Eine bisher unbekannte Karte des oberen Teils des Zürichsees (um 1635) von Hans Conrad Gyger

Autor(en): Wyder, Samuel

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Cartographica Helvetica : Fachzeitschrift für Kartengeschichte

Band (Jahr): - (2012)

Heft 46

PDF erstellt am: 04.10.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-306485

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http://www.e-periodica.ch Eine bisher unbekannte Karte des Forum oberen Teils des Zürichsees um 1635) von Hans Conrad Gyger

Samuel Wyder

Vor einigen Monaten gelang es der Kar­tensammlung Höfe mit den Dörfern Wollerau, Freien­bach

der Zentralbibliothek Zü•rich, und Pfäffikon an Schwyz abtreten.

an einer Auktion ein Blatt zu erwer­ben, Ausser beim Frauenwinkel blieb das gan­ze

das irrtümlicherweise als «Gemäl•de Seegebiet bis zur Uferlinie bei Zürich, » angezeigt war. Dabei handelte es sodass die Stadt den Anstössern den Bau

sich aber um eine bisher unbekannte von Haben Anlage- und Umschlagstel­len) Karte von Hans Conrad Gyger 1599– für Handelsschiffe und den Einzug 1674) zu den Grenzstreitigkeiten der von Gebühren und Zöllen verhindern Kantone Zürich und Schwyz.1 Ihr Titel konnte. lautet Eigentlicher Grundriss des Oberen Von 1635 bis 1643 fanden zwischen

theils des Zürich Sees mit den nechst do­ran dem Landammann und dem Rat von ligenden Landtschafften, sambt den Schwyz respektive dem Bürgermeister Undermarchen, entzwüschent ermeltem und dem Rat von Zürich Verhandlungen

Zürich See, Und Unser Frauwen-Winckel, über den Grenzverlauf statt, wie 31 Do­kumente,

zugehörig dem Frstln.Gotshuss Einsidlen. 3 zwei- und mehrseitig be­schriebene H. C. Giger fecit.2 Blätter, Jurisdictionshandel

Das interessante Gebiet des Oberen Zü•richsees betr. Zürichsee und Frauenwinkel 1635–

mit und Lachen so­wie 1643 zeigen. Die Grenzkarte ist wohl in der Halbinsel Au und dem diesem Zusammenhang entstanden. ist in zarten Farben dargestellt und wirkt Nach Gygers Grenzkarte beanspruchte

auf den Betrachter tatsächlich wie ein Schwyz das Seegebiet bis zu der mit fei­nen

Gemälde aus der Vogelschau Abb. 1). Punkten eingetragenen Grenze, be­zeichnet

mit Deren von Schwytz unbe­fugte Ansprach, etwa entsprechend der Grenzkarte heutigen Seegrenze. Nach Zürcher Auf­fassung Die Karte diente einer Grenzbereinigung. verlief die Grenze von Bäch bis Am linken Kartenrand ist das Zürcher dem Ufer entlang, folgte Gebiet hellbraun und rechts davon das dann den eingezeichneten Pfählen von Gebiet von Schwyz in hellem Graugrün Nr.1 bis zu Nr. 13 am Rapperswilerdamm Riedflächen, die dem Kloster Einsiedeln

dargestellt. Gyger hat zahlreiche solche heute Dreiländerstein) und weiter dem gehörten. Auch nach dem 2. Villmerger­krieg,

Grenzkarten gezeichnet, zum Beispiel Ufer entlang um die Stadt Rapperswil he­rum in dem die Zürcher die be­setzten,

1640 die Karte des Saxerbergs und 1649 bis nach Feldbach. Diese Verhand­lungen blieb der Frauenwinkel beim

die Karte mit der Grenze zwischen Zürich brachten den Schwyzern wenig Kloster. Die Untiefen zwischen dem Zü•richsee

und Zug bei Kappel, wobei die unbestrit­tenen Erfolg, denn Zürich konnte sich auf die und dem waren reiche

Teile mittels verschiedenen Farben alten verbrieften Rechte stützen. Im gro­ssen Fischgründe, da gewisse Felchenarten zur hervorgehoben wurden. Umstritten war Kartengemälde vonGyger 1664/67) Laichzeit in den Obersee wanderten.

in der vorliegenden Karte die Grenze und nach dem Marchenbeschrieb4 ver•läuft Flechtwände aus Ruten, sogenannte Fa­chen,

zwischen Zürich und Schwyz im Seege­biet die Grenze weiterhin am Seeufer. leiteten das Wasser auf Reusen, in

wegen der Handelsschifffahrt nach 1712, im Friedensschluss des 2. Villmer­gerkriegs, denen die Fische eingesammelt wurden. Rapperswil und in den Obersee, sowie wurden sogar und die Die einzelnen Fachen konnten verkauft

wegen den Erträgen der Fischerei. ganze Landzunge des Rapperswiler See­damms oder verpachtet werden, und ihre Erträge

wegen seiner strategischen Be­deutung wurden besteuert. 1694 erreichten diese von den schwyzerischen Höfen Abgaben aus allen Fachen der Seeenge Grenze zwischen Zürich abgetrennt. Die Hoheitsrechte übernah•men 21740 Fische, was einem Gewicht von und Schwyz gemeinsam Zürich, Bern und Gla­rus, etwa 72,5 Zentnern entsprach.5 Kaiser Karl VI. verlieh den Bürgern von während der zürcherische Landvogt 1801, während der Helvetik, wurde der

Zürich am 31. März 1362 den unteren von Wädenswil die niedrige Gerichtsbar­keit Frauenwinkel vom damaligen Kanton Zürichsee bis hinauf zu den Hurden mit ausübte. in einer öffentlichen Versteigerung

Fischenzen, Dämmen und Nutzungen, an Karl Ludwig Curti aus Rapperswil ver­kauft.

wobei der sogenannte Frauenwinkel, der 1805 konnte ihn das Kloster zu•rückkaufen Der Frauenwinkel dem Kloster Einsiedeln gehörte, ausge­nommen und im Grundbuch von Frei­enbach

war. Zu Beginn des Alten Zü•richkriegs Unbestritten war das Seegebiet innerhalb als Privatbesitz eintragen. Heute

mussten die Zürcher nach ei­ner der Pfähle, im Frauenwinkel, mit den In­seln steht er unter Naturschutz. Niederlage am 15. Februar 1441 die Ufenau und Lützelau sowie den

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Abb. 1: Eigentlicher Grundriss des Oberen theils des Zürich Sees […]. Karte des oberen Teil des Zürichsees und des Frauenwinkels von Hans Conrad Gyger, um 1635. Massstab ca. 1:30 800, nordorientiert, Kolorierte Federzeichnung, Format: 57 x 35 cm Zentralbibliothek Zürich, Kartensammlung: MK 2006).

Schifffahrtsstreit zwischen Zü•rich und Schwyz 1766 bis 1796)

Die grösseren Transporte vom Bündner•land

nach Zürich und weiter limmatab•wärts

erfolgten soweit möglich mit Schif­fen, welche die enge Stelle zwischen

Obersee und Zürichsee passieren muss­ten. Da Zürich das ganze Seegebiet bis

Rapperswil und bis an die Uferlinien be­sass, entgingen Schwyz beträchtliche Einnahmen aus Zöllen. Schwyz versuchte die Hoheitsrechte im Seegebiet zu erlan­gen und bat die Tagsatzung in diesem Streit zu vermitteln. 1769 erneuerten Zürich und das Kloster Einsiedeln die Marchen im Frauenwinkel. Abb. 2: Grundriss der Marchen des sogenanten Frauenwinkels […] von J. Conr. Romer, 1769. Im Staatsarchiv Zürich liegt ein Plan Kolorierte Federzeichnung, Format: 60 x 48 cm Staatsarchiv Zürich: Plan N 88).

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Abb. 3: Eigentlicher Grundriss des oberen Theils ist ein feines Bleistiftnetz mit einer mit grossen Dreiecken die wich­tigsten des Zurich Sees […] und unser Frauenwinckel. Maschenweite von 2,9 cm zu sehen, das Fixpunkte festlegte. Kopie durch J. Gd. Keller 1776. Kolorierte Keller anlegte, um die Grenzkarte zu ko­pieren. Wie damals üblich, wurden die Ortschaf­ten Federzeichnung, Format: 30 x 19 cm Zentral- Die Lage Grenzsteine der einer etwas vereinfachten Schräg•ansicht bibliothek Zürich, Kartensammlung MK 633). der und in Grenzpfähle wurde exakt übernommen; gezeichnet und die Kirchen so­wie die Übertragung des Reliefs gelang aber wichtige Gebäude hervorgehoben.

nur teilweise. Die Abgrenzung der Land­zunge Das hügelige Gebiet beim und auf von Hurden vom schwyzerischen der andern Seeseite bei den Ausläufern

Abb. 2) fait par J. Conr. Romer:6 Grund­riss Gebiet der Höfe fehlt. des Pfannenstils stellte Gyger in helleren

der Marchen des sogenanten Frauen­winkels Am 6./8. Juni 1796 erfolgte schliesslich und dunkleren Farbtönen dar, wobei der

[…]. Geometrisch aufgenom­men der Schiedsspruch der Tagsatzung: Lichteinfall von unten links aus Südwes•ten)

von zwey darzu verordneten Ingeni­eurs Schwyz erhielt einige Zugeständnise, die erfolgte. Eine Ausnahme bildet der

vom Hochlobl. Stand Zürich einer­seits Zürcher Hoheit über den See bis zum bei Bolligen am Obersee mit und dem Fürstl.Gottshauss Einsidlen Uferband blieb aber weiterhin bestehen. einer Beleuchtung von oben links von

anderseits, den 12. Aprill 1769. Das mit Die Festlegung der heutigen Grenze er­folgte Nordwesten), sodass hier der flachere

Siegeln versehene Original behielt Zü•rich, erst im Staatsvertrag von 1841. Südhang schattiert erscheint. Die Relief­wirkung

während der Entwurf und das Mess­tischblatt, wird durch dichtere oder locke­re mit den gemessenen Winkeln Signaturen für den Wald verstärkt. Details zur neu entdeckten und Strecken, sowie eine farbige Zeich­nung Auch die Zeichnung der Hecken, der Grenzkarte Entwurff nach dem Augenmäss Zäune und der Entwässerungsgräben,

der Marckung des so genanten Frauen­winkels7 vor allem aber der Rebberge, mit den

im Klosterarchiv Einsiedeln auf­bewahrt Der mittlere Massstab, errechnet aus Parzellengrenzen in der Falllinie, nutzte werden. Diese Pläne zeigen, zwanzig Streckenmessungen, beträgt ca. Gyger zur Verdeutlichung des Reliefs dass die Marchen, das heisst die Pfähle 1:30800. Als sichere Endpunkte für die Abb. 4).

und die Grenzsteine, erneuert wurden, gemessenen Distanzen dienten die Kir­chen, Gygers Grenzkarte bildet gleichzeitig

jedoch keine Grenzverschiebungen statt­fanden. Kapellen sowie die Schlösser in eine thematische Karte, indem er die po­litischen An der Abschlussfeier nahmen Pfäffikon und Rapperswil. Da sie im Auf­riss Flächentöne im Zürcher Gebiet auf dem See 25 Personen, am Mittags­mahl dargestellt sind und das Papier der die Schattierung mit hellen Brauntönen, in Pfäffikon 50 Personen teil.8 Originalkarte naturgemäss einen Verzug und die Wälder mit grünen Pinseltupfen 1776 fertigte J. Gd. Keller9 von der aufweist, war eine exakte Messung nicht erzeugte, während er im Schwyzer- und

Grenzkarte von Gyger zwei Kopien an, möglich. Es hat Strecken, die auf 4 bis Rapperswilergebiet die grünen Farbtup­fen die heute in der Handschriftenabteilung 10% genau stimmen, beziehungsweise für den Wald kräftiger ausführte und

und in der Kartensammlung der Zentral­bibliothek zu kurz oder zu lang sind. Auffällig ist, zur Schattierung lichte Graugrüntöne aufbewahrt werden.10 Diese dass die Distanzen von der Kirche Stäfa verwendete. Entsprechend sind auch die

Dokumente wurden für weitere Ver­handlungen zu fünf auf der anderen Seeseite gelege­nen feinen, mit der Tuschfeder gezeichneten,

mit Schwyz gebraucht Punkten stimmen. Das zeigt, dass Linien hellbraun und hellgrau. Die politi­sche

Abb.3). An einzelnen Stellen des Origi­nals Gyger zuerst mittels graphischer Trian­gulation Zugehörigkeit ist gut sichtbar, ohne

48 Cartographica Helvetica, Heft 46, 2012 Anmerkungen 1 Im Register über herren Ambtmann Hans Forum Cuenradt Gygers sel. Riss und Schriften: Nr. 2: Unser Frauwenwinkel STAZH: B III 302 a und 302 b). 2 Gyger hat auch mit Giger, Geiger und Gey­ger unterschrieben. H. C. Giger fecit deutet

auf ein frühes Werk hin. Ab 1641, als Plan­zeichner der Stadt Zürich, unterzeichnete er seine Zürcherpläne nur noch selten. 3 STAZH: A 82. 4 Nach der Marchenbeschreibuung von Hans Conrad Gyger von 1664, S. 301 wurde die Landgrenze bei bereinigt und ge­setzt am 27.Sept. Anno 1634; auf S. 315 im Seengebiet sind diese Marchen bereiniget

und erneüert worden anno 1549 und her­nach auch anno 1563 den 8. October. STAZH: B III 302 a und 302 b. 5 Hug, Albert: Die Wirtschaftsstruktur der

Höfe Pfäffikon und Wollerau seit Begrün•dung

der Grundherrschaft des Klosters Ein­siedeln

965) bis zu Beginn des 17. Jahrhun­derts. In: Mitteilungen des Historischen Ver­eins des Kantons Schwyz 62, 1969. S.67. 6 Der Zürcher Hans Conrad Römer 1724– 1779) trat früh in sardinische Kriegsdienste ein. Nach seiner Rückkehr wurde er 1765

von der Stadt Zürich als Ingenieur-Haupt­mann eingestellt. Vgl. Kaiser, Markus: Hans Conrad Römers Rheingutachten von 1769. In: Werdenberger Jahrbuch 1990, S.44. 7 Klosterarchiv Einsiedeln: KAE Plan 1.0310.0009, Plan 1.0310.0010 und Plan 3.0001.0027. 8 Mitteilung von Pater Raymund Netzhammer, Abb. 4: Karte des oberen Teils des Zürichsees, Literatur 3. Nov. 1896 ans STAZH: Text zu Plan N 97.

Ausschnitt Rapperswil Rapperschwyl) aus Abb.1 J. wahr­scheinlich Buck, Damian:Das Stift Einsiedeln undder Frau­enwinkel. 9 Bei Gd. Keller handelt es sich sehr im Originalmassstab. In: Jahrbuch vom Zürichsee 1930. um J[unker] Gottfried Keller 1736– Buschow Oechslin, Anja: Der Bezirk Höfe. Die 1797), der als Offizier inholländischen Diens­ten Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz. Bern 2010. stand. Vgl. Hofmeister, Wilhelm: Genea­logische Styger, Martin: Die Hafengüter bei Richterswil Tabellen der Stadtbürgerschaft von

Handschriften­abteilung, und die Staatsgrenze zwischen Schwyz und Zü•rich. Zürich, Bd.7, S. 45 Kopie ZBZ Sign. LHS 95 AA 16). dass die Topographie beeinträchtigt In: Mitteilungen des Historischen Vereins des S. 10 MK 633 Kartensammlung) und Ms H 216, wird. Dank diesen feinen Farbabstufun­gen Kantons Schwyz 38 1931), 3–47. Wyder, Samuel: Grenz-, Zehnten- und Befesti•gungspläne nach Bl. 16 Handschriftenabteilung). das wirkt Kartenblatt naturähnlich, des Zürchergebiets von Hans Conrad fast wie – im Auktionsbeschrieb so fest­gehalten Gyger. Sonderheft 18 Cartographica Helvetica, Samuel Wyder, Dr., Geograph – ein Gemälde. Murten 2006. Eggenbergstrasse 12, CH-8127 Aesch / Forch

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Sonderheft 18 von Cartographica Helvetica Grenz-, Zehnten- und Befestigungspläne des Zürcher Gebiets von Hans Conrad Gyger 1599–1674) Faksimile-Ausgabe siehe Heft 43, S. 3–18): ] Autor: Samuel Wyder Manuskriptkarte der Schweiz, um 1657, von Hans Conrad Gyger 54 Seiten mit 51 farbigen Abbildungen, Format: 106 x 83 cm, Papier: 240g/m2, Druck: 4-farbig Format A4, broschiert Dokumentation: 20 Seiten, Format A4 Preis: CHF 25.00 (+ Versandkosten) Lieferung: plano in Kartonrolle, Preis: CHF 78.00 (+ Versandkosten)

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