Masarykova univerzita Filozofická fakulta

Ústav germanistiky, nordistiky a nederlandistiky

Magisterská diplomová práce

2014 Andrea Šušlíková

Masarykova univerzita Filozofická fakulta

Ústav germanistiky, nordistiky a nederlandistiky

Německý jazyk a literatura

Bc. Andrea Šušlíková

Germanische Stämme in der Spätantike und im Frühmittelalter mit besonderer Berücksichtigung der Pyrenäenhalbinsel

Magisterská diplomová práce

Vedoucí práce: Mgr. Vlastimil Brom, Ph.D.

2014

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Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbständig ausgearbeitet habe und dass ich nur die angeführten Quellen und Literatur verwendet habe.

Brünn, den 30. 4. 2014 ………………………………………

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An dieser Stelle möchte ich mich bei dem Betreuer meiner Arbeit, Herrn Mgr. Vlastimil Brom, Ph.D., für seine Zeit und wertvolle Ratschläge bedanken. Ich danke auch meiner Familie, die mich während des ganzen Studiums unterstützt hat.

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INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG ...... 7 2. HERKUNFT DER GERMANEN UND DIE ERSTEN BELEGTEN STÄMME...... 9 2.1. DER NAME DER GERMANEN UND IHR KÖRPERLICHES AUSSEHEN ...... 11 2.2. ERSTE KONTAKTE MIT DEM RÖMISCHEN REICH UND DIE ENTWICKLUNG BIS ZUR ZEIT DER VÖLKERWANDERUNG ...... 12 2.3. GERMANEN UND IHRE LEBENSWEISE ...... 19 2.4. GERMANISCHE RELIGION ...... 23

3. DIE WANDERUNG DER GERMANISCHEN VÖLKER UND DIE TRANSFORMATION DER RÖMISCHEN WELT ...... 28 3.1. EINFALL DER HUNNEN IN EUROPA ...... 30 3.2. ÜBER DIE HERKUNFT UND DAS LEBEN DES REITERVOLKES DER HUNNEN ...... 32 3.3. DIE GOTEN ...... 34 3.4. DIE GOTEN WÄHREND DES HUNNENSTURMS UND UNTER IHRER OBERHERRSCHAFT ...... 36 3.5. DIE TERWINGEN UND DIE ENTSTEHUNG DER WESTGOTEN BIS ZUR GRÜNDUNG DES TOLOSANISCHEN REICHES ...... 42 3.6. DIE ERSTEN CHRISTEN UNTER DEN GERMANEN ...... 48 3.7. DIE ENTSTEHUNG DER OSTGOTEN UND IHRE ENTWICKLUNG ...... 50 3.8. DIE VANDALEN, SUEBEN, ALANEN ...... 56 3.9. DIE BURGUNDER ...... 56 3.10. DIE FRANKEN ...... 57 3.11. DIE LANGOBARDEN ...... 58 3.12. DIE ANGELN UND SACHSEN ...... 59

4. DAS TOLOSANISCHE REICH (418–507) ...... 60 4.1. DIE FÖDERATEN IN AQUITANIEN (418–466) ...... 60 4.2. DIE WESTGOTISCHE GROßMACHT (466–507) ...... 63 4.3. ENDE DES TOLOSANISCHEN REICHES UND DIE MIGRATION DER WESTGOTEN NACH HISPANIEN ...... 64 4.4. DIE GESETZGEBUNG EURICHS UND ALARICHS II. UND IHRE KIRCHENPOLITIK ...... 67

5. DIE GERMANISCHEN STÄMME DER VANDALEN UND SUEBEN AUF DER PYRENÄENHALBINSEL ...... 72 5.1. DAS REICH DER ARIANISCHEN VANDALEN ...... 72 5.2. DIE SUEBEN ...... 76

6. DIE WESTGOTEN UND DAS TOLEDANISCHE REICH ...... 80

6.1. DIE HERRSCHAFT DES OSTGOTENKÖNIGS THEODERICH DES GROßEN UND DER KÖNIGE AMALARICH UND THEUDIS ...... 81 6.2. THEUDIGISEL, AGILA I., ATHANAGILD (548–567) ...... 84 6.3. LIUVA I., LEOVIGILD, HERMENEGILD, REKKARED I. (567–586) ...... 86

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6.4. REKKARED I., KATHOLIZISMUS IM TOLEDANISCHEN REICH UND DER THRONFOLGER LIUVA II. (586– 603) ...... 88 6.5. DIE ERFOLGE UND MISSERFOLGE DER WESTGOTISCHEN KRONE VON WITTERICH BIS TULGA (603–642) .. 90 6.6. CHINDASWINTH UND REKKESWINTH UND DIE ZEIT DER RESTAURATION (642–672) ...... 94 6.7. DIE HERRSCHAFT DES KÖNIGS WAMBA (672–680) UND DIE PARTIKULAREN TENDENZEN DES WESTGOTISCHEN HOCHADELS ...... 96 6.8. DIE KÖNIGE ERWIG, EGICA UND DIE VERFALLENE WESTGOTISCHE MONARCHIE AUF DER PYRENÄENHALBINSEL ...... 97 6.9. DIE LETZTEN JAHRE DES TOLEDANISCHEN REICHES AUF DER PYRENÄENHALBINSEL UND DIE MUSLIMISCHE INVASION (700–711) ...... 99

7. DIE SCHRIFTKULTUR UND DIE SPRACHE DER GERMANEN ...... 103 7.1. RUNEN ...... 103 7.2. GERMANISCHE SPRACHEN ...... 105 7.3. GOTISCHE LITERATUR ...... 108 7.3.1. Dichtung ...... 109 7.3.2. Gesetze ...... 111 7.3.3. Die gotische Bibelübersetzung Wulfilas ...... 112 7.3.4. Andere Quellen ...... 113 8. NACHWORT ...... 114 9. LITERATURVERZEICHNIS ...... 116 PRIMÄRLITERATUR ...... 116 SEKUNDÄRLITERATUR ...... 116 PUBLIKATIONEN IM INTERNET ...... 117 INTERNETSEITEN ...... 118

10. DAS VERZEICHNIS DER BILDBEILAGEN ...... 120 BILDBEILAGEN ...... 122

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1. Einleitung

Der Germane ist hartnäckig, auch im Schlechten. Er selbst nennt es Treue. Publius Cornelius Tacitus (um 55 n. Chr. – um 120)

Die vorliegende Diplomarbeit behandelt die germanischen Stämme seit den Anfängen ihrer belegten Existenz, wobei den Schwerpunkt die Goten, genauer die Westgoten und ihre Expansion auf der Pyrenäenhalbinsel zusammen mit dem Schicksal ihres Toledanischen Königreiches und den bedeutenden historischen Ereignissen jener Zeit bilden. Gerade durch die von Tacitus erwähnte Hartnäckigkeit und kämpferische Ausdauer wurden die Germanen zur mächtigen Kraft der antiken Welt, die in die Schicksale des Römischen Imperiums in entscheidendem Maße eingegriffen hat, bis die gegenseitigen Auseinandersetzungen zwischen den Barbaren und Römern in der Zeit der Völkerwanderung zum Untergang des Weströmischen Reiches führten. Die Anregung zur Bearbeitung dieses Themas wurde das Interesse für die einerseits deutsche, andererseits spanische Geschichte und für die historischen Zusammenhänge, welche sich in der Entwicklung der Welt- sowie Literaturgeschichte widerspiegeln. Das Ziel der Diplomarbeit ist, ein anschauliches Bild über das Leben der Germanen, bzw. insbesondere der Goten, im Bezug auf die politische, kulturelle oder religiöse Sphäre seit ihren Anfängen bis zum Untergang des Westgotenkönigreiches zu geben und hauptsächlich die geschichtliche Entwicklung auf der Pyrenäenhalbinsel unter der Herrschaft der einzelnen westgotischen Könige und dem Einfluss der römischen Macht darzustellen. Die vorliegende Arbeit wird in sechs Themenbereiche eingeteilt, deren Anordnung der Chronologie der historischen Ereignisse entspricht. Das zweite Kapitel beschäftigt sich demzufolge mit der Herkunft der Germanen, deren historisch bezeugte Anwesenheit in Europa, mit ihrer Lebensweise, Sprache und nicht zuletzt mit der Religion, die eine sehr wichtige Rolle nicht nur bei den Germanen, sondern auch in der ganzen damaligen Welt gespielt hat. Die Völkerwanderung, in deren Hintergrund der Einfall der nomadischen Hunnen aus den asiatischen Steppen stand, die Entstehung des westlichen und östlichen Stammes der Goten und die Auswirkung dieser Ereignisse auf die Struktur der römischen Gesellschaft wurden zu den Hauptpunkten des dritten Kapitels. Das Kapitel Nummer vier wird bereits den Westgoten zuerst als den aquitanischen Föderaten, dann als den Gründern des Tolosanischen Reiches und ferner den gesetzgeberischen Bemühungen der Könige

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Eurich und Alarich II. gewidmet. Das fünfte und sechste Kapitel versetzt das politische, religiöse sowie kulturelle Geschehen auf die Pyrenäenhalbinsel hinein; es handelt sich um die germanischen Stämme der Vandalen und Sueben mit deren Königreichen und die Westgoten im Toledanischen Reich in der Zeit der höchsten Blüte in ihrer Geschichte. Mit dem literarischen Schaffen der Goten, das in jener Zeit nicht so reich war, und den germanischen Sprachen befasst sich das siebte Kapitel dieser Arbeit.

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2. Herkunft der Germanen und die ersten belegten Stämme

Germanen wurden von den Römern als Barbaren genannt und für kulturlose Wilden gehalten, denn die Germanen kannten ihrer Meinung nach nichts anderes als Kriege, Kämpfe, Schlachtungen und Eroberungen.1

Der Germane ist der „zornige Mensch“ schlechthin; wie ein wildes Tier erschreckt er andere und wird durch Fremdes leicht in Schrecken versetzt. Er ist zwar einfach und geradlinig, aber ebenso faul wie freiheitsliebend. Zorn, Faulheit und das Verlangen nach Freiheit hängen freilich von der Natur und dem Klima seines Lebensraumes ab.2

Wo entstand dieses Volk? Woher kamen sie? Welche Vorstellungen hatten sie über die Welt? Welchen Glauben bekannten sie? Unbestritten nahmen sie entscheidend an der Entwicklungsgeschichte der europäischen Gesellschaft teil, ohne sie würde die Geschichte ganz andere Richtung nehmen. Die archäologischen Funde in Skandinavien, auf der Halbinsel Jütland und dänischen Insel Seeland belegen mit Sicherheit die nordische Herkunft der Germanen, denn ihrer Genese geht die Existenz des in der Gegend der Ost-, Nordsee und des Schwarzen Meeres lebenden indogermanischen Urvolkes voran. Seine Struktur war nicht einheitlich, es handelte sich um zahlreiche Stämme mit belegbaren Unterschieden, die sich in der Raumbesiedlung, Kultur und Wirtschaft bemerkbar machten. Die Jastorf-Kultur, ihr Beginn um das 5. Jh. datierend, entwickelte sich gerade in diesem Gebiet und zwischen den Flüssen Weser, Oder und Mittelelbe. Die Forschung der Wissenschaftler nach diesem Urvolk wird auf die Gegend von Skandinavien zu der südrussischen Steppe gerichtet, wobei es Streit über die asiatische oder europäische Herkunft gab.3 Die Lebensweise der europäischen Gruppe dieser ursprünglichen Zivilisation kennzeichnete sich durch den Ackerbau und die Viehzucht, während der östliche Teil die nomadische Lebensart führte. Eine Reihe von Fragen, im Zusammenhang mit den Indogermanen betrifft auch die sprachliche Zugehörigkeit und Ausdifferenzierung. Die traditionelle Einteilung der indogermanischen Sprachen in zehn Gruppen sieht

1 nach WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 9. 2 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 12. 3 nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 48, 49. nach HOOPS, Johannes. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 2. 1. Auflage. K. J. Trübner, Straßburg 1911–1919. S. 174, 175. [online]. [zit. am 26. Dezember 2013]. Verfügbar über:

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folgenderweise aus: Indische und iranische Sprachen, Armenisch, Griechisch, Albanisch, italische, keltische, baltische, slawische und germanische Sprachen.4

Die allmähliche Erweiterung des indogermanischen Wohnbereichs, wobei sich natürliche Hindernisse…, die Auswanderung indogermanischer Stämme; das Eindringen von Nichtindogermanen in deren Wohnsitze; … die Entstehung von politischen, religiösen und kommerziellen Mittelpunkten, durch die der Verkehr nach entgegensetzten Richtungen gedrängt wurde: solche und ähnliche Gründe haben es bewirkt, dass die sprachliche Zerklüftung mehr und mehr überhand nahm. Die Verkehrsscheiden werden zu Sprachscheiden. An die Stelle der indogermanischen Ursprache tritt eine Anzahl von indogermanischen Einzelsprachen, die sich in verschiedenen Zeiten ablösen und verselbständigen.5

An der Differenzierung des Urvolkes beteiligte sich die Bildung der Stämme in dieser Urzeit, aus denen durch die Zersplitterung oder Vereinigung wieder neue erwuchsen. Namentlich handelte es sich um die Stämme der Griechen, Italiker, Germanen, Kelten, Slawen, Iraner, Indoarier, Balten, Armenier, Thraker und andere. Bei den Germanen wurden diese innig durch den Gefühl der Zusammengehörigkeit und die gemeinsame Abstammung verbunden. Eine wichtige Rolle spielte dabei auch die ähnliche Kultur. Neben Nordgermanen, aus denen die heutigen Schweden, Dänen und Norweger hervorgehen, wurden die zwei anderen entstandenen Zweige der West- und Ostgermanen im Verlauf der Entwicklung weiter differenziert. In der alten Stammsage wird über die Zuwanderung der Germanen kein Wort gesagt, hingegen führt den Ursprung der Westgermanen auf den von der Erde abstammenden und als Stammvater verherrlichten Gott Mannus zurück. Die Differenzierung innerhalb der Westgermanen betrifft die Ingwäonen, Herminonen, zu denen die Sueben, Hermunduren, Chatten und Cherusken gehörten, und Istwäonen.6 Tacitus selbst schreibt in seiner Schrift Germania, in einem der wichtigsten Werke im Bezug auf die Kulturgeschichte der Germanen aus dem Jahr 98 n. Chr., über den

4 nach SCHMIDT, Wilhelm. Geschichte der deutschen Sprache. Ein Lehrbuch für das germanistische Studium. 10. Auflage. Stuttgart: S. Hirzel Verlag, 2007. S. 24–27. 5 HOOPS, Johannes. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 2. 1. Auflage. K. J. Trübner, Straßburg 1911–1919. S. 587. [online]. [zit. am 28. Dezember 2013]. Verfügbar über: 6 nach HOOPS, Johannes. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 2. 1. Auflage. K. J. Trübner, Straßburg 1913–1915. S. 180, 587. [online]. [zit. am 28. Dezember 2013]. Verfügbar über: nach TACITUS, Publius Cornelius. Germania. S. 2. [online]. [zit. am 28. Dezember 2013]. Verfügbar über:

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Ursprung der Germanen und hält sie für die Ureinwohner. Auch erwähnt er die alten Völkerbenennungen wie Sueben, Gambrivier, Marser und Vandilier.7 Im Zweig der Ostgermanen vollzog sich auch eine ähnliche Einteilung, und zwar in die Gruppen der Burgundern, Goten, Gepiden, Vandalen und anderen. Die Germanenstämme unterlagen der ununterbrochenen Entwicklung, deren Auswirkung die Existenz der neuen Völkergruppen in früheren Zeiten waren. Aus diesen sind im 1. Jh. v. Chr. die Kimbern und Teutonen, Sueben unter Ariovist, nach der Zeitwende der norddeutsche Bund des Arminius, Markomannen und Quaden zu nennen.8 Infolge der Völkerwanderung kam es zur neuen Stammensbildung, als aus dem alten Stamm der Ingwäonen die Angeln, Friesen, Sachsen, Angelsachsen und teilweise Langobarden entstanden. Die Herkunft der Franken wird den kleineren Stämmen der Istwäonen zugeschrieben, während die Baiern, Schwaben und Thüringer aus Herminonen abstammen und die Nordgermanen sich in die westnordische - Isländer, Norweger, und die ostnordische Gruppe - Dänen und Schweden teilen.9

2.1. Der Name der Germanen und ihr körperliches Aussehen

Der Ursprung der Ethnonyms Germanen ist noch in der Gegenwart kaum zu erklären, denn die Forschung erreichte in diesem Bereich keine eindeutigen Ergebnisse. „Die Frage … ist wie die meisten Herkunftsfragen besser nicht zu stellen, sondern dem Streit der ‚Originalisten„ zu überlassen…“.10 In Tacitus‟ Germania wird diese Benennung dem niederrheinischen Volksstamm der Tungerer zugewiesen, die in der Frühgeschichte unter der ursprünglichen Bezeichnung „Germanen“ auftraten. Es handelte sich um die Fremdbezeichnung, seitens ihrer keltischen Nachbarn, die alle germanischen Stämme umfasste und ihr Gebiet demzufolge den Namen „Germania“ verdiente. Trotzdem wird diese Auffassung nicht mit Sicherheit akzeptiert. Ins Bewusstsein anderer Stämme wurde

7 nach TACITUS, Publius Cornelius. Germania. S. 2. [online]. [zit. am 28. Dezember 2013]. Verfügbar über: 8 nach HOOPS, Johannes. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 2. 1. Auflage. K. J. Trübner, Straßburg 1913–1915. S. 179, 180. [online]. [zit. am 28. Dezember 2013]. Verfügbar über: 9 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 10. nach WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 23. 10 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 24.

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der Name Germanen dank der Verbreitung der Sueben im letzten Jahrhundert v. Chr. unter dem König Ariovist nach Gallien gebracht.11 Über das Aussehen der Germanen erfahren wir Vieles aus den Tacitus‟ Berichten, bildlichen Darstellungen und zahlreichen Moorfunden in Jütland und Schleswig-Holstein. Die konservierten Leichen belegen neben dem charakteristischen Merkmal die Haartracht betreffend, es war der auf der rechten Kopfseite gemachte Haarknoten als Suebeknoten genannt, auch die traditionelle männliche und weibliche Bekleidung, Gürtel, Schmuck, Haarnadel und Knöpfe.12 Die Markussäule in Rom, bei deren Aufbau die Trajanssäule als Vorbild diente, zählt zu den wertvollsten Belegen der damaligen historischen Ereignisse. Im spiralförmigen zwanzigmal umlaufenden Reliefband wird der brutale Verlauf der Markomannenkriege dargestellt, die große Verluste für alle Beteiligten bedeuteten. Es überwiegen Szenen voll Verzweiflung und Gewalt, wie auch detaillierte Abbildung der ängstigen Gesichter und ihrer Mimik.13 „…hellblaue trotzige Augen, rotblondes Haar, gewaltige Leiber, nur zu Tat und ungestümem Drängen taugend…“14 Die Markmale des äußeren Aussehens der helläugigen Indogermanen heller Haar- und Hautfarbe bezeugen auch die skandinavische Abstammung.15

2.2. Erste Kontakte mit dem Römischen Reich und die Entwicklung bis zur Zeit der Völkerwanderung

Zu Ende des 2. Jh. v. Chr. herrschten in der römischen Republik die Unruhe und Unzufriedenheit des Plebs und der Sklaven, die in ihre umfangreichen Aufstände ausbrach. Diese ungünstige innere Situation wurde noch durch die Angriffe und Einfälle fremder Stämme an der Nord- und Südgrenze erschwert und die für die Römer entscheidende Phase ihrer Existenz erreichte den Gipfelpunkt in der Auseinandersetzung mit den Germanen. „Dieser Prozess dauerte über ein halbes Jahrtausend und endete mit der Bildung von

11 nach WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 25. 12 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 113, 114. 13 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 319, 320. 14 TACITUS, Publius Cornelius. Germania. S. 3. [online]. [zit. am 28. Dezember 2013]. Verfügbar über: http://www.gutenberg.org/catalog/world/readfile.php?fk_files=2545477&pageno=3 15 nach HOOPS, Johannes. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 2. 1. Auflage. K. J. Trübner, Straßburg 1913–1915. S. 175. [online]. [zit. am 28. Dezember 2013]. Verfügbar über:

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Völkern und Nationen, die das heutige Bild Europas mit formten.“16 Von diesem Zeitpunkt an wuchs der germanische Anteil an der Entwicklung der europäischen Geschichte.17 Eine der ersten Erwähnungen über die Germanen stammen aus der Zeit, als die Bastarnen im 3. Jh. v. Chr. im Gebiet der Donaumündung auftauchten und die Insel Peuke besiedelten. Daher erwarben sie den Namen Peukiner. Der andere Zweig dieses Stammes siedelte in den nordwestlichen Karpaten, in der Nähe des längsten Flusses Polens Weichsel. Die Existenz der Bastarnen und ihrer Siedlungen in den Karpaten im Gebiet des heutigen Moldawien und in Rumänien beweisen auch die archäologischen Funde. Die Bastarnen verschafften sich bald Respekt dank dem Sieg über ihre dakisch-thrakischen Nachbarn und zusammen mit den Skiren besetzten sie um 230 v. Chr. die Stadt Olbia an der Nordküste des Schwarzen Meeres. Unter der Herrschaft des Königs Philipp von Makedonien wurde ihnen die Möglichkeit geboten, in sein Reich zu kommen und sich an der Nordgrenze anzusiedeln. Der Grund Philipps Entscheidung war die Absicht, Bastarnen und ihre Kraft gegen die Dardaner und Rom zu gebrauchen. Im Jahre 168 v. Chr. nahmen sie am makedonisch-römischen Krieg im Dienste des Königs Perseus teil und wurden auch Söldner des Königs von Pontos Mithridates. Die Bastarnen wurden ebenso im Zusammenhang mit den Goten und Markomannenkriegen erwähnt. Eine ihrer Siedlungen befand sich dank dem römischen Kaiser Probus an dem Donauufer in Thrakien.18 Bevor Skiren, Waffenbrüder der Bastarnen, mit ihnen nach Süden zum Schwarzen Meer abzogen, hatte sich ihr Wohnsitz über den Norden Polens bis zu den litauischen Grenzen erstreckt. Die Versuche der Stämme in das Römische Reich einzudringen, waren sehr häufig. Dieser Plan der Skiren wurde in der Völkerwanderungszeit durch den Einfall der Hunnen in Europa vereitelt und darum zogen einige nach Westen fort, andere wurden zu den Föderaten des Römischen Reiches. Odoaker, skirischer Königssohn unter den Föderaten, wurde nach dem letzten weströmischen Kaiser Romulus Augustulus 476 zum König gemacht. Die Föderaten stellten die in das Römische Reich durch den Vertrag angesiedelten barbarischen Gruppen dar und verpflichteten sich, in den Kriegen behilflich

16 SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 12. 17 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 12. 18 nach HOOPS, Johannes. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 1. 1. Auflage. K. J. Trübner, Straßburg 1911–1913. S. 177. [online]. [zit. am 3. Januar 2014]. Verfügbar über: nach HOOPS, Johannes. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 4. 1. Auflage. K. J. Trübner, Straßburg 1918–1919. S. 191. [online]. [zit. am 3. Januar 2014]. Verfügbar über: nach WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 27.

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zu sein. Zu dieser Tat wurden die Römer wegen des immer häufigeren Zuzugs der Angreifer und des Mangels an eigenen militärischen Kräften gezwungen. Infolge dessen stieg die Anzahl von Barbaren in der römischen Gesellschaft, was auch große Gefahr bedeutete und ohne Frage einen bestimmten Einfluss auf den Untergang des Römischen Reiches hatte.19 Am Ende des 2. Jh. v. Chr. bekamen die Römer nächste Gelegenheit, sich mit den Germanen zu treffen. Die Wanderströme der Kimbern, Teutonen, Ambronen und anderer Stämme nach Süden ziehend, deren Siedlungsgebiete sich über Nordjütland erstreckten, gerieten in Bewegung wegen der angeblichen Übervölkerung, klimatischen Veränderungen und Naturkatastrophen wie Springfluten. Einen maßgeblichen Anteil hatten daran sicher auch die Hungersnöte, die diese germanischen Stammesverbände aus ihrer Heimat vertrieben. An dieser Emigration nahmen nur selten ganze Stämme teil, vielmehr waren es nur ihre Teile. Auf ihrem Zug nach Süden drangen sie durch das heutige Tschechien vor, wo die keltischen Boier ansässig waren und gingen weiter über das Gebiet der Skordisker am Zusammenfluss von Save und Donau. „Danach wendeten sie sich saveaufwärts gegen das mit Rom verbündete Königreich Norikum und schlugen im Jahre 113 v. Chr. bei Noreia … ein konsularisches, das heißt ein aus zwei Legionen zu je 6000 Mann bestehendes Heer.“20 Mit diesem Kampf entfesselten sie die Serie der Kimbernkriege.21 Daran folgten für die Germanen zwei erfolgreiche Kriege, in denen die geschwächte römische Armee Niederlagen erlitt – zuerst 107 v. Chr. bei Agen und dann 105 v. Chr. bei Arausio im Südgallien. Die Römer reagierten darauf mit der Reform der Streitkräfte, die zu ihrer Verstärkung führte, während sich die Sieger trotz aller Erwartungen trennten. Die Kimbern drangen nach Spanien vor, die Teutonen und Ambronen blieben in Gallien und verwüsteten diese Gebiete. Die spätere Wiedervereinigung der beiden germanischen Stämme dauerte nur kurz; Teutonen und Ambronen wurden im Jahre 102 v. Chr. von Gaius Marius in der Schlacht in Provence bei Aquae Sextiae vernichtend niedergeschlagen. Das gleiche Schicksal der Kimbern war ein Jahr später bei Vercellae im Piemont besiegelt. Trotzdem wurde über die Angehörigen der Kimbern und Teutonen noch 20 Jahre später gesprochen.22

19 nach WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 27. nach HOOPS, Johannes. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 4. 1. Auflage. K. J. Trübner, Straßburg 1918–1919. S. 191. [online]. [zit. am 3. Januar 2014]. Verfügbar über: 20 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 28. 21 nach WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 27, 28. 22 nach WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 28.

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Im Jahre 58 v. Chr. kam es zum Zusammenstoß zwischen dem Heer Caesars und Ariovist in Gallien, dem Fürsten des gefürchteten kämpferischen Stammes der Sueben, deren ursprüngliche Siedlung im norddeutschen Tiefland an der Elbe lag und die später als Söldner in Gallien einberufen wurden. Für das Römische Reich stellten sie eine große Gefahr dar und Caesar war sich dessen bewusst. Fremde und dicke Wälder erweckten bei den römischen Legionen Befürchtungen, aber in der offenen Feldschlacht und dank der militärischen Übermacht errang Caesar beim heutigen Mühlhausen den Sieg über Ariovist; die Sueben konnten nicht mit der Tapferkeit und Kampfkraft gegen die Disziplin der feindlichen Armee durchkommen. Der Rhein wurde damit zur Reichsgrenze und die Versuche der Germanen, sie zu überschreiten, waren erfolglos. Als Beweis der militärischen Kraft fiel Caesar mit seinen gallischen Verbündeten ins Gebiet hinter dem Rhein ein, um die Übermacht zu demonstrieren,23 den Respekt einzuflößen und vor allem „die Rheingrenze gegen die Germanen zu sichern“.24 Der folgende Zeitraum, einige Jahrhunderte umfassend, war nicht nur durch die feindlichen Auseinandersetzungen geprägt; es war teilweise auch friedliche Zeit, in der auch der Geschäftsverkehr gepflegt wurde. Die Funde aus dem 1. Jh. v. Chr. sind ein klarer Beweis dafür; im germanischen Gebiet wurden römische Münzen, Fibeln und Bronzegeschirr, zum Teil Kriegsbeute, gefunden.25 Immer größere Sehnsucht nach der Ermächtigung anderer Gebiete wurde unter den römischen Kaisern Augustus und Tiberius spürbar, denn diese fühlten sich mit den Reichsgrenzen unzufrieden und wollten sie bis zur Elbe ausdehnen. Im Jahre 16 v. Chr. unternahmen die Sugambrer, Usipeter und Tenkterer große Plünderungszüge nach Gallien, aus denen sie als Sieger hervorgingen. Durch die Niederlage römischer Truppen erlitt das mächtige Imperium eine große Demütigung, was Augustus zu den Vorbereitungen auf den Einfall ins germanische Gebiet und dessen Okkupierung bis zur Elbe veranlasste.26 „Kastelle und Legionslager wurden angelegt, Straßen und ein Kanal vom Rhein zur

23 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 25. 24 SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 25. 25 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 25, 26. 26 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 26.

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Zuidersee gebaut, neue Militärkommandos geschaffen und vor allem Truppen an die Grenzen gelegt.“27 In den nächsten Jahren veränderten die Stämme infolge zahlreicher Kämpfe ihre Wohnsitze. Drusus, der römische Politiker und Feldherr, führte im Jahre 12 v. Chr. den Feldzug gegen die germanischen Stämme der Friesen, Brukterer, Cherusken, Chatten, Markomannen, Sugambrer und Usipeter und es gelang ihm, das Elbufer im heutigen Magdeburg zu betreten. Dies brachte die Stämme in Bewegung; das Gebiet der heutigen Böhmen und Mähren wurde von den suebischen Quaden und Markomannen, unter Führung ihres Herrschers Marbod, besetzt. Seine Macht wuchs dank der gewandten Handlungen und kriegerischen Erfolge. Den Markomannen versicherte er die politische Selbständigkeit und in kurzer Zeit schaffte er auch den Stamm der Lugier zu unterwerfen. Semnonen, Hermunduren später auch die Langobarden erkannten Marbods Souveränität an, und sein mächtiges Reich erweiterte sich um diese Gebiete. Der ausgedehnte Einflussbereich bedeutete für Rom die Gefahr. Darum beabsichtigte Tiberius, zum Nachfolger seinem gestorbenen Bruder Drusus erklärt, seine Truppen in einen Krieg gegen Marbod im Jahre 6 v. Chr. hinauszuziehen, aber der Aufstand in Pannonien vereitelte diesen Plan. Zur endgültigen Eroberung des ganzen Germanengebietes verfolgte Tiberius eine diplomatische Strategie. Die römische Provinz Germania wurde 5 n. Chr. gegründet und für den alliierten Stamm der Ubier eine Stadt aufgebaut, das heutige Köln am Rhein, damals Colonia Agrippina genannt. Im Laufe der Zeit wurde sie zu einer kulturell sehr reichen Metropole, die den Germanen die römischen Vorteile zeigen und zur eigenen Unterwerfung bewegen sollte.28 Tiberius‟ Feldzüge waren sehr erfolgreich und dadurch wurden die Auswahlmöglichkeiten der Stämme östlich des Rheins sehr begrenzt, bis sie allmählich kapitulierten und den Friedensvertrag mit Rom eingingen. Im 9. n. Chr. brach der Volkskrieg unter Führung von Arminius aus, der im Dienste Roms zum Truppenführer wurde und im Teutoburger Wald bedeutende Erfolge erzielte. Seine Kenntnisse der römischen Politik und die Freundschaft mit dem Statthalter der römische Provinz Germania Quintilius Varus wurden für die Existenz des Römischen Reiches fatal. An der

27 SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 26. 28 nach Die Chronik der Deutschen. München: Chronik-Verlag, 2007. S. 22. [online]. [zit. am 5. Januar 2014]. Verfügbar über: nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 26, 27.

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Spitze der vereinigten Stämme der Cherusker, Brukterer, Chatten, Usipeter, Angrivarier und anderer bereitete er den Aufstand gegen die römische Vorherrschaft vor und sein Sieg trat in die Weltgeschichte ein. Im Teutoburger Wald fielen, in einer aufgestellten Falle, drei römische Legionen sowie sechs Kohorten und drei Hilfstruppen. Publius Quintilius Varus nahm sich aus Verzweiflung das Leben.29 Ziemlich große Gefahr für die römische Großmacht tauchte mit dem Bataveraufstand im Jahre 69 n. Chr. auf. Dieser Revolte, nach der Tacitus‟ Schrift durch die falschen Beschuldigungen der Bataver aus der Rebellion im vorigen Jahr während des römischen Bürgerkrieges ausgelöst, schlossen sich noch andere Stämme an, z.B. Tenkterer, Brukterer, Ubier, Friesen, Gallen, so wie auch Lingonen und Treverer. Die Letzteren gehörten der römischen Herrschaft an. Nach mehreren verlorenen Schlachten im Jahre 70 konnten die Bataver mit ihren Verbündeten der Niederschlagung nicht entkommen und kapitulierten.30 Die Reaktion auf den gefährlichen Bataveraufstand und die nächsten germanischen Aggressionen gegen die römische Herrschaft war der Bau des Limes unter Kaiser Domitian seit 83 bis 85 n. Chr. Dieser Grenzsicherungssystem erstreckte sich in Europa, Nordafrika und Vorderasien und diente der Bewachung des römischen Raumes vor der Invasion barbarischer Stämme. Wo es die natürlichen Grenzen, wie Flüsse und Gebirge nicht gab, wurden Erdwälle, Gräben, Palisaden sowie Steinmauer, in bestimmten Abständen Wachtürme und Kastelle unterschiedlicher Größe gebaut und von den Römern überwacht. Der Obergermanisch-Rätische Limes erreichte um die Mitte des 2. Jh. die Länge von mehr als 500 km und die römischen Grenzlager sollten nicht nur der Abwehr der Feinde dienen sondern auch der Kontrolle des Personenverkehrs; zugleich wurde hier der Außenhandel gepflegt. Limes Romanus teilte zwei total verschiedene Welten voneinander. Einerseits war es die untergegangene Sklavenhaltergesellschaft des römischen Imperiums mit den Provinzen Germania inferior, Germania superior, Belgica, Raetia und Noricum, andererseits die zerfallende Urgesellschaft der Germania libera.31

29 nach Die Chronik der Deutschen. München: Chronik-Verlag, 2007. S. 16. [online]. [zit. am 5. Januar 2014]. Verfügbar über: nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 27. 30 nach WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 48. nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 28. 31 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 28, 29. nach WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 49.

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Seit dem Jahr 166 bis zum 180 wurde das Römische Reich unter der Regierung des Kaisers Mark Aurel durch die tobenden Markomannenkriege erschüttert.32

Tatsächlich war nicht mehr und nicht weniger geschehen als der Zug der Goten zum Schwarzen Meer… Die Gutonen (Goten) gehörten der vandalisch-lugischen Völkergruppe an. Der Zerfall dieser Einheit muss spätestens in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts erfolgt sein, in dem sich die Gutonen von den Vandalen lösten und in südöstlicher Richtung zur Weichsel abwanderten. Das Auftreten der Langobarden an der Donau könnte daher auch damit zusammenhängen, dass vandalische Gruppen eine der gutonischen entgegengesetzte, nach Westen beziehungsweise Südwesten gerichtete Wanderbewegung unternahm.33

Es handelte sich um zahlreiche Auseinandersetzungen sarmatischer Stämme sowie der germanischen Langobarden, Markomannen, Quaden, Vandalen, Bastarnen, Narisker und Hermunduren, die sich in drei Phasen in den römischen Provinzen Raetia, teilweise Norikum, Pannonien, Dakien und Mösien, in Norditalien und am germanischen Gebiet abspielten. Nach dem abgewehrten Einfall der Langobarden in Pannonien und der Belagerung der italienischen Stadt Aquileia ging Mark Aurel zur mächtigen Offensive über, und in expeditio Germanica prima vertrieb er die Gegner 172 hinter die Donau, drang ins Germanien ein, bis die beiden verfeindeten Seiten nach der Niederlage der Quaden und Markomannen im Jahre 175 den Friedensvertrag eingegangen sind. Der zweite Markomannenkrieg, sogenannte expeditio Germanica secunda, brach nach der dreijährigen Friedensphase im Jahre 178 aus und wurde mit dem römischen Sieg beendet. Der Frieden wurde nach dem Tod des Kaisers durch die Vertragsunterzeichnung zwischen den germanischen Stämmen und seinem Sohn Commodus wiederhergestellt. Der dritte Markomannenkrieg war der Feldzug des Kaisers Commodus gegen den germanischen Stamm der Buren im Jahre 180.34 Die Germanen kämpften nicht nur gegen das feindliche Rom, sondern auch die germanischen Stämme selbst wurden sich gegenseitig zu Kriegsgegnern. Der Erfolg im Krieg wurde immer eng mit der Stärke und Heergröße verbunden und damit hing die Entstehung der Kriegsbündnisse zusammen, die nach den Kampfhandlungen wieder aufgelöst wurden. Neue erschienen seit dem Beginn des 3. Jh. Die ersten Erwähnungen

32 nach WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 53. 33 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 53. 34 nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 42. nach HOOPS, Johannes. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 19. 2. Auflage. Berlin; New York: de Gruyter, 2001. S. 309. [online]. [zit. am 6. Januar 2014]. Verfügbar über:

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über den neu entstandenen Verband der Alemannen stammen aus dem Jahr 213, als sein Name im Zusammenhang mit den Invasionen ins römische Imperium erwähnt wurde. Zwei Jahrhunderte dauerten die Auseinandersetzungen am Rhein und in Gallien. „Die Franken hatten sich ebenfalls in der 1. Hälfte des 3. Jh. aus verschiedenen niederrheinischen Stämmen zu einem Verband zusammengeschlossen. Bereits 258 u. Z. und in den nachfolgenden Jahren führten sie Kriegszüge bis nach Gallien und Spanien durch…“35 In den folgenden Jahrhunderten spielten sich die Kämpfe um die Vorherrschaft in Gallien und im westlichen Mitteleuropa ab, die die Franken durch die Siege über die Alemannen 496, die Westgoten 507, die Thüringern 531, die Burgunder 532, die Baiern 555 und die Sachsen zu ihren Gunsten auszunutzen schafften. An der Nordseeküste schlossen sich einige Stämme im 3. Jahrhundert zu den Sachsen zusammen, deren Einfälle sich seit der 2. Hälfte des 4. Jh. auf England und Nordfrankreich richteten.36 An der späteren Entwicklung der europäischen Geschichte beteiligten sich maßgeblich die nomadischen Hunnen, deren Einfall in Europa aus den asiatischen Steppen um 375 die folgende Umschichtung der Struktur der Stammessiedlungen bewirkte.37

2.3. Germanen und ihre Lebensweise

Seit Menschengedenken war die Sippe einer der wichtigsten gesellschaftlichen Bereiche im Leben der Germanen, deren Mitglieder die Blutsverwandtschaft verband. Die anderen Bereiche bildeten dann in der Germania libera die Großfamilie und der Stamm.38 Eine reiche Informationsquelle über die Germanen und ihr Leben stellt ohne Frage Tacitus‟ Germania dar, deren Nachrichten uns den Ursprung der Germanen, ihre Sitten, Gebräuche, Schwächen und Stärken, ihren Charakter und Familienleben näherbringen.

Als die Germanen in den Blickpunkt der antiken Welt traten, befanden sie sich im Stadium der patriarchalischen Sippengesellschaft. Aber das einstige Matriarchat erkannte man noch an vielen

35 SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 36. 36 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 35, 41, 42. 37 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 49. 38 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 30, 31.

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Erscheinungen, wie der großen Zahl weiblicher Lokalgottheiten, am Fungieren weiblicher Priester oder der großen Bedeutung der Seherinnen.39

Die antiken Schriftsteller belegen, wie groß der Einfluss der Priesterinnen war und wie diese die Autorität in ihren Stämmen genossen. In den Fragen des Kriegseintritts wandten sich oft die Stammesführer an die Priesterinnen, deren Entscheidung sich nebst anderem nach der Mondphase richtete, und es war dadurch möglich, die drohende Niederlage zu vermeiden. Trotzdem aber wurden die Frauen als Besitz des Mannes angesehen und hatten keine gleichberechtigte Stellung. Die Kriegsteilnahme der Frauen selbst war nicht sporadisch.40 Die Zugehörigkeit zu einer Sippe wurde mit dem Tod ihrer Mitglieder nicht beendet, sogar die Heirat konnte es nicht ändern und die Tötungen und die angewandte Gewalt gegen ihre Mitglieder verpflichteten zur Rache. Es wurde mit der Hilfe und Kraft der gestorbenen Persönlichkeiten gerechnet, denn die Begräbnisstätte zum Ort des Kontakts mit den Ahnen und Götter wurden, wo die Versammlungen, als Thing genannt, stattfanden und die wichtigen Entscheidungen getroffen wurden.41 In der germanischen Gesellschaft gewann an Bedeutung die Gefolgschaft, ursprünglich nur wegen der Kriegsfälle später auch im Frieden eingerichtet. Für die jungen Männer war das eine der Möglichkeiten, seine Tapferkeit und Kraft zu demonstrieren, wobei sie ihre Sippe durch den Eintritt in die Gefolgschaft verließen. Ein Mitglied in der bedeutenden Gefolgschaft zu werden, rechneten die Gefolgsmänner zur großen Ehre an und ihrem Führer die Treue bis zum Tode schworen.42 Über derzeitige Gesellschaftsform erfahren wir Vieles dank der Existenz der Volksversammlung und Rechtsnormen. Das anfangs herrschende Gewohnheitsrecht ersetzten später die sogenannten Volksrechten mit eingetragenen Verordnungen, „die dann aber bereits in einzelnen Bestimmungen den sich verändernden Machtverhältnissen Rechnung trugen.“43 Der Eid- und Vertragsbruch wurden als Zuwiderhandlung wahrgenommen. Die begangenen Verbrechen verschiedener Art wurden immer bestraft

39 SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 208. 40 TACITUS, Publius Cornelius. Germania. S. 5. [online]. [zit. am 7. Januar 2014]. Verfügbar über: http://www.gutenberg.org/catalog/world/readfile?fk_files=2545477&pageno=5 41 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 32, 35. 42 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 212 43 Ebd. S. 212.

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und die Urteile wurden erst nach der gründlichen Besprechung und Abstimmung auf der Volksversammlung gefällt. Es handelte sich zum Beispiel um die Abgabe von Rindern und Pferden, wenn es ein leichter Verstoß war, die Verräter wurden gehängt, die Unkeuschheit durch Ertrinken im Moor bestraft. Die im Moor mumifizierten Leichen beweisen die vollstreckten Todesurteile, wenn den Schuldigen die Ohren abgeschnitten oder diese geköpft wurden und die Schädel trugen auch Spuren nach den Hiebwunden.44 Im Leben der Germanen spielte eine wichtige Rolle die körperliche Tüchtigkeit ihrer Männer, die sie durch Jagd, die Körperübungen und auch Abhärtung stärkten. „…Mut, Ausdauer, Kampfgeist und Bereitschaft zur Übernahme von anstrengenden und gefährlichen Unternehmungen waren Grundsätze ihrer Moral.“45 Derzeit betrieben die Germanen verschiedene „Sportarten“, wie zum Beispiel Schwimmen, Laufen, Speerwerfen, Reiten und ihre Fähigkeiten wurden in zahlreichen stattgefundenen Wettkämpfen überprüft, deren Dauer oftmals einige Wochen war. Auch bei den Kindern entwickelten sich spielend der Wetteifer und die natürliche Rivalität von klein auf.46 Aus den Forschungen im Schleswig-Holstein und Dänemark ergibt sich, dass die germanischen Stämme ihre Siedlungen strategisch in den Landschaften, von dichten Wäldern umgeben, errichteten. Diese sollten sie vor dem Eindringen der feindlichen Heere schützen und zugleich lieferte ihnen Wald genügend Holz für den Hausbau. Die einzelnen Siedlungskammern widmeten sich der Wirtschaft, Viehzucht und mit der zunehmenden Produktion wurde auch der Austausch unter der Bevölkerung mehr gepflegt.47 Bei den Untersuchungen wurden die ältesten germanischen Siedlungen im Mitteljütland freigelegt, diese stammten aus der frühen Eisenzeit. Die Archäologen stoßen im Ostfriesland auf die Reste der Siedlungen, von denen die Hausformen zu erschließen sind. Im Unterschied zu den Römern, bauten die Germanen ihre Häuser nicht aus Stein sondern aus Holz und Lehm. Die einzige Spur von grundsätzlicher Bedeutung für die Rekonstruktion des Grundrisses der germanischen Häuser sind die dunklen Bodenverfärbungen von Schwellen und Pfosten und in seltenen Fällen blieben das

44 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 213. nach TACITUS, Publius Cornelius. Germania. S. 6. [online]. [zit. am 8. Januar 2014]. Verfügbar über: http://www.gutenberg.org/catalog/world/readfile?fk_files=2545477&pageno=6 45 SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 213. 46 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 214. 47 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 142, 143.

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Fundament zusammen mit den unteren Teilen der Wände erhalten. „Der Pfostenbau mit lehmverstrichenen Flechtwänden, der rechteckige Grundriss und das sattelförmige Dach waren die allgemeinen Merkmale des Hauses im germanischen Raum.“48 Die Germanen bewohnten ihre Häuser zusammen mit dem Vieh, was einen praktischen Vorteil hatte, und zwar, dass die Tiere die Wohnung teilweise geheizt haben.49 Tacitus beschreibt in Germania die typische Siedlung, die höchstens zwanzig Häuser bildeten, wobei diese nicht in einer Reihe gebaut wurden, sondern isoliert lagen, voneinander meistens durch die Felder getrennt. Solcherweise gestaltete Gruppierung von Häusern war das typische Merkmal der bäuerlichen Siedlung, die bessere Möglichkeiten für die Entstehung von Privateigentum voraussetzte, dennoch blieb der Boden trotz seines individuellen Gebrauchs das Gemeineigentum.50 Die Überflutung am Nordsee um die Zeitwende bewirkte, dass die Menschen, die die fruchtbaren Marschen bewohnten, gezwungen waren, aus diesem Raum wegzuziehen; ihre zweite Heimat fanden sie auf den künstlich errichteten Hügeln - Wurten. Nur in den Provinzen Friesland und Groningen erreichte ihre Anzahl ungefähr 1000 Wurten. Sie entstanden durch die Schichtung von Lehm, Abfälle, Stalldünger, Heide- und Grassoden auf die ursprüngliche jetzt um ein Meter erhöhte Flachsiedlung, als Kernwurt genannt.51 Mit dem Bau von Burgstätten begannen die Germanen im letzten Jh. v. Chr., wahrscheinlich durch die keltischen Oppida beeinflusst. Einer dieser Befestigungsbauten, die Lokalität Borremose, befand sich im Jütland in der Gegend von Himmerland; aus den früheren Zeiten werden aber keine auf dem germanischen Gebiet belegt. Den Zugang zu der Burgstätte Borremose (auf der Insel mit Fläche von 15 000 m2 und mit dem Moor umgeben) ermöglichte nur ein 3 Meter breiter Weg. Im 3. und 2. Jh. schützten diese Siedlung noch zwei Wälle und ein Graben. In Westgermanien wurde um das Jahr 50 v. Chr. die Burgstätte Heidenschanze bei Sievern ausgebaut. Sie sollte den Bewohnern nicht allgemein einen Schutz in den Kriegszeiten gewähren, sondern das Eindringen der Römer ins germanische Gebiet verhindern. Zugleich diente sie der Überwachung der Wesermündung im Falle der römischen Schiff-Angriffe. Die Germanen erbauten die Landwehren, um ihre Gebiete voneinander zu trennen. In den antiken Quellen lesen wir

48 SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 147. 49 nach TACITUS, Publius Cornelius. Germania. S. 8. [online]. [zit. am 9. Januar 2014]. Verfügbar über: http://www.gutenberg.org/catalog/world/readfile?fk_files=2545477&pageno=8 50 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 146. 51 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 143, 147.

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über den Angrivarierwall gegen die Cherusker an dem Fluss Weser und Tacitus schreibt, dass der Stamm von Treverer ihre Grenzen gerade mit dem Wall gegen die Invasion römischer Truppen schützten.52 In der Zeit der Völkerwanderung nahmen die Germanen die eroberten Festungen für ihre Wohnsitze, wie es zum Beispiel im Falle der Goten war, die sich am Schwarzen Meer niedergelassen haben. Zu den bekanntesten zählt die Festung Sadowec in Bulgarien mit der fast 2 m starken Mauer und einem Befestigungsturm, dessen Wandstärke die ehrwürdigen 2,7 m erreichte. Zahlreiche deutsche Städte verdanken ihre Existenz den römischen Städten und Militärlagern. Von diesen sind zu nennen: Regensburg (Castra Regina), Augsburg (Augusta Vindelicorum), Wiesbaden (Aquae Mattiacorum), Koblenz (Confluentes), Trier (Augusta Treverorum), Köln (Colonia Agrippina), Wien (Vindobona) und andere.53

2.4. Germanische Religion

Die Erkenntnisse über die germanische Religion der vorchristlichen Zeit, den Totenkult und germanische Götter sind aus den überlieferten Sagen und Heldengeschichten, Quellen der antiken Historiker wie Tacitus, Jordanes und Caesar, Rechtsfragmenten, archäologischen Funden, Inschriften und der hochmittelalterlichen Literatur zu schließen. Wie es schon erwähnt wurde, nahmen die germanischen Frauen eine wichtige Position in ihren Stämmen ein.

Ja, sie schreiben den Frauen etwas Heiliges, Seherisches zu und verschmähen nicht ihren Rat, überhören nicht ihren Bescheid. Wir haben gesehen, wie zu des erlauchten Vespasianus Zeit Veleda weit und breit als göttliches Wesen galt. Aber auch früher haben sie Albruna und manche andre Frau verehrt, doch nicht aus Schmeichelei, noch als machten sie Göttinnen aus ihnen.54

52 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 164–166. 53 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 166–168. 54 TACITUS, Publius Cornelius. Germania. S. 5. [online]. [zit. am 12. Januar 2014]. Verfügbar über: „Inesse quin etiam sanctum aliquid et providum putant, nec aut consilia earum aspernantur aut responsa neglegunt. Vidimus sub divo Vespasiano Veledam diu apud plerosque numinis loco habitam; sed et olim Albrunam et compluris alias venerati sunt, non adulatione nec tamquam facerent deas.“ [online]. [zit. am 12. Januar 2014]. Verfügbar über:

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Es hing auch eng mit der Bewusstheit zusammen, dass ohne sie die Geburt eines neuen Lebens nicht möglich wäre und darum wurde der Fruchtbarkeitskult seit der Existenz der Urgesellschaft gepflegt. So wie die Geburt wurde auch der Tod als etwas Natürliches wahrgenommen und der germanische Grabkult verrät uns Vieles über ihre Vorstellungen vom Jenseits der Verstorbenen. Die Germanen glaubten daran, dass mit dem Ende des irdischen Lebens die menschliche Existenz gar nicht untergeht und von dem Weiterleben ihrer Toten im eigenen Körper oder in der Seele überzeugt waren. In die Gräber wurden neben den sterblichen Überresten auch die notwendige Ausstattung, wie Waffen, Kleidung, Nahrung und anderes gelegt, wobei deren Umfang von der gesellschaftlichen Stellung abhängig war.55 In der vorrömischen Zeit war die Verbrennung der Verstorbenen gebräuchlich; die Asche wurde in den Urnen aufbewahrt und in die Grabgrube hineingelegt. Wie auch die Germanen während ihres Lebens in gegenseitiger Verbundenheit zusammenlebten, bildeten auch die Toten nach ihrer Anschauung eine Gemeinschaft und die Gräber lagen deswegen nebeneinander auf großen Bestattungsstellen. Das Andenken der in der Fremde verstorbenen Kämpfer und Seefahrer ehrten die Germanen durch die Gründung der leeren Gräber. Die Leichenbestattung begann am Ende der vorrömischen Zeit zu erscheinen und vor allem die Menschen der führenden Schicht wurden auf diese Weise beerdigt. Die erhobenen Grabhügel erreichten oft eine bemerkenswerte Höhe; so zum Beispiel messen die Hügel von Storedal am Oslofjord über 22 m. Der Fundort Lubieszewo gab den Namen diesen Prunkgräbern mit der reichen Ausstattung, die wir bei den Elbgermanen dann in Jütland, auf den dänischen Inseln, in Mecklenburg und Westpolen bewundern können. Trotz der sich immer mehr verbreiteten Körperbestattung seit dem 3. Jh. verzichteten die Germanen nicht völlig auf die Feuerbestattung, die aber mit der Annahme des Christentums verschwand.56 Im Unterschied zu den Römern und der Menge der Tempel auf ihrem Gebiet, bestand bei den Germanen kein Bedarf, diese zu erbauen. Sie glaubten daran, dass ihre Götter sich in der Natur und Sonne, den Wolken, Tieren und Bäumen, dem Gewitter befanden und den Kontakt mit ihnen gerade in der Natur herstellten und aufrechterhielten. Die Moore wurden zum Opferplatz, wohin die Germanen ihre Gabe brachten, um sich auf

55 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 171. 56 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 172, 174, 177.

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diese Art die Gottesgnade zu erbitten und auf die sie sich auch bei den Volksversammlungen begaben. Es handelte sich um die Opfergabe wie zum Beispiel: verschiedene Werkzeuge, Tiere, Ernte, Waffen und Menschen. Die Moorfunden von Oberdorla bei Mühlhausen und in Possendorf bieten uns auch wertvolle Informationen, was die Vorstellungen der Germanen über die Gestalt der Gottheiten betrifft. Die hier gefundenen Holzfiguren mit dem angedeuteten Gesicht stellten nämlich ihre Götter in der menschlichen Gestalt dar und zugleich widerlegen die von den antiken Schriftstellern geäußerte Vermutung über die Angst der Germanen, diese abzubilden.57 Die germanische Religion, deren Naturkräfte mit den persönlichen Mächten verbunden waren, galt als eine polytheistische Religion mit den heidnischen Riten und Kulten. In alten Zeiten glaubten Germanen an die Kraft der Naturerscheinungen und Dingen und waren darum bemüht, dem auf sie wirkenden Einfluss entgegenzutreten oder aus ihm zu schöpfen. Daraus stammt die Verehrung der Bäume, Pflanzen, Quellen, Tiere und der damit verbundene Totemismus. Die Zauberkraft wohnte nicht nur den Totems inne, sondern auch die Leute konnten diese besitzen; die Weissagerinnen, Zauberer und Zauberinnen fanden große Anerkennung in der heidnischen Welt.58 In der germanischen Mythologie sind zwei Göttergeschlechter zu unterscheiden. Das ältere Geschlecht wird von den Wanen vertreten Gottheiten des Ackerbaus mit dem Wohlstand und der Fruchtbarkeit verbunden und das jüngere bilden die kriegerischen Asen.59 Nach den Vorstellungen der Germanen wurde die Welt und das Menschengeschlecht von den Göttern erschaffen; die Leute sollten angeblich aus Holz der Bäume (die Männer aus der Ulme und die Frauen aus der Erle, Ulme, oder dem Weidenbaum) entstanden sein. Die Seele und das Leben sollte ihnen Odin geben, die Vernunft und Bewegung bekamen sie von dem Gott Vili und die Sinne zusammen mit dem Gesicht und Sprache von seinem Bruder Vé.60

Neben zahlreichen anderen Göttern spielen die Nornen eine wichtige Rolle. Sie spinnen die Schicksalsfaden, die das Leben der Menschen bestimmen, und leben in der Wurzeln der Weltesche Yggdrasil, die den Weltmittelpunkt markiert. … Die Welt ist insgesamt in vier Bereiche geteilt:

57 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 179, 187, 188. 58 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 179, 187. 59 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 360. 60 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 362.

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Midgard ist der Lebensraum der Menschen, er wird von der Midgardschlange umgeben. Utgard ist der Wohnsitz der Riesen, Asgard der der Götter aus dem Geschlecht der Asen und Hel ist die Unterwelt, in der sich die Toten sammeln. Wer im Kampf fällt, wird von den Walküren nach Walhalla begleitet, einer Halle in Odins Burg Gladsheim. Dort vergnügen sich die Helden mit Zweikämpfen oder der Jagd, abends bewirten die Walküren sie mit Met und Bier.61

Im germanischen Götterhimmel nahm die wichtigste Position die dunkle Gestalt des Gottes Wodan ein, der Erste der Asen, von Nordgermanen als Odin genannt. In seiner Germania spricht Tacitus über Merkur, der dem Wodan in seinen Funktionen am ehesten entsprach. Er war der Gott der Toten, des Gesanges, des Sturmes und Windes, der nachts an der Spitze der wilden Jagd mit seinem Speer Gungnir durch den Sturmwind stürmte und auf seinem Hengst Sleipnir mit acht Beinen riet. Alle Stämme brachten ihm die Menschenopfer, um seinen Ansprüchen Genüge zu leisten und dadurch den Frieden und die Ruhe dem Stamm zu verschaffen. Die Walküren begleiteten die Seelen der verstorbenen Krieger nach Walhall, wo sie sich auf die Ragnarök den Untergang der Götter in ihrem Krieg mit den Riesen vorbereiten sollten. Der nächste Gott der Asen, Wodans Sohn im Norden als Thor genannt, heißt Donar. Wie sein Name verrät, war er der Gott des Blitzes und Donners, dessen Attribut der Hammer Mjöllnir wurde. Eine der besonderen Eigenschaften dieses Hammers war, dass er sein Ziel niemals verfehlte und in die Hände des Gottes zurückkehrte. Donar ackerte und befruchtete damit die Felder, tötete die Riesen und belebte dadurch seine Begleiter Ziegenböcke. Die außerordentliche Kraft, von der er strotzte, nutzte er vor allem im Kampf gegen die bösen Geister, Riesen und die Midgardschlange.62 Der Gott des Krieges war Ziu (Tyr) aus dem Geschlecht der Asen, den aber später Wodan verdrängte. Sein Symbol war das Schwert. Nach einer Sage hatte Ziu als einziger keine Angst, den Wolf Fenrir zu füttern. Die Götter wollten den Wolf in Ketten schließen, die er leicht brechen konnte, um seine Kraft zu demonstrieren. Der Wolf forderte Zius in sein Maul eingelegte Hand als Pfand. Als er aber feststellte, dass die Kette zu stark war, biss er dem Gott die rechte Hand ab. Der Wanengott Freyr wurde für den edelsten unter allen Göttern gehalten. War der Gott der Fruchtbarkeit, des Friedens, Wohlbehagens, der

61 Die Chronik der Deutschen. München: Chronik-Verlag, 2007. S. 12. [online]. [zit. 16. Januar 2014]. Verfügbar über: 62 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 360. nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 182, 183–185.

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Wonne und Herrscher über den Sonnenschein und Regen. Zu seinen Symbolen gehörte der Eber mit den goldenen Borsten, auf dessen Rücken in der Luft flog, der Schiff Skidbladnir und das zauberhafte Schwert. Seine schöne Schwester Freya, den glänzenden Schmuck tragend und auf ihrem Eber reitend, war bei den Nordgermanen ebenfalls die Göttin der Fruchtbarkeit und Liebe.63 Die zu den Asen gehörende Göttin Frigg (Frija), Gattin von Wodan, war die Schirmherrin der Mutterschaft und wusste die Zukunft voraussagen. Sie kannte die Schicksale der anderen und konnte sie teilweise beeinflussen, doch das Leben ihres Sohnes Balder konnte sie nicht retten. Die Benennung des Wochentags Freitag wird statt der Göttin Frija irrtümlicherweise der Freya zugeschrieben.64 In Germania sagt uns Tacitus über den Kult der Göttin Nerthus. Sie war Mutter Erde genannt, deren heiliger Hain sich im Nordmeer befinden sollte. In Begleitung von dem Priester zog sie durch die Landschaft auf ihrem Kuhfuhrwerk, wenn die Kämpfe auf einmal nachgelassen haben und den Frieden herrschte.

Bis der Priester dann wieder die Göttin, des Umgangs mit sterblichen Menschen ersättigt, in ihren heiligen Bezirk zurückbringt. Dann wird der Wagen, seine Umhüllung und – wenn man es glauben darf – die Göttin selbst in einem unzugänglichen See genetzt. Sklaven helfen beim Dienst, die alsbald der nämliche See verschlingt. Daher das geheime Grauen und das heilige Dunkel um etwas, was nur Todgeweihte erschauen.65

In der nordischen Mythologie vertritt der Gott Loki eine Gestallt der verschiedensten Funktionen. Zu seinem Charakterzug wurde vor allem die Listigkeit; einmal stand er an der Götterseite als ihr Verbündeter und das nächste Mal benahm er sich als ihr abgesagter Feind. Während der Ragnarök kämpfte Loki als Verbündeter der Riesen gegen die Götter. Die Midgardschlange, die Herrscherin der Unterwelt Hel und der Fenriswolf waren die Nachkommen Lokis und der Riesin Angrboda.66 Der allmählichen Christianisierung, wo die Gestalt der Priester an Bedeutung gewann, werden wir uns noch in dem Kapitel über das westgotische Spanien widmen.

63 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 360. nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 182, 183. 64 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 360. nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 183. 65 TACITUS, Publius Cornelius. Germania. [online]. [zit. am 16. Januar 2014]. Verfügbar über: 66 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 362.

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3. Die Wanderung der germanischen Völker und die Transformation der römischen Welt Die Hochkultur des Römischen Reiches und sein Luxusleben erregten das Verlangen der Barbaren seit der vorchristlichen Zeit, und darum wollten sie zum Teil dieses ersehnten Landes entweder durch die abgeschlossenen Verträge werden oder seinen Dienst antreten, während die anderen Völker das Reich plünderten. Es lag überhaupt nicht in Absicht der Germanen, das Römische Reich zu vernichten. „Ein allgemeines Vorrücken der Germanen nach Südwesten, die förmliche Überschwemmung des Römischen Reiches durch barbarische Völkermassen, wurde aber erst durch den Einfall der Hunnen veranlasst.“67

Zweifellos ist die Geschichte der Goten, Vandalen, Franken und Langobarden vielfach eine Geschichte von Krieg, Blutvergießen und Verwüstung gewesen. Trotzdem waren die Beziehungen des Römerreichs mit den Barbaren viel eher eine Geschichte von Verträgen als eine der militärischen Konfrontation.68

Für den Großteil Europas stellte die Völkerwanderung eine neue Lawine der Einwanderer dar, die durch Zusammenleben mit der ursprünglichen Bevölkerung das Christentum annahmen und ihre eigenen Traditionen und Sprachen mitbrachten. Dieser Zeitraum signalisierte den Übergang vom Altertum zum Mittelalter und Zerfall der römischen Macht, deren innere tiefste Krisis am Ende der ersten Hälfte des 3. Jh. gipfelte und durch die barbarischen Invasionen verstärkt wurde; die Emanzipation der Provinzen und ihre Eroberungen, die Anwesenheit der aus Hispanien (Trajan und Hadrianus) und Gallien (Antonius) abstammenden Kaiser übten sicherlich einen starken Einfluss auf die Stabilität und Einheit des römischen Imperiums. Den errungenen Ruhm der größten antiken Großmacht beendete die Völkerwanderung. Dennoch die Germanen allein, rein der Zahl der migrierenden Bevölkerung nach, konnten nicht für die Zerstörung der römischen Großmacht verantwortlich sein, aber doch für ihre Umgestaltung.69 Die politische Inkompetenz und damit der sich nähernde Verfall des Imperiums führten nach dem Tod Kaisers Theodosius I. zur Teilung des Römischen Reiches im Jahre

67 Meyers Großes Konversationslexikon. 1. Band. 6. Auflage. Leipzig und Wien 1905-1909. S. 228, 229. [online]. [zit. am 27. Januar 2014]. Verfügbar über: < http://woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=Meyers&lemid=IV02563 > 68 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 88. 69 nach LE GOFF, Jacques. Kultura středověké Evropy. Praha: Odeon, 1991. S. 29. nach WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 88.

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395 unter seinen zwei Söhnen Arcadius und . Das Westrom fiel unter die Herrschaft des Kaisers Honorius und Arcadius wurde der erste oströmische Kaiser. Der westgotische König Alarich I. gelangte zur bedeutenden Stellung als Heerführer des oströmischen Reiches und Stilicho wurde als Heermeister des Westreiches eingesetzt. Während der Regierungszeit von Theodosius I. wurden einige Änderungen vorgenommen, aus denen die eine die Ansiedlung der Westgoten, als eine autonome Gruppe mit eigenen Königen, im Jahre 382 in das römische Territorium von Thrakien betraf. „Die Goten wurden in Kernländern des Reiches als Föderaten anerkannt und bildeten in verhältnismäßig geringer Entfernung zu den Hauptstädten Konstantinopel und Ravenna eigene Verfassungseinheiten, die zu ‚Staaten im Staat„ werden mussten.“70 Die andere Veränderung stand in Verbindung mit der Anerkennung des Christentums als Staatsreligion. Diese Religion fand die volle Sympathie des westlichen Kaisers Konstantin I., der mit dem Kaiser des Ostens, Licinius, 313 die Mailänder Vereinbarung getroffen hat. Damit sollte die Toleranz gegenüber allen Religionen garantiert und das Christentum erlaubt werden. Das erste Konzil, von Konstantin 325 in der Stadt Nicäa bei Konstantinopel einberufen, wonach die Hauptstadt verlegt wurde, sollte den entstandenen Streit, den Arianismus71 betreffend, beenden.72 Die vorherigen Umstände und Verhältnisse sahen ganz anders aus; unter dem Kaiser Decius kam es um das Jahr 250 zur allgemeinen Christenverfolgung, deren Ursache in der Ablehnung der meisten Christen, das Opfer den römischen Gottheiten zu bringen, lag. Während seiner Herschafft unternahm Decius zahlreiche Kriege gegen die feindlichen Goten. Jordanes berichtet in Getica (Gotengeschichte), dass Goten und ihre starke Truppe mit etwa 70.000 Mann unter Führung des Königs Cniva die berühmte Stadt Nicopolis belagerten, wo sie aber von dem Kaiser überrascht wurden, und nachdem sie das Balkangebirge überquert hatten, überfielen sie die Stadt Philippopolis, das heutige Plovdiv in Bulgarien. Trotz aller Bestrebungen Decius‟, die Niederlage abzuwehren, eroberten die Goten das Philippopolis und Decius selbst fiel ein Jahr später in der Schlacht von Abrittus.73

70 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 93. 71 Arianismus ist die christlich theologische Lehre nach dem alexandrinischen Presbyter Arius benannt, deren Behauptung, dass Christus als ein geschaffenes Wesen zusammen mit dem Heiligen Geist dem Gott untergestellt ist, der Ausgangspunkt für diese Lehre wurde. 72 nach UBIERTO ARTETA, Antonio u.a.. Dějiny Španělska. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 1995. S. 32. 73 nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 56. nach JORDANES. Gótské dějiny / Římské dějiny. Erste Auflage. Praha: Argo, 2012. S. 59, 60.

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3.1. Einfall der Hunnen in Europa Der Einfall der nomadischen Hunnen aus den asiatischen Steppen nach Ostmitteleuropa, als sie den Fluss Don um 375 überschritten, bewirkte eine große Migration hauptsächlich der germanischen Stämme, die entweder durch die Bitte um die Zuflucht an das römische Reich, oder vor der Verzweiflung gewaltsam durch die Kriege, das Verdrängen der Ureinwohner und Besetzung ihrer Räume, neue Siedlungsgebiete suchten. Zuerst betrafen diese Veränderungen den Stammesverband der Goten, die sich nach der Auswanderung aus dem Weichselmündungsgebiet am Ende des 2. Jh. am Schwarzen Meer, im Land der Skythen, niedergelassen haben. Dem gingen noch zahlreiche Auseinandersetzungen an der unteren Donau zwischen den Römern und den germanischen Feinden voraus. Seit dem Jahr 238 unternahmen Goten mit dem gefürchteten Volk der Karpen Angriffe und Raubzüge, welche die Provinzen der Balkaninsel ausplünderten. Trotz der Niederlage, welche die Goten in der Schlacht bei Naissus 269 erlitten haben, besetzten sie zusammen mit den Vandalen, Karpen und später auch Gepiden das Gebiet von Dakien, von wo sich Kaiser Aurelianus nach den wiederholten Barbarenangriffen und Plünderungen, welche die Verteidigung des Landes gefährdeten und die innere Stabilität lähmten, zurückzuziehen entschied.74 Bevor die Hunnen die gotische Fluchtbewegung aus dem Gebiet nördlich des Schwarzen Meeres auslösten, haben sie den Teil des sarmatischen Stammes der Alanen besiegt und unterworfen; die anderen zogen nach Westen, 406 schlossen sich der Invasion der germanischen Vandalen, Burgunder und Sueben über den Rhein nach Gallien an, wo sie als Föderaten angesiedelt wurden, um das weströmische Gebiet zu verteidigen. Die meisten zogen später davon nach Spanien fort und ihre Wanderung wurde in Nordafrika beendet.75 Ein weiteres Hindernis auf dem Weg der hunnischen Streifzügler stellte das Reich von Ermanarich dar, östliches Stammesverband unter den Namen von den Ostgoten (Greutungen, Ostrogoten) bekannt. Den westlichen Goten, den späteren Visigoten, gelang es, sich vor den anstürmenden Stämmen zu retten, obgleich sie dem Zusammenstoß und den militärischen Auseinandersetzungen nicht ausweichen konnten. Der Aufteilung der

74 nach JORDANES. Gótské dějiny / Římské dějiny. Erste Auflage. Praha: Argo, 2012. S. 42, 44. nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 50, 51. nach WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 78. 75 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 49. nach UBIERTO ARTETA, Antonio u.a.. Dějiny Španělska. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 1995. S. 32, 33.

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Goten auf West- und Ostgoten werden wir noch im nächsten Kapitel Aufmerksamkeit widmen.76 Die Sarmaten und das Reitervolk der Taifalen, die Verbündete der Westgoten gegen die Vandalen, Römer und Gepiden, wurden von den dem Druck der Hunnen ausweichenden Goten, aus ihren Siedlungen verdrängt. Das gleiche Schicksal traf auch die silingischen und asdingischen Vandalen, die am Zug nach Westen gemeinsam mit den Sueben und Alanen teilnahmen.77 Die Hunnen gliederten die unterworfenen Stämme der Alanen, Sarmaten und Ostgoten in ihr mächtiges Heer ein. Diese waren aber nicht die einzigen, die sich im Hunnenverband integriert befanden; es handelte sich noch um die Burgunder, Skiren, Quaden, Gepiden, Heruler und Rugier, die Schulter an Schulter mit diesem Reitvolk die Feinde bekämpften.78 Die Zeit, wann die allgemeine Verwirrung regierte; mit diesen Worten lässt sich die Völkerwanderungszeit charakterisieren.

Damit verbunden war die Vorstellung von katastrophalen Barbareninvasionen unter der Führung von Heerkönigen, wie dem Westgoten Alarich I. (391/95-410), dem Ostgoten Theoderich dem Großen (471/74-526), dem Vandalen Geiserich (428-477), dem salfränkischen Merowinger Chlodwig (481-511) oder dem Langobarden Alboin (560/61-572), die auf dem Boden des zerfallenden Römerreichs ihre barbarischen Regna gründeten.79

Die Stämme kämpften gegeneinander, vermischten sich, es entstanden neue Verbände und Rom war an der Romanisierung der Barbaren und am Abschluss der Bündnisverträge interessiert. Einige der historischen Quellen stellen in Frage den direkten Einfluss der Hunnen auf die Völkerwanderung. Ammianus Marcellinus, Orosius, Jordanes und Isidor von Sevilla vertreten die Meinung, dass es zur Wanderung der germanischen Stämme durch die Einladung des weströmischen Herrschers Stilicho gekommen ist. Dieser, aus der barbarisch-römischen Familie abstammend, wollte die Unterstützung der in Gallien angesiedelten Barbaren auf seine Seite gegen den Kaiser Honorius gewinnen. Demgegenüber gab es auch Autoren wie Cassiodor, Gregor von Tours und Prosper Tiro

76 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 49, 50. 77 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 50, 137. nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 68, 69. 78 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 50. 79 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 87.

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von Aquitanien, die über diese Ereignisse schrieben, ohne die Ursache der Völkerwanderung zu erwähnen, während Christian Courtois, ein Experte im Gebiet des Stammes der Vandalen, Ambrosius von Mailand und Hieronymus den Druck der nomadischen Hunnen bestätigen.80

3.2. Über die Herkunft und das Leben des Reitervolkes der Hunnen

Die genaue Identität dieses Volkes ist noch heute umstritten, da die Ansichten der modernen Forscher nicht übereinstimmen. Seine vermutlichen Ahnen sind die Xiongnu, ein in der Zeit der Han-Dynastie zwischen 206 v. Chr. – 220 n. Chr. bezeugter Stamm in China und Mongolei. Nachdem er in zwei Gruppen im 1. Jh. v. Chr. zerfallen ist, richtete sich die eine nach Süden, während die andere sich in westlicher Richtung zum Aralsee zusammenzog, von wo am Ende des 4. Jh. König Balamir mit den Reiterheeren gegen den Stamm der Alanen nach dem Wolgaübergang anstürmte. Auch die Xiongnu haben eine nomadische Lebensweise geführt und ihr Zuhause waren die Jurten.81 Ein charakteristisches Merkmal dieses Volkes, das auch bei den europäischen Hunnen zu merken ist, war die Sehnsucht nach der Macht über die anderen Völker, der Beute, der Kriegszüge und die damit zusammenhängende Ausdehnung ihres Reiches. Jordanes schreibt über ihren Ursprung in Getica:

Zuerst hielten sie sich zwischen den Sümpfen auf, ein unansehnliches, hässliches und kleines, kaum menschenähnliches Geschlecht, an keiner Sprache erkenntlich außer an einem etwas, was den Schein einer menschlichen Sprache durchblicken ließ. Diese Hunnen also, von solchem Ursprung, nährten sich dem Gebiet der Gothen. Ihr wilder Stamm saß, nach dem Bericht des Geschichtsschreiber Priscus, auf der jenseitigen Küste des Mäotischen Sumpfmeeres, ohne irgend eine Beschäftigung zu kennen außer der Jagd; nur dass sie, nachdem sie zu einem Volk herangewachsen waren, die Ruhe ihrer Nachbarvölker durch Raub und Hinterlist beeinträchtigten.82

80 nach UBIERTO ARTETA, Antonio u.a.. Dějiny Španělska. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 1995. S. 33. 81 nach Attila der Hunne. [online]. 2011 [zit. am 24. Januar 2014]. Verfügbar über: nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 44, 45. 82 JORDANES. Gothengeschichte nebst Auszügen aus seiner römischen Geschichte. Leipzig: Duncker, 1884. S. 40. [online]. [zit. am 24. Januar 2014]. Verfügbar über:

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Die nächste der glaubwürdigen Quellen, das bekannte Werk unter dem Titel Res gestae, das der wichtige spätantike Geschichtsschreiber Ammianus Marcellinus verfasste, bringt uns dem Bild der Hunnen näher, die so wie bei Jordanes negativ als Analphabeten auf niedrigem Kulturniveau, einer kleinen gekrümmten Figur mit scheußlichem Aussehen geschildert werden. Was die Ausdruckweise dieses Autors betrifft, ist er nicht gerade zurückhaltend, weil er sich nicht weigert, die Hunnen zweibeinige Bestien zu nennen.83 Obwohl wir den Unklarheiten in den Fragen nach der Identität des Hunnenvolkes begegnen, war seine Kriegsbereitschaft zweifellos enorm und die Taktik hoch entwickelt. Die Pferde spielten im Leben der Hunnen eine wichtige Rolle und die meiste Zeit verbrachten sie im Sattel. Von klein an waren sie dem Reittraining unterzogen, dem sie ihre Kriegsfertigkeiten verdanken konnten; auf den galoppierenden Pferden, mit dem Gesicht von Tierblut bestrichen, schossen die Hunnen ihre Pfeile aus den sinnvoll aufgebauten Bogen aus Sehnen, Knochen, Horn, Hölzern und Fischgrätenleim ab und haben die zweischneidigen Schwerter in die Leiber der Feinde gerannt. Eine Wunde mit dem Schwert in die Gesichter der jungen Männer zu schneiden, wurde es zur Sitte der Hunnen, die auch die Neugeborenen an die Härte des Lebens gewöhnen sollte.84 Die aus den asiatischen Steppen gestürmten Hunnen zerstreuten die Völker als eine Billardkugel auf alle Seiten. Was hat sie dazu bewegt? Diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Eine Legende spricht darüber, dass sie eine Hirschkuh auf der Jagd verfolgt haben, bis sie das Land der Skythen erblickten; die Forscher legen dieser Auffassung natürlich keine Bedeutung bei.85 Unter der Führung Attilas, auch Geißel Gottes genannt, um 433 bis 453 erreichten die Hunnen den Höhepunkt ihrer Macht. Das Zentrum des Hunnenreiches erstreckte sich über das heutige Ungarn, dessen Hauptstadt irgendwo zwischen Donau und Theiß lag. Obwohl Attila zu den grausamsten Kriegern zählte und für den gefürchteten Feind gehalten wurde, benahm er sich gegenüber seinen Untertannen auch freundlich und war sehr freigebig. Die Kriegsaktionen, die Attila mit seiner nomadischen Truppe geführt hatte,

83 nach Die Chronik der Deutschen. München: Chronik-Verlag, 2007. S. 37. [online]. [zit. am 24. Januar 2013]. Verfügbar über: 84 nach BRUHNS, Annette. Attila und Hunnen, das mysteriöse Steppenvolk. Spiegel online, Wissenschaft. [online]. 2013 [zit. am 24. Januar 2014]. Verfügbar über: nach Attila der Hunne. [online]. 2011 [zit. am 24. Januar 2014]. Verfügbar über: < http://steppenreiter.de/hunnen.htm > 85 nach JORDANES. Gótské dějiny / Římské dějiny. Erste Auflage. Praha: Argo, 2012. S. 64, 65.

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haben eine wichtige Rolle in der Geschichte gespielt und den Verlauf der historischen Ereignisse stark geprägt.86

3.3. Die Goten

Wenn Jordanes in Getica über die Wanderung der Goten in südöstlicher Richtung zum Schwarzen Meer spricht, erwähnt er ihre drei Ansiedlungen, wobei es in 291 während des letzten Aufenthalts zur Spaltung des Gotenvolkes in westliche Terwingi-Vesi (Visigothen) und östliche Greutungi-Ostrogothi (Ostrogothen) kam. Über die Westgoten herrschte das Geschlecht der Balthen, über die Ostgoten waren es die Amaler und die Grenze zwischen ihnen bildete der Fluss Dnister.87 Ammianus Marcellinus widerlegte die Behauptung Jordanes‟, dass die Terwingen und Greutungen die Vorläufer der Visigoten und Ostrogoten waren. Nach dem Jahr 400 wurden diese zwei Namen, Terwingen und Greutungen, nur im Heldenlied gebraucht, das Begriffspaar Vesier-Ostrogothen ist geblieben, „bis es durch Cassiodor am Beginn des 6. Jahrhunderts zum Analogen Vesegothen-Ostrogothen im Sinne von Westgoten und Ostgoten verbessert wurde.“88 Peter Heather weist in seinem Werk darauf hin, dass die Benennung „Visigothen“ für die vereinigten Greutungen von Ermanarich, die meisten Terwingen und Goten von Radagaisus verwendet wird, die sich 418 in südwestlichen Gallien niedergelassen haben und das Tolosanische Reich gründeten. „So wie die Westgoten, entstanden auch die Ostgoten in einem spezifischen Kontext des 5. Jh. und ihre Existenz soll nicht ins 4. Jh. datiert werden.“89 Die Goten unter der Führung der Amaler und die Goten des oströmischen Heermeisters Theoderich Strabo, die langjährigen Rivalen, deren Entwicklung mindesten 50 Jahre einen ganz unterschiedlichen Lauf nahm, traten von 474 bis 489 als Kampfgenossen gegen die oströmische Macht auf.90

86 nach CHLUBNÝ, Jiří. Antika. Attila. [online]. 2004 [zit. am 24. Januar 2014]. Verfügbar über: 87 nach JORDANES. Gothengeschichte nebst Auszügen aus seiner römischen Geschichte. Leipzig: Duncker, 1884. S. 13. [online]. [zit. am 28. Januar 2014]. Verfügbar über: < http://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/b/b038691.pdf > nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 34. 88 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 91. 89 nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 62. (Übersetzung der Verfasserin) 90 nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 62, 63. nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 105.

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Tatsächlich bestanden aber im 5. und 6. Jahrhundert die westlichen Goten ebenso aus Ostrogothen, wie Vesier an der Ethnogenese ihres östlichen Brudervolks teilgenommen hatten. Es empfiehlt sich daher, von Ostrogothen nur bis zum Beginn des 5. Jahrhunderts und erst danach von Ostgoten zu sprechen; und das gleiche gilt für Vesier und Westgoten.91

Das Volk der Goten lässt sich nach Peter Heather in zwölf Gruppen einteilen, davon beteiligten sich fünf Gruppen auf der Entstehung der Westgoten und Ostgoten. Die Expansion der Germanen im 3. Jh. in Richtung Balkan und Küste des Schwarzen Meeres hatte keinen Charakter eines einheitlichen Streifzugs, weil mehr eigenständige Gruppen an der Migration beteiligt waren, was eine bestimmte sozialpolitische Spaltung voraussetzte. „Da der Stamm unter Übervölkerung litt, habe ‚das Heer der Goten mit Weib und Kind„ auf Beschluss ihres Königs Filimer die Heimat verlassen.“92 Nach den Anschauungen Heathers sollten demnach im 4. Jh. auf diesem Gebiet einige selbständige Reiche der Goten vorkommen; neben den Terwingen und Greutungen Ermanarichs waren es noch die Greutungen des Odotheus.93 Mit dem Sieg von Naissus über die Goten im Jahre 269 startete Kaiser Claudius II. gemeinsam mit Aurelian, dem Befehlshaber der Kavallerie, „die Säuberung der Balkanhalbinsel.“94 Nach dieser Vernichtungsschlacht verdiente Claudius II. den Siegestitel „Gothicus“ und dank seinem Erfolg im Krieg mit den Alemannen 268 in Italien verlieh ihm der Senat den Ehrentitel „Gothicus Maximus“. Die Spaltung der Goten folgte auf der Ernennung Aurelians zum Kaiser nach der kurzen Herrschaft Quintillus, dessen Bruder Claudius an der Pest starb.95

Im Frühjahr 271 marschierte der Kaiser mit seiner sieggewohnten Armee in den Osten, um Palmyra zu unterwerfen. Auf dem Weg in den Orient säuberten die Römer den illyrisch-thrakischen Raum von feindlichen Kriegerhaufen, unter denen sich wohl in erster Linie Carpen befunden hatten. Wo aber diese auftraten, da waren die Goten meist nicht weit. Tatsächlich kam es zu einem Zusammenstoß zwischen Römern und Goten. … Schließlich erlitten sie eine vernichtende

91 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 91. 92 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 52. 93 nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 67. 94 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 64. 95 nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 64–66.

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Niederlage. Fünftausend Krieger und ihr König Cannabus-Cannabaudes fielen. Die Gotengefahr schien auf immer gebannt.96

Die Goten waren darum bemüht, die nördliche Donau-Provinz in den Karpaten zu besetzen und sie mit den Taifalen zu teilen. Die Karpen, Peukiner und Gepiden, ihre ehemaligen Verbündeten, wurden aber ihre Rivalen, denn diese wurden entweder von dem Kaiser in diesem Gebiet angesiedelt, oder gelangen dazu in dem kriegerischen Vordringen.97 „Und schließlich kamen die Gepiden; mit ihrem Auftreten um 290/91 ist auch die Spaltung des Gotenstammes besiegelt. Westlich des oberen Dnestr und unteren Pruth leben nun für ein Jahrhundert die vesischen Terwingen und östlich davon die ostrogothischen Greutungen.“98

3.4. Die Goten während des Hunnensturms und unter ihrer Oberherrschaft

Den Goten blieben - wie den meisten anderen germanisch-sarmatisch-baltischen Völkern dieses Raumes - zwei Alternativen: sie wurden entweder in das Imperium Romanum aufgenommen und erhielten unter den verschiedensten Titeln die Reichangehörigkeit oder sie blieben Unterworfene der Hunnen. In beiden Fällen mussten sie ihre Heimat verlassen.99

Die ersten, die dem Einfall der wilden Nomaden standhielten, waren die Greutungen Ermanarichs. Nach seinem Tod übernahm Vithimiris die Macht, der den Angriff der Alanen mit den in sein Heer eingegliederten Hunnen zurückschlagen wollte, aber als er in einem Krieg umgekommen ist, wurde der minderjährige Sohn Vidirich sein Nachfolger. Der Widerstand der Greutungen wurde gebrochen. Ihr Großteil geriet unter die hunnische Oberherrschaft, einer Gruppe der Greutungen gelang es, zu flüchten und die Unterwerfung zu vermeiden. Unter Führung Alatheus und Safrax entschieden sie sich in das Gebiet am Dnister zurückzuziehen, wo sie Athanarich und dem Stamm der Terwingen begegnet haben. Sowohl die Greutungen als auch Terwingen haben die Verteidigungswälle aufgebaut. Athanarich sollte angeblich die Befestigung in der Nähe des Flusses Pruth bis zur Donau einrichten; es ist aber zu vermuten, dass sein Plan infolge der hunnischen

96 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 65, 66. 97 nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 67. 98 Ebd. S. 67. 99 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 93.

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Einbrüche scheiterte; man nutzte den schon lange Zeit existierten „Limes transalutanus“ aus. Das Bestreben der Terwingen, die hunnische Bedrohung zu vermeiden, führte sie dazu, dass sie sich an einem sicheren Ort retten wollten, d.h. im Römischen Reich, und die meisten erhoben sich gemeinsam mit den Feldherren Fritigern und Alaviv gegen den Oberhaupt des Gotenreiches Athanarich und trennten sich von ihm. Nach dem Donauübergang im Jahre 376 baten sie den Kaiser Valens um Asyl, der den Westgoten entgegenkam und gewährte ihnen das Siedlungsgebiet in Thrakien. Die Gruppe der nicht unterworfenen Greutungen erschien ebenso mit derselben Bitte 376 an der Donaugrenze, um sich im nächsten Jahr auf der Seite der Terwingen gegen die Römer erheben zu können und zu ihrer Niederlage zu verhelfen.100 Der Charakter des hunnischen Eindringens in den europäischen Kontinent lässt sich aber nicht als ein rasch aufziehendes Gewitter interpretieren. Der Druck der Hunnen verstärkte sich nämlich im Laufe einiger Jahre, wurde also nicht plötzlich entwickelt, und die Anwesenheit der hunnischen Nomaden an der Donau wird erst am Anfang des 5. Jh. belegt. Die Siedlung der mit Athanarich zurückgebliebenen Terwingen erstreckte sich am Ende der 70er Jahre des 4. Jh. nördlich der Donau. Die archäologischen Funde im heutigen Siebenbürgen bezeugen das Vorkommen einer oder mehrerer germanischer Gruppen auf diesem Gebiet. Ob es die von Athanarich, oder eine ganz andere war, lässt es sich nicht exakt bestimmen. Um die Jahrhundertwende im Jahre 395, wanderten die Hunnen aus dem Gebiet an der Wolga südwärts über den Kaukasus; die einen kämpften gegen die Römer in Armenien und die anderen sind bis zu Syrien und Antiochia gelangt. Erst am Anfang des 5. Jh. kann man über die Hunnen im Donaugebiet sprechen.101 „Der Großteil der Ostrogothen wurde zu hunnischen Goten, wanderte westwärts und verschmolz mit den in ihrer Heimat zurückgebliebenen Donaugoten.“102 Die Goten, die sich der hunnischen Umklammerung nicht entzogen, sollten sich den neuen Lebensbedingungen und Umständen anpassen; sie hatten hunnische Namen, auch die für die Hunnen typische Schädeldeformation war bei den Goten nachweisbar. Trotz der scheinbaren Kooperation herrschten zwischen den Goten, als Untertannen, und Hunnen ambivalente Beziehungen; sie wollten sich aus der hunnischen Vorherrschaft befreien und einige Gruppen haben es auch versucht. Dies betrifft im 406 den Zug von Radagaisus aus

100 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 49, 50. nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 107–110. nach JORDANES. Gótské dějiny / Římské dějiny. Erste Auflage. Praha: Argo, 2012. S. 66. nach LE GOFF, Jacques. Kultura středověké Evropy. Praha: Odeon, 1991. 32. 101 nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 112, 113. 102 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 93.

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der hunnischen Umklammerung, der auf dem Weg nach Oberitalien mit den gotischen Truppen Florenz verwüstete und in der Schlacht bei Fiesole von dem Heer Stilichos, vereinigt mit dem Hunnenhäuptling an der unteren Donau namens Uldin, geschlagen wurde. Der Hunne Attila galt als der berühmteste Herrscher in der Existenz des Hunnenreiches; ungefähr von 435 bis 445 herrschte er zusammen mit seinem Bruder Bleda, dann ließ er ihn aber ermorden und nahm die Macht in seine Hände. Das Hauptsiedlungsgebiet, wie schon erwähnt wurde, lag in der Gegend der Donau und Theiß.103 Die Masse der Hunnen an der mittleren Donau stellte ziemlich große Gefahr für das Oströmische Reich dar, worauf Kaiser Theodosius II. wichtige Schritte gegen die möglichen hunnischen Angriffe unternahm und die Hauptstadt Konstantinopel sicherte, indem er die Befestigung um 412 errichten ließ. Infolge der hunnischen Expansion waren also vier Gruppen der Goten, 376 die Terwingen und Greutungen, 386 die Greutungen des Odotheus und 406 die Goten des Radagaisus, darum bemüht, die Grenze des Römischen Reiches zu überschreiten und eine neue Heimat zu finden.104 Ohne die gewaltsame Einbeziehung der zahlreichen Völkerschaften, politische Transformation, Zentralisation der Macht, Einführung der Zwangsabgaben im Gebiet der Landwirtschaft und nicht zuletzt ohne die verstärkte Militarisierung, Kriegsaktionen und Forderung nach der Gebühren würde das Hunnenreich zu gar keiner dominanten Stellung in der damaligen Welt gelangen. In den Getica des Jordanes wird angegeben, dass bloß die gotische Gruppe der Amaler unter die Oberherrschaft der Hunnen fiel, was aber der Mediävist Heather grundsätzlich ablehnt; seiner Meinung nach handelt es sich wahrscheinlich um sechs oder sieben früher oder später unterworfene Gruppen der Goten. Daher ist die Unterordnung der beiden Gruppen, die sich auf der Halbinsel Krim nach dem Jahr 400 vor der hunnischen Bedrohung niedergelassen haben, unsicher und die Entfernung von dem Kern der hunnischen Macht konnte ihnen wahrscheinlich ziemlich große Autonomie gewähren. Der Grad der Kontrolle über die anderen Gruppen war unterschiedlich und daraus geht ihre unterschiedliche Fähigkeit und Möglichkeit der Freilassung aus der hunnischen Oberherrschaft hervor.105

103 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 51. nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 112–118. 104 nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 116–118. 105 nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 120–122. nach JORDANES. Gótské dějiny / Římské dějiny. Erste Auflage. Praha: Argo, 2012. S. 66.

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Sowohl die Beziehungen zwischen den Goten und Hunnen als auch das Verhältnis der Hunnen zu dem östlichen und westlichen Teil des Römischen Imperiums waren ambivalent. Das Oströmische Reich des Kaisers Theodosius II. (er herrschte in den Jahren 408 bis 450) wurde von den zahlreichen hunnischen Plünderungen in der Zeit Attilas nicht verschont, worauf der Kaiser auf die festgesetzten Bedingungen für die Bewahrung des Friedens einging und die entrichteten Steuern flossen in die Kasse Attilas. Demgegenüber Kaiser Honorius (395–423) garantierte seinem Reich den Waffenstillstand durch das im 408 geschlossene Bündnisvertrag, was er ein Jahr später gegen den Kriegszug Alarichs nach Italien ausnützte. Der Thronanwärter des Weströmischen Reiches wurde der nur sechsjährige Valentinian III. (425–455), dessen Regierung seine Mutter Galla Placidia und Aetius, zuerst der Heermeister dann der faktische weströmische Regent und dreimal genannter Konsul, beeinflussten und dadurch die Hauptpersonen der damaligen Reichspolitik wurden. Die positiven Beziehungen Aetius‟ zu den Hunnen verstärkten ihre gegenseitige Kooperation in den Kämpfen Roms gegen die Burgunder und Westgoten. Am Anfang der 50er Jahre des 5. Jh. begann Attila über die Ausdehnung des Reiches nachzudenken und plante seinen Einflussbereich noch auf das Gebiet des Römischen Reiches auszudehnen. Er entschied sich für die Eroberung des Westens. Die beiden man kann sagen sich gegenseitig entfremdeten Teile des Imperiums fanden seinerzeit ein gemeinsames Interesse, und zwar die Verteidigung des Reiches gegen die barbarische Bedrohung.106

In der tristen ökonomischen Situation des Weströmischen Reichs marschierten die mächtige Armee der Hunnen und andere Untertanen Attilas aus. Zu den stärksten Verbündeten auf seiner Seite zählten die Gepiden unter die Führung des Königs Ardarich und die Ostgoten, über die drei Amalerbrüder, Valamir, Thiudimir und Vidimir, geboten und die Herrschaft über ihr Volk konnten sie erst nach der Leistung des Treueids ausüben.107

Die geschwächten weströmischen Streitkräfte konnten der Übermacht Attilas ohne fremde Hilfe nicht mehr standhalten und „sollten im diesen kritischen Moment einen Ersatz für die hunnischen Hilfstruppen finden und wenigstens zum Teil die Zahl der

106 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 61. nach CHLUBNÝ, Jiří. Antika. Attila. [online]. 2004 [zit. am 5. Februar 2014]. Verfügbar über: 107 BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 65. (Übersetzung der Verfasserin)

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Verteidiger der Zahl der Angreifer ausgleichen.“108 Der Militäreinsatz der barbarischen Verbündeten sollte den Römern bei der Abwehr des Sturms Attilas aushelfen; die Burgunder, Franken und die in Gallien niedergelassenen Alanen und Sachsen schlossen sich auf der Seite des Westroms zusammen. Die Teilnahme der südgallischen Westgoten an dem gegenhunnischen Feldzug war anfangs unsicher; obwohl sie die römischen Föderaten wurden, sie haben die Vereinbarung mehrmals verletzt. Erst nach dem Einfall des an der Reichsgrenze konzentrierten Hunnenheers über den Rhein nach Gallien im 451 konnte Aetius mit der westgotischen Verstärkung rechnen, deren Armee von besonderer Wichtigkeit war. Er sandte danach die Hilfstruppen der Stadt Aurelianum (Orléans), die Attila umlagerte und nach seiner Vertreibung durch die römisch-barbarische Koalition kam es zu einem Zusammenstoß zwischen den Befehlshabern dieser Konfliktparteien in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern. Goten kämpften gegen Goten. „Unter Führung der drei königlichen Brüder Valamir, Thiudimir und Vidimir standen Amaler unmittelbar den Balthen gegenüber. Ja, ein Amaler namens Andagis soll sogar den Speer geschleudert haben, der den Westgotenkönig Theoderid tötete.“109 Trotz der großen Verluste auf der römischen Seite besiegte Aetius die erschöpften Hunnen, die außerstande waren, eine ausreichende Verteidigung aufzubauen. Die hunnischen Streitkräfte konnten total vernichtet und Attila getötet werden; es ist aber nicht geschehen.110

Der Pragmatiker Aetius verbot den Angriff, denn er fürchtete die zu stark wachsende Macht der Visigoten, und die Hunnen sollten bei einem eventuellen Konflikt als eine der wichtigen Kräfte mitwirken. Attila konnte demnach aus der Schlacht frei abziehen. Früh darauf bedauerte sicherlich Aetius seine Wahl, da Attila im nächsten Jahr in Italien eingebrochen ist und die Römer waren ohne das Föederatenheer völlig wehrlos.111

Der Ruf über die Unbesiegbarkeit Attilas, den er bis zu diesem Moment genoss, wurde verletzt; es dauerte jedoch nicht lange Zeit, als Attila seine entwickelten kriegerischen Fähigkeiten bei dem Übergang des nicht gesperrten Alpenpasses und in der Invasion Italiens 452 wieder aber zum letzten Mal zeigte. Als die in Norditalien wütende

108 BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 65. (Übersetzung der Verfasserin) 109 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 183. 110 nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 193. nach JORDANES. Gótské dějiny / Římské dějiny. Erste Auflage. Praha: Argo, 2012. S. 79, 80. 111 CHLUBNÝ, Jiří. Antika. Attila. [online]. 2004 [zit. am 6. Februar 2014]. (Übersetzung der Verfasserin). Verfügbar über:

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Pest auch sein Heer dezimiert hatte, schloss Attila Frieden mit dem Papst Leo dem Großen und kehrte heim. Die Streitigkeiten und Auseinandersetzungen Attilas mit Rom hätten ohne Frage noch eine lange Dauer, aber der Feldherr ist 453 gestorben.112 „Es war ihm unvermittelt eine Ader zerrissen; und da er auf dem Rücken lag, so erstickte er an einem Blutstrom, der ihm in Lunge und Magen gelaufen war, da er nicht durch die Nase ablaufen konnte.“113 Der Tod Attilas bedeutete den Verfall seines Reiches, im dessen Hintergrund die Auseinadersetzungen zwischen seinen Söhnen um die Macht und folglich dann die von Germanen und Rom geführten gegenhunnischen Kriege standen. Im Jahre 454 fiel Ellac in der Schlacht gegen den gepidischen König Ardarich am Nedao, im 469 wurde Dengizich im Kampf gegen das Ostrom getötet, während sich ein Teil der Hunnen unter Ernak dank dem Frieden mit Konstantinopel in Dobrudscha ansiedeln konnte. Die unterworfenen Völkerschaften begannen den Kampf für ihre eigene Selbstständigkeit, was natürlich nicht rasch und glatt durchlief. Die ersten, die sich von der hunnischen Oberherrschaft befreit haben, waren die vereinigten Goten Valamirs nach dem Tod Attilas, später gelang es den Gepiden. Am Ende der 60er Jahre unternahm die gotische Gruppe unter Führung Bigelis‟ den Versuch, sich der hunnischen Kontrolle zu entziehen und im Römischen Reich zu retten.114 „Die Beseitigung der hunnischen Hegemonie im Mitteleuropa war keine einfache Angelegenheit.“115

112 nach CHLUBNÝ, Jiří. Antika. Attila. [online]. 2004 [zit. am 6. Februar 2014]. Verfügbar über: 113 GIBBON, Edward. Verfall und Untergang des Römischen Reiches. 4. Band [online]. 2013 [zit. am 7. Februar 2014]. Verfügbar über: 114 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 70. nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 132–134. 115 HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 134. (Übersetzung der Verfasserin)

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3.5. Die Terwingen und die Entstehung der Westgoten bis zur Gründung des Tolosanischen Reiches

„Die terwingische Geschichte des Jahrzehnts vor dem Hunneneinbruch steht im Zeichen der Gestalt Athanarichs, der die Zeitgenossen wie die Nachwelt in gleicher Weise faszinierte.“116 Fast fünfzig Jahre waren an der Macht der Terwingen drei Generationen derselben Familie, was aber die sich nähernde Hunnengefahr und die folgenden Machtkämpfe zu Ende brachten. Im Jahre 376 unternahmen Fritigern und Alaviv den organisierten Rheinübergang, und die Goten, obwohl sie auf Befehl des oströmischen Kaisers Valens entwaffnet sein sollten, jedoch die überforderten römischen Offiziere haben ihn nicht ausgeführt, wurden in den römischen Balkanprovinzen aufgenommen. Der vorherige Vertrag, den Kaiser Konstantin I. mit den noch hinter der Reichsgrenze lebenden Goten geschlossen hat, brachte den Römern nicht nur gute Erfahrungen, was die Ursache des Zweifels Valens‟ an der Ansiedlung der Goten auf dem Reichsboden war. Die Terwingen waren auch gegenüber der römischen Politik und das Entgegenkommen des Kaisers misstrauisch.117 „Alaviv und Fritigern sind von der Donau vorsichtig und langsam vorgegangen, weil es ihnen bekannt war, dass sich die Greutungen den Übergang erzwungen haben, und wollten ihnen die Zeit geben, um zusammenzutreffen.“118 Der Grund dafür war, die Möglichkeit sich mit den Greutungen gegen die Römer im Fall der Notwendigkeit zusammenzuschließen. Die Konflikte mit den Persern, die die Reichsregierung 376 beschäftigten, bereiteten Schwierigkeiten mit der Versorgung der hungrigen Goten.

Die mangelhafte Bereitstellung von Lebensmitteln, die nicht unbedingt beabsichtigt gewesen sein muss, trug ebenfalls nicht dazu bei, den hungerleidenden Stamm zu beruhigen. Römische Beobachter beschreiben die entsetzliche Not der Terwingen und beklagen ihre Ausbeutung durch unredliche Beamte und Generäle. Die Verzweiflung trieb zur Selbstversklavung, zur Trennung von Familien und zur Auslieferung von Kindern selbst der Vornehmen.119

Die Spannungen in der römischen Welt unterstützte noch mehr das herrschende Chaos. Der römische Befehlshaber Lupicinus sah sich gezwungen, den Goten die

116 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 73. 117 nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 140. 118 Ebd. S. 140. (Übersetzung der Verfasserin) 119 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 127.

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Begleitung zu gewähren. „Die Maßnahem gingen auf Kosten einer lückenlosen Bewachung der Donau, auf der die römische Flottille ihre Patrouillenfahrten einstellte.“120 Der greutungische Dreivölker-Verband unter Führung Alatheus und Safrax nahm die Gelegenheit, ins Römerreich einzudringen, und hat sich mit Fritigern verbindet. Die Unzufriedenheit der Goten gipfelte in der Kriegskampagne des Kaisers Valens gegen diese ausgebrochene Revolte; der Großteil der oströmischen Hofarmee wurde in der Schlacht von Adrianopel 378 vernichtet, denn der Kaiser tritt allein auf das Schlachtfeld gegen die gotischen Empörer, obwohl er den Kaiser Gratian um die Hilfe bat. Valens wurde getötet, die Goten gingen als Sieger hervor und verwüsteten die Provinzen; die Folgen des Krieges waren für sie günstig.121

Kaiser Theodosius, der Kaiser Valens zu Jahresbeginn 379 nachfolgte, schloss am 3. Oktober 382 den Gotenvertrag, das wohl folgenschwerste Foedus der römischen Geschichte. … Die Goten wurden in Kernländern des Reiches als Föderaten anerkannt und bildeten in verhältnismäßig geringer Entfernung zu den Hauptstädten Konstantinopel und Ravenna eigene Verfassungseinheiten, die zu „Staaten im Staat“ werden mussten. 122

Die Greutungen siedelten sich in Pannonien an und den Terwingen wurden die Provinzen Thrakien und Mösien zugewiesen; auf dem Boden des Imperiums genossen sie ziemlich große Autonomie und haben sich verpflichtet, den Militärdienst zu leisten. Die Niederlage der römischen Armee 378 versicherte ihnen den Besitz der Balkanprovinzen. Um das Jahr 380 nahm Theodosius I. den einstigen Gotenrichter Athanarich auf, als diesen großen Christenverfolger wahrscheinlich seine eigenen Leute vertrieben haben. Nach dem Tod Athanarichs wurde Alarich, aus der Königsfamilie der Balthen, im Jahre 391 zum König der Donaugoten ausgerufen; möglicherweise war es am Anfang der 80er Jahre, aber erst seit den 90er Jahren lässt sich seine Funktion mit Sicherheit bestätigen.123 „Er war

120 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 127. 121 nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 140–142. nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 80. nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 109–111. 122 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 93. 123 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 81. nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 144. nach Meyers Großes Konversationslexikon. 1. Band. 6. Auflage. Leipzig und Wien 1905-1909. S. 228, 229. [online]. [zit. am 11. Februar 2014].Verfügbar über:

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nicht nur der erste Gotenfürst, sondern überhaupt der erste Germanenkönig, der Heermeister, das heißt oberster Befehlshaber, einer regulären römischen Armee wurde.“124 Nicht einmal der Vertrag von 382 garantierte den Goten die Ruhe, ganz im Gegenteil. Im Jahre 392 erreichte Kaiser Valentinian II. das Alter, wenn er allein dieses Amt bekleiden konnte, doch der bisher faktisch regierende fränkische Heermeister Arbogast beabsichtigte nicht seine Funktion niederzulegen. Als Valentinian aus ungeklärten Gründen in demselben Jahr in der französischen Stadt Vienne starb, ließ Arbogast den Rhetor Eugenius zum weströmischen Kaiser ernennen. Theodosius, der Verwandte des Valentinians II., lehnte die Anerkennung des Usurpators Eugenius ab und die beiden Seiten stießen 394 in der Schlacht am Frigidus zusammen; Kaiser Theodosius I. besiegte den Rivalen. Die Goten haben große Verluste an Menschenleben erlitten, was zu einer tiefen Revolte führte und König Alarich wurde zur Rettung für das dezimierte Gotenvolk auf dem römischen Boden. Die Tatsache, dass die Römer ihr Vertrauen in Alarich nicht setzten und er keine hohe Stellung im Reichsdienst nach dem Erfolg im Jahre 394 einnehmen konnte, bewegte ihn zur Plünderung des Griechenlands und Eroberung der wichtigsten Städte Korinth, Argos und Sparta.125 „In Mediolanum (Mailand) stirbt Kaiser Theodosius I. Das Römische Reich wird unter seinen beiden Söhnen aufgeteilt; Arcadius erhielt den Osten Honorius den Westen und des Reichs. … Theodosius‟ Vermächtnis lässt neue Konflikte entstehen.“126 Stilicho, der die Regentschaft für den erst zehnjährigen Honorius 395 übernahm, wollte die Macht über das ganze Römerreich ergreifen. Die Minister des Kaisers Arcadius alliierten sich darum mit Alarich und seinen Angehörigen und siedelten sie in Illyrien an. Im Jahre 399 wurde Alarich zum „magister militum per Illyricum“ ernannt, denn Konstantinopel wollte die Kräfte der Goten im Kampf gegen den Feind Stilicho mobilisieren. Es kam allerdings zum Wandel der damaligen Situation.127

Im Herbst 401 verlassen die Goten ihre makedonische Patria in der illyrischen Präfektur. Wieder bricht Alarich ein Foedus; doch sein eigentlicher Vertragspartner, die oströmische Reichsregierung, fühlt sich davon eher erleichtert, ja in der eingeschlagenen Politik bestätigt. … Wieder waren die

124 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 94. 125 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 81–83.. nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 146. 126 Die Chronik der Deutschen. München: Chronik-Verlag, 2007. S. 39. [online]. [zit. am 12. Februar 2014]. Verfügbar über: 127 nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 114, 115.

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Goten zum Aufbruch bereit, wenn sich auch die Ernte und das Ende der heißen Jahreszeit abwarteten. Zum Angriff auf den Westen wurde Alarich schon deshalb eingeladen, weil ein vandalisch-alanischer Einfall Stilicho zwang, seine Streitkräfte in Raetien und Norikum zu konzentrieren.128

Während des Feldzugs auf Italien beabsichtigte Alarich ein Foedus mit Honorius zu erzwingen, damit er den Goten ein neues Land im Westrom gewährte und Alarich seine Männer versorgen konnte; doch dieser kam den Anforderungen Alarichs trotz aller Erwartungen nicht entgegen. Die gescheiterten Pläne widerrieten Alarich nicht bis Aquileia vorzustoßen. Er wollte auch Ravenna belagern, wo sich der Kaiser vor Angst verbarg, falls es Alarich das Eindringen bis Rom gelangen würde. In der Schlacht bei Pollentia 402 besiegte Stilicho die Goten und nach der verlorenen Schlacht bei Verona zog sich Alarich mit seinen Truppen aus Italien zurück.129 „Die Westgoten räumten Italien und ließen sich im Barbarenland neben Dalmatien und Pannonien nieder. Von dort aus verwüsteten sie Ostillyrien, auf das der Westen in den Jahren vor 403/04 jedoch keinen Anspruch erhob“130; Honorius schloss mit dem Gotenkönig ein Foedus ab und Alarich wurde zum illyrischen Heermeister ernannt. Der greutungische Heerführer Radagaisus floh aus der hunnischen Umklammerung und 405 führte er seine Krieger nach Oberitalien. Stilicho verhinderte diese Invasion und mit Hilfe der vom Rhein abgezogenen Truppen besiegte er Radagaisus in der Schlacht bei Fiesole. Danach verstärkte Stilicho weströmische Streitkräfte um 12 000 seiner Männer. Die abgeschwächte Verteidigung am Rhein hatte für das Weströmische Reich im Jahre 406 schwerwiegendere Folgen als der Einfall Radagaisus‟.131 „Anscheinend unaufhaltsam ergossen sich alanische, vandalische und suevische Scharen über Gallien, dessen verzweifelte Bevölkerung ihre Rettung beim britannischen Usurpator Konstantin suchte.“132 Das trug ohne Zweifel zur Auflösung des Weströmischen Reiches bei. Der britische Soldat Konstantin stellte sich an die Spitze der großen barbarischen Gruppe und in Britannien wählte sich selbst zum Kaiser des Weströmischen

128 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 158. 129 nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 116. 130 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 160. 131 nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 153. nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 160, 161. 132 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 160.

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Reiches. Die wachsende Macht und zahlreiche Erfolge des Konstantin (III.) beeindruckten den Kaiser Honorius, bei dem er die Anerkennung fand und der Einfluss Stilichos wurde dadurch ziemlich abgeschwächt. Gemeinsam mit seinem Sohn wurde der weströmische Heerführer in Haft genommen und hingerichtet. Die unerwartete Situation und der politische Zerfall des Westreiches förderten den Plan Alarichs, er ergriff die Initiative und fiel in Italien ein. Nach der Beseitigung Stilichos schlossen sich seine Krieger dem Heer Alarichs an und vor Rom begann der Gotenkönig die eineinhalb Jahre dauernde Verhandlung mit dem Kaiser Honorius; er traf jedoch auf den Misserfolg.133 „Bereits am 24. August 410 drangen die Goten in die Ewige Stadt ein. Die schnelle Eroberung wird wie üblich als Folge eines Verrats erklärt.“134 Dieser Augenblick bedeutete das Ende der Weltbeherrschung für das Ewige Rom. Nach der dreitägigen Plünderung Roms zog Alarich südwärts, eroberte die Städte Capua und Nola und wollte die reiche römische Provinz Afrika einnehmen. Das Hindernis auf dem Heerzug nach Sizilien stellte die Straße von Messina dar, da der Herbststurm die Schiffe zerstörte und die Goten gaben ihr Ziel auf, als Alarich 410 bei Cosenza starb. Während seiner kriegerischen Karriere wollte Alarich für seine Männer einen vertraglich garantierten Platz innerhalb des Römischen Imperiums erkämpfen, damit sie versorgt waren und auch im Wohlstand leben konnten.135

Was Alarich seiner Großgruppe bedeutete, geht viel besser aus der Tatsache hervor, dass er – seit seinen Anfängen 391/92 – mehrere schwere Niederlagen einstecken konnte, ohne dass ihm alle seine Leute davongelaufen wären. Alarich war kein Wilder mehr. Er war arianischer Christ, adelsstolz und ehrgeizig, und er setzte sein Balthentum gegen Römer wie Goten durch.136

Die Nachfolge Alarichs nahm 411 sein Schwager Athaulf. Im nächsten Jahr räumten die Westgoten Italien und der neu ernannte Gotenkönig führte sie das Tyrrhenische Meer entlang, dann über die Alpen nach Gallien. Als Alarich mit dem Gotenverband das geplünderte Rom siegerisch verließ, entführte er auch einige Geisel, um mit dem Westrom bessere Bedingungen verhandeln zu können. Unter ihnen waren die

133 nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 153–155. nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 120. 134 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 165. 135 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 90, 91. nach WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 94. 136 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 167.

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Kaiserschwester Galla Placidia, der Bischof Paulinus von Nola und Attalus, der Stadtpräfekt Roms.137 Als Athaulf in Gallien angekommen ist, usurpierte Jovinus 411 das Kaisertum im Westen, doch der Gotenkönig setzte ihn ab und der von den Westgoten unterstützte Attalus wurde zum Gegenkaiser ausgerufen. Constantius III., der Heermeister und seit 417 Mitkaiser Honorius‟, setzte sich selbstlos für die Stabilisierung des Westroms ein und entschloss sich die Usurpatoren zu besiegen. Dadurch konnte er die Westarmee unter Kontrolle bringen.138 In einer Vereinbarung wurde den Goten die Ansiedlung in Gallien und Versorgung zugesagt.

Honorius aber brach sein Versprechen abermals; Anlass bot ihm die Forderung, dass Galla Placidia erst ausgeliefert werden müsse, ehe der Vertrag erfüllt würde. Nun erlitt Südgallien das Schicksal Italiens. Das Land wurde verheert, Städte berannt und erobert. Narbonne und Toulouse fielen; hingegen scheiterte ein gotischer Überfall auf Marseille.139

Im Jahre 414 heiratete Athaulf überraschend die Kaiserschwester Galla Placidia in Narbonne; ein Jahr später gebar sie ihren Sohn, der den Kaisernamen Theodosius trug; er starb jedoch bald nach der Geburt. Mit dieser Heirat wollte der Gotenkönig das Römische Reich erneuen; „allerdings habe der König erkennen müssen, dass die Goten die römische Staatlichkeit, dass heißt die auf Gesetzen beruhende Res publica, wegen ihrer ‚zügellosen Barbarei„ niemals aufheben könnten.“140 In den Jahren 413–415 führte Athaulf erfolgreiche Kriege gegen den in Hispanien angesiedelten Vandalen, als er 415 der Verletzung in einem Machtkampf unterlag. Es stand zu vermuten, dass das Attentat auf Athaulf von seinem Konkurrenten Constantius geplant wurde; dieser strebte nicht nur die Macht, sowohl auch die Hand Galla Placidia an, die er schließlich 417 heiratete. Nach der Ermordung Athaulfs ersetzte ihn nur auf eine Woche der grausame König Sigerich, der die Söhne von Athaulf umbrachte und Galla Placidia grob behandelte. Den gotischen Thron bestieg Valia, der bei der Entstehung des Tolosanischen Reiches stand. Im Jahre 415 drängte Kaiser Honorius Valia und seine Goten nach Spanien; diese hatten vor,

137 nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 131. nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 168. 138 nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 155. 139 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 169. 140 Ebd. S. 170.

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sich in Nordafrika auszuschiffen, aber nach dem gescheiterten Versuch ergaben sie sich 416 den Römern und ein Friedensvertrag, der ihnen Getreide versichern sollte, wurde geschlossen. Dadurch ging der Gotenkönig die Verpflichtung ein, „Spanien von inneren und äußeren Feinden zu säubern“141 und die Schwester Honorius‟, Galla Placidia, zu entlassen. In der Bekämpfung der verfeindeten Vandalen, Alanen und Sueben in Hispanien feierte der Westgotenkönig beachtliche Erfolge.142 Nach zwei Jahren der Kriegführung im Namen des Westreiches wurden die Westgoten nach Gallien abberufen, „wo ihnen im Jahre 418 die Aquitania II sowie einige Stadtbezirke der benachbarten Provinzen Novempopulana und Narbonensis I, deren Hauptstadt Toulouse war, übergeben wurden. Von dieser Basis aus gelang den Westgotenkönig die Errichtung des bedeutendsten Nachfolgestaates des Westreiches.“143

3.6. Die ersten Christen unter den Germanen

Das Christentum und noch andere Religionen sind seit dem 2. Jh. in die römischen Rheinprovinzen durchgedrungen und die Stadt Augusta Treverorum wurde in der zweiten Hälfte des 3. Jh. Bischofsitz; nach den glaubwürdigen Quellen war Eucharius der erste Bischof. „Die Goten an der unteren Donau wie auf der Halbinsel Krim waren die ersten Germanen, die als ganze Völker mit dem Christentum in Berührung kamen.“144 Im Hintergrund dessen standen die Gotenstürme auf die oströmischen Provinzen in den fünfziger und sechziger Jahren des 3. Jh., die zur dieser Zeit stark christianisiert wurden; es handelte sich um die schon erwähnten Schlachten bei Abrittus 251 und Naissus 269. Die Kriegsgefangenen bildeten einen Teil der Beute. Unter ihnen waren die christlichen Priester aus Kappadokien, die im 257 ins Gotenland, in die Heimat der späteren Terwingen, verschleppt wurden und das Christentum durch die Verkündung des Evangeliums verbreiteten. Zu dieser Zeit begann die allmähliche Christianisierung der Germanen und es entstanden neue christliche Gemeinden. Die erste wurde 325 auf der Halbinsel Krim gegründet. Das Heidentum war aber bei den Germanen tief verwurzelt, da es die einzige Religion war, die sie seit ihren Anfängen gehabt haben, und der Prozess, in

141 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 177. 142 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 91, 92. nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 138, 139. 143 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 95. 144 Ebd. S. 83.

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dem ihre völlige Ersetzung mit dem Christentum durchlief, dauerte fast neun Jahrhunde. Im Fall der römischen Provinzen kam es zur Berührung der Heiden und Christen früher. „Die Anfänge der gotischen Bekehrung erfolgten ‚von unten nach oben„, wie dies auch im Römerreich der Fall gewesen war“145; das heißt, dass die Missionierung daran maßgeblich beteiligt war. Das Christentum wurde von der gotischen Oberschicht sowie von den heidnischen Römern als Bedrohung des Heidentums und damit der Sozialordnung angesehen; im Jahre 348 und dann um 370 kam es auch zu Christenverfolgungen unter der germanischen Bevölkerung.146 Die bedrohten Terwingen unter die Führung des Missionars Wulfila, der 341 in Antiochia zum Bischof der christlichen Goten genannt wurde und das nicänische Glaubensbekenntnis ablehnte, baten den Schutz Kaiser Constantinus II., den Sohn Konstantins des Großen. Sie wurden in der römischen Provinz Moesia secunda angesiedelte, wo nach dem Jahr 350 Wulfila mit der Bibelübersetzung ins Gotische begann.147

Im 4. Jahrhundert beschäftigt die Theologen eine Auseinandersetzung darüber, ob Gott, Jesus und heiliger Geist göttlich sind oder in einer Hierarchie zueinander stehen, bei der Jesus als menschlicher Sohn Gottes nicht den gleichen Status haben kann wie Gott. Während die Anhänger der Trinität die Wesensgleichheit von Gott, Jesus und Heiligem Geist vertreten, d. h. alle drei als göttlich betrachten, sehen die Anhänger des Arius, eines christlichen Presbyters aus Alexandria, in Jesus einen Menschen, der als moralisches Vorbild zu den Menschen geschickt wurde, der aber nicht göttlich ist.148

Obwohl der Arianismus auf dem Konzil von Nicäa 325 als Irrglaube verurteilt wurde, hat die Mehrheit der Goten auf ihre Auffassung nicht verzichtet, was nämlich mit der Missionstätigkeit des Bischofs Wulfila zusammenhing. Im Laufe der Zeit wurde der Arianismus ebenso wie das Heidentum verboten und Kaiser Theodosius I. setzte sich mit seinen Maßnahmen gegen die Heiden für die Erhebung des Christentums zur Staatsreligion

145 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 88. 146 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 71–73. nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 114, 115, 190. nach WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 83. 147 nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 87. 148 Die Chronik der Deutschen. München: Chronik-Verlag, 2007. S. 38. [online]. [zit. am 16. Februar 2013]. Verfügbar über:

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ein.149 „Schon seit 381 ist der Übertritt zu einer heidnischen Religion verboten, seit 382 sind die Privilegien für heidnische Priester abgeschafft, 389 musste der römische Senat dem alten Glauben abschwören.“150 Unter den Anhängern der Lehre Wulfilas war auch Kaiser Valens, dessen Bedingung zum Rheinübergang der Terwingen im Jahre 376 eben ihre Annahme war. Daher neigte Fritigern zur Seite des Kaisers Valens, während Athanarich der Feind des Römerreiches war. „Im Jahre 369 knüpfte Athanarich an die Politik seines vermutlichen Vaters an und führte im Auftrag der gotischen Oligarchie die zweite Christenverfolgung durch.“151 Darüber, inwieweit und wie schnell sich die Christianisierung unter den Germanen verbreitete, sagt Vieles die verlorene Schlacht bei Pollentia im Jahre 402 aus. Die Römer unter Führung Stilichos haben sich bei der Gelegenheit des christlichen Festes der Auferstehung in ihren Kriegsaktionen nicht begrenzt, doch die Barbaren „verweigerten sich Blut zu vergießen, auch wenn es sich um das Blut der Feinde handelte. Der christliche Glaube begann ihre Mentalität zu ändern…“152 Bei der Plünderung Roms 410 sollten auf Befehl Alarichs diejenige verschont werden, die sich in den heiligen Orten versteckt haben.153

3.7. Die Entstehung der Ostgoten und ihre Entwicklung

Nach der langen Zeit des Rivalisierens und Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gotengruppen, davon sich die eine nach dem Untergang der Hunnenherrschaft durch den mit dem Römerreich geschlossenen Foedus in Pannonien ansiedelte, die andere mit dem Herrscher Theoderich Strabo an der Spitze ebenso in oströmischen Diensten in Thrakien stand, kam es unter der Herrschaft Theoderichs des Großen, des Neffen Valamirs aus der Dynastie der Amaler, zu deren Vereinigung und Gründung des ostgotischen Königreiches in Italien. Mit der Existenz dieser Königfamilie wird die goldene Ära der ostgotischen Geschichte verbunden und ihre Angehörigen wurden für Asen gehalten, die in

149 nach Die Chronik der Deutschen. München: Chronik-Verlag, 2007. S. 38. [online]. [zit. am 16. Februar 2013]. Verfügbar über: 150 Ebd. S. 38. [online]. [zit. am 16. Februar 2013] 151 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 91. 152 BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 84, 85. (Übersetzung der Verfasserin) 153 nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 125.

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der germanischen Mythologie ein Göttergeschlecht darstellten, wie uns Jordanes in den Getica mitteilte.154 Die drei ostgotischen Amalerbrüdern, Thiudimir, Vidimir und Valamir, waren mit der Verwaltung eines bestimmten Gebiets in den damaligen Provinzen Pannonia I, Savia und Pannonia II betraut.155

Die Zwischenlage an der Grenze der beiden Römerreiche bot freilich nicht bloß eine Chance, sondern auch viele Gefahren. Eingekeilt zwischen den gentilen Gegnern vom Nedao und dem Imperium, geriet Valamir und seine Brüder in ein prekäre Situation, der sie auf die Dauer nicht gewachsen waren… Das Reich der Ostgoten dauerte in Pannonien bloß von 456/57 bis 473.156

Um 459 brach die Unruhe unter den pannonischen Goten wegen der ausgeblieben Jahrgelder. Die Information, der aus Konstantinopel heimgekehrten Botschaft über die guten Verhältnisse Theoderichs Strabo und seines Volkes am Kaiserhof, entfesselte den Krieg gegen Ostrom, der bald dank der Abmachung beendet wurde und der kleine Theoderich, Thiudimirs Sohn, kam als Geisel an den Hof des oströmischen Kaisers Leo I. In Konstantinopel verbrachte er seine Jugend, erhielt eine profunde Ausbildung und eignete sich die Kenntnisse der römischen Herrschaft und Verwaltung an, was ihm angesichts seiner zukünftigen Karriere von Nutzen war, als er das Amt des „rex“ der Ostgoten 474 bekleidete. Der Aufenthalt bei dem kaiserlichen Hof, wo er im christlichen Glauben erzogen wurde, könnte daher als Glücksfall angesehen werden.157 Die Ostgoten zählten seit 455 zu denjenigen, die sich zum Arianismus bekannten, obwohl die Frage, wie sie zu Arianen geworden sind, nicht genau zu beantworten ist. Es konnte dank der Mission der „kleinen Goten“ geschehen. So hieß die Gruppe Wulfilas, die sich vor Verfolgung auf dem römischen Boden in Mösien versteckte und eifrig das Christentum verbreitet hat. Jordanes war der Ansicht, dass die Ostgoten dieses Glaubenbekenntnis von den westgotischen Christen angenommen haben. Es hing angeblich mit dem Rückkehr der Söhne Vidirichs zusammen, die vor den Hunnen auf das

154 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 113. nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 261. 155 nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 262. 156 Ebd. S. 261, 262. 157 nach JORDANES. Gótské dějiny / Římské dějiny. Erste Auflage. Praha: Argo, 2012. S. 98, 99. nach BRUHNS, Annette. Salomonischer Barbar. Spiegel online, Geschichte. [online]. 2013 [zit. am 18. Februar 2013]. Verfügbar über:

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christliche Gebiet der Westgoten in Gallien geflohen waren und von woher sie um 439 den Glauben unter ihren im Attilas Hunnenreich lebenden Leuten mitbrachten.158 Nachdem Theoderich um 469 aus Byzanz heimgekehrt hatte, wurde ihm der Reichsteil Valamirs übergeben. Obwohl der junge Amaler in einem gegen Sarmaten geführten Krieg den Sieg erstritt, sollte sein Volk Pannonien verlassen und einen neuen Siedlungsraum finden. „Mit diesem erfolgreichen Kriegszug legitimierte sich der junge Amaler als Herr eigenen Rechts, ohne jedoch König zu werden. Allerdings führte Theoderich darauf den Beginn seines Königtums zurück“159 und seine offizielle Nennung erfolgte erst 474. Er hat demnach sein Föderatenreich nach Makedonien und später nach Niedermösien versetzt. Die folgenden vierzehn Jahre, also die Zeitspanne von 474 bis 488, waren durch die Kriegszüge durch die Balkanhalbinsel, Usurpationen, Spannungen und verletzten Verträge gekennzeichnet. Als Rekitach, Nachfolger seines verstorbenen Vaters Strabo, aus der Initiative des Kaisers Zenon von den Vertrauensmännern Theoderichs umgebracht wurde, trat die Mehrheit der thrakischen Goten zu Theoderich über und ihre Vereinigung sicherte dem Amaler eine ruhmreichere Zukunft.160

Am 1. Jänner 484 trat Theoderich in Konstantinopel den Konsulat an, wurde Heermeister und patricius und schloss im Sommer 488 mit Kaiser Zenon den folgenschweren Vertrag, wonach er Odoaker, der 476 den letzten weströmischen Kaiser gestürzt und vom italischen Föderatenheer zum König erhoben worden war, aus Italien vertreiben und dort für den Kaiser so lange herrschen sollte, bis dieser selbst ins Land käme. Dieser Vertrag bildete die Grundlage des italischen Ostgotenreichs, der glanzvollsten, obgleich wenig dauerhaften gotischen Staatsgründung.161

Seit 492 bemühte sich Theoderich der Große, um die Anerkennung seiner Herrschaft, was ihm erst gelang, als es um 497 zur formalen Vereinbarung mit dem Kaiser Anastasius gekommen ist und ihm alle Insignien der kaiserlichen Macht übergeben wurden. Nun galt Theoderich als der aus kaiserlicher Macht beauftragte Verwalter Italiens und zugleich war er auch der König der Ostgoten, was unbedingt zur Spannung führte, welche die ganze Regierungszeit Theoderichs geprägt hat. Er sollte nicht nur den Verpflichtungen des römischen Offiziers nachkommen, sondern auch die Interessen seines

158 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 117. 159 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 267. 160 nach WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 97. 161 Ebd. S. 97, 98.

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Gotenvolkes vertreten.162 Die höchsten politischen Ämter übten nur die Römer aus und „die gotische Minderheit sah sich als Beschützer des Landes. Theoderich erweiterte die Verwaltung um eine ethnische Komponente, die ‚comites„: Oberhäupter von Gotengemeinden, im Krieg Befehlshaber, in Friedenszeiten Richter.“163 In ihre Kompetenzen fiel noch das Amt der Verwaltung der königlichen Güter. Die Römer wie Boëthius, römischer Politiker, Theologe und neuplatonischer Philosoph, und Cassiodor fungierten als „magister officiorum“ Theoderichs. Seit dem Jahr 507 übte der römische Staatsmann Cassiodor die Funktion „quaestor sacri palatii“ aus, dessen Tätigkeit in der Abfassung der amtlichen Dokumente und kaiserliche Erlasse lag und außerdem hinterließ eines der bedeutendsten Zeugnisse der ostgotischen Verwaltung, die Sammlung Variae, die die während seines Amts entstandenen Schriften enthielt.164

Dem allgemeinen Wohlergehen Italiens diente auch die Erlassung des berühmten „Edictum Theoderici“. Das Gesetzeswerk besaß territoriale Geltung und brachte das Kunststück fertig, das römische Kaiserrecht zu modernisieren und den gegebenen Umständen anzupassen, ohne in das Vorrecht der kaiserlichen Gesetzgebung einzugreifen.165

Was die Frage der Religion betrifft, nahm der Arianer Theoderich gegenüber den katholischen Italikern eine tolerante Haltung ein und nur dadurch war das Zusammenleben der beiden Völker möglich. Im Jahre 498 kam es zur Kirchenspaltung, als nach dem gestorbenen Papst Anastasius II. zwei Nachfolger, Symmachus und Laurentius, gewählt wurden. Theoderich sollte diese widersprüchliche Situation lösen, was er sich anfangs weigerte, und erst im Jahre 508 entschied er zugunsten des Papstes Symmachus. Als Arianer förderte er zugleich diese Bekenntnis und ließ um 500 eine Handschrift der Bibelübersetzung Wulfilas fertigen; dieser sogenannte Codex Argenteus wurde ein Teil des Königsschatzes der Ostgoten.166

Früh hatte der Ostgote begonnen, verwandtschaftliche Bande zu anderen Königshäusern zu knüpfen. Seine Tochter Theodegotho hatte den Westgotenkönig Alarich II. geheiratet. Dadurch standen

162 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 120, 121. nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 225. 163 BRUHNS, Annette. Salomonischer Barbar. Spiegel online, Geschichte. [online]. 2013 [zit. am 20. Februar 2013]. Verfügbar über: 164 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 122, 123. 165 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 98, 99. 166 nach WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 325. nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 118, 125.

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Amaler und Balthen, die führenden gotischen Adelsfamilien, in Waffenbrüderschaft. Tochter Ostrogotho ehelichte den burgundischen Thronfolger Sigismund. Höhepunkt der Heiratspolitik war im Jahre 500 die Hochzeit zwischen dem Vandalenkönig Thrasamund und Theoderichs Schwester Amalafrida. Damit hatte Theoderich die bedeutendsten germanischen Könige erstmals in der europäischen Geschichte zu einer „Familie“ vereint.167

In seiner Heirats- und Bündnispolitik ging Theoderich noch weiter; er selbst hat die Schwester Chlodwigs zur Frau genommen und die Tochter Amalasuintha wurde mit dem Westgoten Eutharich verheiratet.168 Die wichtigsten Ziele der Außenpolitik Theoderichs waren die Sicherung der Grenze des italienischen Königreiches und die Abwehr der fränkischen Expansion. Im Jahre 507 drang der Frankenkönig Chlodwig I. mit seiner Armee ins Westgotenreich ein. Da die Herrschaft Theoderichs durch den byzantinischen Angriff im Süden Italiens bedroht wurde, war dieser nicht in der Lage, auf der Seite der westgotischen Verbündeten gegen Chlodwig einzugreifen; König Alarich II. wurde besiegt und getötet und die Macht über den Großteil Galliens riss Chlodwig an sich.169 Die Nachfolgerschaft Theoderichs wurde 493 ein vom Senator Albinus diskutiertes Thema. Als der Ostgotenkönig Kenntnis von der kompromittierenden Korrespondenz Albinus‟ mit Konstantinopel aus dem Mund eines römischen Denunzianten namens Cyprianus erhielt, reagierte Boëthius in dessen Verteidigung offenbar ungeschickt, als er sich auf die Seite des Angeklagten gestellt hat; alles wandte sich gegen ihn, er selbst wurde angeklagt und 524 ließ ihn Theoderich hinrichten. Zu seinem Nachfolger berief Theoderich den Schwiegersohn Eutharich, der auch von dem oströmischen Kaiser Justinian I. angenommen wurde, jedoch die Hoffnung auf die Herrschaft der Amaler in Italien ist 522 mit dem frühen Tod Eutharichs zerronnen.170 „Als Theoderich am 30. August 526 an der Ruhr starb, waren dennoch alle Versuche gescheitert, von Byzanz eine dauerhafte vertragliche Sicherung der amalischen Herrschaft zu erreichen.“171 Der Regentschaft des designierten Thronfolgers Athalarich nahm sich wegen seiner Unmündigkeit seine Mutter Amalasuintha an. „Amalasuinthas Sieg über ihre inneren

167 BRUHNS, Annette. Salomonischer Barbar. Spiegel online, Geschichte. [online]. 2013 [zit. am 20. Februar 2013]. Verfügbar über: 168 nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 310, 311. 169 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 124. 170 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 127, 128. 171 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 99.

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Feinde war kaum älter als ein Jahr geworden, als sie ihren feindlichen Verwandten Theodahad zum Mitregenten, consors regni, annahm und sich selbst zur Königin, regina, erklärte.“172 Dieser wollte die Ostgotenkönigin entmachten, machte sich den Hass ihrer Verwandten und der Hinterbliebenen der exekutierten gotischen Anführer zunutze, und ließ sie 535 in Ravenna in Haft nehmen. Im demselben Jahr wurde sie auf einem Insel im Bolsenasee ermordet und „Kaiser Justinian eröffnete den Gotischen Krieg zu Wasser und zu Land.“173 In diesem Krieg kamen einige Ostgotenkönige um.174 Zum ersten nichtamalischen Gotenkönig wurde 536 Vitigis erhoben, welcher der römischen Offensive des Feldherrn Belisar bis 540 standhielt. Die kurze Herrschaft Hildebads und Erarichs löste Totila ab. „Der wohl 542 zum König erhobene Totila konnte, mit Ausnahme Ravennas, fast das gesamte Herrschaftsgebiet Theoderichs zurückerobern.“175 Zu seinen beachtlichen Erfolgen zählte die Eroberung Roms 546, wo er so wie sein westgotischer Stammverwandte Alarich I. 410 die Ermordung der römischen Bevölkerung und Vergewaltigung der Frauen verbot. Wir können davon schließen, dass der Prozess der Christianisierung der Goten in der Völkerwanderungszeit erfolgreich war, was zum Ausdruck in der Moral der Menschen kam. Im Juli 552 erlitt Totila eine fatale Niederlage in der Schlacht von Busta Gallorum gegen die oströmische Italienarmee mit etwa 30.000 Mann des Feldherrn Narses. „Darauf folgte ein kurzes Nachspiel, das im Oktober 552 zwischen Salerno und Neapel sein Ende fand. Hier, am ‚Milchberg„, verlor der letzte Ostgotenkönig Teja die letzte Schlacht seines Volkes gegen Narses.“176 Die meisten Ostgoten lebten als Untertannen des Kaisers Justinian I., der nach einer langen Zeit an die Macht in Italien gekommen ist, obwohl es nur kurz dauerte, da die Langobarden das meiste Gebiet Italiens in Besitz nahmen.177

172 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 337. 173 nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 339. 174 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 131. nach JORDANES. Gótské dějiny / Římské dějiny. Erste Auflage. Praha: Argo, 2012. S. 106, 107. 175 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 99. 176 Ebd. S. 99. 177 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 132–134.

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3.8. Die Vandalen, Sueben, Alanen

Die im 2. Jh. durch die Gotenmigration getrennten Vandalenstämme, Silingen aus Schlesien und Asdingen, die sich an den Markomannenkriegen beteiligt und das Gebiet an der Theiß bewohnt haben, „treten in den ersten Jahren des 5. Jh. im Verein mit Alanen und Sueben die Wanderung nach dem Westen an, die sie über Gallien zunächst nach Spanien führte, wo auch noch die Silingen (im J. 418) durch die Westgoten unter aufgerieben wurden.“178 Ein Teil der Vandalen betrat den römischen Boden noch vor dem Rheinübergang im Jahre 406, als ihm Kaiser Konstantin I. das Gebiet in Pannonien zugeteilt hat, von wo sie später von Stilicho nach Gallien eingeladen wurden.179 Diese Barbarenstämme gründeten auf der Pyrenäenhalbinsel ihre Königreiche; die Asdingen etablierten sich neben den Sueben in der Provinz Gallaecia, Alanen in , und Silingen in der südlichsten Provinz Baetica, alle Germanenvölker außer den Sueben verschwanden allmählich, die Sueben konnten sich als einzige die Unabhängigkeit bis 585 bewahrten, als der suebische König Miro in einem Krieg gegen die Westgoten geschlagen wurde und das suebische Königreich ging unter die gotische Herrschaft über.180 Die historischen Ereignisse, die sich im Zusammenhang mit diesen germanischen Stämmen in die Geschichte der Pyrenäenhalbinsel verzeichnet haben, wird das fünfte Kapitel behandeln.

3.9. Die Burgunder

Dem Stamm der Burgunder, die an dem Rheinübergang teilgenommen haben und darauf bis zu den heutigen Städten Worms und Mainz vorgedrungen sind, wurde dieses Gebiet als den Bundgenossenen vertraglich gesichert. Ihre Bestrebungen, sich der römischen Provinz Belgica zu bemächtigen, stießen 436 auf den heftigen Widerstand des römischen Feldheers Aetius, dessen Streitkräfte an der Raubsucht der hunnischen Verbündeten gewannen, und brachten den Burgundern eine bittere Niederlage bei, in der fast alle Männer sowie ihr Anführer Gundahar fielen. Dies hatte zur Folge, dass Aetius ihre Reste 443 in die Gegend um das Genfersee nach Sapaudia umsiedelte und sie zu den

178 HOOPS, Johannes. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 4. 1. Auflage. K. J. Trübner, Straßburg 1911–1919. [online]. [zit. am 23. Februar 2014]. S. 480, 481. Verfügbar über: 179 nach JORDANES. Gótské dějiny / Římské dějiny. Erste Auflage. Praha: Argo, 2012. S. 63. 180 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 166. nach UBIERTO ARTETA, Antonio u.a.. Dějiny Španělska. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 1995. S. 33.

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römischen Föderaten machte, deren Hauptaufgabe die Abwehr des Weströmischen Reiches gegen die Alemannen war. Im Jahre 451 standen die Burgunder auf der Seite der Römer gegen Attila in der Schlacht auf den Katalaunischen Felder. Nach dem Tod Aetius‟ haben sie ihre Macht über das römische Gebiet ausgedehnt und machten Lyon zur Hauptstadt des errichteten südgallischen Reiches; „es reichte vom Doubs bis zur Durance und umfasste somit das ganze Saône-Rhône-Becken.“181 Auf dem Gebiet des Burgunderreiches entstand eines der ältesten barbarischen Gesetzbücher, umfassend zwei Sammlungen, Lex Gundobada (Lex Burgundionum) und Lex Romana Burgundionum, die den Aufbau des guten Zusammenlebens der Barbaren und Römer anstrebten. Die Blütezeit des Burgunderreiches wurde durch die entstandenen Konflikte und Angriffe der Goten, Alemannen und Franken unterbrochen, aus denen die letztgenannten 534 ihre Herrschaft über das Burgunderreich ausdehnten; bevor das Frankenreich dieses Gebiet einverleibt hat, hatte der König Sigismund den Glauben der katholischen Kirche angenommen und die arianische Bevölkerung zur Konversion gezwungen.182

3.10. Die Franken

„Kaiser Julian hatte in der Mitte des 4. Jahrhunderts Franken die Überquerung des Rheins und die Ansiedlung in Toxandrien, im heute niederländischen Nordbrabant, gestattet.“183 Nachdem der Bündnisvertrag zwischen dem römischen Heermeister Stilicho und den Franken abgeschlossen worden ist, erfüllten sie ihre Verpflichtungen als Föderaten auch im Jahre 406, als sie den Vandalen, Alanen und Sueben den Rheinübergang verhindern sollten, doch die Alanen schlugen die Franken nieder. Die guten Beziehungen zum Westrom wurden abgebrochen; in den kommenden Jahren plünderten die Franken mehrmals Trier und unternahmen die Eroberungen in Gallien, in denen sich der erfahrene Aetius erfolgreich engagierte.184 Chlodwig I., der ambitiöse fränkische König, Sohn und somit auch Nachfolger Childerichs I. aus dem Geschlecht der Merowinger, wird für den Begründer des Fränkischen Reiches gehalten. Chlodwig machte sich um die Ausdehnung des fränkischen

181 SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 38. 182 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 169–178. nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 37, 38. 183 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 106. 184 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 198, 199.

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Machtbereiches verdient, wenn die Reichsgrenze nach der Niederlage des römischen Kommandeurs Syagrius bei Soissons 486 bis an die Loire hineinreichte. Dann besetzten die Franken unter seiner Führung in den zahlreichen Eroberungsfeldzügen gegen die Burgunder und Westgoten das heutige Frankreich und expandierten bis auf die germanischen Gebiete der Thüringer und Alemannen östlich des Rheins. Die Franken sowieso die Westgoten waren nach dem Zusammenbruch des ruinierten Westrom um die Vergrößerung ihrer Reiche bemüht. Im Jahre 496, nachdem die Alemannen besiegt worden waren, ließ sich Chlodwig I. von dem Bischof Remigius von Reims taufen und die Franken konvertierten zum Christentum. Infolge des Todes Chlodwigs kam es zur Einteilung des Frankenreiches unter seinen Söhnen, dessen gegenseitige Konflikte die Entstehung der Teilreiche verursachen. Seit der zweiten Hälfte des 6. Jh. begann das Frankenreich zu verfallen. Ein wichtiges Ereignis der fränkischen Herrschaft in den folgenden Jahren war die Thronbesteigung der Karolinger und die Schlacht bei Poitiers 732, in der die Angriffe der Araber gegen das Frankenreich erfolgreich von Karl Martell abgewehrt wurden.185

3.11. Die Langobarden

„Als die Langobarden im Jahre 568 ihre pannonische Heimat aufgaben und nach Oberitalien eindrangen, vereinigten sie die Erfahrungen fast aller an der Völkerwanderung beteiligten Stämme germanischer wie nichtgermanischer Herkunft.“186 Nach dem Abzug aus ihren Siedlungen an der unteren Elbe in der zweiten Hälfte des 4. Jh. begann die Wanderung der Langobarden, die erst im 6. Jh. beendet wurde, als sie unter dem König Alboin das Norditalien eroberten und das langobardische Königreich mit Pavia als Hauptresidenz errichteten. Die Langobarden haben die Kriege mit den Herulern, 552 als die römischen Verbündeten mit den Ostgoten, 567 mit dem Gepidenkönig Kunimund geführt, wobei nicht einmal die Eroberung der Gepiden selbst ihnen die Ruhe brachte, da am Horizont drohte eine neue Gefahr, welche die Alanen darstellten.187 Das Ziel der Langobarden war die Ermächtigung der ganzen Apenninenhalbinsel. Ihre aggressive Expansion bedrohte nach der Eroberung der Stadt Ravenna auch den Sitz des Papstes, der die Franken um die Hilfe bat; König Pippin III. hielt ihre Vorrücken auf,

185 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 198–210. nach WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 107, 186 Ebd. S. 104. 187 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 272–275.

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Karl der Große eroberte das Langobardenreich und 774 wurde er zum König der Langobarden, deren Gebiet dem fränkischen einverleibt wurde.

3.12. Die Angeln und Sachsen

„Die Unfähigkeit Ravennas, seine überseeischen Provinzen zu verteidigen, wurde um 400 nur allzu deutlich. Die betroffenen Provinzialen und Militärs schritten daher zur Selbsthilfe und unterstützten einheimische Usurpatoren.“188 Die Ankunft der Germanen in Britannien wird mit der Einberufung der sächsischen Föderaten verbunden, welche die Angriffe der Barbaren, Pikten und irländischen Kelten abwehren sollten. Daran folgte ihre Erhebung und es wurde mit ihrer Landnahme angefangen. Neben den Sachsen, Angeln und Jüten aus dem heutigen Norddeutschland und Dänemark haben sich noch die Friesen und Franken in Britannien niedergelassen. Die römische Kultur in Britannien ging bald zugrunde. Um die erste Hälfte des 7. Jh. befand sich fast die ganze römische Insel Britannien unter der Herrschaft der heidnischen Germanen, heute nennt man sie Angelsachsen, und die Urbewohner wurden entweder untergeworfen oder sie zogen in Richtung Westen oder Norden nach Schottland weg. Die Christianisierung der Angelsachsen begann im Jahre 598. „Unter der Führung des heiligen Mönches Augustinus hatten zahlreiche Missionare den Wunsch des Papstes erfüllt und die Bekehrung der Angelsachsen begonnen.“189 Die bekannteste Persönlichkeit der Angelsachsen, Bonifatius, Apostel der Deutschen und Bischof, der sich mit der Missionstätigkeit beschäftigte, galt als der wichtigste Kirchenreformer in Frankenreich.190

188 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 115. 189 Ebd. S. 116. 190 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 260, 270. nach WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 116.

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4. Das Tolosanische Reich (418–507)

4.1. Die Föderaten in Aquitanien (418–466)

Die Macht nach dem im Jahre 418 verstorbenen Valia ergriff Theoderid (Theoderich I.), der mit dem Kaiser Constantius III. einen neuen Föderatenvertrag schloss, dessen Rechtsgrundlage die altbekannte Institution „hospitium“ war, die sich auf den Treueid und beiderseitige Freundschaft gestützt hat. Die westgotische Siedlung erstreckte sich demnach über das Tal der Garonne von Toulouse bis Bordeaux und umfasste auch das atlantische Küstengebiet; es handelte sich um einen konfliktgeladenen und von den häufigen seeräuberischen Angriffen bedrohten Raum, wo auch die aus Hirten und Bauern zusammengesetzten einheimischen Volksbewegungen, die sogenannten Bagauden, gegen „den sozioökonomischen Druck der Zentralregierung“191 revoltiert haben. Diese rebellierten in Hispanien auch zwischen 441–454, bemächtigten sich der Stadt Zaragoza und plünderten Lérida (Ilerda), was ein Merkmal der verfallenden weströmischen Macht war. Erst Friderich, der westgotische Feldherr in römischen Diensten, hat ihre Aufstände 454 definitiv niedergeschlagen.192 Die Ansiedlung der Goten in Aquitanien schien das kleinste Übel zu sein, denn sie sollten den Römern gegen die usurpierenden barbarischen Stämme der Vandalen, Sueben und Alanen und dadurch zur Wiederbeherrschung der Pyrenäenhalbinsel helfen. Der wichtigste Beweggrund für das Zurückziehen der Westgoten aus Hispanien waren die Befürchtungen Honorius‟, dass sie sich der wichtigsten strategischen hispanischen Häfen im Mittelmeer bemächtigen könnten, die den Verkehr mit Afrika und Italien ermöglicht haben und darüber hinaus flossen davon hohe Einkommen und wichtigen landwirtschaftlichen Mittel und Industrieprodukte. In Gallien wurde ihnen ebenso der Zugang zum Mittelmeer verwehrt, was aber nicht lange dauerte. Die Nachbarn der Westgoten in Gallien waren die damaligen barbarischen Verbündeten aus dem Stamm der Franken, weiter noch die Burgunder und Alanen, die aus der Schwächung des Römerreiches profitierten und die Ausweitung deren Machtbereiche erstrebten. Dies war auch der Fall Theoderids.193

191 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 237. 192 nach CHALUPA, Jiří. Dějiny Španělska v datech. Praha: Libri, 2011. S. 36. 193 nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 188. nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 143–145. nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 178.

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Im Jahre 422 marschierten gotische Föderaten im römischen Heer gegen die spanischen Vandalen. Im Augenblick des Sieges fielen die Goten ihren Verbündeten in den Rücken, und die Römer erlitten eine schwere Niederlage. Theoderid mag vielleicht selbst den Auftrag dazu gegeben haben. Irgendwelche Folgen hatte der Verrat jedenfalls nicht. Im Jahre 423 stirbt Kaiser Honorius, seine Nachfolge gestaltet sich schwierig, und zwei Jahre später stehen die Goten vor Arles.194

In den Belagerungen der Stadt Arles waren die Goten 425 ebenso 430 gegen die Abwehr Aetius erfolglos, der die hunnischen Söldner im römischen Heer einsetzte und dadurch das Gleichgewicht der Kräfte wiederherstellte. In der betriebenen Politik der Expansion nutzten die Goten jeden Ausdruck der weströmischen politischen Instabilität aus, und ließen sich nicht von ihrem Ziel abbringen, was der Zugang zum Mittelmeer war. Zu den nächsten gefährlicheren Konfrontationen mit dem Römerreich kam es von 436 bis 439, als Theoderid seine Truppen gegen die Hafenstadt Narbonne 436 führte, jedoch die Bemühungen um ihre Einnahme schlugen fehl und die gotische Belagerung wurde durch die Offensive des Heermeisters Litorius beendet, der ein Untergeordneter Aetius‟. Im Jahre 439 erreichte Litorius die Stadt Toulouse, aber die feindliche Bedrohung wurde abgewehrt und die bedrängten Goten nahmen Litorius in Haft. Noch in demselben Jahr unterzeichnete Theoderid auf den Rat des gallischen Prätorianerpräfekten Avitus mit Aetius den erneuerten Friedensvertrag.195 Die gotischen Föderaten nahmen 446 an dem römischen Feldzug gegen die Sueben teil, was aber kein Hindernis für die späteren Verhandlungen mit den Sueben war. In den Jahren 455–450 wurde der Frieden zwischen Theoderid und dem Suebenkönig Rechiar ausgehandelt; es war nämlich die Zeitspanne, wann das Reich Theoderids die höchste Autonomie genoss und der König auch eigene Interessen verfolgte.196

Im Jahre 449 heiratete eine Theoderid-Tochter den Suevenkönig Rechiar. Die Hochzeit fand in Toulouse statt. Auf der Rückkehr von seinem Schwiegervater, vielleicht unterstützt durch ein gotisches Kontingent, verwüstete Rechiar die Umgebung von Zaragoza und nahm Ilerda.197

194 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 180. 195 nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 191, 192. nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 14, 15. [online]. [zit. am 5. März 2014].Verfügbar über: nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 181. 196 nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 192. 197 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 182.

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Die Anwesenheit der Hunnen in der römischen Armee zeigte sich am Anfang der fünfziger Jahre als eine unglückliche Tat, als diese zum Angriff gegen Gallien übergegangen sind. Im Jahre 451 bekämpften die Westgoten mit den Burgundern und Franken von dem Heermeister Aetius geführt die hunnische Offensive in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern, wo der Westgotenkönig Theoderid fiel. Noch auf dem Schlachtfeld wurde zu seinem Nachfolger der älteste der sechs Söhne namens Thorismund, dessen Herrschaft nach einer kurzen Zeit beendet wurde und keine großen Erfolge feierte, da ihn seine herrschbegierigen Brüder Theoderich und Friderich 453 ermordeten.198 Die Situation im Römischen Reich hat sich am Anfang der Herrschaft des dritten tolosanischen Königs Theoderich II. stark geändert. Die erste erfolgreiche militärische Aktion fand 454 gegen die Bagauden in Tarraconensis statt, deren Akteur der Bruder Theoderichs und Vizekönig Friderich wurde. Nachdem Aetius 454 von dem letzten theodosianischen Kaiser Valentinian III. beseitigt und der Kaiser selbst ein Jahr später ermordet worden war, bestieg Petronius Maximus, ein Prätorianerpräfekt für Italien und Träger des Ehrentitels „patricius“, den weströmischen Thron.199 „Weder die Barbaren auf dem Boden des römischen Imperiums, noch diejenigen hinter dessen Reichsgrenze haben den Bündnisvertrag mit Petronius abgeschlossenen, was der vandalische König Geiserich ausnutzte und 455 mit seinen gelandeten Truppen Rom plünderte. Petronius, unfähig die Stadt zu verteidigen, wurde von den unzufriedenen Römern getötet.“200 Nach dem Tod Petronius‟ übernahm 455 die kaiserliche Macht der gallische Prätorianerpräfekt und Heermeister Avitus, der langjährige Freud der Goten und ein Favorit der barbarischen Föderaten. Theoderich II. engagierte sich 456 in Spanien in einem Feldzug gegen die Sueben, die am Ufer des Flusses Urbicus (heute Órbigo) geschlagen wurden. Der Suebenkönig Rechiar flüchtete nach Galizien, wo er mit dem Tod für den Widerstand bezahlte und der Warne Agiwulf zum Statthalter ernannt wurde.201 In Spanien bekam Theoderich die Nachricht vom Tod Avitus‟ und kehrte 457 nach Gallien zurück. Die Kämpfe der Thronprätendenten haben die Reichsgewalt geschwächt und Theoderich

198 nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 14, 15. [online]. [zit. am 5. März 2014]. Verfügbar über: 199 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 94, 95. nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 184. 200 BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 95. (Übersetzung der Verfasserin) 201 nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 184.

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konnte das imperiale Territorium zugunsten seines Reiches besetzen. Zu den nächsten weströmischen Kaisern wurden Maiorianus (457–461) und Libius Severus (461–465). Die Westgoten haben dem Kaiser Severus die Unterstützung in den Eroberungskriegen gegeben, worauf sie 462 mit der Verwaltung der Hafenstadt Narbonne betraut waren. Nicht nur die Westgoten, sondern auch die Burgunder und Franken haben den Ausbau der Machtstellung und Ausdehnung deren Reiche angestrebt.202 „Da die Zahl er Gegner eher wuchs, als dass sie sinken würde, verlor die Idee des Imperiums rasch an der Bedeutung, denn das Zentrum war nicht im Stande, die einzelnen Ansprüche zu kontrollieren. Am Ende der 60er Jahre des 5. Jh. kamen alle Gruppen zu einer Erkenntnis, dass das westliche Imperium des nächsten Kampfes nicht wert war.“203 Eurich war sich dieser Situation bewusst; darum hat er seinen Bruder Theoderich aus Herrschsucht ermordet, um die Macht über die Westgoten an sich reißen zu können.204

4.2. Die westgotische Großmacht (466–507)

Die Errichtung des bedeutendsten Nachfolgestaates des Weströmischen Reiches wird mit Eurich (466–484) verbunden, „der im ersten Jahrzehnt seiner Herrschaft ein gallisch-spanisches Regnum schuf, in dem auf einer Dreiviertelmillion Quadratkilometern ungefähr zehn Millionen Menschen lebten. Das neue Königreich übertraf das alte Föderatenland von 418 um mehr als das Sechsfache seines Umfanges.“205 Nachdem dieser tapfere General und zielbewusste Politiker die Anerkennung seiner allen Eroberungszüge in Gallien und Hispanien von dem letzten legitimen Kaiser Westroms Iulius Nepos 475 erzwungen und das römisch-gotische Foedus gelöst hatte, begann das Westgotenreich als ein selbständiger Staat aufzutreten. Die richtige Zeit für die Planung und Führung der Kriegsaktivitäten Eurichs kam 468 nach der Niederlage des Kaisers Anthemius von dem Vandalenkönig Geiserich und Eurich; als ein von Rom unabhängiger Monarch, fiel er in die römische Provinz Lusitania ein, wo er sich Mérida, Lissabon, Coimbra und noch

202 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 95. nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 194. nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 17. [online]. [zit. am 6. März 2014]. Verfügbar über: nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 209. 203 HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 195. (Übersetzung der Verfasserin) 204 nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 195. 205 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 95.

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anderer Städte der Iberischen Halbinsel bemächtigte. Seine Expansionspolitik in Hispanien setzte fort.206

In den Jahren 472 und 473 griffen wieder zwei gotische Heere im Süden an, das eine nahm im Westen Pamplona und Zaragoza, das andere besetzte die Küstenstädte mit dem Vorort Tarragona. … Mit Ausnahme des suevischen Nordwestens und einiger baskischer ‚Reservationen„ im Norden stand damit ganz Spanien unter gotischer Herrschaft.207

Die militärischen Ambitionen Eurichs wurden nicht einmal mit der Annektierung des Großteils Hispaniens befriedigt und seine Kriegsziele erreichte er erst durch die Eroberung von Arles und Marseille in Provence im Jahre 473, danach bemächtigte er sich der französischen Region Auvergne mit der Hauptstadt Clermont, wogegen Sidonius Apollinaris, Bischof der Auvergne, Missfallen geäußert hat. Infolge dessen wurde seine Verbannung angeordnet und die katholischen Christen wurden von dem arianischen König verfolgt. Die westgotische Inbesitznahme der ganzen Landschaft Provence im Südosten Frankreichs 476 fiel mit dem Ende des Weströmischen Reiches zusammen.208 Über das Leben Theoderichs und Eurichs, deren Aussehen, politische Aktivitäten, religiöse Intoleranz Eurichs, sowie Verhältnisse in Gallien hinterließ ein hoher Aristokrat, römischer Politiker der oben erwähnte Bischof Sidonius Apollinaris ein sehr bedeutendes Zeugnis, dessen Briefe als eine sehr wichtige Quelle der Informationen betrachtet werden.209

4.3. Ende des Tolosanischen Reiches und die Migration der Westgoten nach Hispanien

Im Jahre 484, nach dem Tod Eurichs, trat an seine Stelle der Sohn Alarich II.

206 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 97. nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 18. [online]. [zit. am 6. März 2014]. Verfügbar über: 207 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 190. 208 nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 18. [online]. [zit. am 7. März 2014]. Verfügbar über: nach UBIERTO ARTETA, Antonio u.a.. Dějiny Španělska. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 1995. S. 37, 38. 209 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 96, 99.

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Der neue König war jung, wohl ungefähr ebenso alt wie sein fränkischer Gegenspieler Chlodwig. Alarichs Regierungszeit wird von der Überlieferung stiefmütterlich behandelt, und das Wenige, das sie enthält, überschatten sein Schlachtentod von Vouillé und der Untergang des Tolosanischen Reichs.210

Unter der Herrschaft Alarichs kam es 486/487 in Gallien zur Auseinandersetzung zwischen Chlodwig und dem Römerherrscher Syagrius, die mit dem fränkischen Sieg und der Besetzung dessen Machtbereiches, der bis zur Loire hineinreichte, beendet wurde. Syagrius flüchtete nach Tolosa, aber nachdem dieser von Alarich in die Hände der Franken ausgeliefert worden war, ließ ihn der König Chlodwig hinrichten.211 „Eine Kriegsdrohung Chlodwigs hätte jedoch ihre Wirkung verfehlt, wenn Franken und Goten keine Nachbarn gewesen wären.“212 Der fränkische Staat Chlodwigs, sowie die römische Bevölkerung des Tolosanischen Reiches, war seinerzeit katholisch, während sich Alarich zum Arianismus bekannte. Nach seiner Heirat mit Theodegotho waren die beiden gotischen Völker verwandt, und Alarich als Schwiegersohn des ostgotischen Königs Theoderich des Großen hat seine Truppen in den Krieg gegen Odoaker nach Italien gesandt. Das kämpferische Frankenreich hat seinen Machtwille immer stärker durchgesetzt und darum bemühte sich der Westgotenkönig Alarich um die Annäherung mit den gallo- römischen Einwohnern; „im Jahre 498, kurz nachdem die zweite gotische Siedlungswelle Spanien erreicht hatte, besetzten die Franken sogar Bordeaux und fingen dabei den gotischen Dux.“213 Beide Seiten sind den Friedensvertrag 502 auf einer Loireinsel eingegangen, der die Gleichrangigkeit der beiden Könige nachweisen sollte.214

210 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 195. 211 nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 19. [online]. [zit. am 8. März 2014]. Verfügbar über: 212 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 195. 213 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 196. 214 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 100, 101. nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 206, 207. nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 197.

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Durch Unterwerfung der Alemannen (496), der Thüringer (530), der Sachsen (785) und der Bayern (788) gewann es (das Frankenreich) sämtliche germanischen Völker Mitteleuropas für die christliche Kultur, die zugleich durch den Sieg bei Tours (732) gegen den Islam verteidigt wurde.215

Die Friedenszeit dauerte bis zum Jahr 507, als Chlodwig mit den burgundischen Bundesgenossen das Tolosanische Reich angegriffen und den Westgoten die Schlacht bei Vouillé in der Nähe von Poitiers geliefert hat. „Theoderichs Drohung, zugunsten seines Schwiegersohns einzugreifen, schreckte Chlodwig nicht. Ravenna war offenkundig nicht gerüstet. Theoderich mobilisierte sein Heer erst im Sommer 508, so dass die Ostgoten in Gallien nicht intervenieren konnten.“216 „Die Größe der Westgoten, die von Alarich I. geschaffen wurde, zerfiel unter der Herrschaft des zweiten Königs desselben Namens.“217 Zum Nachfolger Alarichs wurde sein Stiefsohn Gesalech erklärt, denn der legitime Sohn aus dessen Ehe mit Theodegotho hatte in dieser Zeit die Volljährigkeit noch nicht erreicht. Gesalech war ein schwacher Herrscher, der nach dem Tod seines Vaters nach Barcelona flüchtete, und die Franken konnten somit die Eroberung des westgotischen Gebietes in Gallien ungestört weiterführen. Der ostgotische König Theoderich duldete nicht die Untätigkeit Gesalechs und griff ein; sein Verdienst war, was das Gebiet in Gallien betrifft, dass die Westgoten ein Küstenstreifen am Mittelmeer in der Provinz Narbonensis mit den Städten Narbonne, Nîmes, Arles und Carcassonne weiter halten konnten. Der Kampf der Goten gegen die Goten im Jahre 451 wiederholte sich noch 510. Gesalech wurde geschlagen, floh ins Reich der Vandalen nach Afrika und kehrte mit deren finanziellen Unterstützung nach Aquitanien zurück, um ein Heer aufzustellen. Der nächste Versuch, die Ostgoten in der Schlacht zu besiegen, schlug fehl.218 „Im Jahre 511 wird Theoderich der Große auch König des Westgotenreiches; es ist die dritte Königserhebung seines Lebens.“219 Die großen Verluste der Westgoten an dem Machtbereich in Gallien hatten die Verlagerung deren Zentrums nach Hispanien zur Folge, wo sie seit Eurich das

215 Meyers Großes Konversationslexikon. 1. Band. 6. Auflage. Leipzig und Wien 1905-1909. S. 229. [online]. [zit. am 8. März 2014]. Verfügbar über: 216 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 197. 217 ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 20. [online]. [zit. am 8. März 2014]. (Übersetzung der Verfasserin). Verfügbar über: 218 nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 222. nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 245, 246. 219 Ebd. S. 247.

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meiste Gebiet beherrschten, ferner brachte dies die Oberherrschaft der Ostgoten, die ihre Verwandten vor den Franken geschützt und vor der vollständigen Zerstörung gerettet haben.220

4.4. Die Gesetzgebung Eurichs und Alarichs II. und ihre Kirchenpolitik

Die tolosanischen Könige waren die ersten Barbarenfürsten, die als Gesetzgeber auftraten… Bereits Theoderid musste erb- und vermögensrechtliche Bestimmungen in schriftlicher Form erlassen, die sein zweiter Sohn Theoderich erweiterte und vielleicht schon sein vierter Sohn zum berühmten Codex Euricianus ausbaute.221

Im römischen Imperium ergab sich die Notwendigkeit alle kaiserlichen Gesetze und Erlasse mit deren Kommentaren in einer Sammlung zur Verfügung zu haben, die den einheitlichen Rechtsgang sichern und administrative Fehlern vermeiden würde. Der oströmische Kaiser Theodosius II. beauftragte eine Kommission mit der Zusammenstellung aller seit 312 erlassenen Gesetze und Verfügungen, die in einer Gesetzsammlung Codex Theodosianus verfasst und 438 an die Öffentlichkeit gebracht wurden. Dieser auf Latein abgefasste Codex hat nach der Vereinbarung mit dem weströmischen Kaiser Valentinian III. auch in der westlichen Hälfte des Römischen Reiches Gültigkeit erlangt, wodurch die Einheit des Rechtes beider Reiche erreicht werden sollte.222 Der westgotische König Eurich zeichnete sich während seiner Regierungszeit nebst anderem durch die Ausgabe des ersten umfassenden Gesetzbuches der Westgoten aus, das als Codex Euricianus bekannt war.223

Die westgotischen Kodifikationen bewirkten den Sieg des römischen Vulgarrechts und die endgültige ‚Abkehr von der durch das Kaisertum bestimmten Rechtsentwicklung des Ostens.„ Niemals waren aber die Leges Visigothorum die schriftliche Fixierung des gesamten gotischen Volksrechts, sondern stets auswählendes und gesatztes Königrecht.224

220 nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 222, 223. 221 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 96. 222 nach TŮMA, Radek. Theodosius II. (408–450). [online]. [zit. am 9. März 2014]. Verfügbar über: 223 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 97. 224 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 199.

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Die Unklarheiten, die um diese Gesetzessammlung entstanden sind, betrafen auch die Frage, ob der Kodex von Eurich kodifiziert wurde. Vielmehr wird es angenommen, dass „die Kodifikation selbst aus der Zeit Alarichs II. stammt.“225 Es lässt sich aber nicht in Zweifel stellen, dass die Gesetze wirklich von Eurich um 475 erlassen wurden, dessen Hauptquelle des Übernehmens Codex Theodosianus war. Das Gesetzbuch Eurichs behandelte die sich aus dem gotisch-römischen Nebeneinanderleben ergebenen Streitfragen, dann auch die Frage der Landteilung, Entrichtung der Steuern und enthielt die Regelung von Leihe, Schenkung, Verwahrung und Kauf.226 „Das größte Problem bildet die Frage, ob der Codex Euricianus territoriales oder personales Recht verkündete, das heißt mit anderen Worten, ob die Kodifikation lediglich für die Goten oder für alle gallisch- spanischen Untertanen des Westgotenreichs galt.“227 Die nächste der sogenannten „Leges Barbarorum“ war die bekannte Lex Romana Visigothorum, auch Breviarium Alaricianum genannt, die im Jahre 506 promulgiert und primär den Römern bestimmt wurde, da die Verschiedenheit der Legislative, rechtlichen Praxis und Prinzipien von den römischen Rechtsnormen gering war. Mit der Ausarbeitung dieses Gesetzesbuches beauftragte Alarich „die Rechtsgelehrten, prudentes, unter der Leitung eines höchstrangigen Comes, des vir illuster Goiaricus…“228 Dem Breviarium Alaricianum diente als Vorlage der Codex Theodosianus und noch andere Rechtsbücher, wie die Novellen, der Codex Gregorianus, Codex Hermogenianus, die Bücher der Sententiae Receptae des römischen Juristen Julius Paulus und andere. Einen Bestandteil der Lex bildeten neben den eigentlichen Gesetzen auch deren vereinfachte Interpretationen, die aus den Kommentaren zum Codex Theodosianus hervorgingen und die Verständlichkeit der Gesetzestexte sichern sollten. Die Könige in Spanien haben den Codex Euricianus nach dem Tod seines Urhebers novelliert; die erste Revision dieser Gesetzessammlung wurde von dem König Leovigild (568–586) durchgeführt, später waren es Chindaswinth (642–653) und Rekkeswinth (653–672), der ein Gesetzbuch Liber iudiciorum kodifizierte, womit personales Recht außer Kraft trat und durch das territoriale Recht ersetzt wurde; seit der Veröffentlichung dieses Werkes wird für die Gesetzsammlung der Westgoten der Sammelbegriff Lex Visigothorum gebraucht. Trotz des

225 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 199. 226 nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 199. 227 Ebd. S. 199, 200. 228 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 200.

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Bruches des Foedus unter dem König Eurich hat der gallo-römische Adel die Funktionen in der Verwaltung des Tolosanischen Reiches nicht verloren.229

Bezeichnenderweise ist der senatorische Adelige Leo von Narbonne als erster westgotischer Zentralbeamter unter Eurich nachzuweisen. Er hatte sich als Dichter, Redner und Jurist einen Namen gemacht. … Leo wirkte noch unter Alarich II. und dürfte dann in Anianus … einen Nachfolger gefunden haben. Beide Männer waren viri spectabiles, was der zweiten spätrömischen Rangklasse entspricht.230

Die Einstellungen, Ziele, Bestrebungen und das Benehmen beider Könige, was ihre betriebene Kirchenpolitik betraf, waren voneinander sehr unterschiedlich. Der überwiegende Anteil der in Aquitanien angesiedelten Westgoten bekannte sich zum arianischen Glauben, während die gallo-römische Bevölkerung katholisch war. Es gab anfangs eine bestimmte religiöse Toleranz „oder Indifferenz Andersgläubigen gegenüber“231, die Uneinheitlichkeit des Glaubens verhinderte jedoch die Entstehung einer Gesellschaft als eines organischen Ganzen im Staat der Westgoten. Die Regierungszeit Theoderids wurde im Gegensatz zu Eurich durch die Respektierung der römischen Institutionen gekennzeichnet. Die relativ friedliche Situation hat sich geändert, als Eurich den Königsthron bestieg.232

Die Goten hatten schon vor 466 in Spanien wie Gallien kräftig expandiert und dabei die einheimischen Römer in kaiserlichem Auftrag von ihrer eigenen Reichsregierung ‚befreit„. Nach 466 fiel diese Legitimierung weg, und der offene Konflikt brach aus. Ähnlich entwickelte sich das gotische Verhältnis zur katholischen Hierarchie, die nach der Besiegung des Römerheeres die einzige römische Institution blieb, die großräumig funktionierte.233

Sidonius Apollinaris verdanken wir ein wertvolles Zeugnis über die politischen Taten unter der Herrschaft Eurichs. Die römischen Verhandlungsführer strebten die Garantie dieses Königs für „die freie Einsetzung von Bischöfen in seinem

229 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 371, 372. nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 201, 202. 230 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 224. 231 Ebd. S. 201. 232 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 98, 99. nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 202. 233 Ebd. S. 202.

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Herrschaftsbereich“234 an, was angeblich zum Konflikt führte. Dieser Bischof von Auvergne schildert Eurich als einen großen Feind der Orthodoxie, der zahlreiche Bischöfe zur Verbannung verurteilte und die Verfolgung der Katholiken organisierte. Die Gotteshäuser auf dem Lande und in den Städten waren leer und verödet; die gotisch- gallischen Diözesen von Bordeaux, Périgueux, Rodez, Limoges, Mende und Auch blieben unbesetzt. Mit gleichen Worten erwähnt den König Eurich auch Gregor von Tours, ein Bischof und Geschichtsschreiber; „die Geistlichen warf er ins Gefängnis, Bischöfe bestrafte er mit Verbannung oder tötete sie mit dem Schwert.“235 Erst nachdem der römische Kaiser die Eroberungen Eurichs anerkannt hatte, wurde seine gegenkatholische Politik zu Ende gebracht.236

Die große Leistung Alarichs II. war eine Rechts- und Kirchenpolitik, der die Zukunft gehörte. Seinem Vater Eurich war es nie gelungen, die territoriale Gliederung der gallo-römischen Kirche an die westgotischen Reichsgrenzen anzugleichen. Dieses Erbe suchte Alarich II. zu überwinden. Sein Breviarium, die Gesetzgebung für seine römischen Untertanen, stand in unmittelbarem Zusammenhang mit der Einberufung des gotisch-gallischen Landeskonzils von Agde.237

In dem Breviarium Alaricianum wurde gesetzlich verankert, „dass der westgotische Staat in der vom Gott aufgestellten Gesellschaftsordnung fortsetzen wird, die im ehemaligen Imperium existierte.“238 Alarich II. wollte die katholische Hierarchie nicht lähmen, sonder in sein Reich integrieren. Die guten Verhältnisse Alarichs II. zu den gallo- römischen Untertanen wurden ohne Frage durch die massive Expansion des Frankenreiches im Westrom und vor allem durch ein bedeutendes Ereignis geprägt, und zwar die Konvertierung Chlodwigs zum katholischen Glauben.239 Diese und noch andere Umstände haben den tolosanischen Gotenfürsten Alarich II. zum Handeln bewegt, dessen

234 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 202. 235 BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 99. (Übersetzung der Verfasserin) 236 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 99. nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 203, 204. 237 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 96. 238 HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 204. (Übersetzung der Verfasserin) 239 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 100. nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 19. [online]. [zit. am 10. März 2014].Verfügbar über:

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Ergebnis das schon erwähnte Gesetzesbuch war, „in dem sich Alarich II. zum Beschützer der Rechte und Religion seiner katholischen Untertanen 506 erklärte.“240

Viele Schwierigkeiten waren gar nicht religiöser Natur, sondern ergaben sich dadurch, dass die einzelnen Diözesen ihre Sitze im Westgotenreich hatten, weite Teile ihrer Gebiete jedoch in den Regna der Franken und Burgunder lagen. Die pflichtschuldige Sorge des jeweiligen Bischofs oder Metropoliten für seinen ganzen Sprengel konnte daher leicht als Verrat an der gotischen Sache ausgelegt werden. So war kein Zufall, dass nach der Promulgation des Breviarium Alaricianum nur wenig mehr als sieben Monate vergingen, bis die versammelten Väter die Protokolle der Synode von Agde am 10. September 506 unterzeichneten.241

Mit den Vorbereitungen und Einberufung des Konzils von Agde wurde der berühmte Bischof Caesarius von Arles beauftragt, der 505 für eine kurze Zeit ins Exil nach Bordeaux gehen musste und von Alarich II. rehabilitiert und zurück nach Arles geschickt wurde.242

240 BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 100. (Übersetzung der Verfasserin) 241 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 205. 242 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 101.

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5. Die germanischen Stämme der Vandalen und Sueben auf der Pyrenäenhalbinsel

Die Besiedlung der Pyrenäenhalbinsel durch andere germanische Stämme hat sich nach der Ankunft der Westgoten, welche die Niederlage im Jahre 507 erlitten haben, auf die Anwesenheit der Sueben in der nordwestlichen Provinz Gallaecia beschränkt, „wo sie ihr, bis zum Ende des 6. Jahrhunderts dauerndes Reich errichteten.“243 Die asdingischen und silingischen Vandalen zusammen mit den Alanen standen unter einem ständigen Druck der westgotischen Föderaten und der Römer, was sie nicht mehr ertragen wollten, und darum haben sie sich entschlossen, Hispanien zu verlassen und nach Afrika umzusiedeln. Die Pyrenäenüberquerung der Barbaren verlieft relativ leicht, ohne dass sie einen heftigen Widerstand überwinden mussten; die Schuld daran trugen angeblich die Truppen des Kaisers Konstantin (III.). Orosius behauptet, dass diese römischen Soldaten selbst das hispanische Gebiet plünderten und darum haben sie den barbarischen Gruppen den Übergang gestattet, damit ihr eigenes Vergehen nicht herauskam. Die Vandalen, Sueben und Alanen gründeten auf der Pyrenäenhalbinsel ihre Königreiche, was aber keine Folge des abgeschlossenen Foedus mit dem Weströmerreich war, obwohl sie einen Vertrag abschließen und für den angetretenen Militärdienst die Nahrung, Geld und Integration in die administrative Struktur des Reiches erhalten wollten. Hydatius und Orosius räumen die Existenz des Foedus zwischen den Barbaren und Konstantin (III.) ein, das man in das Jahr 411 datiert. Die Verteilung des Gebiets unter den Barbaren konnte sich nach ihrer Kriegsstärke richten, falls sie den römischen Angriffen standhalten müssten. Ob es sich um die historischen Fakten, oder reine Vermutungen handelt, wissen die Historiker doch nicht.244

5.1. Das Reich der arianischen Vandalen

Der in heutiger Zeit häufig verwendete Begriff „Vandalismus“ kann über dieses Volk viel verraten. Den Ruf verdienten die Vandalen danach, als sie 406 an dem Rheinübergang teilnahmen, und sich dann ohne eigene Siedlungen und irgendeine Mittel auf dem Gebiet der gallischen Provinzen befanden, was sie zur gewaltsamen Besorgung

243 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 100. 244 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 138. nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 4, 5. nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de Espaňa visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 44, 45.

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der Nahrung und Plünderungen gezwungen hat. „Dazu trugen vornehmlich zwei Tatsachen bei, und zwar die Plünderung Roms 455 und Verfolgung der römischen Katholiken in Nordafrika und Sizilien.“245 Demgegenüber der spätantike Historiker Prokopios von Caesarea hielt die Vandalen für die feinsten aller Barbaren, denn sie waren bis zum 6. Jh. stark romanisiert, wohnten in den Villen und man kann sagen, dass einige von ihnen im Luxus lebten.246 Nach der gewaltsamen oder von dem Usurpator Maximus 411 vertraglich anerkannten Ansiedlung der Barbaren in Hispanien, ging Baetica und der Osten der Provinz Gallaecia in Besitz der Vandalen über. Die Hauptaufgabe der Westgoten in römischen Diensten, seit 416 Föderaten in Gallien, war die schon erwähnte Bekämpfung der barbarischen Stämme und Befreiung der Iberischen Halbinsel von den Okkupanten. Dank ihrer Beharrlichkeit im Kampf erzielten sie große Erfolge und das Foedus mit den Westgoten begann reiche Früchte zu tragen; 416 besiegte Valia den vandalischen Feldherrn Fredebal, 418 bereiteten sie eine schwere Niederlage den Silingen und Alanen, deren König Attaces 412 die heutige Stadt Mérida eroberte, doch in dieser Schlacht fiel. Dies zog 418 deren Vereinigung mit den Asdingen unter dem Feldheer Gunderich (406– 428) nach sich und noch in demselben Jahr begannen auch die Kämpfe der Vandalen mit den Sueben, denen die Römer Unterstützung boten.247

In richtiger Einschätzung des Kräfteverhältnisses und in genauer Kenntnis der politischen Vorgänge im Westreich und seinen überseeischen Provinzen entschloss sich Geiserich, sein Volk nach Afrika zu führen. Dies geschah 429; sechs Jahre später gelang der Abschluss eines Vertrags zwischen Geiserich und dem Reich, wonach die Vandalen drei der afrikanischen Kleinprovinzen zur Ansiedlung erhielten.248

Dem offiziellen Foedus der Vandalen mit Ravenna gingen zahlreiche Kämpfe auf dem afrikanischen Boden voraus; im Jahre 430 gegen Bonifatius, der die Funktion „comes Africae“ ausübte, und 432 gegen den Heermeister Aspar, der die geschwächten Streitkräfte Bonifatius unterstützen sollte, doch die Barbaren errangen den Sieg in beiden Kriegen. Auf dem Feldzug durch die römischen Provinzen Mauretania Tingitana, Caesariensis und

245 BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 136. (Übersetzung der Verfasserin) 246 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 136. 247 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 138. nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. 185. 248 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 100.

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Sitifensis stoßen sie praktisch auf keinen großen Widerstand der römischen Armee. Hier sind die vandalischen Familien geblieben und das Heer setzte den Marsch nach Osten fort, wo die Städte Hippo, Karthago und Tripolis bald unter die Kontrolle der Vandalen gebracht wurden. Die Bestrebungen mancher Bischöfe die Verfolgung der Katholiken, die sich den arianischen Barbaren entgegenstellten, zu verhindern, erreichten keine Erfolge. Bischof Augustinus von Hippo, der nachdem er die Kranken versorgt hatte, an der Pest starb, ermahnte die Priester und Bischöfe, dass sie ihre Gläubige vor Gefahr schützten. Die Kirchenbauten wurden verheert und die römische Bevölkerung verfolgt und getötet.249 „Die Vandalenkönige wollten die Konvertierung zum Katholizismus unter ihrem Volk verhindern, und darum griffen sie zu den drastischen Maßnahmen gegen die religiösen Gegner, welche ihre Verfolgung war.“250 Den arianischen Glauben, den die Vandalen bekannten, übernahmen wahrscheinlich um das Jahr 400 von der mösischen Gruppe der „kleinen Goten“ um den Bischof Wulfila versammelt oder von den südlich der Loire sesshaften Westgoten.251

Geiserich machte Karthago zum Zentrum und zur Hauptstadt seines Vandalenreiches - eine kluge machtpolitische Entscheidung. Denn der Hafen lag strategisch günstig zur Kontrolle der See- und Handelswege bis hin zur Straße von und zu den großen Inseln im Mittelmeer.252

Nach der Eroberung Karthagos strebte Geiserich die Besetzung der neuen römischen Gebiete an; er griff Sizilien an, was auch Italien in Unruhe versetzt hat. 442 wurde ein neuer Friedensvertrag mit den Vandalen geschlossen, wodurch sie zu Besitzern der fruchtbaren Provinz Zeugitana (Africa proconsularis) mit Byzacena, Numidia, Abaritana und Gaetulia wurden.253 Die vandalischen Könige begannen an der Reorganisierung des politischen sowie administrativen Apparats zu arbeiten. Eines der Ergebnisse war ihre eigene Währung und auf die Münzen ließ man „Rex Wandalorum et Alanorum“ prägen; die herrschenden

249 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 141. nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 190. 250 SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 190. (Übersetzung der Verfasserin) „… los reyes vándalos evitaban también que se produjesen conversiones entre su pueblo al catolicismo... usaron ‚maneras muy romanas„ de persecución a los oponentes religiosos.“ 251 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 139. 252 ERTEL, Manfred. Abenteuer Afrika. Spiegel online, Geschichte. [online]. 2013. [zit. am 13. März 2014].Verfügbar über: 253 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 143, 144.

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Vandalen wohnten in den Residenzen der Römer und enteigneten auch ihr Vermögen. Der Ausfall der Steuern, die in die Staatskasse des römischen Imperiums aus den barbarischen Provinzen in Nordafrika nicht mehr flossen, hat zu einer schlechten ökonomischen Situation geführt.254 Das für das römische Imperium gefährliche Bündnis der Westgoten mit den Vandalen in den 40er Jahren des 5. Jh. wurde nach kurzer Zeit aus der Initiative der Römer abgelöst und Hunerich wurde mit der Tochter des Kaisers Valentinian Eudocia verlobt.255 Das Jahr 455 trat in die Weltgeschichte als das Jahr der zweiten Plünderung Roms, nachdem Geiserich dem weströmischen Usurpatoren Petronius den Krieg erklärt hatte. Dieser Invasion ging die des Königs Alarich I. im Jahre 410 vorher und 546 wurde sie zum dritten Mal unter dem Ostgotenkönig Totila durchgeführt. Die Invasion gegen das Vandalenreich organisiert durch die west- und oströmischen Truppen 468 scheiterte, da der oströmische Feldherr Basiliskos von den Vandalen bestochen wurde. Einen dauerhaften Frieden zu schließen, gelang es erst unter dem oströmischen Kaiser Zenon im Jahre 474, der eine Sympathie bei dem Vandalenkönig dank seiner Bescheidenheit gewann. In Karthago wurden wieder auch katholische Gottesdienste gehalten, die römischen Gefangenen freigelassen und die Eroberungen Geiserichs in Sizilien, Sardinien, Korsika und auf den Balearen anerkannt.256 Im Jahre 477 ist Geiserich gestorben und sein Sohn Hunerich wurde König. Dieser galt als der größte Feind der katholischen Kirche unter den Barbaren und während seiner Regierungszeit kam es zu den häufigen Verfolgungen. Die Bischöfe konnten nicht eingesetzt werden, Gotteshäuser wurden verschlossen und 484 wurde die allgemeine Konversion zum Arianismus angeordnet. Die zahlreichen Angriffe bedrohten nicht nur die römische Welt, auch die Vandalen gerieten in Gefahr und mussten die feindlichen Mauren mehrmals abwehren. Seit 484 herrschte zwölf Jahre der Nachfolger Hunerichs Gunthamund. Die Einstellung Königs zum Katholizismus war versöhnlicher, da er sich einer Sache bewusst war, und zwar, dass der Hass der katholischen Römer gegenüber den arianischen Vandalen keinen Nutzen bringen konnte. Darum gestattete er 488 die Rückkehr der verbannte Bischöfe in die vandalischen Provinzen und die Kirchen wurden geöffnet. Mit dem Bestreben die Kirche im Vandalenreich zu vereinigen setzte König Thrasamund (496–523) fort, dessen Beziehung zu den afrikanischen Katholiken nicht

254 nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 191. 255 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 146. 256 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 147, 148.

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feindlich war, obwohl er die Institution der katholischen Kirche auflösen wollte. Mit sechsundsechzig Jahren bestieg den Thron der Sohn Hunerichs Hilderich (523–530) und seit dem Beginn seiner Herrschaft hatte er freundschaftliche Beziehungen zur byzantinischen Regierung.257 Die Streitkräfte des römischen Feldherrn Belisar stellten eine unmittelbare Bedrohung für das Vandalenreich dar und sein Schicksal in Afrika war nach der Entthronung Hilderichs von dem letzten König Gelimer besiegelt. „Mit 5.000 Reitern und 10.000 Infanteristen segelte Belisar im Sommer 533 gegen das Vandalenreich, das wie ein Kartenhaus zusammenstürzte.“258 „Eine Ära war beendet: Hundert Jahre hatte es gedauert, bis das eigenständige Reich der Vandalen von der Karte der Geschichte verschwunden war.“259

5.2. Die Sueben

Die hispanische Provinz Gallaecia, in der sich die Sueben 411 niedergelassen und ihr Königreich mit der Hauptstadt Braga gegründet haben, war wirtschaftlich wenig entwickelt, und nicht einmal diese Tatsache zusammen mit dem Druck der Westgoten und Römer zwang sie dazu, auf der Seite der Vandalen und Alanen die Pyrenäenhalbinsel 429 zu räumen. Die ersten Jahre des Suebenkönigreiches waren schwierig; ganz großen Anteil daran hatte die schon erwähnte niedrige ökonomische Entwicklung dieses Territoriums, und als Folge davon ergab sich auch die feindliche Stellung der Sueben gegenüber der einheimischen Bevölkerung. Diese Umstände haben sie zu den Plünderungen getrieben, wodurch sie sich die Nahrung und das Vermögen verschafften.260 „Außer der gefährlichen Nachbarschaft der Westgoten hat sich an der wenig fortschreitenden Entwicklung der Sueben auch ihre ziemlich kleine Zahl auf dem hispanischen Gebiet beteiligt, die auf etwa 30.000 geschätzt wird.“261 Die Raubzüge der Sueben und die kriegerische Reaktion der hispanisch-römischen Bewohner, welche die Sueben töteten und gefangen nahmen, riefen allgemeine Unruhe

257 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 149–157. nach LE GOFF, Jacques. Kultura středověké Evropy. Praha: Odeon, 1991. S. 43 258 WOLFRAM, Herwig. Die Germanen. 4. Auflage. München: Beck, 1995. S. 101. 259 ERTEL, Manfred. Abenteuer Afrika. Spiegel online, Geschichte. [online]. 2013. [zit. am 13. März 2014].Verfügbar über: 260 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 167, 168. nach PÉREZ ALMOGUERA, Arturo. : romanos y visigodos. 6. Auflage. Madrid: Anaya, 2008. S. 66. 261 BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 168. (Übersetzung der Verfasserin)

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hervor. Der vandalische Stamm wollte mit dem römischen Feldherrn Aetius verhandeln; dieser entsandte den Grafen Censorius nach Hispanien, was zum Abschluss des Foedus führte. Der Vertrag wurde in der Folgezeit aber mehrmals gebrochen und die Friedenszeiten wechselten mit den Bemühungen der Sueben, nach Süden, in die von den Römern ungenügend kontrollierten Provinzen Baetica und Lusitania, zu expandieren.262 Der erste Vandalenkönig auf der Iberischen Halbinsel war Hermerich (419–438), unter dessen Herrschaft einige Beutezüge nach Lusitania und Eroberungen der befestigten Städte in Gallaecia organisiert wurden. Die schwache Macht des Weströmischen Reiches und dessen mangelhafte Überwachung der hispanischen Provinzen Lusitania und Baetica weckte in den Sueben Hoffnung auf eine fette Beute. Große Erfolge erreichte in seinen kriegerischen Aktionen Rechila (438–448), der Sohn und Nachfolger Hermerichs. Im Jahre 438 stieß er in einem Kampf am Ufer des Flusses Genil mit den Truppen des vandalischen Feldherrn Andevotus zusammen, den Rechila schlug und ihn der großen Menge Gold und Silber beraubte. In den nächsten zwei Jahren bemühte er sich, die suebische Macht an das Quellengebiet des Flusses Guadiana zu übertragen und die heutige Stadt Mérida zu erobern. 439 wurde die Hauptstadt der Provinz Lusitania Mérida besetzt, ein Jahr später auch Mértola. Der Höhepunkt seiner Erfolge war die Eroberung der Baetica mit Sevilla, dank der dann Rechila auch über ein bestimmtes Gebiet in Carthaginiensis regieren konnte. 446 mussten die Sueben einem der römischen Feldzügen standhalten, an dem sich die Truppen der gotischen Föderaten unter Theoderid beteiligten.263 Die Erweiterung des suebischen Einflussbereiches in südlicher Richtung hat auch die Befürchtungen in den fernen Gebieten erweckt; es war während der Regierungszeit des zum König ernannten Rechiar (448–456), der zum christlichen Glauben öffentlich übertrat.264

262 nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 195. 263 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 163. nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de Espaňa visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 56. nach PÉREZ ALMOGUERA, Arturo. Hispania: romanos y visigodos. 6. Auflage. Madrid: Anaya, 2008. S. 66. nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 195. nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. 182. 264 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 164. nach PÉREZ ALMOGUERA, Arturo. Hispania: romanos y visigodos. 6. Auflage. Madrid: Anaya, 2008. S. 66.

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Die Expansion der Sueben verhinderten nicht die Römer, sondern die Westgoten, die zu jener Zeit einen erheblichen Teil der Iberischen Halbinsel besetzt haben. Trotzdem die häufigen Auseinandersetzungen zwischen den letztgenannten und die Kämpfe um die Thronnachfolge ermöglichten, dass das Suebenkönigreich die Macht für eine längere Zeit behielt, als es von Anfang an erwartet wurde.265

In der Absicht Theoderids die Sueben für sich zu gewinnen und die Versöhnung zu bieten, wurde seine Tochter mit Rechiar 449 verheiratet. Das einzige, was der Westgotenkönig gewann, war ein Feind, da Rechiar durch diese Verwandtschaft den Eindruck hatte, dass er das ganze Hispanien besetzen konnte. Noch in demselben Jahr drang er durch das Baskenland vor, plünderte die Umgebung der heutigen Stadt Zaragoza und eroberte Lleida. Wie schon erwähnt wurde, hat sich der Westgotenkönig Theoderich II. in dem gegensuebischen Feldzug in 456 engagiert; Rechila verlor die Schlacht am Fluss Órbigo und in kurzer Zeit auch das Leben.266 Über die unterworfenen Sueben herrschte der von Theoderich gewählte Warne Agiwulf, während die freien Sueben Maldras zum König machten und dieser eroberte 457 die Stadt Olissipo (Lissabon) in der römischen Provinz Lusitania. Sein Sohn Remismund, seit 460 Suebenkönig, setzte die Ausdehnung der Macht fort und rivalisierte mit Frumarius, einem suevischen Herrscher in Lusitania. Zur Vereinigung der Sueben kam es erst nach dem Tod des Konkurrenten Remismunds und das Bündnis mit Theoderich II. hatte den Übertritt zum Arianismus zur Folge; damals war die führende Religion Arianismus, nur die Römer waren Katholiken, aber ihre Macht in Gallien war fast zu Ende und dies konnte auch einer der Gründe für Entscheidung Remismunds sein.267 „Seit dem Jahr 473 beherrschten die Westgoten fast die ganze Iberische Halbinsel, das Gebiet der Basken und Sueben in Gallaecia und im Teil der Lusitania ausgenommen.“268 Nach der Niederlage in der Schlacht bei Vouillé 507 haben die Westgoten ihr Reich auf die Pyrenäenhalbinsel übertragen. Die Geschichte der Sueben

265 PÉREZ ALMOGUERA, Arturo. Hispania: romanos y visigodos. 6. Auflage. Madrid: Anaya, 2008. S. 66. (Übersetzung der Verfasserin) „Sin embargo, la expansión se vio frenada no por los romanos, sino por los visigodos, que ya habían ocupado buena parte de la Península, aunque las frecuentes querellas civiles entre estos últimos y las luchas por el trono posibilitaron que el reino suevo se mantuviera por un período de tiempo mucho más prolongado del que en principio era previsible.” 266 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 164. nach JORDANES. Gótské dějiny / Římské dějiny. Erste Auflage. Praha: Argo, 2012. S. 88, 89. nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. 182, 184. 267 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 165. 268 BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 166. (Übersetzung der Verfasserin)

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blieb uns fast für ein Jahrhundert aufgrund der mangelhaften Informationen in den Quellen unbekannt.

…in der Regierungszeit der Könige Chararich und Theodemir hatte unter den Sueben bald einen großen Erfolg die katholische Mission des bekannten Bischofs und später Erzbischofs Martin von Braga. … Der suebische König Miro (570–583) versuchte ein Bündnis mit den katholischen Franken zu schließen und der Westgotenkönig Leovigild, der sich dadurch gerechterweise bedroht fühlte, hat ihn 576 besiegt. In dieser Zeit gewann der Katholizismus auch in dem westgotischen Staat an Bedeutung und in der Zeit des Aufstandes des Sohns Leovigilds Hermenegild unterstützte König Miro die Aufständischen. Das bedeutete seine nächste Niederlage und 585, unter der Herrschaft der Könige Audaca und Malarich, wurde das suebische Gebiet zum Teil des westgotischen Königreiches. 269

269 BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 166. (Übersetzung der Verfasserin)

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6. Die Westgoten und das Toledanische Reich

Was die territoriale Aufteilung der Pyrenäenhalbinsel in fünf Provinzen betrifft, wurde diese unter dem römischen Kaiser Diokletian (284–305) bestimmt, als er in einer durchgeführten Verwaltungsreform die Provinz Tarraconensis in Tarraconensis, Carthaginiensis und Gallaecia eingeteilt hat; ihre Anzahl wurde demnach verdoppelt.270

Während das ostgotische Königreich durch die äußere Aggression vernichtet wurde, das spanische Königreich der Westgoten zerfiel nicht. Es gelang ihm doch nur dank der Überwindung der Bedrohungen von außen und der inneren politischen Wirren. … Um das Jahr 700 gehörten die Westgoten aus dem 4. und 5. Jh. genauso wie die Ostgoten der Vergangenheit …271

Die westgotische Eindringung und Konsolidierung der Macht auf der Halbinsel verlief vornehmlich in dem Zeitraum nach dem Fall des „Imperium Romanum“ durch die Initiative Eurichs und später nach dem Sieg der Franken im Jahre 507. Die militärischen Interventionen der weströmischen Föderaten in Hispanien wurden nach dem Jahr 418 im Namen des Imperiums unter dem Oberbefehl der römischen Feldherren durchgeführt, welche die römischen Interessen in den Kämpfen gegen die Barbaren vertraten. Später aber haben die Westgoten ihre eigenen Interessen verfolgt. Das an das Gebiet der Pyrenäenhalbinsel übergetragene Königreich der Westgoten hatte seinen Sitz in Arles (515–526), in Narbonne (526–531), seit 531 in Barcelona, von wo er 561 während der Regierungszeit Athanagild nach Toledo endgültig verlegt wurde. Mit der Ankunft der Germanen auf die Iberische Halbinsel hing ein wichtiger Aspekt zusammen, und zwar die absolute Monarchie; es handelte sich um die Wahlmonarchie, die zur Erbmonarchie tendierte.272

Die Monarchen mit dem Sitz in Toledo, die fast die ganze Halbinsel eroberten, mussten jedoch auf ihren Traum von der ethnischen Segregation verzichten, welche sie von der hispanischen Mehrheitsbevölkerung trennen würde. Seit den Zeiten des Königs Leovigild verstärkten sich die

270 nach CHALUPA, Jiří. Dějiny Španělska v datech. Praha: Libri, 2011. S. 30. 271 HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 281. (Übersetzung der Verfasserin) 272 nach ENCINAS DE LÁZARO, Rufino. Síntesis cronológica de la historia de España: resumen histórico y genealogías monárquicas. Madrid: Síntesis, 2002. S. 57. nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de Espaňa visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 49. nach PÉREZ ALMOGUERA, Arturo. Hispania: romanos y visigodos. 6. Auflage. Madrid: Anaya, 2008. S. 72. nach UBIERTO ARTETA, Antonio u.a.. Dějiny Španělska. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 1995. S. 38.

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Bemühungen der Westgoten um die Integration und Gründung eines einzigen christlichen und wenn möglich homogenen Volkes.273

Die Westgoten wurden offiziell zu Katholiken während der Regierungszeit des Königs Rekkared I.; diese religiöse Einheit zog die Durchdringung des Geistigen mit dem Weltlichen nach sich und die Kirche kämpfte um die Macht. Durch diese Konversion wurde die Basis für die Existenz der hispanisch-westgotischen Gesellschaft geschaffen, in der ausschließlich die Germanen die wichtigen Ämter bekleideten.274 Im Vergleich mit der römischen Ära in Hispanien, bedeutete der westgotische Machtantritt den Rückgang des erreichten Niveaus in allen Bereichen; die Wirtschaft prosperierte nicht, die Missernte hatte die Hungersnot zur Folge, die Städte waren leer, der Austausch verbreitete sich anstelle von Geldhandel und die Auseinandersetzungen der Adeligen um die Macht devastierten die Provinzen, wodurch die Bauer und Handwerker in eine unangenehme Lage gerieten.275 Das 8. Jh. war für das Toledanische Reich fatal. „Der erstaunlich vollständige Sieg der Araber und die rasche Eroberung des Gotenreichs in den Jahren nach 711 dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich nördlich des Ebro die gotische Tradition hielt und stark genug wurde, die christliche Reconquista der Iberischen Halbinsel einzuleiten.“276

6.1. Die Herrschaft des Ostgotenkönigs Theoderich des Großen und der Könige Amalarich und Theudis

Den besiegten Westgotenkönig Gesalech ersetzte sein Stiefbruder Amalarich (510– 531), dessen Vormundschaft nach dem Tod des letzten tolosanischen Herrschers Alarich II. im Jahre 507 sein Großvater und Ostgotenkönig Theoderich der Große übernahm. Er wurde zum faktischen Herrscher über die Westgoten bis zu seinem Tod, doch den spanischen Boden hat er nie betreten, da er zu seinem Vertreter im Westgotenreich zuerst Ibba und dann den Vertrauten Theudis bestellte; so wie die meisten weströmischen Kaiser hatte Theoderich seinen Sitz in Ravenna, wohin der gerettete

273 CHALUPA, Jiří. Dějiny Španělska v datech. Praha: Libri, 2011. S. 37. (Übersetzung der Verfasserin) 274 nach CHALUPA, Jiří. Dějiny Španělska v datech. Praha: Libri, 2011. S. 37. 275 nach CHALUPA, Jiří. Dějiny Španělska v datech. Praha: Libri, 2011. S. 37. 276 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 247.

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westgotische Königsschatz gebracht wurde. Unter Theoderich dem Großen kam es zu einer Koexistenz und Wiederherstellung der Kooperation zwischen der römischen Kultur und gotischen Monarchie, also zwischen den katholischen Römern und den arianischen Goten, die für die Weiterentwicklung des westgotischen Spaniens von grundsätzlicher Bedeutung war. Theoderich der Große bemühte sich weiter seine kulturellen und politischen Ziele auch auf der Iberischen Halbinsel zu verwirklichen, was auch der Westgotenkönig Amalarich (526–531) und dann sein ostgotischer Nachfolger Theudis (531–548) anstrebten.277 Das Ziel Theoderichs betraf die Wiederherstellung der Politik und Kirche; Papst Symmachus machte Caesarius, der die Synode von Agde 506 einberufen hatte, zum Erzbischof von Arles, und beauftragte ihn mit den religiösen Angelegenheiten in allen spanischen Provinzen. In der Folgezeit berief er fünf Kirchenversammlungen und setzte den Katholizismus durch. Als dem Vertreter des weströmischen Imperiums fiel in die Kompetenz Theoderichs die Steuerkontrolle über das hispanische Gebiet in Besitz Roms. Die Verwaltungsvorschriften, die von dem Staatsmann Cassiodor abgefasst wurden, sollten die widergesetzliche Vorgehensweise der Steuereinnehmer verhindern und die Tätigkeit der Beamten in der öffentlichen Verwaltung kontrollieren; auf welche Provinzen sich diese Vorschriften bezogen blieb jedoch unklar. Die Situation nach dem Umsturz von 507/511 hat sich zugespitzt.278

Es herrschten Rechtsunsicherheit und Übergriffe der Mächtigen, die sich nicht zuletzt am Kirchenbesitz bereicherten. Auch kamen Missstände in der Steuereinhebung und Bedrückung seitens der lokalen Bürokratie vor. Theoderich versuchte scharf durchzugreifen; im besonderen ordnete er an, die unter Eurich und Alarich II. geltenden Bestimmungen zum Maßstab der eigenen Steuerpolitik zu nehmen.279

277 nach FONTAINE, Jacques. Isidoro de Sevilla. Génisis y originalidad de la cultura hispánica en tiempos de los visigodos. Madrid: Ediciones Encuentro, 2002. S. 51, 52. [online]. [zit. am 17. März 2014]. Verfügbar über: nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 21. [online]. [zit. am 17. März 2014]. Verfügbar über: 278 nach FONTAINE, Jacques. Isidoro de Sevilla. Génisis y originalidad de la cultura hispánica en tiempos de los visigodos. Madrid: Ediciones Encuentro, 2002. S. 52. [online]. [zit. am 17. März 2014]. Verfügbar über: nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 223, 224. 279 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 310.

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„Der westgotische und ostgotische Staat bildete praktisch bis zum Jahr 526 eine Personalunion…“280 Der Druck der Franken auf die Westgoten verstärkte sich noch vor dem Herrschaftsantritt Amalarichs und bedrohte ihre Sicherheit. Der neue König, mit dem Sitz in Narbonne, wollte den möglichen Angriff vermeiden und heiratete 526/527 eine Merowingerin, die Tochter des Frankenkönigs Chlodwig I. Prinzessin Chlothilde, um seine Machtstellung zu stabilisieren. Gregorius von Tours sagt, dass Amalarich seine Gemahlin zum arianischen Glauben bekehren wollte und sie auch schlecht behandelte, wodurch er sich ihren Bruder Childebert I. verfeindete und den gegenfränkischen Krieg in der Nähe von Narbonne verloren hat. Provence, Septimanien ausgenommen, die den Teil des Toledanischen Reiches bis zum Angriff der Araber bildete, wurde dem ostgotischen Königreich einverleibt und 536 zugunsten der Franken verloren. Amalarich floh nach Barcelona, wo er gewaltsamen getötet wurde und sein ostgotischer Helfer Theudis wurde zum König ernannt. Eine große Menge Geld, über die er nach dem Heirat verfügte und ihn mächtig machten, ermöglichte ihm das Heer mit etwa 2.000 Mann aufzustellen.281 Es wird angenommen, dass an dem Tod Amalarichs sein ostgotischer Erzieher Theudis (531–548) einen Anteil hatte; dadurch erlosch die alte herrschende westgotische Dynastie. Die Machtpolitik durch Ermordungen wurde immer mehr betrieben und die Zeitspanne des 6. Jh. wurde durch die adeligen Thronauseinandersetzungen geprägt. Theudis galt als einer der bedeutendsten gotischen Heermeister, der die königliche Residenz nach Barcelona verlegte und die Herrschaft über die Westgoten unabhängig vom Ostgotenreich ausübte. Nicht einmal dieser lebte mit den Franken in Frieden, deren Machtbereich sich nach der Annexion des Burgunderreiches 534 gefährlich ausdehnte. Sie sind in das gallische Gebiet der Westgoten durchgedrungen, ermächtigten sich der Stadt Pamplona und 541 belagerten Zaragoza. Die Soldaten Theudis richteten jedoch den Franken große Verluste an und es gelang ihnen, die Feinde zu verdrängen. Die Absicht des Kaisers Justinian im Mittemeer zu expandieren, stellte eine sichere Bedrohung der Küste Hispaniens und der strategischen Städte dar. Der westgotische König bemühte sich darum, ein Bündnis mit den Vandalen einzugehen und dadurch dem byzantinischen Druck besser zu widerstehen. Nachdem aber der oströmische Kaiser Justinian das Vandalenreich 534 vernichtet hatte, bedrohte seine Flottille den Süden der Pyrenäenhalbinsel, worauf Theudis

280 BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 101. (Übersetzung der Verfasserin) 281 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 101. nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 281, 282. nach WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 309, 310.

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wichtige Schritte zur Abwehr der Provinzen Baetica und Carthaginiensis unternahm und eine Division in Ceuta aufstellte. Trotz aller Bemühungen haben sich die Byzantiner der Stadt Ceuta 547 ermächtigt und ein Jahr später wurde Theudis in Sevilla ermordet und Theudegisel zu seinem Nachfolger gewählt. Die ostgotische Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel, also die Zeitspane zwischen dem Jahr 507 und 548, das Jahr in dem Theudis starb, wird in der Geschichte des Westgotenkönigreiches für die dunkelste gehalten.282

6.2. Theudigisel, Agila I., Athanagild (548–567)

Die Regierung Theudigisels, der auch die Absicht verfolgte die gotische Macht im Süden der Iberischen Halbinsel im Quellengebiet des Flusses Guadalquivir zu festigen, dauerte nur eineinhalb Jahre (548–549), als ihn das gleiche Schicksal wie seinen Vorgänger traf und er in Sevilla ermordet wurde. Der Bürgerkrieg und der Krieg mit den äußeren Streitkräften, die unter Amalarich und Theudis tobten, haben den Süden Spaniens einer harten Prüfung unterzogen. Die Situation nach dem Tod Theudigisels hat eine neue politische Krise dem Westgotenreich gebracht; es folgten Aufstände, Kämpfe um die Macht und das Bürgerkrieg brach wieder aus.283 Agila I. (549–554), Verfolger der Katholiken, hat sein Leben in ständigen Kriegen verbracht und ein Jahr nach seiner Nennung zum König stand er gegen einer Rebellion in Córdoba, da er die Provinz Baetica erobern wollte. Dieses Ziel erreichte er nicht; er erlitt eine schwere Niederlage von den Aufständischen und überdies verlor er seinen Sohn und den Königsschatz. An die Spitze der unzufrieden Untertannen stellte sich 551 ein Adelige namens Athanagild und nahm die Stadt Sevilla ein, woraufhin Agila nach Mérida flüchtete; die Entmachtung Agilas gelang Athanagild jedoch nicht und darum verbündete er sich mit dem oströmischen Kaiser Justinian, der ihm eine militärische Unterstützung

282 nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 37. nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 282. nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 22. [online]. [zit. am 18. März 2014]. Verfügbar über: nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 225. 283 nach FONTAINE, Jacques. Isidoro de Sevilla. Génisis y originalidad de la cultura hispánica en tiempos de los visigodos. Madrid: Ediciones Encuentro, 2002. S. 57. [online]. [zit. am 29. März 2014]. Verfügbar über: nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 238.

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gewährte. Der Westgotenkönig Agila wurde nach einem dreijährigen Krieg durch die gelandeten Truppen Liberius‟ im Süden der Pyrenäenhalbinsel besiegt. Die Byzantiner traten eher als Gebieter auf und haben sich der zahlreichen Städte und Häfen an der Mittelmeerküste bemächtigt, derweilen Agila in Mérida von seinen Leuten umgebracht und Athanagild als König anerkannt wurde.284 Die Oströmer, die im südlichen Küstenstreifen ungefähr zwischen Cádiz und Valencia in der damaligen Provinz Spania lebten, beabsichtigten, wie es im Fall der Ostgoten in Italien und Vandalen in Afrika war, an die Macht über die Iberische Halbinsel wiederzukommen und wurden dadurch zum Todesfeind des zum König ausgerufenen Athanagild (554–568). Erst im Jahre 625 gelang es dem König Suinthila, die Byzantiner aus der Iberischen Halbinsel zu vertreiben und ihr Gebiet wieder über die westgotische Herrschaft zu bringen.285 Von Toledo aus, wo Athanagild sein Hauptquartier errichtet hat, erklärte er dem byzantinischen Gegner den Krieg, in dem er keine großen Erfolge erreichte, der aber eher zur Verhinderung der byzantinischen Penetration in Spanien dienen sollte. Es entstand eine feste Grenze zwischen den Westgoten und den Byzantinern, die römischen Statthalter haben die Befestigungen errichtet und durch eine Vereinbarung wurde der territoriale Status quo zusammen mit der westgotischen Souveränität und Unabhängigkeit bestätigt. Die zahlreichen Bemühungen Athanagilds Sevilla für Westgoten zu gewinnen scheiterten, jedoch kurz vor seinem Tod im Jahre 568 ermächtigte er sich Sevilla. „Athanagild trat in die hispanisch-westgotische Geschichte als der erste König ein, der Toledo zu seiner Residenzstadt offiziell machte.“286 Für diese Entscheidung war die strategische Lage der Stadt von besonderer Bedeutung, die sich zwischen den westgotischen Zonen in Lusitania im Westen und Zaragoza und Katalonien im Osten befand. Bereits Theudis entschied sich für diese Stadt, die 560 zur Hauptstadt der westgotischen Monarchie wurde und seit dieser

284 nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 23. [online]. [zit. am 29. März 2014]. Verfügbar über: nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 238. 285 nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 240. 286 nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de España visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 105. (Übersetzung der Verfasserin) „Atanagildo ha pasado a la historia hispanovisigoda como el primer monarca que habría fijado de una forma ya clara su residencia habitual en Toledo.”

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Zeit wird von dem Toledanischen Reich gesprochen.287

6.3. Liuva I., Leovigild, Hermenegild, Rekkared I. (567–586)

Seit dem Tod Athanagilds blieb der westgotische Thron fünf Monate leer, bis in Septimanien in der Stadt Narbonne der Bruder Athanagilds Liuva I. (567–572) zum König gewählt wurde. Ungefähr nach einem Jahr überließ Liuva die Herrschaft über einen Teil des Reiches auf der Iberischen Halbinsel seinem Bruder Leovigild, mit dem Sitz in Toledo, wahrscheinlich aufgrund der fränkischen Bedrohung bei Arles und er selbst blieb in Narbonne, woher er Septimanien, Tarraconensis, Valencia und Sagunt regierte. 288

Das Ende der amalisch-balthischen Dynastie verschärfte die latente westgotische Anarchie. Der morbus Gothicus grassierte: man entledigte sich der Könige nach Belieben und wie im Wahnsinn. Keine dieser Wirren konnte jedoch die Lebensfähigkeit der westgotischen Staatlichkeit vernichten. Die Periode der Rekonstruktion endete zwar erst nach zwei Generationen. Aber nachdem Leovigild 568 oder 569 die Herrschaft erlangt hatte, stieg das westgotische Königreich wie ein Phönix aus der Asche. Unter Leovigild kam eine Entwicklung zum Abschluss, in deren Verlauf das westgotische Regnum gleichsam ein spanisches Imperium wurde. Es entstand der vollkommenste Nachfolgestaat des Römerreichs, perfekt in seinen Stärken und Schwächen.289

Leovigild heiratete Athanagilds Witwe Goswintha und als Andenken an seine Krönung in Toledo ließ er die Münzen prägen. Durch seine Rechtsnormen rückte er von der bisher getriebenen gesellschaftlichen Isolierung der Westgoten von der zahlreicheren einheimischen Bevölkerung ab, erlaubte also die gemischte Ehe und machte die Einwohner zu den Besitzern des Bodens. Der erste Feldzug Leovigilds im Jahre 570 wurde gegen die Byzantiner gerichtet; 571 bemächtigte er sich der Stadt Medina-Sidonia und drang auch zu der Stadt Córdoba vor, über die er die Kontrolle übernahm. Bedeutende Erfolge erreichte

287 nach CHALUPA, Jiří. Dějiny Španělska v datech. Praha: Libri, 2011. S. 38. nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de España visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 103, 105. nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 23. [online]. [zit. am 29. März 2014]. Verfügbar über: 288 nach ENCINAS DE LÁZARO, Rufino. Síntesis cronológica de la historia de España: resumen histórico y genealogías monárquicas. Madrid: Síntesis, 2002. S. 58. nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 25. [online]. [zit. am 30. März 2014]. Verfügbar über: 289 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 247.

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er auch im Kampf gegen die Kantabrer im Jahre 574, als er deren Hauptstadt Amaya besetzte, und gegen die Sueben, dessen König Miro Leovigild eine schwere Niederlage 576 bereitete und ab 585 das Suebenreich zum Westgotenreich einverleibte. Nicht einmal das Land der Basken im Norden Spaniens wurde von dem Einfall verschont, dessen Teil Leovigild 581 zum Toledanischen Reich annektierte. Als Alleinherrscher über das gesamte Westgotenreich regierte er ab 572, als sein Bruder Liuva I. gestorben ist und ein Jahr später machte er seine beiden Söhne Hermenegild und Rekkared I. zu Mitherrschern. Um die Gefahr seitens der fränkischen Nachbarn zu vermeiden, griff Leovigild zur Heiratspolitik, wie es schon früher in der Geschichte der Goten mehrmals passierte; 579 fand die Hochzeit Hermenegilds mit der fränkischen Prinzessin Ingund, was aber einen Konflikt auslöste, da sie wie der Großteil der Reichsbevölkerung katholisch war. Damit konnte sich die westgotische Königsfamilien nicht abfinden, vor allem die Königin Goswintha. Ingund lehnte den Übertritt zum Arianismus ab, infolge dessen Leovigild Hermenegild mit der Verwaltung der Provinz Baetica zur Beruhigung der verschärften Situation zwischen seiner Gattin und der Schwiegertochter beauftragte. Der Einfluss der Katholiken war nichtsdestoweniger ziemlich stark, was der Aufstand Hermenegilds im Jahre 579 bezeugt, den der Bischof Leander von Sevilla durch die Predigt auf die Seite des Katholizismus gewann. Einen ziemlich großen Anteil hatte daran auch seine Gattin Ingund. Hermenegild suchte die Unterstützung bei den Franken, Sueben und Byzantinern, den letzteren übergab er sogar die Stadt Córdoba, jedoch ihre Hilfe reichte nicht und 584 kam es zur Kapitulation Hermenegilds. Auf Drängen des spanischen Königs Philipp II. wurde Hermenegild 1585 von dem Papst Sixtus V. heilig gesprochen.290 Der allgemeine Zustand auf der Pyrenäenhalbinsel war während der Regierungszeit Leovigilds nicht ruhig, aber trotz „der sich stark entwickelnden sozialen Bewegung der Bauern, die sich gegen die Feudalisierung wehrten“291 resignierte Leovigild nicht auf die Konsolidierung der königlichen Macht. Das nächste Merkmal dieser Zeit war auch „die wachsende Opposition der Städte und der hispano-römischen Aristokratie, die um die größere Gehorsamkeit und Abhängigkeit der Sklaven, Kolonen und Bauern bemüht war.“292 Dieser toledanische König setzte sich auch für die religiöse Einheit; die

290 nach CHALUPA, Jiří. Dějiny Španělska v datech. Praha: Libri, 2011. S. 38, 39. nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 25, 27, 28. [online]. [zit. am 1. April 2014]. Verfügbar über: 291 BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 103. (Übersetzung der Verfasserin) 292 Ebd. S. 103. (Übersetzung der Verfasserin)

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katholische Kirche stand außerhalb der Kompetenzen des Königs und obwohl ihre Gläubigen in der Mehrheit waren, entschied sich Leovigild seinen arianischen Glauben durchzusetzen. 580 ließ Leovigild den Konzil der arianischen Bischöfe in Toledo einberufen, auf dem die katholische Taufe anerkannt wurde, um den Übertritt zu erleichtern und die Hindernisse zur Konversion zu beseitigen.293 Die Taten Leovigilds waren für die Geschichte der Westgoten auf der Pyrenäenhalbinsel von besonderer Wichtigkeit und er galt als der größte König aller Goten; er war ein tapferer Kämpfer, zu dessen Erfolgen die Politik zählte, die auf die Vereinigung der Ibero-römer mit den Westgoten gezielt wurde und sich in großem Maß für die interne Reorganisation des Toledanischen Reiches einsetzte.294 Die Lösung des religiösen Problems blieb jedoch nach dem Tod Leovigilds im Jahre 586 auf seinem Sohn und Thronfolger Rekkared I.

6.4. Rekkared I., Katholizismus im Toledanischen Reich und der Thronfolger Liuva II. (586–603)

Der Königssohn Hermenegild wurde nach dem Aufstand gegen Leovigild in Haft genommen und 585 ermordet; die Macht über das Toledanische Reich geriet dann in die Hände Rekkareds I. (586–601). Die Mitregentschaft beider Brüder seit 573 hing nicht mit der Reichsteilung zwischen ihnen und der gemeinsamen Verwaltung eines bestimmten Gebiets, eher diente sie zur Sicherung der dynastischen Thronfolge. Leovigild gründete während seiner Regierungszeit im Jahre 578 die Stadt Reccopolis, benannt nach Rekkared, die sich östlich von Madrid befand. Ein Jahr nach der Nennung zum König, im Jahre 587, brach Rekkared I. die Tradition der westgotischen arianischen Konfession und trat zum Katholizismus über, da er sich einer Sache bewusst war, und zwar, dass man mit dem Arianismus, als dem Glauben der Minderheit, die religiöse Einheit nie erreichen könnte. Die Reaktion darauf war die Rebellion in Septimanien unterstützt von dem Frankenkönig Guntram I., die aber von den Truppen Rekkareds erfolgreich unterdrückt wurde.295

293 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 103, 106. 294 nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de España visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 113. nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 30, 31. [online]. [zit. am 1. April 2014]. Verfügbar über: 295 nach ENCINAS DE LÁZARO, Rufino. Síntesis cronológica de la historia de España: resumen histórico y genealogías monárquicas. Madrid: Síntesis, 2002. S. 58. nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 287, 296.

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Diese Entscheidung stieß auf Widerstand einiger arianischen Bischöfe, obwohl ihre Mehrheit den Königsbefehl respektierte. Am 8. Mai 589 fand das 3. Konzil von Toledo statt; der Katholizismus wurde als die offizielle Religion im Toledanischen Reich erklärt und die arianischen Bischöfen konnten ihre Ämter nur nach dem Übertritt weiter bekleiden.296 „Die Konversion wurde mindestens von vier verschiedenen Revolten begleitet. … Ohne die feste Entschlossenheit die Anhänger der alten Ordnungen zu unterdrücken, hätte Rekkared seine religiösen Ziele nie erreicht.“297 „Erst nach dieser Konversion der Germanen begann die katholische Kirche und die hispano-römischen Untertanen das Westgotenkönigreich für ihren Staat und den König für ihren Beschützer zu halten.“298 Nach dem Jahr 590 konnte man anfangs über die herrschende Ruhe nicht sprechen; die Ursache lag in der fränkischen Bedrohung und der byzantinischen Diplomatie im westlichen Mittelmeer. Ungefähr um 590 wurde mit dem Bau des ältesten Klosters auf der Pyrenäenhalbinsel in der Gemeinde San Millán de la Cogolla (La Rioja) angefangen. Eine der bedeutendsten Persönlichkeit des religiösen Lebens war neben Isidor von Sevilla auch der Bischof Leander von Sevilla, der den orthodoxen Katholizismus durchsetzte und die Arianer verfolgte. Er starb um das Jahr 600 und wurde für seine Verdienste heilig gesprochen.299 Rekkared I. wurde Träger des Titels „Flavio“, den auch seine Nachfolger erwarben, und als erster Monarch ließ er sich mit dem heiligen Öl salben.300 Rekkared I. hinterließ nur einen Sohn, den aber nicht aus der Ehe mit der Königin Baddo stammte, war also unehelich geboren, und der Name seiner Mutter blieb uns unbekannt. Dieser Sohn und Nachfolger des Königs hieß Liuva II. (601–603), von dem wir vieles dank dem Bischof Isidor von Sevilla erfahren; in der Zeit seiner Krönung war Liuva angeblich achtzehn Jahre alt und da seine Mutter nicht aus einem adeligen Geschlecht war,

nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 289. 296 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 107, 108. nach CHALUPA, Jiří. Dějiny Španělska v datech. Praha: Libri, 2011. S. 41. nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 287. 297 HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 287. (Übersetzung der Verfasserin) 298 BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 108. (Übersetzung der Verfasserin) 299 nach CHALUPA, Jiří. Dějiny Španělska v datech. Praha: Libri, 2011. S. 41, 42. nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 70. 300 nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 41. [online]. [zit. am 2. April 2014]. Verfügbar über:

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fehlte ihm die Unterstützung der Aristokratie, worauf seine kurze Regierungszeit zurückzuführen war. Die Jugend Liuvas II. regte sicher den Zweifel an seinen Fähigkeiten, sich in den verwickelten Verhältnissen und Bündnissen zwischen den Adeligen durchzusetzen; 603 waren diese an einem Umsturz beteiligt, was das Ende der Herrschaft des Königs Liuva II. bedeutete. Er wurde abgesetzt und noch in demselben Jahr ist er gestorben.301 „Mit ihm endete die dynastische Linie, die mit Leovigild begonnen hatte.“302

6.5. Die Erfolge und Misserfolge der westgotischen Krone von Witterich bis Tulga (603–642)

Die Herrschaft der acht Könige – Witterich, Gundemar, Sisebut, Rekkared II., Suinthila, Sisenand, Chintila und Tulga galt als eine der stürmischeren Epochen des Tolosanischen Reiches auf der Pyrenäenhalbinsel. Im Zusammenhang mit dieser Zeit wird auch von dem „morbus Gothicus“ gesprochen, d.h. die Ermordungen, Rebellionen und Staatsstreiche des westgotischen Adels, welche die erbliche Thronfolge verletzen wollten. Die Blütezeit unter den Königen Leovigild und Rekkared I. wurde von der Zeit gefolgt, in der zwar bedeutsame Erfolge erreicht wurden, doch die Misserfolge verursachten den unvermeidlichen Verfall der Ideale der Regierung Leovigilds und Rekkareds, und die Kämpfe zwischen der Königsfamilie und den Adeligen haben diese Epoche geprägt. Der Aufstieg des Toledanischen Reiches gelang wieder den Königen Chindaswinth und Rekkeswinth, die auch zu den Repräsentanten der Bestrebungen nach der Stellung der Krone über die Macht der Aristokratie zählten.303 Die Entthronung Liuvas II. erfolgte nach der Rebellion des westgotischen Adeligen Witterich (603–610), eines Freundes des arianischen Bischofs Sunna, der seinen Vorgänger absetzte und sich um die Restauration des Arianismus bemühte, was ihm aber nicht gelang. Die Feldzüge gegen die Byzantiner im Süden Spaniens brachten ihm nur geringe Ergebnisse, obwohl sich Witterich der Stadt Sagunt bemächtigte. Von der Hochzeit seiner Tochter Ermeneberga mit Theuderich II., einem Frankenkönig, erwartete Witterich die Annäherung mit den Franken, jedoch sie wurde von dem fränkischen Hof

301 nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 71. nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de España visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 142. 302 COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 71. (Übersetzung der Verfasserin) „Con él terminó la línea dinástica que había comenzado con Leovigildo.” 303 nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de España visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 143.

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wieder nach Spanien geschickt. Die Aufregung des Königs war so groß, dass er sich an dem Frankenkönig rächen wollte, aber der Krieg fand nicht statt. Sein Schicksal war nach der Verschwörung der Priester mit dem Hofadel besiegelt; 610 wurde Witterich ermordet und hinter die Stadtmauer von Toledo begraben.304 Sein Nachfolger Gundemar war von 610 bis 612 an der Macht. Seine kurze Regierung war aber durch einen wichtigen Aspekt geprägt; dieser betraf die einberufene Provinzialsynode im Jahre 610, auf der die Hauptstadt Toledo zum Metropolitansitz der Provinz Carthaginiensis wurde. Noch unter der Herrschaft seines Vorgängers wurde Gundemar mit der Verwaltung der Provinz Septimanien betraut. In dem Konflikt zwischen den Teilen des Frakenreiches, Austrasien und Neustrien, schloss sich Gundemar an die Seite des austrasischen Königs Theudebert II. wieder gegen Theuderich II. Daneben unternahm er Feldzüge gegen die Byzantiner und Basken.305 Der Tod Gundemars machte Platz Sisebut (612–621) für die Nachfolge auf den Thron; er galt als einer der bekanntesten, hochgebildeten und empfindsamsten Könige der Westgoten, über dessen Nennung zum König sich der Hochadel einigte. In den unternommenen kriegerischen Aktionen feierte Sisebut nicht geringe Erfolge; er setzte die Feldzüge gegen den Norden der Iberischen Halbinsel fort, die er als Herzog mit dem vorigen Monarchen einleitete und an den auch Sisebuts Nachfolger Suinthila teilnahm. Es handelte sich um die Unterdrückung der rebellierenden Asturer. Wie seine Vorgänger hat auch Sisebut gegen die Byzantiner gekämpft und verdrängte sie im Süden Spaniens neben Málaga auch aus anderen Städten, die im ihren Besitz waren.306 In der Religionspolitik war Sisebut gegen die Juden ausgerichtet und traf einige Maßnahmen gegen sie; er zwang sie zur Taufe und denjenigen, welche sie ablehnen würden, drohte die Vertreibung aus dem Gebiet Hispaniens und Konfiskation ihrer Güter. Bereits von Rekkared I. wurden einige gegenjüdische Anordnungen erlassen, doch Sisebut war strenger und kompromisslos. Es wird angenommen, dass die Hälfte der Juden getauft

304 nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de España visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 144. nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 43, 44. [online]. [zit. am 2. April 2014]. Verfügbar über: 305 nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 73. 306 nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 73. nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de España visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 147. nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 45. [online]. [zit. am 2. April 2014]. Verfügbar über: nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 299.

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wurde, während die anderen ins Frankenreich weggingen. Dieses drastische Vorgehen im Sinne der Zwangstaufe wurde von den Bischöfen auf dem 4. Konzil von Toledo im Jahre 633 stark kritisiert und abgelehnt. Diejenigen, die von dem christlichen Glauben abgefallen sind, sollten ihn wieder annehmen, jedoch mit der Zwangstaufe der übrigen Juden stimmte Isidor von Sevilla nicht überein. Daneben fassten die Bischöfe den Beschluss, dass die Monarchie nicht mehr erblich sein wird und dass der neue König auf einer Versammlung gewählt wird.307 Isidor von Sevilla war eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des religiösen Lebens, „unter dessen Führung wurde die Kirche immer mehr politisiert und zu einem der entscheidenden Machtelemente in der westgotischen Monarchie gemacht.“308 Eine der Interessen Sisebuts war die literarische Tätigkeit; er selbst schrieb ein Gedicht, das an Isidor von Sevilla gerichtet wurde und ihn mit der Abfassung der wissenschaftlichen Abhandlung De natura Rerum beauftragte. Daneben war Isidor auch Autor eines enzyklopädischen Werkes Etymologiae, dessen Original er Sisebut schenkte.309 Rekkared II., Sohn Sisebuts und Thronfolger im Toledanischen Reich, regierte nach dem Tod seines Vaters im Jahre 621 nur einige Tage und in der Zeit seiner Krönung war er noch zu jung. Um die Nachfolgerschaft für Rekkared II. zu sichern, machte ihn Sisebut bereits unter seiner Herrschaft zum Mitregenten, doch die angestrebte Dynastiegründung schlug fehl, als Rekkared kurz nach seinem Vater starb.310 Die Nachfolge Rekkareds trat der erfolgreiche Feldherr Suinthila (621–631) an.

Er war im Stande mehr als die Monarchen des Toledanischen Reiches während ihrer hundertjährigen Herrschaft zu realisieren, d.h. die ganze Pyrenäenhalbinsel unter die Oberherrschaft der Westgoten zu einigen. Zuerst besiegte Suinthila die Basken und als erster Monarch in der Geschichte zwang er sie zur unbedingten Kapitulation. Danach verdrängte er definitiv die Byzantiner aus dem Süden des Landes, wodurch die Toledanische Monarchie ihre maximale historische Ausbreitung erreichte. Schließlich stieß der große Eroberer auf ein in damaliger Zeit gewöhnliches Hindernis; auf die partikulare Tendenz seines eigentlichen Hofadels. Als sich Suinthila bemühte, die Reform der Thronfolge durchzusetzen und seinem Sohn Ricimer den

307 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 111. nach CHALUPA, Jiří. Dějiny Španělska v datech. Praha: Libri, 2011. S. 42. 308 CHALUPA, Jiří. Dějiny Španělska v datech. Praha: Libri, 2011. S. 42. (Übersetzung der Verfasserin) 309 nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 74. 310 nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 75. nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 303.

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erblichen Königstitel sicherzustellen, erhoben sich die westgotischen Magnaten und setzten den König 631 ab. Drei Jahre später ist Suinthila gestorben.311

Als Reaktion auf die von Suinthila angestrebte Gründung seiner Dynastie verbündete sich 630 ein Mitglied der Aristokratie namens Sisenand mit den Franken mit Dagobert I. an der Spitze; sie haben die Stadt Zaragoza besetzt und zwangen den König Suinthila zum Rücktritt.312 Die fünfjährige Herrschaftszeit des zum König erhobenen Sisenand (631–636) kennzeichnete sich durch eine relative Ruhe. 633 ließ er den bereits erwähnten 4. Konzil von Toledo einberufen, wo seine Machtübernahme über das Toledanische Reich bestätigt wurde. 66 Bischöfe aus Spanien und Gallien versammelten sich in der von Sisenand gegründeten Kirche Santa Leocadia.313 Den in Toledo gestorbenen König Sisenand ersetzte 636 Chintila, der bis 639 an der Macht war. Während seiner Herrschaft berief Chintila zweimal das Konzil von Toledo ein; 636 fand das 5. Konzil von Toledo statt, auf dem acht von den neun Kanonen die freie Königswahl behandelten und dadurch konnte passieren, dass zu dem monarchischen Würdenträger ein Nichtgote wurde, der aber der Aristokratie angehören sollte. Die gefassten Beschlüsse dienten neben dem Schutz des Königs und seiner Familie auch zur Verhinderung des Raubes des königlichen Eigentums nach dem Tod des Monarchen.314 Das 6. Konzil von Toledo trat 638 zusammen und König Chintila „bestätigte wieder, dass alle Juden, die zum Christentum nicht konvertierten, des Königreiches verwiesen werden sollten und seine Nachfolger mussten sich eidlich verpflichten, dass sie den Judaismus nicht tolerieren werden.“315 Auf dem 6. Konzil von Toledo wollte Chintila seinem Sohn Tulga (639–642) die Krone sichern. In der Zeit seines Todes war Tulga noch jung, trotzdem wurde er durch eine Wahl zum König erhoben. Seine schwache und wenig autoritäre Herrschaft förderte jedoch bald die aristokratischen Verschwörungen, die seine Entthronung erstrebten; es kam zu

311 CHALUPA, Jiří. Dějiny Španělska v datech. Praha: Libri, 2011. S. 42. (Übersetzung der Verfasserin) 312 nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 76, 77. 313 nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de España visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 156. nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 305. 314 nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 52. [online]. [zit. am 3. April 2014]. Verfügbar über: nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 308. 315 BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 111. (Übersetzung der Verfasserin)

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einer offenen Rebellion, von Chindaswinth angeführt, dem es gelang, den König Chintila abzusetzen und in ein Kloster zu verbannen.316

6.6. Chindaswinth und Rekkeswinth und die Zeit der Restauration (642–672)

Das hohe Alter Chindaswinths, der 642 als Neunundsiebzigjähriger zur Macht nach einem Staatsstreich gegen Tulga gelang, war kein Hindernis für seine zukünftige erfolgreiche Herrschaftszeit im Toledanischen Reich. Die Zeitspane von 642 bis 672, also die Regierungen beider Könige, bedeutete eines der wichtigsten Momente des Toledanischen Reiches was die Verfassung betrifft. Chindaswinth (642–653) wendete eine unermüdliche Anstrengung zur Festigung der monarchischen Institution und zur „Unterdrückung des adeligen Partikularismus“317 auf. Eine reiche Quelle der Informationen über diese entscheidenden Jahre der hispano-westgotischen Geschichte stellt die Crónica Mozárabe des fränkischen Chronisten Pseudo-Fredegar dar. Chindaswinth, als einstiger Akteur und Teilnehmer an den zahlreichen Verschwörungen kannte den Mechanismus der Entstehung der Fraktionen, den der unzufriedene Adel benutzte, um seinen König zu entthronen. Um dies zu verhindern, traf der König einige Maßnahmen; beseitigte 200 mächtigen Männer des Hochadels und 500 Angehörigen des mittleren Ranges, dessen Frauen und Töchter er unter seinen Anhängern verteilte. Einige haben die Zuflucht im Frankenreich oder in Africa gefunden. Das Ergebnis dieser Tat war die Umgestaltung der Führungsschicht und der König befand sich jetzt von seinen „fideles“ umgeben, die sich ihm durch den Treueid verpflichteten.318 Das 7. von Chindaswinth einberufene Konzil von Toledo im Jahre 646 behandelte die Bestrafung der Taten der geistlichen und weltlichen Staatsfeinde und übernahm die gegen sie erlassenen Gesetze des Königs; den Verschwörern gegen den König und deren Mithelfern, sowie den Flüchtlingen drohte die Exkommunikation auch die Todesstrafe und

316 nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de España visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 161. 317 CHALUPA, Jiří. Dějiny Španělska v datech. Praha: Libri, 2011. S. 43. (Übersetzung der Verfasserin) 318 nach CHALUPA, Jiří. Dějiny Španělska v datech. Praha: Libri, 2011. S. 43. nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 80. nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de España visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 161. nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 54. [online]. [zit. am 3. April 2014]. Verfügbar über: nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 310, 311.

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Konfiskation der Besitztümer. Die bloße Planung wurde auch als Tat angesehen und die Amnestie für die Staatsfeinde kam nicht in Frage.319 Im Jahre 649 entschied sich Chindaswinth seinen Sohn Rekkeswinth zum Mitherrscher zu machen, um die Wahlrecht abzuerkennen und dadurch die Nachfolge Rekkeswinths zu sichern. Bei dieser Gelegenheit wurden die Münzen mit den Namen und Abbildungen beider Könige geprägt.320 Die Initiative wieder die Gesetze zu reformieren ergriff der König Chindaswinth, den Rekkeswinth dann weiter noch unterstützte und die Personalität des Rechtes im Westgotenkönigreich 654 abschaffte und den „Liber iudiciorum“ veröffentlichte. Dieses Gesetzbuch umfasste 99 von Chindaswinth und 87 von seinem Sohn Rekkeswinth erlassenen Gesetze. Rekkeswinth trat scharf gegen die Juden auf und die vom Christentum Abgefallenen sollten zu Tode gesteinigt oder verbrannt werden.321

Es handelte sich um einen Integrationsschritt, denn die Rechtsnormen des ‚Liber iudiciorum„ waren ohne Unterschied für alle Bewohner des Toledanischen Königreiches gültig. Die Ibero-römer und Westgoten sollten für das nächstemal vor dem Gesetz gleich werden, was aber die Situation in der politischen Praxis nicht änderte, da alle bedeutenden Ämter fast ausschließlich in Händen des westgotischen Adels blieben.322

Ohne größere Schwierigkeiten herrschte Chindaswinth und seiner Sohn Rekkeswinth bis zum Tod des ersteren im Jahre 653. Bereits in demselben Jahr wurde das Toledanische Reich und die Macht Rekkeswinths von den aufständischen Basken aus Aquitanien unter dem Anführer namens Froia bedroht. Die Rebellen drängten auf die Pyrenäenhalbinsel bis zu Zaragoza vor, jedoch die Revolte wurde bald niedergeschlagen. In der Folgezeit verwaltete Rekkeswinth die Iberische Halbinsel im relativen Frieden. Während seiner Regierung berief er 653 das 8. Konzil von Toledo, bei dem 9. Konzil von Toledo im Jahre 655 handelte es sich um eine Provinzialsynode und 656 das 10. Konzil von Toledo ein. König Chindaswinth verfeindete sich den Klerus durch die durchgesetzte Nachfolge Rekkeswinths, die seine getroffenen Maßnahmen gegen das Adel auf dem 8.

319 nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 83. 320 nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 81. 321 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 112, 371, 372. nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de España visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 161. 322 CHALUPA, Jiří. Dějiny Španělska v datech. Praha: Libri, 2011. S. 43. (Übersetzung der Verfasserin)

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Konzil von Toledo missbilligten, amnestierten die ins Ausland Geflohenen und bestätigten die Königswahl, die in der Stadt des Todes des gestorbenen Königs stattfinden sollte.323 Über die letzten Jahre der Regierung Rekkeswinths weiß man nicht viel. Es ist wahrscheinlich, dass er kriegerische Aktionen gegen die Basken und Kantabrer unternahm. Königin Recciberga, mit Rekkeswinth verheiratet, ist im Alter von 22 Jahren gestorben und nach dem Tod des Königs im Jahre 672 blieb die westgotische Krone ohne einen direkten Thronerben.324

6.7. Die Herrschaft des Königs Wamba (672–680) und die partikularen Tendenzen des westgotischen Hochadels

Die Nennung Wambas zum König des Toledanischen Reiches fand gleich am Tag des Todes Rekkeswinths, also am 1. September 672 in Gerticos westlich der Stadt Salamanca. Am 19. September erhielt er die Königssalbung in Toledo, was ein wichtiger Schritt im Prozess der Übertragung und Legitimation der Macht der Königsfamilie war und darüber hinaus die höchste Intervention der Kirche in die Königswahl darstellte.325

Wamba musste alle Kräfte und sein Können aufbieten, um das Toledanische Königreich zusammenzuhalten, das unter dem Druck der internen Streitigkeiten und militärischen Konflikte noch intensiver verfiel. Der Adel kämpfte gegen die Zentralgewalt des Königs, die Magnaten trugen ihre ewig verlaufenen Streitigkeiten unter sich aus, die Katholiken griffen die gebliebenen Arianer an und die hispanische Bevölkerung erhob sich fast regelmäßig gegen die westgotischen Herren. Im Norden erhoben sich die Basken, die muslimischen Berber planten 672 den Süden Spaniens (Algeciras) anzugreifen.326

Seinen ersten und zugleich erfolgreichen Feldzug unternahm Wamba gegen die revoltierten Basken auf dem Gebiet der heutigen Provinz La Rioja im Norden Spaniens. Unmittelbar darauf bekam der König die Nachricht über die Verschwörung der Adeligen in Septimanien, die von dem Grafen Hilderich von Nîmes angezettelt wurde und dem der

323 nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 87, 88. nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de España visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 165, 166. nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 59. [online]. [zit. am 4. April 2014]. Verfügbar über: 324 nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de España visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 169. 325 nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 91. nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de España visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 171. 326 CHALUPA, Jiří. Dějiny Španělska v datech. Praha: Libri, 2011. S. 43, 44. (Übersetzung der Verfasserin)

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Bischof von Melgueil und Abt Ramiro Beistand leisteten; Herzog Paulus, den Wamba als Heerführer mit deren Unterdrückung beauftragte, verbündete sich mit den Konspiranten und die Rebellion flackerte erneut auf. Die Franken intervenierten in diesem westgotischen Kampf zu Gunsten des Anführers Paulus. Er ließ sich in Narbonne zum König machen und erstrebte einen Vertrag mit Wamba zu schließen, in dem es zur Reichsteilung kam und Paulus wurde zum König in Septimanien und Tarraconensis ernannt. Dies lehnte Wamba energisch ab und schlug den Aufstand nieder. Diese und noch mehrere Informationen über seine Regierung erfahren wir aus der Historia Wambae regis des Metropoliten Julian von Toledo.327 Wamba war sich der Schwächung der Zentralmacht trotz des erreichten Erfolgs gegen Paulus und des wachsenden Strebens der lokalen Adeligen nach der Unabhängigkeit bewusst. Die Streitigkeiten zwischen den Adeligen und der Königsmacht haben die Integrität des Staates verletzt. Wamba wollte die Wehrpflicht auch für die Geistlichen einführen, um die Armee zu stärken.328

Auf dem Königshof in Toledo herrschte die Atmosphäre der manchmal gar bizarren Intrigen, worauf auch das Ende des Königs Wamba hindeutete. Im Jahre 680 wurde er von einer Gruppe der Adeligen und Priester unter der Führung des Herzogs Paulus entführt, von einem Gift betäubt und tonsuriert. Sie zwangen ihn zum Rücktritt. Wamba ging danach ins Kloster San Vicente in der Nähe der Stadt Burgos, wo er um 683 gestorben ist.329

6.8. Die Könige Erwig, Egica und die verfallene westgotische Monarchie auf der Pyrenäenhalbinsel

Die Salbung empfing der zum König erhobene Erwig von dem Metropoliten Julian von Toledo im Jahre 680; über seine Herkunft und diesem Akt erfahren wir vieles in der asturischen Chronik Crónica de Alfonso III. Der Vater Erwigs hieß Arbadastus, der aus dem Oströmerreich nach Hispanien kam und von dem König Chindaswinth gut aufgenommen und angeblich mit seiner Nichte verheiratet wurde; dadurch entstand die Verwandtschaft mit der Königsfamilie und Erwig wurde zum Vetter Rekkeswinths.330

327 nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 92, 93. nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de España visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 171, 172. 328 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 110. nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de España visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 172. 329 CHALUPA, Jiří. Dějiny Španělska v datech. Praha: Libri, 2011. S. 44. (Übersetzung der Verfasserin) 330 nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 102.

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Erwig wollte seine Angelegenheiten im Toledanischen Reich wie seine Vorgänger, die sich mit dem Deckmantel der Religion bedeckt haben, sichern und ließ 681 das 12. Konzil von Toledo einberufen, auf dem die höhere Stellung der Metropoliten von Toledo über die übrigen Metropoliten bestätigt wurde. Er beanspruchte die Anerkennung der legitimen Nachfolge, Aufhebung des Gesetzes Wambas zur Bestrafung der militärischen Deserteure und Adeligen, die ihm nicht folgten und Annahme der von ihm erlassenen Gesetze gegen die Juden; der geringste Ausdruck der jüdischen Bräuche wurde verboten, was sich eben auf das Essen bezog. Die Veröffentlichung der Neufassung des Gesetzbuches aus dem Jahr 681 konnte als ein Zeichen der Unruhe seitens der westgotischen Krone verstanden werden. Die Verletzung der Wehrdienstpflicht wurde hart bestraft; den Großteil der westgotischen Armee bildeten die Sklaven. Das 13. Konzil von Toledo, von König Erwig einberufen, tagte 683. Ein nicht geringer Einfluss des Oppositionsadels auf die gefassten Beschlüsse hat die Position des König geschwächt; die Rebellen und Verschwörer des Herzogs Paulus wurden amnestiert und dessen konfiszierte Güter zurückgegeben. Von großer Bedeutung war ein Beschluss, der die Absetzung, Verhaftung, Folterung und Enteignung der Bischöfe und Adeligen verbot. Der fünfte Konzilsakt behandelte die Freiheit der Königin nach dem Tod des Königs, die zur nächsten Heirat nicht gezwungen werden durfte. Die schwache Politik des Königs Erwig konnte die großen Taten Chindaswinths und Wambas nicht fortsetzen.331 Erwig verheiratete seine Tochter mit einem Verwandten Wambas namens Egica (687–700), dem 687 nach der Abdankung des tödlich erkrankten Königs die Krone des Toledanischen Reiches aufgesetzt wurde. Die Herrschaft Egicas kennzeichnete sich durch die Versuche, seine Position und die der Königsfamilie zu stärken und darum griff er zu radikalen Maßnahmen, indem er die politische Säuberung unter der westgotischen Aristokratie und deren Konfiskationen durchführte. 688, ein Jahr nach seiner Erhebung zum König, berief Egica das 15. Konzil von Toledo ein; dem gestorbenen König Erwig schwor Egica, dass er seiner Familie Schutz gewähren und die Gerechtigkeit unter seinen Untertannen fördern wird. Dies stand in Widerspruch zu der zeitgenössischen Situation, da die Königsfamilie das konfiszierte Vermögen besaß und Egica forderte von den nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 70, 71. [online]. [zit. am 5. April 2014]. Verfügbar über: 331 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 112. nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 103, 104. nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 70–72. [online]. [zit. am 5. April 2014]. Verfügbar über:

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versammelten Bischöfen die Entbindung des Schwures, in dem die persönlichen Interessen der Königsfamilie vor die Gerechtigkeit gestellt wurden.332 692 kam es zu einer Verschwörung, an der sich der Nachfolger Julians von Toledo, der Metropolit Sisibert und die Witwe des Königs Erwig beteiligte. Sobald die Nachricht über die vorbereitete Konspiration zu Egica kam, nahm er Sisibert und seine Komplizen in Haft. 693 fand das 16. Konzil von Toledo statt, das der König unmittelbar nach der Verschwörung einberufen ließ, und Sisibert wurde seines Amtes enthoben. Das Konzil bestätigte das gegen die Juden erlassene Gesetz, das ihnen die Steuern auferlegte, um den Glaubenwechsel zu fördern. Die antisemitische Welle hat sich nach der Pestepidemie noch mehr verstärkt und die Juden wurden nach den Beschlüssen des 17. Konzils von Toledo im Jahre 694 versklavt, ihr Besitz enteignet und ihre Kinder in den Klöstern oder christlichen Familien erzogen. Dadurch bestrafte Egica die Juden, die sich mit ihren Glaubgenossen aus Nordafrika gegen die Westgoten verbündeten und die Verschwörung angezettelt haben; die Angst vor den Arabern war spürbar.333

6.9. Die letzten Jahre des Toledanischen Reiches auf der Pyrenäenhalbinsel und die muslimische Invasion (700–711)

König Egica machte 694 seinen Sohn Witiza zum Mitregenten und Verwalter der Provinz Galizien mit der Residenz in der Stadt Tui und nach der Königssalbung im Jahre 700 übernahm Witiza faktisch die Macht und Verwaltung über das ganze Toledanische Reich; Egica starb 702, zwei Jahre nach der Nennung seines Sohns. Es wird angegeben, dass Witiza die Königssalbung erst mit vierzehn Jahren empfing. Als Quellen über seinen Herrschaftsantritt dient uns die Chronica Regum Visigothorum, die uns die Nachrichten über die Salbung Witizas gibt und ferner die Crónica Mozárabe, die 754 verfasst wurde. Laut dem Chronisten des letztgenannten Werkes rehabilitierte Witiza diejenigen, die von seinem Vater geschädigt und ins Exil getrieben wurden und erteilte ihnen die Genehmigung zur Rückkehr in das Toledanische Königsreich. Das konfiszierte Eigentum

332 nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de España visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 181, 182. nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 73. [online]. [zit. am 5. April 2014]. Verfügbar über: 333 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 112. nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 73, 74. [online]. [zit. am 5. April 2014]. Verfügbar über:

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und das Staatsvermögen, das Egica für eigenes einnahm, gab der König zurück und seine betriebene Versöhnungspolitik machte sich um die Friedenszeit seiner Herrschaft verdient; er hielt an der strikten Unterscheidung zwischen dem Besitz des Königreiches und des Trägers der Krone fest.334 So wie seine Vorgänger berief Witiza 702 das 18. Konzil von Toledo ein, dessen Akten aber verloren sind; dies konnte in Zusammenhang mit der Missbilligung der Beschlüsse für ihren umstrittenen und heterodoxen Charakter seitens der Kleriker stehen. Die Kenntnisse der politischen Situation am Anfang der Herrschaft Witizas werden dadurch sehr begrenzt und sein Schicksal blieb uns fast unbekannt.335 Einer der Beweggründe für die Erlassung der neuen militärischen Gesetze noch unter der Herrschaft Egicas waren die sich seit einiger Zeit ändernden Bedingungen in der damaligen Provinz Mauretania Tingitana im Norden Afrikas; die islamische Expansion der Araber auf dem Gebiet des Byzantinischen Reiches war sehr erfolgreich und bis 698 verloren die Byzantiner Damaskus, Jerusalem, Ägypten, Alexandria und Karthago. Unter den wichtigen Stämmen in Nordafrika fanden die Araber viele Verbündeten und unternahmen zahlreiche Raubüberfälle. Im Jahre 681 wurde zum Statthalter Uqba, dessen Hauptaufgabe die Sicherung der fortschreitenden Eroberung war.336

710 starb der Westgotenkönig Witiza. Nach seiner Beerdigung spaltete sich der westgotische Hochadel, wie gewöhnlich, in zwei unversöhnliche Lager und der Bürgerkrieg brach aus, da die Söhne Witizas ablehnten, dem zum König erhobenen Roderich das Treueid zu schwören. Den traditionellen Verlauf des Konflikts brach ein neues Element, als die verlierenden Anhänger Witizas die Muslime aus Nordafrika um Beistand baten. Es handelte sich um den letzen Krieg um die Krone des Toledanischen Reiches, das nach einigen Monaten zerfiel und der Aufstieg des Islams beendete rasch und rasant die germanische Phase der spanischen Geschichte.337

Das letzte Jahr der Regierungszeit Witizas, er erreichte das Alter von 25 Jahren, war durch Bürgerkrieg, Konspirationen und gewaltsame Auseinandersetzung in den Reihen der höchsten westgotischen Elite gekennzeichnet und das Toledanische Königreich befand sich in einer tiefen Krise, die für das Überleben der Westgoten fatal wurde. Herzog

334 nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 109, 112, 113. nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 75–77. [online]. [zit. am 6. April 2014]. Verfügbar über: 335 nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 111, 113. 336 nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 329, 330. 337 CHALUPA, Jiří. Dějiny Španělska v datech. Praha: Libri, 2011. S. 44. (Übersetzung der Verfasserin)

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Roderich von Baetica (710–711) gelang an die Macht nach dem Tod von Witiza dank der Zustimmung der Mitglieder der höchsten westgotischen Aristokratie und des Klerus, obwohl sein Vorgänger drei Söhne hinterließ. Die Angaben über die historischen Ereignisse jener Zeit, die Reihenfolge der Könige Roderich und Agila II. (angeblich ein Sohn Witizas) und deren Regierungszeit gehen auseinander; die Nachfolge zweier Könige, welche die unterschiedlichen Teilen des Reiches verwalteten, lehnen manche Historiker ab, während dies von den anderen als Faktum akzeptiert wird. Agila II. herrschte angeblich in Tarraconensis und Septimanien, wofür die geprägten Münzen sprechen, die in Narbonne, Tarragona, Girona und Zaragoza gefunden wurden.338 In der Crónica de Alfonso III. wird zu einem Protagonisten der Königsfamilie Witizas der Bischof von Toledo namens Oppa, in einigen Quellen als sein Sohn in anderen als sein Bruder angeführt, der in den Kampf gegen Roderich ging und sich später auf die Seite der Araber gegen den berühmten Gründer des asturischen Reiches Pelayo stellte. In Zusammenhang mit der muslimischen Eroberung der Iberischen Halbinsel im Jahre 711 wird die Legende von dem Grafen und byzantinischen Befehlshaber in der Stadt Ceuta an der nordafrikanischen Küste namens Julianus erzählt, der als ein westgotischer Verbündete gegen die Araber handeln sollte. König Roderich hat angeblich die Tochter Julianus‟ schlecht behandelt, wofür sich der Statthalter von Ceuta rächen wollte und darum den Muslimen den Vormarsch ermöglichte. Diese Legende wird aber von den Forschern für unglaubwürdig gehalten.339 Juan Rubio Ortega führt an, dass der Anlass für die Araber die Iberische Halbinsel zu erobern, die von Roderich erlittene Niederlage der Anhänger Witizas war, dessen Anführer getötet wurde. Die Söhne Witizas wurden entthront und verfolgt, flohen nach Afrika jedoch resignierten nicht und forderten die Intervention der Araber.340 Am 28. April 711, nachdem die berberischen Streitkräfte mit ungefähr 7.000 Mann unter dem Feldherr Tāriq ibn Ziyād über die Straße von Gibraltar übergesetzt worden waren, konnte die Expansion der arabischen Eroberer von Algeciras beginnen. Roderich,

338 nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 114, 133. nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 81. [online]. [zit. am 6. April 2014]. Verfügbar über: nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 332. 339 nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 332, 333. 340 nach ORTEGA RUBIO, Juan. Los Visigodos en España. Madrid: La imprenta de los hijos de M. G. Hernández, 1903. S. 82. [online]. [zit. am 7. April 2014]. Verfügbar über:

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der im Norden gegen die Basken kämpfte, wandte sich den Arabern im Süden zu, wo er aber keine Aussicht auf Erfolg hatte. Die Westgoten unter Roderich und die Truppen Tāriqs, von den Getreuen Witizas unterstützt, führten die Schlacht am Río Guadalete, die acht Tage im Juli 711 dauerte und mit der vernichtenden Niederlage der Westgoten endete. Tāriq setzte den Feldzug in nördlicher Richtung zur Stadt Córdoba fort, wo sich ihm die unzufriedenen westgotischen Untertannen angeschlossen haben, bis er die Hauptstadt Toledo gelangte und zusammen mit dem westgotischen Verräter Oppa eroberte.341 712 ergriff der arabische Statthalter und Heerführer Musa ibn Nusair die Initiative; er nahm Mérida und andere Städte der Provinz Lusitania ein, richtete sich auf den Norden zu und eroberte Astorga, León, Pamplona, Zaragoza und Navarra. Nach dem Pyrenäenübergang bemächtigte er sich auch Septimanien. Die Widerrufung Musas nach Damaskus wirkte hemmend auf die Fortentwicklung der islamischen Eroberung der Pyrenäenhalbinsel. Es bot Gelegenheit den Getreuen Roderichs, die auf dem Gebiet der heutigen Katalonien das Land wiederzugewinnen erstrebten und Agila II. (711–714) zur Thronbesteigung verhalfen, dessen letzter westgotischer Nachfolger Ardo (714–721) hieß. Die Westgoten widerstanden den Eroberern bis 719 in Tarraconensis und bis 725 in Septimanien, doch diese gelangten nie in das gebirgige Gebiet Asturiens im Norden der Iberischen Halbinsel, von wo nach der erfolgreichen Niederlage der Muslimen von Pelayo in der Schlacht von Covadonga 722 die sogenannte „Reconquista“, also die Wiedereroberung Spaniens durch die Christen begann.342

341 nach COLLINS, Roger. La España Visigoda, 409-711. Barcelona: Crítica, 2005. S. 136, 137. nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de España visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 188, 189. nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 334, 335. 342 nach BARTOŠ, Lubomír. Dějiny a kultura Španělska. 2. vyd. Brno: Masarykova univerzita, 1998. S. 38, 39. nach GARCÍA MORENO, Luis A. Historia de España visigoda. Madrid: Cátedra, 1989. S. 190. nach SANZ SERRANO, Rosa. Historia de los Godos: una epopeya histórica de Escandinavia a Toledo. 1. Auflage. Madrid: La Esfera de los Libros, 2009. S. 335.

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7. Die Schriftkultur und die Sprache der Germanen

7.1. Runen

Das germanische Schriftzeichen wird als Rune bezeichnet, was soviel wie ‚Geheimnis„ bedeutet und sprachlich mit unserem ‚raunen„ verwandt ist; wir werden noch sehen, wie damit auch der besondere Charakter der germanischen Zeichen sinnfällig zum Ausdruck gebracht wurde. Die ersten germanischen Runen treten auf Fibeln und Lanzeblättern des 2. Jh. auf, in größerer Zahl aber erst in der Wikingerzeit, der rund 4/5 aller bekannt gewordenen Runeninschriften angehören. So haben sich vor allem die Nordgermanen der Runen bedient, denn von den uns bekannten 5.000 Runendenkmalen befinden sich allein 3.000 auf schwedischem Boden. Sogar noch im 19. Jh. sind Runen in der schwedischen Landschaft Dalarna geschrieben worden.343

Die Ansichten der Forscher über die Entstehung und Entwicklung der Runenschrift sind nicht einheitlich. Einige hielten sie für die ursprünglichste Schrift, andere sahen ihre Vorlage in der griechischen, lateinischen oder semitischen Alphabet und es fehlt auch nicht die Meinung, dass die Runenschrift von den Germanen selbst herausgefunden wurde. Das aus 24 Lautzeichen bestehende germanische Runenalphabet, das nach den ersten 6 Buchstaben als „Futhark“ benannt wurde, diente der kultischen Zwecken statt in der Alltagssprache gebraucht zu werden und die einzelnen Runen konnten zur Darstellung der Ideen oder Vorstellungen, sowie als magische Zeichen verwendet werden.344 „Für die Übernahme und den Aufbau des germanischen Runenalphabetes hat man ursprünglich die Cimbern verantwortlich zu machen gedacht. Nach ihrer vernichtenden Niederlage waren sie aber kulturell und politisch so bedeutungslos, dass sich nicht in Frage kommen.“345 Die nächsten möglichen Urheber könnten die Markomannen sein, jedoch die Runeninschriften wurden bei ihnen nicht festgestellt. „Im Laufe des 1. und 2. Jh. müssen jedenfalls andere germanische Stämme das Runenalphabet kennengelernt haben.“346 Mit den Runen, die nach den Tieren, Pflanzen, Göttern oder Naturerscheinungen benannt wurden und manche daneben das Eigentum bezeichneten, kommen wir in Kontakt in einigen kurzen Inschriften, die sich auf Schmuck, Spangen, Kämmen,

343 SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 195. 344 nach HOOPS, Johannes. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. 4. Band. 1. Auflage. K. J. Trübner, Straßburg 1911–1919. S. 5. [online]. [zit. am 11. April 2014]. Verfügbar über: nach SCHMIDT, Wilhelm. Geschichte der deutschen Sprache. Ein Lehrbuch für das germanistische Studium. 10. Auflage. Stuttgart: S. Hirzel Verlag, 2007. 41, 42. 345 SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 195. 346 Ebd. S. 195.

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Brakteaten, Amuletten, sowie Waffen, Speerspitzen und auf den bei den Nordgermanen vorkommenden Bautasteinen befanden, die sie zum Gedenken der Verstorben errichteten. Man hat die Inschriften also in Stein, Metall, Knochen und Ton geritzt sowie in Holz geschnitten.347

Die frühesten nordischen Runeninschriften ergaben die dänischen Moorfunde. Die ältesten davon (Vimose und Torsberg) setzen die schwedischen Archäologen bis spätestens ca. 250 bis 300 n. Chr. an, die jüngeren (Nydam und Kragehul) bis spätestens ca. 375 und 400. Dänische Archäologen halten sie dagegen für jünger: diese setzen sie bis ins vierte und fünfte, teilweise bis ins sechste Jahrhundert.348

Die Inschriften waren kurz und wurden meistens mit einem einzigen oder wenigen Wörtern gebildet, die trotz ihrer Kürze den Trägern solcher Gegenstände magische Kraft zusagten. Die Ausnahme stellt der 4 m hohe Runenstein von Rök in Schweden dar, dessen Inschrift mit 770 Runenzeichen zu den längsten seiner Art zählt. Die Germanen hielten die Runen für geheimnisvoll; einige bezeichneten das Eigentum, während andere mit den Göttern, übernatürlichen Kräften und Mächten verbunden waren.349 Fundorte der Runen sind im Gebiet von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer verstreut, das von den Ostgermanen besiedelt wurde; es handelt sich u.a. um den Goldring von Pietroasa in Rumänien und das Speerblatt von Kovel aus der ukrainischen Landschaft Wolhynien.350 „Unter den ältesten Inschriften muss übrigens die auf dem einen der mächtigen Goldhörner von Gallehus in derselben Provinz erwähnt werden (um 425 n. Chr.).“351

Nur etwa 1000 Inschriften stammen aus der Zeit des 2. bis 7. Jh., während die restlichen 4000 Inschriften der nordischen Wikingerzeit un dem hohen Mittelalter angehören… Die beiden verschieden datierten Gruppen von Inschriften unterscheiden sich auch sprachlich: Die älteren gehören dem Urgermanischen (Urnordischen), die jüngeren dem Altnordischen mit seinen

347 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 197. 348 nach HOOPS, Johannes. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. 4. Band. 1. Auflage. K. J. Trübner, Straßburg 1911–1919. S. 6. [online]. [zit. am 11. April 2014]. Verfügbar über: 349 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 197. 350 nach HOOPS, Johannes. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. 4. Band. 1. Auflage. K. J. Trübner, Straßburg 1911–1919. S. 6. [online]. [zit. am 11. April 2014]. Verfügbar über: 351 Ebd. S. 6.

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verschiedenen Dialekten an. Die jüngeren Runeninschriften waren keinesfalls nur ‚heidnische„ Sprüche, sondern enthielten auch christliche Gedanken und Vorstellungen. … Als das erste Runenzeugnis einer bescheidenden Volksdichtung kann der Spruch auf einem Wetzstein von Strøm/Norwegen (um 600) angesehen werden, der in seinem Rhythmus so ganz dem Wetzen einer Sense entspricht…352

7.2. Germanische Sprachen

Die erste (germanische) Lautverschiebung (ungefähr zwischen 1000–400 v. Chr., noch vor der Kontaktaufnahme mit den Römern, deren Ursache blieb unklar), die erstmals 1822 von Jakob Grimm beschrieben wurde, signalisiert die Trennung der germanischen Sprachen von der indoeuropäischen Sprachfamilie und damit auch die Veränderungen im Konsonantismus, welche die ie. Verschlusslaute betrafen (die stimmlosen Verschlusslaute/Tenues:[p], [t], [k], die stimmhaften/Mediae: [b], [d], [g]); es handelt sich also um den Übergang von dem indoeuropäischen zum germanischen System der Konsonanten.353 „Abgesehen von tw. noch älteren Runeninschriften ist die früheste alphabetschriftlich überlieferte germanische Sprache das (ausgestorbene) Gotische (aus dem 4. – 6. Jh.).“354 Wie bereits erwähnt wurde, werden die germanischen Sprachen in West-, Nord- und Ostgermanisch eingeteilt. Westgermanische Sprachen: Englisch, Deutsch, Letzeburgisch, Jiddisch, Niederdeutsch, Niederländisch, Afrikaans, Friesisch; nordgermanische Sprachen: Isländisch, Norwegisch, Schwedisch, Dänisch, Färöisch; ostgermanische Sprachen: Gotisch, Gepidisch, Burgundisch, Vandalisch; im Fall der vier letztgenannten handelt es sich um gegenwärtig ausgestorbene Sprachen.355

Aus dem Idg. haben sich offensichtlich infolge räumlicher Trennung einerseits und Berührung und Vermischung mit anderen Sprachen und Kulturen andererseits und natürlich auch aufgrund der

352 SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 198. 353 nach MASAŘÍK, Zdeněk a Vlastimil BROM. Historische Entwicklung des Deutschen: Übersichtstabellen - Kommentare - Textproben. 1. vyd. Brno: Masarykova univerzita v Brně, 2005. S. 32. nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 200. 354 SCHMIDT, Wilhelm. Geschichte der deutschen Sprache. Ein Lehrbuch für das germanistische Studium. 10. Auflage. Stuttgart: S. Hirzel Verlag, 2007. S. 26. 355 nach MASAŘÍK, Zdeněk a Vlastimil BROM. Historische Entwicklung des Deutschen: Übersichtstabellen - Kommentare - Textproben. 1. vyd. Brno: Masarykova univerzita v Brně, 2005. S. 9. SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 200.

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eigenen inneren Sprachentwicklung in einem langen Prozess verschiedene Sprachen herausgebildet, darunter das Germanische, dessen Herauslösung aus dem bereits in sich differenzierten Idg. um die Mitte des 1. Jahrtausends vor der Zeitenwende abgeschlossen war. … Der hier skizzierte Differenzierungsprozess kann aus anderer Sicht gleichzeitig als Integrationsprozess betrachtet werden, denn die Ausgliederung des Urgerm. aus dem Idg. und die Entstehung der einzelnen germ. Sprachen ist der sprachliche Niederschlag dessen, dass sich im 1. Jahrtausend v Chr. und in den ersten Jhh. n. Chr. in dem Raum rund um die westliche Ostsee, zwischen Oder und Elbe, in Jütland und auf den dänischen Inseln sowie in verschiedenen Einzelgebieten engere Verkehrsgemeinschaften integriert haben, zwischen denen sich wiederum auf dem Wege der Differenzierung sprachliche Besonderheiten unterschiedlichen Grades entwickelt haben.356

Die fremden Sprachen übten bei diesem Prozess den Einfluss auf die wandernden Germanen, hauptsächlich auf die Goten. Neben den Runeninschriften zählen die germanischen Lehnwörter in den Sprachen deren Nachbarn, vor allem im Finnischen und daneben auch im Lateinischen, zu den wichtigen Quellen der germanischen Sprachzeugnisse; finnisch rengas mit der Bedeutung Ring aus dem Germanischen hrengaz (got. hriggs), die römischen Autoren bedienten sich der Germanismen wie zum Beispiel brācas zur Benennung der Hose.357 Die Unterschiede, die das Germanische im Vergleich zum Indogermanischen mit sich brachte, bestehen u.a. in Lautstand, Akzent, Flexion und Wortschatz. Was die Laute betrifft, waren von besonderer Bedeutung die erste (germanische) Lautverschiebung neben dem Vernerschen Gesetz und dem Grammatischen Wechsel. Dieses nach dem dänischen Sprachwissenschaftler Karl Verner genanntes Gesetz betrifft die in der ersten Lautverschiebung entstandenen und bis jetzt noch nicht erklärten verbliebenen Ausnahmen, und zwar die Sonorisierung der entstandenen stimmlosen inlautenden Spiranten „f, þ, χ, s“, „wenn der ie. Wortakzent nicht auf der unmittelbar vorausgehenden Silbe lag.“358; ein Beispiel dafür ist das Wort Vater ie. *pətēr, lat. pater, got. fađar, got. fadar, ahd. vater, etwa im Gegensatz zu Bruder ie. *bhrāter, lat. frāter, got. brōþar, ahd. bruoder. Jacob Grimm bezeichnete diesen Wechsel der stimmlosen und stimmhaften Laute als grammatischen Wechsel. Einer der nächsten Unterschiede stellte die Festlegung des im Ie. freien Akzents auf die erste Silbe (Stammsilbe), das Verschwinden des Duals

356 SCHMIDT, Wilhelm. Geschichte der deutschen Sprache. Ein Lehrbuch für das germanistische Studium. 10. Auflage. Stuttgart: S. Hirzel Verlag, 2007. S. 6. 357 nach SCHMIDT, Wilhelm. Geschichte der deutschen Sprache. Ein Lehrbuch für das germanistische Studium. 10. Auflage. Stuttgart: S. Hirzel Verlag, 2007. S. 6, 40. 358 MASAŘÍK, Zdeněk a Vlastimil BROM. Historische Entwicklung des Deutschen: Übersichtstabellen - Kommentare - Textproben. 1. vyd. Brno: Masarykova univerzita v Brně, 2005. S. 34.

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(Zweizahlform), des Ablativs, Lokativs, wobei Vokativ (als Anrede) und Instrumental, der Reihefolge nach, mit dem Nominativ und Dativ zusammenfielen, Reduzierung der germanischen synthetischen Tempusformen auf Präsens und Präteritum, der systematische Ausbau des Ablauts bei den starken Verben, die Entstehung der schwachen Verben und der Ausbau einer schwachen Deklination der Adjektive. Im Gebiet des ererbten idg. Wortschatzes kam es zur Bereicherung durch Neubildungen in einigen Lebensbereichen (z.B. Hengst, Schaf, Lamm, Fleisch, Speck, Leder, Säge, Sache, Friede, Bogen, ringen, zwingen usw.). Eine Reihe der Entlehnungen stammt aus dem Keltischen; „für rechtliche und gesellschaftliche Institutionen hat das Germ. auffallend viele Bezeichnungen (Bedeutungen) aus dem Kelt. entlehnt“359, z.B. Geisel, Eid, Reich, Amt und die Ortsnamen wie Donau, Main, Rhein sind eben aus dem Keltischen abzuleiten.360

Germanische Erbwörter stellen den Grundbestand des gotischen Wortschatzes (z.B. got. fimf „fünf“, handus „Hand“, raíhts „richtig“). Die beiden wichtigsten Kultursprachen, mit denen das Gotische in Südosteuropa in Kontakt stand, waren das Lateinische und Griechische, die den aus den Bibeltexten bekannten Wortschatz der gotischen Schriftsprache bereichert haben. Die gotischen Texte sind in einer besonderen Schriftart, der sog. „westgotischen“, geschrieben. Diese Schriftart ist abgeleitet von der im 4. Jh. gebräuchlichen griechischen Unzialschrift und enthält einige Sonderzeichen aus dem lateinischen Alphabet und auch aus der Runenschrift.361

Über das Urgermanisch (Gemeingermanisch) kann nach der Völkerwanderung nicht die Rede sein und ein Zeugnis dafür sind die schriftlichen Überlieferungen, welche die abgegrenzten Stammessprachen belegen. Die geographische Einteilung der germanischen Stämme sieht folglich aus: Ost-, Nord-, Nordsee- und Südgermanen, wobei die zwei letztgenannten die Gruppe der Westgermanen bilden. Den Ostgermanen gehören die Goten (Westgoten, Ostgoten), Burgunder und Vandalen an; die nordgermanische Gruppe der Schweden beweist Tacitus unter der Benennung Sviones, während die Dänen man erst im 6. Jh. erwähnt. Das Altnordische, als eine der nordgermanischen Sprachen, ist von großer Bedeutung, das „nicht nur in den (seit dem 4 Jh.) überlieferten Runendenkmälern, sondern auch noch in der erst nach 1000 u. Z. entstandenen Literatur

359 SCHMIDT, Wilhelm. Geschichte der deutschen Sprache. Ein Lehrbuch für das germanistische Studium. 10. Auflage. Stuttgart: S. Hirzel Verlag, 2007. S. 50. 360 nach MASAŘÍK, Zdeněk a Vlastimil BROM. Historische Entwicklung des Deutschen: Übersichtstabellen - Kommentare - Textproben. 1. vyd. Brno: Masarykova univerzita v Brně, 2005. S. 34, 35. nach SCHMIDT, Wilhelm. Geschichte der deutschen Sprache. Ein Lehrbuch für das germanistische Studium. 10. Auflage. Stuttgart: S. Hirzel Verlag, 2007. S. 42, 46–50. 361 HAARMANN, Harald. Gotisch. S. 172. [online]. [zit. am 14. April 2014]. Verfügbar über:

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Islands (Edda) eine archaische Stufe des Germanischen darstellt (ähnlich wie das Gotische).“362 Zu den Nordseegermanen, Ingwäonen, zählen die Angeln, Sachsen, Jüten und Friesen. Der Terminus Südgermanen steht für die Weser-Rhein-Germanen (Istwäonen), zu denen die Chatten und Franken zählen, und Elbgermanen (Herminonen), welche die Stämme der Sueben, Alemannen, Hermunduren, Langobarden und Baiern einbeziehen.363

Die Herausbildung unserer deutschen Sprache beginnt nach dem Abschluss der Völkerwanderung mit dem Sesshaftwerden der Stammesverbände und Völkerschaften. Der Zeitraum, in dem sich die älteste Stufe des Deutschen herausbildete, wird als althochdeutsch bezeichnet. Die wichtigsten Stammessprachen, aus denen das Deutsche allmählich entstand, waren das Fränkische, das Bairische, das Alemannische und das Sächsische (in Niedersachsen zwischen unterer Elbe und Niederrhein, Nordsee und Harz).364

7.3. Gotische Literatur

„In den ersten drei Jahrhunderten u. Z. hatten die Goten praktisch keine Literatur.“365 Unsere Kenntnisse über die gotische Sprache, die erst seit der zweiten Hälfte des 4. Jh. als die Sprache der Literatur zu existieren begann, sind ziemlich begrenzt, da wir nur auf eine kleine Menge der schriftlich fixierten literarischen Belege angewiesen sind. Die ältesten überlieferten Sprachdenkmäler und Zeugnisse der gotischen Literatur kann man in vier Bereiche gliedern; es ist die Dichtung, dann die veröffentlichen Gesetze, die Bibelübersetzung Wulfilas, welche die Grundlage zur Entstehung der Handschriften zwischen 6. und 8. Jh. Zeit namentlich des Codex Argenteus, Codex Gissensis, Codex Carolinus, Codices Ambrosiani A–E und Codex Vaticanus Latinus 5750 legte und die letzte Abteilung bilden die restlichen literarischen Tätigkeiten, wie z.B. Skeireins und das Fragment eines gotischen Kalenders.366

362 SCHMIDT, Wilhelm. Geschichte der deutschen Sprache. Ein Lehrbuch für das germanistische Studium. 10. Auflage. Stuttgart: S. Hirzel Verlag, 2007. S. 54. 363 nach SCHMIDT, Wilhelm. Geschichte der deutschen Sprache. Ein Lehrbuch für das germanistische Studium. 10. Auflage. Stuttgart: S. Hirzel Verlag, 2007. S. 51–57. 364 SCHMIDT, Wilhelm. Geschichte der deutschen Sprache. Ein Lehrbuch für das germanistische Studium. 10. Auflage. Stuttgart: S. Hirzel Verlag, 2007. S. 68. 365 HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 40. (Übersetzung der Verfasserin) 366 nach BRAUNE, Wilhelm. Gotische Grammatik. Mit Lesestücken und Wörterverzeichnis. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 2004. S. 10, 11. [online]. [zit. am 15. April 2014]. Verfügbar über:

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7.3.1. Dichtung

Die Geschicke der gotischen Völker sind der Bewahrung volkstümlicher Dichtung nicht günstig gewesen. So reichen Stoff die Perioden der kriegerischen Wanderungen für die Ausbildung einer gotischen Heldendichtung bieten musste, so wenig waren diese Zeiten dazu angetan zur Aufzeichnung der von Mund zu Mund getragenen Gesänge anzuregen.367

Die Zeit der Völkerwanderung, deren Ereignisse in Liedern und Erzählungen tradiert wurden, war für die germanischen Stämme von grundlegender Bedeutung. „Erst viel später, im 13. Jahrhundert, wurden einige dieser Stoffe in literarischer Bearbeitung in Deutschland, Norwegen und Island (die sog. Edda) aufgeschrieben.“368 Eine der wichtigsten Gestalten des Nibelungenliedes, das im Mittelhochdeutsch um 1207 geschriebene Heldenepos, stellt der Burgunderkönig Gundahar unter dem Namen Gunther dar, wo die Niederlage des burgundischen Stammes in einem Kriegszug gegen die Hunnen und sein Untergang geschildert wird. Das Thema der Völkerwanderung behandelt auch das Hildebrandslied, ein im Stabreim um das Jahr 820 abgefasstes fragmentarisch überliefertes Heldenlied, das über die Streitigkeiten zwischen dem Sohn und seinem Vater, die in einen offenen Kampf ausbrechen, erzählt und ein tragisches Ende hat (nach anderer vollständigerer Tradition dieses Stoffes).369 Die Anfänge der geschriebenen gotischen Texte stehen im engen Zusammenhang mit der Christianisierung und der gotischen Bibelübersetzung Wulfilas im 4. Jh. Aus der vorchristlichen Zeit erhielten sich neben den poetischen und prosaischen Denkmälern auch die Lieder, die unter den Leuten mündlich weitergegeben wurden, und erst nach einigen Jahrhunderten niedergeschrieben worden sind. „Am besten sind Lieder sagenhaft- geschichtlichen Inhalts bei den Goten bezeugt.“370 Die Wanderung der Goten aus der Insel

nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 40. nach SIEVERS, Eduard. Gotische Literatur. In PAUL, Hermann (hrsg.). Grundriss der germanischen Philologie. Strassburg: Karl J. Trübner, 1893. S. 70. [online]. [zit. am 25. April 2014]. Verfügbar über: 367 SIEVERS, Eduard. Gotische Literatur. In PAUL, Hermann (hrsg.). Grundriss der germanischen Philologie. Strassburg: Karl J. Trübner, 1893. S. 65. [online]. [zit. am 25. April 2014]. Verfügbar über: 368 BOK, Václav, Dana PFEIFEROVÁ a Dana ŠETINOVÁ. Čítanka německých literárních textů. 1. vyd. Plzeň: Fraus, 1998. S. 5. 369 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. 169. nach BOK, Václav, Dana PFEIFEROVÁ a Dana ŠETINOVÁ. Čítanka německých literárních textů. 1. vyd. Plzeň: Fraus, 1998. S. 5. 370 SIEVERS, Eduard. Gotische Literatur. In PAUL, Hermann (hrsg.). Grundriss der germanischen Philologie. Strassburg: Karl J. Trübner, 1893. S. 65. [online]. [zit. am 25. April 2014]. Verfügbar über:

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Scandza bis zum Land der Skythen, wie es in der Sage steht und darüber auch Jordanes berichtet, blieb weiter noch in poetischer Form aufbewahrt.371 „An den Höfen der Amaler und Balthen erklangen unter Zitherbegleitung Lieder, darin die Taten der alten Stammeshelden verherrlicht wurden.“372

Zauber- und Beschwörungsworte, Bauernweisheiten und Schlachtgesänge, Hochzeits- und Totenlieder, Helden- und Göttersagen waren teils Allgemeingut, teils Wissen einzelner Erzähler oder Sänger. Die Schlachtgesänge werden den Römern mehr als einmal bekannt geworden sein und ihre Wirkung auf die römischen Legionäre nicht verfehlt haben. In den Liedern wurde der Kriegsgott Donar/Thor angerufen.373

Weitere Texte aus der vorchristlichen Zeit und zugleich einige der ältesten Zaubersprüche, deren schriftliche Form aus dem 10. Jh. stammt, jedoch in ältere Zeiten hineinversetzt werden, sind die Merseburger Zaubersprüche. Das Leitmotiv im ersten Spruch ist die Befreiung des Gefangenen von den Fesseln und im zweiten handelt es sich um die Heilung des Pferdes und dessen verrenkten Glieder. Bei dem Anlass der Totenfeier und Hochzeiten wurde der Chorgesang gepflegt und mit dem Tanz begleitet. „Besonders bei Jahresfesten wurde das Geschehen in der Natur in einem immer wiederkehrenden Rituell nachgespielt. Diese Jahresspiele sind die dramatische Form altgermanischer Dichtung und fanden eine Fortsetzung im späten Mittelalter in den verschiedenen Fastnachtsspielen.“374 Die Lieder sollten den Toten den Schutz vor den Dämonen und die Begleitung nach Walhall gewähren. Über die Götter und deren Ursprung sowie über den Ursprung der Menschheit wurde bereits in dieser Zeit erzählt und die Lieder gesungen.375 „Die germanische Götterdichtung hat einen gewissen Niederschlag in den isländischen Sagas gefunden, wenn diese auch in der Hauptsache eine Widerspiegelung der historischen

371 nach BOK, Václav, Dana PFEIFEROVÁ a Dana ŠETINOVÁ. Čítanka německých literárních textů. 1. vyd. Plzeň: Fraus, 1998. S. 5. nach SIEVERS, Eduard. Gotische Literatur. In PAUL, Hermann (hrsg.). Grundriss der germanischen Philologie. Strassburg: Karl J. Trübner, 1893. S. 65. [online]. [zit. am 25. April 2014]. Verfügbar über: nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 201. 372 SIEVERS, Eduard. Gotische Literatur. In PAUL, Hermann (hrsg.). Grundriss der germanischen Philologie. Strassburg: Karl J. Trübner, 1893. S. 66. [online]. [zit. am 25. April 2014]. Verfügbar über: 373 SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 201, 202. 374 Ebd. S. 202 375 nach SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 202.

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Vorgänge des 9. bis 13. Jh. sind, also einer Welt anderer gesellschaftlicher und ideologischer Verhältnisse.“376

7.3.2. Gesetze

„Nach dem Zeugnis Isidors haben die Goten vor König Eurich (466–484) geschriebene Gesetze nicht besessen.“377 Bei den sogenannten „Leges Barbarorum“ (mit Ausnahme des angelsächsischen Bereichs lateinisch abgefasst) handelt es sich um den Sammelbegriff für die Gesetzbücher, die von dem 5. bis zum 9. Jh. auf dem Gebiet der Königreiche der germanischen Stämme veröffentlicht wurden. Einige Gesetze entstanden aufgrund der Modifizierung des Gewohnheitsrechtes, andere ergaben sich aus dem römischen Recht und traten in Kraft entweder für die Barbaren und Römer gleichzeitig, oder nur für die einen der beiden genannten. Erst unter der Herrschaft des Westgotenkönig Leovigild kam es zur rechtlichen Angleichung der römisch-gotischen Gesellschaft und dadurch auch zur deren gewissen Konsolidierung.378 Aus den bekanntesten und in einzelnen Kapitel schon behandelten Kodifikationen im Westgotenkönigreich sind zu nennen: Codex Euricianus als das erste westgotische Gesetzbuch mit dem verankerten Stammesrecht aus dem Jahr 475; die bis zur und auch während der Herrschaft Leovigilds erlassenen Gesetze (außer Breviarium) als Antiqua genannt; Lex Romana Visigothorum (Breviarium Alaricianum) 506; Codex Revisus Leovigilds; Liber iudiciorum auch unter dem Titel Lex Visigothorum, die von dem König Rekkeswinth 654 veröffentlicht wurde. Zu den bekanntesten germanischen Gesetzsammlungen gehören: Lex Gundobada (Lex Burgundionum) um 500; Lex Salica (Pactus legis Salicae) um 500; Pactus Alamannorum um 620; Lex Ripuaria um 630; das langobardische Edictum Rothari 643; Lex Alamannorum 730.379

376 SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 202, 203. 377 SIEVERS, Eduard. Gotische Literatur. In PAUL, Hermann (hrsg.). Grundriss der germanischen Philologie. Strassburg: Karl J. Trübner, 1893. S. 66. [online]. [zit. am 25. April 2014]. Verfügbar über: 378 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 371. 379 nach BEDNAŘÍKOVÁ, Jarmila. Stěhování národů. Praha: Vyšehrad, 2003. S. 371–383.

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7.3.3. Die gotische Bibelübersetzung Wulfilas

Den Bestrebungen und dem literarischen Schaffen des Bischofs Wulfila, vor allem der gotischen Bibelübersetzung und deren Fragmente Codex Argenteus, Codex Carolinus und Codices Ambrosiani A–E, verdanken wir die meisten unserer Kenntnisse, die wir über die gotische Sprache und Literatur haben. Die Gruppe der Goten, die Wulfila in das Römische Reich folgte und sich in der Provinz Moesia secunda niedergelassen hat, hat Gotisch gesprochen.380

Nach der Anfertigung der Bibelübersetzung Wulfilas gewannen die Goten eine eigene Schriftsprache. Die Übertragung der Sprache in eine schriftliche Form, besonders bei den heiligen Büchern, stellt die Tendenz zur sprachlichen Erstarrung dar. Es ist zu wenig bekannt über die dialektale Differenzierung und allgemein sprachliche Entwicklung bei den gotischen Sprechern, dass wir uns der langfristigen Auswirkung des Werkes Wulfilas sicher sein könnten.381

Auxentius, ein Bischof in Niedermösien und Schüler des Missionars Wulfila, berichtet über die Sprachkenntnisse Wulfilas: er beherrschte die gotische, lateinische und griechische Sprache, in denen er seine Werke schrieb und das Evangelium predigte. Latein und Griechisch lernte er angeblich in seiner Jugendzeit als römischer Gefangener. „Wulfila und seine Helfer schufen in der Bibelübersetzung die Grundlage der Mission. Aus einem allerdings gut vorbereiteten Gotischen entstand ein geschmeidiges Instrument der Vermittlung, das auf Anhieb seinen Platz unter den klassischen Bibelsprachen errang.“382 Die griechische Bibel aus dem 4. Jh. diente ihm als die Vorlage bei seiner Arbeit an der Übersetzung des Alten sowie Neuen Testaments; nur ein größerer Teil des Neuen Testaments blieb bis unserer Zeit bewahrt.383 Die Kirchenhistoriker Philostorgius, Sokrates und Sozomenos stimmten überein, dass Wulfila eine eigene Schrift entwickelte. Er bediente sich dabei des griechischen

380 nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 100. nach SIEVERS, Eduard. Gotische Literatur. In PAUL, Hermann (hrsg.). Grundriss der germanischen Philologie. Strassburg: Karl J. Trübner, 1893. S. 67. [online]. [zit. am 25. April 2014]. Verfügbar über: 381 HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 95. (Übersetzung der Verfasserin) 382 WOLFRAM, Herwig. Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 3. Auflage. München: Beck, 1990. S. 84. 383 nach HEATHER, Peter. Gótové. Praha: Nakladatelství Lidové noviny, 2002. S. 101. nach SIEVERS, Eduard. Gotische Literatur. In PAUL, Hermann (hrsg.). Grundriss der germanischen Philologie. Strassburg: Karl J. Trübner, 1893. S. 69. [online]. [zit. am 25. April 2014]. Verfügbar über:

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Alphabets, der lateinischen Buchstaben, sowie der Runen.384 „Tatsächlich sind alle bekannten Denkmäler der got. Sprache in verschiedenen Varianten einer alphabetischen Schrift überliefert, die sich paläographisch aus einer einzigen Grundform herleiten lassen.“385 Das Vaterunser aus dem Jahr 360 in der Bibelübersetzung Wulfilas:

Atta unsar þu in himinam weihnai namo þein qimai þiudinassus þeins wairþai wilja þeins swe in himina jah ana airþai hlaif unsarana þana sinteinan gif uns himma daga jah aflet uns þatei skulans sijaima swaswe jah weis afletam þaim skulam unsaraim jah ni briggais uns in fraistubnjai ak lausei uns af þamma ubilin unte þeina ist þiudangardi jah mahts jah wulþus in aiwins Amen!386

7.3.4. Andere Quellen

„Den ersten Rang behaupten die Bruchstücke einer Erklärung des Johannesevangeliums. Von dem umfangreichen Werk sind leider nur 8 unzusammenhängende Blätter (lauter rescripti) erhalten, von denen sich 5 auf der Ambrosiana, 3 auf der Vaticana befinden.“387 Hans Ferdinand Maßmann, ein mediävistischer Philologe, benannte diese von ihm herausgegebenen Fragmente als Skeireins aiwaggelions þairh Iohannen, später nur abgekürzt Skeireins. Andere wertvolle Quellen des Gotischen sind weiter noch: ein im Codex Ambrosianus A aufbewahrtes Fragment des gotischen Kalenders, zwei Verkaufsurkunden von Arezzo und Neapel und die Runeninschriften.388

384 nach BRAUNE, Wilhelm. Gotische Grammatik. Mit Lesestücken und Wörterverzeichnis. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 2004. S. 19, 24. [online]. [zit. am 17. April 2014]. Verfügbar über: 385 BRAUNE, Wilhelm. Gotische Grammatik. Mit Lesestücken und Wörterverzeichnis. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 2004. S. 19. [online]. [zit. am 17. April 2014]. Verfügbar über: 386 SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. 387 STREITBERG, Wilhelm. Gotische Literatur. In PAUL, Hermann (hrsg.). Germanische Literaturgeschichte. [1903] [o. O. o. J.] S. 28. 388

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8. Nachwort

Das Volk der Goten griff tief in die Geschichte des spätantiken und frühmittelalterlichen Europa ein. In der vorliegenden Diplomarbeit wird die Entwicklung der Goten von den kleinen baltischen Stämmen bis zur bedeutenden mächtigen Königreichen dargestellt, die den Boden des Römischen Reiches in Italien und Spanien besetzt haben und deren politische, wirtschaftliche und soziale Strukturen, sowie die territoriale Ordnung auf dem europäischen Kontinent, von zahlreichen Änderungen betroffen wurden. „Doch ebenso wie Germanen an der Ausprägung verschiedener europäischer Volkskulturen Anteil hatten, so ist auch die deutsche Kulturgeschichte durch Kelten, Romanen, Slawen und andere Völkerschaften mitgeprägt worden.“389 Die Menschheit wurde seit Menschengedenken von der Sehnsucht nach der Macht bewegt. Von dieser Sehnsucht wurden eben die germanischen Stämme, abgesehen von ihrer Größe, getrieben, da zuerst die Anführer der Gefolgschaften und dann die Statthalter, Feldherren und Könige, die Festigung ihrer Stellung, Erweiterung deren Machtbereiche und Eroberungen der fremden Gebiete anstrebten; die Auseinandersetzungen und Kämpfe sind ebenso alt wie dieser Machtwille allein und wurden zum integrierenden Teil der Weltgeschichte, wie wir es gleich seit dem Anfang dieser Arbeit beobachten können. Ein Wendepunkt in der spätantiken europäischen Geschichte bedeutete der Einfall der Hunnen im Jahre 375, der den Druck der Barbaren auf das Römische Imperium verstärkte und den germanischen Stämmen einen Impuls zur Bewegung gab. Es handelte sich z.B. um die Greutungen, Terwingen, Vandalen, Sueben, Burgunder und andere. Diese Bewegung trat ins unsere Bewusstsein unter dem Begriff „Völkerwanderung“ und wird als Hauptgrund des Untergangs des Weströmischen Reiches betrachtet. Der Zeit der Völkerwanderung wird auch in der vorliegenden Diplomarbeit große Bedeutung beigemessen und der Verlauf der Ereignisse wird relativ ausführlich beschrieben, um eine bessere Einsicht und Vorstellung über die damalige Situation zu gewinnen. Die bedeutenden Änderungen der spätantiken Welt, die wiederum von Gewalt begleitet wurden, spielten sich nicht nur in der politischen Sphäre sondern auch im Gebiet der Religion ab; eine dieser Änderungen betraf die Christianisierung und die damit zusammenhängende Missionierung. Im Römischen Reich wurde 380 das katholische nach SIEVERS, Eduard. Gotische Literatur. In PAUL, Hermann (hrsg.). Grundriss der germanischen Philologie. Strassburg: Karl J. Trübner, 1893. S. 70. [online]. [zit. am 25. April 2014]. Verfügbar über: 389 SCHLETTE, Friedrich. Germanen zwischen Thorsberg und Ravenna. Kulturgeschichte der Germanen bis zum Ausgang der Volkerwanderung. Leipzig: Urania-Verlag, 1974. S. 7, 8.

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Christentum zur Staatsreligion erhoben und infolge dessen verstärkten sich auch die Bemühungen um die Bekehrung der arianischen Goten. Ihr allmählicher Übergang zum katholischen Glauben wurde wieder durch die Kriege, Verfolgungen und Verbannung geprägt und erst unter der Herrschaft des Westgotenkönigs Rekkared I. im Toledanischen Reich beendet; die ersten Christen unter den Goten, wie wir erfahren konnten, werden mit den Missionierungsversuchen und Bibelübersetzung des ersten Westgotenbischofs Wulfila verbunden. Eine Wende in der Geschichte der Westgoten auf der Pyrenäenhalbinsel brachte das Jahr 711, ein fatales Jahr, in dem die Existenz der Westgoten seit der Gründung des Tolosanischen Reiches im Jahre 418 und dessen Erweiterung und Entstehung des Königreiches von Toledo nach fast drei Jahrhunderten ihr Ende nahm. Die sich immer mehr im Mittelmeerraum durchsetzenden Araber erreichten ihr Ziel sowie auf der Pyrenäenhalbinsel, indem sie die Westgoten in einer einzigen Schlacht besiegten und zum Untergang verurteilten; auf ihrem Kriegszug auf die Iberische Halbinsel besetzte die muslimische Streitmacht der Araber und Berber das Toledanische Reich und der Westgotenkönig Roderich fiel in der Schlacht am Río Guadalete. Unter der Herrschaft des Kalifen al-Walid I., des Nachfolgers der letzten westgotischen Könige, kam es zu einem radikalen Umbruch in der Geschichte Spaniens und Islam wurde nach dem Übergang der meisten Bevölkerung für einige Jahrhunderte zur offiziellen Konfession auf der Pyrenäenhalbinsel. Aus der Zeit der Besiedlung der Pyrenäenhalbinsel von den Germanen sind die wichtigen Denkmäler der westgotischen Kunst, auch als die hispanisch-westgotische Kunst bekannt, mit den spürbaren orientalischen Einflüssen erhalten geblieben. Die einstige Herrschaft der Westgoten in der damaligen Provinz Lusitania (das Gebiet der heutigen Provinz Extremadura) trug auch zur Entwicklung der historischen Stadt Mérida zu einer der wichtigsten Kulturstätten. Aus diesen architektonischen Sehenswürdigkeiten sind zu nennen: z.B. die Reste der Kirche von Casa Herrera bei Mérida und San Pedro in Mérida; der westgotische Pilaster in der maurischen Festung Alcazaba genannt; die Kirche San Juan de Baños in der Nähe der Stadt Palencia; die Kirche São Frutuoso de Montélios in Braga in und die Kirche San Pedro de la Nave in der Provinz Zamora.390

390 nach GARCÍA MORENO, Luis A. España en la edad antigua: Hispania romana y visigoda. Madrid: Anaya, 1988. S. 95, 97. nach Hispanisch-westgotische Kunst. 2005. [online]. [zit. am 22. April 2014]. Verfügbar über:

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9. Literaturverzeichnis

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Hispanisch-westgotische Kunst. [online]. 2005. [zit. am 22. April 2014]. Verfügbar über:

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10. Das Verzeichnis der Bildbeilagen

Beilage Nr. 1 Bild 1. Völkerwanderungen im Europa 2.–5. Jh. n. Chr. [online]. [zit. am 26. April 2014]. Verfügbar über: Bild 2. Entwicklung des Westgotenreiches. [online]. [zit. am 26. April 2014]. Verfügbar über:

Beilage Nr. 2 Bild 3. Westgotischer Pilaster in der Alcazaba. [online]. [zit. am 26. April 2014]. Verfügbar über: Bild 4. Kirche San Pedro de Mérida. [online]. [zit. am 26. April 2014]. Verfügbar über: Bild 5. Die Ruinen der frühchristlichen Kirche Casa Herrera in der Nähe von Mérida. [online]. [zit. am 26. April 2014]. Verfügbar über: Bild 6. Kapelle San Fructuoso in der Nähe von Braga. [online]. [zit. am 26. April 2014]. Verfügbar über: Bild 7. Westgotische Kirche San Pedro de la Nave aus dem 7. Jahrhundert (Zamora). [online]. [zit. am 26. April 2014]. Verfügbar über:

Beilage Nr. 3 Bild 8. Seite aus dem bekannten Codex Argenteus, als Silbercodex bekannt. [online]. [zit. am 26. April 2014]. Verfügbar über: Bild 9. Germanisches Runenalphabet „Futhark“. [online]. [zit. am 26. April 2014]. Verfügbar über: Bild 10. Gotisches Alphabet. [online]. [zit. am 26. April 2014]. Verfügbar über: Bild 11. Das Siegel des Wulfila. [online]. [zit. am 26. April 2014]. Verfügbar über: Bild 12. Handgriff des Siegels mit Wolfdarstellung. [online]. [zit. am 26. April 2014]. Verfügbar über:

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Beilage Nr. 4 Bild 13. Krone des Westgotenkönigs Rekkeswinth. [online]. [zit. am 26. April 2014]. Verfügbar über: Bild 14. Ostgotische Adlerfibel. [online]. [zit. am 26. April 2014]. Verfügbar über:

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Bildbeilagen

Beilage Nr. 1

Bild 1. Völkerwanderung im Europa 2.–5. Jh. n. Chr.

Westgoten in Aquitanien ab 418

Westgotenreich bis 507

Westgotenreich 507–522

Suebenreich ab 585 unter der

westgotischen Herrschaft

Bild 2. Entwicklung des Westgotenreiches

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Beilage Nr. 2

Bild 3. Westgotischer Pilaster in der Alcazaba Bild 4. Kirche San Pedro de Mérida

Bild 5. Die Ruinen der frühchristlichen Kirche Casa Herrera in der Nähe von Mérida

123

Bild 6. Kapelle San Fructuoso in der Nähe von Braga

Bild 7. Westgotische Kirche San Pedro de la Nave aus dem 7. Jahrhundert (Zamora)

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Beilage Nr. 3

Bild 8. Seite aus dem bekannten Codex Argenteus, als Silbercodex bekannt

Bild 9. Germanisches Runenalphabet „Futhark“

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Bild 10. Gotisches Alphabet

Bild 11. Das Siegel des Wulfila Bild 12. Das Siegel des Wulfila und der Handgriff mit Wolfdarstellung

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Beilage Nr. 4

Bild 13. Krone des Westgotenkönigs Rekkeswinth

Bild 14. Ostgotische Adlerfibel

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