Ein prachtvoller Raum – die Schlosskapelle in Erste Schritte zu einem restauratorischen Konzept

Schloss Heiligenberg thront weithin sichtbar über dem Salemer Tal und dem Bodensee an der Kante vom oberen zum etwa 400 m tiefer gelegenen unteren Linzgau und ist allein schon wegen seiner malerischen Fernwirkung überregio- nal bekannt. Die hoch aufragende Vierflügelanlage gilt unter anderem wegen ihres Arkadenhofs, des prächtigen Rittersaals und der Schlosskapelle als eines der herausragenden Denkmale der Renaissance in Süddeutschland. Zur Bau- und Restaurierungsgeschichte der Schlosskapelle war bislang wenig bekannt. Auf Anregung des Landesamtes für Denkmalpflege und mit Unterstützung des Hauses Fürstenberg konnten 2015 im Rahmen einer Masterarbeit an der Aka- demie der Bildenden Künste Stuttgart Bestand und Zustand der Raumgestal- tungen in der Kapelle restauratorisch untersucht werden. Die auf eine Muster- achse an der Westseite konzentrierte Bestandsklärung wurde von Recherchen im Fürstlich Fürstenbergischen Archiv Donaueschingen begleitet und erfolgte auf der Grundlage von hoch auflösenden Bildplänen, die zuvor von der gesam- ten Raumschale der Schlosskapelle erstellt worden waren. Ziel der Masterar- beit war neben der Bestandsklärung die Entwicklung eines Konzepts für den restauratorischen Umgang mit der komplexen Befundlage.

Teresa Kolar/ Martina Goerlich

Bis heute ist die historische Bedeutung des Schlos- zum Innenhof der Vierflügelanlage. Das Erschei- ses Heiligenberg als Residenz der Grafen und spä- nungsbild des Innenhofs wird dominiert von der teren Fürsten zu Fürstenberg in der Größe der An- viergeschossigen Loggia mit Arkaden- und Pilas - lage und in der herausragenden Qualität der Bau- terordnung, die ab 1575 dem Nordflügel hofseitig ten greifbar. Die auf eine Burg zurückgehende vorgebaut worden ist. Im Vergleich dazu sind die Schlossanlage besteht aus mehreren Teilen: dem übrigen drei Hofseiten schlicht gehalten. Ihre Putz- eigentlichen Schloss, eine Vierflügelanlage des fassaden sind nur durch die Fensterachsen und ein- 16. Jahrhunderts, sowie jenseits des tiefen Schloss- fache Stockwerksbänder gegliedert, wobei die Ein- grabens einem frei stehenden Glockenturm des gangsportale zu den einzelnen Bautrakten mit rah- 16. und 18. Jahrhunderts und dem Vorhof, eine mender Bauplastik betont werden. Zwei hohe Dreiflügelanlage aus Verwaltungs- und Ökonomie - Spitzbogenfenster mit Glasmalereien am südlichen bauten des 17. Jahrhunderts. Zur Schlossanlage Ende des Westflügels sowie das Portal mit einem gehört ein weitläufiger Landschaftsgarten, der sich Relief der Marienkrönung geben die Lage der den Schlossberg hinunter nach Süden erstreckt. Schlosskapelle zu erkennen (Abb. 1). Die Schloss- Das Schloss zeigt bis heute weitgehend unver- kapelle wurde im Zuge des Umbaus der mittelalter - fälscht die architektonischen und künstlerischen lichen Burg in ein Renaissanceschloss in den Jahren Leistungen des 16. und 17. sowie schließlich des 1568 bis 1600 über der Gruftkapelle der Grafen 19. Jahrhunderts, die von namhaften Künstlern im und späteren Fürsten zu Fürstenberg eingerichtet. Auftrag der Grafen und Fürsten zu Fürstenberg er- Sie nimmt mit 5,50 m Breite die gesamte Gebäude- bracht worden sind. tiefe des Westflügels ein und ist 22 m lang. Die sehr hohe Kapelle erstreckt sich über drei Geschos - Die Schlosskapelle se. Sie besitzt zwei Emporen übereinander: im ers- ten Geschoss die Orgelempore und im zweiten die Durch ein flaches Renaissanceportal am nördlichen Herrschaftsempore mit fürstlichem Oratorium und Torhaus gelangt der Besucher in den Durchgang Arkadengalerie. Auf diese Weise konnten die fürst-

194 Denkmalpflege in -Württemberg 3 | 2016 lichen Wohnräume im Westflügel wie auch der Rit- wand wie auch die Ostwand unter der Fürsten- 1 Gesamtaufnahme von tersaal im Südflügel im zweiten Obergeschoss ei- empore wurden mit überlebensgroßen Heiligen- Schloss Heiligenberg mit nen direkten Zugang zur Kapelle erhalten, was porträts, Inschriftenbändern und Engeln bemalt. Spitzbogenfenstern der eine Besonderheit im süddeutschen Schlossbau Wer die Malereien fertigte, ist unbekannt, jedoch Schlosskapelle, Ansicht darstellt. Die reich mit geschnitztem Holzwerk de- soll an den Füßen Marias in der Mitte der West- von Westen. korierte Kapelle wird überspannt von einem farbig wand eine Inschrift mit Jahreszahlen sowie Initia- gefassten Scheingewölbe des 16. Jahrhunderts len der Künstler vorhanden gewesen sein, C.B und aus Holz. Wer bauzeitlich den Entwurf für die Ge- K.G 1598. staltung der Kapelle lieferte, ist nicht bekannt. Es wird davon ausgegangen, dass der seit 1576 am Gestalterische Veränderungen zwischen Schlossbau tätige Hans Jörg Schwarzenberg auch 1745 und 1766 in die Gestaltung der Schlosskapelle involviert war (Abb. 2). Zwischen 1745 und 1766 wurde die Kapelle im Zu- Aus Literatur und Schriftquellen geht hervor, dass sammenhang mit der Aufstellung einer neuen Or- die Wandflächen der Schlosskapelle bereits in der gel und eines neuen Hochaltars aus der Werkstatt Erbauungsphase mit Malereien versehen worden Joseph Anton Feuchtmayers barockisiert. Da die sind. Die Ostwand der fürstlichen Empore zeigt Wandmalereien der Kapelle zu dieser Zeit wohl ei- noch heute die Darstellung des Christus als Wel- nige Schäden aufwiesen und in vielen Bereichen tenherrscher und das zeitgleiche Rollwerk, mit Fassungsverluste zu verzeichnen waren, bot der dem die Fenster gerahmt sind (Abb. 3). Die West- Hofmaler Johann Friedrich Thaddäus Wocher an, die Malereien an der Westwand „… mit Gold und anderen theuren Farben zu renovieren …“. Fürst Josef Wenzel zu Fürstenberg sprach sich dagegen aus, ließ jedoch aufgrund des schlechten Zustands der Malereien die Kapellenwände übertünchen, wobei die figürlichen Darstellungen ausgespart blieben.

Umbau unter Fürstin Elisabeth 1810 bis 1836

Nachdem Fürstin Elisabeth nach der Mediatisie- rung des Fürstentums Fürstenberg Schloss Heili- genberg als Residenz gewählt hatte, kam es 1820 zu ersten Umbauarbeiten im Süd- und Westtrakt des Schlosses, die für die Kapelle einschneidende Folgen hatten. Um zusätzliche Wohnräume zu er- halten, zog man unter der Orgelempore eine Mauer ein. Die Kapelle war danach im Erdgeschoss 2 Innenraum der Schloss- mehr als 8 m kürzer. 1836 folgten Umbauarbeiten kapelle. Ansicht von der im ersten Obergeschoss, die eine Verkürzung der Herrschaftsempore. Blick Orgelempore um 4,80 m mit sich brachten. Auf nach Norden.

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 3 | 2016 195 ausmalung der Wandflächen zu entwerfen. Das Konzept von Seitz ging von einer neuen Wandbe- malung aus, die zwar die ursprüngliche Anord- nung und Größe der Figuren übernehmen, die Um- rahmung der Fenster aber in reduzierter, gemä- ßigter Form ausführen sollte. Auch die alten Inschriften sollten identisch wiedergegeben wer- den (Abb. 4).

3 Wandfläche der Herr- diese Weise wurden die Proportionen der Kapelle Die Ausführung 1879 bis 1882 schaftsempore im zwei- drastisch verändert und alle darauffolgenden Ar- ten Obergeschoss, Ost- beiten bezogen sich nicht auf die ursprüngliche Ka- Ende Mai 1879 konnten die Maßnahmen begin- wand: Christus als Wel- pellenform, sondern auf den neuen, verkürzten nen. Zuerst wurden die aus Holz konstruierten und tenherrscher, Raum. polychrom gefassten Elemente der Emporen und Übersichtsplan. der Decke in Angriff genommen. Die Reparaturen, Die ersten Schritte zur Umgestaltung Ergänzungen und Erneuerungen der hölzernen 1870 bis 1879 Ausstattung übernahm der Überlinger Restaura- tor Josef Eberle (spätere Werkstatt Victor Mezger). Ab 1870 nahmen sich Fürst Karl Egon III. und seine Im Zuge dieser Maßnahmen wurde die Wandma- Tochter Prinzessin Amalie der Renovierung und lerei in der Fürstenempore mit einer abnehmbaren, Umgestaltung der Schlosskapelle an. Sie überga- reversiblen Holzvertäfelung partiell überdeckt. ben dem Karlsruher Architekten Adolf Weinbren- Diese Holzverkleidung erstreckte sich von der Süd- ner (1836– 1921) die Leitung der Maßnahmen. wand bis hin zur fürstlichen Loge an der Ostwand Ihm zur Seite stand der Architekt Gustav Schempp. und wurde nur vom oberen Ende der Spitzbogen- In den Jahren 1872 und 1873 wurden die 1766 fenster und der ausgesparten Christusdarstellung übertünchten Malereien freigelegt, was bei der Be- unterbrochen. standsklärung 2015 anhand von Freilegespuren In einem nächsten Schritt wurden alle Wandflä- und Tüncheresten an der Christusdarstellung der chen neu verputzt, um den Untergrund für die Ostwand nachgewiesen werden konnte. Nach der neue Wandgestaltung vorzubereiten. Dass die Freilegung wurden zu Dokumentationszwecken Wandflächen hierfür aufgehackt werden mussten, Pausen der Wandmalereien angefertigt, die jedoch kann bislang nur vermutet werden. Die Beprobung im Fürstlich Fürstenbergischen Archiv nicht auf- im Rahmen der Bestandsklärung 2015 zeigte, dass zufinden waren. Im Sommer 1877 erhielt der Ma- es sich bei dem Mörtel von 1870 um einen Kalk- ler Ludwig Seitz (1844– 1908), Inspektor der Vati- Gipsmörtel handelt, der zumindest an der Altar- kanischen Galerien in Rom, den Auftrag, eine Neu- wand in einem zweischichtigen System aufgetra-

4 Plan der Ostwandge- staltung von Weinbren- ner, 1884, Fürstlich Fürs - tenbergisches Archiv Donaueschingen.

196 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 3 | 2016 gen wurde. Aufgrund einer gut ausgebildeten Sin- terschicht an der Oberfläche der entnommen Pro- ben ist zu erkennen, dass der Mörtel vollständig abbinden konnte, bevor weitere Arbeitsschritte folgten. Zur Werktechnik der Ausmalung ist an- zumerken, dass die gut abgebundene Mörtel- oberfläche mit einer Isolierschicht, vermutlich aus Schellack, für die Malerei vorbereitet wurde. Erst dann folgte die in secco ausgeführte Malerei, bei der es sich aufgrund der optischen Eigenschaf ten sowie ihrer Stabilität gegenüber Wasser um eine Temperamalerei handelt. Die Ergebnisse der 2015 durchgeführten Laboranalysen waren jedoch nicht eindeutig genug, sodass die Bindemittelfrage nicht abschließend geklärt werden konnte. Bei einem Vergleich der 1870 fotografisch doku- mentierten Malerei des 16. Jahrhunderts mit der von Ludwig Seitz ab 1879 ausgeführten Malerei wird deutlich, wie exakt Seitz die ältere Malerei ko- piert hat. Freie Erfindungen sind dagegen das üppi - ge Rankenwerk in den Hintergrundflächen, plas- tisch geformte Ornamente und Medaillons sowie ein gemalter Damastteppich als Hintergrund des Hochaltars an der Nordwand (Abb. 5). Gerade das reiche Dekor mit plastischen Formen und unter- schiedlichen Metallauflagen ist charakteristisch für die historistische Wandgestaltung in Heiligenberg. Gründen der Symmetrie mit einer dem mittelal- 5 Ansicht der Nordwand Bei den plastischen Formen handelt es sich um terlichen Stil nachempfundenen Glasmalerei auf nach der Maßnahme Gipsabgüsse in unzähligen Varianten, die mittels sechzehn Darstellungen ergänzt. 1882, Fürstlich Fürsten- Versatzmörtel – ebenfalls aus Gips – an den Wand- bergisches Archiv Donau- flächen angebracht wurden. Dagegen wurden die Umgestaltungsphase 1924 bis 1925 eschingen. Nimben der gemalten Figuren direkt an der Wand aus Gips plastisch geformt und teilweise mit Glas- Nach dem Ersten Weltkrieg nahmen sich Max 6 Plastische Zierform: perlen verziert (Abb. 6). Bei den Abgüssen sind EgonII. Fürst zu Fürstenberg und seine Gattin Irma modellierter Nimbus mit „Medaillon-Applikationen“ und „Edelstein-Appli- in besonderem Maße dem Schloss Heiligenberg an. Strahlenrelief und Perlen- kationen“ zu unterscheiden (Abb. 7). Die Metall- Sie strebten an, die Schlosskapelle ihrem „ur- schmuck. auflagen dienten dazu, die plastischen Formen sprünglichen“ Zustand, das heißt dem der Re- noch stärker zu Geltung zu bringen, aber auch zur naissance, wieder näherzubringen. Akzentuierung der Wandmalerei in der Fläche. Be- Zunächst entfernte man die unter Fürstin Elisabeth reits optisch sind silberne und goldene Auflagen im Süden eingezogenen Wände, um das Raum- zu unterscheiden. Dass es sich hierbei nicht um maß des 16. Jahrhunderts wiederherzustellen. Bronzierungen, sondern um Metallfolien handelt, Anschließend wurden die Zutaten der Wandma- konnte mit Anschliffen nachgewiesen werden lereien von Seitz wie die Bemalung der Fenster - (Abb. 8). Anhand von Materialproben und einer laibungen, das Rankenwerk in den Hintergrund- REM-EDX-Analyse waren vier unterschiedliche flächen, der Teppich an der Altarwand und die Metallfolien zu differenzieren: zunächst eine Auf- Medaillons um die Fenster reduziert. Die Hinter- lage aus Waschgold, dann eine Silberlegierung mit grundflächen wurden mit einer Leimfarbe flächig geringem Anteil an Gold sowie ein Silber mit un- überstrichen und die Fensterlaibungen sowie der gewöhnlich hohem Anteil an Quecksilber und Altarteppich mit einer Stoffbespannung versehen schließlich eine silberne Metallfolie, vermutlich aus (Abb. 10). Außerdem entfernte man im Zuge die- Aluminium oder Zinn, die in 40 cm breiten Bahnen ser Arbeiten die Holzvertäfelung im zweiten Stock aufgebracht wurde (Abb. 9). und legte die Malereien wieder frei. Abschließend wurden in die vier hohen Spitzbo- Zu diesem Zeitpunkt war nachweislich der Maler- genfenster der Schlosskapelle 15 Glasmalereien meister Frank im Schloss Heiligenberg tätig. Es höchster Qualität eingebaut, die ursprünglich um kann davon ausgegangen werden, dass er die Um- 1320 für die Dominikanerkirche in ge- gestaltung in der Kapelle ausführte, da bei der 7 Stuckapplikation in fertigt worden waren. Die Szenen aus dem Leben Untersuchung 2015 in einem Wappen die Inschrift Diamantform mit silber- Christi und Mariae wurden für Heiligenberg aus „Franck“ gefunden wurde. ner Metallauflage.

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 3 | 2016 197 8 Anschliff einer der Metallauflagen sehr inhomogen, was ein unru- Malschichtprobe mit Me- higes Gesamtbild der Wandflächen zur Folge hat. tallauflagen, Hellfeld, Aufstehende und bereits verloren gegangene 50-fache Vergrößerung. Malschichten des 19. Jahrhunderts sowie Risse und offenliegende Mörtelbereiche beeinträchti- gen zusätzlich das ohnehin gestörte Erscheinungs- bild. Erfassung von Zustand und Schäden Arbeitsproben Nach Bestandsklärung der Wandmalerei und Ana- lyse ihrer Restaurierungsgeschichte folgte die Zu- Um ein Konzept für das weitere Vorgehen in der stands- und Schadenserfassung. Was bei Betrach- Kapelle entwickeln zu können, bedurfte es einiger tung der Wandflächen sehr schnell ins Auge fällt, Arbeitsproben innerhalb der Musterachse. Dabei sind die durch die Übermalungsschicht durchschei - ging es unter anderem um Versuche zur Niederle- nenden Metallauflagen des 19. Jahrhunderts so- gung aufstehender Malschichtschollen, um einen wie die Kittungen des 20. Jahrhunderts (Abb. 11). weiteren Substanzverlust zu verhindern. Hierbei Die Übermalung wirkt aufgrund des jeweils eige- konnte mit einem Celluloseleim, 1-prozentig be- nen Alterungsverhaltens, unterschiedlich dichter ziehungsweise 2-prozentig, ein zufriedenstellen- Schmutzauflagerungen und wegen des Abblät- des Ergebnis erzielt werden (Abb. 12). terns der jüngsten Malschicht vor allem im Bereich Des Weiteren wurden zur Reduzierung von Ver- unreinigungen auf der Malereioberfläche unter- schiedliche Verfahren getestet. Dabei war darauf zu achten, dass mit der Malerei von 1870 und mit der Übermalung von 1924 jeweils spezifisch umzu - gehen ist. Während eine feuchte Abnahme des Oberflächenschmutzes auf der älteren Malerei keine Probleme darstellt, darf die wasserlösliche Übermalung nur mit einem Borstenpinsel bearbei - tet werden, da sie sonst reduziert oder gar abge- nommen würde. Um die Möglichkeit einer Abnahme der Überma- lung des frühen 20. Jahrhunderts mit Leimfarbe und den Zustand der darunter liegenden Malerei des 19. Jahrhunderts beurteilen zu können, wurde diese auf einer circa 75 cm x 25 cm großen Fläche innerhalb der Musterachse erprobt. Da es sich bei der Leimfarbe um eine wasserlösliche Schicht han- delte, wurde die Probefläche mit einer Cellulose- Kompresse vorbehandelt. Nach Abnahme der Kompresse konnte die Fläche mit feuchten Watte - stäbchen gereinigt werden. Als Ergebnis dieser Ar- beitsprobe ist festzuhalten, dass die Übermalung mit einem relativ geringen Zeit- und Materialauf- wand sehr gut abzunehmen ist (Abb. 13). Die älte - re Malerei darunter liegt in sehr gutem Zustand vor und weist so gut wie keine Schäden auf. Ob der gute Zustand womöglich mit einer Schutzwirkung der Übermalung zusammenhängt, ist noch nicht abschließend geklärt.

Konzeptentwicklung

Auf Grundlage der neuen Erkenntnisse über die 9 Kartierte Verteilung der Bau- und Restaurierungsgeschichte der Kapelle goldenen (rot) und der und über den Bestand und die Schäden der Wand- silbernen (grün) Metall- flächen ergaben sich mehrere Überlegungen zum auflagen, Plangrundlage weiteren Umgang mit den Wandflächen. Das von Dronometer. Hauptaugenmerk lag dabei auf der Frage, welche

198 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 3 | 2016 10 Vergleich der Wand- gestaltung von Seitz 1882 und der Überarbei- tung 1925. Foto Fürstlich Fürstenbergisches Archiv Donaueschingen (links)/ Dronometer (rechts).

Folgen die verschiedenen denkbaren Varianten res- me der Übermalung wäre die Abnahme der Stoff- tauratorischer Herangehensweise jeweils für die bespannung in den Fensterlaibungen wie auch an Präsentation der bemalten Wandflächen haben. der Altarwand folgerichtig und notwendig. Das Konzept 1 sieht eine reine Konservierung, also den Problem bestünde dann in dem Widerspruch, dass Erhalt aller Schichten vor, was bedeutet, dass eine die Wandgestaltung des 19. Jahrhunderts in einem Festigung loser Partien und eine Abnahme von Kapellenraum gezeigt würde, der nicht mehr dem Oberflächenschmutz durchzuführen wäre. Die Zustand um 1880 entspricht. Da der Kapellenraum Wandflächen würde im jetzigen Zustand erhalten zu Zeiten von Seitz und Weinbrenner wesentlich bleiben und keinerlei restauratorischen Maßnah- kürzer war, würde in einem denkmalfachlich pro- men unterzogen. blematischen Mischkonzept eine Raumsituation Konzept 2 übernimmt die Arbeitsschritte von Kon- entstehen, die es so nie gegeben hat. zept 1 und geht einen Schritt weiter in Richtung Konzept 4 greift die Idee des 20. Jahrhunderts auf Reparatur. Fehlstellen sollen geschlossen und in ei- und befasst sich mit einer Erneuerung der Über- nem nächsten Arbeitsschritt mit Retuschen an die malung. Da das Erscheinungsbild der Wandflä- Umgebung angepasst werden. Auch in den Berei - chen im Moment recht diffus ist, könnte man chen, wo Störungen die Lesbarkeit in den Malerei - durch die Abnahme der Übermalung und einen er- en erschweren oder als Unruhen in den Wandflä- neuten Auftrag in einem dem Hintergrund ent- chen auffallen, sollen Retuschen zu einer größeren sprechenden und reversiblen Anstrichsystem die Homogenität führen. Diese Arbeitsschritte würden Wandgestaltung von 1924 wieder aufnehmen. dazu führen, dass die Malerei stärker in den Vorder- grund tritt und das Erscheinungsbild der Wand be- Zwischenbilanz aus Sicht der ruhigt würde (Abb. 14). Denkmalpflege Konzept 3 stellt die Abnahme der Übermalung von 1924 und somit die Freilegung weitere Malerei- Diese vier Präsentationsvarianten, die jeweils ein flächen von 1870 bis 1882 zur Diskussion. Nach spezifisches restauratorisches Konzept vorausset- Abschluss aller konservatorisch notwendigen Si- zen, werden als Diskussionsgrundlage dienen. cherungsarbeiten an der Malerei des 19. Jahrhun- Welche Variante die für die Schlosskapelle ange- derts könnte die Übermalung des 20. Jahrhun- messene Herangehensweise ist, muss in einem ge- derts, wie in den Arbeitsproben getestet, abge- meinsamen Abwägungsprozess von Denkmalpfle - nommen werden. Die nun vollständig sichtbare ge und Eigentümern geklärt werden. Malerei von 1880 müsste dann auf bisher nicht Dabei ist nicht zu vernachlässigen, dass die Wand- ersichtliche Schäden untersucht und wenn nötig malereien nur einer von mehreren Bestandteilen 11 Durch die Überma- konserviert werden. Diese Vorgehensweise hätte der umfassenden Raumausstattung sind, die im lung durchscheinende aber zur Folge, dass weitere Raum bestimmende Kern auf das 16. Jahrhundert zurückgeht und im Metallauflagen an der Elemente in Frage gestellt würden: Mit der Abnah- Lauf der Jahrhunderte immer wieder dem Zeitge- Westwand.

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 3 | 2016 199 Schlosskapelle ganz entscheidend vertieft worden. Dem Haus Fürstenberg ist an dieser Stelle großer Dank zu sagen für die Bereitschaft, die Forschungs- arbeit durch die Bereitstellung einer Unterkunft, die Beauftragung der Bildpläne und die Gerüst - aufstellung tatkräftig zu unterstützen. Außerdem geht ein großer Dank an Herrn Prof. Dipl.-Rest. Ro- land Lenz und Frau Dipl.-Rest. Janina Roth für die Unterstützung während der Masterarbeit sowie an Frau Dr. Dörthe Jakobs für die fachliche Begleitung am Objekt. Auf Basis der neuen Erkenntnisse sind vergleich- bare Bestandsklärungen zur übrigen Ausstattung vorzunehmen, bevor abschließend über das res- tauratorische Konzept für die Wandmalerei ent- schieden werden kann – als einen wesentlichen Baustein des denkmalpflegerischen Konzepts für die Schlosskapelle als Gesamtkunstwerk. 12 Arbeitsprobe zur schmack angepasst wurde: Welche Spuren haben Malschichtfestigung, die Epochen von Renaissance, Barock, Klassi- Literatur Vergleich Vor- und Nach- zismus, Historismus und Neuer Sachlichkeit im heu- zustand. tigen Raumeindruck hinterlassen? Wesentliche Be- Teresa Kolar: Schloss Heiligenberg – Architekturober- standteile der wandfesten Holzausstattung wie fläche und Wandmalereien in der Fürstlich Fürsten- 13 Arbeitsprobe zur der Scheingewölbe und die Emporen stammen aus bergischen Kapelle, Stuttgart 2015. Abnahme der Über - der Bauzeit. Andere Elemente wie der Altar, die Susanne Krause: Heiligenberg Schlosspark. Von der malung, 2015. Fenster, die Bodenbeläge haben ihren Ursprung in Dokumentation zur Parkpflege, in: Denkmalpflege in der historistischen Neugestaltung von 1880, als die Baden-Württemberg 35/4, 2006. Glossar barocke Ausgestaltung keinen Gefallen mehr fand. Eduard Berenbach: Die Fürstlich Fürstenbergische Die Beruhigung und Versachlichung der Wände Hofkapelle in Heiligenberg, Überlingen 1937. Mediatisierung um 1925 fanden eine Entsprechung in der Wieder- Adolf Weinbrenner: Schlosskapelle zu Heiligenberg Unterwerfung von Herr- schaften oder Besitzungen, herstellung der Raumkanten der Bauzeit. – und deren Wiederherstellung, Karlsruhe 1882. die zuvor unmittelbar dem Mit der vorliegenden Masterarbeit ist das Wissen Theodor Martin: Schloßcapelle in Heiligenberg – Ein Heiligen Römischen Reich um die Bau- und Restaurierungsgeschichte der Beitrag zur fürstenbergischen Geschichte, Konstanz unterstanden, unter die 1882. Landeshoheit. Fürstlich Fürstenbergisches Archiv, F.F. Archiv Donau- eschingen, Bauverwaltung, Heiligenberg, Vol. XXV / REM-EDX 1 und 2 (Wiederherstellung der Kapelle 1877–1885). Rasterelektronenmikrosko- Carl Borromäus Alois Fixkler: Heiligenberg in Schwa- pie – energiedispersive ben. Mit einer Geschichte seiner alten Grafen und des Röntgenmikroanalyse. Messmethode zur Material- von ihnen beherrschten Linzgaues, Macklot, Karls- analytik durch Anregung ruhe 1853. von Atomen in einer Probe mittels Elektronenstrahl. Praktischer Hinweis

Waschgold Weitere Informationen zum Schloss finden Sie unter Gold, das aus dem Sand ei- www.haus-fuerstenberg.de/ residenzen-heiligenberg nes Flusses ausgewaschen wird und aufgrund seiner spezifischen Zusammenset- zung identifiziert werden kann. Martina Goerlich Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart Dienstsitz Tübingen 14 Simulation von Kon- zept 2 mit geschlossenen Fehlstellen und beruhig- Teresa Kolar M.A. tem Hintergrund, Plan- Landesamt für Denkmalpflege im grundlage von Drono- Regierungspräsidium Stuttgart meter. Dienstsitz Esslingen

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