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HAI life 2013 Historisches Porträt

EINE SOZIOLINGUISTIN DER ERSTEN STUNDE Agathe Lasch war die erste Germanistik-Professorin Deutschlands

der Dissertation Agathe Laschs. »Das Ganze ist als eine besonders treffliche Leistung zu begrüßen und ragt über die gewöhnlichen Dissertationen um ein merkliches hervor«, schrieb Laschs Heidel - berger Doktorvater, der Junggrammatiker Wilhelm Braune, in seinem Gutachten. An die Ruperto Carola war die 1879 geborene Berlinerin gekom - men, weil Baden Vorreiter beim Frauenstudium war. Nach dem Abschluss der höheren Mädchen - schule, dem Examen am Lehrerinnenseminar und dem neben ihrer Lehrerinnentätigkeit extern nach - geholten Abitur wollte Agathe Lasch eigentlich an der Friedrich-Wilhelms-Universität in studie - ren. Dies war für Frauen zu dieser Zeit allerdings nur mit Genehmigung des Ministeriums und einer Einverständniserklärung des zuständigen Dozenten möglich, der ihr diese aber verwehrte. So besuchte sie zunächst vom Sommersemester 1906 an als Gasthörerin an der Universität Vorlesungen und Seminare in Deutscher und Romanischer Philologie sowie Philosophie. Zum Sommersemes - ter 1907 wechselte Agathe Lasch dann an die Mehr als 35.000 Berliner Juden wurden zwischen Ruperto Carola, die Frauen bereits seit sieben 1941 und 1945 in sogenannten Osttransporten Jahren ganz offiziell zum Studium zuließ und an deportiert und anschließend grausam ermordet. der sie 1909 auch promoviert werden konnte. Am 15. August 1942 startete vom Güterbahnhof Moabit mit dem Ziel der 18. derartige Depor - tationszug, dessen Insassen drei Tage später nach »Agathe Lasch kann mit Recht ihrer Ankunft in den Wäldern um Riga getötet als erste germanistische Sozio - wurden. Eines der rund 1.000 Opfer dieses Todes - transports war Agathe Lasch, die nach ihrer Pro - linguistin bezeichnet werden« motion an der Ruperto Carola als erste Frau in Deutschland an der Universität Hamburg eine »Das Heidelberger Germanistische Seminar und Professur in Germanistik übernommen hatte. Die die Philosophische Fakultät haben mit ihrer Ent - erste Germanistik-Professorin war nicht nur Vor - scheidung, Agathe Lasch zu promovieren, ein reiterin für Frauen in der Wissenschaft, sondern Zeichen gesetzt, das wesentlich dazu beigetragen gilt auch als Soziolinguistin der ersten Stunde. hat, das Frauenstudium in Deutschland zu erleich - tern«, erklärt Jörg Riecke, Professor für Germanis - »Geschichte der Schriftsprache in Berlin bis zur tische Sprachwissenschaft an der Ruperto Carola. Mitte des 16. Jahrhunderts«, so lautete das Thema Mit ihrer viel beachteten Dissertation legte Agathe Historische Aufnahme des Seminarienhauses (rechts) in der Augustinergasse, das zu Agathe Laschs Studienzeit Sitz des Germanisch-Romanischen Seminars war

Lasch den Grundstein für eine wissenschaftliche Laufbahn, in der sie als Erforscherin des Nieder - deutschen und Mitherausgeberin des Mittelnieder - deutschen Wörterbuchs hervortrat und sich darü - ber hinaus als Stadtsprachenforscherin einen Namen machte. 1928 erschien ihre Arbeit »Berlinisch. Eine berlinische Sprachgeschichte«, die das Thema ihrer Dissertation in einen größeren Rahmen stellte und einen Bogen von den ersten Sprachzeugnissen im 13. Jahrhundert bis zum damaligen Berlinisch spannte. »Sprachgeschichte wurde zuvor kaum einmal so klar als Sprachvaria - tionsgeschichte gesehen und beschrieben«, be - tont Prof. Riecke. »Aus diesen Gründen kann Agathe Lasch mit Recht als erste germanistische Soziolinguistin bezeichnet werden.«

Nach ihrer Promotion in lehrte und forschte Agathe Lasch zunächst am Bryn Mawr College, einem berühmten Frauencollege in den USA, an dem sie das Department »Allgemeine Germanische Philologie« leitete. Wegen der kriegsbedingten Ressentiments der USA gegen - über Deutschland entschloss sie sich 1916, ihren Vertrag nicht zu verlängern, »auch wenn ich per - nalsozialistischen Barbarei«, schreibt die Publi - sönlich drüben nur Freundschaft empfing«. Nach zistin Christine Kaiser auf einer Internetseite zu ihrer Rückkehr nach Deutschland arbeitete sie Agathe Lasch. Inzwischen wird jedoch in vielfäl - von Januar 1917 an als Assistentin am Deutschen tiger Weise der ersten Germanistik-Professorin Seminar des Hamburgischen Kolonialinstituts, das Deutschlands gedacht: In Hamburg und Berlin 1919 Bestandteil der neu gegründeten Universität wurden eine Straße und ein Platz nach ihr be - Hamburg wurde. Noch im selben Jahr habilitierte nannt, die Hansestadt verleiht seit 1992 den sich Agathe Lasch, 1923 wurde sie zur Professo - Agathe-Lasch-Preis für Nachwuchswissenschaft - rin ernannt und 1926 auf den neu geschaffenen ler, seit 1999 gibt es an der Universität Hamburg Lehrstuhl für Niederdeutsch berufen. einen Agathe-Lasch-Hörsaal, und Anfang 2013 startete die Hochschule ein nach ihr benanntes Ein Hörsaal, ein Preis und ein Coaching- Coaching-Programm für Juniorprofessorinnen und Programm tragen Agathe Laschs Namen Habilitandinnen. Außerdem erinnern in Hamburg 1934 wurde Agathe Lasch als Jüdin aus dem zwei »Stolpersteine« an Agathe Lasch – vor ihrem Hochschuldienst entlassen, 1937 kehrte sie nach früheren Wohnhaus und vor dem Hauptgebäude Berlin zurück. Ihre Bemühungen, im Ausland der Universität. eine wissenschaftliche Anstellung zu finden, blie - ben vergeblich, 1939 verhinderte vermutlich das NS-Regime ihre in Aussicht gestellte Berufung an die Universität Dorpat in Estland. »Als Frau konnte sich Agathe Lasch auf ihrem wissenschaft - lichen Weg in Deutschland gegen alle Widrigkei - ten behaupten und durchsetzen, als Jüdin in Informationen im Internet: www.agathe-lasch.de Deutschland wurde sie dagegen Opfer der natio -