Carolinea 77 (2019): 93-143, 69 Abb.; Karlsruhe, 16.12.2019 93

Bläulinge (: ) im Einzugsgebiet von Jagst und Kocher – Verbreitung, Ökologie und Vorschläge zu Schutzmaßnahmen

Robert Güsten, Matthias Sanetra & Robert Trusch

Kurzfassung relationships to ants (myrmecophily) are described. By In der Jagst-Kocher-Region im Nordosten von Baden- examining the ant fauna on grasslands with the great Württemberg wurden zehn bedrohte Bläulingsarten burnet, possible host ant species of Phengaris teleius im Hinblick auf ihre aktuelle Verbreitung und ihre Bio­ and P. nausithous belonging to the genus Myrmica logie und Ökologie untersucht. Ausgewählt wurden were recorded. The results are discussed with regard die Feuerfalter­ Lycaena dispar und L. hippothoe, die to regional ecological specializations as compared to Zipfelfalter spini und S. ilicis sowie unter den other populations of the investigated species. Conse- Echten Bläulingen Glaucopsyche alexis, Cupido mini­ quences for practical conservation through more effi- mus, thersites, argus, Phenga­ cient bio­tope management of the endangered species ris teleius und P. nausithous. Lycaena hippothoe und are highlighted. Special recommendations are given for S. ilicis sind im Untersuchungsgebiet verschollen. Die the habitats studied (xerothermic grassland particularly Präimaginalstadien (Eier und Raupen) von L. dispar, on dry slopes of river valleys, different forms of meso- S. spini, G. alexis, C. minimus, P. thersites und P. argus to hygrophilous grassland) within their landscape units. wurden im Freiland beobachtet und die Beziehungen der Raupen zu Ameisen (Myrmekophilie) beschrieben. Autoren Durch die Untersuchung der Ameisenfauna von Stand- Dr. Robert Güsten, Merckstraße 28, D-64283 Darm- orten des Großen Wiesenknopfes wurde das Vorkom- stadt; E-mail: [email protected] men potentieller Wirtsarten für Phengaris teleius und Dr. Matthias Sanetra, Hunsrückstraße 7, D-64546 P. nausithous aus der Gattung Myrmica dokumentiert. Mörfelden-Walldorf; E-mail: [email protected] Die Ergebnisse werden bezüglich des Vorliegens von Dr. Robert Trusch, Staatliches Museum für regionalen Spezialisierungen im Vergleich zu anderen Naturkunde Karlsruhe, Erbprinzenstraße 13, D-76133 Populationen der behandelten Arten diskutiert. Daraus Karlsruhe; E-mail: [email protected] ergeben sich Implikationen für den praktischen Natur- schutz bei der Berücksichtigung dieser bedrohten Arten Inhaltsverzeichnis in der Biotoppflege. Empfehlungen hierzu werden für die Einleitung ...... 94 untersuchten Lebensräume (Magerrasen insbesondere 1 Glaucopsyche alexis an den Trockenhängen der Flusstäler, unterschiedliche (Alexis-Bläuling) ...... 96 Ausprägungen meso- bis hygrophilen Grünlands) in 2 Cupido minimus den berücksichtigten Naturräumen formuliert. (Zwerg-Bläuling) ...... 100 3 Polyommatus thersites Abstract (Esparsetten-Bläuling) ...... 105 Blue (Lepidoptera: Lycaenidae) in the 4 Plebejus argus catchment area of Jagst and Kocher (northeastern (Argus-Bläuling) ...... 110 Baden-Württemberg) – distribution, ecology 5 Satyrium spini and suggestions for conservation (Kreuzdorn-Zipfelfalter) ...... 115 In the Jagst-Kocher region located in the northeast of 6 Satyrium ilicis Baden-Württemberg, present distribution patterns and (Brauner Eichenzipfelfalter) ...... 120 life histories of ten endangered lycaenids were inves- 7 Lycaena dispar tigated. The species studied were the coppers Lycae­ (Großer Feuerfalter) ...... 121 na dispar and L. hippothoe, the hairstreaks Satyrium 8 Lycaena hippothoe spini and S. ilicis as well as Glaucopsyche alexis, Cu­ (Lilagold-Feuerfalter) ...... 127 pido minimus, Polyommatus thersites, Plebejus argus, 9 Phengaris teleius, P. nausithous Phengaris teleius and P. nausithous among the blues. (Heller und Dunkler Wiesenknopf- Lycaena hippothoe and S. ilicis seem to be extinct in Ameisenbläuling) ...... 128 the study area. The preimaginal stages (eggs and lar- 10 Naturschutz und Biotoppflege ...... 133 vae) of L. dispar, S. spini, G. alexis, C. minimus, P. ther­ Dank ...... 139 sites and P. argus were detected in the field and their Literatur ...... 140 94 Carolinea 77 (2019)

Einleitung Gattung Myrmica in deren Nester aufgenommen Die Tagfalterfamilie der Bläulinge (Lycaenidae) (z.B. Tartally et al. 2019). wird in mehrere Unterfamilien aufgeteilt, von de- Viele Bläulinge sind deutschlandweit in ihrem nen drei in Mitteleuropa vorkommen: Feuerfalter Bestand rückläufig, und einige Arten sind wegen (Lycaeninae), Zipfelfalter (Theclinae) und Echte ihrer akuten Gefährdung nach der europäischen Bläulinge (Polyommatinae). Bläulingsraupen und Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (Anhänge II und Ameisen gehen oft wechselseitige Beziehungen IV) geschützt („FFH-Arten“). In Baden-Württem- miteinander ein (Myrmekophilie), die von einer berg ist eine Abnahme der Populationen für die fakultativen Symbiose (Raupe an der Nahrungs- meisten Schmetterlingsarten gut dokumentiert pflanze mit Ameisengarde) bis zum obligaten Pa- (Filz et al. 2013, Habel et al. 2019). Insbeson- rasitismus (Leben der Raupe im Ameisennest) dere können die historischen und aktuellen Ver- reichen (z.B. Fiedler 2006). Bei den fakultativ breitungsgebiete mittels der Landesdatenbank Myrmekophilen werden die Raupen regelmäßig Schmetterlinge Baden-Württembergs (LDS-BW; von Ameisen besucht, wobei die Ameisen Futter- www.schmetterlinge-bw.de) am Staatlichen Mu- sekret erhalten und die Raupen einen gewissen seum für Naturkunde Karlsruhe (SMNK) dar­ Schutz durch die Ameisen genießen. Bei dieser gestellt werden. Als Hauptursache für den Arten- Lebensweise wird zumeist beobachtet, dass ver- schwund kann die Verschlechterung der Lebens­ schiedene Ameisenarten in Beziehung zu den räume verantwortlich gemacht werden, wobei Raupen einer bestimmten Bläulingsart treten Nahrungsspezialisten stärker betroffen sind als können, auch wenn gebietsweise oft nur eine Arten mit generalistischer Lebensweise (z.B. bis wenige Ameisenarten als Partner fungieren Habel et al. 2016). Beeinträchtigungen entste- (vgl. z.B. Lafranchis & Lafranchis 2012, Sanetra hen vor allem durch land- und forstwirtschaft- et al. 2015). Zudem werden die Bläulingsraupen­ liche Aktivitäten (z.B. Überdüngung), aber auch in wechselnder Häufigkeit auch ohne Ameisen- Pflegemaßnahmen in den Schutzgebieten sind garde angetroffen (z.B. Fiedler 2006, Lafranchis teilweise nicht unproblematisch. Dabei sind die et al. 2015). Seltener als bei den Echten Bläulin- Präimaginalstadien (Eier, Raupen und Puppen) gen findet man Ameisenbegleitung bei Zipfelfal- wegen i­hrer Standorttreue anfälliger gegenüber tern und Feuer­faltern (vgl. Fiedler 1991, 2006), anthropogenen Einflüssen als die flugfähigen jedoch gibt es hierzu deutlich weniger detaillierte Falter. Für den praktischen Naturschutz ist es Untersuchungen. daher wichtig, eine möglichst genaue Charak- Im Gegensatz dazu stehen die Raupen einiger terisierung der Entwicklungshabitate bedrohter Echter Bläulinge in so starker Abhängigkeit zu Schmetterlinge zu erlangen (z.B. Dolek & Geyer bestimmten Ameisenarten, dass sie ohne de- 2000, Dolek et al. 2019), um dann gezielte ren Anwesenheit nicht eigenständig überleben Schutzmaßnahmen für die Arterhaltung einzu- könnten. So ist beispielsweise Plebejus argus leiten. (Linnaeus, 1758) obligatorisch mit unterschied- Die vorliegende Studie behandelt die Jagst-Ko- lichen Arten von Wegameisen (Lasius spp.) als cher-Region im Nordosten von Baden-Württem- Symbiosepartner assoziiert (Fiedler 2006, La­ berg, welche südlich an den artenreichen Natur- franchis et al. 2015). Im Falle der Ameisenbläu- raum Tauberland (z.B. Ebert & Rennwald 1991, linge aus der Gattung Phengaris* ist die Bläulings- Sanetra et al. 2015) angrenzt. Durch frühere Ameisenbeziehung zum Parasitismus evolviert, Nachweise aus der Datenbank (LDS-BW) war wobei sich die Raupe im Ameisennest entwickelt bekannt, dass relativ viele gefährdete Bläulings- und sich dort bei einigen Arten räuberisch von arten potentiell in der Region vorkommen. Auf der der Ameisenbrut ernährt, bei anderen von den anderen Seite wies das Gebiet einen schlechten Ameisen gefüttert wird („Kuckucksarten“). Die Durchforschungsgrad in Bezug auf die Tagfal- Ameisenbläulinge leben in den frühen Larvalsta- terfauna auf (gemessen an der Artenzahl pro dien vegetarisch an bestimmten Wirtspflanzen, TK25-Quadrant). Folglich war ein bedeutender später werden sie dann von Knotenameisen der Zuwachs an faunistischen Erkenntnissen durch die Kartierung zu erwarten. Das Untersuchungs- gebiet beinhaltet die Einzugsbereiche der beiden * Die Internationale Kommission für Zoologische Nomenklatur Fließgewässer Jagst und Kocher, wo es sich hat entschieden (ICZN 2017), dem Gattungsnamen Maculi­ über drei Naturräume (im Sinne der Naturräum- nea van Eecke, 1915, keine Priorität vor Phengaris Doherty, 1891, zuzuerkennen. Dem Antrag von Balletto et al. (2010) lichen Gliederung Deutschlands nach Meynen & wurde damit nicht stattgegeben. Schmitthüsen 1955) erstreckt: die Kocher-Jagst- Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 95

Abbildung 1. Untersuchungsgebiet in der Jagst-Kocher-Region mit den drei berücksichtigten Naturräumen und den Einzugsgebieten der beiden Hauptfließgewässer Jagst und Kocher (getrennt durch grüne Zwischenlinie). – Grafik: Robert Güsten, Kartengrundlage © LGL BW, LUBW.

Ebenen, die Hohenloher-Haller-Ebene und die tief eingeschnittenen Muschelkalkhängen der Schwäbisch-Fränkischen Waldberge (Abb. 1). Flusstäler in klimatisch begünstigten Bereichen Nicht eingeschlossen sind die Flussoberläufe, vor. Auch der Zipfelfalter Satyrium spini ([Denis naturräumlich im Albvorland (Jagst) und der & Schiffermüller], 1775) findet hier seinen Le- Schwäbischen Alb (Kocher) gelegen. Adminis­ bensraum, ist aber stärker auf das Vorhanden- trativ umfasst das Gebiet Teile der Landkreise sein von Heckenzügen und Waldrändern ange- Heilbronn, Hohenlohekreis und Schwäbisch Hall wiesen. Einen gänzlich anderen Biotoptyp stellen (Regierungsbezirk Stuttgart). die meso- bis hygrophilen Wiesen und Weiden Zehn Bläulingsarten mit verschiedenen ökolo- dar, welche den Feuerfalter-Arten Lycaena dis­ gischen Ansprüchen wurden für die Untersu- par ([Haworth], 1802) und Lycaena hippothoe chungen ausgewählt, wobei sowohl Trocken- (Linnaeus, [1760]) sowie den Ameisenbläulin- lebensräume als auch bestimmte feuchtere gen Phengaris teleius (Bergsträsser, 1779) und Standorte berücksichtigt wurden. Die wärmelie- Phengaris nausithous (Bergsträsser, 1779) als benden Arten, wie Glaucopsyche alexis (Poda, Lebensraum dienen können. In der Region fin- 1761), Cupido minimus (Fuesslin, 1775), Poly­ den sich diese Grünlandbereiche gewässernah ommatus thersites (Cantener, [1835]) und Plebe­ in den Flusstälern, zum Teil aber auch auf den jus argus, sind an die in der Region verbreiteten Hochflächen und eingestreut in das bewaldete Kalkmagerrasen verschiedener Ausprägung Hügelland. Satyrium ilicis (Esper, [1779]) ist eine gebunden. Vorzugsweise kommen diese an den sogenannte „Lichtwaldart“, die insbesondere 96 Carolinea 77 (2019)

Waldlich­tungen und Waldinnensäume bewohnt rung oder auf unzureichende Durchforschung und von der nur spärliche Einzelmeldungen aus zurückzuführen ist. Trotz der einfachen Determi- der Jagst-Kocher-Region vorliegen. nation können die Falter aufgrund stets niedriger Der hohe Grad der Spezialisierung bei vielen Individuenzahlen (siehe auch Thust et al. 2006, Bläulings-Arten beinhaltet enge Interaktionen Eller et al. 2007, Reiser 2013) leicht übersehen mit speziellen Wirtspflanzen und Ameisenpart- werden. Zudem haben die Männchen einen un- nern, die auch geographisch stark variieren kön- gestümen Flug, der nur selten unterbrochen wird. nen (z.B. Ebert & Rennwald 1991, Sanetra et al. Die Vorkommen von G. alexis im Bereich der 2015). Ein effektiver Schutz dieser Arten wird nur Kocher-Jagst-Ebenen stellen eine südliche Er- ermöglicht, wenn eingehende regionsspezifische weiterung des Areals im Tauberland dar, wo die Kenntnisse über diese besonderen Ansprüche Art sehr weiträumig verbreitet ist (Sanetra et al. an die Umwelt vorliegen, da sie den genauen 2015). Dem isolierten Fund nahe Schwäbisch Charakter der bevorzugten Larvalhabitate be- Hall stehen 15 bis 20 Lokalitäten im Untersu- einflussen. In der vorliegenden Studie wurden chungsgebiet südlich des regionalen Verbrei- daher die biologisch-ökologischen Grundlagen tungsschwerpunkts von G. alexis im Jagst-Tal erforscht, die für den Erhalt der ausgewählten gegenüber, an denen die Art trotz günstiger Zielarten in der Jagst-Kocher-Region von Be- Habitatstruktur und geeigneter Wirtspflanzen- deutung sind. Anhand der gewonnenen Erkennt- bestände nicht festgestellt werden konnte. Tau- nisse wurden Vorschläge für die Biotop- und berland und Kocher-Jagst-Ebenen bilden das Landschaftspflege formuliert, die zielgerichtet wichtigste Vorkommensgebiet in Baden-Würt­ den Erhalt bestimmter Arten fördern können. temberg, ansonsten tritt G. alexis nur noch klein- Mit dieser Veröffentlichung werden (1) die aktu- räumig am Oberrhein auf. Ein Nachweis von der elle Bestandssituation von zehn Bläulingsarten Ostalb (LDS-BW) wurde nach Rücksprache mit in der Jagst-Kocher-Region beschrieben, (2) die dem Beobachter als Falschmeldung identifiziert. Ökologie (insbesondere der Präimaginalstadien und ihre Beziehungen zu Ameisen) im Hinblick 1.2 Phänologie auf regionale Besonderheiten dargestellt sowie Im Neckar-Tauberland fliegtG. alexis nach Ebert (3) Konzepte für einen dauerhaften Schutz durch & Rennwald (1991) in einer Generation schwer- spezifische Pflegemaßnahmen vorgestellt. punktmäßig in der zweiten Maihälfte (Spann- weite: 5.5. bis 19.6.). Der früheste Fund aus 1 Glaucopsyche alexis dem Taubertal datiert vom 17.4.2014 (Sanetra (Alexis-Bläuling) et al. 2015), und Seitz (1927) gab den Beginn 1.1 Verbreitung der Flugzeit mit Ende April an. Die vorliegenden Diese unverwechselbare Art konnte an 13 Lo- Be­obachtungen in der Jagst-Kocher-Region rei- kalitäten im Naturraum Kocher-Jagst-Ebenen chen vom 4.5. bis 5.6. in den Jahren 2017-2019. nachgewiesen werden (Abb. 2), wobei jeweils nur ein bis drei Exemplare pro Beobachtung 1.3 Wirtspflanzen und Eiablage verzeichnet wurden. Fast alle Fundorte liegen Die Eiablage von G. alexis wurde an zwei ver- im mittleren Einzugsbereich der Jagst zwischen schiedenen Pflanzenarten aus der Familie der Jagsthausen und Mulfingen, nur zwei Lokalitäten Schmetterlingsblütler (Fabaceae) beobachtet befinden sich im nördlichen Einzugsbereich des (Tab. 1), an Saat-Esparsette ( vicii­ Kocher bei Crispenhofen. Damit ist die Zahl folia) und Süßem Tragant (Astragalus glycyphyl­ der bisher bekannten Fundorte für G. alexis im los). Die Eier wurden einzeln in die sich entwi- Untersuchungsgebiet mehr als verdoppelt wor- ckelnden Blütenstände der Esparsette (Abb. 4) den. Im südlichen Teil der Kocher-Jagst-Ebenen oder in die noch eingerollten Fiederblättchen scheint G. alexis nicht regelmäßig vorzukom- sich ent­wickelnder Blatt- und Blütenknospen des men, denn es gibt bislang nur eine Meldung aus Süßen Tragants (Abb. 5) abgelegt (siehe auch dem Jahr 2015 an einem Trockenhang nördlich Sanetra et al. 2015). Anhand dieser Beobach- von Schwäbisch Hall. Auffallend ist die Tatsache, tungen konnten zusätzlich Eier durch selektive dass G. alexis über einen sehr langen Zeitraum Suche an den beiden Pflanzenarten aufgefun- (1964 bis 2013) aus der gesamten Region nicht den werden (Tab. 1), denn die Blüten und Blät- gemeldet worden war und danach in kurzer Ab- ter befinden sich zum Zeitpunkt der Eiablage in folge vier Nachweise erfolgten (LDS-BW). Es ist einem bestimmten frühen Entwicklungsstadium. unklar, ob dies auf eine kürzliche Arealerweite- Allerdings werden die Eier weit in die Knospen Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 97

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Abbildung 2. Fundorte von Glaucopsyche alexis in der Jagst-Kocher-Region während der Studie (schwarze Qua­ drate) und aus der LDS-BW (graue Quadrate, mit Jahr des letzten Nachweises). – Grafik: Robert Güsten. hinein abgelegt und sind gewöhnlich erst eini- tenstände nach außen hervortreten (Abb. 6). An ge Tage nach der Eiablage aufzufinden, da sie Esparsette konnten drei Raupen im zweiten bis dann durch das Wachstum der Blätter und Blü- dritten Larvenstadium (Abb. 8), an Sü­ßem Tra-

Tabelle 1. Eiablagebeobachtungen (Zahlen mit Pfeil) sowie Funde von Eiern und Eihüllen (Zahlen ohne Pfeil) bei Glaucopsyche alexis im Naturraum Kocher-Jagst-Ebenen. Bei den Eiablagebeobachtungen beziehen sich einzelne Einträge auf jeweils ein beobachtetes Weibchen. Lokalität Ort der Eiablage Anzahl Eier Datum nördlich Crispenhofen: Kelterberg O. viciifolia: ungeöffneter Blütenstand à 2 16.05.2017 nordwestlich Marlach: Stein O. viciifolia: ungeöffneter Blütenstand à 4 04.05.2018 NSG Laibachsweinberg: Untere Weinberge A. glycyphyllos: Blattknospe à 1 22.05.2018 östlich Ailringen: Geißberg A. glycyphyllos: Blattknospe à 2 22.05.2018 östlich Ailringen: Geißberg A. glycyphyllos: Blattknospe à 7 22.05.2018 östlich Ailringen: Geißberg A. glycyphyllos: Blattknospe à 1 05.06.2018 südwestlich Krautheim: Armsberg O. viciifolia: ungeöffneter Blütenstand à 1 17.05.2019 98 Carolinea 77 (2019)

Tabelle 2. Raupenfunde und begleitende Ameisenarten bei Glaucopsyche alexis im Naturraum Kocher-Jagst-Ebe- nen. Lokalität Wirtspflanze Ameisenassoziation Anzahl, Stadium Datum

östlich Sindeldorf: Berg A. glycyphyllos 1 Raupe L3-4 27.06.2017

östlich Ailringen: Geißberg O. viciifolia Lasius alienus 3 Raupen L2-3 22.05.2018

östlich Ailringen: Geißberg A. glycyphyllos Lasius alienus 5 Raupen L4-5 05.06.2018 gant sechs Raupen im dritten bis fünften Stadi- parsette weitgehend verblüht war und sich die um (Abb. 3) gefunden werden (Tab. 2). Die Suche zuvor daran befindlichen Raupen wahrscheinlich wurde dadurch erleichtert, dass sich die Raupen verpuppt hatten. Diese Anpassung gewährleis­ in einer Assoziation mit Ameisen befanden. tet, dass die Raupen genügend Nahrung zur Die jahreszeitlich unterschiedliche Nutzung von Vollendung ihrer Entwicklung vorfinden. Würde zwei Eiablagepflanzen in Abhängigkeit von der das Ei in eine bereits zu weit entwickelte Blüte Entwicklung der Blütenstände konnte durch gelegt, so hätte die Raupe kaum Überlebens­ Funde von Eiern und Raupen an einer Lokali- chancen, da die Blüte später längst vertrocknet tät im selben Jahr eindeutig belegt werden. Die wäre. Daraus ergibt sich, dass spät fliegende Blüten stellen die Hauptnahrung für die Raupen Weibchen von G. alexis in der Jagst-Kocher-Re- dar, auch wenn die Eier am Süßen Tragant häu- gion nur noch an Süßem Tragant ihre Eier able- fig an die sich zusammen mit den Blüten entwi- gen und nicht mehr an Esparsette. Auch Ebert & ckelnden Blätter abgelegt werden. Während am Rennwald (1991) erwähnen die Möglichkeit einer 22.5.2018 bereits kleine Raupen an blühenden jahreszeitlich unterschiedlichen Nutzung von Ei- Esparsetten gefunden wurden, erfolgten an der- ablagepflanzen. selben Lokalität noch zahlreiche Eiablagen in die Für das Untersuchungsgebiet ergeben sich aus sich entwickelnden Blätter und Blütenstände des den Beobachtungen regionale Beson­derheiten Süßen Tragants. Zwei Wochen später (5.6.2018) für G. alexis bei der Wahl der Wirtspflanzen. Es wurden dann die fast erwachsenen Raupen an werden insbesondere Saat-Esparsette und Sü- Süßem Tragant beobachtet, wohingegen die Es- ßer Tragant von den Raupen als Nahrungsquelle genutzt. An einer Lokalität deutete der Aufent- haltsort einiger Falter auf die Dünnblättrige Wi- cke (Vicia tenuifolia) als Eiablagepflanze hin. Die Larvalentwicklung an Vogelwicken (Vicia cracca agg.) wurde auch andernorts in Süddeutschland gemeldet (Eller et al. 2007, Reiser 2013, Sane­ tra et al. 2015). Im Gegensatz zu den Kocher- Jagst-Ebenen sind im Tauberland fünf verschie- dene Schmetter­lingsblütler als Nahrungspflanzen von G. alexis dokumen­tiert worden, wobei neben dem Süßen Tragant der Färberginster (Genista tinctoria) die wichtigste Rolle spielt (Sanetra et al. 2015). Diese Pflan­zenart kommt im Bereich der Kocher-Jagst-Ebenen kaum vor, während umgekehrt die Saat-Esparsette im Tauber­land wesentlich seltener ist und dort als Wirtspflanze eine untergeordnete Rolle spielt. Die westliche Verbreitungsgrenze von G. alexis an der Jagst (Abb. 2) lässt vermuten, dass der Bunten Kronwi- cke () zumindest keine tragende Rolle als Nahrungspflanze zukommen kann. Die­ Abbildung 3. Erwachsene Raupe von Glaucopsyche se Pflanze ist westlich des Areals von G. alexis alexis mit Ameisengarde (Lasius alienus) an Blü­ an vielen Stellen häufig, während Süßer Tragant tenstand von ; Geißberg bei sehr vereinzelt auftritt und Saat-Esparsette nicht Ailringen; 5.6.2018. – Foto: Matthias Sanetra. festgestellt wurde. Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 99

Abbildungen 4-9. Eiablage, Präimaginalstadien und Larvalhabitat von Glaucopsyche alexis. 4. Ei an jungem Blü- tenstand von . Armsberg bei Krautheim; 17.5.2019; 5. Eiablage im Bereich einer Blattknospe von Astragalus glycyphyllos. Geißberg bei Ailringen; 22.5.2018; 6. Ei an einem Fiederblatt von A. glycyphyllos bei Ailringen; 22.5.2018; 7. Eiablagehabitat mit O. viciifolia am Kelterberg bei Crispenhofen; 16.5.2017; 8. Jung­raupe

(ca. L2) an Blütenstand von O. viciifolia mit Ameisenbesuch durch Lasius alienus bei Ailringen; 22.5.2018; 9. Zwei Raupen unterschiedlicher Größe an A. glycyphyllos in Assoziation mit L. alienus bei Ailringen; 5.6.2018. – Fotos: Robert Güsten. 100 Carolinea 77 (2019)

Für Baden-Württemberg werden als weitere benachbarten Regionen (Tauberland, Mainfran- Wirtspflanzen der Gewöhnliche Steinklee (Me­ ken) liegen Beobachtungen von Assoziationen­ lilotus officinalis), Weißer Steinklee (Melilotus mit Tapinoma erraticum, Lasius alienus und La­ alba), Luzerne (Medicago sativa) und Sichelklee sius platythorax vor (Reiser 2013, Sanetra et al. (Medicago falcata) angegeben (Ebert & Renn­ 2015). Für andere Teile Euro­pas werden Arten wald 1991). Zahlreiche weitere Fabaceen-Arten der Gattungen , Lasius, Plagio­ dienen im mediterranen Raum als Nahrungs- lepis und vor allem viele Formica- und Campo­ pflanzen. Offenbar wird opportunistisch ein regio­ notus-Arten genannt (Fiedler 2006, Álvarez et nal unterschiedliches Spektrum an Wirtspflanzen al. 2012, Lafranchis & Kan 2012, Lafranchis & mit verschiedenen Blühzeitpunkten genutzt. Lafranchis 2012). Im Jagst-Tal wurden an einer Tragant-Pflanze zwei Raupen gefunden (Abb. 9). 1.4 Larvalhabitat Dies könnte darauf hindeuten, dass die Raupen Die larvalen Lebensräume sind in der Regel bei ausreichendem Ameisenbesuch bessere Magerrasen verschiedener Ausprägung, jedoch Überlebenschancen haben und somit bisweilen unterscheiden sich die Pflanzenstandorte je geklumpt vorkommen, wie es auch im Taubertal nachdem ob Esparsette oder Süßer Tragant als an Färberginster beobachtet worden war (Sane­ Raupennahrung dient. Während die Esparsette tra et al. 2015). meist größere zusammenhängende Bestände auf Offenflächen und Streuobstwiesen ausbil- 2 Cupido minimus (Zwerg-Bläuling) det (Abb. 7), handelt es sich beim Süßen Tra- 2.1 Verbreitung gant oftmals um Einzelpflanzen bis zu kleineren Dieser Bläuling kann aufgrund seiner geringen Gruppen, die vorzugsweise in halbschattigen Größe und unscheinbaren Färbung (Abb. 11) Bereichen entlang von Gebüschsäumen und leicht übersehen werden. Dies ist wohl ein Grund Heckengebieten wachsen. Entsprechend finden dafür, dass in der Jagst-Kocher-Region vor Be- sich die Raupen von G. alexis in der Jagst-Ko- ginn dieser Studie nur vier gesicherte Fundorte cher-Region an Esparsette häufig im Bereich of- der Art bekannt geworden waren, drei davon erst fener Wiesenflächen, wohingegen sie an Tragant nach 2010 (LDS-BW). Durch gezielte Nachsuche eher entlang von Feldgehölzen oder im Halb- konnten 17 Vorkommensorte in der Region be- schatten unter lockeren Baumbeständen leben. legt werden (Abb. 10), wovon sich der größte Teil Auch an Wegböschungen und Randbereichen im Naturraum Kocher-Jagst-Ebenen befindet. von Steinriegeln mit Tragant sind die Raupen zu Nur zwei Lokalitäten liegen wesentlich weiter finden. Ebert & Rennwald (1991) sehen bezüg- südlich im Naturraum der Hohenloher-Haller- lich der Larvalhabitate einen Trend zur Bevor- Ebene. Als Nachweismethode wurde in erster zugung von Gebüschsäumen im Vergleich zu Linie die Suche nach Eiern an den Blüten­ der offenen Flächen. Raupennahrungspflanze, dem Gewöhnlichen Wundklee (Anthyllis vulneraria), ange­wendet. 1.5 Myrmekophilie Meist wurden an Stellen mit Einachweisen keine Alle beobachteten Raupen von G. alexis wa- Falter gesehen, so dass die Eisuche der Falter­ ren mit Ameisen der Art Lasius alienus ver­ suche deutlich vorzuziehen ist (vgl. Settele et al. gesellschaftet, die ein typischer Bewohner der 2015). Magerrasen auf Trockenhängen ist. Dabei waren Die Schwerpunkte der Verbreitung von C. mini­ die erwach­senen Raupen (Abb. 3) für die Amei- mus in Baden-Württemberg liegen im Neckar- sen deutlich attraktiver als die jün­geren Raupen Tauberland, auf der Schwäbischen Alb und am (Abb. 8). Während sich bei den Raupen in frü- südlichen Oberrhein (Ebert & Rennwald 1991). hen Stadien meist nur ein bis zwei Ameisen auf- Da die Vorkommen im Tauberland recht kräftig hielten, waren es bei den erwachsenen Tieren ausgebildet sind, erscheinen die Populationen oftmals fünf bis acht Exemplare (Abb. 3). Nach der Kocher-Jagst-Ebenen als südlicher Ausläu- Literaturangaben sind die Raupen von G. ale­ fer jenes Naturraums. Das Verbreitungsmuster xis fast immer mit Ameisen vergesellschaftet ist diesbezüglich ähnlich wie bei G. alexis. Die (z.B. Fiedler 2006, Lafranchis et al. 2015). Die beiden Vorkommensorte weiter südlich (und ein Beobachtungen in der Jagst-Kocher-Region Standort bei Gaildorf, der noch 2014, aber ak- bestätigen diese Auffassung. Im Tauberland tuell nicht mehr besiedelt war) sind weiträumig wurde lediglich eine von elf Raupen ohne Amei- isoliert. Diese Annahme wird belegt durch das sengarde angetrof­fen (Sanetra et al. 2015). Aus Fehlen von C. minimus an sieben günstigen Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 101

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Abbildung 10. Fundorte von Cupido minimus in der Jagst-Kocher-Region während der Studie (schwarze Quadrate) und aus der LDS-BW (graue Quadrate, mit Jahr des letzten Nachweises). – Grafik:R obert Güsten.

Wundklee-Standorten zwischen den genannten dass C. minimus durch seine Mobilität rasch Stellen sowie zwischen dem Areal im nördlichen neue Standorte erschließen kann (Willig 2013). Jagst-Tal und den isolierten südlichen Vorkom- men (Abb. 10). 2.2 Phänologie Die vorliegende Studie kam zu dem Ergebnis, Nach Ebert & Rennwald (1991) fliegt C. minimus dass auch sehr kleine Wundklee-Bestände von im Neckar-Tauberland schwerpunktmäßig von diesem Bläuling bewohnt werden. Somit können Mai bis Juni. Im Juli sind Falter bereits selten, wahrscheinlich auch kleine, isolierte Populati- und die spärlichen Nachweise von Ende Juli bis onen verhältnismäßig lange persistieren. Eine Ende August müssen wahrscheinlich einer parti- in Niedersachsen durchgeführte Untersuchung ellen 2. Generation zugerechnet werden. Wie im konnte zeigen, dass C. minimus über ein deut- Tauberland wird auch in Bayern in der kollinen lich größeres Ausbreitungspotential verfügt als Stufe von einer unvollständigen zweiten Gene- bislang vermutet wurde (Krauss et al. 2004). Die- ration berichtet. Dabei gibt es zeitlich oft einen se Arbeit ergab aber auch, dass innerhalb eines fließenden Übergang von der ersten zur meist zusammenhängenden Areals selten Wundklee- schwach ausgeprägten 2. Generation (Willig Standorte ohne Vorkommen von C. minimus re- 2013), da eine sehr breite Streuung des Erschei- gistriert werden. Auch aus Bayern ist bekannt, nens der Falter der 1. Generation anzunehmen 102 Carolinea 77 (2019)

Eiablage erfolgt nur an Blütenständen, deren Einzelblüten mehrheitlich noch nicht verblüht sind. Andernfalls könnten für die erwachsene Raupe zu wenige noch unreife Früchte für ihre Entwicklung verbleiben (s. unten). Die Ergebnisse aus der vorliegenden Studie (Tab. 4), ergänzt durch Beobachtungen aus dem Main-Spessart-Kreis (wo C. minimus häufig ist), befinden sich in Einklang mit der Beschreibung der Larvalentwicklung an Wundklee durch Ebert & Rennwald (1991). Nach dem Schlupf kriecht die Eiraupe (Abb. 13) von oben in einen Blüten- kelch. Vermutlich erreicht sie erst im 2. Larvalsta- Abbildung 11. Falter von Cupido minimus; Studiofoto; dium die Größe, um sich in die grünen, unreifen 22.4.2014. – Foto: Dennis Sanetra. Nussfrüchte des Wundklees hineinnagen zu kön- nen. Kot-Ablagerungen in der Frucht zeigen den Aufenthalt der Raupe in ihrem Inneren, wo sie ist. In der Jagst-Kocher-Region wurden Eier vom sich vom Endosperm des Samens ernährt. Beim 25.4. bis 27.6. registriert. Eine Zucht aus im Mai Erreichen einer entsprechenden Größe (Abb. 14) gesammelten Eiern aus dem Jagst-Tal ergab verlässt die Raupe die Frucht, in der danach ein eine Raupe, die sich verpuppte und im gleichen Loch etwa in der Mitte zu sehen ist (Abb. 15). Sommer schlüpfte (A. Siegel, pers. Mitt.), was die Nach einem Wechsel der Blüte hält sich die Rau- Möglichkeit einer 2. Generation für die Region pe nun kopfüber in den Blütenkelchen auf und aufzeigt. Die Phänologie ist offenbar eng an die befrisst die Früchte von außen. Zu erkennen sind Blühzeiträume des Wundklees angepasst, der in danach Löcher an der Basis der Früchte, wo sich Mitteleuropa eine ausgeprägte Blüte im Frühjahr der Embryo befindet. Zum Wechsel zwischen mit einer schwächeren, stark witterungsabhän- verschiedenen Blütenkelchen werden auch diese gigen Nach- oder Spätblüte im Sommer aufweist. an der Basis durchnagt (Abb. 16). Die Zuordnung einzelner Larvalstadien zu den Entwicklungsab- 2.3 Wirtspflanzen und Larvalentwicklung schnitten bedarf der Klärung, ebenso die Angabe In der Jagst-Kocher-Region ist der Wundklee­ von Lafranchis et al. (2015), dass lediglich vier wahrscheinlich die einzige Nahrungspflanze für Stadien ausgebildet werden (und nicht fünf wie die Raupen. Von den übrigen bekannten Wirts- bei den meisten Lycaeniden). pflanzen kommt nur der cher-Tragant Ki­ (Astra­ An einer Lokalität konnten fünf Raupen im letz- galus cicer) vor, ist aber sehr selten. Auch der ten Stadium in Blütenständen des Wundklees mit Wundklee findet sich im gesamten Untersu- größtenteils schon vertrockneten Blütenkelchen chungsgebiet nur lokal an oft recht isolierten entdeckt werden (Abb. 17). Der Zustand der Blü- Standorten. Ansonsten sind für Baden-Würt­ tenstände entsprach somit den Abbildungen von temberg noch Raupenfunde am Gelben Blasen- Willig (2013) und Lafranchis et al. (2015). Für die strauch (Colutea arborescens) aus dem Kaiser- Suche mussten die Blüten zum Teil geöffnet wer- stuhl-Gebiet dokumentiert. den, damit die Raupen zum Vor­schein kamen, Die Eier von C. minimus werden in den Blüten- einige Exemplare saßen aber auch außen gut ständen des Wundklees abgelegt (Abb. 12), wo getarnt auf dem fast gleichfarbigen Kelch. Laut sie sich in den meisten Fällen an den Kelchen Willig (2013) ragen die ausgewachsenen Rau- der Einzelblüten befinden, vereinzelt an Trag- pen manchmal auch mit dem Hinterende aus blättern (Tab. 3). Dort sind sie vergleichsweise dem zu klein gewordenen Kelch heraus. Eine leicht zu finden. Das liegt auch daran, dass sich zu einem anderen Zeitpunkt entdeckte Raupe oft mehrere Eier (bis zu neun: NSG Gipsbruch füllte ihren Blütenkelch in Länge und Breite ganz Kirchbühl, 24.5.2019) an einem Blütenstand be- aus (Abb. 16), ohne von außen sichtbar zu sein. finden, in anderen Fällen wird von bis zu elf Eiern Es war unklar, ob sie bereits im letzten Stadium berichtet (Willig 2013). Dies gilt vor allem dann, war, ihre volle Größe schien sie jedoch noch wenn die Zahl der Wundklee-Pflanzen begrenzt nicht erreicht zu haben. Darauf deutet auch der ist oder im Hochsommer ein zunehmender Man- im Vergleich zu den vorher geschilderten Fällen gel an geeigneten Blütenständen herrscht. Die entwickelte Blütenstand hin. Es erscheint nahe- Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 103

Tabelle 3. Funde von Eiern und Eihüllen von Cupido minimus in den Naturräumen Kocher-Jagst-Ebenen und Ho- henloher-Haller-Ebene. Lokalität Ort der Eiablage Anzahl Eier Datum östlich Sindeldorf: Berg A. vulneraria: Blüte 2 11.05.2017 nordöstlich Sindeldorf: Kelterweinberg A. vulneraria: Blüte 2 11.05.2017 NSG Pflanzenstandorte Brühl und Rautel: Rautel A. vulneraria: Blüte 2 12.05.2017 östlich Altdorf: Hundsbuckel A. vulneraria: Blüte 4 12.05.2017 nördlich Westernhausen: Pfaffenberg A. vulneraria: Blüte 2 16.05.2017 nördlich Crispenhofen: Kelterberg A. vulneraria: Blüte 1 16.05.2017 westlich Diebach: Unterer Berg A. vulneraria: Blüte 10 16.05.2017 NSG Gipsbruch Kirchbühl A. vulneraria: Blüte 5 08.06.2017 westlich Diebach: Unterer Berg A. vulneraria: Blüte 8 27.06.2017 östlich Sindeldorf: Berg A. vulneraria: Blüte 5 27.06.2017 nordöstlich Dörzbach: Büttelsberg (Ost) A. vulneraria: Blüte 1 25.04.2018 NSG Heide am Dünnersberg A. vulneraria: Tragblatt 1 25.04.2018 nördlich Westernhausen: Pfaffenberg A. vulneraria: Blüte 1 04.05.2018 NSG Gipsbruch Kirchbühl A. vulneraria: Blüte 3 09.05.2018 NSG Heide am Dünnersberg A. vulneraria: Blüte 1 15.05.2018 NSG Laibachsweinberg: Untere Weinberge A. vulneraria: Blüte 2 22.05.2018 östlich Altkrautheim: Finstere Steige A. vulneraria: Blüte, Tragblatt 13 17.05.2019 NSG Gipsbruch Kirchbühl A. vulneraria: Blüte, Tragblatt ca. 45 24.05.2019 nordöstlich Sindeldorf: Kelterweinberg A. vulneraria: Blüte 7 24.05.2019 NSG Gipsbruch Kirchbühl A. vulneraria: Blüte ca. 10 07.06.2019 östlich Sindeldorf: Berg A. vulneraria: Blüte 5 Eihüllen 04.07.2019 nordöstlich Dörzbach: Büttelsberg (Ost) A. vulneraria: Blüte 4 Eihüllen 04.07.2019 liegend, dass die voll erwachsenen Raupen häu- detieren. Im Main-Spessart-Kreis (Bayern) konn- fig größenbedingt die Blütenkelche verlassen. ten die Autoren große Bestände von Wundklee auf durch Bautätigkeit (Windräder) entstandenen 2.4 Larvalhabitat Rohböden feststellen. Die bevorzugten Lebensräume für die Entwick- lung der Raupen stellen in der untersuchten Re- 2.5 Myrmekophilie gion Wundklee-Bestände auf kalk- oder gipshal- In der Jagst-Kocher-Region konnten keine Assozi- tigen Magerrasen dar. Sehr günstige Standorte ationen mit Ameisen beobachtet werden (Tab. 4). findet die Pflanze in Bereichen mit Offenboden- In der Literatur sind dagegen einige solcher Beob­ stellen (Abb. 18), so an Böschungen aufgrund achtungen beschrieben (z.B. Fiedler 2006). Des von Hangbewegungen und Trittstellen von Wei- Öfteren wurden kleine Ameisen (Plagiolepis sp.,

Tabelle 4. Raupenfunde von Cupido minimus in den Naturräumen Kocher-Jagst-Ebenen und Hohenloher-Haller- Ebene. Lokalität Wirtspflanze Ameisenassoziation Anzahl, Stadium Datum

östlich Sindeldorf: Berg A. vulneraria keine 5 Raupen L4-5 27.06.2017

östlich Sindeldorf: Berg A. vulneraria keine 1 Raupe L4 04.07.2019 nordöstlich Dörzbach: Büttelsberg (Ost) A. vulneraria keine 2 Raupen L1-3 04.07.2019 104 Carolinea 77 (2019)

Abbildung 12-18. Präimaginalstadien und Larvalhabitat von Cupido minimus. 12. Ei an einer Blüte von Anthyllis vulneraria; Gewann Berg bei Sindeldorf; 11.5.2017; 13. Eiraupe außen an Blütenkelch von A. vulneraria; Büttels- berg bei Dörzbach; 4.7.2019; 14. Jungraupe auf unreifer Frucht von A. vulneraria nach deren Verlassen; Studiofoto; 18.6.2019; 15. Öffnung an unreifer Frucht von A. vulneraria bei Dörzbach nach dem Verlassen durch die Jungraupe;

4.7.2019; 16. Fast erwachsene Raupe (ca. L4) kopfüber in separiertem Blütenkelch von A. vulneraria bei Sindel- dorf; 4.7.2019; 17. Raupe im letzten Larvalstadium an halbtrockenem Blütenstand von A. vulneraria bei Sindeldorf; 27.6.2017; 18. Typischer lückiger Wuchsort von A. vulneraria. Ebersklinge bei Weltersberg; 17.5.2019. – Fotos: Robert Güsten. Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 105

Temnothorax interruptus, seltener Tapinoma sp.) Assoziation der Raupen von Iolana iolas (Och­ in den Blütenköpfen des Wundklees angetroffen, senheimer, 1816) (Blasenstrauch-Bläuling) mit die als Ameisenpartner von C. minimus in Frage Lasius-Ameisen innerhalb der Früchte belegt ist kommen würden. In Deutschland scheint eine (Lafranchis et al. 2015). Vergesellschaftung der Raupen von C. minimus mit Ameisen eher gering ausgeprägt, zumindest 3 Polyommatus thersites liegen kaum Beobachtungen hierzu vor. Fiedler (Esparsetten-Bläuling) et al. (1992) nennen Lasius niger als Raupenbe- 3.1 Verbreitung gleiter für Bayern, an einer Lokalität in Thüringen Es wurden 18 Lokalitäten mit aktuellen Vor- wurde die Mehrzahl der registrierten Raupen von kommen dieser Art in der Jagst-Kocher-Region Ameisen besucht (Dumke, M. in Lepiforum). Aus registriert. Dabei wurden die Kenntnisse im Na- dem benachbarten Frankreich wurden hingegen turraum Kocher-Jagst-Ebenen mit 15 Fundor- zahlreiche Beob­achtungen von Ameisen-Assozi- ten bedeutend erweitert, gegenüber drei zuvor ationen gemeldet, so dass hier der Grad der Myr- bekannten. Die Trockenhänge an der Jagst und mekophilie als recht hoch (> 80 %) eingestuft wird teilweise in Seitentälern sind auf einem Ab- (Lafranchis et al. 2015). Letztere Autoren doku- schnitt um Krautheim bis südlich von Mulfingen mentieren fotografisch die Assoziation mit Lasius von P. thersites recht dicht besiedelt (Abb. 19). alienus an Wundklee, ferner werden Formica fus­ Im Gegensatz dazu findet sich die Art im Na- ca, F. rufibarbis, Lasius niger, Myrmica rubra und turraum Hohenloher-Haller-Ebene (mit angren- Plagiolep­is vindobonensis als Ameisen­partner zenden Bereichen der Schwäbisch-Fränkischen genannt. Waldberge) nur vereinzelt und lokal. Es existie- Neben regionalen Unterschieden ist auch an- ren mindestens sechs relativ weit voneinander zunehmen, dass die Raupennahrungspflanze getrennte Vorkommen (Abstände 3 bis 8 km), die einen erheblichen Einfluss auf die Etablierung überwiegend von R. Prosi (Aalen) entdeckt wur- von Ameisen-Assoziationen bei C. minimus den. Zwischen den beiden Verbreitungszentren hat. Möglicherweise steht für die Ausbildung von P. thersites wurden mehr als zehn geeignete einer Raupen-Ameisen-Beziehung an Wund- Esparsetten-Standorte untersucht, an denen die klee nur eine kurze Phase von wenigen Tagen Art nicht aufgefunden wurde. Der Artnachweis vor der Diapause oder Verpuppung zur Verfü- ist schwierig, da P. thersites meist zusammen gung, wenn die Raupen den schützenden Blü- mit dem häufigen und sehr ähnlichenPolyomma ­ tenkelch verlassen müssen. Die Mehrzahl der tus icarus vorkommt. Es besteht insbesondere bekannten Fraßpflanzen zeichnet sich hingegen die Gefahr der Verwechslung mit dessen Form durch Hülsenfrüchte aus, welche sich im Zuge „icarinus“, die wie P. thersites keinen Basalfleck der Reifung durch CO2-Absonderung aufblasen. auf der Vorderflügelunterseite besitzt. In Zwei- Es liegt die Annahme nahe, dass sich dadurch felsfällen ist die Absicherung durch Genitalun- die Raupen bis zum Abschluss ihrer Entwicklung tersuchung männlicher Exemplare (Abb. 20) rat- in den Früchten aufhalten können. Fotografisch sam, wie es hier anhand von einigen Belegtieren dokumentiert wurden die Raupen in den Früch- durchgeführt wurde. In zwei Fällen wurde auch ten des Kicher-Tragants in Thüringen, auch in äl- die Methode der Eisuche mit Erfolg angewendet teren Stadien (Melzer, H. in Lepiforum). Erwähnt und zum endgültigen Nachweis die Raupen bis wird der Nachweis in Früchten auch für den Gel­ zum Adultstadium aufgezogen. ben Blasenstrauch (Kaiserstuhl: K. Walzinger in Im Gegensatz zu G. alexis, C. minimus und S. spi­ Ebert & Rennwald 1991). Somit würde der Auf- ni (s. Kap.1.1, 2.1 und 5.1) besteht bei P. ther­sites enthalt in den persistierenden Blütenkelchen des kein größeres zusammenhängendes Vorkom- Wundklees einen Ersatz für die Blasenfrüchte men im benachbarten Tauberland. Vielmehr sind darstellen. Lediglich zwei Fabaceen-Arten, die dort nur drei räumlich isolierte Fundorte bekannt für Südost-Frankreich als Wirtspflanzen ange- (Sanetra et al. 2015), was hauptsächlich auf geben werden (Lafranchis et al. 2015), weisen die im Vergleich zur Jagst-Kocher-Region deut- keine Blasenfrüchte oder persistierenden Blü- lich geringeren Bestände der Saat-Esparsette tenkelche auf. Möglicherweise spielen Ameisen- zurückzuführen ist. In anderen Teilen Baden- Assoziationen gerade für die an diesen Pflanzen Württembergs bewohnt P. thersites in regional exponierten Raupen von C. minimus eine Rolle. begrenzten Vorkommen vor allem den südlichen Es ist aber auch zu erwähnen, dass bei den sehr Teil der Neckar-Gäuplatten und das Albvorland großen Früchten des Gelben Blasenstrauchs die sowie die südliche Oberrheinebene. 106 Carolinea 77 (2019)

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Abbildung 19. Fundorte von Polyommatus thersites in der Jagst-Kocher-Region während der Studie (schwarze Quadrate) und aus der LDS-BW (graue Quadrate, mit Jahr des letzten Nachweises). – Grafik: Robert Güsten.

3.2 Phänologie Anfang September beobachtet (Abb. 21: R. Pro­ In der Jagst-Kocher-Region wie auch andern- si, pers. Mitt.). Für Bayern werden vereinzelte orts in Baden-Württemberg und Bayern (Ebert Falter für den Oktober angegeben (Willig et al. & Rennwald 1991, Willig et al. 2013) wird eine 2013), die sehr wahrscheinlich gleichfalls einer vollständige 2. Generation regelmäßig ausge- 3. Generation zuzurechnen sind. bildet, welche oftmals individuenreicher ausfällt als die 1. Generation. Während dieser Studie 3.3 Wirtspflanzen und Eiablage wurden Falter der 1. Generation vom 9.5. bis In Mitteleuropa kommen die Saat-Esparsette 5.6., die der 2. Generation vom 4.7. bis 4.8. re- und die Sand-Esparsette (Onobrychis arenaria) gistriert. Die spärlichen Beobachtungen aus dem für die Raupen von P. thersites als Nahrungs- benachbarten Tauberland lagen 2014 ebenfalls quelle in Frage. Die letztgenannte Pflanzenart in dieser Zeitspanne (Sanetra et al. 2015), wäh- wächst in Deutschland vor allem in Mainfranken rend sie 2013 nach sehr kühlem Frühjahr für und Thüringen (www.floraweb.de), jedoch nicht beide Generationen deutlich später erfolgten. Im in der Jagst-Kocher-Region, womit dort alle Po- sehr warmen Sommer 2018 wurde in einer gut pulationen strikt an das Vorkommen von Saat- untersuchten Lokalpopulation bei Gaildorf (Lkr. Esparsette gebunden sind. Da dieser Schmetter- Schwäbisch Hall) eine partielle 3. Generation lingsblütler im Jagst-Tal vergleichsweise häufig Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 107 auftritt, findet P. thersites hier vielfach günstige Lebensbedingungen. Sowhl weiter südlich im Untersuchungsgebiet als auch weiter nördlich im Tauberland wächst die Pflanze hingegen we- sentlich stärker zerstreut, womit auch die Zahl der Vorkommen von P. thersites abnimmt. Die Eiablage von P. thersites wurde sowohl bei der Frühjahrs- als auch bei der Sommer­ ­ generation beobachtet, wobei einige Unter- schiede feststellbar waren (vgl. Willig et al. 2013). Im Frühjahr wurden die Eiablagen stets im Stängelbereich der Pflanzen, in den Achseln von Tragblättern und an der Basis der Fiederblät- ter beobachtet (Tab. 5, Abb. 22). Dabei wurden oft Stängelbereiche im unteren Drittel der Pflan- ze bevorzugt und dort manchmal mehrere Eier Abbildung 20. Männchen von Polyommatus thersites; abgelegt. Sehr ähnliche Beobachtungen wurden Studiofoto; 3.8.2016. – Foto: Dennis Sanetra. auch im angrenzenden Tauberland (Sanetra et al. 2015) und in anderen Regionen Süddeutsch- lands (Ebert & Rennwald 1991, Willig et al. die Eiablagestelle wohl mehr zufällig zustande 2013) gemacht. Stellenweise wurden auch Eier kam. Da die Raupen sich nicht von den Blüten- oder Eihüllen durch gezielte Suche gefunden, knospen ernähren, erscheint die Eiablage im die sich bevorzugt an den kräftigen basisnahen Blütenstand unvorteilhaft. Stängeln befanden. Die Determination der Eier Die Weibchen der Sommergeneration wurden ist recht sicher, da P. icarus seine Eier fast stets am 4.8.2017 und 20.7.2018 bei der Eiablage auf an Laubblättern ablegt und Esparsetten nur aus- einer Streuobstwiese bei Gaildorf beobachtet nahmsweise als Raupennahrungspflanze nutzt (Tab. 5), die etwa drei Wochen vor der Flugzeit (Nunner 2013a). Vereinzelt wird bei P. thersites gemäht worden war. Hier gab es zu diesem Zeit- von Eiablagen an Blütenständen berichtet (z.B. punkt wieder frisch ausgetriebene Esparsetten- Willig et al. 2013), und ein solcher Fall wurde Pflanzen. Trotzdem fand die Eiablage überwie- auch beobachtet (Tab. 5). Es wurde dabei jedoch gend in der bodennahen Ve­getation an dün­nen ein Blütenstand einer Nachbarpflanze belegt, Stängeln, Grashal­men oder anderen grünen welcher in einer Blattachsel verhakt war, so dass Pflanzenteilen dicht bei den Esparsetten statt

Tabelle 5. Eiablagebeobachtungen (Zahlen mit Pfeil) sowie Funde von Eiern und Eihüllen (Zahlen ohne Pfeil) bei Polyommatus thersites in der Jagst-Kocher-Region. Bei den Eiablagebeobachtungen beziehen sich einzelne Ein- träge auf jeweils ein beobachtetes Weibchen. Lokalität Ort der Eiablage Anzahl Eier Datum westlich Ailringen: Rötelweinberge O. viciifolia: Stängel à 1 17.05.2017 nordwestlich Zaisenhausen: Altenberg O. viciifolia: Stängel à 3 11.06.2017 nordöstlich Gaildorf: Wacht O. viciifolia, Grashalm, andere Blätter à 4 04.08.2017 nordöstlich Gaildorf: Wacht O. viciifolia: Stängel à 4 09.05.2018 südöstlich Ailringen: Eulenberg O. viciifolia: Stängel, Blattbasis à 2 22.05.2018 NSG Heide am Dünnersberg O. viciifolia: Stängel à 1 05.06.2018 nordöstlich Gaildorf: Wacht Geranium sp.: Blattunterseite à 1 20.07.2018 nordöstlich Gaildorf: Wacht Plantago media: Blattoberseite à 1 20.07.2018 südwestlich Krautheim: Armsberg O. viciifolia: Tragblatt à 1 17.05.2019 südwestlich Krautheim: Armsberg O. viciifolia: ungeöffneter Blütenstand à 1 17.05.2019 nordwestlich Zaisenhausen: Altenberg O. viciifolia: Stängel à 1 07.06.2018 108 Carolinea 77 (2019)

Tabelle 6. Raupenfunde und begleitende Ameisenarten bei Polyommatus thersites in der Jagst-Kocher-Region. Wirtspflanzen in Klammern, wenn Raupen nicht unmittelbar an ihr gefunden. Lokalität Wirtspflanze Ameisenassoziation Anzahl, Stadium Datum

östlich Ailringen: Geißberg (O. viciifolia) keine (am Boden) 1 Raupe L3 05.06.2018 nordöstlich Gaildorf: Wacht O. viciifolia Lasius alienus 3 Raupen L4-5 15.06.2018

östlich Altdorf: Hundsbuckel (O. viciifolia) keine (am Boden) 1 Raupe L3 21.06.2018

(Abb. 23), jedoch in der Regel nicht an den noch hin, dass es eine Tendenz zur Bevorzugung von jungen Fiederblättchen selbst. Diese Form der Esparsetten-Standorten mit besonders lücken- Eiablage nicht direkt an der Wirtspflanze ist bei hafter Vegetation gibt (Abb. 24), zumindest was P. thersites zuvor noch nicht beschrieben wor- die Überlebenschancen der Raupen angeht. den. Willig et al. (2013) berichten darüber, dass Dies steht in Einklang mit der Beschreibung von die 2. Generation ihre Eier meist an Blättchen Larvalhabitaten in Bayern an Sand-Esparsette sehr junger Esparsetten oder an frischen Seiten- (Willig et al. 2013) und im Tauberland an Saat- trieben abgefressener Pflanzen ablegt. Esparsette (Sanetra et al. 2015). Auf Wiesen mit Zwei Eier, die sich auf Nicht-Wirtspflanzen befan- größeren zusammenhängenden Esparsetten- den, wurden eingesammelt, und nach etwa zehn Beständen kann durch Mahd vorübergehend ein Tagen schlüpften aus diesen die Raupen. Dieser Zustand entstehen, bei dem die rasch nachtrei- Versuch wurde unternommen, um zu belegen, benden Esparsetten nicht überwachsen sind und dass derart abgelegte Eier nicht überwintern.­ ein relativ warmes Mikroklima durch die umge- Eine Überwinterung der Eier ist bei P. ther­sites benden Offenflächen gegeben ist (Abb. 66). Es nicht bekannt (es überwintert nach Geyer et al. ist auch vorstellbar, dass sich Raupen-Ameisen- 2006 das 3. Raupenstadium), aber die Ablage Beziehungen (s. Kap. 3.5) an Esparsetten mit an trockenem Pflanzenmaterial ist eine typische wenig umgebender Vegetation leichter etablieren Strategie der Arten mit überwinternden Eiern als bei dichtem Bewuchs. (z.B. Polyommatus daphnis, Zahnflügel-Bläu- ling). Auf diese Weise sind die Eier bei feuch- 3.5 Myrmekophilie ter Witterung im Winter vor Fäulnis geschützt. Vier der fünf beobachteten Raupen von P. ther­ Das hier beobachtete Eiablageverhalten der sites wurden tagsüber ruhend unter den Espar- Sommergeneration von P. thersites bleibt somit setten-Pflanzen aufgefunden (Abb. 25). In einem schwer ver­ständlich, denn die Jungraupen müs- Fall hielt sich eine Raupe (L4-L5) in den frühen sen einen weiten Weg zum Futter zurücklegen­ Abendstunden im oberen Bereich der Pflan- ohne dass dabei ein Vorteil erkennbar wäre. Eine ze auf und zeigte dort Fraßaktivität. Sie wurde Rolle spielt möglicherweise der Zustand der klei- von bis zu vier Ameisen der Art Lasius alienus nen nach der Mahd nachgewachsenen Pflanzen, begleitet (Abb. 26). Eine Interaktion mit einer welcher nicht den natürlichen Bedingungen zur Ameise dieser Art wurde auch bei ei­ner der am Flugzeit der 2. Generation entspricht. Boden ruhenden Raupen gesehen. Dazu passt die Angabe von Herrmann (1998), der die Rau- 3.4 Larvalhabitat pen im April mit Hilfe der „Ameisengarde“ unter Als Lebensräume für die Raupen von P. thersites den Blattrosetten finden konnte. Nach eigenen wurden in der Jagst-Kocher-Region regelmäßig Beobachtungen wird das Auffinden der an der Esparsetten-reiche Magerwiesen festgestellt Pflanzenbasis ruhenden Raupen durch die Fest- (meist einschürige Salbei-Glatthaferwiesen), die stellung des arttypischen „Fensterfraßes“ (Foto sich zum Teil in Streuobstbeständen erstreckten. in Sanetra et al. 2015, S. 57) in möglichst frischer Zusätzlich kamen Standorte auf Halbtrocken- Form erleichtert. Die Mehr­zahl der bisherigen rasen mit relativ spärlicher Vegetation und nur Beobachtungen deutet darauf hin, dass die Rau- verstreuten Gruppen von Esparsetten vor. Im pen von P. thersites unter den meisten Bedingun­ südlichen Bereich auf der Hohenloher-Haller- gen dämmerungs- bis nachtaktiv sind (vgl. Geyer Ebene gibt es fast nur Vorkommen auf mageren et al. 2006) und sich sonst im Bodenbereich un- Extensiv-Wiesen, dafür bildet P. thersites hier ter den Pflanzen aufhalten. Bei diesem Verhal- stellenweise hohe Populationsdichten aus. Eini- ten gibt es jedoch Ausnahmen. So wurde zum ge Raupenfunde aus der Region weisen darauf Beispiel zu einem früheren Zeitpunkt (11.5.2012) Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 109

Abbildungen 21-26. Eiablage, Präimaginalstadien und Larvalhabitat von Polyommatus thersites. 21. Weibchen der 3. Generation bei der Eiablage an einer nachgetriebenen Pflanze von Onobrychis viciifolia; Wacht bei Gaildorf; 6.9.2018; 22. Ei der 1. Generation Stängel von O. viciifolia bei Gaildorf; 9.5.2018; 23. Ei der 2. Generation auf ei- nem Grashalm bei Gaildorf; 4.8.2017; 24. Lückiger Bewuchs mit einzelnen O. viciifolia als typisches Larvalhabitat; Hundsbuckel bei Altdorf; 21.6.2018; 25. Raupe im vierten bis fünften Larvalstadium versteckt nahe der Basis einer Pflanze von O. viciifolia bei Gaildorf; 15.6.2018; 26. Raupe im vierten bis fünften Larvalstadium an Fiederblatt von O. viciifolia mit Ameisenbesuch (Lasius alienus) bei Gaildorf; 15.6.2018. – Fotos: Rolf Prosi (21), Robert Güsten. 110 Carolinea 77 (2019) im Jagst-Tal um die Mittagszeit bei bedecktem die Anwesenheit der Ameisenpartner zum Erhalt Wetter eine Raupe mit zahlreichen Ameisen (La­ einer lebensfähigen Population nötig sein dürfte. sius sp.) weit oben in einer Esparsette fressend Unterstützend könnte hierbei sein, dass die in gefunden (Foto in Sanetra et al. 2015, S. 55). Es Frage kommenden Ameisenarten an Standorten erscheint möglich, dass sich die Aktivitätszeiten­ mit warmem Mikroklima häufiger auftreten. der Raupen an denen der Ameisen orientieren. Im Tauberland wurden die Ameisenarten Lasi­ 4 Plebejus argus us alienus und Formica rufibarbis als Begleiter (Argus-Bläuling) von P. thersites festgestellt, wobei die zuerst ge- 4.1 Verbreitung nannte häufiger gefunden wurde (Sanetra et al. Die bereits vor Beginn der Studie bekannten 2015). Aus anderen Regionen Europas werden Vorkommen von P. argus liegen ausnahmslos Lasius-, Tapinoma-, Camponotus- und Formica- im zentralen Teil des Naturraums Hohenloher- Arten gemeldet (Fiedler 2006). Der Grad der Haller-Ebene vom Gebiet um Schwäbisch Hall Myrmekophilie bei P. thersites wird anhand von östlich bis in den Raum Crailsheim (Abb. 27). Es Beobachtungsdaten aus Frankreich mit über konnten nur zwei zusätzliche Fundorte entdeckt 80 % als sehr hoch eingestuft (Lafranchis et werden. Einer von diesen liegt weiter nördlich al. 2015). Die Eindrücke aus der Jagst-Kocher- nahe der Jagst (südl. Kirchberg) und wäre bei Region und dem Tauberland legen nahe, dass strikter Interpretation der naturräumlichen Gren-

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Abbildung 27. Fundorte von Plebejus argus in der Jagst-Kocher-Region während der Studie (schwarze Quadrate) und aus der LDS-BW (graue Quadrate, mit Jahr des letzten Nachweises). – Grafik: Robert Güsten. Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 111

zen nach Meynen & Schmitthüsen (1955) den Ko- der 1. Generation mehrfach 200-300 Exemplare cher-Jagst-Ebenen in ihrem südöstlichsten Aus- registriert (U. Knorr, pers. Mitt., eigene Beob­ läufer zuzurechnen. Außerdem konnte eine neue achtungen). Die partielle 2. Generation ist im Lokalität mit wenigen Individuen in der Nähe Zeitraum vom 2.8. bis 29.8. im Untersuchungsge- einer größeren Population bei Vellberg (Abstand biet dokumentiert, Beob­achtungen aus dem Juli ca. 1 km) registriert werden. Insgesamt wurden gibt es dagegen bisher nicht. Stattdessen wurde lediglich sechs Fundstellen von P. argus in der im Tauberland in manchen Jahren eine Überlap- Region aktuell bestätigt. pung der beiden Generationen im Juli beobach- Auf der Hohenloher-Haller-Ebene kann man bei tet (Sanetra et al. 2015). P. argus von einem weiträumig isolierten Teilareal sprechen, in dem darüber hinaus nur kleinräu- 4.3 Wirtspflanzen und Eiablage mige, aber zum Teil individuenreiche Lokalpo- Während dieser Studie gelangen neun Beobach- pulationen bestehen. Die nächsten Vorkommen tungen von Eiablagen an zwei Vorkommensorten liegen auf der Ostalb (Entfernung ≥ 30 km) und von P. argus in der Jagst-Kocher-Region. Die Eier im Tauberland. Unterstützt wird die Interpretation wurden meist nicht an mögliche Wirtspflanzen, einer bestehenden Isolation durch die Untersu- sondern unspezifisch an vertrocknetem Pflanzen- chung einer Lokalität nördlich von Langenburg material oder an grünen Pflanzenteilen platziert auf den Kocher-Jagst-Ebenen, in etwa 20 km (Tab. 7). Relativ häufig wurde das Ei im Basisbe- Abstand zur nächsten bekannten Population von reich von Gräsern an den untersten bereits ver- P. argus. Allem Anschein nach ist dort die Ha- trockneten Halmen abgelegt (Abb. 29) oder auch bitatstruktur sehr günstig für die Art (ehemaliger in umgebenden Moospolstern. In einem Fall er- Steinbruch mit großen Beständen von Wirts- folgte die Ablage an einem am Boden kriechenden pflanzen und -ameisen, vgl. Kap. 4.3 und 4.5), Stängel des Gewöhnlichen Hornklees (Lotus cor­ dennoch kommt P. argus offenbar nicht vor. niculatus, Abb. 30), einer Raupennahrungspflanze Ein Nachweis aus dem Hergstbachtal nahe in der Region (siehe nächster Abschnitt). In einem Möckmühl (nordwestliche Kocher-Jagst-Ebenen, anderen Fall befand sich die Eiablagestelle auf der Abb. 27) muss als Falschmeldung gedeutet wer- Blattunterseite an einem kleinen Exemplar des den. Bei dem Fundort handelt es sich um einen Gewöhnlichen Odermennigs (Agrimonia eupa­ relativ steilen Trockenhang, ein Biotoptyp, der in toria), auf dem sich Ameisen der Wirtsart Lasius der Region nicht von P. argus besiedelt wird. Es niger aufhielten. Bei den Beobachtungen wurde kam hier wohl zu einer Verwechslung mit Plebe­ registriert, dass zumindest im Vorfeld einiger Ei- jus argyrognomon (Bergsträsser, 1779) (Kronwi- ablagen ein Kontakt zu potentiellen Wirtspflanzen cken-Bläuling).

4.2 Phänologie Im untersuchten Gebiet wurden Falterbeobach- tungen der 1. Generation in unterschiedlichen Jahren zwischen dem 18.5. und 27.6. gemeldet (LDS-BW). Die eigenen Nachweise von Imagines (Abb. 28) erfolgten vom 2.6. bis 21.6. Im Rahmen der Studie wurden keine Beobachtungen ein- zelner Populationen über einen längeren Zeit- raum getätigt, so dass zur Länge der Flugzeit keine neuen Angaben gemacht werden können. Ein überraschend deutlicher Unterschied in der Phänologie zeigt sich im Vergleich zum nahege- legenen Tauberland. Während dort eine in man- chen Jahren ähnlich individuenreiche 2. Gene- ration fliegt (Sanetra et al. 2015), ist diese auf der Hohenloher-Haller-Ebene nur sehr schwach ausgeprägt. Lediglich in einem Falle wurden an Abbildung 28. Männchen von Plebejus argus an einer einer Lokalität etwa 20 Falter gesehen (U. Knorr, Blüte von ; NSG Jagsttal mit Seiten- pers. Mitt.), bei allen anderen Gelegenheiten nur tälern zwischen Crailsheim und Kirchberg; 15.6.2018. bis zu fünf. Demgegenüber wurden zur Flugzeit – Foto: Robert Güsten. 112 Carolinea 77 (2019)

Tabelle 7. Eiablagebeobachtungen bei Plebejus argus im Naturraum Hohenloher-Haller-Ebene. Einzelne Einträge beziehen sich auf das gewählte Ablagesubstrat. Lokalität Ort der Eiablage Anzahl Eier Datum NSG Gipsbruch Kirchbühl Grashalm: trockene Basis à 4 02.06.2018 NSG Gipsbruch Kirchbühl Moos: trockene Stängel am Boden à 3 02.06.2018 NSG Gipsbruch Kirchbühl Lotus corniculatus: Stängel à 1 02.06.2018 westlich Crailsheim: Brühl Agrimonia eupatoria: Blattunterseite à 1 21.06.2018

bestand. Dann aber suchten die Weibchen stets 4.4 Larvalhabitat bodennahe Bereiche auf, wo es schließlich zur Die Mehrzahl der Fundorte von P. argus auf der Eiablage kam. Vermutlich spielte hier die Wahr- Hohenloher-Haller-Ebene unterscheiden sich nehmung von Geruchsstoffen der Wirtsameisen bezüglich ihrer Habitatcharakteristika auffällig als Auslöser eine Rolle, wie es das oben erwähnte von den Populationen des nahe gelegenen Tau­ Beispiel nahelegt. Insgesamt bestanden deutliche berlandes. In der hier untersuchten Region sind Anzeichen dafür, dass die Präsenz der Wirtsamei- die Lebensräume vorwiegend im Bereich von sen bei der Auswahl der Eiablageorte eine grö- früheren Tagebauflächen zu finden (Abb. 31), ßere Rolle spielte als das Vorkommen möglicher während im Tauberland die individuenreichen Fresspflanzen für die Raupen. Vorkommen auf aktuell oder ehemals militärisch Die Raupe von P. argus frisst in der Regel an genutzten Flächen siedeln (Sanetra et al. 2015). verschiedenen Schmetterlingsblütlern (Faba- Den Flugstellen des Tauberlandes sehr ähnlich ceae), aber auch an Heidekrautgewächsen ist allerdings ein Bereich früherer militärischer (Ericaceae; v.a. Besenheide, Calluna vulgaris) Anlagen westlich von Crailsheim (Abb. 32). Ein und Zistrosengewächsen (Cistaceae; v.a. Son- ehemaliges Munitionsdepot nahe des NSG Kup- nenröschen, Helianthemum spp.). Eine Anzahl fermoor (nordwestlich von Schwäbisch Hall) ist erwachsener Raupen wurde im NSG Gipsbruch gesperrt und konnte nicht untersucht werden Kirchbühl an Gewöhnlichem Hornklee gefunden. (Nachweis von P. argus 2007 durch S. Mayer, in Die vorherrschende Bodenvegetation im Bereich litt.: Abb. 27). der Wirts­ameisenkolonien lässt daneben insbe- Die Wirtsameise von P. argus in der Region, La­ sondere den Hopfen-Schneckenklee (Medicago sius niger (s. Kap. 4.5), besitzt ein hohes Poten­ lupulina) als Raupennahrung vermuten. Diesel- tial als Pionierart (Seifert 2017) und kann in ben beiden Schmetterlingsblütler dienen im Tau- Sekundärhabitaten nach der Beendigung der berland als Fraßpflanzen S ( anetra et al. 2015), Abbauaktiviät rasch dichte Populationen bilden. trotz einiger Unterschiede in der Habitatstruktur Diese bleiben offenbar gut erhalten, solange (s. Kap. 4.4). Weitere Fabaceen-Arten könnten keine erhebliche Gehölzsukzession einsetzt. Im ebenfalls genutzt werden, hingegen kommen zentralen Bereich des NSG Gipsbruch Kirchbühl Sonnenröschen und Besenheide in den Habi- nordöstlich von Vellberg finden sich auch Jahr- taten kaum bzw. gar nicht vor. Im Vergleich zu zehnte nach Beendigung des Tagesbaus Offen- vielen anderen Tagfalterarten ist die P. argus- bodenflächen mit sehr geringem Deckungsgrad Raupe in Bezug auf ihre Wirtspflanze nur wenig der Krautschicht (Abb. 31). Lasius niger und wählerisch, auch wenn innerhalb einer Lokalpo- P. argus leben hier stellenweise in dichten Po- pulation meist nur eine oder wenige Nahrungs- pulationen. In etwa einem km Entfernung davon pflanzen von den Raupen genutzt werden (z.B. wurde ein kleines Vorkommen von P. argus auf Nunner 2013b). Möglicherweise stellt die Breite einer Rinderweide entdeckt. In ähnlicher Weise des Wirtspflanzenspektrums eine Anpassung fanden sich eine Reihe individuenarmer Bestän- an die obligate Myrmekophilie dar (s. Kap. 4.5). de im Tauberland auf Mähweisen in bis zu 3 km Die Nutzung diverser Pflanzenarten könnte die Entfernung zu einem Truppenübungsplatz mit Erschließ­ung unterschiedlicher Habitattypen, in hoher Dichte von P. argus (Sanetra et al. 2015). denen die Wirtsameise vorkommt, ermöglichen. Solche landwirtschaftlich genutzten Flächen be- Auch bei anderen obligat myrmekophilen Bläulin- herbergen die Wirtsameise in geringerer Dichte gen scheint dieser Zusammenhang zu bestehen und können nur in der Nähe starker Spenderpo- (z.B. Fiedler 1996, Forister et al. 2010). pulationen als Lebensraum von P. argus dienen. Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 113

Abbildungen 29-34. Präimaginalstadien und Larvalhabitat von Plebejus argus. 29. Ei an der Basis eines vertrock- neten Grashalms; NSG Gipsbruch Kirchbühl bei Lorenzenzimmern; 2.6.2018; 30. Ei an der Basis eines Stängels von Lotus corniculatus im NSG Gipsbruch Kirchbühl; 2.6.2018; 31. Raupenfundorte (gelbe Markierungen) im NSG Gipsbruch Kirchbühl; 9.5.2018; 32. Lebensraum auf ehemaligem Militärgelände; Brühl bei Crailsheim; 21.6.2018; 33. Raupe der braunen Form im letzten (fünften) Larvalstadium im NSG Gipsbruch Kirchbühl, Wirtsameise (Lasius niger) am Hinterende mit dem Nektarorgan; 8.5.2018, 21:00 MESZ; 34. Puppe, ausgegraben aus oberflächen­ nahen Galerien eines Nestes von L. niger im NSG Gipsbruch Kirchbühl; 7.6.2019. – Fotos: Matthias Sanetra (29, 30), Robert Güsten. 114 Carolinea 77 (2019)

4.5 Myrmekophilie Nachweis von L. niger als Wirtsart gelungen Plebejus argus ist eine von nur zwei Bläulings- (Sanetra et al. 2015). Die bisherigen Angaben arten in Mitteleuropa (neben P. idas), die eine aus Mitteleuropa (zusammengefasst in Fiedler obligatorische mutualistische (nicht-parasitische) 2006 und Nunner 2013b) nennen stets L. niger Beziehung mit Ameisen (nach Fiedler 1991) ein- als Wirtsart von P. argus in trockeneren Habi- geht. Anders als bei den fakultativ myrmekophilen taten, sowie L. platythorax in Feuchtlebens- Arten (wie z.B. G. alexis und P. thersites) werden räumen (v.a. voralpine Hoch- und Übergangs- die Raupen nie ohne Ameisenbegleitung ange- moore, mit Besenheide als Wirtspflanze). Eine troffen, und es besteht eine ausgeprägte Wirts- Einzelmeldung von L. alienus aus den Alpen be- spezifität. darf der Bestätigung. Das Fehlen von P. argus Im NSG Gipsbruch Kirchbühl wurden zu zwei in den Magerrasen-Biotopen der Trockenhänge verschiedenen Zeitpunkten insgesamt zwölf er- von Tauberland und Kocher-Jagst-Ebenen legt wachsene Raupen des letzten (fünften) Lar- nahe, dass die dort sehr häufige Art L. alienus venstadiums (alle in der braunen Form) in der in aller Regel nicht als Wirt fungieren kann. Für Abenddämmerung an Gewöhnlichem Hornklee eine isolierte Lokalpopulation in Wales ist L. ali­ beobachtet, welche mit Ameisen der Art Lasius enus allerdings als einzige Wirtsart gemeldet niger vergesellschaftet waren (Tab. 8, Abb. 33). worden (Thomas 1985, Jordano & Thomas 1992). Später konnte auch eine Puppe durch gezielte Für Südeuropa werden weitere Lasius-Arten in Nachsuche aus den oberflächennahen Galerien der Literatur genannt (Rodríguez et al. 1991, eines Nestes von L. niger geborgen werden (Abb. Lafranchis & Kan 2012). 34; vgl. auch Pontin 1990). Zum Nachweis der Die Beobachtungen auf der Hohenloher-Haller- Dämmerungs- und Nacht­aktivität wurden die Ebene und im Tauberland (diese Studie, Sanetra Fundstellen der Raupen jeweils am nächsten et al. 2015) deuten zusammen mit Literaturanga­ Morgen erneut aufgesucht, wobei nur einmal ben darauf hin, dass sich der gesamte Lebenszy- ein Exemplar zu sehen war. Dies ist als starker klus von P. argus in den Ameisennestern ab­spielt Hinweis darauf zu werten, dass die Rau­pen sich und die Raupen nur zum Fressen an die Pflan- tagsüber verbergen und erst abends an die Nah- zen gelangen. Der Zyklus beinhaltet, dass die rungspflanzen begeben. In der Literatur gibt es Weibchen ihre Eier in der Umgebung der Nester Indizien für eine Tagaktivität der Raupen in mon- ihrer Wirtsameise platzieren (vgl. Jutzeler 1989), tanen Habitaten und bei regnerischem Wetter was als ameisenabhängige Eiablage bezeichnet (SBN 1987, Ebert & Rennwald 1991). Vermutlich werden kann. Die frisch geschlüpften Eiraupen ist der Aktivitätszyklus der Raupen auf den der müssen dann von den Ameisen in die Nester ein- Wirtsameisen abgestimmt, welcher sich durch getragen werden, wie dies von Jordano & Thomas äußere Einflüsse verschieben kann. Auffallend (1992) gezeigt wurde. Diese Autoren konnten im war im NSG Gipsbruch Kirchbühl die Tatsache, Freilandexperiment in Wales das Eintragen aller dass relativ viele Raupen von P. argus auf einer Larvenstadien in die Nester von L. alienus doku- vergleichsweise kleinen Fläche­ zu finden waren. mentieren. Auch bei einer Freilandbeobachtung Offenbar zielt die evolutive Strategie ab auf lo- in der Schweiz wurde gesehen, wie mehrere kal sehr große Raupendichten mit hoher Über- an der Basis ihrer Nahrungspflanzen sitzende lebensrate, bedingt durch die enge Bindung­ an Raupen nach einer Störung von den Ameisen den Ameisenpartner. in das Nest hineingezogen wurden (SBN 1987). Die obligat myrmekophile Lebensweise dieser In einem Freilandexperiment im Tauberland Bläulingsart wurde somit für die Jagst-Kocher- krochen vorher gezüchtete Raupen aktiv in die Region eindeutig belegt. Zuvor war auch für Nesthügel von L. niger, auf denen sie platziert das angrenzende Tauberland der unmittelbare worden waren (Sanetra et al. 2015). Eine wich-

Tabelle 8. Raupen- und Puppenfunde und begleitende Ameisenarten bei Plebejus argus im Naturraum Hohenloher- Haller-Ebene. Lokalität Wirtspflanze Ameisenassoziation Anzahl, Stadium Datum

NSG Gipsbruch Kirchbühl L. corniculatus Lasius niger 7 Raupen L5 08.05.2018

NSG Gipsbruch Kirchbühl L. corniculatus Lasius niger 5 Raupen L5 23.05.2019 NSG Gipsbruch Kirchbühl – Lasius niger (Nestbereich) 1 Puppe 07.06.2019 Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 115 tige offene Frage ist, wie die Jungraupen nach an zwei verschiedenen Lokalitäten war dagegen der Aufnahme in die Ameisenkolonien ihre die Ausnahme, und die Suche nach Imagines Nahrungspflanzen erreichen. Im Bereich vieler wurde nicht zielgerichtet durchgeführt (s. auch Nester von L. niger in der Jagst-Kocher-Region Settele et al. 2015). Die aktuellen Nachweise und im Tauberland finden sich potentielle Rau- stammen von neun Lokalitäten im Naturraum penfraßpflanzen fürP. argus nur vereinzelt und in Kocher-Jagst-Ebenen und befinden sich dort geringer Anzahl. hauptsächlich in südexponierten Lagen entlang der Jagst zwischen Krautheim und Langenburg 5 Satyrium spini (Abb. 35). Zuvor waren in dieser Region lediglich (Kreuzdorn-Zipfelfalter) zwei Fundorte von S. spini verzeichnet gewesen. 5.1 Verbreitung Dagegen konnten zwei Meldungen aus dem Dieser Zipfelfalter (Abb. 36) wurde in erster Linie Landkreis Schwäbisch Hall von 1993 nicht be- durch die Suche der Eier im Herbst und Winter an stätigt werden. Die dort aufgesuchten Lokalitäten den Wirtsgehölzen nachgewiesen (vgl. Hermann zeichneten sich durch einen Mangel an kleinen, 2007). Zusätzlich erfolgten drei Neu­nachweise isoliert stehenden Kreuzdornen aus, welche für durch Raupenfunde nach gezielter Suche zur die erfolgreiche Larvalent­wick­lung vermutlich Raupenzeit im Mai/Juni an kleinen Kreuzdorn- notwendig sind (s. Kap. 5.3). Möglicherweise Sträuchern. Die Beobachtung von je einem Falter lag bei diesen Meldungen eine Verwechslung

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Abbildung 35. Fundorte von Satyrium spini in der Jagst-Kocher-Region während der Studie (schwarze Quadrate) und aus der LDS-BW (graue Quadrate, mit Jahr des letzten Nachweises). – Grafik:R obert Güsten. 116 Carolinea 77 (2019)

Abbildung 36, 37. Falter von Satyrium spini an einem Blütenstand von Origanum vulgare; Studiofoto; 23.6.2018; Fast erwachsene Raupe von S. spini an Blatt von mit Ameisenbesuch (Lasius alienus; Erlenbach bei Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart, Bayern); 22.5.2019. – Fotos: Dennis Sanetra. mit Satyrium acaciae (Kleiner Schlehenzipfelfal- reits recht abgeflogen, so dass dies auf eine be- ter) vor, der in diesem Gebiet von den Autoren reits weit fortgeschrittene Flugzeit hindeutete. wie auch von anderen Beobachtern (LDS-BW) gefunden wurde. Relativ sicher gezeigt werden 5.3 Wirtspflanzen und Eiablageorte konnte das Fehlen von S. spini an einigen Stellen Die Eier von S. spini konnten im Herbst und Win- mit spärlichen Kreuzdorn-Vorkommen im Land- ter am Purgier-Kreuzdorn aufgefunden werden kreis Heilbronn sowie für ein potentiell sehr gün- (Tab. 9), wo sie meist in kleinen Gruppen von stiges Habitat östlich von Crailsheim. zwei bis fünf Stück abgelegt worden waren (Abb. Satyrium spini ist im nördlich angrenzenden 38). Eihüllen und nicht geschlüpfte Eier konnten Tauber­land deutlich weiter verbreitet als in der auch in einigen Fällen im Mai und Juni in der Jagst-Kocher-Region (LDS-BW). Dies ist unter Nähe gefundener Raupen lokalisiert werden anderem auf einen höheren Anteil an wärme- (Abb. 39). Die Eier befanden sich an sehr kleinen begünstigten Trockenbiotopen zurückzufüh­ ­ren bis mittelgroßen Kreuz­dorn-Sträuchern von etwa sowie auf die größere Häufigkeit des Purgier- einem halben Meter (Abb. 40) bis drei Metern Kreuzdorns (Rhamnus cathartica). Weitere Ver- Wuchshöhe. Zwar ist es deutlich schwieriger an breitungsschwerpunkte von S. spini in Baden- den größeren, bis zu sechs Meter hohen, Kreuz- Württemberg sind die Schwäbische Alb und dornen nach den Eiern zu suchen, aber bisher das Oberrhein-Gebiet. In Nordbayern liegen die gibt es keine Hinweise, dass diese zur Eiabla- Hauptvorkommensgebiete auf Kalkstandorten ge genutzt werden (s. auch Ebert & Rennwald im Jura und den Muschelkalkgebieten der Main- 1991). Häufig stehen die großen Kreuzdorn- fränkischen Platten (Kolbeck 2013). Im Main- Pflanzen innerhalb von weitgehend geschlos- Spessart-Kreis sind die Vorkommen nach Beob­ senen Gehölzsäumen, diese Standortsituation achtungen der Autoren aktuell deutlich stärker ist mög­licherweise für eine erfolgreiche Raupen- ausgebildet als im Tauberland. entwicklung nicht ausreichend wärmebegünstigt oder ungünstig für den Ameisenbesuch (s. Kap. 5.2 Phänologie 5.5). Die Ablagehöhe der gefundenen Eier lag im Im Neckar-Tauberland fliegt S. spini nach Ebert Bereich von 30 bis 150 cm. Ebert & Rennwald & Rennwald (1991) in einer Generation von Mitte (1991) berichten, dass die Eier an vollsonnig und Juni bis Ende Juli/Anfang August. Die phänolo- warm stehenden Büschen bis in eine Höhe von gischen Daten aus Bayern liegen in einem ähn- 100 cm abgelegt werden. Aus Bayern sind Ei- lichen Zeitraum, reichen aber bis Anfang Septem- funde von 20 bis 250 cm Höhe über dem Boden ber (Kolbeck 2013). Für die Jagst-Kocher-Region belegt (Kolbeck 2013). Die Raupenfunde in über- liegen nur zwei eigene Falterbeobachtungen wiegend sehr geringer Höhe legen nahe, dass vom 11.7.2017 vor. Diese Exemplare waren be- niedrig abgelegte Eier (ca. bis 50 cm) aufgrund Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 117

Tabelle 9. Funde von Eiern und Eihüllen von Satyrium spini im Naturraum Kocher-Jagst-Ebenen. Lokalität Ort der Eiablage Anzahl Eier Datum NSG Pflanzenstandorte Brühl und Rautel: Rautel Rh. cathartica: Sprossverzweigung 3 23.11.2017 NSG Heide am Dünnersberg Rh. cathartica: Sprossverzweigung 10 23.11.2017 südöstlich Ailringen: Eulenberg Rh. cathartica: Sprossverzweigung 5 23.11.2017 NSG Laibachsweinberg: Untere Weinberge Rh. cathartica: Sprossverzweigung 2 14.02.2018 nördlich Eberbach: Rückenberg Rh. cathartica: Sprossverzweigung 3 14.02.2018 NSG Pflanzenstandorte Pfahl und Sündrich Rh. cathartica: Spross, 13 23.11.2018 Sprossverzweigung NSG Pflanzenstandorte Brühl und Rautel: Rautel Rh. cathartica: Sprossverzweigung 4 17.04.2019 südlich Hollenbach: Hollenbacher Berg Rh. cathartica: Sprossverzweigung 3 17.04.2019 nördlich Eberbach: Rückenberg Rh. cathartica: Sprossverzweigung 5 17.04.2019 NSG Pflanzenstandorte Pfahl und Sündrich Rh. cathartica: Sprossverzweigung 1 17.04.2019 nordwestlich Zaisenhausen: Altenberg Rh. cathartica: Spross, 5 07.06.2019 Sprossverzweigung nördlich Unterregenbach: Notnagel Rh. cathartica: Sprossverzweigung 8 07.06.2019 nördlich Unterregenbach: Notnagel Rh. cathartica: Spross, Sprossver- 10 02.08.2019 zweigung der Suchweise seltener gefunden werden (auch Piepers 2009). Bei der dort abgebildeten erwach- bei den Eisuchen für die vorliegende Studie). senen Raupe handelt es sich jedoch mit hoher Der Purgier-Kreuzdorn ist für S. spini in der Wahrscheinlichkeit um Callophrys rubi (Grüner Jagst-Kocher-Region nach den vorliegenden Er- Zipfelfalter), dessen Nahrungsspektrum den gebnissen die einzige Nahrungspflanze für die Faulbaum beinhaltet (Bräu 2013). Neben ana- Raupen. Aus Bayern wird zusätzlich noch der tomischen Merkmalen (deutlicher ausgebildete Felsen-Kreuzdorn (Rhamnus saxatilis) genannt dorsale Rippen, Behaarung) spricht hierfür auch (Kolbeck 2013). Über den Wert von Meldungen der Fraß an der Frucht des Faulbaums. Nach anderer Wirtspflanzen, ausschließlich auf der Lafranchis et al. (2015) sowie nach eigenen Be- Basis von Raupenfunden, bestehen unter- obachtungen ernährt sich die Raupe von S. spi­ schiedliche Ansichten. So hielten nach Ebert & ni ab dem zweiten Stadium ausschließlich von Rennwald (1991) alle publizierten Angaben von den Blättern des Kreuzdorns. Insgesamt gese- Schlehe ( spinosa) als Raupenfraßpflan- hen ist die Nutzung von Faulbaum durch S. spi­ ze in Baden-Württemberg einer Nachprüfung ni fragwürdig. Während der vorliegenden Studie nicht stand, während Kolbeck (2013) diese Mög- wurden nur begrenzt Nachsuchen an Faulbaum lichkeit für Bayern auf der Basis eines weit zu- durchgeführt, jedoch würde dessen Häufigkeit rück liegenden Raupenfundes weiter in Betracht und Verbreitung eine größere Abundanz von zieht. Die Meldungen von Faulbaum (Frangula S. spini in der Jagst-Kocher-Region erwarten alnus), der zur gleichen Familie (Rhamnaceae) lassen, falls er regelmäßig als Wirtsgehölz fun- wie der Kreuzdorn gehört, können aufgrund gieren würde. mangelhafter Dokumentation durchaus ange- zweifelt werden. Ebert & Rennwald (1991) nen- 5.4 Larvalhabitat nen frühere Publikationen von Raupenfunden Die zur Eiablage genutzten Kreuzdorn-Sträucher aus dem Freiburger Mooswald („vereinzelt von stehen vielfach in wärmebegünstigten Lagen an Faulbaum geklopft“) sowie eines Exemplars bei Gehölzrändern angrenzend an Magerrasen oder Markgröningen (Neckarbecken, nördl. Stuttgart). Streuobstwiesen (Abb. 41). Häufig werden auch Es bleibt jeweils unklar, ob die Zucht zum Falter einzeln stehende Exemplare auf steinigem oder zur sicheren Determination durchgeführt wurde. felsigem Untergrund bevorzugt, wie z.B. im Be- Auch Kolbeck (2013) führt den Faulbaum für reich von Steinriegeln. Seltener wurden als Lar- Bayern als Wirtspflanze für S. spini an, auf der vallebensräume kleine freistehende Kreuzdorne Basis eines Fotos von W. Piepers (in Malkmus & auf den Offenflächen der Magerrasen oder Wa- 118 Carolinea 77 (2019)

Abbildung 38-44. Präimaginalstadien und Larvalhabitat von Satyrium spini. 38. Gelege mit vier Eiern an Sprossver- zweigung von Rhamnus cathartica; NSG Heide am Dünnersberg bei Mulfingen; 23.11.2017; 39. Drei Eihüllen und zwei ungeschlüpfte Eier an Sprossverzweigungen von Rh. cathartica; Altenberg bei Zaisenhausen; 7.6.2019; 40. Fundort von zwei Raupen an sehr niedrigen Pflanzen von Rh. cathartica an der Basis eines Obstbaums bei Zaisenhausen; 23.5.2019; 41. Typischer Standort niedriger Pflanzen von Rh. cathartica im Saumbereich eines Trockenhangs; NSG

Laibachsweinberg - Im Tal - Im Köchlein bei Laibach; 14.2.2018; 42. Jungraupe (ca. L2) auf Blatt­unterseite an Rh. cathartica in Assoziation mit Lasius alienus bei Zaisenhausen; 23.5.2019; 43. Blatt von Rh. cathartica mit Befraß durch erwachsene Raupe (auf der Unterseite sitzend); NSG Pflanzenstandorte Pfahl und Sündrich bei Crispenhofen; 24.5.2019; 44. Blattunterseite (s. Abb. 43) mit erwachsener Raupe. – Fotos: Robert Güsten. Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 119 cholderheiden registriert, wo aber aufgrund von Württemberg im Freiland unter natürlichen Be- Gehölzpflegemaßnahmen kaum Pflanzen zur dingungen studiert werden. Von diesen wurden Verfügung stehen (s. Kap.10, Abb. 67). Weiterhin zwei Exemplare an einem neuen Fundort im besiedelt S. spini aufgelichtete Wälder und He- südlichen Tauberland an der Nordgrenze zum ckenkomplexe, wo sich die Wirtspflanzen auch Untersuchungsgebiet registriert. Hinzu kamen in halbschattigen Lagen befinden können. Eine einige weitere Beobachtungen aus Mainfranken solche Situation wurde beispielsweise auf einem (Sanetra, unveröff.), wo S. spini sehr häufig ist zugewachsenen Steinriegel in der Nähe von Mul- und so die Raupensuche methodisch etabliert fingen festgestellt, auf dem der kleine Kreuzdorn werden konnte. unter einem nahezu geschlossenen Kronendach Die meisten Raupen wurden in nur geringer wuchs. Hierbei ist jedoch anzumerken, dass kei- Höhe über dem Erdboden (ca. 20-80 cm) fest- nes der fünf bei zwei Gelegenheiten gefundenen gestellt und befanden sich häufig in Begleitung Eier schlüpfte. In Mainfranken wurden häufiger von Ameisen der Art Lasius alienus (Tab. 10, Larvalhabitate von S. spini in lichten Kiefern- Abb. 37, 42). Einmal wurde ein kurzer Besuch wäldern registriert (Sanetra, unveröff.). Die Lite- einer Arbeiterin von an einer raturangabe, dass bevorzugt einzeln stehende ausgewachsenen S. spini-Raupe registriert. Be-

Kreuzdorn-Büsche belegt werden, könnte darauf reits jüngere Larvenstadien (L2-L3) waren für die hindeuten, dass entweder in der Eiphase oder zur Ameisen attraktiv, möglicherweise sogar stärker Raupenzeit eine trockene bzw. schnell abtrock- als die ausgewachsenen Raupen. Es liegt eine nende Umgebung essentiell ist (Ebert & Rennwald gewisse Parallele zur Myrmekophilie der Rau- 1991, Weidemann 1995). Eine neue Erkenntnis zur pen von Satyrium ilicis (Brauner Eichenzipfelfal- Bedeutung der oft nur geringen Ablagehöhe der ter) vor (z.B. Köstler 2005), bei denen unlängst

Eier über dem Boden ergibt sich aus der hier do- eine starke Attraktivität bereits im L1-Stadium kumentierten regelmäßigen Vergesellschaftung anhand von Filmaufnahmen dokumentiert wur- der Raupen mit Ameisen (s. Kap. 5.5). de (Prosi, in litt.). Insgesamt hatte es den An- schein, als ob die Überlebenschancen der in 5.5 Myrmekophilie sehr geringer Höhe abgelegten Eier von S. spini Die Raupen von S. spini konnten in der Jagst- durch die Ameisenbegleitung besser waren und Kocher-Region am Kreuzdorn in verschiedenen daher die Raupensuche an besonders kleinen

Larvenstadien (L2-L5) aufgefunden werden (Tab. Kreuzdorn-Sträuchern, Stockausschlägen oder 10). In der Regel saßen die Raupen auf der bodennahen Zweigen häufiger zum Erfolg führte Blattunterseite (Abb. 42, 44) und waren beim als in den oberen Bereichen. Es ist auch erwäh- Umdrehen der Zweige relativ gut zu sehen. Die nenswert, dass die Raupen von S. spini in ande- jüngeren Raupen waren teilweise sogar leichter ren Teilen des Verbreitungsgebiets vorwiegend zu erkennen, weil sie etwas kontrastreicher ge- an niedrigen Büschen mit vielen bodennahen färbt sind (Abb. 42). Mit etwas Erfahrung können Ästen (Stechpalmen-Kreuzdorn, Rh. alaternus; zudem Fraßspuren (Abb. 43) und Kotkrümel Hin- Felsen-Kreuzdorn) oder sogar an kriechenden weise auf das Vorhandensein der Raupen geben. Zwergsträuchern (Zwerg-Kreuzdorn, Rh. pumila) In der Literatur gibt es nicht viele Beobachtungen leben. aus Deutschland, die sich auf Raupenfunde von Über die Myrmekophilie der Raupe von S. spini S. spini beziehen (vgl. Ebert & Rennwald 1991, gibt es nur sehr spärliche Literaturangaben. Die Kolbeck 2013). Somit konnte erstmals eine nen- Grundlagenwerke für Tagfalter in Baden-Würt­ nenswerte Anzahl von elf Raupen in Baden- temberg (Ebert & Rennwald 1991) und Bayern

Tabelle 10. Raupenfunde und begleitende Ameisenarten bei Satyrium spini im Naturraum Kocher-Jagst-Ebenen. Lokalität Wirtspflanze Ameisenassoziation Anzahl, Stadium Datum nordwestlich Zaisenhausen: Altenberg Rh. cathartica Lasius alienus, 3 Raupen L2-4 23.05.2019 (Formica pratensis) nördlich Eberbach: Rückenberg Rh. cathartica keine 1 Raupe L3-4 23.05.2019

NSG Pflanzenstandorte Pfahl und Rh. cathartica keine 1 Raupe L5 24.05.2019 Sündrich nördlich Unterregenbach: Notnagel Rh. cathartica Lasius alienus (z.T.) 4 Raupen L4-5 07.06.2019 120 Carolinea 77 (2019)

(Kolbeck 2013) machen über Assoziationen mit S. ilicis sehr versteckt lebt und sich leicht der Be- Ameisen bei S. spini keine Angaben. Aus Rhein- obachtung entzieht. Für den Nachweis der Art ist land-Pfalz (Mittelrheintal bei St. Goarshausen) die gezielte Suche nach den Eiern an kleineren liegt den Autoren ein Fotobeleg einer Raupe von Eichenbüschen das Mittel der Wahl, denn nur mit S. spini mit Ameisenbegleitung vor (W. Düring, Hilfe dieser Methode, die erst nach 2000 aus- pers. Mitt.), die als Tapinoma erraticum identifi- führlich für die Art beschrieben wurde (v.a. Her­ ziert werden konnte. Nach Beobachtungsdaten mann 2007), bestehen realistische Aussichten aus Frankreich werden die S. spini-Raupen nur auf die Entdeckung neuer oder verschollener gelegentlich mit Ameisen angetroffen und daher Vorkommen. nur als schwach myrmekophil eingestuft (La­ Für die Suche nach S. ilicis wurden Gebiete in franchis et al. 2015). Bestimmte Ameisenpartner den Schwäbisch-Fränkischen Waldbergen aus- werden dabei nicht genannt, wohingegen Fiedler gewählt, die sogenannte Lichtwaldstrukturen (2006) Lasius niger und Formica sp. als Begleiter aufweisen, wie sie von dieser Art bevorzugt­ für die fakultativ mutualistischen Raupen angibt, werden. Allerdings sind ausreichend besonnte jedoch ohne Angabe der geographischen Re­ Standorte mit Eichenjungwuchs in vielen Wäl- gion. Die vorliegende Studie konnte zeigen, dass dern heute selten geworden, so dass sich bereits eine Ameisenbegleitung bei S. spini regelmä- die Auswahl geeigneter Suchräume schwierig ßiger auftritt als es bisher angenommen wurde. gestaltete. Sehr günstig erschien ein Waldstück Dies ist nicht ganz überraschend, denn S. spini in den Limpurger Bergen nahe Schwäbisch Hall gehört zu den Zipfelfalter-Arten, bei denen ein mit dem letzten Vorkommen von Coenonympha Nektarorgan ausgebildet ist (SBN 1987, Fiedler hero (Wald-Wiesenvögelchen), einer Art, die in 1991). mancher Hinsicht ähnliche Ansprüche an ihren In zwei Jahren wurden im Herbst und Winter Lebensraum stellt. In dem Gebiet gibt es ne- gefundene Eier von S. spini mit farbigen Mar- ben größeren Lichtwaldbereichen auch viele für kierungen an den Ästen gekennzeichnet und im S. ilicis zur Eiablage geeignete kleine Eichen, an darauffolgenden Frühsommer an diesen Stellen denen im Winter nach den Eiern gesucht wurde. gezielt nach den Raupen gesucht. Trotz inten- Auch in Lichtwald-Biotopen in den Waldenburger siver Überprüfung der Pflanzen zu zwei ver- Bergen fand eine Nachsuche statt. Zudem wur- schiedenen Zeitpunkten konnten jedoch keine den Anfang Juli einige Waldgebiete in der Umge­ Raupen entdeckt werden. Dabei wurde ferner bung von Künzelsau auf Falter kontrolliert, da es beobachtet, dass manche Eier nicht geschlüpft hier Hinweise auf mögliche aktuelle Vorkommen waren (s. auch 5.3). Dies wurde bei S. spini auch von S. ilicis durch einen ortsansässigen Kollegen schon von anderen Beobachtern bei Eiern ge- gegeben hatte. Die Suche erbrachte leider keine meldet, die für die Zucht eingesammelt worden neuen Nachweise der Art (Abb. 45). waren. Das Phänomen lässt sich nur schwer Wegen der Schwierigkeit des Artnachweises und erklären, könnte aber mit den schon vorher dis- der Größe der in Frage kommenden Waldgebiete kutierten möglicherweise hohen Ansprüchen an kann das Vorkommen von S. ilicis in der Region den Feuchtigkeitshaushalt zusammenhängen. dennoch nicht ausgeschlossen werden. Aus dem Die Überlebenschancen geschlüpfter Raupen nördlich angrenzenden Tauberland gibt es in der könnte zudem gering gewesen sein (mangels Datenbank LDS-BW lediglich zwei Nachweise, Ameisenpartner), da viele der markierten Eier welche älter als 30 Jahre sind. Aktuell existie- höher über dem Boden abgelegt worden waren ren in Baden-Württemberg belegte Vorkommen als dies bei den meisten der späteren Raupen- von S. ilicis nur am Oberrhein, im Schönbuch fundorte der Fall war. zwischen Böblingen und Tübingen sowie auf der Ostalb. In Bayern finden sich ebenfalls nur 6 Satyrium ilicis (Brauner Eichenzipfelfalter) wenige Bereiche, in denen die Art aktuell noch In der Jagst-Kocher-Region ist S. ilicis bisher nur gefunden wird (Bolz 2013a). Die Bestandssitua- im Landkreis Schwäbisch Hall gefunden wor- tion von S. ilicis wird daher in vielen Bundeslän- den. Die Datenbank enthält drei Lokalitäten für dern als kritisch eingestuft, und es werden große diese Art, alle Nachweise bis auf einen liegen Arealverluste konstatiert (vgl. Hermann & Stei­ allerdings über 80 Jahre zurück (Abb. 45). Von ner 2000, Bolz 2013a). Deutschlandweit finden Gaugshausen (ohne genaue Ortsangabe) nord- sich die bes­­­ten Vorkommen noch in Südhessen, westlich von Vellberg existiert ein Belegexemplar Rheinland-Pfalz und dem Saarland (www.lepido- (SMNK) aus dem Jahr 1971. Es ist bekannt, dass ptera.de). Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 121

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Abbildung 45. Fundorte von Satyrium ilicis in der Jagst-Kocher-Region aus der LDS-BW (graue Quadrate, mit Jahr des letzten Nachweises) und Orte der Nachsuche während der Studie (leere Quadrate). – Grafik:R obert Güsten.

7 Lycaena dispar Die Vorkommen in Baden-Württemberg bilden (Großer Feuerfalter) den östlichsten Bereich eines isolierten west- 7.1 Verbreitung lichen Teilareals der Art in Frankreich und Süd- Da L. dispar zu den FFH-Arten gehört und so- westdeutschland. Östlich des Neckars sind sie mit europarechtlich streng geschützt ist (s. Ein- das Resultat einer Ausbreitung vorwiegend im leitung), sind aktuelle Verbreitungsangaben von 21. Jh. in die Backnanger Bucht, die Jagst-Ko- ständigem Interesse. Die Einschätzung der Be- cher-Region und das Tauberland. Erstmals im stände dieser Art wird dadurch erschwert, dass Untersuchungsgebiet festgestellt wurde L. dispar die Aufenthaltsorte der Falter sehr wechselhaft (S. Mayer, in litt.) im Einzugsgebiet der Brettach sind und zudem eine ausgeprägte Migrations- (Nebenfluss des Kocher) im Jahr 1992. Bis ca. tendenz vor allem bei den Weibchen besteht. 2005 wurden nur einzelne Lokalitäten aus dem Daher muss bei Kartierungsarbeiten gezielt westlichen Drittel der Region bekannt (Abb. 46). nach den Präimaginalstadien, insbesondere den Die Erstellung der Managementpläne für die Eiern gesucht werden, deren Verteilung die bes­ FFH-Gebiete (FFH-MaP) im zentralen Bereich ten Informationen über die Verbreitung der Art der Region (Gebiets-Nr. 6623-341, 6723-311, liefert (Ebert & Rennwald 1991, Fartmann et al. 6724-341 und 6824-341) in den Jahren 2008 und 2001). 2011 zeigte bereits eine dichte Besiedlung in den 122 Carolinea 77 (2019)

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Abbildung 46. Fundorte von Lycaena dispar in der Jagst-Kocher-Region während der Studie (schwarze Quadrate) und aus der LDS-BW (graue Quadrate, mit Jahr des letzten Nachweises). – Grafik:R obert Güsten.

Tälern von Jagst und Kocher, mit einigen Nach- Prosi (in litt.) beobachtete einige Männchen im weisen entlang von Nebengewässern. Kochertal, ca. acht km südlich von Schwäbisch Lycaena dispar wurde während der Studie Hall. Im Zuge der Studie wurden Präimaginalsta- hauptsächlich in den Flusstälern von Jagst und dien bei Tiefenbach (Stadt Crailsheim) gefunden Kocher an 21 Lokalitäten nachgewiesen (Abb. (Tab. 11, 12). Dies ist der bisher am weitesten 46). Es wurden Eier, bereits geschlüpfte Eier (die östlich gelegene Nachweis der Art in ihrem west- durch ihre cha­rakteristische Form noch eindeu- lichen Teilareal (vgl. ffh-anhang4.bfn.de). Weitere tig bestimmbar sind) und auch einige Raupen Nachsuchen östlich der zuvor bekannten Fund- gefunden. Falter (Abb. 48) wurden nur an vier orte, nahe Kirchberg/Jagst und im Einzugsgebiet Lokalitäten registriert. Eine Reihe von Funden der Brettach (Nebenfluss der Jagst), blieben aber ergaben sich im Bereich der Unterläufe der bei- erfolglos. Dies legt nahe, dass die Ostgrenze des den Flüsse (Lkr. Heilbronn), wo die Verbreitung Areals, welche offenbar oszilliert (vgl. auch Bolz bisher kaum belegt war. Die am weitesten fluss­ 2013b), weiterhin in dieser Region zu finden ist. aufwärts gelegenen Beobachtungen im Untersu- chungszeitraum entsprechen fast genau der in 7.2 Phänologie den FFH-MaP deutlich gewordenen südöstlichen In Baden-Württemberg bildet L. dispar immer Verbreitungsgrenze, mit zwei Ausnahmen. Rolf zwei Generationen aus, wie überall im west- Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 123 lichen Teilareal. Die Art zeigt über ihr gesamtes Verbreitungsgebiet betrachtet deutliche phänolo- gische Variationen. Eine isolierte nordwestliche Population (aktuell nur noch in den Niederlan- den) ist streng univoltin, während im weiter öst- lich gelegenen Hauptverbreitungsgebiet (Ost- und Südosteuropa) die Bildung von ein oder zwei Generationen von der geographischen Breite abhängig ist und in einigen Bereichen jahres- bedingt variiert. Ebert & Rennwald (1991) geben für die 1. Generation in Baden-Württemberg den Zeitraum vom 20.5. (mit wenigen früheren Be- obachtungen) etwa bis Ende Juni an, für die 2. Generation eine Flugzeit im August, mit einzel- nen Faltern bereits Ende Juli in warmen Jahren. Falterbeobachtungen erfolgten während der Un- tersuchungen am 5.6. und 12.6. (1. Gen.) sowie am 2.8. und 23.8. (2. Gen.), jedoch wurden am 25.7.2019 schon frisch abgelegte Eier registriert. In Südwestdeutschland wurden in sehr warmen Jahren vereinzelt Falter bis in den Oktober an- getroffen, die einer 3. Generation zuzurechnen Abbildung 47. Raupe von Lycaena dispar im letz- sind (Grünfelder 2008, Bolz 2013b, Keiller, M. in Lepiforum). Eine am 8.8.2018 gefundene ten Larvalstadium auf der Unterseite eines Blattes von Rumex obtusifolius; Henkersbrunnen bei Unter- Raupe (Abb. 55, 56) war vermutlich im vorletzten kessach; 25.7.2019. – Foto: Robert Güsten. Larvalstadium (Tab. 12). Da das 2. Stadium als Überwinterungsstadium angegeben wird, ist es gut möglich, dass sich die genannte Raupe noch fig vorkommt (Abb. 51), wird in vielen Regionen zu einem Falter der 3. Generation entwickelt hat. laut Literaturangaben für die Eiablage bevorzugt. Es ist aber anzunehmen, dass an dieser Amp- 7.3 Wirtspflanzen und Eiablageorte fer-Art lediglich aufgrund ihrer Häufigkeit die In der Jagst-Kocher-Region konnten Präimagi- meisten Eiablagen erfolgen. Sind andere mög- nalstadien (hauptsächlich Eier und Jungraupen) liche Fraßpflanzen vorhanden, wie der Krause von L. dispar an drei nicht-sauren Ampfer-Arten Ampfer und der Fluss-Ampfer (der bei den Un- angetroffen werden (Tab. 11, 12): Fluss-Ampfer tersuchungen aber nur an einer Lokalität fest- (Rumex hydrolapathum, Abb. 49, 50), Krauser gestellt wurde, S. Röper pers. Mitt.), so fanden Ampfer (R. crispus, Abb. 55, 56) und Stumpf- sich oft mehrere Eier an einer Pflanze (bis zu blättriger Ampfer (R. obtusifolius, Abb. 53, 54). 25; z.B. Abb. 49, 50), was beim Stumpfblättrigen Mindes­tens eine Pflanze mit darauf befindlichen Ampfer im untersuchten Gebiet selten beobach- Eiern war einer Hybrid-Form der beiden letztge- tet wurde. Im NSG Gipsbruch Kirchbühl wurden nannten Ampfer-Arten zuzurechnen, dem Wie- von R. Prosi (in litt.) im August 2019 etwa 50 Eier sen-Ampfer (R. x pratensis). Für Baden-Würt­ an Krausem Ampfer gefunden, an Stumpfblätt- temberg existiert ein Nachweis durch Eifunde am rigem Ampfer lediglich ein Ei. Auch langjährige Wasser-Ampfer (R. aquaticus) aus dem Hecken- Beobachtungen durch S. Mayer (in litt.) in der gäu (Bamann, T. & Hermann, G. in Lepiforum). Das Jagst-Kocher-Region bestätigen die Bevorzu- Verbreitungsareal dieser seltenen Pflanzenart gung von Krausem gegenüber Stumpfblättrigem überschneidet sich in Baden-Württemberg fast Ampfer. Frühere Nachweise von hohen Eizahlen überhaupt nicht mit jenem von L. dispar (www. am Stumpfblättrigen Ampfer (z.B. Loritz & Set­ flora.naturkundemuseum-bw.de), daher kann tele 2002, Hermann & Bolz 2003) betrafen fast dem Wasser-Ampfer aktuell kaum eine Bedeu- immer die 2. Generation und konnten stets auf tung als Wirtspflanze zukommen. einen lokal großen Mangel an geeigneten Ei- Der Stumpfblättrige Ampfer, der auf meist inten- ablagepflanzen zurückgeführt werden, bedingt siv landwirtschaftlich genutzten Wiesen entlang durch eine fast flächendeckende Mahd der Wirt- der Hauptfließgewässer Jagst und Kocher häu- schaftswiesen. 124 Carolinea 77 (2019)

Tabelle 11. Funde von Eiern und Eihüllen von Lycaena dispar in der Jagst-Kocher-Region. Lokalität Ort der Eiablage Anzahl Eier Datum östlich Schloss Stetten: R. crispus: Blattober-/ -unterseite 5 12.06.2017 Stettenring südöstlich Eberbach: R. hydrolapathum, R. obtusifolius: 7 12.06.2017 Pfingststück Blattoberseite nördlich Heimhausen: R. obtusifolius: Blattoberseite 1 12.06.2017 Erlen südwestlich Ziegelhütte: R. obtusifolius: Blattoberseite 2 27.06.2017 Kollmersklinge nordöstlich Krautheim: R. obtusifolius: Blattober-/ 4 27.06.2017 Im Brühl -unterseite westlich Zaisenhausen: R. obtusifolius: Blattoberseite 7 23.08.2017 Hörlesau südöstlich Eberbach: R. obtusifolius: Blattoberseite 1 05.06.2018 Pfingststück nordöstlich Züttlingen: R. obtusifolius: Blattober-/ 7 08.08.2018 Ammerlanden -unterseite nordöstlich Ruchsen: R. obtusifolius: Blattoberseite 2 08.08.2018 Bachrain südwestlich Widdern: R. obtusifolius: Blattoberseite 1 08.08.2018 Kappelrank südlich Bieringen: R. crispus: Blattoberseite 1 08.08.2018 Heiligenwiesen NSG Unteres Bühlertal: R. obtusifolius: Blattoberseite 2 09.08.2018 Erlenwasen nördlich Geislingen/Kocher: R. obtusifolius: Blattoberseite 1 09.08.2018 Riedwiesen östlich Gochsen: R. x pratensis: Blattoberseite 2 17.08.2018 Auflur westlich Gochsen: R. obtusifolius: Blattober-/ 3 17.08.2018 Rumpel -unterseite südöstlich Eberbach: R. hydrolapathum, R. crispus, ca. 40 25.06.2019 Pfingststück R. obtusifolius östlich Schloss Stetten: R. crispus: Blattober-/ 6 25.06.2019 Stettenring -unterseite nordöstlich Züttlingen: R. crispus, R. obtusifolius: Blattober-/ ca. 20 25.06.2019 Ammerlanden -unterseite südöstlich Eberbach: R. hydrolapathum, R. crispus, 11 25.07.2019 Pfingststück R. obtusifolius nordwestlich Mulfingen: R. crispus, R. obtusifolius ca. 10 02.08.2019 Untere Au NSG Gipsbruch Kirchbühl R. crispus: Blattober-/ 17 25.08.2019 -unterseite nordwestlich Lorenzenzimmern: R. crispus: Blattoberseite 2 25.08.2019 Steinrecht nordöstlich Tiefenbach: Steigäcker R. crispus: Blattoberseite 3 25.08.2019 Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 125

7.4 Larvalhabitat was trockener, wenngleich es auch einen deut- In der Jagst-Kocher-Region, wie auch sonst in lichen Überschneidungsbereich gibt. Bei den Südwestdeutschland, findet L. dispar heute sein Sonderstandorten handelt es sich einerseits um Reproduktionshabitat überwiegend auf land- eine ehemalige Tagebaufläche in einem Natur- wirtschaftlich stark genutzten Mähwiesen (Abb. schutzgebiet und zum anderen um ein Moto- 51). Diese stellen einen Sekundärlebensraum cross-Gelände. Eier von L. dispar wurden dort dar, der wohl erst in jüngerer Zeit zusammen mit während der Studie ausschließlich bzw. ganz dem Stupfblättrigen Ampfer als Raupennahrung überwiegend an Krausem Ampfer gefunden. erschlossen wurde. Noch de Lattin et al. (1957) Aufgrund der nahezu vollständigen Nutzung der nennen für Rheinland-Pfalz lediglich den Fluss- Hochflächen als Ackerland sind derartige Loka- und den Wasser-Ampfer als Wirtspflanzen. Der litäten selten. Auf dem Motocross-Gelände wur- Fluss-Ampfer stellt in den Niederlanden die ein- den im Jahr 2012 an einem Tag 23 Falter und zige und im östlichen Teil des Verbreitungsge- 145 Eier gezählt (Wagner, W. in Europäische biets die hauptsächliche Nahrungspflanze für die Schmetterlinge und ihre Ökologie). Leider ist Raupen dar. Eiablagen an Krausem und Stumpf- dieses Biotop inzwischen aufgrund der Errich- blättrigem Ampfer in Ostdeutschland wurden tung eines Solarparks und mangelnder Pflege- erst in jüngerer Zeit dokumentiert (Kühne et al. maßnahmen (Verbrachung) für L. dispar kaum 2001, Wachlin & Hoppe 2012). Das ursprüngliche noch geeignet. Larvalhabitat von L. dispar ist also im nassen bis sehr nassen unmittelbaren Uferbereich von ste- 7.5 Myrmekophilie henden und fließenden Gewässern und staunas- Eine Assoziation mit Ameisen konnte bei den sen Hochstaudenfluren (Abb. 52) mit Vorkommen zwölf gefundenen Raupen (meist L1 bis L2) nicht des Fluss-Ampfers zu suchen. festgestellt werden (Tab. 12). Dies entspricht In Südwestdeutschland besteht folglich die pa- langjährigen Beobachtungen in der Jagst-Ko- radoxe Situation, dass der von L. dispar in Be- cher-Region, bei denen über 100 Raupen regis- zug auf die Eiablage am wenigsten bevorzugten triert wurden (S. Mayer, in litt.). Es ist jedoch an- Wirtspflanze, dem Stumpfblättrigen Ampfer, die zunehmen, dass bis zum 2. Larvalstadium (Abb. wichtigste Bedeutung für die Erhaltung der Art 54) keine Attraktivität für Ameisen auftritt, da dies zukommt. Der Grund hierfür ist, dass sie in der selbst bei den Echten Bläulingen meistens nicht Kulturlandschaft weitaus häufiger vorkommt als der Fall ist. Nur drei während der Studie gese- die übrigen in Frage kommenden Ampfer-Arten. hene Raupen und einige wenige von S. Mayer Nach den Beobachtungen von S. Mayer (in litt.) beobachtete Exemplare waren im vorletzten gibt es gewisse Hinweise, dass die Überlebens- (Abb. 56) oder letzten Stadium (Abb. 47). Laut rate der Raupen am Stumpfblättrigen Ampfer Grünfelder (2008) und Lafranchis et al. (2015) geringer sein könnte, da oft an Pflanzen mit werden nur vier Larvalstadien ausgebildet. Dass deutlichen Fraßspuren kleinerer Raupen (Abb. eine Vergesellschaftung mit Ameisen in der Re- 53) keine erwachsenen Raupen aufgefunden gion auftreten kann, belegen Untersuchungen werden konnten. Nicht bekannt ist, weshalb der in der nahegelegenen Backnanger Bucht durch Krause Ampfer als Eiablagesubstrat mehr ge- Götz (2009), der häufiger Besuche der Ameisen- schätzt wird, obwohl er wahrscheinlich ebenfalls art Lasius niger bei erwachsenen Raupen und eine sekundär erschlossene Wirtspflanze dar- auch Puppen von L. dispar feststellte. Aus Euro- stellt. pa sind ansonsten nur zwei Fälle einer Assoziati- Zwei der untersuchten Lokalitäten (NSG Gips- on mit Myrmica rubra bekannt geworden (Hinton bruch Kirchbühl bei Vellberg, Abb. 68; Stetten- 1951, Ebert & Rennwald 1991). ring östlich von Künzelsau) unterscheiden sich Die Myrmekophilie bei den Feuerfaltern ist von den übrigen Larvalhabitaten deutlich, da sie grundsätzlich von anderer Natur als bei den Ech- nicht benachbart zu einem Hauptfließgewässer ten Bläulingen (und auch den Zipfelfaltern, vgl. oder einem seiner Zuläufe liegen. Die daraus Kap. 5.5), da den Feuerfaltern die verantwort- resultierenden Standortverhältnisse wirken sich lichen Organe (Nektarorgan, Tentakelorgane) für L. dispar überraschend positiv aus, da die für eine symbiotische Beziehung mit Ameisen Häufigkeit des Krausen Ampfers im Verhältnis fehlen. Lediglich die Porenkuppelorgane treten zum Stumpfblättrigen Ampfer größer ist als auf bei ihnen auf. Fiedler (2006) spricht von einer den flussnahen Wiesen. Die Wuchsorte des kommensalen Beziehung, bei der die Ameisen Krausen Ampfers sind weniger eutroph und et- nicht von dem Besuch der Raupen profitieren, 126 Carolinea 77 (2019)

Abbildung 48-56. Falter, Präimaginalstadien und Larvalhabitat von Lycaena dispar. 48. Zwei Männchen in einem Großseggenried; Kolmarsklinge bei Crispenhofen; 12.6.2017; 49. Exemplar der seltenen Ampfer-Art Rumex hy­ drolapathum, an dem zu zwei Gelegenheiten jeweils mehrere Eier gefunden wurden; Pfingststück bei Eberbach; 12.6.2017; 50. Blattoberseite (s. Abb. 49) mit zwei benachbart abgelegten Eiern; 51. Larvalhabitat auf einer intensiv bewirtschafteten Feuchtwiese mit Rumex obtusifolius bei Eberbach; 12.6.2017; 52. Larvalhabitat am Rand einer staunassen Hochstaudenflur mit R. hydrolapathum bei Eberbach; 25.7.2019; 53. Oberseite eines Blattes von R. obtusifolius mit typischen Fraßspuren einer Jungraupe (davon eine sehr frisch); Riedwiesen bei Geislingen/Kocher;

9.8.2018; 54. Blattunterseite (s. Abb. 53) mit nahe der Blattbasis ruhender Jungraupe (ca. L2); 55. Exemplar von Rumex crispus mit halberwachsener Raupe nahe der Basis eines Blattes; Heiligenwiesen bei Bieringen; 8.8.2018; 56. Blattoberseite (s. Abb. 55) mit halberwachsener Raupe (wohl vorletztes Larvalstadium). – Fotos: Robert Güsten. Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 127

Tabelle 12. Raupenfunde von Lycaena dispar im Naturraum Kocher-Jagst-Ebenen. Lokalität Wirtspflanze Ameisenassoziation Anzahl, Stadium Datum westlich Zaisenhausen: R. obtusifolius keine 1 Raupe L1 23.08.2017 Hörlesau südöstlich Eberbach: R. obtusifolius keine 1 Raupe L1 05.06.2018 Pfingststück nordöstlich Züttlingen: R. obtusifolius keine je 1 Raupe L1, L2 08.08.2018 Ammerlanden südlich Bieringen: R. crispus, keine je 1 Raupe L3-4, L1-2 08.08.2018 Heiligenwiesen R. obtusifolius nördlich Geislingen/Kocher: R. obtusifolius keine 1 Raupe L1 09.08.2018 Riedwiesen südöstlich Eberbach: R. crispus, keine 2 Raupen L1 25.06.2019 Pfingststück R. obtusifolius südwestlich Unterkessach: R. obtusifolius keine 1 Raupe L4 25.07.2019 Henkersbrunnen nordöstlich Tiefenbach: R. crispus keine 1 Raupe L3 25.07.2019 Steigäcker nordwestlich Lorenzenzimmern: R. crispus keine 1 Raupe L1 25.08.2019 Steinrecht

im Gegensatz zu den mutualistischen Bezie- Augenscheinlich herrschen für L. hippothoe hungen. Somit ist kaum anzunehmen, dass stabil weiterhin günstige Bedingungen auf den abge- etablierte Ameisenassoziationen in der bei Ech- legenen und naturschutzfachlich hochwertigen ten Bläulingen beobachteten Weise vorkommen Waldwiesen entlang der Blinden Rot in den können. Bei allen Feuerfalter-Arten werden die Ellwanger Bergen (ca. 440 m ü. NN). Der letz- Raupen im Freiland zumindest mehrheitlich ohne te Nachweis der Art datiert dort von 1964. Es Ameisenbesuch angetroffen (Fiedler 1991). wurden u.a. Melitaea diamina (Lang, 1789) (Bal- drian-Scheckenfalter) und Boloria euphrosyne 8 Lycaena hippothoe (Lilagold-Feuerfalter) (Linnaeus, 1758) (Silberfleck-Perlmutterfalter) be- Von L. hippothoe finden sich in der Datenbank obachtet, letzterer war ebenfalls seit den 1960er (LDS-BW) etwa zehn historische Nachweise aus Jahren im Umkreis nicht mehr gefunden worden. den Schwäbisch-Fränkischen Waldbergen bis Auf den Wiesen kommt die Hauptnahrungspflan- in die 1960er Jahre, sowie die Meldung eines ze der Raupen von L. hippothoe, der Große Sau- einzelnen Falters aus dem Jahr 2012 (Abb. 57). erampfer (Rumex acetosa), in nennenswerten Dies gab dazu Anlass, innerhalb der durch die Beständen vor. Gleichfalls gibt es noch geeig- älteren Nachweise angezeigten Flugzeit (4.6. bis net erscheinende Habitate in den Löwensteiner 10.7.) nach der Art zu suchen. Es wurden exten- Bergen, wenige Kilometer außerhalb des Unter- siv genutzte Wiesen im Bereich der Höhenzüge suchungsgebiets. Besucht wurden dort die am kontrolliert (Mainhardter Wald, Waldenburger höchsten gelegenen Wiesen (550-570 m ü. NN) Berge, Limpurger Berge, Ellwanger Berge), je- im Umkreis des Hohen Brach. doch wurde L. hippothoe nicht festgestellt und Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist der 2012 aus der kommt in den Schwäbisch-Fränkischen Wald- Region gemeldete Falter nicht korrekt bestimmt bergen sehr wahrscheinlich nicht mehr vor. Die worden. Der gemeldete Fundort liegt am Kocher von der Art heute noch besetzten Flugstellen in südlich von Schwäbisch Hall (ca. 330 m ü. NN), Baden-Württemberg (im Schwarzwald, auf der und in den Tälern der Hauptfließgewässer wurde Schwäbischen Alb und in Oberschwaben) liegen die Art vermutlich auch zu früherer Zeit nicht an- in größeren Höhenlagen (ca. 550-1.400 m ü. NN: getroffen (einige ältere Nachweise sind nur sehr Ebert & Rennwald 1991, LDS-BW). ungenau verortet). Ferner liegt der Beobach- 128 Carolinea 77 (2019)

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Abbildung 57. Fundorte von Lycaena hippothoe in der Jagst-Kocher-Region aus der LDS-BW (graue Quadrate, mit Jahr des letzten Nachweises) und Orte der Nachsuche während der Studie (leere Quadrate). – Grafik: Robert Güsten. tungszeitpunkt (20.7.) sehr wahrscheinlich nach vermutlich zusammenhängendes Areal in den der möglichen Flugzeit in dieser Höhenlage. Eine Schwäbisch-Fränkischen Waldbergen, jedoch ist Verwechslung mit L. dispar ist am ehesten anzu- dieses inzwischen stark geschrumpft, und die nehmen. verbleibenden Populationen sind voneinander isoliert (Abb. 58). Im Westen des Untersuchungs- 9 Phengaris teleius, P. nausithous gebiets findet sich noch ein bedeutender Ver- (Heller und Dunkler Wiesenknopf- bund von P. teleius-Vorkommen auf dem Gebiet Ameisenbläuling) der Gemeinde Wüstenrot (Lkr. Heilbronn) und in 9.1 Verbreitung angrenzenden Bereichen des Hohenlohekreises Die zwei Arten von Wiesenknopf-Ameisenbläu- und des Landkreises Schwäbisch Hall. Südlich lingen (Abb. 60, 61) sind europarechtlich streng von Vellberg existierten bis vor kurzem mehre- geschützt (FFH-Arten, s. Einleitung). Die deutlich re benachbarte Vorkommen im Büh­lertal (Gem. seltenere Art ist P. teleius, welche landesweit in Bühlertann, Lkr. Schwäbisch Hall), von denen den letzten Jahren erhebliche Rückgänge zu jedoch nach ungünstigen Entwicklungen bei der verzeichnen hat, so auch in der Jagst-Kocher- Grünlandbewirtschaftung nur noch ein bis zwei Region. Früher besiedelte P. teleius ein größeres, (Abb. 62) erhalten geblieben sind. Die früher be- Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 129

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Abbildung 58. Fundorte von Phengaris teleius in der Jagst-Kocher-Region während der Studie (schwarze Qua- drate) und aus der LDS-BW (graue Quadrate, mit Jahr des letzten Nachweises). Graue Schattierung: Areal von Phengaris nausithous in der Jagst-Kocher-Region. – Grafik:R obert Güsten. kannten Populationen von P. teleius zwischen den nahrungspflanze, der Große Wiesenknopf (San­ beiden Regionen um Wüstenrot und Bühlertann guisorba officinalis) sehr schwach vertreten ist sind wahrscheinlich schon seit längerer Zeit er- und wo demzufolge die Wiesenknopf-Ameisen- loschen (z.B. Kupfermoor, Gem. Untermünkheim, bläulinge vermutlich nicht auftreten. Lkr. Schwäbisch Hall). Eine Lokalität mit Meldung eines Einzelexemplars aus dem Jahr 2015 im 9.2 Phänologie, Wirtspflanzen und äußersten Osten der Schwäbisch-Fränkischen Larvalhabitat Waldberge (Abb. 58) wurde nicht untersucht. Die Biologie und Ökologie von P. teleius und Im Gegensatz zu P. teleius weist P. nausithous P. nausithous sind im Hinblick auf Phänologie, noch ein wesentlich stärker zusammenhän- Raupennahrungspflanzen und Entwicklungsha- gendes Verbreitungsareal auf und bewohnt auch bitate sehr gut erforscht, so dass der Fokus die- Teilbereiche der anderen Naturräume in der ser Studie auf den Wirtsameisen lag (Kap. 9.3). Jagst-Kocher-Region (Abb. 58). Der nordwest- Beide Arten fliegen meist von Anfang Juli bis An- liche Teil des Untersuchungsgebiets bildet jedoch fang August, wobei unter gleichen Bedingungen zusammen mit dem Bauland und weiten Teilen P. teleius ein paar Tage (Ebert & Rennwald 1991) des Tauberlandes ein Areal, in dem die Raupen- oder auch etwa zehn Tage (Binzenhöfer et al. 130 Carolinea 77 (2019)

on in die Ameisennester soll jedoch mehr den „Kuckucksarten“ entsprechen (Thomas & Settele 2004, Patricelli et al. 2010), bei denen die Rau- pen von den Ameisen wie eigene Brut behandelt und gefüttert werden (s. Einleitung). Aufgrund dieser Unterschiede kann offenbar bei P. telei­ us meist nur eine Raupe pro Nest ihre Entwick- lung abschließen (z.B. Tartally & Varga 2008). In Mitteleuropa finden sich in den Habitaten der Wiesenknopf-Ameisenbläulinge in der Regel nur zwei Amei­­senarten in größerer Dichte, die als Wirte in Frage kommen: Myrmica rubra und Myr­ mica scabrinodis. Der Blickwinkel auf die Wirts- nutzung von P. teleius hat sich in jüngster Zeit verändert. Ursprünglich war eine Spezialisierung und weitgehende Beschränkung auf M. scabri­ Abbildung 59. Potentielle Wirtsameisen (Myrmica ru­ nodis als Wirtsart postuliert worden (Thomas et bra) von Phengaris teleius und Phengaris nausithous al. 1989, Elmes et al. 1998). Im Gegensatz dazu an ausgebrachtem Fraßköder (Thunfisch und Zucker); zeigen neuere Untersuchungen (Tartally & Var­ Gewann Am Bauernwald bei Weihenbronn; 16.08.2018. ga 2008, Wi­tek et al. 2008, Tartally et al. 2019), – Foto: Robert Güsten. dass M. rubra zumindest in gleichem Maße wie M. scabrinodis genutzt wird. Eine geringe oder fehlende Spezialisierung bei P. teleius ergibt sich 2013, Bräu et al. 2013) früher erscheint. Der weiterhin aus dem Nachweis von bisher 15 ver- Große Wiesenknopf ist die einzige Nahrungs- schiedenen Myrmica-Arten als Wirten über das pflanze für die Raupen. Die Eiablage erfolgt ty- paläarktische Verbreitungsgebiet hinweg (Pech pischerweise in Blütenständen mit noch grünen et al. 2007, Tartally et al. 2019). Für P. nausi­ Knospen (P. teleius) bzw. in den noch grünen thous hingegen hat sich die Beschränkung auf Knospen von Blütenständen, deren obere Blüten die Wirtsart M. rubra in Mitteleuropa für fast alle sich bereits rot verfärben (P. nausithous). Die von Populationen bestätigt (Witek et al. 2008, Tartal­ beiden Arten besiedelten Wiesenknopf-Stand- ly et al. 2019). orte finden sich in mageren, mäßig feuchten bis Im Rahmen der vorliegenden Studie wurden feuchten Grünlandbrachen und verschiedenar- Untersuchungen zu den potentiellen Wirtsa- tigen ein- bis zweischürigen mageren Wiesen meisen-Arten von P. teleius und P. nausithous (z.B. Abb. 69). Während P. teleius weitgehend in der Region um Wüstenrot (Lkr. Heilbronn) an flächig entwickelte Wirtspflanzen-Bestände durchgeführt, wo noch eine Metapopulation von gebunden ist, findet sich P. nausithous auch P. teleius mit einer Reihe nahe benachbarter verbreitet entlang von linearen Strukturen mit Fundorte exis­tiert (s. 9.1). Auf neun ausgewähl- Wiesenknopf-Bewuchs, insbesondere Bächen ten Probeflächen (Tab. 13) wurden Ameisen aus und Gräben. Neben den Ansprüchen an das der Gattung Myrmica durch das Ausbringen von Larvalhabitat besteht offenbar für P. teleius (nicht Fraßködern (Thunfisch, Zucker: Abb. 59) nach- aber P. nausithous) die Notwendigkeit, außer den gewiesen und Proben zur weiteren Bestimmung Wiesenknopf-Blüten noch andere Nektarquellen im Labor entnommen. Berücksichtigt wurden für die Falter (besonders Blutweiderich, Lythrum jene Lokalitäten, an denen im Jahr 2018 (oder salicaria: Abb. 60) in der Nähe vorzufinden. in früheren Jahren durch andere Bearbeiter) die meisten Falter von P. teleius beobachtet worden 9.3 Untersuchungen zu den Wirtsameisen waren (Probeflächen: PF 1a, PF 2, PF 4). In der Die Raupen von P. teleius und P. nausithous leben Nähe der Fläche PF 2 wurde ein ähnlicher Be- räuberisch in Ameisenestern der Gattung Myrmi­ reich berücksichtigt, auf dem P. nausithous bei ca (s. Einleitung), jedoch ist das Verhalten von P. den Falterbeobachtungen überwogen hatte (PF nausithous in den Ameisennestern nur unzurei- 3). Bei Fläche PF 5a handelte es sich um eine chend bekannt. Über eine Ernährung von Eiern Wiese mit Herbstmahd, die 2019 auf einen art- und kleinen Larven der Ameisen wird berichtet gerechten Mahdzeitpunkt umgestellt wurde. Die (Elfferich 1998), die stärkere soziale Integrati- Habitate an den ausgewählten Stellen reichten Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 131

Abbildungen 60-65. Falter und Larvalhabitat von Phengaris teleius und Phengaris nausithous. 60. Vier Falter von P. teleius an einem Blütenstand von Lythrum salicaria; Keimenklinge bei Bühlertann; 20.7.2017; 61. Falter von P. nausithous an einem Blütenstand von Sanguisorba officinalis. Studiofoto; 3.7.2012; 62. Letzter nennenswerter Vorkommensort von P. teleius im Bühlertal auf einer extensiven Mähweide bei Bühlertann; 12.6.2017; 63. Hoch- wüchsige Wiesenknopf-Glatthaferwiese mit Herbstmahd (Probefläche PF 5a der Wirtsameisenuntersuchungen), links im Hintergrund mehrschürige Feuchtwiese (PF 5b); Holzwiesen bei Bärenbronn; 14.8.2019; 64. Mehrschürige Wiesenknopf-Silauwiese (PF 4); Gewann Am Bauernwald bei Weihenbronn; 16.8.2018; 65. Wegbegleitender Gra- ben mit Bestand von S. officinalis (Teil von PF 6); Teichwiesen bei Klingenhof; 13.8.2019. – Fotos: Robert Güsten, Dennis Sanetra (61). 132 Carolinea 77 (2019) von brachliegenden oder sehr extensiv genutzten Annahme, dass beide potentiellen Wirtsarten, Feuchtwiesen (Abb. 63) bis hin zu wechsel­ M. scabrinodis und M. rubra, gleichermaßen taug- feuchten mehrschürigen Mähwiesen (Abb. 64). lich sind (vgl. Tartally et al. 2019). Die Probeflä- Bei einer Probefläche (PF 6) wurde ein Weg- chen mit den höchsten Falterzahlen von P. teleius randgraben mit Vorkommen von P. nausithous (PF 1a, PF 2, PF 4) wiesen eine mindestens dop- einbezogen (Abb. 65). In unmittelbarer Nach- pelt so hohe Nachweisdichte von M. scabrinodis barschaft der extensiv genutzten Flächen PF 1a verglichen mit M. rubra auf. Auf drei Probeflächen und PF 5a wurden zum Vergleich mehrschürige (PF 2, PF 5a, PF 5b) wurde von diesen beiden Mähwiesen beprobt (PF 1b bzw. PF 5b, Abstand Arten nur M. scabrinodis, aber nicht M. rubra ge- jeweils < 100 m). Bei zwei Probeflächen war die funden. Für P. nausithous waren die registrierten periphere Lage in benachbarten Landkreisen für Abundanzverhältnisse der potentiellen Wirtsa- ihre Berücksichtigung ausschlaggebend (PF 6: meisen damit deutlich ungünstiger, unter der An- Lkr. Schwäbisch Hall; PF 7: Hohenlohekreis). nahme, dass diese Art als Raupe nur bei M. ru­ Es wurden insgesamt fünf Myrmica-Arten auf den bra leben kann. Myrmica rubra kam an sechs von Flächen nachgewiesen (Tab. 13), wobei M. sca­ neun Untersuchungsstellen vor, mit meist deutlich brinodis und M. rubra erwartungsgemäß am geringerer Nachweisdichte als M. scabrinodis. Die häufigsten vertreten waren. Die grundsätzlich an einzige Fläche, auf der M. rubra an den Ködern Wälder angepasste Art M. ruginodis fand sich in überwog, war PF 3. Hierzu passt die Beobachtung, geringer Anzahl auf vier Probeflächen. Weiterhin dass dort P. nausithous häufiger war als P. teleius. gab es wenige Einzelnachweise der üblicherweise Bemerkenswert aber ist, dass Falter von P. nau­ xerothermophilen Arten M. sabuleti und M. schen­ sithous im Bereich der Flächen PF 5a und PF 5b cki. Als einzige Myrmica-Art war M. scabrinodis in Anzahl zu verzeichnen waren, M. rubra jedoch an allen Lokalitäten vertreten, und auf sieben der nicht nachgewiesen werden konnte (Tab. 13). neun Probeflächen war mehr als ein Drittel der Vergleichbare Studien der potentiellen Wirts- Köder von dieser Art besetzt (Tab. 13). Die unter- arten der beiden Ameisenbläulinge in Deutsch- suchten Flächen waren somit als Entwicklungs- land kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen, habitat für P. teleius gut geeignet, auch unter der so dass regionsspezifische Effekte eine Rolle

Tabelle 13. Ergebnisse der Köderfänge potentieller Wirtsameisen (Myrmica spp.) von Phengaris teleius und P. nau­ sithous auf neun Probeflächen in der Umgebung von Wüstenrot­ (Lkr. Heilbronn), 32 Köder pro Probefläche.­ Lokalität Fallen M. M. M. scabri­ M. M. mit Myrmica schencki sabuleti nodis rubra ruginodis südöstlich Neuhütten: Wiesen am 13/32 (41 %) - - 12 2 - Dachs­bach (PF 1a: frühe Brache)* südöstlich Neuhütten: Wiesen am 14/32 (44 %) - - 9 5 - Dachs­bach (PF 1b: mehrschürige Wiese) NSG Wiesen im Rot- und Dachsbachtal 12/32 (38 %) - 1 11 - - bei Finsterrot: Herrenwiese (PF 2) NSG Wiesen im Rot- und Dachsbachtal 16/32 (50 %) - - 5 10 2 bei Finsterrot: Rotwiesen (PF 3)* nordwestlich Weihenbronn: Am 25/32 (78 %) - 1 18 8 - Bauernwald (PF 4)* östlich Bärenbronn: Holzwiesen 25/32 (78 %) - - 24 - 2 (PF 5a: Wiese mit Herbstmahd)* östlich Bärenbronn: Holzwiesen 12/32 (38 %) 1 - 11 - - (PF 5b: mehrschürige Wiese) nördlich Klingenhof: Teichwiesen 21/32 (66 %) - 1 11 8 2 (PF 6)* südöstlich Brettach: Untere Allmand (PF 7)* 16/32 (50 %) - - 11 5 1 * hier übersteigt die Summe der Myrmica-Artnachweise die Anzahl der Fallen mit Myrmica-Ameisen, da an einzel- nen Köderstellen zwei Myrmica-Arten gesammelt wurden Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 133 spielen könnten. Ähnlich wie in der vorliegenden 10 Naturschutz und Biotoppflege für Arbeit wurde in Nordbayern (Steigerwald) von Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region einer Korrelation des Vorkommens von P. tele­ Die sich aus der vorliegenden Studie erge- ius mit M. scabrinodis, nicht aber mit M. rubra benden Vorschläge für artspezifische Pflege- berichtet (Reiser et al. 2002). Ein gegenteiliges maßnahmen sollen in der nahen Zukunft zusam- Ergeb­­nis erzielten Dierks & Fischer (2009) bei men mit den Landschaftspflegeverbänden, den einer Untersuchung im Westerwald, in der die Naturschutzbehörden und dem ehrenamtlichen Bestände beider Wiesenknopf-Ameisenbläu- Naturschutz in der Region umgesetzt werden. linge positiv mit der Häufigkeit von M. rubra, Ein probates Instrument hierfür ist unter ande- jedoch nicht M. scabrinodis, korreliert waren. rem auch das Artenschutzprogramm Schmetter- Interessant wäre es, die Frage zu ergründen, linge (ASP) unter der Obhut der Landesanstalt ob und in welcher Form die Wiesenknopf-Amei- für Umwelt, Baden-Württemberg (LUBW), in senbläulinge in Bezug auf ihre Wirtsameisen dem jedoch nur drei der hier behandelten Arten in Konkurrenz treten. Läge eine Konkurrenz­ (S. ilicis, P. thersites und P. teleius) vertreten sind. situation um die von beiden Bläulingen genutzte Im behördlichen Naturschutz besteht der Trend, Wirtsart M. rubra vor, könnte sich für P. teleius in sich verstärkt nur noch um die europarechtlich Habitaten mit einem Übergewicht von M. scab­ geschützten FFH-Arten zu bemühen, die jedoch rinodis durchaus ein Vorteil ergeben, weil dann nur eine sehr kleine Auswahl an Arten darstellen. die vorhandene Wirtsart monopolistisch genutzt In der Jagst-Kocher-Region sind dies L. dispar, werden könnte. P. teleius und P. nausithous. Diese Studie soll Wenn P. teleius sowohl M. scabrinodis als auch daher den Fokus auf weitere in ihrem Bestand M. rubra als Wirtsarten nutzen kann und sich bedrohte Arten lenken, die aufgrund der ge- keine bedeutenden Konkurrenzeffekte mit P. nau­ schilderten Konzentration auf bestimmte Instru- sithous ergeben, wäre die Besiedlungsdichte mente im Naturschutz sehr wenig Berücksichti- beider (und ggf. weiterer) Myrmica-Arten ge- gung finden. Zum Erhalt der biologischen Vielfalt meinsam als Qualitätsmerkmal für die Habitate (Biodiversität) muss das Spektrum der durch entscheidend. Jedoch zeigte die Wirtsartendichte spezielle Schutzmaßnahmen geförderten Arten (gemessen am Anteil der Köder mit Nachweis) in wesentlich erweitert werden, so wie es sich die Bezug auf die Probeflächen mit höheren Falter- im Jahr 2013 formulierte Naturschutzstrategie zahlen von P. teleius (ohne standardisierte Me- Baden-Württemberg zum Ziel gesetzt hat (um. thoden ermittelt) keinen erkennbaren Trend (38 % baden-wuerttemberg.de/de/umwelt-natur/na bis 78 %). In ähnlicher Weise war keine Korrela- turschutz/biologische-vielfalt-erhalten-und-foer tion der Bestandsdichte von Myrmica-Arten mit dern/naturschutzstrategie/). einem bestimmten Habitat-Typ zu erkennen. Auf verschiedenen mehrschürigen Wirtschaftswiesen 10.1 Trockenlebensräume im Naturraum waren 38 % (PF 5b) bis 78 % (PF 4) der Köder be- Kocher-Jagst-Ebenen sucht (Tab. 13), genau die gleichen Werte fanden Die untersuchten Arten trockenwarmer Lebens- sich aber auch auf zwei Flächen mit Pflegeschnitt räume, G. alexis, C. minimus, P. thersites und im Herbst (PF 3 bzw. PF 5a). Die Ergebnisse las- S. spini, zeigen ein bemerkenswert ähnliches sen nicht darauf schließen, dass die Ge­samtzahl Verbreitungsbild im Naturraum Kocher-Jagst- der Myrmica-Nester von der Feuchtigkeit des Ebenen (Abb. 2, 10, 19, 35). Die Vorkommens­ Standorts abhängt. Die Vorstel­lung einer Präfe- orte liegen vornehmlich an den südwestlich bis renz von M. scabrinodis für trockenere und von südöstlich exponierten Hängen des Jagst-Tals M. rubra für feuch­tere Be­dingun­gen ist zweifellos etwa von Krautheim bis Langenburg sowie an zu vereinfacht. Während dies im Bereich intensiv einigen Nebenflüssen zu beiden Seiten (Sindel- bewirtschafteter Wiesen zutref­fen könnte, domi- bach, Ginsbach, Laibach, Ette u.a.). Auch ein- niert andererseits M. scabrinodis offenbar auch zelne Stellen am Langenbach, einem nördlichen in höherwüchsigen Feuchtbra­­chen oder Flächen Zufluss des Kocher, sind von den genannten mit nur gelegentlicher Mahd. Erschwert wird die Arten (außer P. thersites) besiedelt, nicht jedoch Beurteilung der Verhältnisse durch die jüngste das Kocher-Haupttal. Entlang des Unterlaufs des Erkenntnis, dass M. scabrinodis in Mitteleuropa Kocher sind die Muschelkalkhänge reliefbedingt zwei biologische Arten umfasst, die an äußeren wenig ausgeprägt, während an seinem Mittellauf Merkmalen bisher nicht unterschieden werden der Weinbau in den überwiegend flurbereinigten können (Ebsen et al. 2019). Hanglagen auf größeren Flächen als an der 134 Carolinea 77 (2019)

Abbildung 66. Eine sehr kleinparzellierte Nutzung wirkt sich auf die Bestän- de von Polyommatus ther­ sites positiv aus. Diese Form der Bewirtschaftung bringt immer stellenweise spärlich bewachsene Be- reiche mit nachtreibenden Onobrychis viciifolia hervor. Im Tauberland hat sich da- durch an diesem sehr iso- lierten Vorkommensort eine kleine Lokalpopulation von P. ther­sites erhalten können; Langer Weinberg bei Ober- lauda; 22.7.2019. – Foto: Matthias Sanetra.

Jagst persistiert und dadurch die Anzahl natur- Säumen zu erhalten oder wiederzuerlangen, bei- naher Biotope begrenzt. Demgegenüber zeigen spielsweise durch eine geringere Pflegeintensi- sich die ehemaligen Weinbergslagen an der un- tät in Randbereichen der Magerrasen. Auch eine teren Jagst westlich von Krautheim (insbesonde- Verringerung der Mahdfrequenz an Wegrändern re im Lkr. Heilbronn) oftmals fast flächendeckend wäre für das Überleben der Raupen im Hinblick von wärmeliebenden Gehölzen bestanden, die auf Esparsette und Tragant wünschenswert, al- wenigen offenen Bereiche sind weit stärker iso- lerdings scheint eher ein gegensätzlicher Trend liert. Plebejus argyrognomon und Polyommatus mit häufigeren Schnitten und Mahd im Mai und bellargus (Rottemburg, 1775) (Himmelblauer Juni zu bestehen. Zusätzlich benötigt G. alexis Bläuling) kommen dort in geringer Anzahl vor, wegen der hohen Ausbreitungstendenz der Ima- die Zielarten der vorliegenden Studie jedoch gines einen intakten Biotopverbund (vgl. Sanetra nicht. Es zeigen sich positive Einflüsse auf den et al. 2015). Liegen nämlich die Reproduktions- Bestand an Magerrasenflächen durch das Land- habitate in zu großen Abständen voneinander, schaftspflegeprojekt „Trockenhänge im Kocher- erhöht sich zwangsläufig die Mortalität umher- und Jagsttal“, welches seit 1989 im Landkreis streifender Tiere. Schwäbisch Hall und besonders im Hohenlohe- Die Falterbestände von Cupido minimus kön- kreis einen Schwerpunkt der Arbeit von Unteren nen hauptsächlich durch eine Unterstützung Naturschutzbehörden und Landschaftserhal- der Wundklee-Vorkommen gefördert werden tungsverbänden bildet. (vgl. Krauss et al. 2004). Eine Erhaltung des Aus den gewonnenen Erkenntnissen zur Lebens- Wundklees auf Halbtrockenrasen wird am bes­ weise der Bläulinge ergeben sich Möglichkeiten ten durch Hüteschafbeweidung erreicht, da die für den praktischen Naturschutz, die Bestands­ Pflanze sehr magere Standortbedingungen be- situation dieser bedrohten Arten zu verbessern. nötigt. Allerdings sollte die Beweidung nur exten- Im Falle von G. alexis sollten die beiden wichtigen siv erfolgen, da der Wundklee bevorzugt von den Raupennahrungspflanzen in der Region, Süßer Weidetieren verbissen wird. Der Wundklee ist Tragant und Saat-Esparsette, bis zur Verpup- zudem ein Rohboden-Pionier, so dass durch lo- pung der Raupen (etwa Anfang Juli) von Mahd kalen Abtrag der oberen Bodenschichten gezielt oder Beweidung verschont werden. Der Süße neue Standorte geschaffen werden können (vgl. Tragant wächst mit Vorliebe in halbschattigen, Willig 2013). Die Zunahme der Mahd von Weg- gebüschnahen Saumbereichen der Magerrasen, rändern und Böschungen (zum Teil ohne erkenn- in Streuobstbeständen und entlang von Weg- baren Grund innerhalb von nicht genutzten, na- rändern. Hier gilt es den Strukturreichtum von turschutzfachlich wertvollen Biotopen) wirkt sich Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 135

Abbildung 67. Stellenweise ist die Gehölzpflege im Bereich der Steinriegel an den Trockenhängen des Jagst-Tals sehr intensiv. Rhamnus cathartica wird dabei meistens auch ent- fernt. An den nachtreiben- den Schösslingen konnten zwar an dieser Lokalität einige Eier von Satyrium spini gefunden werden, es existieren aber nur noch we- nige Einzelpflanzen; Hollen- bacher Berg bei Mulfingen; 17.4.2019. – Foto: Robert Güsten. wie bei G. alexis negativ auf die Bestände von für die Eiablage (vor allem der Falter der 2. und C. minimus aus, denn der Wundklee wächst oft 3. Generation) geeignet sind. Die Verhältnisse bevorzugt in diesen Bereichen. Die Anzahl der sind dann ähnlicher zu den Wuchsorten der ur- in den Blütenständen lebenden Raupen nimmt sprünglichen Wirtspflanze in Mitteleuropa, der von Mai bis August ab, so dass frühe Mahdzeit- Sand-Esparsette (s. Kap. 3.3), im Vergleich zu punkte zu vermeiden sind, wenn nicht ganz auf den hochwüchsigen Saat-Esparsetten-Bestän- eine Mahd dieser mageren Standorte verzichtet den mit dichter Begleitvegetation. Für die Eta- werden kann. blierung von stabilen Ameisen-Assoziationen Als einzige Nahrungspflanze für die Raupen werden möglicherweise lückige Standorte der von P. thersites kommt die Saat-Esparsette in Esparsetten benötigt (s. Kap. 3.5). der Region nur lokal in größerer Dichte vor. Die Die Verbesserung der Situation des Purgier- Präimaginalstadien dieses Bläulings sind in der Kreuzdorns in der Jagst-Kocher-Region ist für Zeit von April bis August durch die Entfernung die langfristige Erhaltung von S. spini als drin- der Esparsetten im Zuge von Beweidung oder gend notwendig zu erachten. An den Trocken- Mahd gefährdet. Selbst extensive Beweidung hängen sind die Pflegemaßnahmen, insbeson- wird unter Umständen nicht gut vertragen, da dere im Bereich der Steinriegel, in erheblichem die Saat-Esparsette von Schafen und Rindern Maße mitverantwortlich für den ausgeprägten bevorzugt gefressen wird. Auf der Basis von Be­ Mangel an Kreuzdorn (s. auch Ebert & Rennwald o­b­­achtungen im Tauberland (Sanetra et al. 2015) 1991). Die für die Raupenentwicklung wichtigen und in der Jagst-Kocher-Region wird eine Mahd Schösslinge und kleinen Pflanzen (s. Kap. 5.3) in bestimmten Teilbereichen eines Habitats zu werden regelmäßig zusammen mit dem Jung- verschiedenen Zeitpunkten (Mosaikpflegekon- wuchs anderer Gehölze, insbesondere Schlehe zept) vorgeschlagen (vgl. Willig et al. 2013), und Hartriegel, bei der Entbuschung entfernt wodurch stets verschiedene Abschnitte in un- (Abb. 67). Da die meisten Gehölze deutlich terschiedlichen Stadien der Aufwuchshöhe be- schneller nachwachsen als der Kreuzdorn, wird reitgestellt werden (Abb. 66). In der Konsequenz letzterer im Laufe aufeinander folgender Gehölz- gibt es dann immer Flächen, die sich für die Ei- pflege-Zyklen sukzessive verdrängt. Die haupt- ablage und Larvalentwicklung von P. thersites sächlich notwendige Erhaltungsmaßnahme für in günstigem Zustand befinden. Besonders bei S. spini bildet daher der Erhalt kleinerer Kreuz- trockenen Bodenverhältnissen findet sich län- dorne bei der Entbuschung mittels vorheriger gere Zeit nur ein geringer Aufwuchs, während Markierung der Pflanzen. Lokal könnten auch die rasch nachtreibenden Esparsetten schon Neuanpflanzungen an geeigneten Stellen ange- 136 Carolinea 77 (2019)

Abbildung 68. Diese Grün- landstruktur entstand durch sehr extensive Pflegebe- weidung durch Schafe und erweist sich als günstig so- wohl für Plebejus argus als auch für Lycaena dispar. Für L. dispar ist dies ein un- gewöhnlicher Vorkommens­ ort abseits der Flusstäler. Zahlreiche Eier dieser Art konnten hier an Rumex crispus gefunden werden, einige wenige an Rumex obtusifolius; NSG Gipsbruch Kirchbühl bei Lorenzenzim- mern; 22.8.2019. – Foto: Rolf Prosi. bracht sein. Ein eingeschränktes Zurückschnei- rische Pflege von Flächen mit Saat-Esparsette den in größeren Abständen kann sich zusätz- würde in Zukunft auch die Etablierung von G. ale­ lich vorteilhaft auf die Eignung der Pflanzen für xis in der Region begünstigen. Gleichermaßen die Raupenentwicklung auswirken. Unbedingt könnte die Bestandssituation von C. minimus zu schützen sind auch vorhandene größere unter Umständen deutlich verbessert werden, Pflanzen der zweihäusigen (diözischen) Art an wenn ausreichend Trittstein-Biotope zwischen Wald- und Gebüschrändern und auf höher be- den isolierten Lokalitäten durch die Vermehrung wachsenen Steinriegeln. Diese sind zwar für die von Wundklee-Standorten geschaffen würden. Larvalentwicklung von S. spini kaum geeignet, Bei S. spini ist eine Ausbreitung auf die Hohen- ermöglichen aber die natürliche Verjüngung der loher-Haller-Ebene eher unwahrscheinlich. Die Bestände. kleinen Bestände des Purgier-Kreuzdorns an wenigen Lokalitäten sind überaltert und eine na- 10.2 Trockenlebensräume im Naturraum türliche Verjüngung findet offenbar kaum statt. Hohenloher-Haller-Ebene Das Vorkommen von P. argus ist eng gebunden Von den vier untersuchten Arten der Trockenhabi- an größere Bestände der Wirtsameise, bei der es tate des Jagst-Tals weist nur P. thersites im Natur- sich in der Jagst-Kocher-Region um Lasius niger raum Hohenloher-Haller-Ebene eine beständige handelt. Liegt die Zahl der Wirtsameisen-Nester Verbreitung mit einer Anzahl von Vorkommen unter einer gewissen Grenze, kann P. argus nur auf, zwischen denen in begrenztem Maße ein auftreten, wenn sich eine größere Population in Austausch stattfinden kann. Die Saat-Esparsette der Nachbarschaft befindet (max. 3 km im Tau- wächst nicht nur auf den Halbtrockenrasen an berland, Sanetra et al. 2015) – bedingt durch die den Hängen der Flusstäler, sondern auch auf Standorttreue der Falter. L. niger reagiert zwar Streuobstwiesen, extensiven Rinderweiden und nur mäßig empfindlich auf Mahd, Beweidung ehemaligen Tagebauflächen. Ein enger Biotop- oder Düngung (Seifert 2017), doch zeigen sich verbund der Vorkommen von P. thersites wie im die Nestdichten bei intensiverer Nutzung der mittleren Jagst-Tal besteht jedoch nicht (s. Kap. Flächen geringer. Die Ausbildung von Nesthü- 3.1). Durch eine Extensivierung der Grünland- geln, die üblicherweise auf Grünlandflächen (im nutzung ist ein Potential zur Verbesserung dieser Gegensatz z.B. zu vegetationsarmen Flächen) Situation gegeben, indem weitere Esparsetten- beobachtet wird, ist dann nicht möglich. Folglich Bestände zwischen den sechs bisher bekannten kann ab einer gewissen Nutzungsintensität kei- Lokalpopulationen durch P. thersites dauerhaft ne selbsterhaltende Population von P. argus be- besiedelt werden könnten. Die naturschütze- stehen. Die Zahl der geeigneten Lebensräume Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 137 der Art in der stark genutzten Kulturlandschaft Die Ergebnisse der Kartierung zeigen, dass ist nur noch gering, ihr Gefährdungsgrad wird L. dispar die schon viele Jahre zurückliegende vermutlich unterschätzt (Rote Liste Baden-Würt­ Arealerweiterung entlang von Jagst und Kocher temberg, Ebert et al. 2005: Art der Vorwarnliste). aufrechterhalten konnte. Dennoch tritt die Art nur Insbesondere besteht innerhalb des kleinen Teil­ in geringer Dichte auf und ist durch die intensive areals auf der Hohenloher-Haller-Ebene kein Grünlandnutzung in den Flussauen bedroht, wo ausgeprägter Biotopverbund (s. Kap. 4.1). Au- sich der größte Teil ihrer Reproduktionshabitate ßerdem bewohnen selbst individuenreiche Po- befindet. Somit ist der Fortbestand von L. dispar pulationen in dieser Region wesentlich kleinere von diesen Flächen abhängig. Die Entwicklung Flächen als z.B. im benachbarten Tauberland. kann nur erfolgreich abgeschlossen werden, Die angezeigten Pflegeregime reichen von sehr wenn die Raupen zwischen zwei Mahden ge- sporadischer Gehölzpflege an Rohboden-Stand- nügend Zeit für ihre Entwicklung haben, daher orten (wie im NSG Gipsbruch Kirchbühl) über können sich bei mehr als zwei Schnitten wohl nur extensive Beweidung zu höchstens einmaliger ausnahmsweise Falter entwickeln. Auf zweischü- jährlicher Mahd. Die sporadische Beweidung rigen Wiesen besteht eine Abhängigkeit von den der Grünlandflächen im NSG Gipsbruch Kirch- Mahdzeitpunkten. So wurden in dieser Studie bühl zeigt sich als für die Art günstig (Abb. 68). an zwei Lokalitäten am 25.6.2019 über 50 Eier Innerhalb des Vorkommensgebiets von P. argus markiert, um dort später nach den erwachse- im Naturraum Hohenloher-Haller-Ebene sollte nen Raupen zu suchen. Etwa vier Wochen spä- die Etablierung neuer Populationen durch ent- ter hatte auf beiden Wiesen bereits die nächste sprechende Extensivierungsmaßnahmen bei der Mahd stattgefunden und die meisten Raupen Grünlandnutzung angestrebt werden. waren wahrscheinlich vernichtet worden. Das Überleben der Art beruht auf der großen Zahl 10.3 Lebensräume feuchter Standorte unterschiedlich bewirtschafteter Flächen, von Die untersuchten Arten L. dispar, P. teleius und denen stets einige den Abschluss der Larval- P. nausithous bewohnen durch höhere Feuchtig- entwicklung erlauben. Weitere Intensivierung keit geprägte Biotoptypen sowohl in den Flusstä- mit Düngung und Erhöhung der Anzahl der jähr- lern der Jagst-Kocher-Region als auch in größe- lichen Schnitte droht die Menge der geeigneten ren Höhenlagen der Schwäbisch-Fränkischen Habitate in Zukunft zu senken. Waldberge. Hier kommen sie auf meso- bis hy­ Die Anzahl der ein- bis zweischürigen Wiesen mit grophilem Grünland unterschiedlicher Ausprä- angepassten Mahdzeitpunkten durch Abschluss gung vor, welches in vielen Fällen einer inten- von LPR-Verträgen sollte in der Jagst-Kocher- siven landwirtschaftlichen Nutzung unterliegt. Region unbedingt erhöht werden. Für L. dispar Während die Wiesenknopf-Ameisenbläulinge wäre ein Schwerpunkt auf solche Flächen zu le- wechselfeuchte Wiesenknopf-Silauwiesen be- gen, auf denen in Gutachten und Literaturquellen vorzugen, wachsen die Raupen von L. dispar eine hohe Dichte an Eiern nachgewiesen wurde. überwiegend auf stickstoffreichen, meist inten- Besonders erhaltenswert sind Sonderstandorte siv genutzten Mähwiesen und -weiden auf. Da- abseits der Flusstäler mit oft überdurchschnitt- bei benötigt der Große Wiesenknopf wesent- licher Reproduktionsrate an Krausem Ampfer. lich magerere Standorte als beispielsweise der Im NSG Gipsbruch Kirchbühl bewährt sich eine Stumpfblättrige Ampfer. Düngung, Mulchen und extensive Schafbeweidung (Abb. 68), während Beweidung ergeben häufig für die Ampfer-Arten im Bereich des Solarparks am Stettenring Erhal- geeignete Flächen, während der Wiesenknopf tungsmaßnahmen wahrscheinlich bereits zu spät nach relativ kurzer Zeit stark zurückgeht oder kommen (s. Kap. 7.4). Außerdem sind Schutz- verschwindet. Die weitgehende Abhängigkeit maßnahmen für die sehr wenigen Lebensräume dieser Bläulingsarten von mehrschürigen Wie- des Fluss- und Wasser-Ampfers in der Region sen bedeutet eine besondere Herausforderung ins Auge zu fassen. Auf administrativer Seite wird für den Artenschutz. Die Naturschutzbehörden vorgeschlagen, einige für den Erhalt der Art be- bauen dabei auf den Vertragsnaturschutz im sonders bedeutsame Popula­tionen von L. dispar Rahmen der Landschaftspflegerichtlinie (LPR). wieder im Artenschutzprogramm Schmetterlinge Landwirte verpflichten sich freiwillig vertraglich Ba­den-Württembergs (ASP) zu berücksichtigen. zur Nutzung bestimmter Flächen in einer artge- Einige FFH-MaP der Jagst-Kocher-Region (v.a. rechten Bewirtschaftungsform und erhalten dafür Gebiets-Nr. 6622-341, 6825-341, 6924-341 und Zuschüsse. 6924-342) sollten bezüglich L. dispar überar- 138 Carolinea 77 (2019) beitet werden, denn die Art blieb in diesen trotz landwirtschaftlich genutzter Flächen (meist zwei- ihres Vorkommens unberücksichtigt. schüriger Wiesen) für die Raupenentwicklung Die mageren Flachland-Mähwiesen als bedeu- durch artgerechte Mahdzeitpunkte sichern soll. tende Lebensräume für die Wiesenknopf-Amei- Es muss eine Mahdruhe etwa vom 10.6. bis 10.9. senbläulinge zeigen eine besondere Erhaltungs- gewährleistet sein, damit den im Juli fliegenden problematik. Beispielhaft hierfür sind die jüngsten Faltern blühende Wiesenknopf-Pflanzen für die Bestandsrückgänge von P. teleius im Bühlertal Eiablage zur Verfügung stehen und die Raupen (s. Kap. 9.1), welche die besonderen Schwierig- die frühe Phase ihrer Entwicklung in den Blüten- keiten bei der Erhaltung der Ameisenbläulinge köpfen abschließen können (Abb. 69). Neben auf landwirtschaftlich genutzten Grünlandflä- den mehrschürigen Wiesen finden sich im NSG chen aufzeigen. Die Grenzen des Vertragsna- Wiesen im Rot- und Dachsbachtal bei Finsterrot turschutzes werden hier deutlich erkennbar. flächige Bestände des Großen Wiesenknopfes Bis vor kurzem bestand ein Biotopverbund von auf ungenutzten Flächen, die durch Pflegemahd etwa zehn Lokalitäten, die durch LPR-Verträge erhalten werden. Solche Lebensräume sind in mit mehreren Land­wirten in einem guten Erhal- anderen Regionen seltener. Im Projektverlauf tungszustand verbleiben konnten. Nach dem konnte erreicht werden, dass auf einigen unge- Auslaufen dieser Verträge in den vergangenen nutzten Flächen außerhalb des NSG eine für Jahren sind die Bestände von P. teleius in kur- Ameisenbläulinge artgerechte Mahd stattfindet. zer Zeit nahezu erloschen. Die dem Naturschutz Des Weiteren wurde auf Schutzmaßnahmen zur Verfügung stehenden Mittel zur artgerechten für kleinere angrenzende Flächen im Landkreis Bewirtschaftung set­zen die Kooperationsbereit- Schwäbisch Hall und im Hohenlohekreis hinge- schaft der Landwirte voraus. Sie ist in der Region wirkt, die gleichfalls der genannten Metapopula- kaum noch gegeben! Die Möglichkeiten der Flä- tion von P. teleius zuzurechnen sind. chennutzung für die Biogaserzeugung und die Neuere Studien haben gezeigt, dass eine er- Problematik von bürokratischen Kontrollverfah- folgreiche Larvalentwicklung von P. teleius glei- ren machen den Abschluss von LPR-Verträgen chermaßen bei M. rubra wie bei M. scabrinodis für die Landwirte oftmals ökonomisch unattraktiv. möglich ist (s. Kap. 9.3). Trotzdem deuten eini- In der Umgebung von Wüstenrot (vorwiegend ge Untersuchungen darauf hin, dass in vielen Lkr. Heilbronn) existiert noch eine Metapopu- für P. teleius günstigen Habitaten die Wirtsart lation von P. teleius, wenngleich auch hier ein M. scabrinodis dominiert (Reiser et al. 2002, vor- merklicher Rückgang zu verzeichnen ist. Es be- liegende Studie). Eine Möglichkeit der Erklärung stehen etwa zehn LPR-Verträge, die die Eignung wäre eine Konkurrenzsituation zwischen den bei-

Abbildung 69. An diesem früheren Vorkommensort von Phengaris teleius (seit 2008 mehrfach dokumen- tiert) stand zur Flugzeit im Jahr 2018 – wie auf vielen anderen mehrschüri- gen Wie­sen – kein Wiesen- knopf für die Eiablage zur Verfügung. Die Mahd war deutlich nach dem 10.6. er- folgt, sodass Blütenstände noch nicht nachge­trieben waren. Daher war die Fläche im Beobachtungs­ jahr nicht als Larvalhabitat für Ameisenbläulinge geeig­ net; Alter Hau bei Wüsten- rot; 17.7.2018. – Foto: Ro­ bert Güsten. Güsten et al.: Bläulinge in der Jagst-Kocher-Region: Verbreitung, Ökologie, Schutz 139 den Arten der Wiesenknopf-Ameisenbläulinge für den Artenschutz eine besondere Bedeutung (s. Kap. 9.3). Dem steht die Vorstellung gegen- zu. Nahe Wüstenrot finden sich beispielsweise über, dass die Gesamtdichte der Myrmica-Nester zwei naturnahe Lokalitäten in höherwüchsigen, auf einer Fläche und nicht der Anteil der Nester ungenutzten Bereichen am Dachsbach (Kap. 9.3, einer bestimmten Myrmica-Art die Häufigkeit von Tab. 13). Den Autoren ist weiterhin ein Vorkom- P. teleius beeinflussen sollte (s. Kap. 9.3). Mög- mensort von P. teleius im Vorderen Odenwald licherweise ergeben sich schlüssigere Ergeb- (Hessen, Lkr. Darmstadt-Dieburg) bekannt, an nisse, sobald es möglich wird, die beiden bio- dem fast jedes Jahr sehr hohe Falterdichten zu logischen Arten, die sich hinter M. scabrinodis beobachten sind. Die Flächen werden vor dem verbergen (Ebner et al. 2019), in Feldstudien zu 10.6. gemäht und im Herbst extensiv mit Rindern unterscheiden. Bevor es zu diesen Thematiken nachbeweidet (M. Petersen, pers. Mitt.). Insofern neue Erkenntnisse gibt, erscheint es riskant, im könnte im Falle der Möglichkeit einer Nutzungs- Naturschutz Maßnahmen zur Verän­derung der extensivierung bis­her zweischüriger Wiesen von P. teleius besiedelten Habitate bezüglich eine Frühjahrsmahd gegenüber Herbstmahd zur einer Förderung von M. scabrinodis gegenüber Unterstützung von P. teleius favorisiert werden. M. rubra (wie z.B. Hinwirkung auf trockenere Zweifellos sind weitere umfangreiche Studien Substratverhältnisse durch sehr frühe und ggf. notwendig, um zu ermitteln, welche Habitat­ mehrfache Mahd im Frühjahr) einzuleiten. Bei ausprägungen an Wiesenknopf-Standorten die erheblicher Modifikation eines solchen Lebens- höchsten Dichten an Myrmica-Nestern erlauben. raums besteht die Gefahr, dass die Gesamtzahl der Myrmica-Nester sinkt. Eine Erhöhung der Dichte der Myrmica-Nester Dank Wir danken allen unseren Partnern in der Jagst-Ko- sollte sich für P. teleius in jedem Falle positiv aus- cher-Region für ihre wertvolle Unterstützung bei der wirken (z.B. Dierks & Fischer 2009), jedoch ist Durchführung dieser Studie, für den sehr freundlichen noch unklar, wie diese erreicht werden kann. Die Informationsaustausch und die angenehmen und pro- eigenen Ergebnisse (Kap. 9.3, Tab. 13) zeigen kei- duktiven gemeinsamen Geländetermine: Landschafts- nen deutlichen Zusammenhang zwischen Myrmi­ erhaltungsverband für den Landkreis Schwäbisch Hall ca-Dichte und Nutzungsart. Dabei hatten sowohl e.V.: Antonia Klein, Meike Andruschkewitsch, Ronja Ro­ hochwüchsige Wiesenknopf-Glatthaferwiesen mit senstein (Schwäbisch Hall); Landschaftserhaltungsver- herbstlicher Pflegemahd (PF 5a) als auch zwei- band Hohenlohekreis e.V. und Landratsamt Hohenlo- schürige Wiesenknopf-Silauwiesen (PF 4) eine hekreis: Michael Buss, Dunja Ankenbrand (Künzelsau); Landschaftserhaltungsverband für den Landkreis Heil- hohe Myrmica-Dichte, wie auch eine relativ große bronn e.V.: Bettina Kluding (Heilbronn); NABU Gaildorf- Anzahl an P. teleius. Auf manchen mehrschürigen Limpurger Land: Karl-Heinz Johe; NABU Künzelsau: Wiesen (PF 5b, PF 1b) fanden sich hingegen Brigitte Vogel; NABU Öhringen: Karl-Heinz Müller; wesentlich weniger Myrmica-Ameisen an den Schwäbischer Albverein e.V., Ortsgruppe Neuhütten: Ködern. Eine sporadisch gemähte Wiesenknopf- Adolf Feucht. Für die wie immer gute Zusammenarbeit Glatthaferwiese (PF 2) unterschied sich in ihren gilt unser Dank auch Frau Astrid Grauel (LUBW Karls- Habitatcharakteristika und auch in der Myrmica- ruhe). Herr Rolf Prosi (Aalen) unternahm mit uns meh- Artenzusammensetzung kaum von der vorher rere erfolgreiche Feldexkursionen und teilte freundli- genannten Fläche mit herbstlicher Mahd (PF 5a), cherweise seine umfangreichen Beobachtungen und Neunachweise von P. thersites und anderen Zielarten aber die Myrmica-Dichte war um mehr als die mit dieser Studie. Frau Susanne Röper (Neuenstein) Hälfte geringer. Folglich kann vorerst nur ange- ermöglichte uns die Berücksichtigung eines Standorts raten werden, Lokalitä­ten mit guten Vorkommen des Fluss-Ampfers und besuchte dankenswerterweise von P. teleius in ihrem jeweiligen Charakter be- mit uns gemeinsam einige ihrer zahlreichen Fundorte züglich Feuchtigkeit und Vegetationsstruktur zu von L. dispar und P. nausithous. Herr Stefan Mayer erhalten. (Öhringen) machte uns großzügigerweise seine um- Aufgrund von Unterschieden bei der Lebensweise fangreiche Liste der Artbeobachtungen zugänglich, der Raupen (s. Kap. 9.3) wird nur selten beobach- die er in langjährigen Feldstudien erarbeitet hat. Herr tet, dass P. teleius an einer Lokalität häufiger ist Uwe Knorr (Untermünkheim) trug gleichfalls mehrere Neu­nachweise bei und unterstützte uns bei der Or- als P. nausithous; somit bildet P. teleius natürlicher- ganisation und Durchführung von zwei öffentlichen weise nur geringe Populationsdichten aus (sog. Exkursionen in der Jagst-Kocher-Region. Herr Ste­ low-density species). Flächen mit hohen Dichten phan Schwarz (Bad Mergentheim) steuerte Beobach- von P. teleius, auch wenn diese vielfach durch tungsdaten bei. Herr Michael Meier (Münsingen) stellte menschliche Einflüsse entstanden sind, kommt eine kartographische Darstellung der Nachweise von 140 Carolinea 77 (2019)

L. dispar aus den FFH-MaP der Region zur Verfügung. Dierks, A. & Fischer, K. (2009): Habitat requirements Unser Dank gilt Herrn Arik Siegel (Lorsch) für die and niche selection of Maculinea nausithous and M. Aufzucht von Raupen aus dem Untersuchungsgebiet teleius (Lepidoptera: Lycaenidae) within a large sym- und für die Informationen zur Phänologie von Cupido patric metapopulation. – Biodiversity and Conserva- minimus. Neben Herrn Rolf Prosi gilt unser Dank be- tion 18: 3663-3676. sonders Herrn Dennis Sanetra (Ober-Ramstadt) für die Dolek, M., Freese-Hager, A., Georgi, M., Bräu, M., Möglichkeit, ihre hervorragenden Fotos verwenden zu Poschlod, P. & Stettmer, C. (2019): Der Hochmoor- können. Herrn Prof. Dr. Konrad Fiedler (Wien) danken gelbling (Colias palaeno) – das Mikroklima der Lar- wir herzlich für seine wichtigen Informationen zu den vallebensräume ist entscheidend für sein Überleben. Wirtspflanzenspektren obligat mutualistischer Bläu- – ANLiegen Natur 41: 101-112. lingsarten. Die Untersuchungen stehen in Abstimmung Dolek, M. & Geyer, A. (2000): Vorkommen und Pfle- mit dem Referat 56 (Naturschutz und Landschafts- gemaßnahmen für Eumedonia eumedon auf dem pflege) des Regierungspräsidiums Stuttgart (Gebiets- Grundstück des BN in der Gemarkung Schambach. referentin für den Hohenlohekreis und den Landkreis – 12 S.; Nürnberg, Bund Naturschutz [unveröffent- Schwäbisch Hall: Frau Dr. Susanne Bonn; Gebietsrefe- lichtes Gutachten]. rentin für den Landkreis Heilbronn: Frau Verana Gal). Ebert, G., Hofmann, A., Meineke, J.- U., Steiner, A. & Dieses Projekt („Naturschutzfachliche Untersuchungen Trusch, R. (2005): Rote Liste der Schmetterlinge an Bläulingen im Bereich von Jagst und Kocher“) des (Macrolepidoptera) Baden-Württembergs (3. Fas- Staatlichen Museums für Naturkunde Karlsruhe wird sung). – In: Ebert, G. (ed.): Die Schmetterlinge durch die Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württem- Baden-Württembergs, Band 10. Ergänzungsband: berg gefördert (Proj.-Nr. 73-8831.21/546 91-1705L, 110-136; Stuttgart (Ulmer). Bewilligung vom 3.5.2017), für die finanzielle Unterstüt- Ebert, G. & Rennwald, E. (1991): Die Schmetterlinge zung unserer Arbeit danken wir der Stiftung aufrichtig. Baden-Wurttembergs. Band 2. Tagfalter II. – 535 S.; Stuttgart (Ulmer). Literatur Ebsen, J. R., Boomsma, J. J. & Nash, D. R. (2019): Phy- Álvarez, M., Munguira, M. L. & Martínez-Ibáñez, M. D. logeography and cryptic speciation in the Myrmica (2012): Nuevos datos y recopilación de las relacio­ scabrinodis Nylander, 1846 species complex (Hy- nes entre Lycaenidae y Formicidae en la Penínsu- menoptera: Formicidae), and their conservation im- la Ibérica (Lepidoptera: Lycaenidae; Hymenoptera: plications. – Conservation and Diversity 12: Formicidae). – SHILAP Revista de Lepidopterología 467-480. 40: 45-59. Elfferich, N. W. (1998): New facts on the life history Balletto, E., Bonelli, S., Settele, J., Thomas, J. 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