Ein Rundgang durch den Markt

Von Wilhelm Deuer

Ziel: Marktgemeinde Millstatt, Polit. Bez.

Der Begriff Millstatt erweckt bei historisch interessierten Personen Assoziationen an mystisches Mittelalter, Ritterorden und Klosterleben, aber auch Sommerfrische und Villenromantik. Tatsächlich hat der Ort ein gewisses Flair, das durch die anmutige Seelandschaft, aber auch durch die historischen Stiftsbauten und touristischen Infrastrukturen bestimmt wird. Ein Spaziergang durch Millstatt lohnt auch im Frühling oder Herbst, wenn Gäste noch vereinzelt anzutreffen sind. Offene Cafés finden sich auf jeden Fall, auch die Infostelle und das Marktgemeindeamt haben ganzjährige Amtsstunden. Am Nordufer des größten Oberkärntner Sees soll der zum christlichen Glauben bekehrte Karantanerfürst Domitian zur Zeit Karls des Großen tausend Götzenstatuen in den See geworfen und eine Kirche gegründet haben. Diese „mille statue“ sollen dem Ort seinen heutigen Namen gegeben haben. Ungeachtet des Wahrheitsgehalts dieser Legende, die seit über einem Jahrhundert zuweilen durchaus heftig diskutiert wird, geht der Name wohl auf den Rieger- oder Leitenbach zurück, der in früheren Zeiten Mils genannt worden sein soll und an dessen Mündung der Ort gegründet worden ist. Bei einer der zwei seit alters her bestehenden Kirchen (die zweite war wohl jene von Obermillstatt) stifteten der bayerische Pfalzgraf Aribo und sein Bruder Poto um 1070/80 ein Benediktinerkloster, das der Hirsauer Observanz angehörte und im 12. Jahrhundert eine eindrucksvolle Blüte erlebte, die in den Stiftsbauten und einem Skriptorium ablesbar geblieben ist (zwei bekannte Werke, das Millstätter Sakramentar und die mittelhochdeutsche, teilweise illustrierte Millstätter Genesis- und Physiologus-Handschrift befinden sich heute im Kärntner Landesarchiv). Kaiser Friedrich III. nahm disziplinäre Probleme im Jahr 1469 zum Anlass, das Kloster aufzuheben und in eine Residenz des von ihm gestifteten St.-Georgs- Ritterordens umzuwandeln. Der anachronistische Orden sollte der Türkenabwehr dienen, war aber immer zahlenmäßig zu schwach und wurde im späten 16. Jahrhundert aufgehoben. Immerhin hat er bedeutende bauliche und sonstige kulturelle Leistungen in Millstatt und andernorts, etwa in Wiener Neustadt, hinterlassen. Seine Güter wurden 1598 dem Grazer Jesuitenkolleg inkorporiert, das Millstatt zu einer Residenz des Ordens (Wirtschaftskörper und Sommererholungssitz) ausgebaut hat. Die Jesuiten statteten vor allem die Stiftskirche und die Domitiankapelle prächtig aus. Mit der Aufhebung des Ordens 1773 begann für Millstatt eine Zeit des Niedergangs, in der etwa der hochberühmte romanische Kreuzgang als Schweinestall diente. Die Stiftsgüter wurden dem Studienfonds zugewiesen und 1925 von den Österreichischen Bundesforsten übernommen. Mit der Fertigstellung der Eisenbahnver- bindung Villach-Franzensfeste im November 1871 begann Millstatts Wandel vom einfachen Fischerdorf zur durchaus elitären Sommerfrische, 1921 sogar offiziell zum Kurort ernannt. Zahlreiche Villen geben heute noch eine gute Vorstellung damaliger bürgerlicher und adeliger Freizeitkultur, wenngleich der Architekturkritiker Friedrich Achleitner in seinem Stan- dardwerk „Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert“ kritisch feststellt, dass Millstatt „eine sehr durchmischte, in keiner Richtung deklarierte Bausubstanz“ aufweist. Beim genaueren Hinschauen zeigt sich aber doch ein differenzierteres Bild. Wir beginnen mit einem Rundgang am besten beim großen Parkplatz westlich des historischen Zentrums, wo die türkenzeitliche Befestigung der Stiftsgebäude mit den Rundtürmen wegen unterbliebener späterer Verbauung noch gut erkennbar ist, oder am sog.

Newsletter Nr. 4/2020 © Geschichtsverein für Kärnten Georgsritterplatz an der Hauptstraße (Kaiser-Franz-Joseph-Straße) mitten im Ort. Dieser Platz ist erst im Umfeld der neuen Ortsdurchfahrt 1961 entstanden, für die auch alte Bausubstanz (wie etwa die romantische Villa Felizitas von 1884 beim Hohen Kreuz) abgerissen werden musste. An seiner Südseite stand das Trebsche Gasthaus, gemeinhin als das erste Fremdenquartier im Ort be- zeichnet, aus dem dann später das Hotel Seewirt entstand. Heute erstreckt sich hier ein betont mo- dernes Gebäude in strengen Formen, die nicht jeder- manns Geschmack , und in dem sich auch die Touristeninformation befin- det. Abb. 1: Stift Millstatt vom Südwesten (Foto: Wilhelm Deuer)

Der Platz hat um die Jahrtausendwende im Zuge wachsenden historischen Bewusstseins einen neuen Brunnen mit der Statue eines Ordensritters und allegorischen Plastiken der vier Jahreszeiten von Roberto Raschiotto erhalten, von denen nur mehr drei vorhanden sind, die aber einen Blick lohnen. Sie sind unsere erste Begegnung mit einem sehr originellen und individuellen Kunstprojekt:

1992 hatten der damalige Bürgermeister Friedrich Koller, Eva Sichrovsky, die Besitzerin des Hotels „Post“ und Prof. Dr. Gert Thalhammer, der Präsident der Dante Alighieri-Gesellschaft Spittal/Drau die Idee, Millstatt wieder zu einem Forum der „mille statuae“, der tausend Statuen zu machen. In den ersten Jahren kamen Wer- ke von Teilnehmern am Krastaler Bild- hauersymposium zur Aufstellung. Ent- scheidend wurde die Mitarbeit von Prof. Giorgio Igne aus Sacile im westlichen Friaul († 2020), der mit seiner Domitian- statue im See das wohl spektakulärste Objekt schuf (s. Abb. 12). In der Folge wurden jährlich etwa zehn Bildhauer und gleich viele Maler aus dem Alpen-Adria- Raum jeweils für eine Woche nach Millstatt eingeladen. Die Aktion „mille statuae“ blieb zwar unvollendet, doch entstanden zwischen 1992 und 2014 etwa 130 Skulpturen und Plastiken im öffent- lichen Raum, aber auch in Privatgärten, Abb. 2: Allegorische Frauengestalt „Frühling“ von Hotelvestibüls, im Kongresshaus genauso Roberto Raschiotto am Georgsritterplatz wie in den Räumen des Rathauses. Nur auf (Foto: Wilhelm Deuer) wenige kann hier hingewiesen werden.

Newsletter Nr. 4/2020 © Geschichtsverein für Kärnten Ein Rundgang durch die Stiftsgebäude Westlich dieses Platzes reicht der umfangreiche Gebäude- komplex der Stiftsanlagen fast bis an die Kaiser-Franz- Joseph-Straße. Einen mar- kanten Akzent setzt das langgestreckte hakenförmige und viergeschoßige Hoch- meisterschloss, dessen see- seitige Ecken von mächtigen Türmen mit Pyramiden- dächern eingefasst werden. Der erste Hochmeister des St.-Georgs-Ritterordens, Jo- hann Siebenhirter (1469– 1508), ließ es im späten 15. Jahrhundert errichten. Abb. 3: Das Hochmeisterschloss (heute Lindenhof) vom Süden (Foto: Wilhelm Deuer) Über dem Durchgang des westlichen Turmes blieb klosterseitig sein Wappenstein mit der Jahreszahl 1499 erhalten, weswegen er Siebenhirterturm genannt wird. Im Jahre 1901 ließ der Wiener Advokat Dr. Alexander Pupovac das vergleichsweise nüchterne Hochmeister- schloss zum Hotel Lindenhof umbauen, das nach längerer Schließung vor wenigen Jahren wieder geöffnet wurde. Das Restaurant befindet sich in den ehemaligen Stallungen.

Durch den spätgotischen Durchgang des Siebenhirterturmes erreichen wir den Lindenhof, dessen Attraktion, die sogenannte „tausendjährige“ Linde (tatsächlich eine symbolische Datierung, sie ist wohl einige Jahrhunderte jünger) ist, die nach einem Brand im Jahre 1980 durch einen Baumchemiker mit Asphalt gefüllt und dadurch gerettet werden konnte – als Naturdenkmal hat sie sogar den Bau einer Tiefgarage im Hof verhindert! Ein weiterer Durchgang führt uns in den Stiftshof, der ebenfalls unter den Ordensrittern in seine heutige Gestalt gebracht wurde. An drei Seiten erhielt er um und nach 1500 zweigeschoßige Säulen- und Pfei- lerarkaden mit teilweise zweitverwen- deten älteren, aber auch neuen, auf- fallend historisierenden Marmorkapitel- len mit Flechtwerk und vegetabilem Dekor, die auf die Kreuzgangkapitelle anspielen. Der malerische Gebäudekom- plex mit vorspringendem Stiegenhaus birgt auch Spolien bzw. Wappensteine in den Gängen. An der Nordseite fällt eine barocke Sonnenuhr des heiligen Se- bastian auf, der sehr drastisch vom

Zeiger in Gestalt eines Pfeiles durch- Abb. 4: Sonnenuhr mit Fresko des heiligen Sebastian im bohrt wird! Stifthof (Foto: Wilhelm Deuer)

An der Ostseite führt ein Portal in den weltberühmten, im Kern noch hochromanischen Kreuzgang, um den sich das mittelalterliche Benediktinerkloster erstreckte. Wesentliche Teile davon sind noch erhalten: Im Westen das Cellarium (Vorratsraum) und im Süden Küchenräume, das Refektorium (mit zwei Rundpfeilern) sowie ein Kerkerraum mit Newsletter Nr. 4/2020 © Geschichtsverein für Kärnten Kritzelinschriften. Diese ehemaligen Klosterräume sind in den Sommermonaten (Mai bis September) im Rahmen eines Besuchs des Stiftsmuseums Millstatt zugänglich (Dieses geht wie das seit 1981 hier jährlich veranstaltete „Symposium zur Geschichte von Millstatt und Kärnten“ und die „Internationalen Musikwochen“ auf den gebürtigen Millstätter Univ.-Prof. Franz Nikolasch zurück). Im Winterhalbjahr ist der Kreuzgang frei zugänglich. Der Osttrakt mit Kapitelsaal und Fraterie (Arbeitsraum der Mönche) bzw. dem Dormitorium darüber wurde im 18. (?) Jahrhundert abgerissen, sodass das Tor zum Kapitelhaus und die zwei begleitenden gekuppelten Fenster heute ins Freie führen.

Der hochromanische Kreuzgang des 12. Jahrhunderts war ursprünglich mit Holzbalken gedeckt und ist erst unter den Ordensrittern eingewölbt worden. Biforen mit breiten Mauerzungen dazwischen öffnen sich in den Kreuzgarten.

Die Kapitelle der Biforensäulen stammen von mehreren Werk- stätten: Wir finden Würfel- und Blattkapitelle sowie ein aus men- schlichen Köpfen gebildetes vom Meister des Westtympanons der Stiftskirche. Einige Kapitelle wir- ken wie Nachbildungen jener von Molzbichl aus dem späten 8. Jahr- hundert – ein historisierender Rück- griff, vielleicht bezogen auf die Zeit Domitians. Besonders originell sind die Säulen der Kapitelhausfens- ter: Die Doppelsäule zeigt ein

Abb. 5: Kapitelhausfenster mit Fabelgestalten im östlichen Kreuz- Männchen, das verkehrt auf einem gangflügel (Foto: Wilhelm Deuer) Löwen reitet.

Ein kulturgeschichtlich reizvoller Sonderfall ist auch das wegen des Niveauunterschiedes zur Kirche um einige Stufen erhöhte Kreuzgangportal mit Reliefs des Apostels Paulus und des Erzengels Michael und mit den anthropomorphen Basen des vorgestellten Säulenpaares: Links hält eine Frau einen Kobold an der Kette, rechts zupft eine weitere einen bärtigen Mann. Das Portal ist erst vor einigen Jahrzehnten als „Pasticcio“ (Neuzusammenstellung) ursprünglich unterschiedlich verwendeter Bauplastiken des 12. bzw. 13. Jahrhunderts (etwa von einem Lettner) um 1500 erkannt worden. Im Kreuzgang finden sich auch noch Freskenreste zweier Madonnen, Heiligenfiguren sowie der Georgslegende zwischen 1430 und dem frühen 16. Jahrhunderts. Über eine Stiege können wir heute die Wiese östlich des Kreuzganges betreten, wo sich einst der Osttrakt mit dem Kapitelsaal befand. Die heute durch die Sakristei mit der Stiftskirche verbundene Domitiankapelle war ursprünglich eine Marienkapelle in clunianzensischer bzw. Hirsauer Tradition, die östlich an den Kapitelsaal anschloss. Schon unter den St.-Georgs- Ordensrittern erhielt sie um 1520 eine neue Gestalt mit Netzrippengewölbe, doch erst unter den Jesuiten wurde sie 1715 zur Kapelle des Millstätter Ortsheiligen mit einem prächtigen Altar samt gläsernem Schrein für den Heiligen umgestaltet (sie ist nur im Rahmen von Führungen zugänglich). Wieder in den Stiftshof zurückgekehrt, wenden wir uns gegen Norden und durchqueren eine Einfahrt, in der zwei Fragmente karolingerzeitlicher Flechtwerksteine von einer der beiden schon vor der Klostergründung bestehenden Kirchen eingemauert sind. Das Portal weist an der Nordseite noch die Kettenrollen einer Zugbrücke über einen längst zugeschütteten Graben zur Verteidigung des Klosters auf. Nun stehen wir vor der Stiftskirche: Westlich gegenüber Newsletter Nr. 4/2020 © Geschichtsverein für Kärnten steht heute der langgestreckte Pfarrhof vielleicht an der Stelle des einstigen Frauenklosters, das vom 12. bis ins 14. Jahrhundert bestand. Vor dem Kirchhofportal finden wir die Statue des sitzenden Lorenzo da Ponte, dem Dichter und Librettisten Mozarts (1749–1838), geschaffen vom Friauler Künstler Giorgio Igne 2014.

Abb. 6: Kirchhofmauer mit Nischenbildstock, Kirchhofportal und Kriegerdenkmal (Foto: Wilhelm Deuer)

Die westliche Kirchhofmauer wird von einem spätgotischen Portal durchbrochen, über dem ein Fresko aus der Zeit um 1490/1500 Christus Salvator zwischen den heiligen Georg und Domitian zeigt. Das schlechter erhaltene Gegenstück auf der Kirchenseite zeigt das von den Apostelfürsten Petrus und Paulus flankierte Schweißtuch der Veronika. Links wurde an die Kirchhofmauer ein spätbarocker Nischenbildstock mit einer guten Kreuzigungsgruppe und dem knienden Jesuitenheiligen Franz Xaver eingefügt, rechts korrespondierend das örtliche Kriegerdenkmal von August Veiter mit dem Wandbild eines von Christus aufgenommenen sterbenden Soldaten (1932). Die ehemalige Stiftskirche und heutige Pfarrkirche St. Salvator und Allerheiligen wurde unter Abt Otto (1122/24–1166) in der Hochblüte des Stiftes als hochromanische, vermutlich siebenjochige Pfeilerbasilika mit Dreiapsidenschluss (?) errichtet und besaß nach Hirsauer Tradition keine Krypta. Abt Heinrich aus dem Geschlecht der Grafen von Andechs-Giech (nach 1166–1177), wie sein Vorgänger aus dem steirischen Admont berufen, fügte der Basilika ein mächtiges Westturmpaar mit einer geräumigen Vorhalle und einer Kapelle darüber an. Die beiden Hochmeister des St.-Georgs-Ritterordens Johann Siebenhirter und Johann Geumann (1508–1533) bauten dem Langhaus nördlich und südlich je eine Kapelle für ihre Grablegen an, und letzterer ließ 1515–1519 den heutigen polygonalen Chorschluss errichten sowie die Kirchenschiffe wölben. Die Jesuiten haben hauptsächlich die heutige Ausstattung geschaffen.

Newsletter Nr. 4/2020 © Geschichtsverein für Kärnten Seit der Auffindung der Gebeine des Domitian im 12. Jahrhundert wurde seine Grablege mehrfach verlegt und verändert: Im Stiftsmuseum findet sich eine hölzerne bemalte Giebeltruhe der Romanik, die mittlerweile als erster Reliquienschrein angesehen wird. 1449 muss es bereits ein Hochgrab in der Stiftskirche gegeben haben, dessen Deckplatte mit dem Relief des Heiligen heute unter der Empore der Domitiankapelle eingemauert ist, doch hat Hochmeister Siebenhirter in den neunziger Jahren des 15. Jahrhunderts das Hochgrab im nördlichen Chor der Stiftskirche neu aufstellen lassen. Ab 1632 wurde Domitian in der an das Nordschiff angebauten Annenkapelle verehrt, und erst seit 1717 befinden sich seine Gebeine im Glasschrein in der damals neu adaptierten ehemaligen Marienkapelle des Kapitelsaales, die jetzt seinen Namen trägt. An der Nordseite der Westfassade ist die Vorzeichnung (Sinopia) des Weltgerichtsfreskos von Urban Görtschacher um 1515 erhalten, während das monumentale und vielfigurige Fresko selbst aus konservatorischen Gründen 1963 in den Südchor der Stiftskirche übertragen wurde. Die Vorhalle aus der Zeit um 1170 reichte ursprünglich über die ganze Kirchenbreite, musste später aber aus statischen Gründen unterteilt werden. Außen sind noch gut die ursprünglich offenen drei Bögen im Westen und jener im Norden erkennbar. Das be- rühmte romanische Westportal ist originell mit Fabeltieren, Fratzen etc. geschmückt – offenkundig eine Anspielung auf die der Legende nach von Domitian in den See geworfenen „mille statue“, die symbolisch in die Vorhalle verbannt wurden. Im Tympa- non widmet Abt Heinrich dem Kirchenpatron

Abb. 7: Detail vom Gewände des romanischen Stifts- Christus ein Modell der Kirche, an dem das kirchenportals Westturmpaar betont wird. (Foto: Wilhelm Deuer)

Das Innere der Stiftskirche ist im Westteil eine durch den spätgotischen Umbau etwas düstere Basilika geblieben, deren Obergadenfenster allerdings wegen des einheitlichen Dachstuhles ohne Funktion sind. Die drei Chorjoche haben erhöhte Seitenschiffe (Staffelhalle). Eine Besonderheit der Netzrippengewölbe sind die Schlusssteine, die mit 149 Wappenschilden habsburgischer Herrschaften und Länder sowie von Gönnern und Förderern des St.-Georgs- Ritterordens geschmückt sind. Von den erhaltenen Fresken sind Johannis der Täufer und Evangelist am nördlichen Emporenpfeiler, Domitian über der Millstätter Kirche (1429) am ersten nördlichen sowie die gleichzeitig gemalten Heiligen (Dorothea und Eligius) und eine Kreuzigung Christi mit Ecclesia und Synagoge am zweiten südseitigen Pfeiler zu beachten. Fünf Passionsszenen sowie die von der heiligen Margaretha präsentierte Stifterin, gemalt von Meister Friedrich von Villach (1428), finden sich im Süden der Vorhalle in der Ernestus- kapelle. Ein Rundgang führt uns zunächst in die außen vorspringende Siebenhirterkapelle an der linken Nordwand mit dem rotmarmornen Wandepitaph des ersten Hochmeisters († 1490). Beachtenswert ist auch der hölzerne Aufsatz des gotischen Taufbeckens mit Putten als Vergänglichkeitssymbole (z. B. mit einer Seifenblase). Im linken Seitenchor führt eine Tür in die schon im Spätmittelalter erbaute, aber unter den Jesuiten in die heutige Form gebrachte Loretokapelle, unter der sich die Jesuitengruft befindet. Danach erstreckt sich an die Nordwand angebaut die Annenkapelle, in der sich von 1633 bis 1716 das Domitiangrab

Newsletter Nr. 4/2020 © Geschichtsverein für Kärnten befand. Ein heute im kleinen quadratischen Verbindungsraum zwischen Südchor und Domitiankapelle eingefügter Zyklus von Gemälden mit Wundern aus dem Leben des Ortsheiligen (nur im Rahmen von Führungen zugänglich) war ursprünglich in der Annenkapelle angebracht. Ein Wort zu den Altären, die alle aus der Jesuitenzeit stammen: Der Hochaltar von 1648 in frühbarocker Knorpelwerkornamentik besitzt ein Allerheiligenbild, das erst 1826 vom Obervellacher Maler Johann Bartl geschaffen wurde und von zwei Statuen des Markgrafen Leopold dem Heiligen († 1136) und von Domitian flankiert wird. In der Fastenzeit wird der Altar wieder von einem monumentalen Fastentuch des St. Veiter Malers Oswalt Kreusel von 1593 verhüllt, das in sieben Reihen zwölf Szenen des Alten und 29 des Neuen Testaments umfasst. Es ist eines der größten und besterhaltenen des Landes. Auch die beiden den Jesuitenheiligen Ignatius und Franz Xaver geweihten Altäre an den vorletzten Schiffpfeilern stammen aus der Frühzeit des Barock und sind 1662 datiert. Die beiden Altäre der Seiten- chöre sind in ihren Rokoko- formen beträchtlich jünger und stammen aus der Zeit um 1770. Von düsterer Strenge und Steif- heit, typisch für das frühe Jesuitenbarock, sind die lebens- großen Statuen von Jesuitenhei- ligen an den Mittelschiffwänden über den Pfeilern: Franz Borgias, Franz Xaver, Ignatius von Loyola, Stanislaus Kostka und Aloysius von Gonzaga (1652). Die mar- morierte Kanzel ist nach den beiden Seitenchoraltären im Jahr der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 entstanden. Das Gegenstück der Siebenhirterkapelle im Norden ist die 1505 angelegte Geumann- kapelle im Süden, die in den tieferliegenden Kreuzgang hinein- ragt. Sie birgt das sehr qualitäts- volle bemalte und realitätsnah reliefierte Wandepitaph des zwei- ten Hochmeisters Johann Geu- Abb. 8: Das Geumannepitaph in der rechten Seitenkapelle der mann († 1508). Stiftskirche (Foto: Wilhelm Deuer)

Ein Rundgang durch den Markt (s. auch den Georgsritterplatz am Beginn) Nördlich der großzügig dimensionierten Stiftsanlage entstand seit dem Spätmittelalter schrittweise eine unregelmäßige Marktsiedlung entlang des Weges vom Liesertal im Westen ins Gegendtal nach Osten. Der typische Klostermarkt konnte seine bürgerliche Selbstverwaltung erst allmählich in der frühen Neuzeit durchsetzen. Bis 1888 lief der Verkehr weit oberhalb des Sees über den Marktplatz; erst in diesem Jahr konnte die heutige Landesstraße entlang des Sees eingeweiht werden. Bevor wir vom Stift aus den Marktplatz erreichen, gehen wir linker Hand am sogenannten Litzlhof vorbei, einem hakenförmigen dreigeschoßigen Bau mit im Kern wohl noch mittelalterlicher Bausubstanz und römischen Newsletter Nr. 4/2020 © Geschichtsverein für Kärnten Spolien. An den Kirchhof schließt nördlich die Alte Volksschule an, das erste, noch von den Jesuiten errichtete Millstätter Schulgebäude, in dem heute eine Künstlerwerkstätte unter- gebracht ist. Die Marktsiedlung blieb um einen unregelmäßig vier- eckigen, gegen Südwesten fallenden Platz, von dem nördlich der Weg nach Laubendorf abzweigt, bis ins 20. Jahrhundert nur locker verbaut. Bemerkenswert ist an seinem Westende das heutige Rathaus, die einstige Stiftstaverne, ein ty- pischer Querlaubenbau der Renaissance großteils aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit Holztramdecken und Gewölben sowie jüngeren Wanddekorationen zur Ge- schichte des Ortes in der Vorlaube.In der Mitte des Obergeschoßes ist platzseitig ein gekuppeltes Rundbogen- fenster als Herrschaftszeichen eingefügt. 1834 erfolgten Umbauten und im 20. Jahrhundert weitere Anpassungen an die wachsende Tourismusgemeinde. An der Nordseite des Platzes erstreckt sich zunächst das breit gelagerte Kurhaus mit einer historisierenden Loggia im Untergeschoß. Im Nor- den des Platzes wurde an der Stelle der alten Platzschuster- keusche 1884 die Villa Anna mit einem zeittypischen höl- zernem Erkervorbau errichtet: Daran schließt östlich das Burgstallerhaus an, dass an der Ecke mit einer barocken Abb. 9: Barocke Domitianstatue an Statue des Lokalheiligen Domitian geschmückt ist, die bis der Ecke des Burgstallerhauses (Foto: Wilhelm Deuer) 1900 den alten Marktbrunnen bekrönte (s. u.).

Die Südostseite des Platzes nimmt das ehemalige Kaufhaus Fauner mit einer monumentalen Fassade des späten Historismus ein, an der vor allem die polygonalen Erker an den Ecken und den Fassadenmitten auffallen; das leerstehende Gebäude sieht einer ungewissen Zukunft entgegen. Leider 2006 abgerissen und durch Wohnungen ersetzt wurde das Hotel Burgstaller („Millstätter Hof“). Den Marktplatz ziert seit ca. 1900 ein hübscher dreischaliger Brunnen in Neorenaissanceformen mit Grotesken, geflügelten Löwen und einer allegorischen Frauengestalt als Aufsatz. Hinter dem Kurhaus, über die Kalvarienbergstraße erreichbar, hat der mittlerweile in seiner Bedeutung für Kärnten wieder entdeckte Architekt Franz Baumgartner (1876 Wien – 1946 Velden) im Jahre 1911 die Villa Silberhof (Nr. 123) für den Schmiedemeister und Bürgermeister Karl Silbernagel geplant. Der einfache Rechteckbau mit Mansarddach wird durch Eckloggien und einen Polygonalerker markant gegliedert. Zuvor als Hotel betrieben, beherbergt er jetzt Privatwohnungen. Wir verlassen den historischen Markt zunächst Richtung Westen und stehen bald vor der Villa Aribo (früher Villa Leitner, Nr. 11) mit zweigeschoßigem verkleidetem Holzbalkon und Turm mit Pseudofachwerk, die 1882 errichtet wurde. Günther Mittergradnegger, der Komponist vieler Kärntnerlieder, verbrachte hier von 1923 bis 1936 seine Kindheit, heute wird das Haus als Gästepension mit Seminarbetrieb geführt. Ein Stück weiter die alte Straße gegen Westen erhebt sich mit der Parkvilla (Nr. 9) ein weiteres typisches Objekt des späten 19. Jahrhunderts in historisierenden Stilformen. Nun erreichen wir das wohl bedeutendste historische Gebäude am westlichen Ortsrand: Der sogenannte Staudacher Hof (Nr. 10) war der Wohnturm eines Ritters, der als Hof zu „Dobitz“ 1333 in den Besitz des Klosters kam, ab 1520 zum Edelmannsitz aufstieg, dann im 17. Jahrhundert als Lehen für Handwerker des Stiftes, also als Nebenerwerbslandwirtschaft, diente. Im 18. und 19. Jahrhundert war er eine bäuerliche Vollerwerbslandwirtschaft, bis der Tourismus 1957 zur Umwandlung in eine Frühstückspension führte, neben der aber noch bis 1977 auch Landwirtschaft betrieben wurde. Seit 2010 „Romantikhotel“ genannt, hat das Newsletter Nr. 4/2020 © Geschichtsverein für Kärnten Gebäude viel neuen Schmuck erhalten. Am Außenbau fällt der Turm auf, der allerdings nach mannigfachem Schicksal 2009 (wieder) aufgebaut wurde. Im Inneren reicht die Bau- substanz im Kellerbereich bis ins 13. Jahrhundert zurück, wurde aber später bis zur Un- kenntlichkeit umgebaut und verlor dabei seinen reprä- sentativen und wehrhaften Charakter. In der anschlie- ßenden, zum Ort und See ab- fallenden Parkanlage (Bar- bara-Egger-Park) steht ein merkwürdiger Turm, der zuweilen als spätgotischer Wehrturm bezeichnet wird, aber eher in die frühe Neuzeit

Abb. 10: Straßenseitige Ansicht des Staudacher Hofes zurückreicht. (Foto: Wilhelm Deuer)

Oberhalb des Staudacher Hofes erhebt sich schließlich die Villa North (Nr. 93), die sich der Ornithologe Univ.-Prof. Dr. Finger um 1878 erbauen ließ. Seit 1939 im Besitz der Familie North, wohnten hier u. a. der Komponist Eduard Künneke, der Dirigent Franz Marschallek sowie der Wiener Maler Hans Hanko. Zum Marktplatz zurückgekehrt wenden wir uns dem Osten des Kurortes zu: Nach dem Überschreiten des Riegenbaches, wo uns ein Nischenbildstock mit einer spätbarocken Statue des Brückenheiligen Johannes Nepomuk um 1730 begrüßt, stehen wir bald vor dem Hotel Post (Mirnockstraße Nr. 38), das vom Post- und auch Bürgermeister Daniel Kotz 1897 von seinen Schwiegereltern erworben und drei Jahre später in die heutige Form gebracht wurde. Das in herkömmlichen Formen und an Biedermeierbauten erinnernde Hotel ist in anheimelndem Schönbrunnergelb gehalten. 1926 wurden der heute noch bestehende Speisesaal und das historische Wappenstüberl errichtet, im Jahre 1985 erfolgte der letzte Zubau. Gegenüber dem Hotel Post erhebt sich seeseitig das jüngere Hotel Posthof (Mirnockstraße Nr. 131), ein wuchtiger, von Franz Baumgartner 1927 geplanter Bau mit gut gegliederter Fassade, an welcher die geschwungenen Balkone die Akzente setzen. Spätere Umbauten haben den Charakter des Hotels nicht zu seinem Nachteil verändert. Weiter südlich finden wir an der Überfuhrgasse, die parallel zum rauschenden Riegenbach seewärts führt, die Villa Stadler (Nr. 41), ein reizvolles Wohnhaus um 1900, das weitgehend in seiner ursprünglichen Form erhalten geblieben ist. Östlich parallel zur Überfuhrstraße verläuft die Schwarzstraße, in der wir ebenfalls bemerkenswerte Villen finden: Ostseitig die Villa Hertnagel (Nr. 112), die zunächst im Jahre 1900 als eingeschoßiges Gebäude errichtet, doch schon drei Jahre später vom Unternehmer Hans Kahlhofer aufgestockt und mit einem vorspringenden Westturm versehen wurde; sie ist seit 2006 im Besitz der Familie Hertnagel. Westlich gegenüber ließ sich der Wiener Finanzrat Dr. Adolf Schwarz, Direktor der Esterhazy’schen Güter im heutigen Burgenland, 1898 die Villa Parkschlössl errichten, die ursprünglich Luisenheim genannt wurde. Seit 1977 befindet sie sich im Besitz der Familie Unterkofler und wird als Hotel geführt. Das breit und behäbig gestaltete Gebäude strahlt durch seine abwechslungsreiche Dachlandschaft, die Loggienbögen und den seeseitigen Holzerker Behaglichkeit aus; sie ist von einem Park umgeben.

Newsletter Nr. 4/2020 © Geschichtsverein für Kärnten Die Überfuhrgasse führt uns direkt zum See zur alten Überfuhr. Wir kommen zunächst an der Villa Werndl (Überfuhrgasse Nr. 137) vorbei: Der kubische Baukörper mit seeseitig in der Art eines Risalits hochgezogenen Balkonen samt Loggia und Giebelbogen unter dem Satteldach wurde 1930 von Franz Baumgartner geplant und besitzt zeittypische Parallelen in Velden am Wörthersee. Rechter Hand entdecken wir nun eine der schönsten Millstätter Villen der Gründerzeit – die Villa Streintz (Überfuhrgasse 94): Der mehrgliedrige Bau mit Turm samt Pseudofachwerk, übereckgestelltem Erker und hölzerner zweigeschoßiger Vorlaube weist einige romantische Merkmale auf. Sie dürfte vom Grazer Architekten Schippl entworfen und zwischen 1891 und 1894 erbaut worden sein. Der namengebende Bauherr war Professor und Institutsvorstand an der Technischen Hochschule in .

Abb. 11: Die Villa Hertnagel Abb. 12: Die Domitianstatue im See (Fotos: Wilhelm Deuer)

Wir wandern die Seepromenade gegen Osten, queren den Schillerpark und kommen zunächst zur Domitianstatue, die Giorgio Igne 1994 aus Stahl und schnell trocknendem Zement auf dem Pfahl einer alten Uferbefestigung gestaltet hat. Sie zeigt den legendenhaften Karantanerherzog, wie er nach seiner Christianisierung gerade eine heidnische Statue in den See wirft. Nach der Querung des Riegenbaches kommen wir bald zu zwei weiteren bemerkenswerten Villen – der See-Villa (Seestraße Nr. 68) und der Villa Tacoli (auch Villa Verdin, Nr. 69): Zwischen 1882 und 1884 ließ Rudolf Schürer von Waldheim, der Besitzer einer großen Wiener Druckerei und Millstatt vielfach verbunden, ein bestehendes Gasthaus direkt am See durch ein eindrucksvolles Ensemble erweitern. Die Pläne lieferten die Architekten Karl Mayreder und Heinrich Anton Köchlin und stellten sie im Jahrgang 1886 der renommierten „Allgemeinen Bau-Zeitung“ bis in Details vor. Es entstanden zwei sogenannte „Landhäuser“ zur Unterbringung seiner Gäste und ein Wirtschaftsgebäude mit einem „amerikanischen Eiskeller“, einem Stall, einer Remise, zwei offenen Speisesalons mit Pergola, einer Terrasse, Schiffshütten, einem Badehäuschen und einer gepflegten Gartenanlage. Die Anlage ist gut erhalten geblieben. Das größere Gästehaus heißt bis heute See-Villa und ist auch Beherbergungsbetrieb geblieben, für das kleinere, das sogenannte „Deutsche (bzw. Altdeutsche) Haus“ (heute Villa Tacoli), sah Waldheim die eigene Nutzung vor. Das Ensemble in den Stilformen des romantischen Historismus wurde in der Allgemeinen Bau-Zeitung als „ an die Formen alter schöner Bauernhöfe in der Schweiz und Süd-Tirols“ gepriesen, wodurch eine „Harmonie mit der sie umgebenden Alpennatur“ erreicht werden sollte. Als Baukosten werden für die See-Villa 24.300 Gulden, für das Deutsche Haus 9.500 Gulden und für das Wirtschaftsgebäude 10.300 Gulden überliefert.

Newsletter Nr. 4/2020 © Geschichtsverein für Kärnten Die Villa Waldheim (Mirnockstraße 110) wurde 1899 durch die Conteradmiralswitwe Pauline von Wissiak-Holler erbaut, diente in der Zwischenkriegszeit als Pension Litzlhof und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Gästehaus unter dem Namen Villa Waldheim, später als Pension Waldheim-Mansbart weitergeführt.

Abb. 13: Die Villa Tacoli (Verdin) Abb. 14: Das Hohe Kreuz, seeseitige Ansicht (Fotos: Wilhelm Deuer) An der Villa Margarethe (Kaiser-Franz-Joseph-Straße 72) vorbei, einer der ältesten Villen Millstatts (vom k. k. Notar Oskar Ritter von Luschan von einem italienischen Holzhändler erworben und nach seiner Frau benannt), erreichen wir bald das sogenannte Hohe Kreuz, das sich am östlichen Ortsrand über der Hauptstraße erhebt. Der eindrucksvolle Nischenbildstock ist im frühen 17. Jahrhundert unter der Herrschaft der Jesuiten an der Stelle eines älteren, von dem noch eine Platte mit der Jahreszahl 1520 im Sockel eingemauert ist, erbaut worden. Die seeseitige Nische birgt eine Kreuzigungsgruppe, die bergseitige den kreuztragenden Jesus. Besonders eindrucksvoll ist der Freskenschmuck, der den Brüdern Jakob und Viktor Kazner zugeschrieben wird, die in Mittelkärnten im zweiten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts einige Werke hinterlassen haben (Sternberger Fastentuch, Taufkapelle in der Ossiacher Stiftskirche). Er zeigt Johannes den Täufer, den lokalen Heiligen Domitian, den Patron der Reisenden Christophorus sowie die Jesuitenheiligen Ignatius von Loyola und Franz Xaver, darüber Engel mit den Leidenswerkzeugen Christi. In der Hohlkehle sind typische Schweifwerkgrotesken der Zeit mit dem Wappen von Millstatt und dem IHS-Monogramm angebracht. Östlich außerhalb des Ortes erhebt sich über der Straße nach Döbriach und Ra- denthein erhöht ein besonders schönes Beispiel für den späten romantischen Historismus: Das gerne als „Schloss“ be- zeichnete, aber natürlich als Villa kon- zipierte Heroldeck verbindet Elemente der zeittypischen Ritterromantik bereits mit moderneren expressiven Elementen. Es wurde 1912 von Baumeister Anton Lerchbaumer für den Wiener Papierfabri- kanten Ludwig Friedrich Musil Edlen von Mollenbruck als Sommersitz errich- tet, diente zur Zeit des Nationalsozialis- Abb. 15: : „Schloss“ Heroldeck (Foto: Wilhelm Deuer) mus als „Gauschulungsburg“ und beher- bergt heute das Calvary Chapel Christ- liche Konferenzzentrum.

Newsletter Nr. 4/2020 © Geschichtsverein für Kärnten Auffallend sind der Bruchsteinsockel, der mächtige Turm mit Zinnenkranz, ein polygonaler Kragerkerturm und die durchgängig glasierten Dachziegeln. Das Objekt ist auch auf Fernwirkung konzipiert und setzt einen schönen landschaftlichen Akzent. Nördlich über dem Ort befindet sich ein Kalvarienberg: Am Ende der gemauerten Kreuzwegstationen erhebt sich eine Kalvarienbergkapelle. Sie ist wohl im frühen 18. Jahrhundert entstanden und mit Fresken von Balthasar Klenckh versehen. In der offenen Vorhalle findet sich die Golgothaszene mit einer geschnitzten Kreuzigungsgruppe, hinter einer Nische verbirgt sich das Heilige Grab. Neben der Kapelle steht die kleine, gleichzeitig errichtete Einsiedelei bzw. Mesnerei, die außen mit Fresken von Szenen aus dem Leben berühmter Einsiedler versehen ist. Abschließend ist im Strand- bad an der westlichen Ortsein- fahrt der bemerkenswerte 10- m-Sprungturm von 1930 zu erwähnen, der nach längerer Pause und Renovierung 2019 wieder in Betrieb genommen wurde und als „kleiner plastisch-konstruktiver Genie- streich“ (Achleitner) seit sei- ner Errichtung eine Attraktion mit hohem Werbewert dar- stellt

Abb. 16, rechts: Der Sprungturm im Strandbad (Foto: Wilhelm Deuer)

Literatur: Die Chronisten wie Matthias Maierbrugger, Karl Dinklage oder Wilhelm Neumann haben die Geschichte des Marktes durchleuchtet, aber der historischen Topographie und den Gebäuden wenig oder keine Aufmerksamkeit geschenkt. Axel Huber hat immer wieder Beobachtungen zum Ort gemacht, und über die Anfänge des Fremdenverkehrs hat Gerhard von Stawa 2017 einen wesentlichen Beitrag verfasst. Im Zusammenhang mit dem seit 1981 stattfindenden „Symposium zur Geschichte von Millstatt und Kärnten“ ist viel zur Geschichte erarbeitet worden, das auch für die Ortstopographie von hohem Wert war. Die beste Übersicht gibt der Dehio- Kärnten in seiner letzten Auflage von 2001, wertvoll ist ein Villenführer der jüngsten Zeit. Ich danke der örtlichen Führerin Ing. Gerti Baumberger und Prof. Dr. Gert Thalhammer für ihre wertvollen Auskünfte.

Matthias Maierbrugger, Die Geschichte von Millstatt. Mit einem Beitrag von Karl Dinklage, 1964. Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Kärntens, 3. Auflage Wien 2001, 536–550. Franz Nikolasch, Millstatt. Hauptpfarrkirche St. Salvator und Allerheiligen, Stiftsmuseum, Kalvarienbergkapelle (Peda-Kunstführer Nr. 795/2020), Passau 2010. Edelsitz – Keusche – Romantikhotel. Die Geschichte des Staudacher Hofes zu Millstatt. Mit Beiträgen von Wilhelm Deuer, Manfred, Helmut und Josefine Maier, Wilhelm Wadl und Christiane Wolfgang, Eigenverlag der Familie Manfred Maier, Millstatt 2012, 47 Seiten, reich illustriert und mit Plänen versehen. Derselbe, Der Staudacherhof zu Millstatt – vom Ritterturm zum Romantikhotel, in: Franz Nikolasch (Hg.), Symposium zur Geschichte von Millstatt und Kärnten 2014, 26–44. Gerhard von Stawa, Millstatt 1773–1922: Vom Fischerdorf zum Kurort, in: Symposium zur Geschichte von Millstatt und Kärnten 2017, 84–127. Wegweiser zum Millstätter Villenweg, hg. vom Tourismusverband Millstatt am See, o. J.

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