Immer woanders: Zeiler, der Unermüdliche, an einem Sommertag in London Unternehmen RTL Kein Klein-Klein Porträt: Schade, Gerhard Zeiler will weniger arbeiten. Deshalb zieht sich unser wichtigster Fernsehmanager nach Europa zurück – dreht da aber das ganz große Rad.

VON KLAUS BOLDT tritt fortsetzt, mögen Ästheten be- einer Notlösung innewohnte, machte dauern: Conrad hatte der RTL-Stil- er im kleinen Kreis kein Geheimnis. an mag vom deutschen ikone Helmut Thoma bis 1998 erfolg- Im Frühjahr 2005, so der Fahrplan, Fernsehen halten, was man reich als Programmdirektor gedient. sollte sich Zeiler, sowieso kein Mann Mwill, und lieber zum Wirt- Dennoch steht Conrad für die etwas des Klein-Kleins, sondern des breiten schaftsmagazin greifen, wenn man dreckigere Dramaturgie, jene von Strichs, auf den Vorstandsvorsitz der was richtig Heißes sehen will – doch gestern: als RTL noch die Abkürzung Holding konzentrieren. Doch der in Fragen der Unternehmensführung von Rammeln-Töten-Lallen war. Transfer musste vorgezogen werden. scheint zumindest Gerhard Zeiler Gewiss, der Kölner Kanal trieb Zeiler hatte das Arbeitspensum recht weit fortgeschritten zu sein. auch unter Zeilers Führung die kultu- mit bis zu 80 Wochenstunden unter- Dies ist insofern eine gute Nach- relle Entwicklung des Landes nicht schätzt: Das Kölner Personal bekam richt, als Zeiler in den vergangenen messbar voran. Doch man hatte den seinen Anstaltsleiter kaum noch zu sechs Jahren die Geschicke und Ge- Eindruck, aus RTL könnte eines Ta- Gesicht. Gespräche, klagt einer, wur- schäfte des deutschen Marktführers ges noch mehr werden als der größte den häufig „per E-Mail geführt“. RTL und seit anderthalb Jahren auch Gewinnbringer der AG. Viel blieb liegen, wenig kam vor- die der übergeordneten RTL Group Nun also endet Zeilers segens- an. Erfolg versprechende Produkte gelenkt und geleitet und, soweit es reiches Wirken vor heimischem kamen nicht, Flops blieben auf seine Mittel erlaubten, der Idiotisie- Publikum – doch leider wies sein Ab- Sendung. Schließlich versagten die rung des Flimmerwesens sowohl die gang nicht die Delikatesse früherer Quoten: RTL verlor die Marktführer- Stirn als auch Paroli geboten hat. Dienstjahre auf. Dies mag daran gele- schaft im ersten Halbjahr an den Erz- Doch wie jeder Dialektiker weiß, gen haben, dass es nicht mehr darauf feind ARD; im Juli fiel der Primus der ist das Schlechte im Guten ja mitan- ankam. Jedenfalls erlitt der Ruhm- vergangenen elf Jahre sogar auf Platz gelegt. In Zeilers Fall trübt den Glanz umflorte einen leichten Rufkratzer. drei zurück. Die Situation war von seiner Taten der Schatten des Ab- Hierzu muss man wissen: Zeiler jener Art, die man beenden musste. schieds: Im November wirft er seine hatte sich nie um die Personalunion Doppelrolle ab wie einen Sack nasser in Köln und Luxemburg gerissen. abei bot Zeiler allerdings Aale und schert sich ausschließlich Sein Reiseverkehr ist ohnedies um- eine unerwartet schwache um die ständig wachsende RTL-Hol- fangreich. Der Mann zirkuliert zwi- DVorstellung. Mit der Wucht ding in Luxemburg und um das harmo- schen Köln und Gütersloh, wo er als eines gepackten Koffers beschied er nische Durcheinander ihrer 50 Radio- Gasthörer an den Bertelsmann-Vor- Mitte Juni eine Anfrage der „Süddeut- und Fernsehsender in halb Europa. standstreffen teilnimmt, und London, schen Zeitung“ abschlägig, vor allem Ist das etwas zum Bedauern, fragt wo er mit seiner Frau Amanda, einer aber wahrheitswidrig, und bezeich- man sich sogleich? Kann man künftig Engländerin, und der achtjährigen nete es als „kompletten Schwach- noch fernsehen, ohne seelisch Schä- Tochter lebt, aber nicht daheim ist. sinn“, dass Marc Conrad sein Nach- den zu riskieren? Ja. Aber auch: nein. Daheim ist er wiederum nur zu folger würde. Ein dummes Dementi, Die allgemeinen Geschäftsbedin- Hause: „Wenn ich in Wien bin, denke das den Ruf des Gehetzten als munte- gungen der von ihrer ganzen ge- ich jedes Mal: ,Zeiler, warum bist du rer Taktiker nicht förderte. zuckerten Anlage her schokoladenen eigentlich weggegangen, hier ist es so Zeiler sagt, man habe ihm die Frage Branche grundierte der freundliche schön.‘“ Also muss er auch noch nach „so“ nicht gestellt, sondern anders, Herr und sozialdemokratische Wie- Wien. Auf alle Fälle wollte Zeiler auf verkoppelt mit einer zweiten. Des- ner auf der linken Seite mit so etwas den Berg seiner nationalen Aufgaben halb konnte er sein Gewissen über- Selten-Verwegenem wie Ernsthaftig- nicht auch noch die internationalen listen und die Frage als Ganzes ver- keit, Kühle, finanzieller Präzision der RTL-Holding schichten. neinen. Vielleicht war er auch nur und, sage & schwärme, mit dem Feh- Wochenlang buhlte Bertelsmann müde. Wie viele Österreicher umgibt len berufsbedingter Mediengeilheit. um den RTL-Spielführer. Dann sagte ja auch Gerhard Zeiler etwas Wei- Dass nun ausgerechnet Marc Con- er „ja, gut“ – doch aus der Endlichkeit ches, Schlappes, Schwermütiges. Er

FOTO: FRANK BAUER FRANK FOTO: rad (43) Zeilers hiesigen Fernsehauf- der Doppelrolle, der das graue Flair wirkt irgendwie gesotten, aber nicht

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durchgebraten. Man denkt: Och, Beverly Hills, London, Gütersloh, Endlich jung! nur’n Österreicher. Luxemburg, Köln, Wien ... dazu der- RTL: Europas Nummer eins Hinzu kommt, dass Zeilers wiene- zeit noch Bonn-Beuel, wo Zeiler ein rischer Akzent die Sätze herangleiten „gemütliches Haus“ bewohnt: „Es hat Köln: RTL Deutschland, der größte lässt wie freundliche Kellner im unten eine Sauna und einen größeren Sender der RTL-Gruppe, machte im „Café Landmann“ beim Burgtheater. Raum, in dem eine Couch steht, ein vergangenen Jahr einen Umsatz von Aber das ist eine optische und akusti- Fernsehapparat, ein Videorecorder, 1,9 Milliarden Euro und einen Gewinn sche Täuschung: nirgendwo scharfe ein Laufbandgerät, ein Fahrrad und von 261 Millionen Euro. Am 1. Novem- Kanten und tut trotzdem weh. bald auch eine Steppmaschine.“ ber übernimmt Marc Conrad, ehemali- Doch zurück zu seinem Dementi: Die Steppmaschine ist nötig wegen ger Programmdirektor von 1992 bis Ein empfehlenswerter und jederzeit der Bandscheibe. Zeilers Osteopath 1998, die Führung des Senders. durchführbarer Test zur Prüfung der sagt: „Zeiler, laufen Sie nicht, steigen Gleichzeitig wird Chefredakteur Hans Ehrlichkeitsbereitschaft ist ein Blick Sie.“ Er wiege 89 Kilo, sagt Zeiler, bei Mahr den Sender verlassen. Seinen in die Brieftasche. Hat Zeiler etwas einer Größe von „einssechsundacht- Posten als Informationsdirektor über- zu verbergen, mehrdeutige Farbfotos, zig“, das seien fünf Kilo zu viel. nimmt Ingrid Haas. Neuer Chefredak- die Nummer von Zsa Zsa Gabor? Zwillingsbruder Helmut, Direktor teur wird Peter Kloeppel. Gerhard Leider alles ganz harmlos: ein des Bundesrealgymnasiums Wien 18 Zeiler nennt den Personalwechsel eine deutscher und ein österreichischer in der Schopenhauerstraße, korri- „komplette Verjüngung“. Dies mag Führerschein, ein Blutgruppenaus- giert: „Na, na, er is nur 1,83 groß, so sein. weis (null positiv) und eine Bonus- wiegt aber 12 Kilo zu viel.“ Die Ein- eiigen, Helmut und Gerhard, kommen aus Nimm du ihn! kleinen, viel- Nein, du!: leicht mittleren Der damalige Verhältnissen ORF-General- im Wiener Ar- sekretär beiterbezirk Ot- und takring. Leute, fortwährende die Zeiler gut - kennen, glau- Wien-Anhänger ben, er sei Zeiler (l.) bei „stolz auf seine der Pflege des proletarischen ewig zu kurz Wurzeln“. kommenden Neben den Kurzpassspiels, Freuden, die hier 1990 mit das Proletariat eifrigen Sender- zu verbreiten bediensteten im Stande ist, lernt Zeiler Luxemburg: Die RTL Group ist mit karte der Kaffeekette Starbucks: auch jene des Skifahrens, der SPÖ- 26 Fernseh- und 24 Hörfunksendern Zeiler liebt Starbucks. Mitgliedschaft und des Fußballs das größte europäische Medienunter- Dann ist da die Rechnung eines (Austria!) kennen. Er beschwert sich nehmen seiner Art. Im vergangenen Restaurants aus der Avenue George V. über Rapid Wien und den Vietnam- Jahr erwirtschaftete der börsennotierte in Paris: Hummer für 96 Euro. krieg, später über die Atomkraft. Konzern einen Umsatz von 4,5 Milliar- Und schließlich hat ihn noch, laut Zudem löste er Siegeswillen aus den Euro und ein Ebita von 487 Millio- Rechnung, eine Susan in Beverly dem groben Stoff kompromisslosen nen Euro. In Deutschland verfügt die Hills bedient: 119,59 Dollar für Dahintreibens: „Ich war der Erstge- Gruppe, die zu über 90 Prozent im Be- Sweatshirts und 175 Dollar für irgend- borene. Zehn Minuten – das ist schon sitz der Bertelsmann AG und deren was: „Was habe ich eigentlich ge- ein Unterschied. Das habe ich meinen

größter Gewinnbringer ist, über die kauft? Weiß ich auch nicht. Einen Bruder auch immer spüren lassen. Es FOTO: PRIVAT Kanäle RTL, Vox, N-TV und RTL Shop Pullover und ein paar Hemden.“ muss ja eine Rangordnung geben ... sowie maßgebliche Beteiligungen an Okay, und jetzt die Piepen: 625 Euro Man bekommt ein gesundes Gefühl RTL 2 und Super RTL. in mittelgroßen Scheinen. für Wettbewerb in einer Zwillingsbe-

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ziehung.“ Helmut ließ sich den Bart, privatwirtschaftlich sozialisierten führte die Kunst des Dialogs ein in Gerhard die Haare wachsen: „Weil es Fernsehmann mit dem „großen Her- einer Branche, die mehr über- als geht Ihnen fürchterlich auf die Ner- zen“ (Amanda Zeiler) zurück und miteinander spricht, er drosselte die ven, wenn Sie draußen auf der Straße kürte ihn zum Generalintendanten. Ausgaben noch vor der Werbekrise, gehen, und alle sagen immer, die Zeiler verrichtete so gute Arbeit, „ohne dass wir Leute rauswerfen schauen aber gleich aus.“ Gerhard dass Bertelsmann ihn 1998 zum mussten“; er leistete sich keine wag- stand auf Stones und Old Shatter- Nachfolger des pensionsreifen RTL- halsigen Manöver, beruhigte das tra- hand: „Mein Bruder auf Winnetou Monomanen Helmut Thoma machte. ditionell erregte Betriebsklima und, und Beatles, stellen Sie sich das vor!" Der Empfang in Köln fiel bewölkt dies vor allem: Er zermürbte die Kon- Nach dem Studium (Psychologie, aus: Einen Anlass zum Führungs- kurrenz mit allerlei neuen Produkten Soziologie, Pädagogik) und einem wechsel vermochte nicht jedermann („Wer wird Millionär“, „Deutschland Ausflug ins Journalistische wird zu erkennen. Kommentatoren zeig- sucht den Superstar“). Zeiler 1979 Pressesprecher des SPÖ- ten sich enttäuscht, dass ein Lang- Szenekennern vermittelte er allein Unterrichtsministers und späteren weiler den Aphoristiker Thoma ab- durch seine ruhige Art das Gefühl, Kanzlers Fred Sinowatz sowie von löste. „Die ersten sechs Monate waren dass das deutsche Privat-TV auch dessen Nachfolger hart“, sagt Zeiler. Was die anderen personell zur unternehmerischen und entwickelt nomadische Ge- Reife gelangen könnte. So hätte es wohnheiten. 1986 wechselt der ewig weiterreifen sollen. Doch mit Gremiengestählte als General- der Rezession verschärfte sich der sekretär zum öffentlich-rechtlichen Kampf der Privaten ums Publikum.

Der mit dem Bart ist Helmut: ORF; geht von 1991 bis 1994 auf Gerhard Zeiler posiert mit seinem Als die Sendergruppe Pro Sieben Deutschland-Tournee, zunächst als Bruder (l.), repräsentiert mit seiner Sat 1 Media, Trümmer des verwü- Chef von , dann von RTL 2. Gattin Amanda (M.), laboriert mit steten Kirch-Reichs, dem aus dem In dieser Zeit, am 19. April 1993, RTL-Chefredakteur Hans Mahr und US-Nichts auftauchenden Mogul- lernt der damals 37-jährige Aufsteiger diskutiert mit dem SPÖ-Vorstand Imitator Haim Saban als Geldanlage während eines Besuchs der Fernseh- günstig zufiel, war klar, dass da messe in Cannes die Marketingchefin quengeln, ist freilich nichts, was den draußen zwar viele Sender sind, auf FOTOS: ACTION PRESS (2), PRIVAT (2) einer britischen Designfirma kennen, kampferprobten Zeiler nachhaltig denen sich intelligentes Leben ent- seine zweite Ehefrau, Amanda: „Um beeindrucken würde. Kumpel Micki wickeln kann – dass das aber nicht halb eins früh auf der Croisette haben Furtner, Skilehrer aus Schruns im zwangsläufig geschehen muss. wir uns kennen gelernt. Uns hat je- Montafon, meint und meldet: „Der Vorerst kann man allenfalls mand vorgestellt, und das war’s dann.“ Gerd sucht Vergnügen und Gefahr.“ schlechten Gewissens das Privat- Im Herbst 1994 holte der ange- Der zu Unrecht der Kühle verdäch- fernsehen jenen reifen Industrien zu- schlagene ORF den nunmehr auch tigte Neue gewann rasch Respekt: Er rechnen, wo starke Führungsfiguren

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an der Vervollkommnung von Pro- dukten und Prozessen arbeiten. Es beschleicht einen das unbe- stimmte Gefühl, dass Zeiler trotz sei- ner jahrelangen Verdienste um RTL unversehens die falsche, zumindest nicht mehr die ideale Besetzung war. „Der Wechsel ...“, dünkt es Zeiler, „Das hat ... seine innere Logik.“ Nun sind viele Kölner Bedienstete „traurig“. Und auch in Zeiler wühlt Trennungsschmerz: „Das loszulassen wird schon schwierig.“ Aber in Lu- xemburg findet der Mann erst einmal etwas mehr Ruhe, und für ihn erhöht sich auch der Gestaltungsspielraum.

nnerhalb der nächsten zwölf Mo- nate wird Bertelsmann den freien IAktionären der RTL-Gruppe wohl ein Übernahmeangebot machen und die Sendeanstalt von der Börse neh- men. Spätestens dann rückt Zeiler in den Bertelsmann-Vorstand ein. Wie es dann weitergeht mit seiner Karrie- re, ist freilich schwer vorauszusagen. Er ist als Nachfolger von Bertels- mann-Chef Gunter Thielen im Ge- spräch, der sein Amt 2007 zurück- gibt. Doch die Konkurrenz ist groß. Die Bertelsmann-Führung ist eine Auswahlmannschaft erstklassiger Leute, und irgendwie reicht die Fan- tasie nicht aus, sich dieses heimweh- kranke SPÖ-Mitglied in Gütersloh vorzustellen. Zeiler ist auch so ver- nünftig, dies gar nicht erst zu wollen – und so schlau, es nicht zu sagen. Österreichischer Bundeskanzler 2006, wie man in Wien spekuliert? „Ich nehm’ dazu nicht Stellung. Egal, was ich dazu sage, bringt das Thema wieder hoch.“ Dann sagt er: „Ich würde gern noch eine dritte Phase des Berufslebens haben, in der ich aus dem Manage- mentjob herausgehe und vielleicht wieder einen kleinen Sender selbst aufbaue oder etwas mit einer Produk- tionsfirma anfange, ohne das jetzt konkret nennen zu können. Viel- leicht gibt es irgendwann einen Fern- sehsender in Österreich ...“ War nur Spaß. Er winkt den Gedan- ken vorbei wie ein Polizist einen Schaulustigen. ◆ managermagazin 9/04 77