuft. Der Kopf des Mannes ist nach hinten gebeugt, wehmütig blickt er nach oben. Mit dem rechten Arm stützt er sich am Boden ab. Der andere liegt kraftlos im Schoß. Ein Tuch bedeckt sein Haupt, seinen Bart durchziehen graue Strähnen. Bekleidet ist er mit braunen Hosen; ein weißer Schurz liegt auf seinen Lenden. Der Oberkörper ist nackt, denn der dunkle Mantel ist von seinen Schultern geglitten; lose hängt er an seinen Armen. Die Frau lehnt sich mit dem Körper an die Seite ihres Mannes und legt den Kopf an seine Schulter. Traurig blickt sie auf den Fluss. Sie trägt ein rotes Kopftuch mit goldener Borte, aus dem ihre langen schwarzen Haare in Wellen den Nacken he- runterfallen. Große goldene Ohrringe rahmen glitzernd ihr hübsches, aber trauri- ges Gesicht. Im Gegensatz zu ihrem Begleiter hat sie die Beine hochgezogen und seitlich links abgelegt. Es scheint so, als wolle sie vermeiden, dass ihre Füße und ihr dunkler, mit einem roten Saum verzierter Rock nass werden. Busen und Schul- ter sind entblößt, weil die weiße Bluse und der grünliche Umhang – wie bei dem Mann – nach unten gerutscht sind. Das nackte Kind, rückansichtig gezeigt, krab- belt an die Seite der Mutter, um das Köpfchen an ihre Brust zu schmiegen. In

76 Delacroix, Eugène: Les peintures de la bibliothèque de la Chambre des Députés, in: Le constitu- tionnel, journal du commerce, politique et littéraire, 32. Januar 1848, o. S. Wiederabdruck in Sé- rullaz, Maurice: Mémorial de l’exposition Eugène Delacroix, organisée au musée du Louvre à l’occasion du centenaire de la mort de l’artiste, Paris 1963, S. 272ff. 50 VI. KATALOG DER WERKE EUGÈNE DELACROIX

Trauer versunken, drückt die Frau es mit dem rechten Arm an sich. Die sukzessi- ve sich verjüngende Figurenkonstellation – sowohl in formaler als auch in inhaltli- cher Hinsicht – gleicht die auf dem Bauch liegende Gestalt in der zweiten bildpa- rallelen Ebene aus. Sie lagert nach links gewandt in Dreiviertelrückansicht auf dem Boden; mit dem Ellenbogen stützt sie sich ab, der Kopf wird von ihrer Hand gehalten. Die andere Hand umgreift einen am Boden liegenden Gegenstand. Man erblickt ein bartloses Gesicht im Profil nach oben gewandt, schwarze Haare und den Rücken eines in weiß gekleideten Körpers. Die regungslose Trauer der Prota- gonisten im Vordergrund steht im Kontrast zu dem geschäftigen Treiben der „Sta- tisten“, die die Landschaft beleben und Farbakzente setzen. Passivität und Kraft- losigkeit, sichtbar in der nachlässigen Bekleidung des Paares, werden kontrastiert durch die lichterfüllte, üppige Landschaft.

Literatur Moreau 1873, S. 213. · Blanc 1876, S. 57 (nur Abb.). · Robaut 1885, S. 235. · Gef- froy 1903, S. 6, 16, Abb. S. 12. · Escholier 1929, Bd. 3, S. 67. · Planet 1929, S. 11f. · Hourticq 1930, S. 185, Abb. S. 105. · Sérullaz, Mémorial 1963, S. 274. · Ders. 1963, S. 54, 57, 67, 75, 77, 312, Nr. 47 und 48, Abb. 310, 313 Detail. · Ders. 1965, S. 8, Faltblatt 30, 32. · Becker 1967, S. 268. · Huyghe 1967, S. 378f. · Sérul- laz 1984, Bd. 1, S. 149 Abb. · Bryson 1984, S. 199, Abb. 116. · Johnson 1989, Bd. 5, S. 74, Abb. 34, Nr. 557. · Sérullaz 1989, S. 268. · Daguerre 1993, 262f., 321, Abb. S. 264 unten,. · Sérullaz 1995, S. 49 Abb. · Barthélémy 1997, S. 196, Abb. 164 S. 194. · Krey 2003, S. 117f., Abb. 26. ·

Entwürfe

B. Gesamtstudie, 1842–44 Bild K32 Bleistift auf Papier 22 x 26 cm Signatur: ? Provenienz: – Unbekannt

Die Bleistiftzeichnung nimmt das ausgeführte Gemälde im Pendentif der vierten Kuppel vorweg. Dennoch sind signifikante Unterschiede zu erkennen: Der Stamm des Baumes ist dünner, so dass das Astwerk über den Köpfen der Familie weni- ger ausgreift. Zudem hängt keine Harfe am Ast.

51 VI. KATALOG DER WERKE EUGÈNE DELACROIX

Literatur Robaut 1885, S. 222, Nr. 857 Abb. · Moreau 1873, S. 323. · Johnson 1989, Bd. 5, S. 54f.

·

C. Gesamtstudie, 1842–44 Bild K33 Aquarell und Bleistift auf Papier 25,7 x 30,9 cm Signatur: unten rechts E.D. Provenienz: 1920 Geschenk der Société des Amis du Louvre Paris, Musée du Louvre

Das Aquarell zeigt nahezu die definitive Ausführung des Pendentifs. Einzig die Pose des Kindes und die damit verbundene Drapierung des Gewandes der Mutter unterscheiden sich vom Pendentif: Die Frau wird weniger freizügig dargestellt.

Literatur Moreau 1873, S. 323, Nr. 279. · Robaut 1885, S. 222, Nr. 856. · Meier–Graefe, Klossowski 1908, S. 98, Abb. 193. · Escholier 1929, Bd. 3, S. 67, davor Abb. · Hourticq 1930, S. 100, Abb. · Sérullaz, Mémorial 1963, S. 281, Abb. Nr. 372. · Becker 1967, S. 268, Abb. 3. · Sérullaz 1984, Bd. 1, S. 162, Abb. Nr. 298. · John- son 1989, Bd. 5, S. 54, Abb. 26. · Sérullaz 1995, S. 150, Nr. 52, Abb. · Dies. 2004, S. 84f., Abb. 31.

·

D. Gesamtstudie, 1842–44 Bild K34 Öl auf Leinwand 44 x 55 cm Unsigniert77 Provenienz: Durand–Ruel, Paris Unbekannt

Die Zuschreibung dieser Ölskizze ist nicht gesichert. Piron meint, dass es eine solche gegeben haben könnte, die die Lücke zwischen den Vorarbeiten und der finalen Ausführung schließen könnte:

77 In der rechten unteren Bildecke, direkt unter dem Fuß des Mannes, sind einige Schriftzüge zu erkennen, die aber auf Grund des unbekannten Verbleibs der Studie nicht untersucht werden konnten. 52 VI. KATALOG DER WERKE EUGÈNE DELACROIX

„Je n’ai jamais vu de peintures qui m’aient aussi profondément touché que certaines ébauches de Delacroix par exemple, la Dé- solation de Babylone, qu’il a exécuté depuis, en grand, (…) à la chambre des députés. (...) Au risque de paraître un barbare, j’avoue que je regretterais beaucoup que cette ébauche fût fi- nie.“78

Johnson schreibt diese Ölskizze einem Gehilfen Delacroix’ zu: Pierre Andrieu.79 Die Ölskizze definiert nur grob die Rahmung des Zwickels. Alle Kompositionsele- mente stimmen mit dem finalen Gemälde überein. Insofern könnte es durchaus der dritte und letzte Schritt vor der Ausführung zum Gemälde sein.

Literatur Piron 1865, S. 88. · Meier–Graefe 1922, S. 159. · Escholier 1929, Bd. 3, Abb. S. 66. · Landman 1948, Bd. 4, Abb. S. 210.· Johnson 1989, Bd. 5, S. 55.

78 Piron, E. Achille.: Eugène Delacroix, sa vie et ses œuvres, d'après les souvenirs inédits du ba- ron Rivet, Paris 1865, S. 88. 79 Vgl. Johnson 1989, Bd. 5, S. 55. 53 VI. KATALOG DER WERKE LOUIS DE PLANET

13. L OUIS DE PLANET (1814–1875)

A. Dernière Halte des Juifs emmenés en Captivité, 1842/43 Bild K35 Salon 1849 Öl auf Leinwand 132 x 97 cm Unsigniert Provenienz: 1943 Vermächtnis des Etienne de Planet, 1946 Ankauf vom Musée des Augus- tins Toulouse, Musée des Augustins

Louis de Planet, geboren 1814 in Toulouse, ging 1833 nach Paris, wo er an der Ecole des Beaux–Arts u. a. Schüler von Ingres wurde. Zu dieser Zeit entwickelte sich die Freundschaft zwischen Planet und Romain Cazes (KATALOG 9A) der ebenfalls ein Schüler von Ingres war. 1839 trat Planet ins Atelier von Delacroix ein und wurde dessen Schüler 80 und Mitarbeiter. Baudelaire schrieb zum Salon 1845: „PLANET est un des rares élèves de Delacroix qui brillent par quelques–unes des qualités du maître“.81 Vor allem wirkte Planet bei der Ausmalung der Bibliothek des Palais Bourbon mit. Planets „Souvenirs de travaux (sic!) de peinture avec M. Eugène Delacroix“ geben Aufschlüsse über die Zusammenarbeit zwischen dem Meister und seinen Assistenten. Von der Gestaltung des Pendentifs „Captivité à Babylone“ von Delacroix beeinflusst, malte de Planet eine Variante zum Thema der Babylonischen Gefangenschaft.82 Planet zeigte seinem Meister zwei Entwürfe zu den „Captifs“ und später das fertige Gemälde, das Delacroix bis ins Detail kritisierte. Das heutige Bild ist nach den Anregungen und Verbesserungen von Delacroix entstanden.83 1843 wurde das Gemälde in der Galerie des Beaux–Arts (Boulevard Bonne–Nouvelle, Paris) unter den Titel „La Captivité de Babylone“ ausgestellt.84 Erst zum Salon 1849 erhielt es die heutige Bezeichnung.85

Drei hoch gewachsene Weidenbäume, von denen sich der linke diagonal nach rechts ins Bild schiebt, nehmen mit ihrem Astwerk die obere Hälfte des hochfor- matigen Gemäldes ein. Durch die Äste ist der blaue, von Wolken durchzogene Himmel sichtbar. Halbkreisförmig angeordnet lagern die vom Marsch erschöpften Juden unter dem schattenspendenden Laubdach der Bäume. Zwei Babylonier bewachen die Gefangenen. Zu beiden Seiten der Gruppe wird der Ausblick auf die umliegende Landschaft gewährt. Links erstreckt sich die Wüste, die, durch kleine

80 Vgl. Eugène Delacroix, ses collaborateurs et ses élèves Toulousains, Ausst., Toulouse 1992, S. 33. 81 Baudelaire, Charles: Salon de 1845, Planet, in: Ders.: Œuvres complètes, Bd. 2, hrsg. von Pi- chois, Claude, Paris 1976, S. 30. 82 Vgl. Planet 1929, S. 57, Anm. 2. 83 Vgl. ebd., S. 57ff. 84 Vgl. ebd., S. 57, Anm. 2. Der Zeichner und Graphiker Adolphe Mouilleron (1820-1887) schuf eine Lithographie. Vgl. ebd., S. 59. 85 Vgl. Paris Salon 1849, Nr. 1674, in: Sanchez, Pierre, Seydoux, Xavier: Les catalogues des sa- lons, Bd. 5, Dijon 2001 54 VI. KATALOG DER WERKE LOUIS DE PLANET

Menschengruppen belebt, in der Ferne mit einem Gebirge endet. Auf der rechten Seite ist die Horizontlinie niedriger und man erblickt den Fluss, und an dessen U- fer, eine in gelb gekleidete Frau. Die Szenerie im Vordergrund erscheint beengend im Gegensatz zur Weite der friedlichen Landschaft. Links wird der Betrachter mit einem grausamen Geschehen konfrontiert: ein babylonischer Wächter bedroht einen jüdischen Gefangenen mit der Lanze. Von vorne gezeigt, kniet der Jüngling fast nackt vor dem Babylonier. Ein gelber Schurz klemmt zwischen seinen Schenkeln. Ängstlich wendet er den Kopf nach oben und hebt dabei schützend seine an den Handgelenken gefesselten Arme vors Gesicht. Der Wächter steht hinter dem diagonal ins Bild ragenden Baumstamm, so dass er sich darüber beugen muss, um den Juden ins Visier nehmen zu können. In der linken erhobenen Hand hält er die Lanze – mit der Spitze nach oben – und zielt auf den Mann zu seinen Füßen. Ein weißes Gewand bauscht sich um seinen O- berkörper und eine dunkle Kappe bedeckt seinen Kopf. Die linke Hand ist zu einer Faust geballt: Er ist offensichtlich erzürnt. Etwas weiter vorne zur Mitte des Bildes hin steht frontalansichtig ein vornüber- gebeugter Babylonier. Er scheint dem neben ihm kauernden Mädchen zu befeh- len, auf der Harfe zu spielen, die er in der Hand hält. Seine Kleidung, bestehend aus einem grünen Beinkleid, einem roten Hemd und einem blauen Turban, bildet mit dem leuchtend blauen Kleid des Mädchens, das mit der Farbe des Himmels korrespondiert, und dem gelben Schurz des gefesselten Jünglings ein orientalisch buntes Farbspiel. Im Gegensatz dazu erscheinen die Gestalten auf der rechten Seite des Bildes dunkel: der Schatten der Bäume verschluckt jeden Farbklang. Das eben erwähnte, in der Mittelachse am Baumstamm lehnende Mädchen mit dem blauen Kleid markiert die Grenze. Gerade noch trifft das von links einfallende Licht ihre Gestalt. Sie hat ihren Kopf zur Seite auf die Schulter gelegt, die schwar- zen Haare fallen den Nacken herab. Man könnte meinen, sie schlafe, denn ihre Augen sind geschlossen. Doch macht sie mit beiden Händen eine abwehrende Geste: Sie lehnt es ab, auf dem dargebotenen Instrument zu spielen. Der Greis bildet mit dem Wächter und dem Mädchen eine Gruppe. Den bärtigen Kopf auf das Bein der jungen Frau gebettet, liegt er mit angewinkelten Beinen – bildparallel gezeigt – auf der Erde und schläft. Das Gewand lässt die Schultern frei. Er liegt auf der Seite, so dass der obere Arm quer über den Oberkörper fällt und die Hand auf dem Boden aufliegt.

55 VI. KATALOG DER WERKE LOUIS DE PLANET

Der Vorgabe des Rahmens gehorchend, macht die Figurenfolge einen Bogen und schließt mit dem auf einem Felsen sitzenden, athletisch aussehenden Mann ab. Nach rechts ins Profil gekehrt, blickt er in die Richtung des Flusses. Seine Hände sind am Rücken gefesselt, weswegen seine sitzende Haltung mit dem vornüber gebeugten Oberkörper und den nach oben gezogenen Beinen einem Balanceakt gleichkommt. Ein roter Schurz bedeckt Lenden und Beine. An seine Seite schmiegt sich antithetisch positioniert ein kleiner, nackter Junge und schläft. Unmerklich fügt sich seine Gestalt in die Seitenansicht des Mannes ein. Fast in der Mittelachse, neben den beiden, steht eine junge Frau in Dreiviertel- rückansicht und lehnt sich an den Baumstamm. Ein langes, bräunliches Gewand, das die rechte Schulterpartie und den Arm freilässt, umspielt die Konturen ihres Körpers. Das lange braune Haar flattert im Wind. Sie hält die gefalteten Hände vor den Körper und schaut zu der in den Zweigen hängenden Harfe auf. Vermutlich hat sie diese gerade erst dort angebracht, um sich genau wie die anderen den Befehlen der Zwingherren zu widersetzen. Zwischen ihr und dem sitzenden Mann ist der Blick auf eine ganz in weiß gekleidete Gestalt freigegeben, die im Mittel- grund etwas abseits von den unter den Bäumen versammelten Juden steht und im Licht erstrahlt. Sie bildet den einzig hellen Akzent auf der rechten Bildhälfte und sticht, obwohl sie sich im zweiten bildparallelen Raumplan befindet, zwischen den dunklen Silhouetten im Vordergrund hervor.

Literatur Bellier 1882–87. · Planet 1929, S. 7, 57–64, 81, 105. · ThB 1933. · Mesplé 1933, S. 25, 31, Nr. 10, S. 35, Nr. 3. · Ders. 1942, S. 70, 73. · Eugène Delacroix 1992, S. 33, 35, Nr. 62. · Schurr, Cabanne 1996, Bd. 2, S. 298. · Toulouse à l’époque ro- mantique 1994, S. 82f und Farbt. · Julia, Lacambre 1995, S. 479. · Sanchez, Seydoux 2001, Bd. 5, Salon 1849, Nr. 1674.

56 VI. KATALOG DER WERKE RICHARD-CAVARO

14. J EAN–F RANÇOIS M ILLET (1814–1875)

A. Captivité de Babylone, 1848 Bild K36 Salon Paris 1848 Öl auf Leinwand 130 x 162 cm Übermalt

Jean–François Millet, der Maler des französischen Realismus, wurde 1814 als Sohn eines Bauern in Gréville (Manche) geboren. An der Académie des Beaux–Arts war er ab 1837 Schüler von Delaroche. Zunächst beschickte er den Salon mit Gemälden aus dem biblischen und mythologischen Themenkreis, bis Millet 1848 sein erstes ländliches Bild mit dem Titel „Un vanneur“ zusammen mit der großformatigen Komposition „Captivité à Babylone“ ausstellte. Während „Der Kornschwinger“ gelobt wurde, wurde seine Darstellung der alttestamentarischen Geschichte des Exils der Juden in Babylon als zu brutal abgelehnt. „Nous aimons moins la Captivité de Babylone. Les soldats pressent les juives qui se refusent à chanter l’hymne de Sion sur la terre étrangère avec plus de violence qu’il ne convient lorsqu’il s’agit seulement de virtuoses récalcitrantes. Ils ne se conduiraient pas autrement dans un assaut ou dans un sac de ville. Cette scène de coquetterie musicale au bord de l’Euphrate est vraiment prise par M. Millet dans un sens trop barbare et trop véhément; et, comme la furie de l’exécution répond à l’énergie convulsive de la composition, il s’ensuit que ce concert manqué ressemble à une tuerie.“86

Das von der Kritik so heftig zurückgewiesene Gemälde, sein letztes Historienbild, blieb im Besitz des Künstlers und galt bald darauf als verloren. Erst 1983 wurde es im Zuge einer Röntgenstrahlen–Untersuchung unter dem in Boston befindlichen Bild „Junge Schäferin“ gefunden. Millet, der sich während des deutsch–französischen Krieges 1870– 71 in seiner normannischen Heimat aufhielt, übermalte das alte Salonbild aus Mangel an Malerutensilien.87

Das durch die Röntgenaufnahme nur in Umrissen erschließbare querformatige Gemälde zeigt „une composition d’une belle ordonnance et conçue à la manière d’un maître que Millet a toujours aimé, Nicolas Poussin.“88 Alfred Sensier (1815– 1877)89 beschreibt eine weite und ruhige Landschaft, die von einem großen Fluss durchzogen und im Hintergrund von den hohen Mauern Babylons begrenzt wird. Die Hauptszenerie findet sich bildparallel im Vordergrund: Eine Gruppe babyloni- scher Soldaten, die eher römisch aussehen, stehen hintereinander gestaffelt links.

86 Gautier, Théophile: Salon 1848, in: Feuilleton der „La Presse“, 2. Mai 1848. 87 Murphy, Alexandra R.: Jean–François Millet, Boston 1984, S. 209. 88 Sensier, Alfred: La vie et l’œuvre de J.–F. Millet, Paris 1881, S. 106. 89 Der Kunstkritiker und Journalist Sensier war Millets vertrautester Freund. 57 VI. KATALOG DER WERKE RICHARD-CAVARO

In gebeugter Haltung drängen sie drei in schwarz gekleideten, rechts im Bild sit- zenden jüdischen Frauen Harfen auf. Eine der Frauen, schön und jung, weist in einer besonders expressiven Geste den Befehl der Soldaten, Lieder zu spielen, zurück.90

Literatur Gautier 1848. · Sensier 1881, S. 106f. · Bellier 1882–87. · Oursel 1886–1912. · Jean–François Millet, Grand Palais 1975/76, S. 24. · Murphy 1984, S. 207f., Abb. S. 209. · Parsons 1985, S. 71.

90 Aufgrund der ungenauen Bildwiedergabe geht die Beschreibung weitgehend auf Sensier 1881, S. 106 zurück. 58 VI. KATALOG DER WERKE RICHARD-CAVARO

15. C HARLES A DOLPHE R ICHARD–CAVARO (1819–?)

A. Les Exilés, 1848 Bild K37 Salon Paris 1849 Öl auf Leinwand 130,5 x 171 cm Signatur unten links mit roter Farbe: CHARLES RICHARD MDCCCXL VIII Provenienz: 1849 Ankauf vom Staat Besançon, Musée des Beaux–Arts et d’Archéologie

Charles–Adolphe Richard, genannt Richard–Cavaro, wurde 1819 geboren. Jahr und Ort seines Todes sind unbekannt. Als Schüler von Ingres und Léon Cogniet (1794–1880) besuchte er die Ecole des Beaux–Arts ab 1839. Am 20. Juni 1848 bestellte der Innenminister der zweiten Republik91 Alexandre Ledru–Rollin (1807–1874) für 1.000 frs das Gemälde, das den Vers eines Gedichtes von Charles–Louis de Malfilâtre (1733–1767) illustriert.92

„O ma patrie! Dont je suis exilé, Si ton image échappe à mon âme attendrie, Si jamais loin de toi mon cœur est consolé, Que ma main tout à coup séchée Ne puisse plus vers toi s’étendre désormais; A mon palais glacé que ma langue attachée Dans mes plus doux transports ne te nomme jamais. Souviens–toi de ce jour d’alarmes, Seigneur, où, par leur joie et leurs cris triomphants, Les cruels fils d’Édom, insultant à nos larmes, S’applaudissoient des maux de tes tristes enfants. (...)“93

Das Gemälde präsentiert unter einem halbrunden Bildabschluss nachdenkliche und verzweifelte Exilanten, die sich, auf einer Felsklippe zu kleinen Gruppen ver- sammelt, um ihre spirituellen Anführer scharen. Links erhebt sich über die gesam- te Bildhöhe eine steile Felswand, in der die Öffnung einer Höhle zu sehen ist. Auf der rechten Seite brechen sich die Wellen schaumbekrönt an den Kanten des Steinplateaus. All’ antiqua gekleidet werfen die Juden einen schmerzvollen Blick

91 Die zweite Republik (1848–1852). Die Februarrevolution 1848 stürzte die Julimonarchie. Nach Abdankung des Bürgerkönigs Louis Philippe wurde am 24. Februar 1848 die 2. Republik ausge- rufen. Eine provisorische Regierung führte den Posten eines Präsidenten ein, der auf vier Jahre in direkter Wahl gewählt wurde. Siehe dazu Price, Roger: The French Second Empire, Cam- bridge 2001. Siehe außerdem L’art en France sous de second empire, Ausst., Paris 1979, S. 15ff. 92 Vgl. Salon 1849 Nr. 1735, abgedruckt in Sanchez, Seydoux, Bd. 5, 2001. 93 Poésies de Malfilâtre, Poèmes, Odes et Traductions, hrsg. von Derome, Léopold, Paris 1884, S. 136–138 „Traduction du Psaume CXXXVI Super flumina Babylonis“. 59 VI. KATALOG DER WERKE RICHARD-CAVARO

über den Ozean, der sie von ihrem Heimatland trennt. In der Lünette wölbt sich das Firmament. Die Nacht ist hereingebrochen. Die letzten Strahlen der unterge- henden Sonne tönen den Himmel am Horizont gelb. Im Aufwind flatternde Vögel vermitteln den Eindruck von Bewegung. Vor dieser Hintergrundfolie ist das Ge- schehen im Vordergrund durch das Mondlicht dramatisch in Szene gesetzt: eine pointierte Lichtführung akzentuiert die Dualität der Empfindungen zwischen Schmerz über das Exil und Hoffnung auf mögliche Rückkehr, die jede Figuren- gruppe vereinigt. Im Zentrum des Bildes steht frontalansichtig der Prophet Ezechiel. Seine Ges- talt ist durch das Dunkel der Nacht verschattet. Das von oben, hinter der Felswand hervorscheinende Mondlicht trifft nur sein nach rechts ins Profil gekehrtes Haupt. Die Haare, durch die sich ein orangefarbenes Stirnband zieht, wehen im Wind. Der Bart und der strenge Blick unterstreichen sein düsteres Aussehen. Er trägt ein weißes Unterkleid, dessen Kragen mit einem hellroten Besatz verziert ist. Um die Hüften hat er einen violetten Umhang geknotet. Mit ausgestrecktem linkem Arm weist er über das Gewässer hinweg in die Ferne. In seinem rechten Arm hält er ein Mädchen. Den Kopf nach hinten gelegt, lehnt es sich an die mächtige Gestalt des Propheten. Dabei fallen die mit rosa Bändern durchflochtenen Haare der jun- gen Frau wie eine goldene Flut über den Rücken. Verzückt, beinahe einer Ohn- macht nahe blickt sie in den Sternenhimmel. Das Mondlicht lässt das Weiß der zarten Bluse aufleuchten, während das Blau des Rockes im Schatten versinkt. Schräg vor dem Mädchen sind zwei junge Frauen ganz und gar in grell weißes Licht getaucht. Aneinander geschmiegt führen sie dem Betrachter sowohl inhaltli- che als auch formale Gegensätze vor Augen: Während die blonde Frau – mit ei- nem schlafenden Kind auf dem Schoß – sitzt und ihren Kopf mit geschlossenen Augen auf die Schulter ihrer Leidensgenossin legt, kniet diese, ihre Hände auf das Knie gestützt, als wolle sie aufstehen, und wendet den Kopf in Richtung der lichten Ferne. Die Kleider setzen komplementäre Farbakzente. Die junge Mutter, deren Haar kunstvoll geflochten und zu einem Knoten hochgesteckt ist, trägt einen blau- en Rock. Der zarte Stoff der weißen Bluse ist zur Seite gerutscht und entblößt ihre rechte Brust. Eine rote Schärpe verläuft quer von der Schulter über den Busen. Die andere Frau erscheint kontrastierend zu ihrem dunklen, ebenfalls hochge- steckten Haar in pastellfarbener Aufmachung: Ihr weißes Kleid wird an den Beinen von einem aprikotfarbenen Überwurf bedeckt, den Bänder derselben Farbe an der

60 VI. KATALOG DER WERKE RICHARD-CAVARO

Taille fixieren. Ihr Gesicht mit den klassischen Zügen sieht der Betrachter im Halbprofil. Folgt man ihrem Blick, der hoffnungsvoll in die Ferne zielt, sieht man rechts auf einem Klippenvorsprung unmittelbar am Wasser ein Pärchen sitzen. Der Mann – in strenger Profilansicht gezeigt – blickt über das Wasser. Ein Band schmückt seine im Wind flatternden Haare. Die Arme umfassen mit gefalteten Händen die angezogenen Beine, wodurch er den Oberkörper entspannt halten kann. Das Gewand lässt die für den Betrachter sichtbare Schulter und Rückenpar- tie frei. Die Frau lehnt sich an die linke Seite des Mannes und stützt den Kopf an seine Schulter. Dabei hat sie den einen Arm um seinen Rücken gelegt, der andere ruht auf seinem Knie. Im Gegensatz zu ihrem Gefährten ist ihre Gestalt vom Mond beschienen, so dass ihr blaues Gewand und die am Hinterkopf geknoteten, blon- den Haare mit dem blauen Band aufblitzen. Mit den beiden endet die vom Mond- licht pointiert angestrahlte Figurendiagonale. Eine zweite verläuft dahinter im Schatten der Felswand. Dort dominiert als kompositionelles Gegenstück zu Ezechiel die Figur des Jesaja. Frontal gezeigt steht der Prophet links hinter Ezechiel zwischen zwei Frauen. Sein Überwurf blitzt rot aus der Dunkelheit hervor. Während er mit der rechten Hand verheißungsvoll zum Himmel deutet und diese Geste mit seinem Blick unterstreicht, drückt er mit dem linken, vom Gewand umwickelten Arm eine Harfe an die Brust. Die Frau rechts hinter ihm, deren Silhouette mit dem düsteren Hintergrund verschmilzt, greift mit der linken Hand zum Instrument, ihre Rechte berührt die Schulter des Propheten. Die Frau vor ihm hält die zum Gebet gefalteten Hände an die Wange und fleht mit erhobenem Haupt zum Himmel. Sie steht nach rechts ins Halbprofil gewandt und hat das bräunlich–gelbe Gewand eng um den Körper gerafft, so dass ihre Silhouette sich von dem dunklen Gestein der Felswand klar abzeichnet. Am linken Bildrand, neben dem Höhleneingang befindet sich ein nach rechts ins Profil gekehrter Greis. Die Stelle ist spärlich beleuchtet. Er sitzt gebeugt auf einem Stein und umfängt mit den Armen zwei Kinder. Die Haare seines gesenkten Haup- tes sowie der Bart sind grau. Als Kopfschmuck trägt er ein rotes Band, das farblich zu seinem Gewand passt. Rechts an seiner Seite steht mit ausgestreckten Armen ein blondes Mädchen, das er schützend um die Taille fasst. Es hat ein kurzes gel- bes Kleidchen an und scheint mit der Geste sein Heimweh bekunden zu wollen. Mondschein, der auf Schulter und Arme des Kindes fällt, rückt die Handlung ins

61 VI. KATALOG DER WERKE RICHARD-CAVARO

„rechte Licht“. Der Blick auf das Kindchen zur Rechten des Greises ist dem Bet- rachter versagt. Nur ein Köpfchen lugt an der Schulter des Alten hervor. Die Figur des Alten mit den Kindern bildet auf der linken Seite ein rahmendes Element. Dagegen begrenzt nur der rechte Bildrand die Weite des Ozeans. Das so entstandene Ungleichgewicht der Komposition überspielt der nach rechts drif- tende Bewegungssog der Trauernden, unterstützt von Komplementärfarbeffekten, die die einzelnen, voneinander separierten Personengruppen verbinden. Es ent- steht ein Farbrhythmus von Rot und Blautönen, die im nächtlichen Himmel chan- gierend wieder aufklingen.

Literatur Bellier 1882–87. · Oursel 1886–1912. · Castan 1889, S. 51. · Lavallée 1999, S. 173, Abb. S. 147. · Sanchez, Seydoux 2001, Bd. 5, Salon 1849, Nr. 1735.

62 VI. KATALOG DER WERKE ANTONIO PUCCINELLI

16. A NTONIO P UCCINELLI (1822–1897)

A. La Schiavitù degli Ebrei in Babilonia, 1851 Bild K38 Öl auf Leinwand 67,5 x 133 cm Unsigniert Provenienz: seit 1855 in der Galleria dell’Accadèmia di Belle Arti, Florenz Florenz, Galleria dell’Accadèmia

Antonio Puccinelli wurde 1822 in Castelfranco di Sotto nahe Pisa geboren. 1839 ging er auf die Accadèmia delle Belle Arti in Florenz, wo er ein Schüler des Giuseppe Bezzuoli (1784–1855) wurde. Dieser beeinflusste ihn in der malerischen Technik des Pittoresken maßgeblich. Als Sieger der Malklasse des von der Akademie ausgeschriebenen Wettbewerbs reiste Puccinelli 1849 nach Rom.94 In einem Brief des Künstlers an Cavaliere Luca Marchesi Bourbon del Monte, Presidente dell’ Imperiale e Reale Accadèmia di Belle Arti di Firenze vom 21. Juni 1851 bittet er den Direktor der Akademie um den „Segen“ für den bereits ausgeführten Entwurf der „Ebrei portati in Cattività in Babilonia“, welcher ein „spontaneo pensiero“ war.95 Die Antwort des Bourbon del Monte folgte am 29. desselben Monats: Enthusiastisch äußert sich der Direktor über die Wahl des Themas, die nicht besser sein könnte. Auch Bezzuoli, den er befragte, stimmte dem Thema gänzlich zu. Zudem bemerkte der Cavaliere die Originalität des Motivs: „un tema che può darle campo di distinguersi.”96

Das querformatige Gemälde zeigt im Licht der untergehenden Sonne Juden, die auf erhöhtem Wüstenboden unter Bewachung ihrer Zwingherren lagern. Rechts hinter Bäumen, in eine fruchtbare Senke eingebettet, liegt Babylon. Mächtige Bauwerke strahlen weiß vor dem dunklen Hintergrund eines Hügels. Auf der linken Bildhälfte breitet sich am Ende des Plateaus ein weites Tal aus. Die bereits tief- stehende Sonne ist dem Blick des Betrachters entzogen, doch tönt die Kraft ihrer Strahlen den Himmel gelb, orange, rosa und lila: Es sind die Farben des Abend- rots, die Dämmerung hat begonnen, wodurch die Tragik des Geschehens im Vor- dergrund hervorgehoben wird. Dort dominiert keine zentrale Figur. Puccinelli zeigt gleichmäßig verteilte Personengruppen, die sich auf dem sandigen Plateau aufhal- ten. Doch fallen die Figuren, die von den letzten, diagonal von links ins Bild fallen- den Sonnenstrahlen beschienen werden, mehr ins Auge als die schon in der Dämmerung versunkenen Juden.

94 Vgl. Durbé, Dario: Antonio Puccinelli, Roma 1997, S. 37f. 95 Vgl. Ebd., S. 76. Etwa zur selben Zeit stellte der Maler Saverio Altamura (1822-1897) „Episodio della Schiavitù degli Ebrei“ neben zwei weiteren Gemälden im Caffè Michelangelo aus. Vgl. Spalletti, Ettore: Gli anni del Caffè Michelangelo (1848-1861), Roma 1985, S. 53. Wo sich das Werk heute befindet ist unbekannt. 96 Ebd.; Durbé, Dario: Omaggio à Antonio Puccinelli, Roma 1997, S. 76. 63 VI. KATALOG DER WERKE ANTONIO PUCCINELLI

Die Mittelachse wird von einer Frau und ihrem Kind in Dreiviertelansicht einge- nommen, die in der zweiten bildparallelen Ebene von einem den Hügel herauf- kommenden Wachtrupp verfolgt werden. Dieses Geschehen ist so Aufsehen erre- gend, dass es ein Publikum besitzt: die auf der linken Seite im Halbkreis lagern- den Juden. Die von den Babyloniern bedrängte Frau wischt sich im Davoneilen die Tränen vom Gesicht. Dazu benutzt sie ihren gelben Umhang, der mit einer roten Borte verziert ist; darunter trägt sie ein weißes Kleid mit roter Schärpe um die Hüf- ten. Ein farblich zu ihrer Gewandung passender Turban bedeckt den Kopf mit dunklem Haar. Der kleine, nur mit einem blauen Lendenschurz bekleidete Junge klammert sich ängstlich an den Rock der Mutter. Ein rotes Stirnband durchzieht das Haar. Schützend umfasst die Frau den Kopf des Kleinen, um ihn gegen die nachfolgenden Soldaten abzuschirmen. Diese befinden sich rechts hinter den beiden. Der eine, dessen Kleidung aus einer grünen Kurztunika und einer verzierten Kappe besteht, versucht im Laufen der Frau eine Harfe vorzuhalten. Vermutlich erschreckt von der Aufforderung, dar- auf zu spielen, eilt sie weinend davon. Der andere Babylonier, in rot gekleidet, trägt einen Speer. Seinen Kopf bedeckt ein weißes, von einem roten Band fixiertes Tuch. Zwei weitere mit Speeren bewaffnete Wächter kommen hinterher. Sie scheinen in eine Unterhaltung vertieft, da ihre Köpfe einander zugewandt sind. Nun lenkt der Lichteinfall die Blickrichtung des Betrachters zu dem gebeugten, alten Mann und dem Mädchen, die sich im vordersten Raumplan des Bildes dia- metral zu der Mutter und ihrem Kind nach rechts aus dem Bild bewegen. Das Paar könnte gegensätzlicher nicht sein: Der humpelnde Alte hat seinen Arm in den des zarten Mädchens eingehakt, stützt sich zusätzlich noch auf einen Stock und starrt zu Boden. Bekleidet ist er mit gepluderten Hosen und einem in der Taille von Bän- dern umschlungenen Überwurf. Der weite, rot–braun gemusterte Umhang wird vorne an der Brust zusammengehalten, fällt über die Schultern zu Boden und schleift hinter ihm her. Ein weißes Tuch, mit braunen um den Kopf gewickelten Stoffbändern fixiert, dient ihm als Kopfbedeckung. Seine in Erdfarben gehaltene, üppige Gewandung steht im Kontrast zu dem freizügigen hellen, in der Taille mit einer roten Schärpe gerafften Kleid seiner Begleiterin. Es ist dem Mädchen von der linken Schulter geglitten und entblößt ihre Brust. Ein lindgrünes Band ist mehrmals um ihr schwarzes Haar geschlungen und hält es am Hinterkopf zusam- men. In Gedanken versunken, mit himmelwärts gerichtetem Blick, schreitet sie

64 VI. KATALOG DER WERKE ANTONIO PUCCINELLI

einher, eine filigrane Harfe vor sich haltend. Ihr Blick zum Himmel deutet auf ein stilles Flehen um Hilfe. Zu Füßen der jungen Frau kauert ein Mann am Wegrand. Vom Bildrand überschnitten sitzt er nach links ins Profil gekehrt ganz allein im Dunkel der angehenden Dämmerung, so dass seine Gestalt nur als Silhouette wahrzunehmen ist. Mit den Armen umfasst er sein angewinkeltes Bein, um sich eine entspannte Sitzpose zu verschaffen. Das andere liegt ausgestreckt über dem rechten Fuß. Kummervoll hält er den Kopf gebeugt. Die Lenden bedeckt ein roter Schurz, mit dem das um seinen Kopf geschlungene Tuch farblich korrespondiert. Auf der gegenüberliegenden Seite, jenseits des Pfades, lagern weitere Juden; sie sind zu kleinen Gruppen zusammengeschlossen und bilden einen nach rechts geöffneten Halbkreis vom Vordergrund über den Mittelgrund bis zum Rand der Anhöhe. In der vordersten Bildebene befindet sich eine Familie. Die Frau, ihr schlafendes Kind auf dem Schoß haltend, sitzt in antithetischer Haltung zu dem Mann am rechten Bildrand. Den Oberkörper nach vorne gebeugt, starrt sie gedan- kenverloren zu Boden. Ihr schönes Profil rahmen schwarze Haare, die am Hinter- kopf von einem orangeroten Tuch bedeckt werden. Das braune ärmellose Kleid wird an den Schultern von Spangen zusammengehalten. Die Hüften bedeckt ein roter Umhang, der ihre Beine bis zu den Füßen umhüllt. Das in ein weißes Tuch eingewickelte Kind lutscht am Daumen, das Köpfchen an die Brust der Mutter ge- bettet. Neben der Frau steht ein mit Seilen zum Tragen versehener Wasserkrug, ein zweiter ist umgefallen. Allerlei Gegenstände, wie z. B. ein Stoffbündel und eine die linke Bildecke ein- nehmende Harfe liegen verstreut auf dem Lagerplatz. Schräg hinter der Frau sitzt ihr Mann frontal zum Betrachter; er wendet seinen Kopf jedoch nach rechts, um das vermutlich laute Geschehen mit der vor den babylonischen Wächtern davon- laufenden Frau zu verfolgen. Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, stützt er sich mit dem linken Arm am Boden auf, während er mit der anderen Hand sein aufgestelltes Knie umfasst. Das schräg über die Brust verlaufende Gewand gibt seine rechte Schulter und die muskulösen Arme frei. Ein braunes Tuch, dessen ausgefranste Enden herabhängen, ist turbanartig um sein Haupt geschlungen. Das bärtige Gesicht ist ins Profil gekehrt. Seine verschattete dunkle Gestalt hebt sich vor der Hintergrundfolie zweier Figurenpaare ab, die im Mittelgrund noch von den letzten Sonnenstrahlen beschienen werden.

65 VI. KATALOG DER WERKE ANTONIO PUCCINELLI

Links am Bildrand sieht man einen parallel zum Raumplan liegenden Knaben. Er hat den Kopf in Richtung des Betrachters auf den Arm gebettet und schläft. Er ist in ein hellblaues Gewand gehüllt, das als Decke dient. Die daneben kniende Frau blickt versonnen auf den schlafenden Knaben, dabei stützt sie ihren Kopf mit der Hand. Ein weißer Mantel über einem orangefarbenen Kleid bedeckt ihr schwarzes Haar. Den Abschluss des Figurenhalbkreises bildet das noch weiter im Bildmittel- grund nach links gewandt sitzende Paar. Die Frau bietet dem Betrachter eine Dreiviertelrückansicht. Sie birgt den Kopf in ihren Händen, als weine sie. Das Ge- wand ist ihr von den Schultern geglitten. Der Mann neben ihr wendet sich um, so dass sein bärtiges Gesicht zu sehen ist. Ein rotes Band durchzieht seine Haare. Im Gegensatz zu der trauernden Frau widmet er seine Aufmerksamkeit dem zent- ralen Geschehen. Hinter ihm sieht man noch die Umrisse von Kopf und Oberkör- per einer am Boden liegenden Frau. Hinterfangen wird die Szenerie von einer den Hügel hinabwandernden Karawane, die als Silhouette vor dem orange–gelben Abendhimmel erscheint: ein Kamel, auf dessen Rücken zwei Personen sitzen, davor ein Kameltreiber und zwei mit Speeren bewaffnete Babylonier. Die abwechselnd in Licht getauchten oder im Schatten versunkenen Personen- gruppen intensivieren die Dramatik des Geschehens. So entsteht ein Rhythmus aus Kontrasten, gesteigert durch orientalische Farbigkeit und Exotik.

Literatur Panichi 1911, S. 172. · Pinto 1972, S. 219. · Comanducci 1973. · Borgogelli 1983, S. 185. · Spalletti 1985, S. 51, 53, 34 Abb. · Borgogelli 1988, S. 332. · Spalletti 1991, S. 322. · Durbé 1997, S. 38, 76f., Tafel 25. · Ders., Omaggio 1997, S. 11, 18, S. 76, AABAF, Filza 40B, n. 145, S. 79, AABAF, Inv. 1855, n. 368. · Maestà di Roma da Napoleone all’Unità d’Italia 2003, S. 281, 292 Abb.

·

Entwürfe

B. Ebbrei affranti, 1851 Bild K39 Zeichnung Signatur unten rechts: AP Provenienz: – Unbekannt

66 VI. KATALOG DER WERKE ANTONIO PUCCINELLI

Die Zeichnung zeigt ein sitzendes Paar: Mann und Frau sind dem Betrachter fron- tal zugewandt. Der Mann rechts, dessen Haupt gebeugt und dessen Gesicht von seiner Hand halb verdeckt ist, scheint sich mit dem rechten Arm auf den Rücken der Frau aufzustützen. Der linke Arm liegt kraftlos auf dem Oberschenkel. Die Frau, dem Mann zugewandt, hat ihre Hände ineinander gelegt. Sie ruhen auf dem Knie des trauernden Mannes. Ihr Blick ist gen Himmel gewandt. Ihre Physiogno- mie ist die der Francesca Guasconi, der ersten Frau von Antonio Puccinelli.97 In die Ölfassung ist das Paar nicht integriert worden. Doch scheint das Motiv der den Alten stützenden Frau in dem schreitenden Figurenpaar, das die rechte Bildhälfte dominiert, anzuklingen.

Literatur Panichi 1911, Abb. S. 168. · Durbé 1997, S. 78, T. 24, Nr. 25.

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C. Vecchio che trascina il proprio corpo, 1851 Bild K40

Zeichnung Signatur unten rechts: AP Provenienz:– Unbekannt

Studiert wird die Pose eines gebeugten, barhäuptigen alten Mannes, der hum- pelnd nach Halt sucht. Den linken Fuß nachziehend, benützt er eine Krücke, um sich fortzubewegen. Die rechte Hand liegt auf einem vage umrissenen Kopf, der ihm als Stütze dient. Das Motiv des lahmen Alten hat Puccinelli im Gemälde aus- geführt: doch lässt er ihn weitaus würdevoller am Arm der jungen Frau erscheinen.

Literatur Panichi 1911, S. 172, Abb. S. 170. · Durbé 1997, S. 79, T. 24, Nr. 26.

97 Vgl. Durbé 1997, S. 78. Zum Vergleich findet man auf S. 56, T. 18 ein Porträt. 67 VI. KATALOG DER WERKE PHILIP HERMOGENES CALDERON

17. P HILIP H ERMOGENES C ALDERON (1833–1898)

A. By the Waters of Babylon, 1852/53 Bild K41 Öl auf Leinwand 71,8 x 51,4 cm Signatur links unten: Calderon 1852 Provenienz: 1922 Geschenk von Mrs. George Calderon London, Tate Gallery

Philip Hermogenes Calderon, ein englischer Maler spanischer und französischer Abstammung, wurde 1833 in Poitiers geboren. Sein Vater Juan Calderon war zuerst katholischer Priester, später Professor für spanische Literatur am King’s College. Zunächst studierte Calderon Ingenieurwesen, entschied sich aber – durch den zeichnerischen Aspekt des Studiums angeregt – für eine künstlerische Ausbildung, die er 1850 an der James M. Leigh’s School in London begann und in Paris im Atelier von François–Edouard Picot (1786–1868) vollendete. 1853 lieferte Calderon mit dem Gemälde „By the Waters of Babylon“ sein Debüt an der Royal Academy.98 Danach stellte er regelmäßig bis 1897 aus. Zudem wirkte er als Urheber der „St John’s Wood Clique“99. Die Gruppe „escaped into the past – a past peopled with wimpled shrews, jesters with toothache, the Princess in the Tower, Henry VIII’s wives and Lady Jane Grey. Like historical novelists, they tended to sabotage the illusion they were trying to create by overdoing the trimmings – the oriels, lattices, drawbridges, portcullises, and gingerbread booth.”100

Calderon hat die trauernden Juden in das fruchtbare Flusstal einer nordischen Landschaft gesetzt. Im Zentrum des hochformatigen Bildes, in dem die oberen Ecken ausgespart sind (eventuell durch Rahmen verursacht), sitzt ein alter Mann zwischen zwei Frauen. Rechts, etwas abseits, erblickt man eine weitere Frau mit einem Kind auf dem Arm. Im Hintergrund erhebt sich eine bewaldete Hügelkette so weit in die Höhe, dass nur noch ein schmaler Streifen für den blauen Himmel übrig ist. Baumreihen säumen die obere Kante der Hügel. Rechts hinter dem Greis

98 Vgl. Graves, Algernon: The Royal Academy of Arts, a Complete Dictionary of Contributors and their Work from its Foundation 1769 to 1904, London 1905/1906, S. 375, Nr. 1260; Pratt, A.T. Camden (Hg.): People of the Period: Being a Collection of the Biographies of upwards of six thousand living Celebrities, London 1897; Storey, G.A.: Philip Hermogenes Calderon, in: The Magazine of Art, 1898, Bd. 22, S. 446f; Wood, Christopher: The Dictionary of Victorian Painters, London 1989, S. 86. 99 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Gebiet um den St. John’s Wald eine be- liebte Gegend für Künstler, die sich zu einer Gruppierung namens St John’s Wood Clique zu- sammenschlossen. Initiator war P.H. Calderon zusammen mit Frederick Goodall (1822–1904), George Adolphus Storey (1834–1919) und William Frederick Yeames (1835–1918). Diese mal- ten hauptsächlich Kostümstücke, die wie eine Zwischenstufe von Historienbild und Genreinteri- eur anmuten. Das berühmteste Bild der Gruppe stammt von Yeames. Es zeigt ein Thema aus dem Bürgerkrieg mit dem Titel „And when did you last see your father“ (Liverpool, Walker Art Gallery). Siehe dazu Morris, Edward, Milner, Frank: „And when did you last see your father“, Ausst., Liverpool 1992. 100 Hillier, Bevis: The St John’s Wood Clique, in: Apollo, Juni 1964, Bd. 79, S. 490. 68 VI. KATALOG DER WERKE PHILIP HERMOGENES CALDERON

erblickt man einen steinernen Menschenkopf, der am Fuß der Anhöhe in den Fel- sen gehauen ist. Aus dem Mund der Fratze sprudelt der Fluss, der nach rechts aus dem Bild strömt und im Vordergrund – ein kleines Stück der rechten Bildecke ausfüllend – direkt an der lagernden Gruppe vorbeifließt. Am linken Bildrand ragt der dünne Stamm eines laubarmen Baumes101 in die Höhe und koordiniert die Komposition mit einem zweiten, ebenso kahlen Baum, der in der tiefer liegenden Raumebene auf der rechten Seite steht. Die Hauptperson ist der rot gewandete, bärtige Greis. Er sitzt – die bloßen Fü- ße überkreuzt – frontal zum Betrachter und stützt mit der rechten Hand seinen ins Halbprofil gekehrten Kopf. Versonnen blickt er nach rechts aus dem Bild. Seine linke Hand ruht auf dem Rücken des neben ihm knienden Mädchens, das den Kopf in seinem Schoß birgt. Während sich ihre linke Hand in das Gewand des Greises krallt, hängt ihr rechter Arm kraftlos über dem Schoß des Mannes. Sie trägt ein zartgelbes, kurzärmeliges Kleid. Vor ihr im Gras liegt eine Harfe. Ihr Pen- dant ist die Frau zur Rechten des Mannes. Auch sie kümmert sich liebevoll um das weinende Mädchen: Sie umarmt es und fasst es an der herabhängenden Hand. Sie kniet seitlich verlagert auf dem Boden und lehnt sich dabei an den Al- ten. Ihr Gesicht, von glatten dunklen Haaren gerahmt, ist nach rechts ins Profil gewandt. Sie scheint ins Leere zu blicken. Ihre Bluse strahlt in reinem Weiß und kontrastiert mit dem grünen Rock, der farblich zum Teil mit dem Grasuntergrund verschmilzt. Dieser Hauptgruppe, deren Dominanz in der Farbgebung der Gewandung be- steht, ist die Mutter mit dem Kind beigefügt: Weiter entfernt, nach rechts ins Halb- profil gewandt sitzend, ergänzt die Frau das Arrangement aus reinen Buntfarben: zu grün, weiß, rot und gelb der anderen Personen trägt sie mariengleich ein dun- kelblaues Kleid. Ein roter Schleier, der farblich mit dem Gewand des Alten korres- pondiert, bedeckt den Kopf. Der Blick ist auf den Säugling in ihren Armen gerich- tet, von dem der Betrachter nur den Kopf sieht. Calderon beschränkt sich auf ein schlichtes Bildgefüge, in dem nur wenige Personen nicht durch Gestik, sondern durch die Farben ihrer Kleider Akzente setzen.

101 Vgl. Eckert, Willehad Paul: Art. zu „Jude/Judentum“, in: LCI 1994, Bd. 2. Im Liber figurarum, 1202, Joachim di Fiore, Ms. der Bodleian Library, Oxford, wird der jüdische Baum laubarm, der der Heidenchristen laubreich dargestellt. 69 VI. KATALOG DER WERKE PHILIP HERMOGENES CALDERON

Literatur Sanders 1887. · Pratt 1897. · ThB 1911. · Casteras 1977. · Graves 1905/06. · Tay- lor 1870, S. 102. · Storey 1898, S. 447. · The Tate Gallery Collections 1984, S. 22.

70 VI. KATALOG DER WERKE ISIDOR LOZANO, GERMAN HERNÁNDEZ

18. I SIDORO L OZANO (1826–?) UND

G ERMÁN HERNÁNDEZ A MORES (1823–1894)

A. Consolatrix Afflictorum: Super Flumina Babylonis, 1855/56 Bild K42 aus „Die sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit“ Öl auf Leinwand Rom, Palazzo Santa Maria di Monserrato & Centro spagnolo di studi ecclesiastici, Salone rosso

Isidoro Lozano, geboren 1826, und der drei Jahre ältere Germán Hernández Amores sind zwei wichtige Vertreter des nazarenischen Purismus, der die spanische Kunst im 19. Jahrhundert bestimmte. Als Schüler der Academia de San Fernando in Madrid erhielten beide Künstler 1852 ein Stipendium für einen Romaufenthalt.102 Während Amores schon 1849 ein Stipendium für Paris erhielt, wo er bei Charles Gleyre (1808–1874) lernte und sich mit William Bouguereau (1825–1905) anfreundete103, war Lozano Schüler des Federico de Madrazo (1815–1894), dem Vater der romantischen Malerei Spaniens.104 Im Saal des Palazzo Santa Maria di Monserrato105 schufen die beiden spanischen Künstler zusammen eine bildhafte Dekoration. Das Programm, das von Antonio del Castillo (1827–1897), dem spanischen Gouverneur in Italien, festgesetzt wurde106, umfasst die sieben Tugenden107 und die sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit108.

102 Vgl. Reyero, Carlos: Las pinturas de Isidoro Lozano y Germán Hernández Amores en el Colegio Eclesiástico Español de Roma, in: Boletin del Museo e Instituto “Camón Aznar”, 1993, Nr. 53, S. 13. 103 Vgl. Temple, Alfred George: Modern Spanish Painting: being a Review of Some of the Chief Painters and Paintings of the Spanish School since the Time of Goya, London 1908. 104 Vgl. Ossorio y Bernard, Manuel: Galería Biografíca de Artistas espanso del S. XIX. Madrid 1868. 105 Die Kirche Santa Maria di Monserrato ist nach einem Marienbild des Klosters Montserrat nahe Barcelona benannt. Die Kirche wurde von dem Borgiapapst Alexander VI. für die Katalanen und Aragonesen erbaut. Die Fassade zeigt eine Madonna mit Kind. Das Kind zersägt einen Felsen, eine Anspielung auf den Namen Montserrat, der „zersägter Berg“ bedeutet. In der ersten Kapel- le rechts die Gräber der beiden Borgiapäpste Kalixtus III. (1455–1458) und Alexander VI. (1492–1503). Siehe dazu Lerza, Gianluigi: Santa Maria di Monserrato a Roma dal cinquecento sintetista al purismo dell’ottocento, Rom 1996, S. 15ff. 106 Am 30. 9.1855 wurde im königlich–spanischen Palast in Rom von Antonio del Castillo ein Zeit- plan festgelegt, der die Künstler dazu verpflichtete, mit den Entwürfen und den Ölbildern bis zum 31.12.1856 fertig zu sein. Weder der Zeitplan noch die Bedingungen konnten eingehalten werden, da das Stipendium der beiden Künstler 1856 auslief. Da dieses aber verlängert wurde, konnte am 11.10.1856 ein neuer Vertrag aufgesetzt werden, in dem die Fertigstellung bis zum 16.6.1857 vermerkt ist. Vgl. dazu Reyero 1993, S. 14ff. 107 Diese bestehen aus den vier Kardinaltugenden: Justitia, Fortitudo, Prudentia und Temperantia und den drei theologischen Tugenden: Fides, Spes, Castitas. Vgl. Evans, Michael: Art. zu „Tu- genden“, in: LCI 1994, Bd. 4. 108 Bibelquelle ist die Weissagung über das Weltgericht bei Mt 25, 34ff. Barmherzigkeit ist eine Bestätigung der Nächstenliebe, die zusammen mit der Liebe Gottes das Wesen der christlichen Tugend ausmacht. Als Personifikation kommt die Barmherzigkeit in Verbindung mit den von ihr ausgeübten sieben leiblichen Werken vor. Die sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit sind ikonographisch ungeklärt. Sie sind zwar eine theologische Parallelbildung zu den leiblichen Werken, beruhen aber nicht auf einer bestimmten Bibelstelle. Siehe dazu Schmitt, Otto: Art. zu „Barmherzigkeit, Werke der Barmherzigkeit“, in: RDK 1937, Bd. 1. Vgl. außerdem Bühren, Ralf von: Die Werke der Barmherzigkeit in der Kunst des 12.–18. Jahrhunderts, Zum Wandel eines 71 VI. KATALOG DER WERKE ISIDOR LOZANO, GERMAN HERNÁNDEZ

Die Öllünette “Trauernde Trösten”, ein geistiges Werk der Barmherzigkeit darstellend, greift die ersten drei Verse des Psalms 137 auf. Zwei gerahmte Schriftbänder in der stuckreliefierten Stichkappe alludieren die Darstellung: “CONSOLATRIX AFFLICTORUM” und “SUPER FLUMINA BABYLONIS... Ps. CXXXVI.”. Während das Rahmenwerk der Decke leuchtende Rot– und Blautöne aufweist, ist die Lünette mit verhaltenen, beinahe zarten Farbtönen kombiniert.

Vor dem Prospekt der mit mächtigen Mauern umgebenen Stadt Babylon, die in einer fruchtbaren Talsenke liegend von einer Gebirgskette hinterfangen wird, be- findet sich im zentralen Vordergrund des Halbrunds eine kleine Gruppe von Ju- den: Ein Mann, zwei Frauen und ein Kind lagern erhöht auf felsigem Terrain fron- tal zum Betrachter. Ein weiterer Mann in Dreiviertelrückansicht steht links neben ihnen und weist mit dem linken Arm in die Ferne. Sein Haupt geneigt, blickt er auf die Trauernden. Er steht kontrapostisch und ist würdevoll mit einer braunen Toga und einer roten Kappe bekleidet. Als Einziger trägt er Schuhe. Er ist derjenige, der das Werk der Barmherzigkeit vollzieht, indem er den in Babylonien gefangenen Juden Hoffnung auf Rückkehr macht: Es ist die ehrfurchtsvolle Gestalt eines Pro- pheten, Deuterojesaja oder Ezechiel109, der den Trauernden Trost spendet. Die Gruppe der Juden wird von einem bärtigen, mit einer kurzen, dunkelroten Tunika bekleideten Mann dominiert. Er sitzt auf einem Felsen, rechts und links neben sich zwei Frauen und ein Kind in pastellfarbenen Gewändern. Er stützt sich mit beiden Händen auf seinem linken Bein ab. Betrübt blickt er zu Boden. Die zu seiner Rechten sitzende Frau trägt über ihrem rosafarbenen Kleid einen weiten, weißen Umhang, der, ihren Kopf bedeckend, über den Rücken fällt und auf ihren Knien liegt. Sie hält ihren geneigten Kopf mit dem linken Arm, der wiederum auf dem Bein des Mannes aufliegt. Rechts, die Symmetrie wahrend, kniet eine weitere Frau ins Halbprofil nach links gerückt. Sie trägt nur ein in der Taille gegürtetes hellgelbes Kleid, was sie als junge Frau ausweist. Verzweifelt birgt sie ihr Antlitz in den Händen. An ihrer Seite steht frontal zum Betrachter ein Knabe, der sich an den Arm der jungen Mutter klammert. Mit einer kurzen, weißen Tunika bekleidet, blickt er als Einziger mit erhobenem Kopf aus dem Gemälde. Rechts im Abseits, wo Bäume das abfallende Gelände begrenzen, sieht man eine Frau in Dreiviertelrückansicht sitzen, das Haupt in Trauer gesenkt.

Bildmotivs vor dem Hintergrund neuzeitlicher Rhetorikrezeption, Hildesheim, Zürich, New York 1998. 109 Siehe hierzu S. 27 im Textteil. 72 VI. KATALOG DER WERKE ISIDOR LOZANO, GERMAN HERNÁNDEZ

Wer von den beiden Künstlern das Lünettengemälde ausgeführt hat, ist nicht mehr nachzuweisen, da beide vom nazarenischen Formenrepertoire geprägt waren.110

Literatur Reyero 1993, S. 17.

110 Vgl. Reyero 1993, S. 18. 73 VI. KATALOG DER WERKE JOAQUÍN RAMÍREZ

19. J OAQUÍN R AMÍREZ (1834–1866)

A. La Cautividad de los Hebreos en Babilonia, 1858 Bild K43 Öl auf Leinwand 115 x 147 cm Unsigniert Provenienz: Sammlung Academia San Carlos, seit 1982 im Museo Nacional de Arte Mexico City, Museo Nacional de Arte

Joaquín Ramírez war einer der bedeutendsten Maler des 19. Jahrhunderts in Mexiko. Seine künstlerische Ausbildung erhielt er ab 1844 von dem katalanischen Maler Pelegrín Clavé (1810–1880), der 1843 von Rom nach Mexiko kam, um die Leitung der Academia de San Carlos zu übernehmen.111 1858 entstand das Gemälde „La Cautividad de los Hebreos en Babilonia“, für das er den ersten Preis in der Klasse „de composicíon de muchas figuras“112 erhielt. Auf Wunsch des Lorenzo de la Hidalga, einem spanischen Architekten und dem wichtigsten Mäzen für Lehrer und Schüler der Akademie, malte Ramírez 1861 eine zweite, identische Fassung der gefangenen Juden.113 Eine Lithographie von Ipolito Salazar (1840–1874), die 1874 entstand, befindet sich in der San Francisco State Library.114

Die Komposition enthält ein Dutzend Figuren, die von der zentralen Gruppe im Vordergrund beherrscht werden. Vor einem kubischen Felsblock, überdacht vom Blattwerk zweier Trauerweiden, sitzt eine jüdische Familie: Der Vater, ein älterer Mann in der typischen Gebärde der „Melancholie“, die Mutter, die sich aus Ver- zweiflung die Haare rauft, und zwei kleine Kinder, die sich an den Körper der Mut- ter klammern. Ein alter Levit steht gebeugt hinter ihnen, niedergeschlagen stützt er sich mit der rechten Hand auf den Felsen. In der Linken, die kraftlos herabhängt, hält er eine Schriftrolle. Zu beiden Seiten des Steines erstreckt sich der von weite- ren Juden bevölkerte, spärlich begrünte Uferstreifen in die Tiefe des Bildes. Links im Hintergrund verläuft der Fluss, an dessen jenseitigem Ufer die Stadt Babylon liegt. Hohe Gebäude spiegeln sich auf der Wasseroberfläche. Die Figuren vermit- teln meditativen und verbitterten Schmerz, den das schlichte Kolorit von Braun– und Ockertönen unterstreicht.

111 Vgl. Leduc, Alberto, Pardo Luis: Diccionario de Geografía, Historia y Biografía mexicanas 1910; Garcia Rivas, Heriberto, Pintores Mexicanos, 150 Biografías, México 1965. 112 Vgl. Terreros, Manuel Romero de (Hg.): Catalogos de las Exposiciones de la antigua Academia de San Carlos de Mexico (1850–1898), Mexico 1963, S. 312. 113 Vgl. Rojas, Fausto Ramírez: La Cautividad de los Hebreos en Babilonia: Pintura bíblica y nacionalismo conservado en la academia mexicana a mediados del siglo XIX, in: Curiel, Gustavo, Mello, Renato Gonzáles, Haces, Juana Gutiérrez (Hg.): Arte, Historia y Identidad en América: Visiones comparativas, México 1994, Bd. 2, S. 281. 114 Die Größe der Lithographie beträgt 17,3 x 22 cm. 74 VI. KATALOG DER WERKE JOAQUÍN RAMÍREZ

Wie auf einem Podest präsentiert Ramírez die Familie vor der homogenen Flä- che des Steinblocks. Der Vater sitzt in einer Vierteldrehung nach links gewandt erhöht in einer Ausbuchtung des Felsens. Die Knie sind in der Höhe versetzt, da er den linken Fuß auf die Bodenerhebung gestellt hat. Mit dem rechten Ellenbogen lehnt er sich auf den Felsen und hält sein Haupt. Über einem gelben Unterkleid trägt er ein rostbraunes Gewand. Der krause Bart liegt wegen der gebeugten Kopfhaltung auf der Brust. Eine Leier lehnt an seiner Seite. Der weite Ärmel des Gewandes verdeckt einen Teil des Instruments. Rechts neben ihm lagert die Frau auf einer blauen Decke. Wie ihr Mann leicht nach links gewandt, hält sie mit bei- den Armen ihren Kopf und blickt flehentlich zum Himmel. Dabei fällt ihr Haar in braunen Wellen über den Rücken. Bekleidet ist sie mit einem orangebraunen Ge- wand, über dem sie eine weiße, ärmellose, in der Taille mit einem Band geraffte Bluse trägt. Die zwei Kinder suchen offenbar Trost und Schutz bei der Mutter. Rahmenparallel sind sie hintereinander gestaffelt dargestellt: der kleine, blond ge- lockte Junge zerrt mit seinen dicklichen Armen am Oberteil der Mutter, ja hängt gleichsam an ihr und blickt dabei in die Augen des Betrachters: Er möchte die Aufmerksamkeit seiner Mutter erregen und scheint dabei quengelnd auf und ab zu springen, was das hinten hoch gestreckte Beinchen vermuten lässt. Halb verdeckt wird er von dem kleinen Mädchen im grünen Kleid. Es hat sich auf den Schoß der Mutter geworfen und das Köpfchen mit den dunklen Haaren in scheinbarer Ruhe auf die Arme gebettet. Rechts hinter dem Felsen steht ein bärtiger Greis im Halbschatten mit einem Schriftstück in der Hand. Ein langes bräunliches Gewand verhüllt seine Gestalt. Die gehörnte Mitra weist ihn als Hohepriester aus.115 Hinter seinem Rücken hängt eine Harfe in den Zweigen des Baumes. Die Hauptgruppe wird zu beiden Seiten von gefangenen Juden gerahmt, die sich im Mittelgrund und noch weiter in der Ferne aufhalten. Sie wiederholen die Gesten der Protagonisten in kleinen Variationen und unterstreichen den dramati- schen Inhalt des Gemäldes. Links befinden sich zwei Männer: Der eine, in orange–braune Gewänder ge- hüllt, sitzt frontal zum Betrachter auf einem Stein, hat die Hände in den Schoß ge- legt und seinen Kopf gesenkt; eine Harfe lehnt neben ihm an einem Stein. Er trau- ert still, ganz ihm Gegensatz zu seinem Leidensgenossen. Dieser steht hinter ihm,

115 Über die Kleidung der Priester vgl. Ex 28, 1–43. 75 VI. KATALOG DER WERKE JOAQUÍN RAMÍREZ

ein Bein auf den Stein gestellt, und klagt mit vor der Brust gefalteten Händen zum Himmel. Seine leuchtend blaue Kleidung bildet einen Komplementärkontrast zu der seines Begleiters. Am rechten Bildrand sieht man eine weitere Familie an einen Stein gelehnt. Die Frau, ins Profil nach links gekehrt, sitzt am Boden und drückt einen Säugling an ihre Brust. Der hinter ihr sitzende Mann stützt sich frontalansichtig mit dem Ellen- bogen auf dem Stein ab; sein Kopf ruht in seiner Hand. Analog zu der Figuren- komposition im Vordergrund ist dem Paar ein alter Mann zugeordnet, der sich nach rechts auf den Felsen lehnt und gedankenvoll vor sich hinstarrt. Noch weiter entfernt sieht man den Rücken einer auf einem Wiesenstück sitzenden Frau, die sich mit dem linken Arm am Boden abstützt.

Literatur Leduc 1910. · Terreros 1963, S. 310, 312, 333. · García Rivas 1965. · Rojas o. J., S. 3, Abb. S. 1. · Ders. 1994, Bd. 2, S. 279–295, Abb. S. 280.

76 VI. KATALOG DER WERKE SIMEON SOLOMON

20. S IMEON S OLOMON (1840–1905)

A. By the Waters of Babylon, 1858 Bild K44 Tusche,- Sepiazeichnung Provenienz: Besitz von James Leathart116 Verschollen

Der Maler Simeon Solomon wurde 1840 als jüngstes von acht Kindern einer jüdischen Familie im East End von London geboren; sein Bruder Abraham (1823–1862) und seine Schwester Rebecca (1832–1886) waren, wie die Mutter, ebenfalls Künstler.117 Bereits mit 10 Jahren begann Solomon seine künstlerische Ausbildung im Londoner Studio seines Bruders Abraham. 1855 wurde er fünfzehnjährig als Student an der Royal Academy angenommen. Einer seiner Lehrer war der jüdische Maler Alexander Hart (1806–1881).118 Von seiner tiefreligiösen Erziehung beeinflusst, war Solomon in jungen Jahren besessen von Motiven aus dem Alten Testament; seine Bilder versah er mit einer Beschriftung in Hebräisch.119 In einer berühmten Charakterskizze beschrieb sich der Künstler selbst:

„A HISTORY OF SIMEON SOLOMON From his cradle to his grave. As an infant he was very fractious. He developed a tendency toward de- signing. He had a horrid temper. He was hampered. He illustrated the Bi- ble before he was sixteen. He was hated by all of his family before he was eighteen. He was eighteen at the time he was sent to Paris. His behaviour there was so disgraceful that his family – the Nathans, Solomons, Moses, Cohens, etc. et hoc genus homo – would have nothing to do with him. He returned to London to pursue his disgraceful course of art, wherein he dis- played such marvellously exquisite effects of coleography that the world wondered. He then turned his headlong course into another channel – that of illustrating books for youths. His “Vision of Love Revealed in Sleep” is too well known. After the publication of this his family repudiated him for- ever. His appearance is as follows: Very slender, dark, a scar on one or two eyebrows, a slouching way with him, a certain nose, one under lip. That is S. S. “120

116 James Leathart (1820-1895) war Patron der Präraffaeliten und Sammler ihrer Werke. Ziemlich bald, spätestens 1863, wie ein Brief beweist, muss die Tuschezeichnung in seinen Besitz ge- kommen sein. Vgl. dazu Cruise, Colin (Hg.): Love Revealed, Simeon Solomon and the Pre- Raphaelites, Birmingham 2005, S. 48. 117 Vgl. Lambourne, Lionel: Solomon, a Family of Painters, Abraham Solomon 1823–1862, Re- becca Solomon 1832–1886, Simeon Solomon 1840–1905, London 1985, S. 24ff. 118 Vgl. Emden, Paul H.: Jews of Britain, a Series of Biographies, London 1944; Wood 1989; Dict. of Art 1996; 119 Vgl. From Prodigy to Outcast, Simeon Solomon, Pre-Raphaelite Artist, Ausst., London 2001, S. 9. 120 Ford, Julia Ellsworth: Simeon Solomon, an Appreciation, New York 1908, o. S. Die Monogra- phie ist eine Umfrage über Solomons Werke nach seinem Arrest für homosexuelle Belästigung in der Öffentlichkeit im Februar 1873 und basiert auf Interviews der Autorin mit Solomon und seinen Zeitgenossen. 77 VI. KATALOG DER WERKE SIMEON SOLOMON

Das Thema des Exils wurde 1857 bis 1863 ein Leitmotiv seiner Malerei:121 Neben „Hagar and Ishmael“ 1857 (London, Lionel Lambourne Collection) und „Ruth, Naomi, and the Child Obed“ 1860 (Birmingham, City Museums and Art Gallery) ) oder „Queen Esther“ 1860 (New York, Robert Isaak Collection), entstand 1858 „By the Waters of Babylon“, das im November 1858 bei der sechsten Winterausstellung in „Gambart’s French Gallery“122 ausgestellt wurde.123 Die querformatige Zeichnung, die Solomon siebzehnjährig anfertigte, ist verloren und nur durch die Fotografie von Frederick Hollyer (1837–1933), die 1909 publiziert wurde, bekannt.124

Solomon hat eine vielfigurige Zeichnung geschaffen, die von vielen gegenständli- chen Details und einfallsreichen kleinen Geschehnissen durchdrungen ist: Zahlrei- che Kinder, die sich an ihre Eltern schmiegen, ein sinnierender Alter und spotten- de Babylonier erzählen die Gefangenschaft der Juden im Babylonischen Exil. Kei- ne Personenhierarchie, sondern ein Rapport aus drei figuralen Konstellationen strukturiert die Komposition im Vordergrund. Das Bildpersonal wird überwiegend frontalansichtig in Szene gesetzt. Wenige hohe Bäume, deren Astwerk vom obe- ren Bildrand zu einem großen Teil überschnitten ist, definieren den Hintergrund, wo sich eine Prozession von rechts nach links zu bewegen scheint. In der Nachhut sieht man aufgespannte Sonnenschirme aus einem Gewirr von Menschen ragen. Im vordersten Raumplan befindet sich mittig die pyramidal gestaffelte Gruppe einer Familie mit drei Kindern und einem Hund. Die Mutter steht frontal zum Be- trachter in der Mittelachse. In ihrem linken Arm hält sie ein nacktes Kind, während sie die Rechte an die Stirn hält, um ihre Augen gegen das Sonnenlicht abzuschir- men. Sie trägt einen Turban und ist mit Ohrringen und einem Armband ge- schmückt. Rechts sitzt ein Mann, der den Kopf an die Taille der Frau gelehnt hat und sie dabei mit dem rechten Arm umfasst. Mit der linken Hand stützt er das von der Frau im Arm gehaltene Kind. Ein älteres Kind steht direkt vor der Mutter und fängt den Blick des Betrachters, während sich das dritte mit dem Hund beschäftigt: Nackt kniet es am Boden und legt dem still dastehenden Tier eine Leine an. Eine Fußfessel zeugt von der Gefangenschaft in einem fremden Land.

121 Vgl. Kleeblatt, Norman L.: Jewish Stereotype and Christian Prototype: The Pre–Raphaelite and Early Renaissance Sources for Simeon Solomon’s Hebrew Pictures, in: Casteras, Susan P., Faxon, Alicia Craig (Hg.): Pre–Raphaelite Art in its European Context, London 1995, S. 121. 122 Vgl. außerdem Maas, Jeremy: Gambart, Prince of the Victorian Art World, London 1975, S. 128. Ernest Gambart (1814–1902) war der bedeutendste Kunsthändler dieser Zeit und der einzige, der regelmäßig die Werke der Präraffaeliten ausstellte, bis 1876 die Grosvenor Gallery gegrün- det wurde. 123 Vgl. Seymour, Gayle Marie: The Life and Work of Simeon Solomon, Diss., Ann Arbor 1987, S 37. 124 Vgl. Catalogue of Platinotype Reproductions of Pictures, photographed and sold by Mr Hollyer, London 1909. 78 VI. KATALOG DER WERKE SIMEON SOLOMON

Als Bindeglied zu der Szenerie am linken Bildrand sitzt neben der zentralen Gruppe frontalansichtig ein alter Mann in langem Gewand und einem Turban aus gemustertem Stoff. Niedergeschlagen blickt er zu Boden und stützt sich dabei auf eine zwischen seinen Beinen stehende Harfe. Ein kleines Kind lehnt mit dem Rü- cken an seinem rechten Knie und leistet dem Greis Gesellschaft. Nackt, nur mit einer Perlenkette um den Hals, sitzt es am Boden, ein Bein ausgestreckt, das an- dere angewinkelt. Das Köpfchen ist nach rechts oben gewandt. Eine Kappe be- deckt seine dunklen Haare nur zum Teil. Mit der Darstellung des Alten sind zwei am linken Bildrand stehende, in orienta- lische Tracht gewandete Babylonier narrativ verknüpft: der vordere, im Profil ge- zeigt, beugt sich mit dem Oberkörper nach vorne, um den sitzenden Juden mit einem Stöckchen am Ohr zu kitzeln. Mit einem höhnischen Lächeln fordert er vermutlich ein Lied. Der andere Soldat, der hinter dem stichelnden Babylonier zum Vorschein kommt, steigert die Verspottung des Juden noch weiter: Mit erhobenen Armen schlägt er Schellen, die mit Gurten an seinen Händen befestigt sind. Vers 3 von Psalm 137 ist hier authentisch umgesetzt: „Denn die uns gefangen hielten, hießen uns dort singen und in unserem Heulen fröhlich sein: „Singet uns ein Lied von Zion!“ Der junge, bartlose Mann schräg hinter dem alten Juden ist vermutlich auch ein Babylonier. Er steht hinter einer jungen Frau; mit der rechten Hand eine Lanze umfassend, greift er der Jüdin um die Schulter, um ihr eine Blume (?) darzubieten. Dabei drückt er sein Gesicht an die Wange der Frau, als würde er ihr etwas ins Ohr flüstern. Auf der rechten Seite konzentriert sich das Geschehen auf die Wehklage der Gefangenen: Zusammengefunden haben sich zwei Frauen und zwei Kinder; eine weitere Person kniet am äußersten Bildrand. Die eine Frau sitzt frontalansichtig am Boden und wird von zwei Kindern in Beschlag genommen. Ein Junge, geklei- det in eine kurze Tunika, ist von rechts herangekommen, bettet den Kopf an die Brust der Frau und umarmt sie. Ein kleineres Kind sitzt links zu ihren Füßen auf dem Boden; nackt, mit ausgestreckten Beinchen lehnt es sich an das rechte Bein der Mutter und legt den Kopf an ihr Knie. Die zweite, jüngere Frau steht rechts dahinter.

Literatur

79 VI. KATALOG DER WERKE SIMEON SOLOMON

Seymour 1987, S. 37f., 260, Abb. 37. · Catalogue of Platinotype Reproductions 1909. · Ford 1908, S. 75. · Kleeblatt 1995, S. 121, 123 Abb. 7. · Cruise 2005, S. 20, 48. · Das Simeon Solomon Research Archive der Florida Atlantic University www.fau.edu/solomon/index.html.

80 VI. KATALOG DER WERKE CHARLES LANDELLE

21. C HARLES–Z ACHARIE L ANDELLE (1821–1908)

A. Les Femmes de Jérusalem captives à Babylone125, 1861 Bild K45 Salon Paris 1861 Öl auf Leinwand 232 x 163 cm Signatur unten rechts: Ch. Landelle 1861 Provenienz: 1864 Geschenk des Staates Montauban, Musée Ingres

Charles Landelle, 1821 in Laval geboren, begann 1837 an der Ecole des Beaux–Arts bei Paul Delaroche (1797–1856) und Ary Scheffer (1795–1858) zu studieren. Vier Jahre später debütierte er im Pariser Salon, in dem er bis 1848 vorrangig mit Gemälden religiöser Thematik vertreten war.126 Durch eine Reise nach Tunesien und Marokko 1848 kam es zu einer Synthese aus seiner religiösen Malerei und dem Orientalismus.127 1861 entstand das in zahlreichen Einzelstudien vorbereitete Werk „Les Femmes de Jérusalem captives à Babylone“. Ein Reproduktionsstich im selben Jahr von Ulysse Parent (1828– 80?) in der Gazette des Beaux–Arts bezeugt den großen Erfolg der Komposition.128 1862 wurde das Bild nach London zur Weltausstellung geschickt.129 Landelle schrieb am 16. Mai 1862 an den Minister Comte Walesski (1810–1868) dazu: „Ce tableau qui figurait au Salon de 1861 (...) représente mon oeuvre la plus capitale depuis vingt ans que j’expose.“130

Das hochformatige Gemälde präsentiert sechs Frauen in einem nahen Bildaus- schnitt paarweise gruppiert. Unter grauem Himmel lagern sie auf einem erdigen Uferstreifen, der im Mittelgrund links eine Bucht ausbildet. Über die rechte Bild- ecke ragt das blattleere Astwerk eines Weidenbaumes; Weidenruten hängen wie Fäden daran herab. Eine der Frauen hängt gerade eine Leier an einen Aststumpf. Horizontal in der Mitte des Bildes verläuft der Fluss. Den Hintergrund nimmt das jenseitige Ufer ein, wo sich eine vegetationsarme Hügellandschaft erhebt. Links zwischen den Hügeln sieht man die Ausläufer der Stadtmauern Babylons. Die ins- gesamt eintönige, beinahe öde Umgebung lässt die trauernden Jüdinnen in ihren orientalisch bunten Gewändern kontrastreich hervorstechen.

125 Vermutlich wird „captives“ „als Gefangene“ übersetzt; wenn es sich direkt auf „Femmes“ bezie- hen würde, müsste es „captivées“ heißen. 126 Vgl. Bitard, Adolphe: Dictionnaire de biographie contemporaine, Paris 1878; Glaeser 1878; Bel- lier 1882–87; Vaperaux, Gustave: Dictionnaire universel des contemporains, contenant toutes les personnes notables de la France et des pays étrangers, 6. Ausgabe, Paris 1893. 127 Vgl. Pillon, Didier, Schaettel, Charles (Hg.): Charles Landelle 1821–1908, Laval 1987, S. 85. 128 Vgl. Lagrange, Léon: Salon de 1861: Gazette des Beaux–Arts, Paris 1861, 15. Juni 1861, S. 340. 129 Vgl. Catalogue officiel de l’Exposition universelle de 1862 à Londres, section Française, Paris 1862, Nr. 204. 130 Vgl. Archives Nationales, F/21/152, Dossier 31. 81 VI. KATALOG DER WERKE CHARLES LANDELLE

In der Mittelachse steht in vorderster Ebene dem Betrachter zugekehrt ein sich umarmendes Frauenpaar. Die übrigen Frauen befinden sich zu beiden Seiten gleichmäßig verteilt, als seien sie rahmendes Beiwerk. Die größere der beiden Frauen steht links, in ein rotes Gewand gehüllt, kontrapostisch nach rechts ins Halbprofil gekehrt. Diametral zu ihrer Körperhaltung hat sie den angehobenen Kopf nach hinten gewandt und blickt mit leicht geöffnetem Mund entrückt nach oben. Schwarze Haare und ein dunkelgrünes Tuch darüber rahmen das blasse Gesicht. Mit beiden Armen umfasst sie ein junges Mädchen, das sich an ihren Körper schmiegt. Große braune Augen in einem schmalen Gesicht blicken den Betrachter ängstlich an. Das braune lockige Haar schmückt ein leicht zerrupfter Weidenblätterkranz, der ihrer Schönheit eine gewisse Tragik verleiht. Das Mäd- chen trägt einen gelben Rock, von einer blauen Schärpe in der Taille zusammen- gehalten. Die weiße Bluse ist von den Schultern gerutscht, gibt den Rücken frei und hängt bauschig über ihrem linken Arm, den sie an die Brust ihrer Begleiterin lehnt, und verdeckt so gerade noch ihren Busen. Der jungen Frau am linken Bildrand hingegen ist das gelbe Tuch, das über ihrer linken Schulter hängt, durch die Geste ihrer Verzweiflung bis zu den Hüften her- abgeglitten. Wie hingegossen lehnt sie in Dreiviertelrückansicht nach rechts ge- wandt an einer Harfe, die neben einer alten Frau steht. Mit erhobenen Armen hält sie sich an der Schulter der Greisin fest, so dass der Umriss ihrer rechten Brust den Blicken des Betrachters dargeboten wird. Ihr Gesicht wird vom Arm verdeckt. Die roten Haare sind über dem Ohr kunstvoll eingedreht und im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden. Die angewinkelten Beine – von einem lilafarbenen Rock umhüllt – sind vor die Füße der stehenden Frau geschoben, so dass der Körper einen elegant geschwungenen Halbkreis bildet und das Geschehen figural rahmt. Gefasster erträgt die grün gekleidete Alte ihr Schicksal: teilnahmslos sitzt sie nach links gewandt da und starrt mit großen Augen am Betrachter vorbei ins Lee- re. Die Arme sind nach unten ausgestreckt, dabei sind die Hände um den Fuß des Instrumentes gewunden und ineinander verschlungen. Das Gesicht ist hager und ausgemergelt, die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst. Um den Kopf hat sie ein braunes Tuch gewickelt. Auf der rechten Seite ist die Komposition figural nicht geschlossen, im Gegen- teil: eine der Frauen kniet ins Halbprofi nach rechts gekehrt am Boden. Genau wie

82 VI. KATALOG DER WERKE CHARLES LANDELLE

die in rot gekleidete Hauptfigur hat sie den Kopf schräg nach hinten geneigt und blickt mit leicht geöffnetem Mund zum Himmel. Sie trägt ein blaues Gewand und um den Hinterkopf ein graues Tuch; seitlich wellen sich braune Haare bis zum Na- cken. Auf dem rechten Schenkel liegt eine Leier, die sie mit der rechten Hand festhält. Das hölzerne Instrument ist in der Mitte des Fußes mit einem floralen Schnitzwerk versehen. Die andere Hand, von der man die offene Handfläche sieht, scheint das Instrument der unsichtbaren Macht Gottes zu präsentieren, als würde sie fragen: Wie können wir des Herrn Lied singen in fremdem Land? Die andere, im Abseits stehende Jüdin hat die Frage schon beantwortet. Als Dreivier- telrückenfigur nach rechts gekehrt hängt sie mit ausgestreckten Armen ihr Instru- ment auf einen abgebrochenen Ast. Das weiße Kopftuch und die daraus an den Schläfen hervorquellenden dunklen Haare flattern im Wind. Die bauschigen Ärmel des grünlichen, an der Hüfte gerafften Kleides sind wegen der erhobenen Arme nach unten gerutscht.

Literatur Archives Nationales F/21/0152, Dossier 31. · Lagrange 1861, S. 203. · Ders. 1861, S. 340, Stich S. 345. · Catalogue officiel de l’Exposition universelle 1862, Nr. 204. · Bitard 1878. · Glaeser 1878. · Bellier 1882–87. · Vapereau 1893. · Angot 1910. · Stryienski 1911, S. 156. · Catalogue du musée de Montauban 1885, S. 44, Nr. 263, S. 85. · Ternois 1965, Abb. 194. · Angrand 1980, S. 41. · Pillon 1985, S. 185. · Pillion, Schaettel 1987, S. 34, S. 46, S. 85ff., S. 169. · Garric 1993, S. 85. · Vigne 2002, S. 12, Nr. 8, Abb. S. 11.

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Entwürfe

B. Gesamtstudie, 1861 Bild K46 Kreide auf Papier 44,5 x 29,2 cm Unsigniert, Stempel des Ateliers unten rechts Ch Landelle, bezeichnet unten rechts Les Captives à Babylone 1861 Provenienz: Blatt aus Album, das 1986 im Kunsthandel von der Stadt Laval erworben wurde Laval, Musée du Vieux–Château

83 VI. KATALOG DER WERKE CHARLES LANDELLE

Die Studie zeigt die gesamte Komposition des Gemäldes. Eine Bleistiftumrandung zentriert die Skizze auf dem Blatt. Das zentrale Figurenpaar der beiden sich um- armenden Frauen ist detaillierter ausgeführt als die sie umgebenden Gestalten. Da sich signifikante Unterschiede zur finalen Fassung auftun, ist anzunehmen, dass es sich hierbei um einen der ersten Entwürfe handelt, der das gesamte Figu- renarrangement im landschaftlichen Umfeld andeutet. Außerhalb des Rahmens sind links und unten vier kleine Skizzen zu sehen, die in einer Figurengenese die Anordnungen der zwei Frauen am linken Bildrand aufzeigen.

Literatur Soutra 1986. · Pillon, Schaettel 1987, S. 89, Nr. 64 mit Abb. S. 87.

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C. Studie des zentralen Frauenpaares, 1861 Bild K47 Kreide auf Papier 28 x 24 cm Unsigniert, Stempel des Ateliers unten links Provenienz: Blatt aus Album, das 1986 im Kunsthandel von der Stadt Laval erworben wurde Privatbesitz

Die Skizze zeigt das zentrale Frauenpaar. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Ausarbeitung der linken, größeren Frau, während das Gesicht des jungen Mädchens nur angedeutet ist. Bis auf Details entspricht die Studie der Ausführung in der finalen Fassung: Das Kopftuch der Frau ist voluminöser und fällt faltenreich über ihren Rücken. Die Hand des Armes, der das angstvolle Mädchen umfängt, ist nur zur Hälfte zu sehen, während Landelle in der Ölfassung die körperliche An- spannung durch die Wiedergabe angespannter, beinahe verkrampft wirkender Finger betont.

Literatur Pillon, Schaettel 1987, S. 89, Nr. 65 mit Abb. auf S. 88.

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84 VI. KATALOG DER WERKE CHARLES LANDELLE

D. Studie des zentralen Frauenpaares, 1861 Bild K48 Kreide auf Papier 45,7 x 29,4 cm Unsigniert, Stempel des Ateliers, unten be- zeichnet Recherche pour les Captives de Ba- bylone Provenienz: Blatt aus Album, das 1986 im Kunsthandel von der Stadt Laval erworben wurde Laval, Musée du Vieux–Château

Anders als in Studie 21 C konzentriert sich der Entwurf des zentralen Frauenpaa- res auf das Studium des Mädchens. Ungleich skizzenhafter ausgeführt, variiert Landelle den Winkel ihres Spielbeines, so dass sich ihre Hüfte mehr nach außen dreht und ihre Körperhaltung gebeugter und somit bewegter ist.

Literatur Pillon, Schaettel 1987, S. 89, Nr. 66 mit Abb. auf S. 88.

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E. Studie des zentralen Frauenpaares, 1861 Bild K49 Kreide auf Papier 42,9 x 24,6 cm Unsigniert, Stempel des Ateliers, unten be- zeichnet Recherche pour les Captives de Ba- bylone Provenienz: Blatt aus Album, das 1986 im Kunsthandel von der Stadt Laval erworben wurde Laval, Musée du Vieux–Château

Während die Konturen der Frauengestalten nur angedeutet werden, sind Falten- wurf und Draperie der Kleidung der Frau plastisch ausgeführt: Es handelt sich also um eine Gewandstudie, in der Wirkung und Schatten im Bezug auf das Faltenspiel studiert werden.

Literatur Pillon, Schaettel 1987, S. 89, Nr. 67 mit Abb. auf S. 91.

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85 VI. KATALOG DER WERKE CHARLES LANDELLE

F. Studie des zentralen Frauenpaares, 1861 Bild K50 Bleistift auf Papier 15 x 10,4 cm Unsigniert Provenienz: Blatt aus Album, das 1986 im Kunsthandel von der Stadt Laval erworben wurde Laval, Musée du Vieux–Château

Das Blatt zeigt die grob gezeichnete Skizze der zentralen Gruppe. Im Gegensatz zu den drei oben aufgeführten Studien ist der Bildausschnitt vergrößert und auf die Oberkörper mit Beinansatz beschränkt. Unruhig geführte Bleistiftstriche und Schraffuren formen eine heterogene Kontur des mittleren Paares und lassen keine Details zu.

Literatur Pillon, Schaettel 1987, S. 91, Nr. 68 mit Abb. auf S. 90.

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G. Studie des linken Frauenpaares, 1861 Bild K51 Kreide auf Papier 31,7 x 25,8 cm Unsigniert, Stempel des Ateliers unten rechts Provenienz: Blatt aus Album, das 1986 im Kunsthandel von der Stadt Laval erworben wurde Laval, Musée du Vieux–Château

Das Blatt präsentiert eine Studie des Frauenpaares am linken Bildrand. Wiederum thematisiert Landelle ein Gegensatzpaar: erhaben–stark und ängstlich–schwach. Im Gemälde wird er den Kontrast durch einen großen Altersunterschied verstär- ken, der in dieser Zeichnung aber noch nicht zum Tragen kommt, da noch keine Gesichter, sondern nur die Körper konturiert sind. Die Studie konzipiert zunächst das figürliche Arrangement der beiden Frauen. Dennoch ist deutlich zu erkennen, dass die junge Frau im Unterschied zum Gemälde ihren Kopf erhoben hat.

Literatur Pillon, Schaettel 1987, S. 91, Nr. 71 mit Abb. auf S. 94 oben.

86 VI. KATALOG DER WERKE CHARLES LANDELLE

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H. Studie des linken Frauenpaares, 1861 Bild K52 Kreide auf Papier 47,3 x 29,3 cm Unsigniert, Stempel des Ateliers, unten be- zeichnet Recherche pour les Captives de Ba- bylone Provenienz: Blatt aus Album, das 1986 im Kunsthandel von der Stadt Laval erworben wurde Laval, Musée du Vieux–Château

Die Studie konzentriert sich auf Kopf– und Oberkörperpartie der halb liegenden Frau in Dreiviertelrückansicht, während ihre Stütze – die alte Frau – nur grob um- rissen ist. Die lagernde Haltung der Beine greift noch weiter nach rechts aus. Dies wird im Gemälde zurückgenommen, da Landelle mehr Platz für das zentrale Paar benötigt.

Literatur Pillon, Schaettel 1987, S. 91, Nr. 69 mit Abb. auf S. 92.

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I. Studie des linken Frauenpaares, 1861 Bild K53 Kreide auf Papier, verwischt 24,8 x 21,6 cm Unsigniert, Stempel des Ateliers unten rechts Provenienz: Blatt aus Album, das 1986 im Kunsthandel von der Stadt Laval erworben wurde Laval, Musée du Vieux–Château

Bei diesem Entwurf des linken Frauenpaares sind die Körperformen durch die Wischtechnik der Kreide schon plastisch herausgearbeitet. Die versteinerten Züge der Alten sind zu erkennen. Aber immer noch hält die junge Frau ihren Kopf erho- ben, so dass die langen, zu einem Zopf gebundenen Haare, die im Gemälde auf ihrem linken Oberarm liegen, über den Rücken fallen.

Literatur Pillon, Schaettel 1987, S. 91, Nr. 70 mit Abb. auf S. 93.

87 VI. KATALOG DER WERKE CHARLES LANDELLE

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J. Studie der Frau in Rückansicht, 1861 Bild K54 Bleistift auf Papier 26,5 x 19,2 cm Signatur unten rechts: Charles Landelle, be- zeichnet unten links Étude pour les Captives de Babylone Provenienz:– Le Mans, Privatbesitz

Die Einzelstudie zeigt ausschließlich die junge Frau des linken Frauenpaares. Während die Haltung der übereinander gestellten Füße und die Hüftdrehung des Unterkörpers exakt mit dem Gemälde übereinstimmen, zeigen sich in der oberen Körperpartie signifikante Unterschiede: Das Gewand bedeckt die linke Hälfte ihres Rückens und die Haare sind zu einem Knoten im Nacken hochgesteckt.

Literatur Pillon, Schaettel 1987, S. 91, Nr. 72 mit Abb. auf S. 94 unten.

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K. Studie der Frau mit Harfe, 1861 Bild K55 Kreide auf Papier 46,5 x 26,6 cm Unsigniert, Stempel des Ateliers unten rechts Provenienz: Blatt aus Album, das 1986 im Kunsthandel von der Stadt Laval erworben wurde Laval, Musée du Vieux–Château

Studie der weiblichen Person in Dreiviertellinksdrehung, die in der zweiten Bild- ebene rechts eine Harfe in die Zweige des Baumes hängt. Landelle studiert die Jüdin spiegelverkehrt. In der Zeichnung hat sie noch keine Kopfbedeckung; im Gemälde flattert ihr Kopftuch im Wind und bringt Bewegung in die scheinbar reg- lose Szenerie.

Literatur Pillon, Schaettel 1987, S. 91, Nr. 73 mit Abb. auf S. 95.

88 VI. KATALOG DER WERKE CHARLES LANDELLE

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L. Ölstudie der linken Frau Bild K56 Öl auf Leinwand 61 x 51 cm Signatur unten rechts: Ch Landelle Provenienz: 1993 bei Christie’s New York ver- steigert New York, Kunsthandel

Die Ölstudie präsentiert in vergrößertem Ausschnitt die Kopf– und Oberkörperpar- tie der sitzenden Frau am linken Bildrand in Dreiviertelrückansicht. Während Ge- sichtsansatz, Haare, Ohr und die auf dem Unterarm liegende linke Hand beson- ders schön herausgearbeitet sind, erscheint der Rest der Ölstudie skizzenhaft. Obgleich die Vorarbeit keine Unterschiede in Körperform und –haltung zum Ge- mälde aufweist, hat sich Landelle anstelle der braunen Haare später für eine rötli- che Haartönung entschieden.

Literatur Christie’s Auction 19th Century European Paintings, Drawings and Watercolors 1993, S. 45, Nr. 53 Abb.

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M. Les Femmes de Jérusalem captives à Babylone, 1862 Bild K57 Öl auf Tafel 32,4 x 24 cm Signatur unten rechts: Ch. Landelle, 1862 Provenienz: erworben im Kunsthandel Privatbesitz

Die Tafel nimmt als kleindimensionale Ölstudie die figuralen und landschaftlichen Elemente des fertigen Gemäldes vorweg. Vermutlich zeigt sie in Form eines fina- len Entwurfes die Synthese der Einzelstudien.

Literatur Pillon, Schaettel 1987, S. 89, Nr. 63 mit Abb. · Foucart 1987, S. 400, Abb. 204.

89 VI. KATALOG DER WERKE CHARLES LANDELLE

Wiederaufnahmen des Motivs

N. Les Femmes de Jérusalem captives à Babylone, 1862 Bild K58 Öl auf Leinwand 80 x 56 cm Signatur rechts unten: Ch. Landelle Provenienz: 1862 erworben von der Société des Amis des Arts Strasbourg Verschollen

Der Verbleib dieser verkleinerten und fast originalgetreuen Fassung mit halbrun- dem Bildabschluss ist unbekannt. Das Bild wurde 1862 von der Société des Amis des Arts für die Ausstellung in Straßburg gekauft.131 Zum 150. Geburtstag der Kunstfreundegesellschaft 1982 wird es zwar im Katalog aufgeführt,132 ist aber nun laut Angaben des Musée des Beaux–Arts in Straßburg nicht mehr im Bestand vorhanden.133 Auf den ersten Blick wirken die beiden Fassungen identisch, unterscheiden sich aber dennoch: So erscheint der Gesichtsausdruck der in der Mittelachse stehen- den Frau ungleich härter. Die Züge sind weniger harmonisch. Zudem kleidet Landelle die Frau maßvoll: Ihre Schulter ist vom Gewand bedeckt. Dem Betrachter wird eine ältere Frau präsentiert. Variationen fallen vor allem bei der Frau in der zweiten Bildebene rechts auf. Flattert in der Erstfassung noch ein weißes Kopftuch im Wind, so zeigt der Künstler hier die unbedeckten Haare der Jüdin. Das Kopf- tuch ist ihr beim Aufhängen der Harfe heruntergerutscht. Das Saiteninstrument selbst ist keine Leier mehr, sondern eine Harfe.

Literatur Pillon Schaettel 1987, S. 87, Abb. S. 85. · Verzeichnis des Kunstmuseums der Stadt Straßburg 19124, S. 105, Nr. 539. · Haug 1930, S. 63, Nr. 263. · Metz 1982, S. 35.

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131 Vgl. Pillon, Schaettel 1987, S. 85ff. 132 Vgl. Metz, René: Société des amis des arts et des musées de Strasbourg, 150. Geburtstag, Strasbourg 1982, S. 35. 133 Schriftliche Auskunft von Victor Bayer, Mitglied der société des amis des arts de Strasbourg, und von Dominique Jacquot, Conservateur du musée des Beaux-arts de Strasbourg. 90 VI. KATALOG DER WERKE CHARLES LANDELLE

O. L’Exil, 1862 Bild K59 Öl auf Leinwand 141 x 100 cm Signatur unten links: Ch. Landelle Provenienz: 1863 Erwerb des Musée des Beaux–Arts, Marseille Marseille, Musée des Beaux–Arts

Ein Jahr nach dem großen Erfolg der ersten Fassung, die von der französischen Kritik hochgelobt wurde, schuf Landelle für 3.000 Francs eine ausschnitthafte Fas- sung für das Museum von Marseille.134 Das Gemälde konzentriert sich auf die Darstellung der zentralen Gruppe. Die Haltung der zwei stehenden Frauen ist jedoch weitaus melancholischer und das Faltenspiel der Gewandung bewegter: Das Gemälde scheint in seinem Ausdruck intensiviert zu sein. So hat Landelle, um sich dem Farbspiel der Originalfassung zu nähern, einen blauen, in üppige Falten gelegten Umhang mit hellbraunem Fut- ter um den gelben Rock des Mädchens drapiert. Als Pendant dazu flattert das dunkelbraune Kopftuch der Frau kunstvoll stilisiert im Wind. Am rechten Bildrand hängen eine schlichte Harfe und Zimbeln im Baum und imaginieren abbrevia- turhaft die in Rückansicht gezeigte Frau mit Harfe.

Literatur Auquier 1908, S. 163, Nr. 283. · Stryienski 1911, S. 156. · Pillon, Schaettel 1987, S. 34, 85.

134 Vgl. Stryienski, Casimir: Une carrière d’artiste au XIXe siècle, Charles Landelle 1821–1908, Paris 1911, S. 156. 91 VI. KATALOG DER WERKE GIRODON DE PRALONG

22. A NNE–JOSEPH–ALPHONSE G IRODON (1812–1896)

A. La Captivité des Israélites, 1864 Bild K60 Salon 1864 Signatur unten mittig rechts im Holzfuß der Harfe Provenienz: 1865 Ankauf vom Staat Privas, Musée135

Anne–Joseph–Alphonse Girodon, genannt Girodon de Pralong, wurde 1812 in Lyon geboren. Zunächst besuchte er die Ecole des Beaux–Arts in Lyon, wurde aber 1837 Schüler Victor Orsels (1795–1850) an der Pariser Kunstakademie. Sein Oeuvre prägen die Reisen nach Rom und Jerusalem.136 Die vielfigurige Komposition „Captivité des Israélites“, die Girodon de Pralong 1864 in den Salons von Lyon und Paris ausstellte, reiht sich in eine Vielzahl von Werken religiöser und historischer Sujets.137

Auf dem groß angelegten, querformatigen Gemälde wird gemäß den mittelalterli- chen Illustrationen in Psaltern die Kontroverse zwischen den in Babylon gefange- nen Juden und König Nebukadnezar vor Augen geführt: Die Gruppe der Juden – zwei Drittel des Bildes einnehmend – befindet sich frontalansichtig gestaffelt links unter zwei Weiden, deren Laubwerk zu einem großen Teil vom oberen Bildrand überschnitten ist. In dem rechten der beiden Bäume hängen Harfen in den Ästen. Der König und sein Gefolge stehen im Halbprofil gezeigt, zusammengedrängt am rechten Bildrand. Dazwischen öffnet sich der Ausblick auf ein Tal, durch das sich ein Fluss windet. Am jenseitigen Ufer erhebt sich auf hügeligem Terrain Babylon. Das Licht fällt von links ins Bild und trifft die sitzenden Juden und Nebukadnezar. In vorderster Ebene kniet eine in ein tailliertes Gewand gekleidete ältere Jüdin aufrecht zu Füßen des Königs. Ein Mantel fällt von ihrer linken Schulter über ihr aufgestelltes linkes Bein, an dem rahmenparallel – in Rückansicht gesehen – ein Mädchen in langem Kleid und üppig über den Rücken fallenden lockigen Haaren lehnt. Der Kopf der Frau ist nach rechts ins Profil gekehrt. Ein Kopftuch, befestigt mit einem Stirnband, verdeckt ihre Haare. Mit seitlich nach unten ausgestreckten Armen und offenen Handflächen reagiert sie auf die gebieterische Geste des Kö-

135 Leider konnte das Gemälde nicht im Original untersucht werden, da das Museum laut Angaben des Kulturamtes von Privas im November 2002 geschlossen wurde. Der genaue Verbleib ist nun unbekannt. In den Archives Nationales F/21/449, Dossier 12 ist erwähnt, dass „La Captivité des Juifs“ 1865 in das Collège Communal in Privas kam. 136 Vgl. Bellier 1882–87; Audin, Marius, Vial, Eugène: Dictionnaire des artistes et ouvriers d’art du Lyonnais, Bd. 1-2, Paris 1918/19; ThB 1921. 137 Archives Nationales F/21/7635, Folio 21. 92 VI. KATALOG DER WERKE GIRODON DE PRALONG

nigs, der mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf eine vor ihm am Boden lie- gende Harfe deutet. Der König ist als Feldherr in Sandalen, eine kurze Tunika mit Überwurf und einen Helm mit Schweif gekleidet. Neben ihm, in der rechten Bild- ecke, ragt bezeichnenderweise ein von Seilen umwickelter Holzpflock aus dem Boden. Unmittelbar schräg hinter Nebukadnezar steht ein in ein langes Gewand gehüll- ter, bärtiger Mann: Seine Kleidung und die Tatsache, dass er keine Waffen trägt, könnten ihn als Hohepriester ausweisen. Das übrige Gefolge besteht aus Solda- ten, die, mit Speeren und Feldzeichen ausgestattet, hinter dem König und seinem Begleiter warten. Die Juden, die sich hinter der erwähnten Frau bis zum Stamm des Baumes staffeln, begegnen der Gegenwart des Königs mit Desinteresse. So blickt eine Frau, die in der Mitte des Bildes Nebukadnezar am nächsten sitzt, ihn gar nicht an, sondern stützt ihren Kopf mit der Hand und wendet sich ab. Auf der anderen Seite, links der zentralen Gruppe, sorgt sich indessen der vornübergebeugt kniende Jüngling mit den halblangen, dunklen Haaren um die liegende, leblos wirkende junge Frau: Beunruhigt hat er die Hand vor die Brust gehoben, als wolle er das Mädchen berühren. Hinter ihm sitzen zwei bärtige Alte: Der eine, mitten in der Gruppe, stützt den Kopf auf beide Hände und blickt nieder- geschlagen zu Boden. Sein Leidensgenosse sitzt nach rechts gewandt und hat in einer Geste der Ablehnung die Hand erhoben. Mit einer Mischung aus Angst und Ärger blickt er direkt zu Nebukadnezar. Beide tragen lange Gewänder mit Kopftü- chern. Dahinter schließt ein im Schatten des Baumes befindlicher Figurenbogen die Szenerie im Vordergrund ein: Beginnend am linken Bildrand spannt er sich über die beiden erhöht vor dem Baumstamm stehenden Männer, fällt danach zu einem grübelnden, sich den Kopf haltenden Mann ab und endet bei dem direkt vor dem Gefolge am Boden sitzenden Juden, der furchtsam zu den vor ihm stehenden Ba- byloniern aufschaut. Diese figurale Hintergrundfolie stabilisiert die Komposition im Vordergrund und hebt deren Bedeutung hervor.

Literatur Archives Nationales F/21/0449, Dossier 12. · Archives Nationales F/21/7635, Folio 21. · Bellier 1882–87. · Guedy 1892. · Audin–Vial 1918/19. · Lavallée 1999, S. 107.

93 VI. KATALOG DER WERKE EDWARD POYNTER

23. E DWARD P OYNTER (1836–1919)

A. By the Waters of Babylon, 1865 Bild K61 Illustration für Dalziel’s Bible Gallery, 1881 Holzstich 22,2 x 18,1 cm Signatur unten rechts: 18EP65, unten links: DALZIEL, Unterlage bezeichnet: SIR EDWARD POYNTER, BART., P.R.A. “By the rivers of Babylon“. Drawing on wood. Ill. for “Dalziel’s Bible Gallery“, publ. 1881. India–Proof of Wood–engraving by the BROTHERS DAL- ZIEL. Provenienz: Geschenk von Gilbert Dalziel 1924 London, Tate Gallery

Edward Poynter, der spätere Präsident der Royal Academy und Direktor der National Gallery in London, wurde 1836 als Sohn einer Künstlerfamilie in Paris geboren. 1852 begann er bei verschiedenen Lehrern Kunst zu studieren, bis er 1855 in die Royal Academy eintrat. Doch seine Bewunderung für französische Malerei, die er durch Frederic Leighton (1830–1896) in Rom 1853/54 kennen gelernt hatte, veranlasste ihn, nach Paris in das Atelier von Charles Gleyre (1808–1874) zu gehen, wo er vier Jahre blieb. Poynter begann schon in Paris und danach in London mit dekorativen Arbeiten, wie z. B. Glas und Möbel zu entwerfen. Erst 1865 schaffte er den Durchbruch mit dem Gemälde „Faithfull unto Death“ (Liverpool, Walker Art Gallery), das an der Royal Acadamy angenommen wurde.138 Bereits 1863 begann Poynter eine Anzahl von Entwürfen auf Holz zu zeichnen, die als Illustrationen für ein Projekt der Gebrüder Dalziel, der sogenannten „Dalziel’s Bible Gallery“139 bestimmt waren. Während die Dalziels weitere Themen für die Ausschmückung ihrer Bibel suchten, erhielten sie einen Brief von Edward Poynter, datiert auf den 6. November 1865, in dem der Künstler fragt: „May I do following subjects from the Psalms?”140 Von den vorgeschlagenen Psalmen kamen keine zur Ausführung, dafür entstand im selben Jahr „By the Waters of Babylon”. Diese Thematik brachte der Künstler im erwähnten Brief nicht zur Sprache. Insgesamt fertigte Poynter 12 Entwürfe für die Bibel–Galerie der Gebrüder Dalziel an.141

138 Vgl. Sanders 1887; Pratt 1897; Monkhouse, Cosmo: British Contemporary Artists, London 1901, S. 235–267. 139 Die „Dalziel’s Bible Gallery“ war ein Vorhaben der Brüder Dalziel (George Dalziel, 1815–1902, Edward, 1817–1905, John, 1822 – 1869 und Thomas Bolton Gilchrist Dalziel 1823–1906), eine luxuriös illustrierte Bibel zu publizieren. In den 1860er Jahren entstanden 62 Holzstiche zu alt- testamentarischen Geschichten, die auf zeichnerischen Entwürfen führender englischer Künst- ler des 19. Jahrhunderts wie Burne–Jones, Watts, Hunt, Leighton, Solomon, Madox Brown u. a. basierten. Der komplette Band wurde 1881 veröffentlicht. Grundlegend dazu: The Brothers Dal- ziel, A record of fifty years’ work in conjunction with many of the most distinguished artists of the period 1840–1890, London 1901, S. 237ff. Vgl. auch Houfe, Simon: The Dictionary of British Book Illustrators and Caricaturists 1800–1914, Woodbridge 1978, S. 133ff., 279. 140 The Brothers Dalziel 1901, S. 218. 141 Sie befinden sich in der Londoner Tate Gallery: „Moses keeping Jethro’s sheep” 1863, „Moses and Aaron before Pharao” 1863, „Joseph presents his father to Pharao” 1864, „Pharao honours Joseph” 1864, „Miriam” 1864, „Joseph before Pharao” 1864, „Joseph distributes corn” 1864, „Moses strikes the rock” 1865, „By the Waters of Babylon” 1865, „Daniel’s prayer” 1865, „The 94 VI. KATALOG DER WERKE EDWARD POYNTER

Die Illustration „By the Waters of Babylon“ zeigt den nahen Ausschnitt eines archi- tektonisch befestigten Ufers. Stufen führen zu dem parallel am unteren Bildrand verlaufenden Fluss. Auf der Wasseroberfläche zwischen Seerosen spiegelt sich die ufernahe Szenerie: Unter dem Laubdach eines am rechten Bildrand stehenden Ahorns versuchen drei Babylonier, schöne, in üppig und faltenreich fließende Ro- ben gekleidete jüdische Frauen von edlem Stand zu überreden, Lieder zu singen. Den Schauplatz des Geschehens schließt eine parallel zum Bildgrund verlaufende Gebäudewand ab. Links kann man durch eine geöffnete Holztür, deren Rahmen und Sturz mit einem Palmettenfries verziert sind, in einen prachtvollen Hof blicken. Darin führen Stufen zu einem Absatz, der von einem skulptural gerahmten Torbo- gen hinterfangen wird. Der Treppenabsatz ist der Schauplatz der Handlung: Zwei Babylonier spielen auf großen Harfen, während eine Frau zu den Klängen der Mu- sik tanzend mit erhobenen Armen die Schellen im Takt schlägt. Doch die Jüdinnen vor dem Tor wehren dieses Ansinnen ab. Der Hohepriester, der sich durch den spitzen, mit Edelsteinen verzierten Hut auszeichnet, nimmt eine Harfe vom Ast, während ein anderer Bärtiger frontalan- sichtig davor steht und vornüber gebeugt eine der beiden Jüdinnen, die auf einer filigranen Holzbank sitzen, auffordert, auf dem dargebotenen, mit Quasten ge- schmückten Saiteninstrument zu spielen. Die in ein dunkles Gewand gehüllte Frau jedoch wendet sich von dem sie bedrängenden Mann ab und birgt das Haupt mit dem langen Haar an der Schulter ihrer Gefährtin. Diese sitzt mit übereinanderge- schlagenen Beinen ins Halbprofil nach links gewandt und beobachtet, die Hand ihrer angsterfüllten Freundin haltend, das Geschehen. Eine babylonische Frau steht in Dreiviertelrückansicht links im Bild. Ihr Gebaren unterstreicht das Ansinnen ihrer Begleiter: Gebieterisch hat sie ihren linken Fuß auf die Bank gestellt und stützt sich mit dem rechten Arm darauf ab; dabei deutet sie mit den Fingern der linken Hand in Richtung der Feierlichkeiten, die im Hof des Gebäudes stattfinden, und scheint den Bärtigen, der die Harfe darreicht, auf die Dringlichkeit seines Auftrages, Lieder zu fordern, hinzuweisen. Alle drei Babylonier sind prächtig gekleidet: Mit Ornamenten bestickte und fransenverzierte Oberbe- kleidung, ein ebenso pompöser Kopfputz und Schmuck wie Armreifen und Ohrrin- ge zeigen dem Betrachter Angehörige der babylonischen Oberschicht. Gleicher-

Israelites in Egypt: Water carriers”, „Moses slaying the Egyptians” 1881. „Moses and Aaron be- fore Pharao” befindet sich in London, Victoria und Albert Museum. 95 VI. KATALOG DER WERKE EDWARD POYNTER

maßen scheinen die Gefangenen von edler Geburt zu sein und haben nichts Bö- ses zu befürchten, wie die glanzvolle Umgebung des Königspalastes demonstriert. Auf den Stufen der Uferpromenade lagern zwei weitere jüdische Frauen in weißen Gewändern. Die eine, im Halbprofil gesehen, sitzt zu Füßen der beiden einander zugewandten Leidensgenossinnen. Neben ihr, vom rechten Bildrand überschnitten, steht eine gemusterte Amphore. Die Frau hebt ihr Kopftuch aus dem Gesicht und dreht ihren Kopf über die rechte Schulter, um die Szene mit den Babyloniern zu beobachten. Die parallel zum Bildgrund auf einem Orientteppich liegende Frau tut es ihr gleich: dem Betrachter zugewandt, stützt sie sich auf den rechten Ellenbogen und verfolgt, den Kopf ins Profil gerückt, das Geschehen. Die andere Hand hat sie grübelnd ans Kinn gelegt. Ihr Haar wird von einem Netz zu- sammengehalten. Das weite Gewand breitet sich faltenreich so weit über dem Bo- den aus, dass der Saum über die Stufen hängt. Dekorativ ornamental, mit geringer Tiefenräumlichkeit breitet sich die Komposi- tion vor den Augen des Betrachters aus. Selbst die Falten der Gewänder werden zu flächenverhafteten Ornamenten.

Literatur Fox 1894, S. 170, Abb. 171.

96 VI. KATALOG DER WERKE ANSELM FEUERBACH

24. A NSELM F EUERBACH (1829–1880)

A. Allegorische Szene oder Die trauernden Juden, 1869 Bild K62 Öl auf Leinwand (Ölstudie) 67 x 77,5 cm Signatur: unten links A. Feuerbach 1869, un- ten rechts in Farbe gekratzt monogrammiert BGW 64 sowie nummeriert 147.,142 oder 13 CW 64 147. 143 Provenienz: 1961 Erwerb aus dem Münchner Kunsthandel, Schweinfurt, Slg. Georg Schäfer bis 2005 Privatbesitz, Süddeutschland

Anselm Feuerbach, der 1829 als Sohn eines Gymnasialprofessors für Griechisch und Latein in Speyer geboren wurde, versuchte zeitlebens, seine Griechenlandsehnsucht, eine Sehnsucht nach einem historisch fern gerückten Idealzustand, mit seiner Malerei zu stillen.144 Seine Ausbildung begann er 1845 an der Düsseldorfer Akademie bei Schadow und Lessing. Die Mischung aus Heroismus und Resignation färbte auf Feuerbach ab.145 1849 wechselte er nach München, wo ihn Carl Rahl (1812–1865) und Bonaventura Genelli (1798–1868) beeinflussten. 1850 setzte er sein Studium in Antwerpen unter Gustaaf Wappers (1803–1874, Direktor der Akademie in Antwerpen) fort und eineinhalb Jahre später in Paris, wo er in das Atelier von Thomas Couture kam. Die Reisen nach Venedig 1855 und anschließend nach Rom, wo er – von kurzen Unterbrechungen abgesehen – bis 1872 blieb, prägten seine künstlerische Formensprache: Er nahm sich die Renaissance zum Vorbild.146 Die Ölstudie, die unter dem Namen „Allegorische Szene“ bekannt ist, entstand 1869.

In einem Querformat zentralistisch angeordnet sind trauernde Personen unter ei- ner Baumgruppe am Flussufer versammelt; links hängt eine Harfe in den Zweigen: Es sind jüdische Frauen, Kinder und ein Mann in der babylonischen Gefangen- schaft, die vor dem Hintergrund eines abendlichen, von der Sonne getönten Him-

142 Vgl. Neumeister Auktion Sammlung Georg Schäfer, 24. Februar 2005, München 2005, S. 22, Nr. 25. 143 Vgl. Ecker, Jürgen: Anselm Feuerbach, Leben und Werk, Kritischer Katalog der Gemälde, Öl- skizzen und Ölstudien, München 1991, S. 236. Ecker datiert die Ölstudie zwischen 1855 und 1864. Malweise und Zusammenbindung der Figuren zu einer Gruppe verweisen deutlich auf Feuerbachs Schaffen in den fünfziger Jahren und zeigen noch die Einflüsse Thomas Coutures. Für das Monogramm und die Datierung rechts unten schlägt Ecker eine Zusammenarbeit Feu- erbachs mit dem Münchner Porträt– und Genremaler Cäsar Willich (1825–1886) vor. Willich und Feuerbach sind sich 1854 in Paris begegnet, wie zwei Briefe Feuerbachs belegen. Liest man aber das Monogramm nicht als CW, sondern als BGW, dann ergibt diese Vermutung kei- nen Sinn. Die Signatur des Künstlers selbst datiert das Gemälde auf 1869. Es könnte sich also um die nachträgliche Einritzung eines späteren Besitzers handeln. Da keiner der älteren Werk- kataloge, die von Feuerbach existieren, diese Ölskizze erwähnt, ist die eindeutige Klärung schwierig. 144 Vgl. Supan 1988, S. 478. 145 Vgl. ebd., S. 480. 146 Vgl. ThB 1915, Bd. 11; Deutsche Männer, 200 Bildnisse und Lebensbeschreibungen, Berlin 1938; Dresch, Jutta: Art. zu „Feuerbach“, in: AKL 2005, Bd. 39. 97 VI. KATALOG DER WERKE ANSELM FEUERBACH

mels vor sich hinbrüten. Links ist der Fluss zu sehen, der um das Landstück her- um in eine Bucht mündet, die sich parallel zum unteren Bildrand aushöhlt. Die Hal- tung der Figuren im Vordergrund ist nach links zum Fluss ausgerichtet. In der Mittelachse thront erhöht auf einem Erdstreifen eine Frau, die in einem leuchtend orangefarbenen Kleid frontalansichtig präsentiert wird. In Gedanken versunken starrt sie zu Boden und hat dabei die Finger ihrer geballten Faust an die Wange gelegt. Die dunklen, langen Haare sind gescheitelt und werden am Hinterkopf von einem roten Schleier bedeckt. Der linke Arm ruht auf dem Rücken einer Jüdin, die in Seitenansicht gesehen rechts zu ihren Füßen kniet. Sie hat ih- ren Arm quer über die Beine der Frau gelegt und ihren Kopf seitlich daraufgebet- tet. Die andere Hand ist stützend unter das Kinn geschoben. Das dunkle Haar ist im Nacken zu einem Knoten gebunden. Niedergeschlagen blickt sie zum Fluss. Der rote Gürtel ihres blauen Kleides ist aufgegangen, so dass es an der Seite weit aufklafft und die Hüfte entblößt. Links sitzt eine weitere junge Frau an der Uferböschung und lässt einen Fuß baumeln. Im Profil gezeigt, lehnt sie sich mit dem Rücken an die Beine der im Zentrum sitzenden Frau. Ein Bein ist aufgestellt. Locker hat sie ihre Hände über Kreuz aufs Knie gelegt. Ihr Kopf ist gesenkt; auch sie blickt, ja starrt beinahe ins Wasser. Ein Stirnband schmückt ihre dunklen Haare, die im Nacken zusammen- gebunden sind. Sie trägt ein durchsichtiges rosafarbenes Gewand, das ihren Kör- per mehr enthüllt als verdeckt. Ein goldener Reif schmückt den Oberarm. Die Gruppe der drei Frauen wird von einem auf dem Bauch parallel zum Bildgrund liegenden nackten Mädchen im vordersten Raumplan ergänzt. Es ruht direkt ne- ben dem Wasserlauf und steckt die Fingerspitzen der linken Hand ins Wasser, während ihre rechte Hand ihr Kinn stützt. Die Beine sind übereinander geschla- gen. Der hellgelbe Schurz ist von den Hüften gerutscht. Dunkle Haare fallen über den Rücken. Genau wie die älteren Leidensgenossinnen sehnt sich das Mädchen nach der fernen Heimat und schaut grübelnd über das Gewässer. Auf der rechten Bildhälfte kauert ein in sein Gewand gehüllter Mann: In sich zu- sammengesunken stützt er gerade noch seinen Kopf mit der rechten Hand, bevor dieser auf die Knie sinken würde. Auf seinem Schoß sieht man den Kopf eines leblosen Vogels liegen. Von rechts drängt sich ein nacktes Kind unter seinem kraftlos herabhängenden Arm hindurch an seine Seite. Es hält ein kleines Tier im Arm, dem es die ganze Aufmerksamkeit widmet.

98 VI. KATALOG DER WERKE ANSELM FEUERBACH

Abseits von den Personen im Vordergrund stehen eine Frau mit Kleinkind und ein Mann; beide sind ins Halbprofil nach rechts gewandt. In sich versunken geben sie ihrer Trauer Ausdruck: Die Umrisse der Frau, die den Kopf des Kindes an ihre Wange drückt, verschmelzen mit dem Braun der Bäume. Die Silhouette des Man- nes dagegen, der rechts hinter ihr am Stamm des Baumes lehnt, hebt sich vor dem in leuchtende Farben getauchten Abendhimmel ab. Er hat die Arme vor der Brust verschränkt und hält seinen Kopf nach rechts ins Profil geneigt. Der legere skizzenhafte Farbauftrag und die schwarzen Linien, die als Konturen dienen, legen die Vermutung nahe, dass das kleinformatige Werk der Entwurf für eine größere Fassung gewesen sein könnte. Doch passt das biblische Sujet nicht in das von antiken Themen dominierte Oeuvre Feuerbachs.

Literatur Ecker 1994, S. 236f., 385, Abb. · Neumeister Auktion Sammlung Georg Schäfer 2005, S. 22, Nr. 25, Abb.

99 VI. KATALOG DER WERKE JOSEPH FÜHRICH

25. J OSEPH VON F ÜHRICH (1800–1876)

A. Super Flumina Babylonis, 1871/72 Bild K63 Entwurf zur Publikation „Der Psalter“, 1875 Bleistift auf Papier 20,9 x 14,9 cm (mit Passepartout) Unsigniert Provenienz: 1892 Erwerb der Albertina, Wien Wien, Albertina

1871 bis 1872 entwarf Führich 32 Bleistiftkonturen zur Illustration der Psalmen, die 1875 in einer Psalterübersetzung von Franz von Allioli – gestochen von Kaspar Oertel – erschienen.147

Die Bleistiftkontur in der hochformatigen Rahmung ist auf ein diagonales Halbbild reduziert: Die Komposition baut sich über die rechte untere Bildecke auf, während die linke obere leer bleibt. In dieser Fläche erscheint in der Psalterpublikation der Text: „Psalm 136 Klagelied der Gefangenen. Ein Psalm Davids, (oder) Jeremias. An den Flüssen Babylons, dort saßen wir und weinten, wenn wir Sions gedach- ten.“148 Der Stamm eines Weidenbaumes reckt sich am rechten Bildrand entlang in die Höhe. Ein tief hängender Ast ragt diagonal in die Mitte der Zeichnung und trennt Illustration und Text. Darunter halten sich einige Juden auf: drei Männer und eine Frau mit Kind. Links, die Böschung hinab, verläuft ein windungsreicher Fluss. Jen- seits des Ufers bietet sich der Ausblick auf eine ferne Landschaft. Zwischen den Figuren hindurch sieht man nicht allzu weit entfernt den Teil eines mächtigen Ge- bäudes. Im Mittelpunkt des kleinformatigen Blattes lagert die Frau. Sie ist in Frontalan- sicht dargestellt, während die drei Männer zu ihrer Linken profilansichtig nach hin- ten gestaffelt am Stamm des Baumes sitzen. Mit einem Tuch, das sie um ihre Hand gewickelt hat, wischt sie sich die Tränen von den Augen, dabei hält sie ihren Kopf gebeugt, so dass der Betrachter ihre gescheitelte Frisur und den Haarkranz am Hinterkopf zu Gesicht bekommt. Das Kind in ihrem Schoß streckt beide Ärm- chen der Mutter entgegen: es will gehalten werden. Doch die Frau ist zu sehr in ihre Trauer versunken, dass sie es wohl nicht bemerkt und mit dem linken Arm

147 Allioli, J. Franz von: Der Psalter, mit Originalzeichnungen von Joseph Ritter von Führich, In Holzschnitt ausgeführt von Kaspar Oertel, Leipzig 1875. Vgl. dazu Wörndle 1914, S. 142, Nr. 725 a. 148 Allioli 1875, S. 337. 100 VI. KATALOG DER WERKE JOSEPH FÜHRICH

selbst Halt bei dem ihr benachbarten Mann sucht. Dieser lehnt am Stamm der Weide. Seine Beine sind angewinkelt, so dass sich die Frau auf sein Knie stützen kann. Von Kopf bis Fuß ist er in ein Gewand gehüllt. Sein Profil bleibt dem Be- trachter verborgen, nur die langen Barthaare zeugen von einer männlichen Per- son. Hinter ihm, etwas erhöht, sitzt ein weiterer Mann. Mit gefalteten Händen um- spannt er die Knie und zieht seine Beine an den Rumpf heran. Sein Kopf ist leicht angehoben; denn sein Blick ist auf die Harfe gerichtet, die über ihm an einem ab- gebrochenen Ast hängt. Der Mann neben ihm weist mit ausgestreckten Armen in die Ferne. In der Figurenabfolge erzählt Führich die Verse von Psalm 137. Jede Person erfüllt eine bestimmte Funktion, die genau auf die Darstellung im Text passt: die Frau weint, die in ein Gewand gehüllte Person denkt an Zion, der Mann dahinter hat seine Harfe an die Weide gehängt, während der letzte auf das fremde Land weist, in dem er keine Lieder singen will.

Literatur Osswald 1926, Abb. S. 101.

101 VI. KATALOG DER WERKE AIMÉ MOROT

26. P RIX DE R OME DE LA P EINTURE HISTORIQUE 1873

1. A IMÉ N ICOLAS M OROT (1850–1918)

A. La Captivité des Juifs à Babylone, 1873 Bild K64 Premier Grand Prix Öl auf Leinwand 145,1 x 113 cm Unsigniert Provenienz: Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux–Arts Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux– Arts

1850 in Nancy geboren, wurde der Künstler Aimé Morot 1869 Schüler des Alexandre Cabanel an der Ecole des Beaux–Arts149 und erlangte Berühmtheit durch die Erringung des Rompreises 1873 zum Thema „Captivité des Juifs à Babylone“.150 Ein Brief, den Morot während des Wettbewerbs an einen Freund geschrieben hat, zeigt eine Skizze zum vorgegebenen Thema. Die Konkurrenten mussten isoliert von der Außenwelt ihre Entwurfsskizzen anfertigen.

„Nous sommes entrés en loge le 18 pour faire le concours de 36 heures. Le sujet donné est ceci La Captivité des Juifs Voici le passage souligné. (Nous nous sommes assis auprès d’une fleuve de Babylon, et là nous avons pleuré en nous souve- nant de Cion) Je suis peut–être très prétentieux car je ne suis pas très mé- content de mon esquisse ou projet. Je t’en fais le croquis c’est pour que tu me donnes des conseils. J’espère que tu me rendras ce service; si tu me connais tu ne douteras pas que je parle très sérieusement. Je vais sérieusement bûcher en loge. Ah si tu étais en loge avec moi en compagnie de ta muse et de ton piano je se- rais presque sûr d’avoir le prix.“151

Die hochformatige Komposition zeigt eine Gruppe von Männern, Frauen und Kin- dern, die an einem steinigen, vegetationslosen Ufer lagern und sich, betrübt über ihr Schicksal, in den Armen halten und trösten. Von der rechten Bildecke stößt der Fluss an einen seichten, aber zerklüfteten Strand. Auf der linken Seite wird die

149 Vgl. Rienzi, Emile, Michelis di: Panthéon des lettres, des sciences et des arts, profils contempo- rains, Paris 1893; Curinier, C. E.: Dictionnaire national des contemporains, Paris 1889-1906. 150 Vgl. Les Prix de Rome en 1873, in: Le Monde illustré, Journal hebdomadaire, 4. Oktober 1873, S. 214. 151 Chu, Petra Ten–Doesschate: Unsuspected Pleasures in Artists’ Letters, in: Apollo 1976, Bd. 104, S. 303. 102 VI. KATALOG DER WERKE AIMÉ MOROT

Szenerie von einer steilen, alles in ihren Schatten werfenden Felswand hinterfan- gen. Daran führt ein schmaler Pfad – bevölkert von weiteren Israeliten – serpenti- nenartig nach oben. Rechts verläuft der Fluss, im Hintergrund erstrahlt in Sonnen- licht getaucht Babylon. Ein Wachsoldat, dessen Silhouette sich kontrastreich von der goldenen Stadt abhebt, beaufsichtigt die Gefangenen. Die Hauptgruppe am vorderen Bildrand ist eine junge Familie, die frontal zum Betrachter auf einer gemusterten, mit Fransen verzierten Decke lagert. Der Mann, nur mit einem blauen Lendenschurz bekleidet, hält seine Frau im Arm, die ihrer- seits zwei Kinder auf dem Schoß hält. Das Paar verkörpert das Leid über das Exil in zwei gegensätzlichen Weisen: zum einen die männliche Dynamik eines gefes- selten Heros, zum anderen die Erschöpfung und der Schmerz der Frau. Er hat das linke Bein angewinkelt, stützt sich mit dem Ellenbogen darauf ab und blickt ver- sonnen nach rechts aus dem Bild. Ein schwarzes Stirnband hält die dunklen Lo- cken aus seinem Gesicht mit den schönen klassischen Zügen. Über seinem Rü- cken – von den Schultern schon herabgerutscht – hängt ein heller, mit Mustern verzierter Umhang, der gerade noch seinen rechten, seitlich auf einem Stein aus- gestreckt ruhenden Arm bedeckt und sich am Boden ausbreitet. Eisenfesseln am rechten Handgelenk und an beiden Fußgelenken haben seine braune Haut aufge- schürft. Sein dunkelhäutiger, muskulöser Körper steht im Kontrast zu der hellen Weich- heit seiner Frau. Sie lehnt ihren Kopf an die Schulter des Mannes. Erschlaffte Glieder und die geschlossenen Augen zeugen von körperlicher Entkräftung. Ihr entblößter Oberkörper zeigt elfenbeinfarbene Haut, die einen leuchtenden Akzent setzt. Auf dem Kopf trägt sie ein Schmuckband mit Goldscheiben, das den brau- nen Schleier über ihren langen, schwarzen Haaren fixiert. Kreolen mit Edelsteinen schmücken die Ohren. Über ihre Beine hat sie eine wertvolle, dunkelblaue, mit breiten Goldstreifen gemusterte Draperie gebreitet, auf der zwei sich zärtlich zu- einander wendende Kinder liegen. Die Frau hat die Arme um die Kinder gelegt, deren Aussehen gegensätzlicher nicht sein könnte: Während das eine blondge- lockt und hellhäutig auf dem Schoß der Frau liegt, eingehüllt in ein grün–weiß gestreifes Tuch, ist das andere, etwas größere, von dunkler Hautfarbe und hat schwarze Haare. Nackt liegt es seitlich – im Profil gesehen – halb auf dem Boden. Liebevoll greift es das Ärmchen des blonden Kindes und drückt ihm einen Kuss auf die Wange, was das Kleine auflachen lässt: Ein fröhlicher Moment in einer

103 VI. KATALOG DER WERKE AIMÉ MOROT

trostlosen Situation. Auch die körperliche Plastizität, hervorgerufen durch die un- terschiedlichen Hauttöne, verlebendigt den Bildgegenstand. Die orientalistischen Details kulminieren in der mit Elfenbein inkrustierten kostbaren Harfe, die neben dem Vater achtlos halb im Wasser liegt. In der zweiten Raumebene sind die Juden paarweise auf dem Uferstück verteilt. Rechts kniet eine rassige Frau. Die reich mit Silberreifen geschmückten Arme ausgestreckt in den Schoß gelegt, hebt sie mit geschlossenen Augen und halb geöffnetem Mund den Kopf. Tücher bedecken ihre Haare. Üppige Silberketten mit großen Scheiben fallen in das tiefe Dekolleté, wo nur noch ein kleines Stück Stoff die letzte Blöße verdeckt. Der dunkle Umhang scheint über die Schulter gerutscht zu sein, so dass er nunmehr über den Beinen liegt. Rechts neben ihr liegt, parallel zum Bildgrund, ein Mann auf dem Bauch. Er ist zur Hälfte vom rechten Bildrand überschnitten, man sieht nur seinen Oberkörper rückansichtig. Eine orangefarbe- ne Draperie umhüllt seine untere Rückenpartie. Im Gegensatz zu seiner weibli- chen Begleitung, in deren Gesicht Hoffung geschrieben steht, hat er den Kopf in seinen Armen vergraben. Auf der linken Seite – entlang der Felswand – befindet sich eine Reihe von ein- ander umarmenden Paaren. Den Anfang macht eine im Halbprofil nach rechts kauernde Frau, die ihr Kind in den Armen hält. Sie trägt ein blaues Kleid, das an Brust und Seite aufklafft. Ein Kopftuch in der derselben Farbe ergänzt die Gewan- dung. Beschützend drückt sie den Kopf des Kindes an ihre Wange. Schräg hinter ihr stehen zwei bärtige, in lange, dunkle Gewänder gehüllte Männer. Der Mann links lehnt niedergeschlagen den Kopf an die Wange seines Gefährten, in der rechten Hand hält er ein hölzernes, schlichtes Saiteninstrument. Der andere erwi- dert die Geste, indem er den Arm um die Schultern des Mannes legt und seine linke Hand ergreift. Dennoch blickt er wachsam nach rechts aus dem Bild. Die Figurenfolge wird fortgesetzt durch zwei am Boden sitzende Männer. Der eine sitzt mit nacktem Oberkörper in Dreiviertelrückansicht zusammengekauert und hat seinen Kopf auf die Knie gelegt, die Arme umspannen dabei seine ange- zogenen Beine. Dem Betrachter zugewandt lagert ein anderer Mann seitlich am Boden und stützt sich mit dem Ellenbogen an einem Felsvorsprung ab. Das oran- gerote Gewand bildet einen leuchtenden Kontrast zu seiner dunklen Haut. Wirre Haare und ein trübsinniger Blick geben ihm ein wehmütiges Aussehen.

104 VI. KATALOG DER WERKE AIMÉ MOROT

Nun geht der Blick weiter in den Bildmittelgrund, wo der Pfad den Felsen hinauf führt. Am Anfang der Steigung steht – frontal zum Betrachter – ein Hebräer. Ge- kleidet in eine Toga, hängt er gerade eine Harfe in den aus einer Felsspalte wach- senden, spärlich belaubten Baum. Neben und hinter ihm lagern weitere Juden, bis der Weg hinter dem Felsen verschwindet. Rechts im Hintergrund liegt in einer Tal- senke das sonnenbestrahlte Babylon. Der bewaffnete Babylonier, der rechts auf einem etwas abschüssigen Gelände in Wassernähe steht, beobachtet die Gefan- genen aufmerksam. Er trägt eine assyrische Tracht, die aus einem kurzen, silber- verbrämten Rock, einem reichverziertem Hemd und einem Nemes besteht. An seiner Seite hängt ein Rundschild, in den vor seinem Körper verschränkten Hän- den hält er ein Schwert mit der Spitze nach oben.

Literatur Archives de l’Ecole Nationale Supérieure des Beaux–Arts AJ52 1 à 1415. · Le Monde illustré 4. Oktober 1873, Bd. 32, S. 214, Stich S. 213. · Rozier 1873, S. 99, Stich S. 224. · Lermina 1884. · Martin 1887. · Rienzi 1893. · Vapereau 1893. · Cu- rinier 1889–1906. · Moreau–Vauthier 1906, S. 4, 6, T. 1. · Guiffrey, Barthelemy 1908, S. 134. · Widor 1926. · Chu 1976, S. 301, Abb. 7 und 8, S. 303. · Harding 1980, S. 100.

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Entwürfe

B. Pause, 19. April 1873 Bild K65 Bleistift auf Transparentpapier 45 x 34,5 cm Signatur unten rechts: A.Morot, bezeichnet oben links 19 avril 1873 A. Lenoir, mittig 1 Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux– Arts

Die Pause zeigt mit lockeren Strichen die genaue Figurenkonstellation an. Morot zeichnet die Köpfe gemäß seiner akademischen Ausbildung als Ovale mit darin eingeschriebenen Kreuzen, die die Gesichtszüge markieren sollen. Details und Hintergrundgestaltung lässt er im Ungewissen: So fehlt die auffallend verzierte Harfe im Vordergrund und der von Juden bevölkerte Pfad. ·

105 VI. KATALOG DER WERKE AIMÉ MOROT

C. Gesamtstudie, 1873 Bild K66 Öl auf Leinwand 45 x 34,5 cm Signatur unten links: A.Morot 73, auf der Rückseite Hommage à Madame Paton/A. Mo- rot Provenienz: Kunsthandel

Da durch das Reglement des Wettbewerbs keine Veränderungen vom ersten Entwurf bis zur finalen Fassung vorgenommen werden durften, bereitet die Ölstu- die das Gemälde detailliert vor. Selbst Muster und Verzierungen der Stoffe hat Morot exakt übernommen. Auf der Rückseite der Leinwand hat Morot eine Wid- mung geschrieben. „Hommage à Madame Paton“.152

Literatur Sotheby’s Auktion Tableaux et dessins anciens et du XIXe siècle principalement de l’école Française 2003, S. 86, Nr. 98 Abb.

152 Dabei könnte es sich um eine zeitgenössische Schriftstellerin handeln. Jacqueline Paton, die spätere Frau von Leon Comerre, wurde als Bildhauerin durch das Bronze–Medaillonbildnis der Schriftstellerin Mme Paton auf deren Grab auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris (1887) be- kannt. Vgl. ThB 1912, Bd. 7; Stolpe, Elmar: Art. zu „Comerre-Paton“, in: AKL 1998, Bd. 20. 106 VI. KATALOG DER WERKE EDOUARD DEBAT-PONSAN

2. E DOUARD–BERNARD D EBAT–PONSAN (1847–1913)

A. Super Flumina Babylonis, 1873 Bild K67 Premier Second Grand Prix Öl auf Leinwand 145 x 115 cm Unsigniert Provenienz: Ankauf vom Staat, seit 1884 in der französischen Botschaft Berlin, März 1926 im Pertuis Centre hospitalier de Pertuis (Vauc- luse) Verschollen

Edouard Debat–Ponsan, geboren 1847 in Toulouse, erhielt seine akademische Ausbildung bei Alexandre Cabanel an der Ecole des Beaux–Arts in Paris. Beim alljährlichen Grand Prix de Rome de la Peinture gewann der Künstler 1873 zum Thema „Captivité des Juifs à Babylone“ nach Aimé Morot den zweiten Preis.153 In einem zeitgenössischen Bericht wird das Gemälde gelobt: „M. Ponsan fait un bon tableau, dans lequel j’ai remarqué une excellente figure de vieillard, espèce de Jérémie, assis à gauche près d’un groupe bien composé et habilement executé. (...)“154

Die Komposition breitet sich in einem Figurenhalbrund vor dem Betrachter aus. Am Ufer, das am rechten unteren Bildrand ausschwingt und wellenartig rechts in den Hintergrund tritt, sitzen mehrere Israeliten, bewacht von einem babylonischen Soldaten zu Pferd. Der aufrecht im Sattel sitzende Reiter, der hinter der Gruppe Posten bezogen hat, dominiert die Mittelachse, aber die gefangenen, trauernden Juden beachten ihn nicht. Im Hintergrund erheben sich die Bauten Babylons. Aus der zentralen Gruppe hebt sich eine Frau hervor, die, aus der Mittelachse etwas nach links gerückt, frontal zum Betrachter sitzt und diesen mit ernstem Blick ansieht. Mit ihren Armen umfängt sie zwei Personen. Links einen kleinen Jungen, der nackt an ihrer Seite steht und sich schutzsuchend an ihre Brust drückt, wäh- rend er den Kopf über die Schulter wendet und nach oben blickt. Rechts lagert eine junge Frau und stützt sich auf den Schoß der Älteren. Ihre Arme liegen aus- gestreckt über den Beinen der Frau und die Finger ihrer übereinanderliegenden Hände greifen ineinander. Ihr Kopf ist aufgerichtet und sie blickt nach oben zu der

153 Vgl. Album Mariani: Figures contemporaines tirées de l’Album Mariani, Paris 1901; ThB 1913; Edouard–Joseph, René: Dictionnaire biographique des artistes contemporains, Paris 1930. AKL 2000 (Hier ist der Titel, zu dem Debat–Ponsan 1873 den 2. Rompreis gewonnen hat, als „Priam venant réclamer le corps d’Hector à Achille“ falsch vermerkt.) 154 Rozier, Jacques: Ecole des Beaux-Arts, Les Prix de Rome, in: L’Illustration, Journal universel, 4. 10. 1873, Bd. 62, S. 99. Der Prophet Jeremias war niemals in babylonischer Gefangenschaft. Siehe hierzu S. 26 im Textteil. 107 VI. KATALOG DER WERKE EDOUARD DEBAT-PONSAN

sitzenden Jüdin. Vor dieser Dreiergruppe liegt diagonal zum Bildgrund nach links gerichtet ein Mann auf dem Bauch und hält sich mit beiden Händen den Kopf. Die Beine sind von einem Tuch bedeckt, der nackte Oberkörper zeigt ein gewaltiges Muskelspiel. Kontrastierend dazu wirkt der alte Jude, der am linken Bildrand ins Profil nach rechts gerückt sitzt und das Bildgeschehen abschließt. Ein zu Boden geneigter Kopf, eingefallene Schultern und schlaffe Haut über dem zusammenge- sunkenen Brustkorb signalisieren Niedergeschlagenheit und ein Sich–Aufgeben. Dahinter, in der zweiten Bildebene, steht ein sich umarmendes Paar. Auf der rechten Bildhälfte sind noch weitere Juden unmittelbar am Ufer ver- sammelt: eine anscheinend schlafende Frau mit geneigtem Kopf, daneben eine Gestalt, den Kopf auf den Knien, die Arme um den Kopf geschlungen. Vor der Hin- tergrundsilhouette heben sich zwei frontal zum Betrachter stehende Juden ab. Sie stehen eng nebeneinander, einer blickt gen Himmel.

Literatur Rozier 1873, S. 99. · Guiffrey, Barthelemy 1908, S. 134. · ThB 1913.

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Entwürfe

B. Pause, 19. April 1873 Bild K68 Bleistift auf Transparentpapier 45 x 34,5 cm Signatur unten rechts: E.Ponsan, bezeichnet oben links: 19 avril 1873 A. Lenoir, mittig und rechts 3 Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux– Arts

Die Pause zeichnet sich durch eine präzise Malweise aus: Klar gezeichnete Li- nien, die vollständige Körper und Gesichter formen, zeugen von einer sicheren Hand und scheinen mühelos ausgeführt zu sein. Ähnlich wie sein Konkurrent Mo- rot führt er in der Zeichnung schon viele Details auf. Dennoch sind Unterschiede zu erkennen: So sitzt ganz rechts, zu Füßen des Pferdes, eine Frau auf ihre Harfe gestützt am Ufer; sie wurde im Gemälde durch mehrere Personen, wie oben er- wähnt, ersetzt.

108 VI. KATALOG DER WERKE JEAN-ANDRÉ RIXENS

3. J EAN– ANDRE R IXENS (1846–1925)

A. Super Flumina Babylonis, 1873 Bild K69 Deuxième Second Grand Prix Öl auf Leinwand 145,1 x 113 cm Unsigniert Provenienz: 1876 Geschenk vom Staat Saint–Gaudens, Hôtel de Ville

1846 in Saint–Gaudens, einem Dorf im Departement Haute–Garonne, geboren, besuchte Rixens zunächst die Kunstakademie in Toulouse. Dort erhielt er den Second Grand Prix de la Ville für „La Mort d’Alcibiade“ und ein Stipendium für die Ausbildung an der Pariser Ecole des Beaux–Arts. 1867 trat er in das Atelier von Jean–Léon Gérôme (1824–1904) ein.155 Beim Prix de Rome de la Peinture historique 1873 erhielt er zum Thema „Captivité des Juifs à Babylon“ nach Morot und Debat–Ponsan den dritten Preis.156 Das Gemälde wurde auf Wunsch des Abgeordneten Lassus in den Geburtsort des Künstlers, Saint– Gaudens, gebracht.157 In seinem Jugendwerk thematisierte Rixens den Tod. Gemälde wie „La Mort de Cléopatre“ (Toulouse, Musée des Augustins), „Le Cadavre de César“ (Niort, Musée) und „La Mort d’Agrippine“ (Musée de Béziers) folgten.158 Der Anspruch der Akademie, Gemütsbewegungen leidenschaftlicher Art darzustellen,159 hat bei Rixens zunächst gefruchtet, bis er sich der Porträtmalerei zuwendete.

Eine mit Rosetten verzierte Mauer schiebt sich von rechts diagonal in das quer- formatige Gemälde und wird bis in den Mittelgrund optisch verlängert durch einen Uferstreifen, auf dem Menschen dicht an dicht lagern. Ein ruhiger Fluss, vom lin- ken Bildrand überschnitten, wird im Hintergrund von der monumentalen Stadtbe- festigung Babylons begrenzt. Im vorderen Raumplan breitet sich rahmenparallel zum unteren Bildrand ein sandiges Uferstück aus, auf dem sich etliche Juden im Schatten eines Weidenbaumes niedergelassen haben. Die Ausrichtung des Bildpersonals gehorcht der schräg ins Bild geführten Mau- erarchitektur. An einem niedrigen Aststumpf der dicken Weide jenseits der Mauer hängt eine Harfe mit hölzernen Schellen. Ein babylonischer Soldat mit einer Peit- sche in der Hand steht erhöht hinter der Mauer und beobachtet – auf den Sims

155 Vgl. Vapereau 1893; Curinier 1889-1906. 156 Vgl. Rozier 1873, S. 99. 157 Vgl. Archives Nationales F/21/471. 158 Vgl. Rivet, Barlangue Luce: La vie artistique à Toulouse 1888–1939, Toulouse 1989, S. 817f. 159 Siehe hierzu die Niederschriften der 1667 an der Pariser Académie Royale de Peinture et de Sculpture abgehaltenen Conférences, in: Félibien, André: Conférences de l’Académie Royale de Peinture et de Sculpture 1667, in Ders.: Entretiens sur les vies et sur les ouvrages de plus excellents peintres anciens et modernes, Farnborough 1967, (Nachdr. der Ausgabe Trévoux 1725). Siehe außerdem Montagu, Jennifer: The Expression of the Passions, The Origin and In- fluence of Charles le Bruns’s Conférence sur l’expression générale et particulière, New Haven, London 1994, S. 58ff. 109 VI. KATALOG DER WERKE JEAN-ANDRÉ RIXENS

gelehnt – die Gefangenen. Dahinter sieht man den unteren Teil eines massiven Befestigungswalls. Optischer Protagonist ist die halbprofilansichtige Gestalt eines bartlosen Priesters, der in der Mittelachse des Bildes steht. Er trägt ein nemes- artiges Kopftuch, ist in ein langes, dunkelblaues Gewand gekleidet, dessen V–förmiger Ausschnitt orangefarben verbrämt ist, und hat den rechten Arm aus- gebreitet; er blickt entrückt in eine für den Betrachter nicht sichtbare Ferne. Mit der anderen Hand stützt er den nackt vor ihm stehenden, in Dreiviertelrückansicht ge- zeigten Knaben. Kraftlos ist der Kopf des schmalen Jünglings mit den halblangen braunen Locken zu Seite gesunken, während er sich noch mit dem linken Arm an der Schulter des Mannes festhält. Hinter dem Priester spielt sich eine ähnliche Szene ab. Auf den Stufen einer Treppe, die vom Ufer auf den Mauerring führt, liegt ein Jude. Verzweifelt vergräbt er seinen Kopf in den Armen. Ein älterer bärtiger Mann beugt sich über ihn und spendet Trost. Weiter links sitzt ins Halbprofil gekehrt auf der untersten Stufe der Treppe ein bärtiger Greis. Erschüttert über sein Schicksal hat er den Kopf zurück- geworfen und die Hand auf Stirn und Augen gelegt. Das bräunliche Gewand ist ihm bis zur Taille gerutscht. Sein zusammengesunkener, nackter Oberkörper zeigt die Spuren des Alters. Ein besonderes Augenmerk hat der babylonische Krieger auf einen jungen Mann und eine Frau mit Kind geworfen, die in der rechten Bildecke am Fuße der Mauer sitzen. Der Mann hat sich abgewandt, so dass er nun frontal zum Betrach- ter lagert. Seine gefalteten Hände umspannen das schräg aufgestellte, linke Bein, während das andere ausgestreckt ist. Mit gebeugtem Kopf blickt er zu Boden. Das nachdenkliche Gesicht rahmen halblange, dunkle Haare. Der Oberkörper ist nackt, als Beinkleid fungiert ein hellblaues Gewebe, das mit einer buntgemusterten Borte verziert ist. Die Frau, gekleidet in ein bräunliches, langes Gewand mit tiefem V–Ausschnitt, lehnt dahinter mit dem Rücken an der Mauer, die Beine ausge- streckt. Auf ihrem Schoß sitzt ein schlafendes, nacktes Kind. Zärtlich umfängt sie es mit dem Arm an der Schulter, so dass das Köpfchen des Kindes – leicht nach hinten gefallen – an ihrer Brust liegt. Mit zur Seite geneigtem Haupt, dessen brau- ne Locken von einem Band aus der Stirn gehalten werden, betrachtet sie das Kind. Direkt am Stamm des Baumes sieht man die vom Schatten verdunkelte Gestalt einer Frau, die zwischen der Gruppe in vorderster Ebene und dem Priester vermit-

110 VI. KATALOG DER WERKE JEAN-ANDRÉ RIXENS

telt. Mit angewinkelten Beinen stützt sie sich mit dem rechten Arm am Boden auf. Der Kopf, auf dem sie einen Nemes trägt, ist zum Betrachter geneigt; die Augen sind geschlossen. Das bläuliche Gewand ist ihr heruntergerutscht und entblößt ihre Brust. Vor ihr liegt ein Mann horizontal nach links gerichtet auf dem Bauch. Der Kopf ruht auf dem rechten Arm mit dem Gesicht nach unten, während die El- lenbogen aufgestellt und die Hände zum Gebet gefaltet sind: ein Flehen um Be- freiung. Das rote Gewand, das nur noch um Hüfte und Beine geschlungen ist, gibt einen muskulösen Oberkörper frei. Nun schweift der Blick des Betrachters über die Uferböschung, wo ein weiterer Jude – im Halbprofil gesehen – kauert, bis zu der entfernten Landzunge. Dort befindet sich, wiederum im Schatten einer Weide, ein Szenenrapport von Israeliten, die ihre Instrumente in den Baum gehängt ha- ben und der fernen Heimat nachtrauern.

Literatur Archives Nationales F/21/4910A, Dossier 1, Pièce 12. · Archives Nationales F/21/0471. · Rozier 1873, S. 99. · Guiffrey, Barthelemy 1908 S. 134. · Décap 1932, S. 1, 7. · Abadie 1925, S. 232. · Mange 1987, S. 264. · Rivet 1989, S. 817. · Man- ge o. J., S. 5.

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Entwürfe

B. Pause, 19. April 1873 Bild K70 Bleistift auf Transparentpapier 45 x 34,5 cm Signatur unten rechts: Rixens, bezeichnet oben links 19 avril 1873 A. Lenoir, mittig und rechts 2 Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux– Arts

Mit unsteten Formen arbeitet Rixens die figurale Komposition grob heraus. Ge- sichter und Körperkonturen sind nur vage definiert. Dennoch lassen sich Unter- schiede zur Ölfassung erkennen: der Entwurf zeigt eine nicht so rechtslastige An- ordnung des Bildpersonals. Die Figur des Priesters ist weiter nach links versetzt, so dass die Treppe mit dem darauf liegenden Juden als Mittelpunkt fokussiert wird. Zudem ist zwischen dem Figurenpaar in der rechten Bildecke und der Frau

111 VI. KATALOG DER WERKE JEAN-ANDRÉ RIXENS

zu Füßen des Priesters eine weitere, halbansichtige Liegefigur konzipiert worden. Der Hintergrund und vegetabile Elemente sind nicht angedeutet.

E NTWÜRFE DER ÜBRIGEN T EILNEHMER AM W ETT-

BEWERB 1873

Hierbei handelt es sich ausschließlich um Pausen, französisch Calques. Dies sind Bleistiftzeichnungen auf transparentem Papier. Der teilnehmende Schüler musste im 1. Teil der 3. Prüfung des Grand Prix de Rome de la peinture historique, die insgesamt 72 Tage dauerte, innerhalb von 12 Stunden einen Entwurf anfertigen. Dazu saßen die Schüler isoliert in Logen. Die Nummerierung der Pause entspricht derselben Logennummer. Die Skizzen wurden eingesammelt und vom zuständi- gen Professor und dem Wettbewerbsteilnehmer signiert. Danach wurde die Blei- stiftskizze auf eine kleinformatige Leinwand appliziert. Dieser Vorgang wurde als „decalquer“, durchpausen, bezeichnet, in dem die wesentlichen Umrisse über- nommen wurden: Es entstand die Ölskizze, in der das Hinzukommen der Farbe eine Rolle spielte. Durch dieses Vorgehen konnte der kompositorische Aufbau bis zum fertigen Gemälde nicht mehr verändert werden. Der erste Entwurf war also der maßgebende. Zum Schluss wurden die Skizzen mit der finalen Ausführung verglichen. Bei zu großen Abweichungen sowie bei einer zu unklaren Skizze wur- de der Teilnehmer disqualifiziert.160

160 Vgl. Grunchec, Phillipe: Les concours des Prix de Rome 1797–1863, Paris 1986, Bd. 1, S. 27ff. Nach freundlicher Auskunft von Madame de Couëssin, Ecole Nationale Supérieure des Beaux– Arts Paris sind alle Ölskizzen verschollen bzw. befinden sich unbekannterweise in Privatbesitz. 112 VI. KATALOG DER WERKE EDOUARD VIMONT

4. E DOUARD V IMONT (1846–1930)

A. Pause, 19. April 1873 Bild K71 Bleistift auf Transparentpapier 45 x 34,5 cm Signatur unten rechts: Vimont, bezeichnet oben links 19 avril 1873 A. Lenoir, mittig 4 Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux– Arts

Schon 1869 kam Edouard Vimont, 1846 in Paris geboren, als Schüler von Alexandre Cabanel mit dem Thema „Le Soldat de Marathon“ auf den 2. Platz des Prix de Rome. 161

Sein querformatiger Entwurf zeigt eine pyramidale Figurenkomposition. Eine archi- tektonische bzw. landschaftliche Umgebung ist nicht definiert; lediglich die Kontu- ren eines Baumes auf der rechten Seite deuten eine Örtlichkeit an. Die Gruppe der Juden besteht aus sieben Personen, deren Gesichter nicht gezeichnet sind. Allein durch die Körperhaltung vermittelt das Bildpersonal Gemütsbewegungen. Die figurale Komposition entwickelt sich rechts bei der sitzenden Frau mit Kind zu einer über Eck gestellten Pyramide, die genau das Zentrum des Entwurfes bildet. Hinter der kauernden Frau liegt – ähnlich wie bei der Komposition von Debat–

Ponsan (KATALOG 26 2A, BILD K67) – ein Mann diagonal zum Bildgrund auf dem Bauch und birgt seinen Kopf unter den Händen. Dahinter bauen sich zwei Figurenpaare auf: Ein Mann sitzt erhöht frontal zum Betrachter und hat seinen rechten Arm er- hoben; am Handgelenk sieht man eine Fessel hängen. An seine Seite gelehnt la- gert ein weiterer Mann. Schräg dahinter sitzt eine Person im Halbprofil nach links gewandt und hält eine Frau im Arm. In leichten Umrissen sind am linken Bildrand in einem weiten bildparallelen Raumplan weitere Figuren zu erkennen.

Literatur Rozier 1873, S. 99.

161 Vgl. Bellier 1882–87; Edouard–Joseph 1934; ThB 1940, Bd. 23. 113 VI. KATALOG DER WERKE THÉOBALD CHARTRAN

5. T HÉOBALD C HARTRAN (1849–1907)

A. Pause, 19. April 1873 Bild K72 Bleistift auf Transparentpapier 45 x 34,5 cm Signatur: unten rechts Chartran, bezeichnet oben links 19 avril 1873 A. Lenoir, mittig und rechts 5 Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux– Arts

Fünf Jahre nach Aimé Morots Erfolg beim Prix de Rome errang Chartran aus Besançon den Rompreis mit einer Darstellung „Prise de Rome par les Gaulois“. In den Jahren darauf wurde Chartran mit Preisen und Medaillen überhäuft. Die akademische Malerei bestimmen vor allem historische Themen aus der Zeit der französischen Gotik. Mit zahlreichen Wandgemälden bestückte er öffentliche Gebäude. In den 90er Jahren widmete er sich der Porträtmalerei und machte sich damit in der höheren Gesellschaft Frankreichs, Englands und besonders der USA einen Namen. 162

Die Zeichnung Chartrans zum Grand Prix 1873 lässt schon endgültige Formen erkennen: Zusammengeballt im Zentrum des querformatigen Blattes, tummelt sich vor dem Hintergrund zweier Sphinxen eine große Anzahl von Israeliten. Babyloni- sche Wachsoldaten mit Lanzen drängen die Juden zusammen. Ein seine Lanze schwingender Reiter mit sich aufbäumendem Pferd ragt hinter der angsterfüllten Menschenmenge auf. Links im Hintergrund sieht man tempelartige Gebäude, die zur Stadt Babylon gehören. Im Vordergrund, wo die Figuren in eine Kreiskomposi- tion eingeschrieben sind, dominiert die Darstellung eines jungen Paares. Mit angstverzerrtem Gesicht stehen beide einander umarmend in der Mittelachse. Rechts neben dem Mann sitzt eine ältere Frau. Schützend umfängt sie das an ih- rer Seite stehende Kind. Links peinigt ein Soldat einen Gefangenen. Dieser, sich wehrend, versucht das vor ihm stehende Kind zu schützen. Ein anderes flieht im Laufschritt über die linke Flanke in Richtung der alten Frau. Durch Schattierungen, die Licht und Schatten imaginieren, schafft Chartran eine bewegte Zeichnung.

Literatur –

162 Vgl. Curinier 1889-1906; ThB 1912, Bd. 6; Fourquet, Emilie: Les Hommes célèbres et les per- sonnalités marquantes de Franche–Comté du IVe siècle à nos jours, Besançon 1929; Weis- berg, Gabriel P.: Art. zu „Chartran“ in: AKL 1998, Bd. 18. 114 VI. KATALOG DER WERKE FERNAND EMMANUEL PELEZ

6. F ERNAND E MMANUEL P ELEZ (1843–1913)

A. Pause, 19. April 1873 Bild K73 Bleistift auf Transparentpapier 45 x 34,5 cm Signatur: unten rechts Pelez, bezeichnet oben links 19 avril 1873 A. Lenoir, mittig und rechts 6 Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux– Arts

Fernand Pelez wurde als Sohn des Landschaftsmalers und Aquarellisten Fernand Pelez de Cordova (1820–1899) 1843 in Paris geboren. Als Schüler des Alexandre Cabanel nahm er 1873 am Prix de Rome teil. Danach gewann er mit Genreszenen Auszeichnun- gen. 163

Die von Pelez entworfene Pause geometrisiert und vereinfacht die Darstellung der „Gefangenschaft der Juden in Babylon“. Ausschließlich gradlinige Striche formen menschliche Körper. Keine Rundungen sind zu erkennen. Selbst die Kontur der Köpfe ist eckig. Neun Personen finden in einem nahfokussierten Ausschnitt auf der querformatigen Zeichnung Platz. Auf der linken Seite bildet der aus zwei Stri- chen bestehende Umriss eines Baumstammes die senkrechte Koordinate. Ein Jude lehnt daran. Am Boden lagern fünf Personen. Von rechts nähern sich zwei weitere Menschen der Gruppe unter dem Baum. Links im Hintergrund sieht man mehrere Figuren sitzen.

Literatur Album Mariani 1901.

163 Vgl. Lermina 1884; Vapereau 1893; Album Mariani 1901. 115 VI. KATALOG DER WERKE EUGÈNE MEDARD

7. E UGÈNE M ÉDARD (1847–1887)

A. Pause, 19. April 1873 Bild K74 Bleistift auf Transparentpapier 45 x 34,5 cm Signatur: unten rechts Medard, bezeichnet oben links 19 avril 1873 A. Lenoir, mittig 7 Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux– Arts

Eugène Médard gewann schon 1872 den Premier Second Grand Prix mit „Une Scene du Deluge“. 1847 in Paris geboren, erhielt er seine akademische Ausbildung unter Léon Cogniet (1794–1880), Sébastien–Melchior Cornu (1804–1870) und Jean–Léon Gérôme (1824–1904).164

Médard zeigt die Szenerie der Trauernden Juden in einem Weitwinkel. Unter ei- nem Baum in der Mittelachse, dessen Blattwerk vom oberen Rand überschnitten wird, ist eine große Gruppe von Juden versammelt. Links ist abschüssiges Gelän- de markiert: das Ufer. Die Hauptszenerie ist mit Bleisitft dunkel schraffiert und do- miniert so über die in Umrissen gehaltene Hintergrundbühne. Dem Betrachter am nächsten, etwas abseits der Gruppe, lagert rechts ein Paar. Die Frau liegt mit auf- gestellten Beinen parallel zum unteren Bildrand auf dem Boden, den Kopf im Schoß des Mannes. Dieser – frontal gesehen – sitzt seitlich verlagert und stützt sich mit der rechten Hand auf. Am Baumstamm drängen sich Frauen, Männer und Kinder zusammen, einer hängt gerade eine Harfe in die Äste des Baumes. Von rechts kommt ein Reiter an die Juden heran.165

Literatur Rozier 1873, S. 99.

164 Vgl. Bellier 1882–87; ThB 1930, Bd. 24. 165 In einem Brief des französischen Kultusministeriums von 1888 ist vermerkt, dass Médard dem Staat eine Zeichnung „Captivité des Juifs à Babylone“ geschenkt habe. Diese solle dem Musée Nationale du Luxembourg übergeben werden. Vgl. Archives Nationales F/21/2099. Hierbei han- delt es sich vermutlich um die Ölskizze, die sich heute mit ziemlicher Sicherheit (keine Bestäti- gung) im Depot des Musée d’Orsay befindet. 116 VI. KATALOG DER WERKE LÉON-FRANCOIS COMERRE

8. L EON–FRANÇOIS C OMERRE (1850–1916)

A. Pause, 19. April 1873 Bild K75 Bleistift auf Transparentpapier 45 x 34,5 cm Signatur: unten rechts L.Comerre, bezeichnet oben links 19 avril 1873 A. Lenoir, mittig 8 Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux– Arts

Der 1850 in Trélon geborene Léon Comerre erhielt einen prägenden Einfluss durch Alexandre Cabanel an der Akademie in Paris. Für seine Komposition der Trauernden Juden 1873 in „L’Illustration, journal universel“ schon lobend erwähnt,166 gewann er 1875 den Grand Prix de Rome mit der Darstellung „L’Ange annonçant aux bergers la naissance du Christ“. In Rom freundete er sich u.a. mit Aimé Morot an. Der Maler heiratete 1881 seine Künstlerkollegin Jacqueline Paton.167

In dem grobskizzierten, querformatigen Entwurf lässt sich eine Gruppe von Juden erkennen, die vor einer Mauerarchitektur lagern. Rechts im Hintergrund steht die monumentale Skulptur einer Sphinx. Die Figuren sind kantig gezeichnet und zum Teil ausschraffiert. Comerre hat keine Gesichter ausgeführt, und Männer und Frauen sind zum Teil nicht deutlich definiert. Die zentrale Gruppe besteht aus vier Personen, von denen eine in der Mittelachse frontal zum Betrachter steht. Sie wird zu beiden Seiten von Trauernden gerahmt. Rechts eine sitzende Gestalt, vor der eine Person halb am Boden liegt. Links sitzt ein Mann ins Profil nach rechts ge- kehrt. Neben ihm befinden sich weitere Gefangene, die sehr undeutlich gezeichnet sind. Über ihnen lehnt ein Babylonier über dem Mauervorsprung und versucht ei- nen Gegenstand, vielleicht eine Harfe, herunterzureichen.

Literatur Rozier 1873, S. 99.

166 Vgl. Rozier 1873, S. 99. 167 Vgl. Rienzi 1893; Vapereau 1893; Vibert, Paul: Silhouettes contemporaines des hommes de mon temps, Paris 1900; ThB 1912, Bd. 7; Stolpe, Elmar: Art. zu „Comerre“ in: AKL 1998, Bd. 20. 117 VI. KATALOG DER WERKE LÉONARD JARRAUD

9. L ÉONARD J ARRAUD (1848–?)

A. Pause, 19. April 1873 Bild K76 Bleistift auf Transparentpapier 45 x 34,5 cm Signatur: unten links Jarraud, bezeichnet oben links 19 avril 1873 A. Lenoir, mittig 9 Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux– Arts

Léonard Jarraud, 1848 in Couronne (Charente) geboren, ging zunächst den akademi- schen Weg und war Schüler bei Jean–Léon Gérôme an der Ecole des Beaux–Arts. Später zeigte er sich mehr von Gustave Courbets (1819–1877) Realismus beeinflusst und zog sich in sein Heimatdorf zurück, wo er sich, abgeschnitten von jeder Berührung mit den neueren Kunstströmungen, der Darstellung ländlicher Motive widmete.168

Seine im Hochformat gewählte Darstellung zeichnet sich durch eine klare Struktu- rierung und eine weiche, runde Formgebung der Figuren aus. Vor und auf einem über Eck gestellten kubischen Mauerblock stehen, sitzen und liegen Personen. Im Gegensatz zu den Entwürfen seiner Konkurrenten stellt Jarraud das biblische Su- jet sehr vereinfacht dar und lässt sich somit viel Spielraum für die Gemäldeausfüh- rung. Immerhin wird aber eine gewisse Niedergeschlagenheit oder Bedrücktheit der Personen durch ihre Haltung und Gebärdensprache vermittelt.

Literatur –

168 Vgl. ThB 1925, Bd. 19. 118 VI. KATALOG DER WERKE LÉON DU PATY

10. L ÉON D U PATY (1849– CA. 1920)

A. Pause, 19. April 1873 Bild K77 Bleistift auf Transparentpapier 45 x 34,5 cm Signatur: unten links L. du Paty, bezeichnet oben links 19 avril 1873 A. Lenoir, mittig 10 Paris, Ecole Nationale Supérieure des Beaux– Arts

Der 1849 in Paris geborene Maler Léon du Paty war Schüler des Isidore Pils (1813–1875) und machte sich – durch den Einfluss seines Lehrers – in seiner späteren künstlerischen Laufbahn einen Namen durch Genrebilder militärischer Art.169 Diese Manier tritt schon in der Darstellung zum Wettbewerb um den Rompreis 1873 zu Tage.

Die Komposition lebt von dem rechts in die bedrückte Trauerszenerie eindringen- den babylonischen Soldaten, der den Juden befiehlt, Lieder zu spielen. Energisch deutet er mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand zu dem Baum, wo einer der Juden gerade eine Harfe in die Äste hängt. Rechts wahrt ein zweiter Baum die Bildsymmetrie. Dazwischen ist eine landschaftliche Struktur angedeutet. Die von dem Babylonier angesprochenen Juden reagieren nicht auf die Forderung. Statt- dessen geben sie sich ihrem Kummer hin. In der Mittelachse kniet eine Frau im Halbprofil nach links gekehrt. Ihr Gesicht, dessen Züge nicht gezeichnet sind, ist dem Betrachter zugewandt. Vor ihr in Dreiviertelrückansicht sitzt eine weitere Frau, auf ihre Harfe gestützt. Ihr gegenüber birgt eine Person den Kopf in den Ar- men. Auf der linken Seite lehnt ein Mann am Baumstamm. Ein Kind drückt sich an seine Seite. Das figürliche Gleichgewicht der Komposition wiederherstellend, steht hinter dem Soldaten am rechten Bildrand eine hölzerne Wiege; zwei Kreise deuten wohl die Köpfe der darin sitzenden Kinder an.

Literatur –

169 Vgl. Bellier 1882–87; Edouard–Joseph 1930; ThB 1914, Bd. 10; Robichon, François: Art. zu „Du Paty“, in: AKL 2002, Bd. 31. 119 VI. KATALOG DER WERKE EVELYN DE MORGAN

27. E VELYN DE M ORGAN, GEB. P ICKERING (1855–1919)

A. By the Waters of Babylon, 1882/83 Bild K78 Öl auf Leinwand 88,9 x 167 cm Signatur: unten rechts EP 1882–83 Provenienz: aus dem Besitz Mrs Wilhelmina Stirling (Schwester der Künstlerin) London, de Morgan Foundation

Die außerordentlich erfolgreiche Malerein Evelyn de Morgan gehörte zur zweiten Künstlergeneration der Prä–Raphaeliten.170 Als ältestes Kind des Anwaltes Percival Pickering QC und Nichte des prä–raphaelitischen Malers John Roddam Spencer– Stanhope (1829–1908), wurde Evelyn de Morgan 1855 in London geboren. Mit 17 wurde sie als erste Frau Studentin an der Slade School of Art unter Edward Poynter, von dessen Akademismus sie zunächst sehr geprägt wurde. Doch schon die Reise nach Italien, die sie 1875 antrat, veranlasste die Künstlerin, ihre Vorbilder in ihrem Onkel Spencer Stanhope und in den Meistern der florentinischen Frührenaissance mit Botticelli zu suchen. Ein eigener, distinguierter Stil mit überlängten Figuren, grazilen Posen und gesuchten Gesten, der sich durch eine Synthese von Allegorie und Symbolismus auszeichnet, begann sich fern von den klassischen Themen der Slade School zu entwickeln.171 1877 eröffnete als avantgardistische Alternative zur Royal Academy die Grosvenor Gallery172, bei deren erster Ausstellung die junge Künstlerin Evelyn Pickering eingeladen wurde, ihr Debüt mit dem Gemälde „Ariadne at Naxos“ (London, The de Morgan Foundation at Old Battersea House) zu geben.173 Auch „By the Waters of Babylon“ wurde 1883 zuerst in der Grosvenor Gallery gezeigt.174 In den folgenden Jahren war es in Manchester und Liverpool zu sehen.175 Das Gemälde ist eines der wenigen im Oeuvre der Malerin, dem ein biblisches Sujet zugrunde liegt. Die zeitgenössische Kritik, die auf das Gemälde wie auf kein anderes ihrer Werke reagierte, war ambivalent: Zum einen wurde die „dramatic intensitiy“176 gelobt, zum

170 Die Präraffaelitische Bruderschaft wurde 1848 von Dante Gabriel Rossetti (1828–1882) und William Holman Hunt (1827–1910) gegründet. Vgl. Bate, Percy H.: The English Pre–Raphaelite Painters, their Associates and Successors, London 1901, S. 3–14. Zur zweiten Generation ge- hören u. a. Spencer Stanhope (1829–1908), Charles Fairfax Murrey (1849–1919), John Melhu- ish Strudwick (1849–1935), Thomas Matthews Rooke (1842–1942), Marie Stillman (erwähnt 1867–1885) und Evelyn de Morgan. Vgl. Bate 1901, S. 111–115. Siehe außerdem Marsh, Jan, Nunn, Pamela Gerrish: Women Artists and the Pre–Raphaelite Movement, London 1989, S. 77–113. 171 Vgl. Gaze, Delia (Hg.): Dictionary of Women Artists, Bd.1, London, Chicago 1997. 172 Sir Coutts Lindsey und seine Frau Blanche gründeten die Grosvenor Gallery als offizielle Alter- native zu der Royal Academy. Siehe dazu Casteras, Susan, Denney, Colleen (Hg.): The Gros- venor Gallery, a Palace of Art in Victorian England, New Haven 1996, S. 9ff. Siehe außerdem Denney, Colleen: At the Temple of Art, the Grosvenor Gallery, 1877–1890, London 2000. 173 Vgl. Marsh, Jan, Nunn, Pamela Gerrish: Pre-Raphaelite Women Artists, Ausst., London1998, S. 47. 174 Vgl. Blackburn, Henry (Hg.): Illustrated Catalogue of the Summer Exhibition at the Grosvenor Gallery (Grosvenor Notes), London 1883, Nr. 43. Wiederabdruck bei Newall, Christopher: The Grosvenor Gallery Exhibitions, Change and Continuity in the Victorian Art World, Cambridge 1995, S. 68. 175 Vgl. Gordon, Catherine (Hg.): Evelyn de Morgan Oil Paintings, London 1996, S. 16, Nr. 19, S. 28; Marsh, Nunn 1998, S. 140, Nr. 60. 176 Art Chronicle, in: The Portfolio, Juni 1883, S. 125. 120 VI. KATALOG DER WERKE EVELYN DE MORGAN anderen empfand man die stilistische Nähe zu Spencer–Stanhope und Burne–Jones als „second–hand“177.

In einem lang gezogenen Querformat bevölkern trauernde Juden als figurales Or- nament eine italienisch anmutende Flussebene im Licht der untergehenden Son- ne. Es ist eine zeitlos ruhige und durch die herbstlichen Farbtöne düstere Szene- rie, in der sich ein Personenrapport – eingefasst von zwei Rahmenfiguren – prä- sentiert. Keine zentrale Gruppe zieht den Blick des Betrachters zunächst auf sich. Juden in antikisierenden Gewändern lagern verstreut unter Weiden zu beiden Sei- ten eines Flussarms, der horizontal durch das Gemälde läuft. Der Hauptstrom windet sich rechts durch die Ebene. Sonnenstrahlen lassen die Wasseroberfläche glitzern. Rechts in der Ferne sieht man die Silhouette einer Berglandschaft, wäh- rend sich links die mit Fialen bekrönten Türme Babylons von dem gelben Himmel abheben. In der ersten Bildebene sind sieben stereotype Frauen und zwei Männer isoliert in ihrer Trauer vorgeführt. Verschiedenartige Instrumente liegen auf dem Boden verstreut. Links und rechts rahmen zwei Figuren durch ihre nach innen gebeugte Körperhaltung die Komposition. Es gibt keine Rahmenüberschneidungen, so dass das Gemälde formal abgeschlossen wirkt. Am linken Bildrand steht gebeugt eine Frau in Profilansicht und stützt sich mit dem Kopf auf eine beinahe mannshohe Harfe, deren Fuß mit Blätter– und Früchteranken verziert ist. Ihre Arme hat sie um das Instrument gelegt, ihre Finger elegant ineinander verschlungen. Das dunkelro- te, in der Taille geraffte Gewand haftet zartfaltig an ihrem Körper und betont die weiblichen Formen. Vor dem Saiteninstrument knien zwei Frauen: die eine, in ei- nem grünen Gewand mit brauner Schärpe, frontal zum Betrachter; ihr Kopf mit den braunen Locken ist nach rechts geneigt. Blaue Augen blicken trübselig zu Bo- den. Die andere kniet rechts daneben und blickt den Betrachter an. Trostspen- dend umarmt sie die Frau, doch drückt ihre Miene die gleiche Traurigkeit aus. Über einem weißen Unterkleid, das an ihrem Arm sichtbar ist, trägt sie ein dunkel- blaues Gewand mit fliederfarbenem Gürtel. Die schwarzen Haare sind gescheitelt und im Nacken zusammengebunden.178 Zwei Flöten liegen zu Füßen der beiden. Ein Stück weiter vorne befindet sich halb auf einem Rasenstück eine Leier.

177 The Grosvenor Gallery Exhibition, in: The Athenaeum, 12. Mai 1883, S. 609. 178 Dabei handelt es sich um ihr Lieblingsmodell Jane Hales, das ehemalige Kindermädchen ihrer Schwester. Vgl. Gordon 1996, S. 16. 121 VI. KATALOG DER WERKE EVELYN DE MORGAN

Die Bogenform der Harfe wiederaufnehmend, folgt eine im Profil nach rechts gekehrt kniende Frau. Sie ist die einzige Figur im vorderen Bereich, die durch ak- zentuiertes Tun als gestalterische Figur ausgewiesen ist: Zusammengekauert und doch mit erhobenem Kopf betet sie inbrünstig und gibt sich nicht wie die übrigen Gefangenen einer starren Passivität hin. Das dunkelrote, geraffte Gewand klafft an der Seite unter dem Arm auf und gibt den Blick auf ihre Brust frei. Ein bräunlicher Umhang fällt über den Rücken bis zum Boden. Die rötlichen Haare sind zu einem Zopf gebunden. Keineswegs lethargisch als vielmehr leidenschaftliches Empfin- den bekundet eine parallel zum Bildgrund liegende Frau und stellt so eine Verbin- dung zwischen der Frau links und der rechten Bildseite her. Die Beine angewin- kelt, liegt sie mit nacktem Oberkörper halb auf dem Schoß der Betenden und birgt ihr Haupt in den Händen, so dass die braunen Haare kopfüber auf den Boden fal- len. Beine und Hüften verhüllen ein gelbes Gewand. Dahinter lagert unter dem vom oberen Bildrand überschnittenen Laubdach der Weide eine Gruppe von vier Juden im Kreis. Direkt am knorrigen, gespaltenen Stamm, an dem eine schwarze Laute lehnt und vor der zwei Flöten liegen, sitzt ein Greis ins Halbprofil nach links gekehrt. Sein blaues Gewand bildet zu den buschi- gen weißen Haaren und dem krausen Bart einen markanten Kontrast. Sein Haupt ist gesenkt; er blickt niedergeschlagen zu Boden. Während er sich mit seinem lin- ken Arm aufstützt, ruht sein rechter auf dem Knie. Im Gegensatz zu seiner isoliert wirkenden, meditativen Trauer ergänzen sich die beiden Frauen, die schräg vor ihm sitzen, in ihrer Haltung und ertragen das Leid gemeinsam. Die eine ist als Rü- ckenfigur seitlich lagernd positioniert und stützt sich mit dem linken Arm am Boden ab. Ein pinkfarbenes Gewand umspielt in feinen Falten ihren Körper, drei dünne Bänder sind um die Taille geschlungen. Ihr Haar ist zu einem Knoten hochge- steckt. Sie hält das Haupt gesenkt, so dass die sichtbare Nackenpartie ein gewis- ses Maß an Verletzlichkeit verrät. Gefühlvoll hat sie den rechten Arm auf die Schulter ihrer Freundin gelegt, die ihr beinahe spiegelbildlich – bis auf die die Symmetrie störenden Hände – schräg gegenüber sitzt. Auch sie blickt zu Boden. Sie trägt über einem weißen Unterkleid ein orangefarbenes Gewand. Zu Füßen der Frauen, am rechten Bildrand, liegt eine Panflöte. Der gebückt stehende Mann rechts schließt nicht nur den kleinen Personen- kreis, sondern rahmt die Komposition als Pendant zu der am linken Bildrand ste- henden Frau. In ein rotes Gewand gehüllt, birgt er sein Gesicht in den Händen,

122 VI. KATALOG DER WERKE EVELYN DE MORGAN

dabei schreitet er in Richtung des Flusses. Jenseits des Ufers, im zweiten rah- menparallelen Raumplan, der sich im seichten Wasser des Flussarmes spiegelt, sieht man weitere Juden damit beschäftigt, Harfen in die Bäume zu hängen: Im Gegensatz zur statischen Szenerie im Vordergrund herrscht im Mittelgrund ein aktives Bildgeschehen. Ganz am linken Bildrand steht ein junger Mann in Dreiviertelrückansicht. In eine kurze braune Tunika gekleidet, hängt er eine Harfe in die Zweige einer Weide. Die Künstlerin hat durch die Spiegelung der Beine des Mannes auf der Wasserober- fläche und die Aufwärtsbewegung der Arme seine Erscheinung optisch vergrößert, so dass sein die Bildsymmetrie wahrendes Pendant der Baumstamm auf der rech- ten Seite ist. Weiter zur Mitte hin befindet sich eine Gruppe von acht Juden unter einem Baum. Zwei von ihnen, ein Mann und eine Frau, heben gemeinsam ein Sai- teninstrument in die Äste des Baumes. Das Paar ist von sitzenden und stehenden Juden, meist Männern umgeben. Nun verdeckt der gespaltene Baumstamm im Vordergrund die Sicht auf das Uferstück. Weiter rechts erblickt man tiefer im Mit- telgrund, wo der Fluss im Abendlicht aufleuchtet, einige Gestalten in langen Ge- wändern auf einer Landzunge.

Literatur Blackburn 1883, Nr. 43, (Wiederabdruck Newall 1995, S. 68). · The Athenaeum 12. Mai 1883, S. 609. · The Portfolio Juni 1883, S. 125. · The Spectator 9. Juni 1883, S. 738. · Champlin 1886–87. · Bate 1901, S. 115. · Stirling 1922, S. 201. · Marsh, Nunn 1989, S. 109. · Gordon 1996, S. 16, Nr. 19, S. 28, 54f., Abb. 11. · Marsh, Nunn 1998, S. 47, 140, Nr. 60 Abb. · Smith 2002, S. 38f., 79ff., 82 Abb. 22.

123 VI. KATALOG DER WERKE KATE GARDINER HASTINGS

28. K ATE G ARDINER H ASTINGS (1837–1925)

A. By the Waters of Babylon, 1883 Bild K79 Öl auf Leinwand 53 x 77 cm Provenienz:– Privatbesitz, USA

Kate Gardiner Hastings, eine in Vergessenheit geratene Künstlerin des viktorianischen Englands, war die Schwester des Managers der Grosvenor Gallery. Sie studierte an der Slade School of Art. Ihr Stil wurde geprägt durch Edward Poynter, Lord Leighton und Edwin Long (1829–1891).179 Mit Stillleben, Porträts und Landschaften war sie 1871 bis 1910 regelmäßig in den Ausstellungen der Londoner Galerien vertreten. So auch 1883 mit dem Gemälde „By the Waters of Babylon“ in der Sommerausstellung der Grosvenor Gallery.180 Eine Zeichnung von Henry Blackburn aus den Grosvenor Notes von 1883 vermittelt eine Vorstellung von dem Gemälde, das sich heute in Privatbesitz in den USA befindet.181

In einer parallel zum Bildgrund verlaufenden Landschaftsbühne werden vier Frau- en gleichberechtigt nebeneinander dargestellt: Sie treten nicht miteinander in In- teraktion, jede scheint für sich die Hauptrolle zu spielen. Sie befinden sich am jen- seitigen Ufer des Flusses, der am unteren Bildrand verläuft. Der Zuschauer sieht das Szenario also vom diesseitigen Ufer aus. Hinterfangen werden die Jüdinnen von einer Mauer, hinter der man ein städtebauliches Umfeld erkennen kann. Drei der Frauen sitzen, während die vierte am linken Bildrand unter einem Baum steht, der – die gesamte Bildhöhe einnehmend – eine rahmende Funktion innehat. Auf der gegenüberliegenden Seite säumen hohe Schilfgräser den Rand des Gemäl- des. So wird ein achsialsymmetrischer Charakter angedeutet. Die Frau in der Mittelachse sitzt im Schneidersitz frontal zum Betrachter. Sie hat die Hände erhoben und hinter den Kopf an den Haaransatz gelegt. Die weiten Är- mel ihres langen Gewandes hängen herab. Rechts daneben sitzt eine ihr zuge- wandte, im strengen Profil gezeigte Frau. In ein langes Gewand gehüllt, sitzt sie mit angezogenen Beinen zur Mitte gewandt; ihre Arme umspannen die Knie. Ihr Kopf – bedeckt von einem Tuch – ist gesenkt, so dass herabhängende Haare ihr Gesichtsprofil nur undeutlich erkennen lassen.

179 Vgl. ThB 1923, Bd. 16; Schriftliche Auskunft von Deborah Cunerd, die eine Monografie über die Künstlerin verfasst. 180 Vgl. Blackburn 1883, Nr. 156. Wiederabgedruckt bei Newall 1995, S. 83. 181 Vgl. ebd. 124 VI. KATALOG DER WERKE KATE GARDINER HASTINGS

Die Frau links der Mitte hingegen blickt versonnen auf das Wasser. Ein Bein hat sie aufgestellt, das andere darunter gelegt; die Arme liegen locker schräg über ihrem aufgestellten Bein. Den Kopf hat sie in einer diametralen Bewegung nach rechts ins Halbprofil gedreht. Auch sie trägt ein langes, ärmelloses Kleid und eine haubenartige Kopfbedeckung. Neben ihr liegt ein ovales Instrument im Gras. Die schmale, in ein langes, ärmelloses Gewand gekleidete Frau, die links unter dem Baum steht, gleicht in ihrer Haltung, die sich der gewachsenen Form des Baumes anpasst, einer Karyatide. Mit beiden Händen hält sie sich an einem Ast fest und lehnt den Kopf daran, so dass der Eindruck entsteht, sie würde die Weide stützen. Eine Harfe hängt an ihrem linken Arm.

Literatur Blackburn 1883, Nr. 156, (Wiederabdruck Newall 1995, S. 83). · Smith 2002, S. 81f., Abb.

125 VI. KATALOG DER WERKE PIERRE LAGARDE

29. P IERRE L AGARDE (1854–1910)

A. Super Flumina Babylonis, 1885 Bild K80 Salon 1885 Öl auf Leinwand 365 x 445 cm Signatur: unten rechts Pierre Lagarde 1885 Provenienz: 1886 Geschenk vom Staat an das Musée de Provins et du Provinois Unbekannt

Der Maler und spätere künstlerische Direktor der Pariser Oper Pierre Lagarde hat zeitlebens in Paris gewirkt. Als Schüler des Landschaftsmalers Charles Busson (1822– 1908) und der Historienmaler und Dekorateure Alexis Joseph Mazerolle (1826–1889) und Ferdinand Humbert (1842–?) schuf er in seinen Werken eine Synthese dieser Genres. Von 1878 bis 1893 stellte er ohne Unterbrechung historische und religiöse Gemälde im Pariser Salon aus.182 Darunter war 1885 „Super Flumina Babylonis“183, das auch auf der Internationalen Kunstausstellung 1889 zu sehen war und durch einen Stich von August Hilaire Léveillé (1840–1900) publiziert wurde.184

Lagarde hat das Thema „Die trauernden Juden im Exil“ als Nachtszene umge- setzt: Die Darstellung zeigt ein diagonal nach links verlaufendes Uferstück unter nächtlichem Sternenhimmel. Vor Flussweiden, die von Buschwerk umwuchert sind, befinden sich Juden. Die obere rechte Hälfte des Bildes wird vom Fluss ein- genommen, der von einer Berglandschaft hinterfangen wird. Im Mittelgrund ragt eine Landzunge, auf der ein Lagerfeuer brennt, weit ins Gewässer. Rauchfäden steigen nach oben. Die Figuren im vorderen Raumplan bilden in ihrer Anordnung eine Diagonale, die von der linken Bildecke bis zum rechten Bildrand führt und sich diametral zur landschaftlichen Umgebung verhält. Das Hauptaugenmerk liegt auf einer jungen Frau, die im Schnittpunkt der Dia- gonalen, in der Mittelachse steht. In Profilansicht nach links gezeigt, hängt sie eine Leier in die Äste einer Weide: Lagarde hat Vers 2 von Psalm 137 als zentrales Motiv gewählt. Der Oberköper der Frau ist nackt. Lange, im Nacken zusammen- gebundene Haare fallen ihr über den Rücken. An ihren Körper drängt sich ein kleines Mädchen. Mit geschlossenen Augen hat es den Kopf an den Bauch der Mutter gelegt. In der Ecke links kauert ein alter bärtiger Mann ins Halbprofil nach rechts gekehrt auf dem Boden. Sein nackter Oberkörper ist zusammengesunken,

182 Vgl. Edouard–Joseph 1931; ThB 1928, Bd. 22. 183 Vgl. Archives Nationales F/21/4909B, Dossier 10, Pièce 79. 184 Vgl. „Super flumina Babylonis.“ Tableau de M. Pierre Lagarde, in: Le Monde illustré 7. 9. 1889, S. 153. 126 VI. KATALOG DER WERKE PIERRE LAGARDE

die Arme liegen kraftlos überkreuzt im Schoß seiner übereinandergeschlagenen Beine. Auf seinem Kopf trägt er eine Schalkappe. Niedergeschlagen starrt er zu Boden. Neben ihm sitzt eine alte Frau. Mit ihrer weißen, schulterfreien Bluse, dem Kopftuch und den Kreolen gleicht sie einer Zigeunerin. Während in ihrem Schoß der Kopf einer schlafenden Frau ruht, die parallel zum Bildgrund in Rückansicht gezeigt liegt, presst sie mit ihrem linken Arm ein in Decken gewickeltes, schlafen- des Kind an ihre Brust. Der Kopf der Alten ist ins Profil nach rechts gewandt, um das Geschehen im Bildmittelpunkt zu beobachten. Frontal zum Betrachter sitzt auf einer natürlichen Erhebung dahinter eine in weiß gekleidete Frau am Stamm der Weide. Den Fuß unter den linken Ober- schenkel geschoben, blickt sie – vom Schatten des Baumes aus – auf die unter ihr befindlichen Personen. Ein Pendant findet sie in der schwarz gekleideten Frau, die schräg gegenüber an der Uferböschung auf dem Bauch liegt. Mit aufgestütztem Kopf schaut auch sie zu ihren Gefährten. Lagarde hat durch die Blickrichtungen des Bildpersonals ein Koordinatensystem gebildet, dessen Mittelpunkt die agierende junge Frau ist.

Literatur Archives Nationales F/21/4909B, Dossier 10, Pièce 79. · Lafenestre 1885. · Le Monde illustré, Nr. 1693, 7. 9. 1889, S. 155, Stich S. 153. · Martin 1897. · Edouard–Joseph 1931. · ThB 1929. · LeLeyzour 1997, S. 121.

127 VI. KATALOG DER WERKE THOMAS BOWMAN GARVIE

30. T HOMAS B OWMAN G ARVIE (1859–1944)

A. By the Waters of Babylon, 1887 Bild K81 Öl auf Leinwand 102,5 x 127,8 cm Signatur: unten rechts T.B. Garvie 1887 Provenienz: 1939 Geschenk von Mrs I. W. Dick Newcastle upon Tyne, Laing Art Gallery

Der heute unbekannte Künstler Thomas Bowman Garvie wurde 1859 in Northumberland geboren und machte sich vor allem als Porträtmaler lokaler Persönlichkeiten aus seiner Heimat einen Namen. Er genoss die übliche klassische Ausbildung an den Schulen der Royal Academy und in Paris an der Académie Julian185 unter Robert Fleury (1797–1890) und William Bouguereau. Ab 1886 stellte Garvie an der Royal Academy aus. Nach kurzem Wirken in London kehrte er in seine Heimat in Nordengland zurück, wo er zeitlebens tätig war.186 Aus seinem übrigen Oeuvre ragt das 1887 entstandene und ein Jahr später ausgestellte Gemälde „By the Waters of Babylon“ heraus. 1940, kurz nachdem es aus Privatbesitz ins Museum gekommen war, wurde das Gemälde vom Künstler selbst restauriert.187

Das nahezu quadratische, im Stil von Lawrence Alma–Tadema (1836–1912) ge- haltene Gemälde bietet dem Betrachter den Blick auf eine prächtige Treppe, die diagonal von rechts oben zu einem ruhigen, von Seerosen bedeckten Gewässer am unteren Bildrand führt. Mit Götterdarstellungen reliefiertes Mauerwerk fasst die Freitreppe ein. Auf den fünf untersten, wassernahen Stufen befinden sich in unter- schiedlicher Höhe fünf Frauen und ein Mann. Die Abenddämmerung ist hereinge- brochen und wirft einen goldenen Schleier über die Szenerie, erhöht gleichsam das Pathos. Rechts im Hintergrund erscheint vor dem hellgelb getönten Himmel die Silhouette eines gewaltigen Bauwerks mit mehreren stufenartig abgesetzten Geschossen und dazugehörigem Garten. Lichtdurchflutete, fragil wirkende Baum- kronen stellen einen reizvollen Kontrast zu der Schwere und Dichte der Palast-

185 Von Rodolphe Julian 1868 in Paris gegründete private Kunstschule. Sie stand in dem Ruf, avantgardistisches Gedankengut zu vermitteln, weil viele Absolventen später als Avantgardisten berühmt wurden. Siehe dazu Fehrer, Catherine: New Light on the Académie Julian and its Founder (Rodolphe Julian), in: Gazette des Beaux–Arts, 1984, Bd. 13, S. 207–216. 186 Vgl. Dolman, Bernard (Hg.): Who’s Who in Art, a Series of Alphabetically-Arranged Biographies of the Leading Men and Women in the World of Art To-day (Artists, Collectors, Critics and Cura- tors) London 19344; Hall, Marshal: The Artists of Northumbria, a Dictionary of Northumberland and Durham Painters, Draughtsmen and Engravers, born 1647-1900, Newcastle upon Tyne 1982, S. 68f. 187 Schrifliche Auskunft von Marie–Thérèse H. Russell, Assistant Keeper of Fine and Decorative Arts der Laing Art Gallery. 128 VI. KATALOG DER WERKE THOMAS BOWMAN GARVIE

mauern dar. Links am Horizont, wo der Himmel rot erstrahlt, erspäht man gerade noch die Gebäude Babylons. Am obersten Treppenabsatz steht eine majestätische Gestalt in rotem Gewand und ebensolchem Kopfputz: Es ist der König, der mit einem kleinen Gefolge aus der Kühle seines Palastes herausgetreten ist und nun im Begriff steht, die Treppe herabzuschreiten und seine Gefangenen aufzusuchen. Die Juden nehmen die Anwesenheit des Monarchen nicht wahr. Sie sitzen fast zwanglos am Ufer, bis auf die linke Frau, die ihren Kopf an die Mauer lehnt. Zuerst bemerkt man den links am Mauersockel lehnenden jungen Mann in Frontalansicht. Er trägt eine weiße Tunika, die in der Taille gegürtet ist. Seine dunklen Haare sind zu einem Locken- kranz frisiert. Ein hellbrauner Umhang liegt auf dem Mauersims unter seinem El- lenbogen und fällt hinter den bloßen Füßen des Mannes auf die Stufen. In seiner linken Hand hält er eine Harfe. Der Blick des Mannes zielt rechts am Betrachter vorbei aus dem Bild. Die Figur eines diagonal zum Bildgrund liegenden steinernen Löwen mit aufgerissenem Maul, die den Sims dahinter bekrönt, betont die stoische Präsenz des Juden. Als skulpturales Spiegelbild seiner Haltung und seines Ge- sichtsausdruckes erscheint das Relief eines geflügelten Genius, das sich auf der Frontseite des vom linken Bildrand überschnittenen Sockels direkt am Wasser befindet. Ein paar Stufen höher sitzt eine blonde Jüdin, die, sich kraftlos nach links wen- dend, an der Mauer Halt sucht, um ihren Kopf auf den Sims zu stützen. Lange Haare verbergen ihr Gesicht und fallen über ihre nackten Schultern und Brüste. Das weiße Gewand ist bis zur Taille heruntergerutscht. Das lindgrüne Tuch um ihre Hüften fließt über die Stufen. Fortgesetzt wird die Personenfolge von einer dunkelhaarigen Frau, die auf einem buntgemusterteten Fransenteppich auf der untersten Stufe der Treppe im Halbprofil nach links gekehrt lagert. Eine Ecke des Teppichs hängt ins Wasser, so dass man das bunte Farbspiel des Spiegelbildes auf der Oberfläche beobachten kann. Während sich die Frau mit dem linken Arm aufstützt, wendet sie ihren Kopf leicht über die Schulter und blickt traurig nach rechts aus dem Bild. Dunkle, lockige Haare fallen über ihr weißes Kleid. Um den Unterkörper trägt sie ein beigegestreiftes Übergewand. Links neben ihr liegt ihr Instrument. Rechts hinter der Frau sitzen zwei weitere Jüdinnen in Profilansicht nach links gewendet auf den Stufen. Zuunterst sieht man eine in ein dunkelgrünes Gewand

129 VI. KATALOG DER WERKE THOMAS BOWMAN GARVIE

gehüllte Frau, die, seitlich verlagert sitzend, ihr rechtes Bein unter das linke ge- schoben hat. Das weiße Unterkleid lässt die Füße frei. Ihren Kopf, um den sie ein weißes Tuch geschlungen hat, hat sie nach rechts geneigt, so dass nur Kinn– und Halspartie zu sehen sind. Zwei Stufen weiter oben sitzt aufrecht ihre Leidensge- nossin in strenger Profilansicht. Ihr rotes Oberkleid bildet einen Komplementärkon- trast zum Grün des Kleides der zwei Stufen tiefer sitzenden Jüdin. Mit der linken Hand hält sie ein Saiteninstrument vor ihren angewinkelten Beinen, während sie mit der rechten an den Saiten zupft. Dunkle lockige Haare rahmen ihr Gesicht. Vom rechten Bildrand überschnitten steht eine Jüdin auf der obersten Stufe frontal zum Betrachter und blickt mit geneigtem Haupt auf die zu ihren Füßen sit- zenden Frauen. Sie trägt ein blaues Kleid; ein Umhang derselben Farbe verhüllt ihre Haare und fällt über Schultern und Rücken fast bis auf den Boden herab. Ihre Hände sind vor dem Bauch gefaltet. Mit ihrer Haltung schließt sie genau wie ihr männliches Pendant auf der linken Seite das Geschehen im Vordergrund ab; der König wird nicht mit einbezogen. Dennoch schwingt ein Personenbogen, links mit dem stehenden Jüngling beginnend, über die sitzenden Frauen zu der rechts im Halbschatten stehenden Jüdin am Treppenabsatz. Von dort wird der Blick zurück- gelenkt auf das figurenreiche Relief an der Mauerwand bis zu der schemenhaften Gestalt des Königs.

Literatur Wood 1989², S. 170.

130 VI. KATALOG DER WERKE ARTHUR HACKER

31. A RTHUR H ACKER (1858–1919)

A. By the Waters of Babylon, 1888 Bild K82 Öl auf Leinwand 104 x 66 cm Signatur: unteres Drittel rechts Arthur Hacker 1888 Provenienz: Collection of James Hudson, Esq., 1911 Geschenk von Robert T. Heape188 Manchester, Rochdale Art Gallery

Arthur Hacker, 1858 geboren, hat in London gelebt und gewirkt. Er studierte ab 1878 an der Royal Academy und von 1880–81 in Paris im Atelier des Orientalisten Léon Bonnat (1833–1922). Von London aus, wo er an der Royal Academy mit Genreszenen schon erfolgreich war, unternahm Hacker Mitte der 80er Jahre Studienreisen in den Orient. Danach wandte sich der Künstler der klassischen und biblischen Historienmalerei zu.189 Ein weiterer maßgebender Einfluss war die Freilichtmalerei, mit der er durch den Maler Stanhope Alexander Forbes (1857–1947) in Berührung kam.190 Das Gemälde „By the Waters of Babylon“, das 1888 entstand und in demselben Jahr in der Grosvenor Gallery zu sehen war191, ist eine Synthese zwischen Impressionismus und der französischen Akademiemalerei.

Im Zentrum des nahfokussierten, hochformatigen Bildes thront eine Frauengestalt erhöht auf einer zweistufigen Uferbefestigung, die von hohen, bis zum oberen Bildrand reichenden Schilfgräsern umwachsen ist. Ein Eisenring links im Steinso- ckel verrät, dass es sich um eine Bootsanlegestelle handelt. Eine Treppe, auf der abgebrochenes Schilf liegt, führt vom Wasser nach rechts aus dem Bild. Im Hin- tergrund links sieht man durch das Gestrüpp die Silhouette eines Stadttores und die emporragenden Gebäude Babylons. Diffuses Licht lässt die Gebäude und die Blüten der Schilfgräser mit dem Himmel verschmelzen.

188 1911 kam das Gemälde durch ein Geschenk zur Rochdale Art Gallery. Der Stifter war Robert Taylor Heape, ein Textilfabrikant, der viktorianische Kunst sammelte. Ob dieser auch der Auf- traggeber des Bildes war, kann leider nicht bestätigt werden. Die “Rochdale Times” vom 6. Mai 1911, S. 6 berichtet in dem Artikel “New Art Gifts, Another Valuable Present by Mr. R. T. Heape, a Pleasing Substitution”: „This is the largest of the present gifts, and will probably come to be regarded as one of the finest in the permanent collection. (…) Hacker’s was a very large and very beautiful painting.” 189 Vgl. Pratt 1897; Plarr, Victor G. (Hg.): Men and Women of the Time: a Dictionary of Contempo- raries, London 1899; ThB 1922, Bd. 15. 190 Hacker lernte Forbes in Paris bei Bonnat kennen. Das spätere Haupt der vom Impressionismus beeinflussten Newlyn School gehörte neben Whistler, Sicker und Steer zu den Mitgründern des New English Art Club, der als Opposition zur konservativen Royal Academy 1886 ins Leben ge- rufen wurde. Vgl. Fox, Caroline: Stanhope Forbes and the Newlyn School, Newton Abbot, Devon 1993, S. 13. 191 Vgl. Blackburn 1888, Nr. 93. Wiederabgedruckt bei Newall 1995, S. 80 131 VI. KATALOG DER WERKE ARTHUR HACKER

Mit gesenktem Kopf blickt die Frau dem Betrachter direkt in die Augen und be- zieht ihn somit in das Bildgeschehen mit ein. Der schwarz–blaue, durchsichtige Umhang, in den die Frau gehüllt ist, sticht aus der pastellfarbenen Umgebung des schilfbewachsenen Ufers heraus und intensiviert ihren traurigen Blick. Aufrecht, mit geschlossenen Beinen und aufgestellten Zehenspitzen sitzt sie auf dem stei- nernen Wall. Die Hände sind unter dem Kinn aufeinander gelegt. Der rechte Un- terarm schaut aus dem an der Seite aufklaffendem Umhang hervor und bildet zu dem anderen, unter dem blauen Gewebe durchscheinenden Arm einen reizvollen Farbkontrast. Durch das über den Kopf gezogene Gewand wirkt das Gesicht wie gerahmt, so dass die großen Augen zur Geltung kommen. Auf einer weißen Dra- perie neben der jungen Frau liegt ein umgefallener Krug. Am Sockel rechts zu ihren Füßen lehnt ein kleines Mädchen, das mit einer Lau- te in der linken Hand eingeschlafen ist. Die andere Hand ruht auf dem Bauch. Der Kopf ist zur Seite gelehnt. Ein orangefarbenes Stirnband mit einer Schleife ziert die dunklen Haare, von denen eine Strähne ins Gesicht gefallen ist. Die Brust des Mädchens ist nackt; ein zartgrünes, gemustertes Tuch ist mehrfach um die Hüften geschlungen. Links sieht man zwei weitere Frauen traurig im Schilf sitzen. Mit ihren Kopftü- chern setzen sie die einzigen buntfarbigen Akzente im Gemälde. Die Vordere la- gert ins Profil nach links gewandt und starrt niedergeschlagen zu Boden. Ein blau- es, aufwendig geknotetes Tuch schmückt ihren Kopf. Ihre Kleidung schimmert bläulich durch die Gräser. Ihre Gefährtin, von der nur der Oberköper aus dem Schilf ragt, sitzt mit gesenktem Haupt frontal zum Betrachter. Eine rote Schärpe durchzieht ihren Kopfputz. Eine Gestalt in schwarzem Umhang, in Rückansicht zu sehen, entfernt sich von den beiden Frauen und hat den Weg in Richtung Stadttor eingeschlagen.

Literatur Blackburn 1888, Nr. 93, (Wiederabdruck Newall 1995, S. 80). · Pratt 1897. · Plarr 1899. · Sparrow 1907, S. 21. · Catalogue of the Tenth Spring Exhibition of Modern Pictures 1913, S. 23.

132 VI. KATALOG DER WERKE HERBERT SCHMALZ

32. H ERBERT G USTAV C ARMICHAEL S CHMALZ (1856– 1935)

A. The Daughters of Judah in Babylon, 1918192 Bild K83 Öl auf Leinwand 157,5 x 81 cm Signatur: unten links Herbert Carmichael Provenienz: Kunsthandel Royal Academy, 1991 versteigert bei Sotheby’s für 23.100 BP Privatbesitz

Herbert Gustav Schmalz wurde 1856 in England als Sohn eines Deutschen geboren. Nach dem Ersten Weltkrieg 1918 änderte er seinen Namen in Carmichael, den Mädchennamen seiner Mutter. Schmalz’ künstlerische Ausbildung war konventioneller Art: Er studierte an der Kensington Art School und der Royal Academy und danach in Antwerpen.193 Auf Anraten seines Freundes Frederick Lord Leighton unternahm der Künstler 1890 Reisen nach Palästina und Jerusalem, auf denen er Material für biblische Szenen sammelte.194 Kurz davor heiratete Schmalz Edith Pullen, die Schwester von Dorothy Dene (1861–1899), eines von Leightons Lieblingsmodellen.195 Nach seiner Rückkehr entstanden viele Bilder mit biblischen Sujets. „The Daughters of Judah in Babylon“ wurde 1892 in der Royal Academy ausgestellt.196 Schmalz verband den Stil der Prä–Raphaeliten mit archäologi- schem Detailreichtum, den er von Lawrence Alma–Tadema kannte.197 1918 überarbeitete der Künstler das Gemälde und nahm einige Änderungen vor, u. a. auch die Signaturände- rung von Schmalz in Carmichael .198

In einem steilen Hochformat zeigt Schmalz die Begegnung junger, schöner Jüdin- nen mit dem babylonischen König Nebukadnezar. Das Bild ist horizontal geteilt: In der unteren Hälfte sind am schattigen, üppig grünen, mit Irisblumen bewachsenen Ufer eines der zahlreichen Kanäle, die Babylon durchfließen, trauernde Frauen am Fuß einer Treppe versammelt. Dunkle, satte Farben herrschen vor. Im oberen Teil steht auf dem sonnenbestrahlten Treppenabsatz unter einem Baldachin der König in Begleitung des Hohepriesters und des Hofstaats. In den kühleren Abendstun- den ist er von seinem Palast heruntergekommen, um die Lieder der gefangenen

192 Hierbei handelt es sich um die überarbeitete Fassung. Die ursprüngliche Fassung entstand 1892 und wurde im selben Jahr in der Royal Academy gezeigt. Sie liegt hier in schwarz–weiß vor und wird unter 32B beschrieben. 193 Vgl. Pratt 1897; Frank, Kristiane: Art. zu „Carmichael“, in: AKL 1997, Bd. 16. Phillipa Tutt forscht über Leben und Werk des Künstlers. 194 Vgl. Schmalz, Herbert: A Painter’s Pilgrimage, in: The Art Journal 1893, S. 97–102 und 337-342. 195 Vgl. Blakemore, Trevor: The Art of Herbert Schmalz, London 1911, S. 53f. 196 Vgl. Graves 1905/1906, S. 49, Nr. 983. 197 Vgl. Blakemore 1911, S. 51. 198 Vgl. Sotheby’s Sales Catalogue Nineteenth Century European Paintings, Drawings and Water- colours, Juni 1991, London 1991, Nr. 238. 133 VI. KATALOG DER WERKE HERBERT SCHMALZ

Jüdinnen zu hören. Im Hintergrund erhebt sich vor der Silhouette eines Gebirgs- panoramas mit untergehender Sonne ein Stufentempel. Das letzte Sonnenlicht hat alles in Pastelltöne getaucht. Rechts steht die monumentale Architektur eines von zwei Löwenskulpturen bewachten Baaltempels, zu dem eine dreiläufige Treppe mit gezargter Brüstung führt. Das Relief des Adlers ist an der Blendwand der Treppe zu sehen. Die Jüdinnen, die zum größten Teil das prunkvolle Erscheinen des Königs nicht wahrnehmen, sitzen in Trauer versunken mit ihren Saiteninstrumenten unterhalb der Treppe auf der Wiese. Am auffälligsten ist die Jüdin, die inmitten der Frauen frontal zum Betrachter kniet und versonnen auf das Wasser blickt. Sie hat die Hände in den Schoß gelegt. Vermutlich gehört ihr die hölzerne, mit Schnitzwerk verzierte Leier, die halb im seichten Wasser liegt. Dunkle Locken rahmen ein schönes Gesicht. Sie trägt ein dunkelblaues Gewand mit einem Silbergürtel. Am Ausschnitt und an den Ärmeln ist es mit einer Borte aus roten Punkten eingefasst. Die Frau rechts daneben hat sich nach rechts umgewandt und ist im Begriff – er- schreckt von der beeindruckenden Präsenz des Königs – aufzuspringen. Dabei stützt sie sich mit der einen Hand auf ihrem Knie auf, während sie mit der anderen ein auf dem Boden aufgestelltes Instrument hält. Vor ihr, direkt am Wasser, wo ein Busch pinkfarbener Wasserlilien wächst, lagert eine Frau im hellgrünen Gewand. Ins Profil nach links gekehrt, stützt sie sich – die Hände gefaltet – auf die Harfe und hat ihren Kopf auf den hölzernen Fuß des Instruments gelegt. Dunkle Haare fallen ihr ins Gesicht. Antithetisch zu ihr kauert etwas weiter hinten eine Frau mit brünetten Haaren und blauem Gewand. Von diesen Frauen geht der Blick des Betrachters nun zu der in der zweiten Bildebene am Rande der Wiese seitlich verlagert knienden Frau ganz links. Das Lila der Iris und das Rosa der Wasserlilie wieder aufgreifend, leuchtet ihr Gewand auf dem grünen Untergrund. Ihr Kopf ist nach links gewandt. Ihr Blick zielt aus dem Bild. In ihrer rechten Armbeuge lehnt eine Harfe, ihre Finger sind in den Sai- ten verfangen. Schräg hinter ihr sitzt eine Jüdin in grünem Gewand. Sich mit dem Ellenbogen auf das Knie stützend, träumt sie von der fernen Heimat. Achtlos liegt ihre Harfe auf den Stufen neben ihr. Nun schweift der Blick des Betrachters die mit Figuren– und Ornamentfriesen geschmückte Treppe hinauf bis zur majestätischen Gestalt des Königs. Über einer weißen Robe trägt er eine goldene, mit Quasten besetzte Toga. Sein Haupt mit

134 VI. KATALOG DER WERKE HERBERT SCHMALZ

den schwarzen Haaren schmückt eine Tiara. Frontal zum Betrachter stehend, be- obachtet er die jüdischen Frauen unten am Fluss. Seine rechte Hand hat er in die Hüfte gestemmt, seine Linke hält den Knauf seines Schwertes. Der Hohepriester steht in weißem Ornat – einen Stab mit geschwungenem Adlerflügel in der Hand haltend – neben ihm. Diener halten einen großen, mit Ornamenten verzierten Bal- dachin über die beiden höchsten Personen des Landes. Eine Frau mit grünem Gewand trägt einen Wedel aus Pfauenfedern. Mit ihrem grünen Kleid setzt sie un- ter der weiß–golden gehaltenen Palette der Königsgesellschaft einen farblichen Akzent. Die prunkvolle Kutsche, gezogen von Schimmeln mit rotem Kopfputz aus Straußenfedern, steht hinter der Gesellschaft. Ein Wagenlenker steht noch in der Kutsche, um die Pferde zu zügeln. Babylonische Soldaten in Reih und Glied säu- men die Treppe des Baaltempels. Das Podest, auf dem der König steht, wird zu beiden Seiten von Postamenten flankiert. Darauf befinden sich riesige Bronze- skulpturen in Form von zusammengerollten Schlangen mit aufgestellten Köpfen. Zwei geharnischte Wächter mit Spitzhut, Speer und Rundschild stehen bewe- gungslos davor. Der König scheint im Begriff zu sein, an den rechts im Bild de- mutsvoll vor ihm knienden Personen vorbei die Treppe herabzuschreiten.

·

B. The Daughters of Judah in Babylon, 1892 Bild K84 Öl auf Leinwand 157,5 x 81 cm Signatur: unten links Herbert Schmalz 1892

Die Fassung von 1892, die in der Royal Academy zu sehen war, teilt die Komposi- tion noch nicht in zwei Schauplätze: Im Gegenteil, die Figuren bilden einen per- spektivischen Halbkreis, der in der unteren Hälfte mit den Jüdinnen beginnt und sich links über die auf den Treppenstufen befindlichen Personen bis zum König und seinem Gefolge hinaufzieht. Rechts – unter den Trauernden am Flussufer – fehlt die nach rechts ins Profil gewandte, kauernde Jüdin mit dem blauen Gewand, die die nach links führende Bewegungsachse abschwächt. Ebenso fehlt der später eingefügte Absatz in der Treppe, der den Abstand von der königlichen Gesell- schaft zu den Frauen vergrößert. Um diesen zu unterstützen, entfernte der Maler die am linken Bildrand stehende Gestalt einer Mutter, die ihren Sohn schützend in den Armen hält, und tauschte sie gegen die einzelne, sitzende Frau aus; in der 135 VI. KATALOG DER WERKE HERBERT SCHMALZ

frühen Fassung sitzt neben der erwähnten Mutter eine weitere Frau direkt zu Fü- ßen des Wachtpostens und stützt verzweifelt ihren Kopf in beide Hände. Die Jüdin mit dem lilafarbenen Kleid ist hier noch eine voluminöse Erscheinung: Der Künst- ler hat später ihren Umhang entfernt, den sie mit der linken Hand unter dem Kinn zusammenzieht. Unter der Dienerschaft des Königs fehlt die Frau mit dem Wedel. Die Unterschiede der ersten Fassung zu der von 1918 zeigen, dass Schmalz den Abstand zwischen Herrschern und Gefangenen auch räumlich im Bild aufzeigen wollte.

Literatur Royal Academy Pictures 1892, Abb. S. 139. · Graves 1905/1906. · Sparrow 1907, S.13, Abb. S. 22. · Blakemore 1911, S. 96f., Abb. S. 197. · Sotheby’s Sales Cata- logue 1991, Nr. 238 mit Abb. · Wood² 1989, S. 417. · Clarke 1998, S. 24 Abb.

136 VI. KATALOG DER WERKE LESSER URY

33. L ESSER U RY (1861–1931)

A. Jerusalem, 1896 Bild K85 Öl auf Leinwand 170 x 283 cm Signatur: Links unten L. Ury Provenienz: 1903 Geschenk des Herrn Kom- merzienrats Henneberg an das Kaiser– Friedrich–Museum, Görlitz, bis 1945, galt danach als Kriegsverlust, 2001 im Berliner Kunsthandel wieder aufgetaucht.199 Klärung der Eigentumsfrage

Lesser Ury, der 1861 in Birnbaum bei Posen in ärmlichen Verhältnissen geboren wurde, gehört zu den Wegbereitern des deutschen Impressionismus.200 Ury begann zunächst an der Düsseldorfer Kunstakademie zu studieren, ging aber schon nach einem Jahr nach Brüssel zu dem Maler Jean François Portaels (1818–1895). 1881 zog er nach Paris, um in Jules–Joseph Lefèbvres (1836–1912) Atelier zu studieren. In dieser Zeit wandte er sich verstärkt biblischen Themen zu, und es entstanden u. a. zwei Skizzen zu dem 1896 ausgeführten Gemälde „Jerusalem“.201 Der jüdische Schriftsteller und Religionsphilosoph Martin Buber (1878–1965) beschrieb diese zwei verschollenen Skizzen, die die Genese des Werkes nachvollziehen lassen. „Auf der ersten ist links der zerstörte Tempel zu sehen; auf einer großen Freitreppe, vor der Leichen der Verteidiger, zerbrochene Opfergeräte und zerrissene Priestergewänder durcheinander liegen, sitzen jüdische Frauen und Kinder in bleichem, stummem Gram; rechts die Trümmer der Stadt, erschlagene Krieger zwischen den Steinen ihrer Häuser, und, im Hintergrunde eine Gruppe von Frauen und Kindern mit Säcken auf dem Rücken, in die unbekannte Ferne hinauswandernd.“ (…) Die zweite Skizze verdichtet die Szenerie des ersten Entwurfs. „Wieder im Vordergrund eine Treppe, auf der ein Toter liegt; ganz hinten eine zertrümmer- te Säulenhalle mit großen regungslosen Greisen, die dem Tode ins dunkle Wunderauge zu schauen scheinen; in der Mitte aber, zwischen Leichen, eine kahle, lange Bank, darauf einige Frauen: die einen niedergebeugt, die anderen ins Weite starrend.“202 Wiederum als Resumée dieser Skizze konzentrierte sich Ury in „Jerusalem“ auf das Motiv der Bank, die dem Gemälde formal und inhaltlich die Struktur verleiht. „Jerusalem“ ist das erste der Öffentlichkeit präsentierte Werk mit religiöser Thematik in einer Zeit, in der sich der jüdische Künstler mit dem Schicksal des jüdischen Volkes in symbolistischen Monumentalwerken auseinandergesetzt hat.203 Kurz nach seiner Fertigstellung wurde das

199 Vgl. Winters, Peter Jochen: Auch der Maler soll das Menschentum erhöhen. Lesser Ury als Dichter der Bibel: Berliner Streit um ein lang verschollenes Monumentalbild, in: Frankfurter All- gemeine Zeitung, 26. Juni 2002, Nr. 145, S. 56. 200 Vgl. Wrede, Richard, Reinfels, Hans von (Hg.): Das geistige Berlin, eine Encyklopädie des geis- tigen Lebens Berlin, Berlin 1897. Ury gehörte zur Berliner Sezession, die sich gegen das kon- ventionelle Kunstverständnis Wilhelms II. stellte und 1898 gegründet wurde. Die Sezession galt als Avantgarde, die sich am französischen Impressionismus orientierte. Bilder aus der Alltags- welt mit Hinwendung zu rein visuellen Phänomenen und der Abkehr von geometrischen Idealfi- gurationen. Siehe dazu Paret, Peter: Berliner Sezession, Berlin 1981, o. S. 201 Vgl. Buber, Martin: Lesser Ury, in: Ost und West, 1901, Jg. 1, Heft 2, Sp. 115. Vgl. außerdem Buber, Martin (Hg.): Jüdische Künstler, Berlin 1903, S. 50. 202 Buber 1903, S. 51. 203 Vgl. Servaes, Franz: Moderne Monumentalmalerei, in: Neue Deutsche Rundschau (Freie Büh- ne), 7. Jg. Berlin 1896, S. 19f. 137 VI. KATALOG DER WERKE LESSER URY

Gemälde „Jerusalem“ in der Galerie Gurlitt ausgestellt, wo es große Beachtung und auch sogleich einen Käufer in dem aus Görlitz stammenden Seidenfabrikanten und Kunst- sammler Gustav Henneberg (1847–1918) fand.204

Wie der ursprüngliche Titel „Jerusalem“ andeutet, handelt es sich um eine symbo- listische Darstellung des vertriebenen jüdischen Volkes.205 Das querformatige Gemälde zeigt in starkem Gegenlicht eine Gruppe von neun Frauen und Männern, die vor zwei Bäumen an einem Gewässer auf einer parallel zum Bildgrund ste- henden Bank sitzen und trauern. Ury hat mit diesem Gemälde ein zeitloses Werk geschaffen: Juden in antiker und zeitgenössischer Gewandung sitzen stumm ne- beneinander, nicht miteinander auf einer lang gestreckten Bank, die das Gemälde waagerecht teilt und deren Anfang und Ende nicht sichtbar sind. Die friesartige Figurenanordnung, die von der Horizontalität einer nicht näher bestimmten Land- schaft hervorgehoben wird, ist durch eine achsialsymmetrische Struktur bestimmt: Diesseits der Bank befinden sich drei Personen. In der Mittelachse sitzt eine alte Frau flankiert von zwei Greisen, die am rechten und linken Bildrand sitzen. Dazwi- schen sieht man weitere Personen, die auf der anderen Seite der Bank sitzen und dem Betrachter den Rücken zukehren. Die alte Jüdin kauert nach rechts ins Profil gerückt barfuß mit übereinander ge- schlagen Beinen und stützt ihren Kopf ab. Über einem langen Gewand trägt sie einen Überwurf, der auch ihre Haare bedeckt. Die Wangen ihres faltigen Gesichts sind eingefallen. Dumpf zielt ihr Blick zu Boden. Am rechten Bildrand sitzt ihr zu- gewandt ein barhäuptiger Greis auf einem Hocker. Er betet, die Ellenbogen auf die Beine gestützt und die Hände vor dem Gesicht gefaltet; der Mund ist schmal und die Unterlippe nach vorne geschoben. Ein weißer Backenbart ziert sein Gesicht. Der Anzug, den der Alte trägt, und die Schuhe scheinen ihm viel zu groß zu sein. Unförmig hängt die Kleidung an seinem Körper. Sein Pendant ist der bärtig Alte, der am linken Bildrand frontal zum Betrachter auf dem Boden sitzt. Auch er trägt Hose und Jacke, ist aber barfuß. Seine Körperhaltung ist angespannt: Mit hochge- zogenen Schultern und sich mit den Händen an den Knien seiner angewinkelten

204 Vgl. Bertz, Inka: Mitarbeit an der Erhöhung des Menschentums, Lesser Urys Monumentalge- mälde und ihre Rezeption, in: Schütz, Chana C. (Hg.): Lesser Ury, Bilder der Bibel, Der Maler- radierer, Berlin 2002, S. 45. 205 Vermutlich zur Unterscheidung des ebenfalls von Henneberg dem Museum geschenkten Jeru- salem–Panoramas von Bruno Piglheim (1848–1894), bürgerte sich für das Bild von Ury der Titel „Trauernde Juden oder An den Wassern zu Babylon“ ein. Von diesem Gemälde existiert eine Fassung, die in Urys Besitz verblieben ist und anstelle des Gemäldes als Reproduktionsvorlage für Publikationen diente. Der Verbleib ist unbekannt. Vgl. Schütz 2002, S. 85. 138 VI. KATALOG DER WERKE LESSER URY

Beine festklammernd, starrt der Mann am Betrachter vorbei aus dem Bild. Sein Blick ist leer. Eingefallene Wangen und ein faltiges Gesicht zeugen von einem Le- ben voller Entbehrungen. Für Ury war die ausdrucksstarke Darstellung der Ge- sichter der beiden vom Leben gezeichneten, alten Männer entscheidend. In Port-

rätstudien (KATALOG 33C–H, BILD K87–93) arbeitete er die Physiognomie der beiden Greise heraus, die mit ihren Charakterköpfen das Gemälde dominieren. Links am Boden, zu einem großen Teil vom Bildrand überschnitten, sitzt ein Jüngling in Profilansicht, der von der ersten Raumebene zu den jenseits der Bank befindlichen Personen überleitet. Seinen Kopf mit den Händen haltend, ist er in Gedanken versunken. Ihm in einer Vierteldrehung nach links zugewandt sitzt ein Mann auf der Bank, der das Gesicht mit der Hand bedeckt. Über einem Hemd trägt er eine Weste. Schulterlange Haare fallen bis in den Nacken. Daneben trau- ert eine junge barfüßige Frau. Den Oberkörper nach rechts gebeugt und das ge- senkte Haupt ins Profil gekehrt, wischt sie sich die Augen mit dem Saum ihres Kleides. Ihre langen Haare wirken strähnig und ungekämmt. Ihre verzweifelte La- ge lässt es nicht zu, dass sie sich um ihr Äußeres kümmert. In einer Lücke zwischen den Trauernden auf der Bank erblickt der Betrachter den Kopf eines Knaben, der etwas abseits sitzt. Er betet mit zum Himmel gerichte- ten Augen, die Hände vor dem Gesicht gefaltet. Rechts vor ihm auf der Bank sitzt eine verhüllte Frauengestalt in strenger Rückansicht. Ihre linke Hand deutet nach links. Der bartlose Mann neben ihr schließt mit seiner nach links ins Halbprofil ge- rückten Haltung das Gemälde im zweiten Bildgrund ab. Im Gegensatz zu den gramgebeugten Personen, die die Stimmung des Bildes bestimmen, hat er stolz den Kopf erhoben. Sein bartloses Profil ist markant. Hoffnungsvoll blickt er in die lichte Ferne.206

Literatur Servaes 1896, S. 281–286. · Wrede, Reinfels 1898. · Buber 1901, Heft 2, S. 155ff. · Ders. 1903, S. 46, 50ff., Abb. S. 56. · Feyerabend 1910, S. 13, Nr. 16. · Ders. 1912, S. 21. · Donath 1921, S. 10, 37ff., Abb. 49 S. 101. · Wininger 1930. · Lesser

206 Der Kritiker und Philosoph Alfred Kerr (1867–1948) schrieb in seiner Kolumne für die Breslauer Zeitung am 23. Februar 1896, dass ihm „ein Kopf von dieser bemalten Leinwand im Gedächtnis haften geblieben“ ist. „Ich kann ihn nicht vergessen, und in gewissen Stunden, wenn er herauf- steigt, scharf umrissen und ernst, führt er eine seelische Erschütterung herbei. Er gehört einem Manne unbestimmten Alters. Dieser Mann steht seitwärts und blickt ins Licht, in das ferne Licht jenseits des Wassers. Neben ihm eine Schar von Genossen: beschmutzte, elende Juden.“. zi- tiert bei Schütz 2002, S. 13. Kerr hatte das Bild wohl nicht mehr ganz richtig in Erinnerung. Der Mann ist mittleren Alters und steht nicht, sondern sitzt. 139 VI. KATALOG DER WERKE LESSER URY

Ury, Memorial 1961, o.S. · Lesser Ury 1961, o.S. · Seyppel 1987, S. 107f., 202. · Bertz 1995, S. 66f Abb. · Schlögl, Schwarz 1995, S. 29f., 82f. · Schlögl, Katzen- stein 2000, S. 22. · Schütz 2002, S. 12ff. Abb., 27, 30ff. Abb., 45f., 84ff., 114. · Winters 2002, Nr. 145, S. 56.

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Entwürfe

B. Studie der Mittelgruppe, 1896 Bild K86 Kohlezeichnung 81,3 x 74,9 cm Signatur: rechts unten L.Ury Provenienz: 1990 Ankauf des Jüdischen Mu- seums New York New York, Jewish Museum

Bei der Studie handelt es sich um den mittigen Ausschnitt des Gemäldes, der die ins Profil nach rechts gekehrte, auf der Bank kauernde Frau, gerahmt von zwei Rückenfiguren zeigt. Beinahe identisch erscheint die Kohlezeichnung zum Aus- schnitt, bis auf ein entscheidendes Detail: Die Augen der alten Frau im Zentrum sind geschlossen, wodurch der Ausdruck des dumpfen Brütens abgemildert wird.

Literatur Schütz 2002, Abb. S. 45, Abb. S. 114.

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C. Kopf des bärtigen Mannes, um 1896 Bild K87 Kohlezeichnung 44,5 x 33,5 cm Signatur: unten rechts L. Ury Provenienz: Galerie Paffrath 1961 Privatbesitz Süddeutschland

Die Studie zeigt ein Porträt des bärtigen Mannes, der im Gemälde links auf dem Boden kauert. Vermutlich hat Ury mit einem lebenden Modell gearbeitet, da indivi- duell markante Gesichtszüge das Porträt eines verbitterten alten Mannes schaf- fen, der beinahe anklagend blickt. Wirre Haare und ein buschiger Bart unterstrei- chen die mürrische Ausstrahlung des Mannes. Im Gemälde scheint Ury die Züge

140 VI. KATALOG DER WERKE LESSER URY

stereotypisiert und vereinfacht zu haben, denn zwischen dem Porträt der Studie und dem alten bärtigen Mann im Gemälde herrscht keine Ähnlichkeit mehr. Zudem fokussiert letzterer in der finalen Fassung nun nicht mehr den Betrachter, sondern blickt ängstlich nach links aus dem Bild heraus.

Literatur Lesser Ury 1961, Nr. 55. · Seyppel 1987, S. 202, Nr. 144. · Schütz 2002, Abb. S. 44, S. 114.

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D. Kopf des bärtigen Mannes, 1896 Bild K88 Kohlezeichnung auf Papier, 44,5 x 33,5 cm Signatur und Bezeichnung: unten links Studie zu Jerusalem 1896 S. l. Lilien L. Ury Provenienz: – Privatbesitz

Diese Kopfstudie des bärtigen Mannes ist näher fokussiert als 30C und im Aus- druck intensiviert. „Der Studienkopf (…) erinnert fatal an den verbitterten Abraham Lincoln, Märtyrer auf dem Präsidentenstuhl.“207

Literatur Buber 1903, S. 53 Abb. · Seyppel 1987, S. 108, 202, Nr. 137. · Schlögl, Schwarz 1995, S. 201, 173 Abb. 84.

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E. Kopf des alten Mannes im Profil, 1896 Bild K89 Kohlezeichnung 20 x 33 cm Signatur: unten rechts L. Ury Provenienz:– Privatbesitz

Die Studie arbeitet im Wesentlichen die Gesichtszüge des am rechten Bildrand sitzenden barhäuptigen Greises mit Backenbart heraus. Ähnlich wie bei der Kopf-

207 Seyppel 1987, S. 108. 141 VI. KATALOG DER WERKE LESSER URY

studie des bärtigen Mannes minimiert Ury das Porträthafte zugunsten einer Abs- traktion der markantesten Gesichtsmerkmale.

Literatur Lesser Ury 1961, Nr. 52 Abb.

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F. Kopf des alten Mannes im Profil, 1896 Bild K90 Kohlezeichnung 20 x 33 cm Signatur und Bezeichnung: unten links Studie zu meinem Bilde Jerusalem L. Ury Provenienz: – Unbekannt

Diese Studie des alten Mannes in Profilansicht ist nur durch eine Abbildung in der 1903 erschienenen Ausgabe „Jüdische Künstler“ von Martin Buber bekannt. Ury hat im Gemälde einiges verändert bzw. die Züge des Mannes zugunsten eines unglücklicheren Ausdrucks verhärtet: Die Zeichnung zeigt den Kopf gebeugt. Freundlicher blickt er drein, man könnte ein Lächeln in seinen Mundwinkeln ver- muten. Im fertigen Bild hat Ury dem Mund diese Milde genommen und die Unter- lippe nach vorne geschoben, so dass die Mimik weitaus verbissener und fast for- dernd wirkt.

Literatur Buber 1903, S. 46 Abb. · Seyppel 1987, S. 202, Nr. 142.

·

G. Kopf des alten Mannes im Profil, 1896 Bild K91 Kohlezeichnung Signatur: – Provenienz: – Unbekannt

Im Ausdruck identisch mit dem vorhergehenden Porträt, zeigt diese Zeichnung noch den Brustansatz, so dass der hochgeschlagene Kragen der Jacke zu sehen ist.

142 VI. KATALOG DER WERKE LESSER URY

Literatur Buber 1901, Heft 2, S. 121.

·

H. Kopf des alten Mannes im Profil, 1896 Bild K92 Kohlezeichnung Signatur: – Provenienz: – Unbekannt

In einem größeren Bildausschnitt studiert Ury Kopf und Oberkörper des Alten in einem kompositionellen Umfeld. Die zum Gebet gefalteten erhobenen Hände sind überdimensioniert und erscheinen unförmig. Ury versucht die Symbiose zwischen Gesichtsausdruck und Gestik zu betonen.

Literatur Buber 1901, Heft 2, S. 122.

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I. Kopf des Mannes mittleren Alters, 1896 Bild K93 Kohlezeichnung Signatur:– Provenienz: – Unbekannt

Ury studiert den nach links ins Halbprofil gekehrten Kopf des Mannes mittleren Alters, des „Hoffnungstrunkenen“208, als direktes Profil. Die überspitzte jüdische Physiognomie tritt deutlich hervor.

Literatur Buber 1901, Heft 2, S. 125.

208 Buber 1903, S. 56. 143 VI. KATALOG DER WERKE JAMES TISSOT

34. J AMES–JOSEPH–JACQUES T ISSOT (1836–1902)

A. By the Waters of Babylon, 1896/97 Bild K94 Farbige Gouache aus „La Sainte Bible", 1904 18,1 x 25,8 cm Unsigniert Provenienz: 1952 Geschenk der Erben Jacob H. Schiffs/Fifth Avenue Art Galleries New York, Jewish Museum

Veranlasst durch eine religiöse Offenbarung in der Kirche S. Sulpice in Paris, widmete sich der durch gesellschaftliche Szenen an Bord von Schiffen und Darstellungen des mondänen Lebens im 19. Jahrhundert bekannt gewordene Maler James Tissot in den letzten 15 Schaffensjahren der Bibelillustration.209 1836 in Nantes geboren, genoss Tissot ab 1857 eine konventionelle Ausbildung in Paris bei Louis Lamothe (1822–1869) und Hippolyte Flandrin (1809–1864). 1871 siedelte er nach London über. Der Tod seiner Lebensgefährtin Kathleen Newton 1882 veranlasste ihn nach Paris zurückzukehren.210 Ab 1886 fing er an, das Leben Christi zu illustrieren. Auf der Suche nach exakten historischen Örtlichkeiten und Details reiste der Künstler nach Palästina. Tissot, der 1896 eine dritte Palästinareise unternahm, um mehr Material für die Illustration des Alten Testaments zu sammeln, lag die wirklichkeitsgetreue Wiedergabe von biblischen Schauplätzen und auch die Darstellung der Einheimischen am Herzen.211 1896 erschien der erste Band der Tissot–Bibel.212 Die anschließend unternommene Illustrierung des Alten Testaments hinterließ der Künstler unvollendet.213 Sechs Künstler, die von Tissot selber ausgewählt waren, vollendeten die Bibelserie nach Skizzen und Fotos, die Tissot auf seiner letzten Palästinareise gesammelt hatte. 214 1904 publizierte Tissots Freund Maurice de Brunoff das Alte Testament in zwei Bänden.215 „By the Waters of Babylon“ gehört zu 20 Psalmenillustrationen von insgesamt 400 geplanten Darstellungen, die sich vor allem auf die geschichtlichen Bücher der Bibel konzentrieren.216

Diagonal durchzieht der Fluss Euphrat das kleinformatige Aquarell, in dem ein lo- ckerer Pinselstrich und helle Farben dominieren. Eine Schar ausschließlich männ- licher Gestalten bevölkert das fruchtbare, satte, grüne Ufer. Weiden, deren Blatt-

209 Vgl. Wood, Christopher: Tissot. The Life and Work of Jacques Joseph Tissot 1836–1902, Lon- don 1986, S. 143f. 210 Vgl. ThB 1939, Bd. 33. 211 Vgl. Hughes, John Henry: Tissot’s Contribution to Religious Art, in: Brush and Pencil, an Illus- trated Magazine of Art, 1902, Bd. 10, S. 364: “Tissot, who studied for years in the Holy Land, came still nearer to the possible type, for he painted the Jew of Palestine, while the crowds that figure in the sacred pictures are not clean persons, glowing in robes of crimson and blue, but are like low–grade crowds everywhere dirty, unkempt, halfclothed, and low browed.”. 212 Vgl. Wood 1986, S. 147. 213 Kurz vor seinem Tod, am 8. August 1902, hatte Tissot etwa die Hälfte der 400 Illustrationen zum Alten Testament fertig. Vgl. Thomson, Ian: Tissot as a Religious Artist, in: Matyjaszkiewicz, Krystyna (Hg.): James Tissot, New York 1984, S. 93. 214 Vgl. ebd.; Wentworth, Michael: James Tissot, Oxford 1984, S. 195. 215 James Tissot, La Sainte Bible: Ancien Testament, 2 Bde., hrsg. von Brunoff, Maurice de, Paris, London, New York 1904. 216 Vgl. Thomson 1984, S. 93. 144 VI. KATALOG DER WERKE JAMES TISSOT

werk vom oberen Bildrand überschnitten ist, stehen in regelmäßigen Abständen an der Uferböschung und spenden Schatten. Harfen und Leiern hängen in den untersten Ästen. Auf der Wasseroberfläche des Flusses spiegeln sich die turmar- tigen Gebäude Babylons vom jenseitigen Ufer. Zwei kleine Segelschiffe ankern dort. Die Juden in ihren orientalischen Gewändern und Kopfbedeckungen sitzen oder liegen in einer Reihe – dem Betrachter den Rücken zukehrend – nah am Wasser und blicken niedergeschlagen in die Fluten. Eine einzige Person rechts hat den Kopf umgewandt und blickt in Richtung des Betrachters, der sich beinahe als Voyeur ertappt fühlen könnte. Noch weiter hinten ist ein Jude in einem weißen Gewand gerade dabei, seine Harfe in den Baum zu hängen. Die Diagonale des Flusses wird also vom Bildpersonal aufgegriffen und unterstützt. Keine zentrale Gruppe hierarchisiert das Geschehen. Vielmehr ist das Aquarell ein kleinformatiger Ausschnitt, der zu beiden Seiten beliebig erweiterbar ist.

Literatur Muffs, Schiff, 1982, S. 60. · Thomsen 1984, S. 93. Abb. 42.

145 VI. KATALOG DER WERKE GUSTAV EBERLEIN

35. G USTAV H EINRICH E BERLEIN (1847–1926)

A. Skulpturengruppe: Die gefangenen Juden von Babylon – „An den Wassern Babylons…“, 1899 Bild K95 Gips Provenienz: bis 1938 in Hann. Münden, Eber- lein Museum Zerstört217

Der 1847 geborene Bildhauer, Maler und Dichter Gustav Eberlein gehörte zu den großen Künstlern der „Berliner Bildhauerschule des 19. Jahrhunderts“218 und zu den bedeutends- ten Bildhauern des Wilhelminischen Zeitalters.219 Zunächst als Goldschmied ausgebildet, besuchte er von 1866–69 die Kunstschule in Nürnberg. Durch ein Stipendium konnte er sein Studium an der Kunstakademie in Berlin fortsetzen. Dort war er in der Werkstatt von Gustav Bläser (1813–1874), der dem Klassizismus Rauchs verpflichtet war, beschäftigt. Maßgeblichen Eindruck aber hinterließen die neubarocken Werke von Reinhold Begas (1831–1911). Die Reise nach Rom im Jahre 1873 vertiefte die Eindrücke des antikisieren- den Genres, das sich in seinem ersten bedeutenden Werk „Der Dornauszieher“ (Berlin, National–Galerie) von 1880 widerspiegelt. In den 90er Jahren erhielt er eine Reihe repräsentativer Denkmalaufträge, die ihn zu einem gefragten Bildhauer machten.220 Von 1895 bis 1900 war sein Oeuvre weitgehend unabhängig von finanziellen Überlegungen: Ohne Auftraggeber schuf er die Mehrzahl der Werke, die von der Darstellung religiöser Themen geprägt sind.221 Die trifigurale Skulpturengruppe „An den Wassern Babels“ – entstanden 1899 – gehört zu Eberleins „Freien Werken“ .222 1900 war es auf der Großen Internationalen Kunstausstellung in Berlin zu sehen.223

217 1894 richtete Eberlein auf eigene Kosten ein "Eberlein-Museum" in Hann. Münden ein. Von den ehemals dort vorhandenen über 300 Gipsunikaten, es waren die vom Ton abgenommenen Erstabgüsse, nach denen die Marmorfassungen bzw. Bronzegüsse entstanden sind, blieben nur 15 Skulpturen unbeschädigt. Über 120 wurden 1960 in eine Schuttdeponie geworfen und sind unwiederbringlich verloren. Vgl. Grimm, Rolf: Gustav Heinrich Eberlein, Zum Schicksal sei- ner Werke, Sonderdruck, in: Spectrum, 1990, Bd. 5, Heft 2, S. 32–34. Allgemein zu Eberlein und seinen Werken bietet die Gustav–Eberlein–Forschung e.V. Informationen unter www.g–r–i– m–m.de. 218 Die Berliner Bildhauerschule des 19. Jahrhunderts umfasst den Zeitraum von etwa 1786 bis 1914, der sich in fünf Phasen unterteilen lässt: 1. Schadow und seine Zeit 2. Christian Daniel Rauch 3. Die Rauch–Schule 4. Der Neubarock 5. Beginn der Moderne. Vgl. dazu Bloch, Peter: Die Berliner Bildhauerschule des 19. Jahrhunderts. Ein Überblick, in: Bloch, Peter, Einholz, Si- bylle, Simson, Jutta von (Hg.): Ethos und Pathos, Die Berliner Bildhauerschule 1786–1914, Ber- lin 1990, S. 37. 219 Vgl. Bloch, Peter; Einholz, Sibylle; Simson, Jutta von (Hg.): Ethos und Pathos. Die Berliner Bildhauerschule 1786–1914, Berlin 1990, S. 441. 220 Vgl. Das geistige Deutschland am Ende des 19. Jahrhunderts, Enzyklopädie des deutschen Geisteslebens in biographischen Skizzen, Leipzig 1898; ThB 1914, Bd. 10; Hünigen, Ute, Grimm, Rolf: Art. zu „Eberlein“, in: AKL 2002, Bd. 31. 221 Vgl. Grimm, Rolf: Werkverzeichnis des Bildhauers, Malers und Dichters Prof. Gustav Heinrich Eberlein, Hemmingen 1983, S. 12. 222 Darüber entsteht eine Dissertation von Claudia Boedecker. 223 Vgl. Grosse Berliner Kunst–Ausstellung, Berlin, Stuttgart, Leipzig 1900, S. 92, Nr. 1563. Über die Hälfte der 24 eingesandten Werke wurde wieder entfernt. Die stilistische Wende zu einem krassen Realismus wurde weder vom Publikum noch von seinen Kollegen verstanden. Anstoß hatte eine Skulptur gegeben, die den „Geist Bismarcks“ darstellte. Sie wurde auf Wunsch der 146 VI. KATALOG DER WERKE GUSTAV EBERLEIN

Die Skulptur ist dreistufig konzipiert: Auf grobbehauenem Stein, der einen Felsen imaginiert, thront eine junge Frau mit übereinander geschlagenen Beinen. Links hinter hier steht ein alter ausgemergelter bärtiger Mann, vor ihm eine große Harfe mit gerissener Saite. Rechts steht ein nacktes Kind in Profilansicht und kehrt dem Paar – sich die Tränen abwischend – den Rücken: „Es sind Königsmenschen der altjudischen Zeit“.224 Die Frau, frontal zum Betrachter sitzend, hat ihren nackten Oberkörper leicht nach vorne gebeugt und die Arme vor ihren üppigen Brüsten verschränkt. So kann sie sich auf den Oberschenkel des übergeschlagenen Beines stützen. Den Kopf hält sie leicht erhoben nach links gewandt, so dass der Betrachter ein Profil mit klassisch schönen Zügen zu Gesicht bekommt. Strähnen ihres Haares haben sich von der am Hinterkopf zu einem Knoten hochgesteckten Frisur gelöst und fallen über ihren Hals und das Dekolleté. Um die Beine hängt ein weites Tuch, das ihr gleichzeitig als Unterlage für den Stein dient. Das Gewebe fällt lang über den frei in der Luft hängenden Fuß, von dem nur noch die Zehen hervorschauen, um am Sockel mit dem Stein des Felsens zu verschmelzen. Zu ihrer sinnlichen Fleisch- lichkeit kontrastiert der hagere Alte hinter ihr, der tröstend die linke Hand auf ihre linke Schulter gelegt hat. Es ist der „geblendete, gefesselte Königsgreis Zedekia, zum Hohn den Herrscherreif um die Stirn gelegt“.225 Sein nackter Oberkörper zeigt die Spuren des Alters: Sehnige Muskeln treten unter schlaffer Haut hervor. Auch sein Gesicht ist von Falten gezeichnet. Lange wirre Haare und ein wallender Bart fallen über seine Brust. Er steht seitlich nach links versetzt mit dem linken Bein auf einem kleinen Vorsprung und scheint sich dabei an den Gesteinsbrocken zu lehnen. Vor ihm steht eine große Harfe. Lässig liegt sein rechter Arm auf dem Instrument, so dass die dicke Eisenkette seiner Fessel sich um den Rahmen der Harfe windet. Um die Hüften trägt er ein bauschi- ges Gewand. Auf der anderen Seite steht der Knabe. Sich abwendend und doch schutzsu- chend die Hand auf das Gewand der Frau gelegt, weint er als Einziger über sein Schicksal. Er steht kontrapostisch da. Lange, lockige Haare umschmiegen den Kopf.

Angehörigen Bismarcks aus der Ausstellung genommen. Siehe hierzu Rosenberg, Adolf: Eber- lein, Bielefeld, Leipzig 1903, S. 84. 224 An den Wassern Babels, in: Ost und West, 1901, Jg. 1, Heft 1, Sp. 72. 225 Ebd. 147 VI. KATALOG DER WERKE GUSTAV EBERLEIN

In den Figuren, die sich im Halbkreis vom Kind zum Alten emporwinden, spie- geln sich die drei Lebensalter226 wider.

Literatur Grosse Berliner Kunst–Ausstellung 1900, S. 92, Nr. 1563. · Ost und West 1901, Jg. 1, Heft 1, Sp. 72, Abb. Sp. 17/18. · Rosenberg 1903, S. 111, Abb. S. 99. · Grimm 1983, Abb. S. 43, Nr. 58, S. 214.

226 Siehe dazu Molsdorf, Wilhelm: Christliche Symbolik der mittelalterlichen Kunst, Leipzig 1926², Nr. 1130–45. 148 VI. KATALOG DER WERKE MAURICE DENIS

36. M AURICE D ENIS (1870–1943)

A. A l’automne. La musique adoucit les regrets, les tristesses ou Super Flumina Babylonis, 1905 Bild K96 Kohle auf Papier 150 x 350 cm Unsigniert, aber bezeichnet mit Bleistift in Ma- juskeln mittig unten A l’automne. La musique adoucit les regrets, les tristesses Provenienz: Geschenk der Familie Denis Saint–Germain–en–Laye, Musée Départemental Maurice Denis

Maurice Denis, der Hauptvertreter der Nabis, wurde 1870 geboren. Ab 1888 studierte er an der Pariser Académie Julian, wo er die Bekanntschaft von Bernard (1868–1941), Bonnard (1967–1947) und Sérusier (1863–1927) machte. Mit Vuillard (1868–1940) war er bereits seit der Schulzeit befreundet. Die Maler von Pont–Aven, vor allem Gauguin (1848– 1903), gewannen Einfluss auf ihn. 1890 gründete Denis mit seinen Freunden die Gruppe der Nabis.227 Auf Italienreisen hatte sich Denis von den Malern der Frührenaissance, besonders Piero della Francesca und Fra Angelico, für seine religiöse Kunst inspirieren lassen, die in großen Dekorationsszenen für Kirchen kulminierte. 1904 sollte Denis ein Thema aus dem Bereich von Musik und Religion in formaler Hinsicht als Modell dienen:228 Der Wiesbadener Theaterintendant Kurt von Mutzenbecher engagierte Denis zusammen mit Maillol (1861–1944) und van de Velde (1863–1957) für die Gestaltung des Musikzimmers in seiner Villa. Der praktizierende Katholik Denis war von dem vorgeschlagenen religiösen Thema begeistert und tauschte sich darüber mit seinem Freund Jan Verkade (1868–1946) aus, der als Malermönch im Kloster Beuron lebte.229 Denis bat Verkade bei den Themen um Rat und empfing entscheidende Anregungen: In einem Brief vom Dezember 1904 schlug Jan Verkade seinem Freund Denis vor, sich von Psalm 137 inspirieren zu lassen.230 Maurice Denis griff das Thema für seinen ersten Entwurf auf und versah diesen mit der Inschrift unten mittig in Majuskeln „A l’Automne, la musique adoucit les regrets, les tristesses“ (An den Herbst, die Musik mildert den Jammer, die Traurigkeit). Als Pendant dazu stellte sich Verkade ein Gefolge von Jungfrauen im Himmel vor: „étant donné que l’exil des Juifs est le symbole de notre exil sur cette terre, exil, qui aura sa fin lorsque nous serons au ciel“231 Der Entwurf wurde verworfen, bevor schließlich das Ensemble von fünf aufeinander abgestimmten Gemälden, „L’éternel été“, entstand.232

227 Vgl. Frèches–Thory, Claire, Perucchi–Petri, Ursula (Hg.): Les Nabis, Paris 1990, S. 9–27. 228 Vgl. Boullion, Jean Paul: Art. zu „Denis“, in: AKL 2000, Bd. 26. 229 Vgl. Frèches–Thory, Perucchi 1993, S. 298f. 230 Vgl. Maurice Denis 1870–1943, Ausst., Gent 1994, S. 307. 231 Ebd. 232 Vgl. Schäfer, Carina: Theaterintendant mit Faible für Französische Kunst. Die Sammlung von Kurt von Mutzenbecher in Wiesbaden, in: Pophanken, Andrea, Billeter, Felix (Hg.): Die Moderne und ihre Sammler, Französische Kunst in deutschem Privatbesitz vom Kaiserreich zur Weima- rer Republik, München 2001, S. 107f. In einem Brief an Madame de La Laurencie äußert sich Denis erfreut über die Bedeutung seiner Arbeit. Letztendlich aber war des Künstlers Urteil im Januar 1907 über das soeben fertig eingerichtete Musikzimmer vernichtend: „Wiesbaden. Ma désillusion: ridicule entourage de mes panneaux“. Schäfer 2001, S. 105. 149 VI. KATALOG DER WERKE MAURICE DENIS

In dem lang gezogenen Querformat sind vier Farbtöne kombiniert: grün, blau, gelb und weiß. Rot fehlt. Frauen in langen Gewändern stehen und sitzen im Halb- kreis in einem zum Betrachter geöffneten Hain, durch den sich die Ausläufer eines Flusses ziehen. Gesichter sind nur angedeutet. Die Bäume nehmen die gesamte Höhe des Bildes ein. Dazwischen leuchtet der von der untergehenden Sonne ge- färbte Himmel gelb auf. Hinten öffnet sich zwischen den Stämmen der Bäume der Blick auf spiegelnde Wasserflächen und die Silhouette einer von Bäumen be- wachsenen Insel. Der erste Titel des Entwurfes „A l’Automne, la musique adoucit les regrets, les tristesses“ geht mit dem Inhalt von Psalm 137 nicht konform. Im linken Bildbereich stehen zwei Frauen Rücken an Rücken und hängen Harfen in die herabhängen- den Äste einer Trauerweide. Die Juden wollen keine Lieder für ihre Eroberer sin- gen und hängen deswegen ihre Harfen in die Bäume. Eine der Frauen ist weiß gekleidet und steht im Halbprofil nach rechts gekehrt. Ihr Pendant, in ein blaues Gewand gehüllt, kehrt dem Betrachter den Rücken zu. Der figürliche Bogen führt vom linken Vordergrundbereich in die zweite Bildebene, wo zwei blau gewandete Frauen im Profil nach rechts gekehrt am Boden kauern. Ihre Ebenbilder spiegeln sich auf der Oberfläche des kleinen Wasserlaufs. Die Hände vors Gesicht haltend, geben sie sich ihrer Trauer hin. Daneben stehen drei Frauen in weißen Gewän- dern frontal zum Betrachter. Zwei von ihnen halten sich an den Händen. Ihre er- hobenen Köpfe und die offenen Münder vermitteln den Eindruck, als würden sie Klagelieder singen: eine theatralische Szenerie. Nun wandert der Blick über einige im Hindergrund emporragende Platanen zum rechten Bildrand, wo an einem Baumstamm ein junger Mann lehnt. Gekleidet in eine kurze weiße Tunika, birgt er sein Gesicht in den Händen. Von links kommt ein nackter Jüngling mit erhobenen Armen auf ihn zugelaufen. Dahinter sieht man weitere stehende Personen vage skizziert. Der Personenhalbkreis endet im rechten Vordergrundbereich. Zwei Frauen sit- zen sich gegenüber und klagen. Ihre Positionierung im Bildgefüge verhält sich diametral zu den beiden stehenden, die Harfen aufhängenden Frauen links. Die vordere, in blau gekleidete Frau sitzt, in Rückansicht gesehen, seitlich verlagert auf dem Boden und stützt sich mit ihrem linken Arm ab. Sie wendet ihren Kopf nach links einem kleinen Jungen zu, der an ihrer Seite steht und sie umarmt. Mit dem Zeigefinger des rechten Armes weist sie nach oben, wo eine Harfe in den

150 VI. KATALOG DER WERKE MAURICE DENIS

Zweigen des Baumes zu sehen ist. Ihre Leidensgenossin sitzt schräg gegenüber. Sie ist mit einem grünen Kleid und einem blauen Kopftuch bekleidet und stützt ihren Kopf mit der Hand. Obgleich die Skizze ihren unfertigen Charakter beibehält, ist die Symmetrie der Komposition offensichtlich. Verhaltene Farbtöne und das fehlende Rot vermitteln eine kühle und distanzierte Stimmung.

Literatur Maurice Denis 1870–1943 1994, S. 307f., Abb. Nr. 167. · Bouillon 1993, S. 120. · Schäfer 2001, S. 105ff.

151 VI. KATALOG DER WERKE WILHELM WACHTEL

37. W ILHELM W ACHTEL (1875–1942)

A. An den Wassern zu Babylon, 1906–10 Bild K97 Öl auf Leinwand 79,5 x 100 cm Unsigniert Provenienz: Ankauf vom Künstler in Jerusa- lem Kunsthandel

Der polnische Maler, Graphiker und Buchillustrator Wilhelm Wachtel, 1875 in Lemberg geboren, studierte an der Krakauer Akademie; später in München, Wien und Paris. Sein Oeuvre ist vorwiegend von jüdischen Themen bestimmt.233

Die Komposition ist Eduard Bendemanns Gemälde „Die trauernden Juden im Exil“ entlehnt. Über dem halbrunden Bildabschluss stehen die ersten beiden Verse des 137. Psalms in Hebräisch; in den beiden Zwickeln ist je ein Davidstern gemalt. Die bei Bendemann vorherrschenden ungebrochenen Buntfarben der Gewän- der hat Wachtel unter einem grau-grünlichen Grundton vereinheitlicht. In dem hin- ter der Figurengruppe stehenden Baum hängen drei Musikinstrumente, wie sie auch auf den Wandmalereien in den Synagogen zu finden sind.

Literatur Vollmer 1961, Bd. 5.

233 Vgl. Vollmer, Hans (Hg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts, 1961, Bd. 5; Fuchs, Heinrich: Die österreichischen Maler des 19. Jahrhunderts, Ergänzungsbd. 2, Wien 1979. 152 VI. KATALOG DER WERKE EPHRAIM MOSES LILIEN

38. E PHRAIM M OSES L ILIEN (1874–1925)

A. An den Wassern zu Babylon, 1910 Bild K98 Radierung und Aquatinta 33,5 x 59 cm Signatur: auf Kupferdruckkarton (52,5 x 76 cm) unten links E.M.Lilien, unten rechts ge- zeichnet: Käfig mit Löwen Donath Nr. 43234

Der aus einer Handwerkerfamilie stammende jüdische Künstler Ephraim Moses Lilien wurde 1874 in Galizien, der heutigen Ukraine, geboren. Zunächst ging er auf die Kunstschule in Krakau, versuchte aber schon kurze Zeit später – 1894 – in München Fuß zu fassen. Dort wirkten die aus England kommende Entdeckung des Buches als Gesamtkunstwerk und der Jugendstil nachhaltig auf ihn ein.235 So erkennt man den Stil Aubrey Beardsleys in Liliens Werk wieder.236 Sein Oeuvre, das aus Radierungen und Schwarzweißzeichnungen besteht, ist der Vermittlung einer kollektiven Botschaft, der zionistischen Idee gewidmet.237 In Briefen an Helene Magnus, seine spätere Frau, schrieb er von seiner zionistischen Überzeugung.238 Diese veranlasste ihn, mehrere Reisen nach Palästina zu unternehmen, die die Wahl seiner Motive nachhaltig beeinflussten. Bereits 1907, nach seiner ersten Reise, begann der Plan der illustrierten Bibel in Lilien feste Gestalt zu gewinnen. Im selben Jahr schloss Lilien mit dem Braunschweiger Verleger Georg Westermann (1869–1945) einen achtseitigen Vertrag, der ihn in 22 Paragraphen zur Ausgestaltung einer acht– bis zehnbändigen Bibelausgabe verpflichtete. Bei dieser Ausgabe ist, wie aus dem Vorwort zum ersten Band hervorgeht, weniger an ein Erbauungsbuch gedacht, als vielmehr an die Bibel als eines der ältesten und bedeutendsten Werke der Weltliteratur:239 In Liliens Hand lagen Papier und Schriftwahl, Gestaltung der Einbanddeckel, die Initialen und die Vollbilder. Jeweils zu Ostern und zu Weihnachten, beginnend 1908, sollte ein Band geliefert werden. Lilien hat diesen Vertrag nicht gehalten, es erschienen nur drei Bände

234 Da es sich um eine Originalradierung handelt, gibt es eine Anzahl von Exemplaren. Deswegen soll hier das Werkverzeichnis der Radierung, Donath, Adolph: Verzeichnis der Radierungen von E. M. Lilien, Wien 1919, Nr. 43, zitiert werden. 235 Vgl. Zweig, Stefan: E. M. Lilien, Sein Werk, Berlin, Leipzig 1903, S. 9–29. 236 Vgl. E. M. Lilien Zeichnungen, Ausst., München 1987, o. S.; Heyd, Milly: Lilien and Beardsley „To the pure all things are pure“, in: Journal of Jewish Art, 1980, Bd. 7, S. 58–69. Den Werde- gang Liliens, seine ersten zehn Künstlerjahre, skizziert der Dichter Stefan Zweig in der ersten Lilienmonographie von 1903, vgl. Anm. 235. 237 Die zionistische Bewegung setzte sich für die Gründung eines selbständigen jüdischen Staates Israel ein. Siehe dazu Stanislawski, Michael: Vom Jugendstil zum „Judenstil“: Universalismus und Nationalismus im Werk Ephraim Moses Liliens, in: Brenner, Michael, Yfaat Weiss (Hg.): Zi- onistische Utopie – Israelitische Realität. Religion und Nation in Israel, Bremen 1999, S. 70ff. 238 Vgl. Lilien, Otto M., Strauss, Eve (Hg.): E.M. Lilien Briefe an seine Frau 1905–1925, Königstein 1985, S. 36ff. 239 „Dieses Buch (ist) voll Kampf und Leidenschaft, voll von Widersprüchen und Gegensätzen, von Fragen und sehnsüchtigem Gottsuchen. Es ist eben kein ausgeklügelt Buch, es ist ein Stück le- bendiger Menschheitsgeschichte, das wir hier vor uns haben. Wahrlich kein Buch der Erde spiegelt ein so gewaltiges Stück menschlichen Ringens wie diese heilige Schrift.“ Die Bücher der Bibel, hrsg. von Rahlwes, Ferdinand, Bd. 1: Überlieferung und Gesetz, Das Fünfbuch Mose und das Buch Josua, nach der Übersetzung von Reuss, Eduard, Braunschweig 1908, S. 12. 153 VI. KATALOG DER WERKE EPHRAIM MOSES LILIEN der geplanten Ausgabe und auch diese im weiten zeitlichen Abstand 1908, 1909 und 1912. 240 Über die Zeichnung zu Psalm 137 ist in einem Brief aus Berlin an Helene Magnus im Spätsommer 1909 zu lesen: „Die neue Zeichnung ist gestern fertig geworden, und nun sitze ich an Babels Wassern und zeichne an Frauchen denkend“.241

In einem Querformat zeigt Lilien sieben Frauen, die mit gesenkten Häuptern in sich gekehrt auf den Stufen eines befestigten Ufers nach rechts ins Profil gekehrt sitzen. Rechts am Horizont taucht die untergehende Sonne – ein riesenhafter Kreis – ins Wasser. Seerosen zieren die Wasseroberfläche. Den unteren Bildrand ornamentieren zur Bildmitte an Höhe zunehmende Schilfgräser. Am oberen Trep- penabsatz, wo der Sockel eines Palastes noch angeschnitten ist, wächst eine Trauerweide. Harfe und Leier hängen in den Ästen. Die Frauen scheinen zu wei- nen. Kein Gesicht ist zu sehen, eine jede ist in ihr Leid versunken. Einige der Jü- dinnen haben kunstvoll verzierte Saiteninstrumente, auf die sie sich stützen. Die Figurenanordnung gehorcht dem Stufenbau des befestigten Ufers und bil- det ein pyramidales Gefüge; es konstruiert ein figürliches Ornament, das dem Ka- non des Jugendstils entspricht. Die Spitze der Pyramide bildet eine Frau, die am obersten Absatz ein großes Saiteninstrument auf ihren Knien hält und ihren Kopf auf dem langen Holzrahmen aufstützt. Die linke Hand greift in die Saiten des In- struments. In ähnlicher Pose sitzt eine Stufe weiter unten nach links versetzt eine weitere Frau. Ebenso in ein langes Gewand gehüllt und den Kopf mit einem Tuch bedeckt, ruhen die Hände auf einer am Boden stehenden Leier. Gleichmäßig verteilt auf der nächsten Stufe befinden sich drei trauernde Frau- en, die somit die Form der figuralen Pyramide vervollständigen: Ganz links eine Jüdin, die ihre Augen mit einem fransenverzierten Mantel bedeckt, der auf dem Boden aufliegt. Der Oberkörper ist nackt, das Kopftuch fällt ihr über den Rücken. Weiter nach rechts zur Mitte des Bildes kauert eine dem Betrachter frontalansich- tig gezeigte Frau mit dem Kopf auf den Knien. Der Saum ihres Gewandes ist mit Ornamenten verbrämt. Am Ende der Treppenstufe, nach rechts ins Profil gerückt, sitzt eine Frau mit entblößtem Oberkörper. Auch die Beine sind sichtbar, da ihr Gewand wegen der

240 Vgl. Brieger, Lothar: E. M. Lilien, Eine künstlerische Entwicklung um die Jahrhundertwende, Berlin, Wien 1922, S. 209–232. Außerdem Hieronimus, Ekkehard: Der Graphiker E.M. Lilien (1874–1925), Braunschweig 1974, S. 7f. Für diese Arbeit – es wurde mit 50 bis 100 Zeichnun- gen gerechnet – erhielt der Künstler bei einer Auflage von 5000 Exemplaren pro Band 300 Mark. Der Honorarberechnung waren 8 Bände zugrunde gelegt. 241 Lilien, Strauss 1985, S. 116, Nr. 133. 154 VI. KATALOG DER WERKE EPHRAIM MOSES LILIEN

aufgestellten Beine zur Hüfte gerutscht ist. Mit den Armen stützt sie sich auf eine Leier, die an ihrer linken Seite steht. Auf dem untersten Absatz kauern zwei Jüdin- nen. Die eine kniet links zu Füßen der eine Stufe höher sitzenden Frau. Vornüber- gebeugt mit nacktem Oberkörper hält sie ihre Hände vors Gesicht. Lange dunkle Haare, die ein Band schmückt, fallen in Locken über ihren Kopf. Die andere sitzt ganz rechts am Ende des Absatzes und klammert sich an die neben ihr stehende Harfe.

Literatur Berliner Illustrierte 28. Juli 1911, 20. Jg., Nr. 31, S. 617 Abb. · Donath 1919, S. 13 Abb., 20, Nr. 43. · Brieger 1922, S. 85 Abb., S. 224f. · Hieronimus 1974, Abb. S. 20, 21. · Lilien, Strauss 1985, S. 116, Nr. 133, 150, Abb. 40. · Almog, Milchram 1998, Abb. S. 52/53. · E. M. Lilien, Unterwegs im alten Orient 2004, S. 16, S. 17 Abb. 18.

155 VI. KATALOG DER WERKE PAUL KLEE

39. PAUL K LEE (1879–1940)

A. Skizze zu Psalm 137, 1913 Bild K99242 Feder 9,3 x 5,2 cm Signatur: links unten Klee, bezeichnet auf dem Karton mit Randleiste links unten: 1913. 156. Am Kartonrand links unten mit Bleistift Psalm Provenienz: Geschenk von Lily Klee, Bern Bern, Sammlung Felix Klee

Paul Klee, der 1879 als Sohn eines Musiklehrers und einer Sängerin in der Nähe von Bern geboren wurde, begann seine Künstlerlaufbahn bei Franz von Stuck (1868–1928) in München. Seine ersten Arbeiten zeigen starke Beziehungen zum Jugendstil. Durch Freundschaft mit den Künstlern des „Blauen Reiters“, die 1908 begann, und eine 1914 zusammen mit August Macke (1887–1914) und Louis Moilliet (1880–1962) unternommene Tunisreise fand Klee zu einem abstrahierenden Bildaufbau, in dem die Farbe dem linearen Gerüst gleichwertig wurde. 1921–1931 wirkte er als Lehrer am Bauhaus, danach bis 1933 an der Akademie in Düsseldorf.243 Die kleinformatige Skizze entstand im Rahmen des Vorhabens einer Illustrierung der Bibel. Im Frühling 1913 forderte Franz Marc seine Freunde Kandinsky (1866–1944), Klee, Heckel (1883–1970), Kokoschka (1886–1880) und Kubin (1877–1959) zur Mitarbeit auf, die Bibel zu illustrieren. Diese sollte vom „Blauen Reiter“ herausgegeben werden. Das Vorhaben zerschlug sich aber bei Ausbruch des Krieges. Paul Klee wählte das Thema der Psalmen und führte zwischen 1913 und 1915 acht Blätter aus. Die erste Illustration war eine Skizze zum 137. Psalm. 244

Die Darstellung kann nicht als Illustration im herkömmlichen Sinne bezeichnet werden. Erst die Kenntnis des Bildtitels erlaubt, in dem Figurengeflecht ohne Tiefe und taktile Stofflichkeit fragmentarische Gebärden und Physiognomien zu erken- nen. In der linken oberen Ecke dominieren die erhobenen gedunsenen Arme einer Gestalt. Darunter vom linken Bildrand überschnitten sitzt eine Frau mit entblößten Brüsten. Ihr Haupt ist gebeugt und ihre Augen sind geschlossen. Die Atmosphäre der Trauer durchdringt die abstrakten Formen, runde Blattformen suggerieren rie- senhafte Tränen.245

242 Die Wiedergabe im Abbildungsband ist etwas größer als das Original. 243 Vgl. ThB 1927, Bd. 20. 244 Vgl. Lankheit, Klaus: Bibel–Illustrationen des Blauen Reiters, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 1963, S. 199ff. Die anderen Illustrationen sind: 1913: 168 Fanfa- renklänge (zum Psalm), 169 Ohnmacht der Widersacher (zum Psalm), 1914: 161 Jerusalem meine höchste Wonne, 1915: 23 Psalm, geblasen (23. Psalm), 144 Skizze zu den Psalmen, 1917: 33 Schöpfungspsalm 24 c Insekten, 1918: 21 Psalm. 245 Vgl. Hexthausen, Charles Werner: Klees künstlerisches Verhältnis zu Kandinsky während der Münchner Jahre, in: Paul Klee, Das Frühwerk 1883–1922, München 1979, S. 123f. Lankheit 1963, S. 204 bezeichnet die Zeichnung sehr passend als „tränenschwer“ und verweist auf die 156 VI. KATALOG DER WERKE PAUL KLEE

Literatur Lankheit 1963, S. 199ff., Abb. · Kröll 1968, S. 34. · Geelhaar 1975, S. 17, Abb. 29. · Hexthausen 1979, S. 123, Abb. · Haenlein 1980, Nr. 125. · Tower 1981, S. 69– 71, 75. · Jordan 1984, S. 99f., Abb. 36. · Helfenstein 2000, Bd. 2, S. 101, Nr. 1058, Abb.

·

B. An den Wassern Babylons 1918 Bild K100 Aquarell und Feder auf Papier, zerschnitten und neu kombiniert, auf Karton 25 x 19 cm Unsigniert, aber bezeichnet auf dem Karton mit Randleiste unten links: 1918, 34 Provenienz: 1958–1991 im Besitz von Doro- thea Freifrau von Schrenck–Notzing Privatbesitz, Deutschland

Das kleinformatige Aquarell gehört zu den so genannten Schriftbildern, die zwischen 1916 und 1918 Klees Oeuvre bestimmen. Sie sind aus dem Erleben chinesischer Gedichte entstanden und illustrieren Klees Verhältnis zu Buchstaben, Wort und Sinn. Ein Text ist der Ausgangspunkt. Sie sind gleichzeitig Schrift und Bild.246

„An den Wassern von Babel“ steht in Großbuchstaben in einem Gittergeflecht aus Linien rechts im Bild. Auf Aquarellfarbfeldern, die links einen Sonnenball und einen Palmenbaum formen, spinnt sich eine zarte Linienpyramide, in der die Morpholo- gie von Händen das einzig substantiell Wahrnehmbare zu sein scheint. Eine wahrhaftige Pyramide über dem Gerüst aus dünnen Strichen soll ein architektoni- sches Umfeld andeuten. Der aquarellierte Unter– bzw. Hintergrund suggeriert mit hellen und dunklen Farbtönen Räumlichkeit, während die Darstellung der trauern- den Juden abstrakt und nicht greifbar ist. Der Betrachter erfasst bruchstückhafte Gesten und den ins Bild integrierten Titel simultan. Aus den ungegenständlichen Gebilden, wie z. B den riesenhaften runden Blattformen, die Tränen suggerieren, gestaltet sich ein verständlicher Bildinhalt.

Literatur Paul Klee, Lyonel Feininger 1919/20, Nr. 34. · Lankheit 1963, S. 202. · Kröll 1968, S. 34. · Helfenstein 2000, Bd. 2, S. 446, Nr. 1881, Abb.

enge Verwandtschaft der Skizze zu Psalm 137 mit der Zeichnung „Lied des Jammers“, 1913, 163, Feder auf Papier, 6,8 x 9,8 cm, Privatbesitz. Siehe dazu Helfenstein, Josef (Hg.): Paul Klee, Catalogue raisonné, Bd. 2: 1913–1918, Bern 2000, S. 104, Nr. 1065. 246 Vgl. Grohmann, Will: Paul Klee, Stuttgart 1954, S. 144. 157 VI. KATALOG DER WERKE JOSEPH BUDKO

40. J OSEPH B UDKO (1888–1940)

A. Der 137. Psalm, 1921 Bild K101 Illustration für „Die Psalmen”247 Holzschnitt Unsigniert Hebräische Umschrift das Medaillons: An den Strömen Babels – dort saßen wir und weinten, indem wir Zions gedachten. Provenienz: Antiquariat, Jerusalem Berlin, Jüdisches Museum

Der russische Maler und Graphiker Joseph Budko, geboren 1888, begann 1902 mit dem Kunststudium in Wilna und kam 1910 nach Berlin, wo er bei Hermann Struck (1876– 1944) die Radierkunst lernte. 1933 emigrierte der Künstler nach Palästina und wurde 1935 Direktor der Kunstschule Bezalel. Budko entwickelte eine dekorative Kleinkunst, die sich durch die Verwendung der hebräischen Schrift und die Stilisierung jüdischer Symbolik in Verbindung mit Figurendarstellungen auszeichnet.248 Der Holzschnitt zu Psalm 137 ist die Schlussillustration zu einer 1921 erschienenen Neuauflage der Psalmen in der Übersetzung von Moses Mendelssohn (1729– 1786), die erstmalig 1783 in Berlin herauskam.249

Das mit Psalm 137, 1 in Hebräisch umschriebene Medaillon zeigt fünf Greise mit langen Bärten vor einer großen Harfe in einer Blumenwiese sitzen, die das untere Drittel der Rundform einnimmt. Die Männer, gekleidet in lange Gewänder und Kopftücher, sind scheinbar symmetrisch angeordnet: doch ist es vielmehr so, dass die vier Männer, die den mittleren, frontal zum Betrachter sitzenden Greis umge- ben, einander entgegengesetzt zugeordnet sind. So ist der eine Alte im Halbprofil, sein Gegenüber aber im Profil zu sehen; mit den beiden äußeren Greisen verhält es sich genau umgekehrt. Die Augen der Männer sind geschlossen, ihre Ge- sichtszüge kantig. Das Medaillon charakterisiert sich durch die dicken Linien des Holzschnitts, die Budko auch für die Darstellung des Himmels verwendet hat. Die Komposition ist der Rahmenform des Kreises untergeordnet. So bilden die Köpfe keine Linie, sondern einen leichten Bogen; auch die Harfe antwortet in ihren konvexen und konkaven Formen der Rundform des Rahmens.

Literatur

247 Neuauflage zu „Die Psalmen“, übertragen von Moses Mendelssohn, Berlin 1921, S. 283 Abb. 248 Friedeberger, Hans: Joseph Budko, in: Jüdische Bücherei, Bd. 19, Berlin 1920; Wininger 1925; Schwarz, Karl: Die Juden in der Kunst, Berlin 1928, S. 169f. 249 Bendt, Vera: Judaika Katalog, Abteilung Jüdisches Museum, Berlin 1989, S. 91, Kat. 37. 158 VI. KATALOG DER WERKE JOSEPH BUDKO

Bendt 1989, S. 91, Kat. 37, Abb.

159 VI. KATALOG DER WERKE RENÉ PIOT

41. R ENÉ P IOT (1866–1934)

A. La Captivité à Babylone, um 1930 Bild K102 Aquarell 31 x 27,7 cm Signatur: – Provenienz: 1961 Geschenk von Albert Fran- çois–Poncet, Fond du Musée d’Orsay Paris, Musée du Louvre, Cabinet des Dessins

Obgleich Piot zur Generation der Nabis und der Fauves gehörte, arbeitete der 1866 in Paris geborene Maler und Theaterdekorateur bevorzugt abseits der avantgardistischen Gruppierungen. Mit dem Eintreten in die Ecole des Beaux–Arts 1888 begann Piot eine klassische Malerausbildung. 1890 aber besuchte er regelmäßig die Académie Julian, wo er die Nabis kennen lernte und ein Schüler von Pierre Andrieu (1821–1892)250, des ehemaligen Assistenten von Delacroix, wurde. Nach dessen Tod 1892 trat er in das Atelier von Gustave Moreau (1826–1898) ein. Auf einer Reise nach Italien, die er ein Jahr später unternahm, studierte er die Technik der Fresko– und Temperamalerei, die Piot später in seinen Wandmalereien anwandte.251 1931 erschien sein Buch „Les Palettes de Delacroix“.252 Im selben Jahr wurde der Künstler beauftragt, die Malereien Delacroix’ in der Bibliothek des Palais Bourbon zu restaurieren: 22 Kopien in Aquarell und Gouache nach den 20 Pendentifs und zwei Halbkuppeln in der Chambre des Députés zeugen von der großen Bewunderung Piots für Delacroix.253

Die Komposition der Babylonischen Gefangenschaft, die Eugène Delacroix als Pendentif für die Kuppel der Theologie ersonnen hatte, erscheint in der kleinfor- matigen Kopie von Piot in den Stil der Nabis umgesetzt zu sein: Eine arabesken- hafte Linie und die Reduktion der Farben modernisieren die Komposition von De- lacroix, dessen ruhige, sanfte Darstellung Piot durch die Verwendung von Weiß aufbricht. Das Aquarell wird lebendig und scheint zu flirren.

Literatur Monnier 1968. S. 109f., S. 112. · Legrand 1997, S. 386, Nr. 1579.

250 Siehe KATALOG 12D. 251 Vgl. Edouard–Joseph 1934; Zur Erneuerung des Freskos und zu den Theaterdekorationen sie- he René Piot 1866–1934, Les dossiers du Musée d’Orsay, Paris 1991. 252 Piot, René: Les Palettes de Delacroix, Paris 1931. 253 Vgl. Monnier, Geneviève: Dessins de René Piot, in: Revue du Louvre et des Musées de France, Nr. 2, Paris 1968, S. 112. 160 VI. KATALOG DER WERKE CECIL COLLINS

42. C ECIL C OLLINS (1908–1989)

A. By the Waters of Babylon, 1932 Bild K103 Öl auf Leinwand, 76 x 50 cm Signatur: auf der Rückseite oben links cecil collins 1932, bezeichnet mittig By the Waters of Babylon Provenienz: Besitz des Künstlers Exeter, Royal Albert Memorial Museum

Der als Neoromantiker bezeichnete Maler Cecil Collins wurde 1908 in Plymouth, Devon, geboren und studierte an der Plymouth School of Art und am Royal College of Art in London. Er orientierte sich Anfang der 30er Jahre an Klee, Picasso und kurze Zeit am europäischen Surrealismus, von dem er sich jedoch am Ende des Jahrzehnts wieder abwandte.254 In dieser Zeit, 1932, entstand das Gemälde „By the Waters of Babylon“, das bis zum Tod des Künstlers1989 in dessen Besitz verblieb.

Das querformatige Bild zeigt eine grüne Hügellandschaft mit Baumgruppen und einem windungsreichen Fluss, der von der linken unteren Bildecke diagonal zur rechten oberen Ecke verläuft. Diesseits des Stromes, im Vordergrund, lagern auf einer Wiese mit pinkfarbenen Blumen fünf nackte, in verschiedenen Körperstel- lung trauernde Gestalten. Dahinter stehen drei Bäume; in den Ästen des vorderen hängt eine Harfe. Direkt davor, in der rechten Bildecke, sitzen frontal zum Betrach- ter eine Frau und ein Mann und lehnen ihre Köpfe aneinander. Die Gesichter mit den offenen roten Mündern und die langen, schwarzen Haare mit Mittelscheitel sind nicht nur bei diesen beiden Figuren gleich gestaltet, sondern bei allen Perso- nen auf dem Bild; sie unterscheiden sich ausschließlich durch die manchmal mehr oder weniger sichtbaren Merkmale ihres Geschlechts. Schräg hinter der Frau sitzt eine weitere Person, vermutlich eine Frau, und hält ihre Arme vor dem Oberkörper verschränkt. Ihr zur Seite kniet eine nach links gewandte Figur, die Oberkörper und Arme vornüber auf den Boden gelegt hat. Die Gruppe der Juden schließt ein parallel zum Bildgrund liegender Mann ab; seinen Kopf in die Armbeuge gelegt, fasst er sich mit der anderen Hand an die Wange. Jenseits des Flusses auf einer Wiese mit weißen Blumen steht ein über Eck gestellter Turm mit Zinnen. Darauf stehen drei weitere nackte Juden, von denen der eine frontal zum Betrachter mit erhobenen Händen wehklagt, während die bei- den anderen links daneben im Profil stehen und mit gesenkten Häuptern trauern.

254 Vgl. Bohm-Duchen, Monica: Art. zu „Collins, Cecil“, in: Dict. of Art 1996, Bd. 7; Rohrschneider, Christine: Art. zu „Collins“, in: AKL 1998, Bd. 20. 161 VI. KATALOG DER WERKE CECIL COLLINS

Im Hintergrund ziehen sich die Berge am Horizont wie ein Wellenband horizontal über das Bild. Nur noch ein schmaler Streifen Himmel, in dem die Sonne als oran- geroter Ball leuchtet, ist zu sehen. In dem kleinformatigen Ölgemälde herrscht nur geringe Tiefenräumlichkeit. Die Figuren fallen nicht nur durch ihr weiß-graues Inkarnat und ihre Stereotypie, son- dern auch durch ihre unstimmigen Proportionen auf. Im Verhältnis zur umgeben- den Landschaft und Architektur sind sie zu groß.

Literatur –

162 VI. KATALOG DER WERKE ANDRÉ BAUCHANT

43. A NDRE B AUCHANT (1873–1958)

A. Israélites exilés à Babylone, 1937 Bild K104 Öl auf Leinwand 35,5 x 46 cm Signatur: mittig unten ABauchant 1937 Provenienz: ehem. Slg. Poissonnier, 1961 Lempertz–Auktion, Köln Privatbesitz, Deutschland

Geboren am 24. April 1873 in Châteaurenault in der Nähe von Paris, ist Bauchant einer der „Fünf primitiven Meister“255, die vom Kunsthändler Wilhelm Uhde (1874–1947) gefördert wurden. Der ursprüngliche Baumschulgärtner begann während des Ersten Weltkrieges mit dem Malen. Bei seiner ersten Ausstellung 1921 im Pariser Salon d’Automne wurde er von Le Corbusier entdeckt und gefördert. Ein breit gefächerter Themenbereich bestimmte das Oeuvre des Autodidakten Bauchant: Zwischen Blumen– und Früchtestillleben und Landschaften widmete sich der Maler mythologischen und historischen Szenen sowie alttestamentarischen Motiven, die er auch in Großformaten ausführte.256 1937 entstand das Gemälde „Israélites exilés à Babylone“. 1949 in der Pariser Galerie Charpentier ausgestellt, gelangte es 1961 in deutschen Privatbesitz.257

Im mittigen Vordergrund des kleinformatigen Bildes lagern zwischen üppig orange- rot blühenden Klivien neun Juden, die von zwei großen, die gesamte Bildhöhe einnehmenden Bäumen links und drei zerklüfteten spitzen Felsen rechts hinter- fangen werden. Dahinter zieht sich der Fluss horizontal durch das Gemälde. Jen- seits des Flusses erhebt sich zwischen grünen Hügeln die Stadt mit ihrem mar- kantesten Bauwerk: dem Turm zu Babel. Der wolkendurchzogene Himmel leuchtet hellblau zwischen den Blättern der Bäume hindurch. In der Gruppe der Juden konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf den blauge- wandeten Mann, der inmitten seiner Leidensgenossen auf dem Wiesenstück sitzt und den Betrachter mit weitaufgerissenen Augen anblickt. Auf dem Kopf trägt er einen orangeroten Turban mit blauen Bändern. Die übrigen Männer und Frauen sind in orangefarbene oder rosa Gewänder gekleidet und tragen die gleichen Kopfbedeckungen über dunklem Haupthaar. Die Männer sind bärtig. Rechts ne- ben dem blaugekleideten Mann sitzt eine ältere Jüdin erhöht auf einem moosbe-

255 Neben Bauchant sind dies: Camille Bombois (1883–1970), Henri Rousseau (1844–1910), Se- raphine Louis (1864–1942), Louis Vivin (1861–1936). Vgl. Uhde, Wilhelm: Fünf primitive Meis- ter: Rousseau, Vivin, Bombois, Bauchant, Seraphine, Zürich 1947, S. 95ff. 256 Vgl. Breitmoser-Bock, Angelika, Sagner-Düchting, Karin: Art. zu „Bauchant“, in: AKL 1993, Bd. 7; Vierny, Dina: André Bauchant, Catalogue raisonné, Paris, Bern 2005, S. 33ff. 257 Vgl. André Bauchant, Catalogue de l’exposition Bauchant, Ausst., Paris 1949, Nr. 100. 163 VI. KATALOG DER WERKE ANDRÉ BAUCHANT

wachsenen Felsen. Die Hände im Schoß gefaltet, blickt sie mit geneigtem Kopf zu dem Mann hinab. Auf der anderen Seite sitzt ein Mann in Begleitung eines Kindes. Beide haben ihre Köpfe nach rechts ins Profil gekehrt. Das Kind trägt ein orangerotes Band im Haar, das gleich einem Diadem seinen Kopf schmückt. Schräg gegenüber, nach rechts versetzt lagern weitere Personen. Eine der Jüdinnen liegt mit übereinander- geschlagenen Beinen diagonal zum Bildgrund. Sie trägt ein orangerotes kurzes Kleid. Über ihr, ein Figurenkreuz bildend, liegt eine weitere Frau in Frontalansicht: eine Pose, die dem Betrachter den Eindruck vermittelt, sie würde nach hinten fal- len. Das Dekolleté ihrer rosafarbenen Tunika ist so tief ausgeschnitten, dass ihre Brüste zu sehen sind. Im Unterschied zu den übrigen Figuren trägt sie eine dun- kelrote Kappe. Rechts neben ihr befindet sich eine weitere Frau, die aufrecht sit- zend geradeaus blickt. Das Kind neben ihr lehnt sich nach hinten, um über die Schulter der Frau einen Blick auf die beiden Liegenden zu werfen. Ganz rechts lehnt ein Mann mit dem Rücken am Felsen. Den Kopf gebeugt und die Augen ge- schlossen, scheint er zu schlafen. Bauchant kombiniert zu verhaltenen Grüntönen der Vegetation und dem Grau der Felsen als einzige Buntakzente orange, rosé und blau, die er durch die Klei- dung der Figuren, die Blumen und durch einzelne Tupfer im Himmel vermittelt.

Literatur André Bauchant 1949, Nr. 100. · Lempertz Auktion 467 1961, Nr. 20, Abb. T. 28. · Vierny 2005, S. 321, Nr. 37–06.

164 VI. KATALOG DER WERKE LESLIE CHARLOTTE BENENSON

44. L ESLIE C HARLOTTE B ENENSON ( GEBOREN 1941)

A. By the Waters of Babylon, 1959 Bild K105 Wasserfarbe, weiß gehöht (mit Bodycolour) auf Karton Signatur: unten rechts Leslie C. Benenson 1959, bezeichnet darüber By the Waters of Babylon England, La Artier Fine Art Gallery

Die englische Zeichnerin, Graphikerin, Bildhauerin und Kalligraphin Leslie Charlotte Benenson, 1941 in London geboren, lebt seit 1963 in Sussex. Sie studierte neben Zeichnung und Bildhauerei auch Schriftgestaltung und Heraldik und erlernte den Kunstharzguss. Bekannt geworden ist sie vor allem durch die Gestaltung von Exlibris, die Motive aus der englischen Literatur und der Märchenwelt zeigen, und durch Pferdedarstel- lungen in Pastell und Aquarell.258 „By the Waters of Babylon“ ist ein sehr frühes Werk – die Künstlerin war damals 19 Jahre alt.

Die hochformatige, beige grundierte Karte zeigt vier in lange Gewänder vollständig eingehüllte Trauergestalten, die sich am Ufer eines Flusses befinden. Drei von ihnen stehen frontal zum Betrachter, wobei nicht nur ihre Körpergröße, sondern auch ihr seelisches Innenleben, das ihre Haltung widerspiegelt, an Widerstands- kraft von links nach rechts sukzessive zunimmt. Eine sitzende Person in Dreivier- telrückansicht nach links gewandt schließt die Gruppe nach vorne hin ab, so dass die vier Personen zu einem turmartigen Korpus verschmelzen. Während die Figu- ren plastisch und farblich herausgearbeitet sind, ist das landschaftliche Umfeld mit zarten braunen Strichen skizziert und weiß gehöht. Der von einer hohen, am jen- seitigen Ufer befindlichen Felswand gesäumte Fluss verläuft von links diagonal ins Bild und verschwindet im Mittelgrund nach einer Linksbiegung hinter den Klippen aus dem Blickfeld des Betrachters. Vom diesseitigen Ufer fällt eine steile Bö- schung zum Fluss hin ab. Ein junger Weidenbaum ragt links hinter einem Felsvor- sprung empor. Die am Boden kauernde Person sitzt mit angezogenen Beinen da. Den Kopf mit wirren, kurzen Haaren sieht man von hinten. Das weite, braune Gewand lässt kei- ne Körperformen erkennen. Einzig der auf den Boden aufgestellte Fuß ist zu se- hen. Etwas hoffnungsvoller wirkt die Person links mit dem bläulichen Gewand. Mit gebeugtem Kopf steht sie da, den Umhang vor der Brust zusammenhaltend, und blickt zu Boden. Leicht ins Halbprofil nach links gerückt präsentiert die Person in der Mitte ihr verhärmtes Gesicht; zugekniffene Augen blicken aus dem Bild in

258 Vgl. Witte, Klaus: Art. zu „Benenson“, in: AKL 1994, Bd. 9. 165 VI. KATALOG DER WERKE LESLIE CHARLOTTE BENENSON

Richtung des Betrachters. Ganz rechts steht aufrecht und mit erhobenem Haupt, beinahe stolz, die letzte Person des Quartetts. Das blaue Gewand ist etwas nach- lässiger um die Schultern gezogen, so dass Hals und Brustansatz zu sehen sind. Im Gegensatz zu den anderen hat sie259 ein junges Gesicht und scheint den ihr auferlegten Leiden zu trotzen.

Literatur –

259 Die Geschlechtlichkeit ist nicht deutlich. Der kräftige, sehnige Hals und auch die Größe würden für einen Mann sprechen. 166 VI. KATALOG DER WERKE PATRICK HAYMAN

45. PATRICK H AYMAN (1915–1988)

A. By the Waters of Babylon, um 1958–64 Bild K106 Öl auf Leinwand 25,5 x 35,5 cm Signatur: unten rechts Hayman Provenienz: Besitz des Künstlers Neuseeland, Ferner Galleries

Der jüdische Künstler, Dichter und Illustrator Patrick Hayman wurde als Sohn einer neuseeländischen Familie 1915 in London geboren. 1936 emigrierte er nach Neuseeland und studierte dort Kunst an der Dunedin School of Art. 1947 kehrte er nach England zurück, wo er sich den St Ives Malern und Bildhauern in Cornwall260 anschloss.261 In den Jahren 1958 bis 1964 beschäftige er sich mit religiösen Bildinhalten, die vor allem mit jüdischen Motiven angereichert sind.262 Das kleinformatige Gemälde „By the Waters of Babylon“ entstand vermutlich in dieser Zeit.

Das ausschließlich in Braun-, Blau- und Weißtönen gehaltene Bild zeigt im nahen Fokus die Köpfe zweier Personen, die die Bildmitte vom unterem bis zum oberen Rand ausfüllen. Der Titel des querformatigen Gemäldes steht links und nimmt ein Drittel der

Bildfläche ein. In der oberen Bildecke steht in braunen Lettern „BY THE WATERS OF

BABYLON“, in der unteren Bildecke folgt in einer Kombination von Kleinbuchstaben

und Lettern „I Sat Down & WEPT“. Dazwischen sind die Gesetzestafeln mit einem Davidstern zu sehen. Der als Titel verwendete erste Vers von Psalm 137 macht deutlich, dass es sich um trauernde Juden handeln muss. Der linke Kopf, vermut- lich ein Mann, ist größer und von einem braunen Tuch umgeben, in das sich der kleinere Kopf rechts einfügt. Es scheint eine Frau zu sein, die ihre Stirn an die Wange des Mannes lehnt. Die Physiognomien sind ähnlich: geschlossene Augen, eine eckige Nase und ein schmaler, geschlossener Mund in einem langen, schma- len Gesicht. Am rechten Bildrand ist vermutlich Wasser angedeutet.

Literatur –

260 Die St Ives Maler und Bildhauer waren eine Künstlerkolonie für abstrakte Kunst um die engli- sche Bildhauerin Barbara Hepworth (1903-1975), ihren Ehemann, der Maler und Objektkünstler Ben Nicholson (1894-1982) und den russischen Maler, Bildhauer und Architekt Naum Gabo (1890-1977). Vgl. hierzu Creating a Splash, The St Ives Society of Artists, The first 25 Years (1927–1952), Exhibition Catalogue and Dictionary of Members, Tewkesbury 2003, S. 11ff. 261 Vgl. Windsor, Alan: Handbook of Modern British Painting and Printmaking 1900-1990, Ashgate 1998². 262 Vgl. Vann, Philip: A Voyage of Discovery, in: Patrick Hayman, a Voyage of Discovery, Ausst., London 1990, S. 21. 167 VI. KATALOG DER WERKE JULIAN WALTER

46. J ULIAN W ALTER ( GEBOREN 1935)

A. Babylonische Gefangenschaft, 1987 Bild K107 Holz farbig, Eisenketten 273 x 165 x 40 cm Besitz des Künstlers

Der seit 1964 in seiner Heimat Vasbühl bei Schweinfurt als freischaffender Bildhauer lebende Julian Walter wurde 1935 geboren. Zunächst besuchte er die Holzschnitzschule in Bischofsheim/Rhön. Danach studierte er sowohl an der Kunstschule in Würzburg bei Richard Rother (1890–1980) als auch an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg bei Hermann Schorer (geboren 1909). Unzählige Ausstellungen und erste Preise bei Wettbewerben zeugen vom Erfolg des Bildhauers.263 Das Hauptthema Walters ist der Mensch in seiner gesellschaftlichen Unfreiheit, in der es keine Hoffnung auf Befreiung gibt. Seine 1987 entstandene Arbeit „Babylonische Gefangenschaft“ von 1987 ist beispielhaft dafür.264

Das in Seitenansicht konzipierte Werk zeigt drei in Ketten gelegte, voneinander ununterscheidbare grüne Gestalten, die synchron mit hängenden Köpfen auf einer massiven Holzbank, bühnenartig erhöht, nach rechts auf das scheinbare Ende der Bank zutrotten. Es ist nicht das Ende, sondern ein Abgrund, denn die Bank ist nicht unterbrochen, sondern verläuft am Boden entlang weiter und steigt nach ei- nem kurzen Stück wieder senkrecht an, um in derselben Höhe wie zuvor fortzufüh- ren. Die Figuren sind ungeschlechtlich und die menschlichen Formen abstrahiert: Eine Halbkugel bilden den Schulter- und Oberarmbereich, an dem hinten sehr lange Arme mit großen Händen senkrecht herabhängen; vorne sind an waagrecht ausgestreckten Hälsen die Köpfe, spitz zulaufende Halbkugeln, angebracht. Drei Eisenringe mit schweren, bis auf den Boden reichenden Ketten ziehen die Köpfe herunter bis in die Waagrechte und implizieren ein geducktes Laufen mit gesenk- tem Kopf. Gesichtszüge gibt es nicht, einzig Augen sind angedeutet. Ihre Gewän- der bilden bodenlange Eisenketten, so dass nur der untere Teil des nachziehen- den Beines mit dem bloßen Fuß zu sehen ist. Als Inkarnat hat der Künstler die Farbe grün gewählt, was die Abstraktion weiter überhöht.

263 Vgl. Spannungsfelder, Helmut J. Gehrig, Malerei und Zeichnung, Julian Walter, Skulptur und Relief, Ausst., Schweinfurt, Aschaffenburg 1997, S. 11. 264 Ich bedanke mich bei Herrn Julian Walter für die Informationen zu seinem Werk anlässlich eines Besuches in seinem Atelier. Vgl. außerdem Spannungsfelder 1997, S. 16. 168 VI. KATALOG DER WERKE JULIAN WALTER

Literatur Julian Walter Plastiken `87 1987, o. S., Abb. · Spannungsfelder 1997, S. 16.

·

Entwürfe

B. Entwurfszeichnung, 1987 Bild K108 Bleistift auf Papier, 74 x 40 cm Signatur: unten mittig Julian Walter 1987, be- zeichnet oben mittig Babylonische Gefangen- schaft Besitz des Künstlers

Der Entwurf arbeitet die Skulptur in einer lockeren Zeichnung schon genau her- aus. Jedoch wird hier noch eine von hinten nach vorne abnehmende Größe und ein schwindendes Volumen der Figuren deutlich; auf beides wurde im fertigen Werk zu Gunsten der abstrakten Einheitlichkeit verzichtet. Auch die Ketten sind noch nicht gezielt gezeichnet; am Hals hängen jeweils mehrere Ketten. Ganz links ist die Skizze einer der Figuren in Rückansicht zu sehen. Hierbei kam es Walter vor allem auf die Gestaltung des Oberkörpers und der Arme an. Die von der Seite wahrgenommene Halbkugel erweist sich von hinten als geteiltes Gebilde, d. h. Arm und Schulterteil sind jeweils aus einem Stück gefertigt, das an dem von den Ketten verdeckten Korpus angebracht wurde.

Literatur – ·

C. Werkszeichnung, 1987 Bild K 109 Bleistift auf Papier, 61 x 43 cm Signatur: unten mittig Julian Walter `87 Besitz des Künstlers

Die Werkzeichnung ist die genaue Vorgabe für das plastische Werk und gibt alles detailliert vor. Eine Studie der Eisenkette am rechten Bildrand zeigt, wie die ein- zelnen Glieder miteinander verbunden sind.

Literatur –

169 VI. KATALOG DER WERKE ALPHABETISCHES REGISTER

Alphabetisches Register

Amores, Germán Hernández (1823–1894)………………………….. S. 71 Bauchant, André (1873–1958)……...... S. 163 Bendemann, Eduard (1811–1889) ……...... S. 15 Benenson, Leslie Charlotte (geboren 1941)…………………………. S. 165 Blake, William (1757–1827) ………...... S. 1 Bossi, Giuseppe (1777–1815) ………...... S. 4 Budko, Jospeh (1888–1940)…………………………………………... S. 158 Calderon, Philip Hermogenes (1833–1898) ……...... S. 68 Cazes, Romain (1810–1881) ……...... S. 42 Chartran, Théobald (1849–1907) ……...... S. 114 Collins, Cecil (1908–1989)…………………………………………….. S. 161 Comerre, Léon–François (1850–1916)……...... S. 117 Couture, Thomas (1815–1879)……………………………………….. S. 45 Debat–Ponsan, Edouard–Bernard (1847–1913)……………………. S. 107 Delacroix, Eugène (1798–1863)………………………………………. S. 49 Denis, Maurice (1870–1943)………………………………………….. S. 149 Eberle, Adam (1805–1832)……………………………………………. S. 31 Eberlein, Gustav Heinrich (1847–1926) ……...... S. 146 Feuerbach, Anselm (1829–1880)……...... S. 97 Führich, Joseph von (1800–1876)……...... S. 12, 38, 100 Garvie, Thomas Bowman (1859–1944)………………………………. S. 128 Girodon, Anne–Joseph–Alphonse (1812–1896)……………………. S. 92 Hacker, Arthur (1858–1919) …………………………………………. S. 131 Hastings, Kate (Gardiner) (1837–1925)……...... S. 124 Hayman, Patrick (1915–1988)………………………………………… S. 167 Jarraud, Léonard (1848–?)…...... S. 118 Klee, Paul (1879–1940)…...... S. 156 Lagarde, Pierre (1854–1910)…...... S. 126 Landelle, Charles–Zacharie (1821–1908)…………...... S. 81 Lozano, Isidoro (1826–?)...... S. 71 Lilien, Ephraim Moses (1874–1925)…...... S. 153

170 VI. KATALOG DER WERKE ALPHABETISCHES REGISTER

Martin, John (1789–1854)……………………………………………… S. 36 Medard, Eugène (1847–1887) ………………………………………. S. 116 Millet, Jean–François (1814–1875)…………………………………… S. 57 Morgan, Evelyn de (1855–1919)…………………………………….... S. 120 Morot, Aimé Nicolas (1850–1918)…………………………………….. S. 102 Oesterley, Carl (1805–1891)…………………………………………... S. 47 Olivier, Ferdinand (1785–1841)……………………………………….. S. 8 Paty, Léon du (1849–um 1920)…...... S. 119 Pelez, Fernand Emmanuel (1843–1913)…………………………….. S. 115 Piot, René (1866–1934)………………………………………………... S. 160 Planet, Louis de (1814–1875)…………………………………………. S. 54 Poynter, Edward (1836–1919)………………………………………… S. 94 Puccinelli, Antonio (1822–1897)………………………………………. S. 63 Ramírez, Joaquín (1834–1866)……………………………………….. S. 74 Richard–Cavaro, Charles Adolphe (1819–?)………………………… S. 59 Rixens, Jean–André (1846–1925)…………………………………….. S. 109 Schmalz, Herbert Gustav Carmichael (1856–1935)...... S. 133 Solomon, Simeon (1840–1905)...... S. 77 Tissot, James–Joseph–Jacques (1836–1902)...... S. 144 Ury, Lesser (1862–1931)...... S. 137 Vimont, Edouard (1846–1930)………………………………………… S. 113 Wachtel, Wilhelm (1875-1942)………………………………………… S. 152 Walter, Julian (geboren 1935)…………………………………………. S. 168

171 ABBILDUNGSVERZEICHNIS

1. Abbildungsverzeichnis der Katalogabbildungen Bild K1–K109

Bild K1 Katalog 1A Blake Bild K2 Katalog 2A Bossi Bild K3 Katalog 3A Olivier Bild K4 Katalog 4A von Führich, Entwurf für 1. Fassung Bild K5 Katalog 5A Bendemann Bild K6 Katalog 5B Bendemann, Gesamtstudie Bild K7 Katalog 5C Bendemann, Akt Bild K8 Katalog 5D Bendemann, Studie Faltenwurf Mutter Bild K9 Katalog 5E Bendemann, Studie Kopftuch Mutter Bild K10 Katalog 5F Bendemann, Studie Faltenwurf Harfner Bild K11 Katalog 5G Bendemann, Kopfstudie Mutter Bild K12 Katalog 5H Bendemann, Kopfstudie Mutter Bild K13 Katalog 5I Bendemann, Kopfstudie Mutter Bild K14 Katalog 5J Bendemann, Ölstudie Bild K15 Katalog 5K Bendemann, Rasterzeichnung Bild K16 Katalog 5L Bendemann, Schweinfurt Bild K17 Katalog 5M Bendemann, Kopie Privatbesitz Bild K18 Katalog 5N Bendemann, Kopie Erfurt Bild K19 Katalog 5O Bendemann, Kopie Frankfurt Bild K20 Katalog 5P Bendemann, Kopie Kreide, Minneapolis Bild K21 Katalog 5Q Bendemann, Kopie, Kunsthandel Bild K22 Katalog 5R Bendemann, Kopie, Kunsthandel Bild K23 Katalog 5S Bendemann, Kopie, Münster Bild K24 Katalog 6A Eberle Bild K25 Katalog 7A Martin Bild K26 Katalog 8A von Führich, 2. Fassung Bild K27 Katalog 8B von Führich, Gesamtstudie Bild K28 Katalog 9A Cazes Bild K29 Katalog 10A Couture Bild K30 Katalog 11A Oesterley Bild K31 Katalog 12A Delacroix, Pendentif Bild K32 Katalog 12B Delacroix, Gesamtstudie Bild K33 Katalog 12C Delacroix, Aquarell Bild K34 Katalog 12D Delacroix, Ölstudie Bild K35 Katalog 13A de Planet Bild K36 Katalog 14A Millet

172 ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Bild K37 Katalog 15A Richard-Cavaro Bild K38 Katalog 16A Puccinelli Bild K39 Katalog 16B Puccinelli, Studie Mann Bild K40 Katalog 16C Puccinelli, Studie Paar Bild K41 Katalog 17A Calderon Bild K42 Katalog 18A Lozano und Hernández Amores Bild K43 Katalog 19A Ramírez Bild K44 Katalog 20A Solomon Bild K45 Katalog 21A Landelle Bild K46 Katalog 21B Landelle, Gesamtstudie Bild K47 Katalog 21C Landelle, Studie Frauenpaar Mitte Bild K48 Katalog 21D Landelle, Studie Frauenpaar Mitte Bild K49 Katalog 21E Landelle, Studie Frauenpaar Mitte Bild K50 Katalog 21F Landelle, Studie Frauenpaar Mitte Bild K51 Katalog 21G Landelle, Studie Frauenpaar links Bild K52 Katalog 21H Landelle, Studie Frauenpaar links Bild K53 Katalog 21I Landelle, Studie Frauenpaar links Bild K54 Katalog 21J Landelle, Studie Frau links Bild K55 Katalog 21K Landelle, Studie Frau rechts Bild K56 Katalog 21L Landelle, Ölstudie Frau links Bild K57 Katalog 21M Landelle, Ölstudie Bild K58 Katalog 21N Landelle, 2. Fassung Bild K59 Katalog 21O Landelle, 3. Fassung Bild K60 Katalog 22A Girodon de Pralong Bild K61 Katalog 23A Poynter Bild K62 Katalog 24A Feuerbach Bild K63 Katalog 25A von Führich, Psalm Bild K64 Katalog 26A Morot Bild K65 Katalog 26B Morot, Pause Bild K66 Katalog 26C Morot, Ölstudie Bild K67 Katalog 26 2A Debat-Ponsan Bild K68 Katalog 26 2B Debat-Ponsan, Pause Bild K69 Katalog 26 3A Rixens Bild K70 Katalog 26 3B Rixens, Pause Bild K71 Katalog 26 4A Vimont, Pause Bild K72 Katalog 26 5A Chartran, Pause Bild K73 Katalog 26 6A Pelez, Pause

173 ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Bild K74 Katalog 26 7A Medard, Pause Bild K75 Katalog 26 8A Comerre, Pause Bild K76 Katalog 26 9A J Jarraud, Pause Bild K77 Katalog 26 10A du Paty, Pause Bild K78 Katalog 27A de Morgan Bild K79 Katalog 28A Hastings Bild K80 Katalog 29A Lagarde Bild K81 Katalog 30A Garvie Bild K82 Katalog 31A Hacker Bild K83 Katalog 32A Schmalz, 2. Fassung Bild K84 Katalog 32B Schmalz, 1. Fassung Bild K85 Katalog 33A Ury Bild K86 Katalog 33B Ury, Studie Mittelgruppe Bild K87 Katalog 33C Ury, Kopfstudie bärtiger Mann Bild K88 Katalog 33D Ury, Kopfstudie bärtiger Mann Bild K89 Katalog 33E Ury, Kopfstudie Mann Profil Bild K90 Katalog 33F Ury, Kopfstudie Mann Profil Bild K91 Katalog 33G Ury, Kopfstudie Mann Profil Bild K92 Katalog 33H Ury, Kopfstudie Mann Profil Bild K93 Katalog 33I Ury, Kopfstudie Mann Bild K94 Katalog 34A Tissot Bild K95 Katalog 35A Eberlein Bild K96 Katalog 36A Denis Bild K97 Katalog 37A Wachtel Bild K98 Katalog 38A Lilien Bild K99 Katalog 39A Klee, Psalm Bild K100 Katalog 39B Klee Bild K101 Katalog 40A Budko Bild K102 Katalog 41A Piot Bild K103 Katalog 42A Collins Bild K104 Katalog 43A Bauchant Bild K105 Katalog 44A Benenson Bild K106 Katalog 45A Hayman Bild K107 Katalog 46A Walter Bild K108 Katalog 46B Walter, Entwurfszeichnung Bild K109 Katalog 46C Walter, Werkszeichnung

174

BILD K1 William Blake „By the Waters of Babylon”, 1806 Harvard University Cambridge, Mass., Fogg Art Museum

BILD K3 Ferdinand Olivier „Landschaft mit trauernden Juden“, 1825/30 Lübeck, Behnhaus

175

BILD K5 Eduard Bendemann „Die trauernden Juden im Exil“, 1832 Köln, Wallraf-Richartz-Museum

BILD K24 Adam Eberle „Die Israeliten in der babylonischen Gefangenschaft”, 1832 Basel, Kupferstichkabinett

176

BILD K28 Romain Cazes „Captivité des Juifs à Babylone“, 1837 Montauban, Musée Ingres

BILD K31 Eugène Delacroix „Captivité à Babylone“, 1842-44 Paris, Palais Bourbon, Bibliothek

177

BILD K35 Louis de Planet „Dernière Halte des Juifs emmenés en Captivité“, 1842/43 Toulouse, Musée des Augustins

BILD K38 Antonio Puccinelli „La Schiavitù degli Ebrei in Babilonia”, 1851 Florenz, Galleria dell’Accadèmia

178

BILD K44 Simeon Solomon „By the Waters of Babylon”, 1858 verschollen

BILD K45 Charles Landelle „Les Femmes de Jérusalem captives à Babylone“, 1861 Montauban, Musée Ingres

179

BILD K62 Anselm Feuerbach „Die trauernden Juden”, 1869 Privatbesitz

BILD K69 Jean-André Rixens „Super Flumina Babylonis”, 1873 Saint–Gaudens, Hôtel de Ville

180

BILD K78 Evelyn de Morgan „By the Waters of Babylon”, 1882/83 London, De Morgan Foundation

BILD K80 Pierre Lagarde „Super Flumina Babylonis”, 1885 Unbekannt

181

BILD K83 Herbert Gustav Schmalz BILD K84 Herbert Gustav Schmalz „The Daughters of Judah in Babylon“, „The Daughters of Judah in Babylon”, 1918 überarbeitet, Original von 1892 Privatbesitz

182

BILD K95 Gustav Heinrich Eberlein „Die gefangenen Juden von Babylon“, 1899 zerstört

BILD K98 Moses Ephraim Lilien „An den Wassern zu Babylon“, 1910 Donath Nr. 43

183

BILD K99 Paul Klee BILD K100 Paul Klee „An den Wassern Babylons“, Skizze zum 137. Psalm, 1913, 156 1918, 34 Bern, Slg. Felix Klee Privatbesitz © VG Bild-Kunst, Bonn 2008 © VG Bild-Kunst, Bonn 2008

184 BILDNACHWEIS

BILDNACHWEIS

BILD K1 aus: Butlin 1981, Bd. 2, Abb. 541. BILD K3 aus: Archiv der Verfasserin. BILD K5 aus: Locher 2005, S. 74, Abb. 46. BILD K24 aus: Möseneder 1996, S. 113f, Abb. 13. BILD K28 aus: Vigne 1995, S. 31, Abb. 2. Bild K31 aus: Daguerre 1993, S. 264 unten. BILD K35 aus:Archiv der Verfasserin. BILD K38 aus: Maestà di Roma da Napoleone all’Unità d’Italia 2003, S. 292. BILD K44 aus: Kleeblatt 1995, S. 123 Abb. 7. BILD K45 aus: Vigne 2002, S. 11. BILD K62 aus: Neumeister Auktion Sammlung Georg Schäfer 2005, S. 22, Nr. 25. BILD K69 aus: Archiv der Verfasserin. BILD K78 aus: Gordon 1996, Abb. 11. BILD K80 aus: Archiv der Verfasserin. BILD K83 aus: Clarke 1998, S. 24. BILD K84 aus: Blakemore 1911, S. 197. BILD K95 aus: Rosenberg 1903, S. 99. BILD K98 aus: E. M. Lilien, Unterwegs im alten Orient 2004, S. 17, Abb. 18. BILD K99 und BILD K100: © VG Bild-Kunst, Bonn 2008.

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