Die VERBUND-Kraftwerke im Zillertal

Unter besonderer Berücksichtigung der Talverträge, die zwischen dem Land Tirol und der Tauernkraftwerke AG/ Verbund AHP geschlossen wurden, sowie einer schulischen Umsetzung im Rahmen der Elektrizitätswirtschaft in Tirol im Nationalsozialismus

DIPLOMARBEIT

Zur Erlangung des akademischen Grades

einer Magistra der Philosophie

eingereicht bei Univ.-Prof. Dr. Patrick Kupper Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie Philosophisch-Historische Fakultät Universität Innsbruck

von Christina Wechselberger 01315764 [email protected] Innsbruck, Mai 2018

DANKSAGUNG

An dieser Stelle möchte ich all jenen danken, die mich im Rahmen meiner Diplomarbeit unter- stützt und motiviert haben.

Zuallererst möchte ich mich für die geduldige und verständnisvolle Betreuung, für die hilfrei- chen Anregungen und die konstruktive Kritik bei meinem Diplomarbeitsbetreuer Herrn Univ.- Prof. Dr. Patrick Kupper herzlichst bedanken.

Da das Stoffgebiet sehr umfangreich ist und die notwendigen Unterlagen doch weiter ver- streut waren als gedacht, war ich sehr stark auf das Wohlwollen und die Mitarbeit verschie- dener Personen angewiesen. Da mir die Akteneinsicht in meiner Heimatgemeinde und ande- ren Institutionen aus teils unverständlichen Gründen verweigert wurde, gilt mein Dank all je- nen, die mir geholfen haben diese Unterlagen trotzdem zu beschaffen:

Herrn Bürgermeister von und Obmann des Planungsverband-Zillertal Hansjörg Jäger, der mir Sitzungsprotokolle zur Verfügung gestellt hat und mich über die Aufgaben des Gremiums des Zillertalvertrags informiert hat, wohl wissend, dass von anderen Seiten keine Akteneinsicht befürwortet wurde. Dieser sehr offenen und nicht vor Kritik scheuenden Hal- tung erweise ich meinen Respekt. In diesem Sinne ergeht mein Dank auch an Dr. Christoph Haidacher vom Landesarchiv Innsbruck, der mir den Talvertrag zukommen ließ und mich über die Folge- und Erweiterungsverträge aufgeklärt hat.

Ein besonderer Dank gebührt meiner Freundin Nina Nolte für die Zeit, die sie in das Korrek- turlesen meiner Arbeit investiert hat und meiner Freundin Lena Schöler, die sich immer wieder auf Diskussionen bezüglich meines Diplomarbeitsthemas einließ. Danke euch beiden!

Bedanken möchte ich mich auch bei meiner Familie und meinen Freunden, die während mei- nes Studiums immer für mich da waren.

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ...... 1 2. Die Entwicklung der Energieversorgung in Tirol ...... 7 2.1 Akteure der Stromwirtschaft im Zillertal ...... 9 3. Der Ausbau der Wasserkraft im Zillertal ...... 12 3.1 Einblick in die Baugeschichte: Von den Anfängen bis zum heutigen Stand ...... 12 3.1.1 Kraftwerksgruppe ...... 14 3.1.2 Kraftwerksgruppe Zemm/Ziller ...... 15 3.1.3 Zusammenfassung Kraftwerksgruppe Zillertal ...... 18 3.2 Diskussionen über weitere Ausbaumöglichkeiten ...... 19 3.3. „Kraftwerksbau rettet die Zillertalbahn“ ...... 22 3.4 Konflikte der Kraftwerksgesellschaften mit der Öffentlichkeit ...... 24 3.4.1 Beispielfall: Aktionsgemeinschaft „Rettet den Zillergrund“ ...... 24 3.5 Naturkatastrophen im Zillertal ...... 29 4. Allgemeines zu den Tal(schafts)verträgen ...... 30 5. Der Zillertalvertrag I von 1968/69 ...... 31 5.1 Inhalt ...... 33 5.2 Die Reaktion des Rechnungshofes ...... 35 5.3 Rechtliche Grundlagen ...... 38 5.4 Entschädigungsvereinbarungen mit den Gemeinden in den 1970er -80er Jahren ...... 40 5.4.1 Gemeinde ...... 40 5.4.2 Gemeinde Brandberg ...... 41 5.4.4 Gemeinde Gerlos ...... 42 5.4.5 Gemeinde Tux ...... 42 5.5 Entschädigungsvereinbarungen mit Privaten ...... 43 6. Der Erweiterungsvertrag von 1977 ...... 44 6.1 Inhalt ...... 44 7. Der Zillertalvertrag II von 2015 ...... 46 7.1 Vorgeschichte ...... 46 7.1.1 Projekt Untere Tuxbachüberleitung ...... 46 7.1.2 Projekt Rotholz ...... 50 7.1.3 Energiestrategie ...... 52

7.1.4 Behördenverfahren und „vorbelastetes Projektumfeld“ ...... 53 7.1.5 Gemeinschaftsprojekt ...... 54 7.2 Auswirkungen ...... 54 8. „Unmessbare“ Schäden als Deckmantel für den Wasserzins? ...... 56 9. Das Gremium des Zillertalvertrags ...... 58 9.1 Richtlinien für die Verwendung der Mittel aus dem Zillertalvertrag ...... 59 9.2 Projektübersicht 2007 – 2017 ...... 60 9.2.1 Bereich Wasser ...... 62 9.2.2 Bereich Umwelt ...... 65 9.2.3 Bereich Verkehr ...... 68 9.2.4 Bereich Tourismus...... 70 9.2.5 Bereich Elektrizität ...... 72 9.2.6 Bereich Soziales ...... 73 9.2.7 Bereich Bildung, Kultur und Freizeit ...... 74 9.3 Auswertung ...... 76 10. Fazit ...... 78 11. Umsetzung im Schulunterricht ...... 82 12. Literatur- und Quellenverzeichnis ...... 106 12.1 unveröffentlichte Quellen ...... 106 12.2 veröffentlichte Quellen...... 106 12.2.1 Zeitungsartikel ...... 107 12.2.2 Pressemeldungen ...... 108 12.3 Sekundärliteratur ...... 108 13. Abbildungsverzeichnis ...... 113 14. Abkürzungsverzeichnis ...... 113

1. Einleitung Dass die Wasserkraft in einem so hohen Ausmaß zur Energiegewinnung in Österreich genutzt werden kann, liegt hauptsächlich an der günstigen topographischen Lage des Landes.1 So leis- tet die heimische Wasserkraft einen wertvollen Beitrag zur Versorgungssicherheit und Selbst- ständigkeit der österreichischen Energieversorgung. Aktuell verfügt Österreich bereits über 3.000 Lauf- und Speicherkraftwerke, die pro Jahr 40 bis 45 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugen und ist damit Spitzenreiter in der Wasserkraftnutzung in Europa. 2 Laut dem Ener- giebericht von 2016 decken Wasserkraft und die sonstigen erneuerbaren Energien (vor allem Biomasse) zusammen bereits 77,9 % der inländischen Energieproduktion ab. 2005 waren es noch 72,0 %.3 Die Betriebsstatistik 2017 der Energie-Control zeigt, dass im Jahr 2017 rund 56 % der inländischen Bruttostromerzeugung (63.732 GWh) aus Wasserkraftwerken, wo- von 37 % auf Lauf- und 19 % auf Speicherkraftwerke entfielen, stammten.4 Dass sich Österreich gerade in einem „Wasser-Ausbauboom“ – wie bereits vor 50 Jahren – befindet, hängt wahrscheinlich auch mit der „Energiestrategie 2020“ zusammen. In dieser Energiestrategie wurden unterschiedliche Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Förderung erneuerbarer Energieträger ausgearbeitet, um den Anteil der erneuerba- ren Energieträger zu erhöhen.5 Insgesamt 34 % erneuerbare Energie soll Österreich im Ener- giemix erreichen. 2017 lag der Anteil der erneuerbaren Energie am gesamten Energiever- brauch in Österreich bereits bei über 33 %. Das bedeutet, dass bis 2020 ein deutlich höherer Anteil als 34 % erreicht werden kann.6 Großes Ausbaupotenzial besitzen laut Energiewirtschaft die Bundesländer Tirol, Salzburg, Kärnten und Steiermark. In Tirol im Einzugsgebiet des Inns befindet sich das größte Ausbaupotenzial. 7

Auch der Umweltschutz spielt im Zusammenhang mit dem Kraftwerksbau eine große Rolle: Von Seiten der World Wide Fund For Nature -Österreich (WWF) wird der Wasserkraft-Ausbau-

1 Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Energie in Österreich. Energieaufbringung und -verwendung in Österreich, S. 16. 2 Österreichs E-Wirtschaft, Die Welt der E-Wirtschaft, S. 10. 3 Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Energiestatus 2016, S. 7. 4 Daten sind exklusive Dezember 2017, geringfügige Differenzen in den Summen sind aufgrund von Rundungs- differenzen möglich. 5 Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Energie-Strategie Öster- reich. Grundlage für die Tiroler Energiepolitik. 6 EEÖ, Energiewende zum Guten wenden. 7 Litschauer Christoph, Mythos Wasserkraft. Glorifizierung und Wirklichkeit, S. 10. 1

boom in Österreich als eine Gefahr angesehen, welche „beträchtlichen ökologischen Scha- den“8 anrichten könnte. Hingegen spricht das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tou- rismus von einem Beitrag als Konjunkturmaßnahme zur Förderung der österreichischen Wirt- schaft und von der Schaffung dauerhafter Arbeitsplätze. Das heißt, laut Bundesministerium darf nicht nur die Wasserkraft selbst, sondern auch der damit verbundene Kraftwerksbau in Österreich durchaus positiv gesehen werden. Trotzdem werden die Errichtung neuer Anlagen und der Ausbau bestehender Anlagen immer schwieriger, da die Akzeptanz der Bevölkerung zusehend geringer wird.9 Das ist auch im folgenden Beispielfall Zillertal erkennbar.

Das Zillertal ist das breiteste südliche Seitental des Inntals im Bundesland Tirol. Das Tal zählt nicht nur zu den stärksten Tourismusdestinationen Österreichs (ca. 7 Mio. Nächtigun- gen/Jahr)10, sondern spielt auch in Sachen Wasserkraft ganz vorne mit. Natürlich sind diese zwei Punkte sehr stark miteinander verknüpft, denn ohne die Wasserkraft wäre der Tourismus im Zillertal nicht so stark ausgeprägt wie er heute ist. Im Grunde sind es die Kraftwerksgesell- schaften, die speziell den Tourismus im hinteren Zillertal ankurbelten. Erst als diese Land- schaftseingriffe vornahmen, entstanden Straßenstrecken bis in die hintersten Seitentäler (Gründe) des Zillertals. Nach und nach entwickelte sich das touristische Angebot und es ent- standen neben Wanderwegen, Staumauerführungen und Mautstraßen immer mehr Möglich- keiten zur Freizeitgestaltung. Durch diese Landschaftseingriffe kam es aber auch zu Wider- ständen von Seiten der Naturschützer, Gemeinden und Tourismusverbänden.

Der Naturschutz wird in dieser Arbeit nicht ausführlich behandelt, da es bereits sehr vollstän- dige, neu erschienene Publikationen zu diesem Thema gibt. Wie beispielsweise das im Jahr 2015 veröffentlichte Buch von Bätzing Werner Zwischen Wildnis und Freizeitpark: eine Streit- schrift zur Zukunft der Alpen oder die Monographie von Hufschmied Richard, Blöschl Günter und Ernst Wolfgang Mythen in der Energiewirtschaft Wunsch und Wirklichkeit: Umwelttagung des Vereins für Ökologie und Umweltforschung vom 15. bis 16. Oktober 2015 in Seebo- den/Kärnten, die 2017 erschien.

Die Wasserkraft des Zillertals wird im Vergleich zu anderen alpinen Regionen bereits zu einem sehr hohen Prozentsatz genutzt. Eigentümerin der größten Kraftwerksgruppen im Zillertal ist

8 Ebd. 9 Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, Erneuerbare Energien, elektr. Energie und Fernwärme. 10 Sabine Jahns, Das Zillertal im Überblick. 2

die Verbund Austrian Hydro Power Aktiengesellschaft (AHP), die stolze Besitzerin der Kraft- werksgruppe Zemm/Ziller sowie der Kraftwerksgruppe Gerlos ist. Doch auch die Tiroler Was- serkraft Aktiengesellschaft (TIWAG) ist im Zillertal mit fünf kleineren Kraftwerksanlagen ver- treten. Hinzu kommen noch privatisierte Kleinkraftwerke. Das Zillertal hat mehrere große Stauseen, die sehr wichtig für die Energieerzeugung sind. Hierzu gehören die Speicher Ziller- gründl, Stillupp, Gmünd, Durlaßboden und der Schlegeisspeicher.

INNSBRUCK

SÜDTIROL

Abbildung 1: Stauseen und Verbund-Kraftwerke im Zillertal Spätestens bis 2027 ist die neue EU-Wasserrahmenlinie, welche die Senkung der Wasser- Welle zugunsten der Fischbestände und des Ufers fordert, umzusetzen. Das bedeutet eine Senkung der Ausbeute der einzelnen Anlagen und ein Umdenken bzw. ein Vorausplanen der Kraftwerksgesellschaften. Die Anzahl der erneuerbaren Energieträger steigt und Pumpspei- cherkraftwerke gewinnen immer mehr an Bedeutung. Diese können die starken naturbeding- ten Leistungsschwankungen dieser Energieform abpuffern. Die bevorstehende Abschaltung weiterer Kernkraftwerke wird den Bedarf an elektrischer Energie weiterhin steigen lassen, wodurch auch die Projekte der Kraftwerksgesellschaften stetig mehr werden. So hat auch die Verbund AHP ihre neuen Projektplanungen für das Zillertal vorgestellt und bereits 2017 mit der Umsetzung eines Konzepts im hinteren Zillertal begonnen.

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„Wenn auch der elektrische Strom in seiner vielfältigen Anwendbarkeit, seiner Sauberkeit und Bequemlichkeit in der Nutzung unbestritten ist, so werden doch seine verschiedenen Erzeu- gungsmöglichkeiten von manchen Kreisen immer wieder kritisiert.“11 Dieses Zitat von Richard Widmann stammt zwar aus den 1980er Jahren, behält jedoch noch immer seine Gültigkeit. So kam es auch während des Kraftwerksbaus im Zillertals wiederholt zu Gegenbewegungen und Streitfällen. Der Umgang mit der Öffentlichkeit wird immer wichtiger für die Kraftwerksgesell- schaften und sogenannte „Talverträge“ sollen auch umstrittene und fragwürdige Projekte möglich machen. Den Talverträgen gilt eine kritische Betrachtungsweise – besonders dem Zil- lertalvertrag von 1969, der über längere Zeit vom Rechnungshof stark kritisiert wurde. Die Zillertaler Gemeinden profitieren immer noch stark von den Zahlungen aus dem Talvertrag, wie beispielsweise durch Begleichungen von Schäden durch Hochwasser, Fluss- und Straßen- regulierungen oder Direktzuschüsse an die betroffenen Gemeinden. Auch die berühmte Zil- lertalbahn wäre ohne den Kraftwerksbau im Zillertal schon vor einigen Jahrzehnten in Konkurs gegangen.12 Zusätzlich zum Zillertalvertrag I gab es einen Erweiterungsvertrag im Jahr 1977, mit dem sich die Tauernkraftwerke AG zu einer weiteren jährlichen Abfindung verpflichtete. 2015 folgte dann der Zillertalvertrag II, der aufgrund des Projekts Untere Tuxbachüberleitung angefertigt wurde. In den letzten zehn Jahren wurden laut Verbund-Geschäftsführer Amerer mehr als 130 Mio. Euro im Zillertal investiert. „Diese Investitionen sind nicht nur in Kraftwerks- anlagen geflossen, sie haben auch Wertschöpfung in der Region ausgelöst.“13

Untersuchungen sowie Auseinandersetzungen rund um den Ausbau der Wasserkraft in Öster- reich galten bisher meist den größeren Projekten wie der Kraftwerksgruppe Kaprun, die regi- onale Ebene wurde meist übergegangen. Auch der Sondertypus Tal(schafts)vertrag fand bis- lang in der Literatur sehr wenig Beachtung. So liegen über die Talverträge vom Ötz-, Ahrn-, Kauner-, Paznaun- und Zillertal bis jetzt noch keine größeren Ausarbeitungen vor. Generell liegt der Fokus dieses Themenfeldes meist nicht auf dem Westen Österreichs, sondern eher auf Hainburg und Zwentendorf, den energie- und umweltpolitischen Zäsuren der Zweiten Re- publik. Auch Kaprun wurde in diesem Zusammenhang ausführlich untersucht.14

11 Richard Widmann, Die Kraftwerksgruppe Zillertal, S. 186. 12 Pinzer Beatrix/Pinzer Egon, Zillertal. Gerlostal, Tuxer Tal, S. 50. 13 Christa Entstrasser-Müller, Zillertalvertrag II: Gemeinden profitieren von Wasserkraft. Bis heute 35 Millionen Euro für die Region - Partnerschaft wird fortgeführt und ausgebaut. 14 Patrick Kupper/Anna-Katharina Wöbse/Ute Hasenöhrl (Hrsg.), Geschichte des Nationalparks Hohe Tauern. 4

Überblicksliteratur zum Ausbau der Wasserkraft im Zillertal findet man hauptsächlich in der Zeitspanne der 1960er bis -90er Jahre. Über Projekte, die nach der Jahrtausendwende begon- nen bzw. fertiggestellt wurden, gibt es keine Literatur. Informationen zur Baugeschichte der Kraftwerksgruppe Zillertal gibt es im Sammelband Vertrauen in die Kraft des Wassers vom Herausgeber Gerhard Koska aus dem Jahr 1987 sowie in der Diplomarbeit von Eva Abendstein Die Auswirkungen des Ausbaus der Wasserkraft im Zillergrund/Tirol. Räumlicher Wandel – Re- gionale Entwicklungsimpulse – Images aus dem Jahr 1992. Die neueren Pläne und Umsetzun- gen der TKW sind darin nicht mehr enthalten, diese Informationen findet man nur auf der Verbund-Website oder in diversen Zeitungsartikeln.

Die Darstellung über die Konflikte zwischen der Kraftwerksgesellschaft und der Bevölkerung, zu welchen es beispielsweise beim Projekt Rotholz kam, stützt sich ebenfalls hauptsächlich auf Zeitungsberichte, Gemeinderatsprotokolle oder Presseaussendungen der Verbund AHP. All- gemeinere Auskünfte über die Zusammenarbeit der Kraftwerksgesellschaft mit der Öffentlich- keit sind hingegen in Koskas Sammelwerk zu finden sind. Hier muss allerdings das Erschei- nungsjahr (1987) beachtet werden.

Die Quellenrecherche für das Hauptstück der Arbeit – der Zillertalvertrag I und seine Folge- verträge – stellte sich als langwierig und schwierig heraus, da gewisse Verträge im Gemeinde- archiv nicht auffindbar waren oder beispielsweise aufgrund der 30-jährigen Schutzfrist bei ei- nem weiteren Ergänzungsvertrag aus dem Jahr 1990 keine Einsicht möglich war.15 Zudem stellten die Verbund AHP sowie die TKW nur jene Informationen zur Verfügung, welche auch auf deren Website zu finden sind. Für weitere Auskünfte betreffend den Talvertrag musste ich mich an das Gremium des Zillertalvertrags16 wenden. Der Zillertalvertrag I wird zwar in einigen Schriftstücken, die die Kraftwerke der Verbund AHP zum Thema haben, kurz erwähnt, aber es sind immer dieselben knappen Informationen darin zu finden. Das einzige Schriftstück, das sich intensiver mit dem Vertrag auseinandersetzt, ist die Diplomarbeit von Markus Kostner mit dem Titel Rechtliche und politische Rahmenbedingungen der Errichtung eines Wasserkraft- werkes am Beispiel des Zillerkraftwerkes (2. Ausbaustufe). Diese wurde im Dezember 1984

15 Der Ergänzungsvertrag umfasst vier Seiten und unterliegt gemäß § 9 Abs. 1 des Tiroler Archivgesetzes der 30- jährigen Schutzfrist. Diese Schutzfrist kann von der Behörde gemäß § 10 Abs. 5 und 6 nach Einholung eines Fachgutachters verkürzt werden. Da dieses Procedere einige Zeit in Anspruch nimmt, wäre es bis zum Abgabe- termin dieser Arbeit nicht mehr möglich gewesen, eine Einsicht zu bekommen. 16 Dieses wird in Kapitel 9 vorgestellt. 5

veröffentlicht und beschäftigt sich auf ca. 30 Seiten mit den rechtlichen Grundlagen des Ver- trags sowie mit den auftretenden Problemen beim Vertragsabschluss. Interessant ist sein ju- ristischer Blickwinkel auf die Vereinbarungen der Vertragspartner mit den einzelnen Gemein- den und der kurze Einblick in den Rechtsstreit, der nach dem Bericht des Rechnungshofes im Jahr 1982 folgte. Auf die allgemeineren Auswirkungen des Vertrags auf das Zillertal geht Kost- ner in seiner Diplomarbeit nur flüchtig ein.

Ähnlich verhält es sich mit dem Schriftgut zum Zillertalvertrag II von 2015 aus. Für diese Bear- beitung habe ich Presseaussendungen, Infomaterial und Zeitungsartikel herangezogen, diese miteinander verglichen und ausgewertet. Literatur zu diesem Vertrag ist noch nicht vorhan- den.

Informationen zu den Auswirkungen und Geldmittelverwendungen stützen sich in meiner Ar- beit auf die Sitzungsprotokolle des Zillertalvertrags-Gremiums aus den Jahren 2007 bis 2017, welche ich vom Gremiumsmitglied, Planungsverbandsobmann des Zillertals und Bürgermeis- ter von Ried im Zillertal Herrn Hansjörg Jäger auf vertraulicher Basis zur Verfügung gestellt bekommen habe. Ohne diese Unterlagen könnten die Auswirkungen des Talvertrags in dieser Diplomarbeit nicht in einem solchen Ausmaß bearbeitet werden.17 Für die Ausarbeitung des fachdidaktischen Teils wurde die Monographie von Horst Schreiber Wirtschafts- und Sozialge- schichte der Nazizeit in Tirol von 1994 herangezogen, in welcher genauer auf die Elektrizitäts- wirtschaft in Tirol zu Zeiten des Nationalsozialismus eingegangen wird.

Diese Arbeit beschäftigt sich hauptsächlich mit den Kraftwerksprojekten im Zillertal, die seit den 1930er Jahren umgesetzt wurden. Der Fokus liegt dabei auf den 1960er und -70er Jahren. In dieser Zeitspanne liegen sowohl die Vorgeschichte des Zillertalvertrag I als auch die ersten erkennbaren Auswirkungen. Es soll den Fragen nachgegangen werden, warum es zum Talver- trag von 1969 gekommen ist und wie dieser sich auf das Tal und seine Bevölkerung auswirkte. Dabei wird auch die rechtliche Seite des Vertrags genauer untersucht und mit den Rechnungs- hofberichten in Verbindung gebracht. Grund dafür ist ein Rechtsstreit, der Mitte der 1970er Jahre rund um den Vertrag ausgebrochen ist. Zudem wird auf folgende zwei Vertragsab- schlüsse eingegangen: den Erweiterungsvertrag von 1977 und den Zillertalvertrag II von 2015. Vertragspartner aller drei Verträge waren das Land Tirol und die TKW bzw. Verbund AHP.

17 Vielen herzlichen Dank nochmals an dieser Stelle. 6

In dieser Diplomarbeit wird zu Beginn die Entwicklung der Energieversorgung in Tirol aufge- zeigt. Anschließend wird mithilfe einer kurzen Vorgeschichte erklärt, warum so viele Gesell- schaften, wie TIWAG, Verbund AHP, TKW und AEW, mit dem Kraftwerksbau im Zillertal in Ver- bindung stehen. Es folgt eine genauere Betrachtung der Baugeschichte der Kraftwerksgruppe Zillertal, um im Weiteren auf die Geburtsstunde des Zillertalvertags I, des Erweiterungsver- trags und des Zillertalvertrags II sowie auf die Auswirkungen und die Geldmittelverwendungen einzugehen. In diesem Zusammenhang werde ich mich auch mit der Kritik an den Talverträgen auseinandersetzen. Im Anschluss werden die Aufgabenbereiche des Gremiums des Zillertal- vertrags beleuchtet und die Projektunterstützungen aus den Jahren 2007 bis 2017 aufgezeigt. Diese Zeitspanne wurde deshalb gewählt, da mir Sitzungsprotokolle des Gremiums, diesen Zeitraum betreffend, vom Planungsverbandsobmann des Zillertals Hansjörg Jäger zur Verfü- gung gestellt wurden. In einem abschließenden Themenblock werden die Erkenntnisse rund um den Kraftwerksbau im Zillertal auf ihre Brauchbarkeit im Schulunterricht untersucht, um diese in einer kritisch-konservativen Unterrichtssequenz mit dem Thema Elektrizitätswirt- schaft in Tirol im Nationalsozialismus umzusetzen.

2. Die Entwicklung der Energieversorgung in Tirol Nicht umsonst wird der Rohstoff Wasser als „Blaues Gold“ bezeichnet und Tirol besitzt vor allem durch seine Lage inmitten der Alpen sehr viel von diesem Gold. Dies und die Distanz zu fossilen Brennstoffen führte in Tirol sehr früh zum Bau von Wasserkraftanlagen. Im Jahr 1888 entstand am Mühlau bei Innsbruck die erste Anlage zur Erzeugung elektrischer Energie in Tirol. Seit dem ersten Weltkrieg war die Nutzung der Wasserkraft im Zillertal Gegenstand diverser Planungen, zur Umsetzung dieser Projekte kam es jedoch erst Ende der 1920er Jahre.18

1903 wurde das Sillwerk in Innsbruck sowie Anlagen an der Trisanna, am Vomperbach und am Plannsee errichtet. Das Sillkraftwerk war damals das größte Wasserkraftwerk der österrei- chisch-ungarischen Monarchie. Durch den Bau des Achenseekraftwerks im Jahr 1924 eröffne- ten sich dem Ausbau der Tiroler Wasserkraft neue Dimensionen. Mit einer Leistung von 40 und später dann 80 MW war es über 20 Jahre lang das größte Speicherkraftwerk in Österreich. Da dieses Kraftwerk viel mehr Strom produzierte, als die Tiroler damals verbrauchen konnten, wurde eine energiewirtschaftliche Zusammenarbeit mit Bayern beschlossen und 1926 durch

18 Eva Abendstein, Die Auswirkungen des Ausbaus der Wasserkraft im Zillergrund. Tirol: räumlicher Wandel; regionale Entwicklungsimpulse; Images, S. 26. 7

einen Stromlieferungsvertrag mit der Bayernwerk AG besiegelt. So entstand von über Innsbruck nach Bayern die erste grenzüberschreitende 110 kV-Leitung.19

Obwohl der Wasserausbau in Zeiten der Wirtschaftskrise und der darauffolgenden Kriegsjahre eingeschränkt war, kam es 1941 zur Inbetriebnahme des ersten Kraftwerks am Inn. Das erste größere Niederdruckkraftwerk Tirols in Kirchbichl erreichte damals eine Leistung von 134 GWh.20 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Ausbaupotenzial der Wasserkraft im Zillertal, Kaunertal und in Osttirol fokussiert. So entstanden neben einer Reihe von kleineren und mitt- leren Anlagen auch die zwei Großanlagen: die Kraftwerksgruppen Sellrain-Silz und Zillertal. Wolfgang Pircher erkannte 1988, dass diese Großanlagen an „die Obergrenze des im alpinen Wasserkraftausbau noch Möglichen“ heranreichen würden.21 Nun – 30 Jahre später – könnten wir uns fragen, ob das Ausbaupotenzial der Wasserkraft in Tirol bereits ausgeschöpft ist.

Im Jahr 2011 wurde unter Einbeziehung verschiedenster Experten für das Land Tirol eine Po- tenzialstudie erarbeitet. Unter der Berücksichtigung, dass für die Wasserkraftnutzung 50 % des gesamten Wasserpotenzials als „integrativ-sinnvoll“ gelten, wurde für das Land Tirol eine Jahresproduktion von 4.300 GWh berechnet.22 Diese Studie kann nicht nur zur Quantifizierung des noch verfügbaren Wasserkraftpotenzials in Tirol genutzt werden, „sondern auch zur Lo- kalisierung der für die Wasserkraftnutzung besten Gewässerabschnitte, je nach gewählten Ge- sichtspunkten“23. Überdies wurde im selben Jahr eine „Deklaration über ein gemeinsames Verständnis zur künftigen Wasserkraftnutzung in Tirol“24 vom Landeshauptmann Günther Platter und den beiden Stellvertretern Anton Steixner und Hannes Gschwentner unterzeich- net, in welcher die Teilziele des Landes Tirol für das Jahr 2036 festgelegt wurden. Bis 2036 soll „das nutzbare Wasserkraftpotenzial des Landes Tirol (rund 7.000 GWh) zu 40 % auf Basis was- serwirtschaftlicher Regionalprogramme energiewirtschaftlich genutzt werden“.25

In Tirol werden bereits seit der Jahrtausendwende Modernisierungen bei bestehenden Was- serkraftwerken vorgenommen, um das österreichische 34 %-Ziel im Jahr 2020 zu erreichen.

19 Ebd., S. 16. 20 Tentschert Ewald, Die Baugeologie im Wasserkraftbau Tirols, S. 237. 21 Wolfgang Pircher, Österreichs alpine Wasserkraft am Beispiel Tirols, S. 129–170. 22 ILF Beratende Ingenieure, Wasserkraft in Tirol. Ermittlung des noch verfügbaren Wasserkraftpotenzials in Tirol, S. 101. 23 Ebd. 24 Deklaration vom 15.3.2011, Gemeinsames Verständnis zur künftigen Wasserkraftnutzung in Tirol. 25 Amt der Tiroler Landesregierung, Tiroler Energiemonitoring-Bericht 2015. Statusbericht zur Umsetzung der Tiroler Energiestrategie, S. 31. 8

Außerdem kam es auch zur Reaktivierung von bereits stillgelegten Wasserkraftanlagen.26 Laut dem Tiroler Energiemonitoring-Bericht trägt Tirol überdurchschnittlich zum Erreichen des ös- terreichischen Energieziels bei.27 Durch den Ausbau der Wasserkraft wird die Stromproduk- tion in Tirol erhöht, wobei laut der Umweltanwaltschaft Tirol auf der Verbraucherseite eher ein gegenläufiger Trend zu verzeichnen ist.28

2.1 Akteure der Stromwirtschaft im Zillertal Die Tiroler Wasserkraft AG (TIWAG) ist das größte Energieversorgungsunternehmen in Tirol. Sie befindet sich seit 1947 in vollständigem Besitz des Landes Tirol und trägt die Verantwor- tung für die Stromversorgung des Bundeslandes. Gegründet wurde die Aktiengesellschaft 1924 von der Stadt Innsbruck, dem Land Tirol und einem Bankenkonsortium, mit dem Auftrag, das Achenseekraftwerk zu errichten.29 Die TIWAG besitzt neun große und 34 kleinere bzw. mittlere Kraftwerke, welche gemeinsam eine Werkleistung von 1.540 MW erbringen.30

Im Zillertal befinden sich zurzeit fünf Kleinkraftwerke im Besitz der TIWAG: Finsing I, Finsing II (beide Gemeinde ), Gmünd (Gemeinde Gerlos), Sidan (Gemeinde ) und La- nersbach (Gemeinde Tux).

Bis zum Jahr 1953 zählte auch die Unterstufe des Kraftwerks Gerlos zum Eigentum der TIWAG, welches während des Zweiten Weltkriegs mithilfe von mindestens 500 Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen errichtet wurde. Wichtig für die Realisierung dieses Projekts war die Fusion mit der Zillertaler Kraftwerke AG 1934 und die Tatsache, dass die vom reichseigenen deut- schen Staatskonzern gegründete Alpenelektrowerke AG (AEW) im Dritten Reich bis zu 98 % der Anteile an der TIWAG hatte. Die AEW war eine Elektrizitätsgesellschaft, die die „Germani- sierung“ und das Vorantreiben der Tiroler Wirtschaft ab dem Jahr 1938 zum Ziel hatte. Sie sollte neue Kraftwerke in Tirol bauen und die erwirtschafteten Kapazitäten ins Großdeutsche Reich transportieren. Daher wurde eine 110 kV Leitung vom Achensee-Kraftwerk zum Innwerk nach Töging gebaut, um die in Tirol erzeugte Energie der deutschen Aluminiumindustrie zur

26 Amt der Tiroler Landesregierung, Wasserkraft in Tirol - Kriterienkatalog. Kriterien für die weitere Nutzung der Wasserkraft in Tirol, S. 166. 27 Amt der Tiroler Landesregierung, Tiroler Energiemonitoring-Bericht 2015, S. 34. 28 Umweltanwaltschaft Tirol, Energiewirtschaftliche und ökologische Aspekte der Wasserkraft in Tirol. 29 TIWAG-Tiroler Wasserkraft AG, Die Tiroler Wasserkraft und ihre Konzerngesellschaften. Daten und Fakten 2001. 30 Dass., KRAFTWERKSPARK. Unsere Kraftwerke im Überblick. 9

Verfügung zu stellen. Tirol lieferte bereits in der Zwischenkriegszeit einen Großteil des erzeug- ten Stroms nach Deutschland, wie beispielsweise das Achensee-Kraftwerk, das fast die gesam- ten Erzeugnisse nach Bayern exportierte. Eine innerösterreichische Verbindungsleitung gab es zu dieser Zeit noch nicht.31 Horst Schreiber schreibt hierzu:

„Die Zuordnung Tirols zum Energiebezirk Bayern, der Bau Tiroler Großkraftwerke für den Stromexport und die absatzmäßig einseitige Orientierung nach Deutschland wa- ren für die Tiroler Elektrizitätswirtschaft kein Bruch, der Nationalsozialismus zemen- tierte diese Struktur nur und verstärkte die Ausplünderung der Tiroler Wasserkräfte in einem bis dahin unbekannten Ausmaß.“32

In der NS-Zeit war die gesamte Elektrizitätswirtschaft Tirols in den Händen großdeutscher Wirtschafts- und Profitinteressen, die Investitionen in dieser Zeitspanne waren eine wichtige Basis für die rasche Expansion der E-Wirtschaft nach 1945. Erst mit dem 2. Verstaatlichungs- gesetz33 von 1947 ging ein Großteil der Elektrizitätswerke in das Eigentum der Länder über. Durch den Gesetzesbeschluss sollte der „gesamten österreichischen Elektrizitätswirtschaft ein Organisationsstatus gegeben werden“34. Infolgedessen wurde im selben Jahr die Verbund AG als Österreichische Elektrizitätswirtschafts-Aktiengesellschaft gegründet. Sie war als Nachfol- gekonzern der AEW gedacht und zu ihren Aufgaben gehörten neben Planung, Bau und Betrieb von Großkraftwerken auch der Betrieb des überregionalen Stromnetzes (=Verbundnetz). Ur- sprünglich war die Verbund AG gänzlich im Eigentum des Bundes. Nach einer Novellierung des Verstaatlichungsgesetzes in den 1980er Jahren konnte sie teilprivatisiert werden, jedoch mussten 51 % der Anteile beim Bund verbleiben.

Durch das Verstaatlichungsgesetz wurden aus Großkraftwerken Sondergesellschaften, welche mit Mehrheit dem Bunde (Verbundgesellschaft) unterstellt waren und von der Verbund AG treuhändig verwaltet wurden. Die Sondergesellschaften waren laut Verstaatlichungsgesetz für das Errichten und den Betrieb der Großkraftwerke für die überregionale Versorgung zustän- dig.

31 Horst Schreiber, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Nazizeit in Tirol, S. 68. 32 Ebd., S. 68 f. 33 Bundesgesetzblatt Nummer 81, 26.3.1947. 34 Ralf Radacher, Der Einsatz von Speicherkraftwerken im Rahmen der Elektrizitätsversorgung: ökonomische und institutionelle Probleme am Beispiel der Tauernkraftwerke AG (TKW), S. 23. 10

„Die heute schon bestehenden oder in Angriff genommenen Großkraftwerke sind in folgenden Gruppen an je eine Sondergesellschaft zu übertragen (§ 8): a) die Kraftwerke Bösdornau, Gerlos und Kaprun mit den sie verbindenden Leitungen samt zugehörigen Umspannwerken […]“35

So kam es, dass am 1.8.1947 die Tauernkraftwerke AG (TKW) als eine dieser Sondergesell- schaften gegründet wurde. Die Verbundgesellschaft war mit 91,5 % Hauptaktionär der TKW. Die restlichen 8,5 % waren im Besitz der Bundesländer Wien (6,5 %), Salzburg (1,6 %) und Tirol (0,4 %). Ihre Aufgabe war es, die Wasserkraft im Zillertal und in den Hohen Tauern mithilfe von Großkraftwerken zu nützen und damit zur Versorgungssicherheit des Landes beizutragen. Zur Übernahme der Kraftwerke der TKW kam es jedoch erst im Jahr 1953, da sich ein Großteil der TIWAG-Aktien im Besitz der deutschen AEW befanden, was zu einem Rückstellungsver- fahren führte.36

Das Aktienkapital der TKW betrug zu Beginn 40 Mio. Schilling, Eigentümer dieser Aktien war die Republik Österreich. Das in den 1960er Jahren ausgeführte Projekt der Kraftwerksgruppe Zemm ging weit über den österreichischen Strombedarf hinaus, deshalb suchte die TKW nach einem ausländischen Partner und fand diesen mit der Energie-Versorgung Schwaben AG. Diese Vertragsbindung dauerte bis in das Jahr 2002 an.37

In den 1980er Jahren erwarb die Verbund AG die Anteile der Republik Österreich an den Son- dergesellschaften, darunter war auch die TKW. Rechtlich gesehen war die TKW selbstständig, die wesentlichen Entscheidungen unterlagen aber der Grundsatzpolitik der Verbundgesell- schaft. „Zum Zwecke der bestmöglichen Ausnutzung der in der Verbundgruppe vorhandenen Erzeugung- und Verteilanlagen für elektrische Energie“ wurde zusätzlich zum Verstaatli- chungsgesetz ein Poolvertrag geschlossen.38 Bei diesem Vertrag zwischen der Verbundgesell- schaft und den einzelnen Sondergesellschaften handelte es sich um einen Kostenerstattungs– und Gewinnverteilungsvertrag.

35 Bundesgesetzblatt Nummer 81, 26.3.1947. 36 Heimo Kandolf, 40 Jahre Tauernkraftwerke AG. Der Weg der TKW von Kaprun ins Zillertal, S. 23. 37 Ebd., S. 10. 38 Andreas Bachmayr, Tauernkraftwerke AG, S. 36. 11

„Im Rahmen dieses Vertrages stellt die TKW der Verbundgesellschaft im Wesentlichen die gesamte in ihren Kraftwerken erzeugte Energie (außer Eigenbedarfsanlagen) zur Verfü- gung. Sie erhält für ihre Stromlieferung die buchungsmäßigen Aufwendungen ersetzt und einen Anteil aus dem Überschuß des Pools am Stromgeschäft.“39

So wurden die jährlichen Stromerzeugungskosten dem Vertrag entsprechend vom Pool ver- gütet und ein verbleibender Überschuss wurde „im Verhältnis des im Betrieb befindlichen Ei- genkapitals der einzelnen Poolpartner“40 aufgeteilt. 1999 ging die TKW durch Fusion mit der Österreichischer Donaukraftwerke AG (Donaukraft), der Verbundkraft Elektrizitätswerke GmbH und der Vorarlberger Erdgas GmbH (VEG) in die neu gegründete VERBUND - Austrian Hydro Power AG (AHP) über, welche eine Tochtergesellschaft der Verbund AG ist.41

3. Der Ausbau der Wasserkraft im Zillertal 3.1 Einblick in die Baugeschichte: Von den Anfängen bis zum heutigen Stand Das Studienbureau der österreichischen Staatsbahnen verfasste bereits 1907 erste Projekte für den Ausbau der Wasserkraft im hinteren Zillertal, da die großen Quellbäche wie Ziller, Tuxbach, Stilluppbach, Tuxbach und Gerlosbach alle in über 3000 m Höhe entspringen und sich im Raum Mayrhofen (600 m) vereinigen.42 Gleichzeitig wurde ein Entwurf ausgearbeitet, der später der Bauunternehmung Dyckerhoff & Widmann als Grundlage für weitere Pläne die- nen sollte. 1913 kam es zu einem Einvernehmen zwischen den österreichischen Staatsbahnen und dem Bauunternehmen bezüglich des Kraftwerksausbaues im hinteren Zillertal, doch mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurden die Absichten zunichtegemacht. Mit dem Kriegsende gab es wieder neue Bewerbungen von verschiedenen Gruppen (Stadt , Ingenieure, Zil- lertalbahn) für die Nutzung der Wasserkräfte. 1922 war das Geburtsjahr der Zillertalerkraft- werke AG, die ein Jahr später das Wasserrecht für die Benützung des Tux-, Zemm- und Stilluppbaches ergatterte. Nun wurde das Projekt der Firma Innerebner und Mayr, das den Ausbau der genannten Bäche in der untersten Gefällstufe vorsah, umgesetzt.43 1928 hieß es in der Zeitschrift Die Wasserwirtschaft:

39 Radacher, Der Einsatz von Speicherkraftwerken im Rahmen der Elektrizitätsversorgung, S. 28. 40 Österreichischer Rechnungshof, Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über die Tauernkraftwerke AG, S. 5. 41 AEIOU, Tauernkraftwerke AG, TKW. 42 Max Pernt, Das Kraftwerk am Zemm- und Tuxbach im Zillertal (Tirol). 43 Ebd. 12

„Die Wasserkräfte [im Zillertal] sollen 51 000 PS und 191 Mio kWh jährlich liefern, wo- gegen das Achenseewerk bei vollem Ausbau nur 165 Mio. kWh jährlich liefert. Es sind Verhandlungen im Zuge, um zwischen der `Tiwag´ und der Zillertaler Kraftwerke A. – G. eine Zusammenarbeit auf wasserwirtschaftlichen Gebiet sowie auf dem Gebiet des Stromverkaufs und des Transports der elektrischen Energie zu finden.“44

1930 konnte ein Teil dieses Konzeptes durch die Zillertaler Kraftwerks AG und deren Inbetrieb- nahme des Kraftwerks Bösdornau und des kleinen Zwischenwerkes Tuxbach umgesetzt wer- den.45 Im Laufkraftwerk Tuxbach wurde die Gefälldifferenz zwischen Tux- und Zemmbach ge- nutzt, da dieser aus geologischen Gründen zwanzig Meter tiefer gefasst werden musste. Zu dieser Zeit kam das Kraftwerk Bösdornau durch die Nutzung der beiden Bäche auf eine Ge- samtleistung von elf MW.46

Ein in den 30er Jahren entstandener Entwurf für die Nutzung des oberen Zillers wurde damals noch nicht verwirklicht. Der in Bösdornau gewonnene Strom war primär für die Elektrifizierung der Zillertalbahn gedacht, jedoch brachte die Tausendmarksperre einen drastischen Rückgang des Tourismus mit sich und demzufolge auch große finanzielle Probleme für die Zillertaler Kraftwerke AG.47 Aufgrund der Tausendmarksperre der deutschen Regierung im Jahr 1933 mussten die deutschen Staatsbürger 1.000 Mark bezahlen, um eine Ausreiseerlaubnis für das Nachbarland Österreich zu erhalten. Das nationalsozialistische Deutschland versuchte damit die Regierung in Wien unter Druck zu setzen – es folgte eine Schwächung des österreichischen Tourismus, der schon damals ein wichtiger Wirtschaftszweig war.48

Aufgrund der schlechten Wirtschaftslage der Zillertaler Kraftwerks AG gingen die Kraftwerke Bösdornau und Tuxbach 1939 in den Besitz der Tiroler Wasserkraftwerke AG (TIWAG) über, deren Aktienkapazität sich zu 97,7 % in den Händen der AEW befand.49 In den folgenden Jah- ren wurde der Stilluppbach hinzu gefasst, wodurch sich die Turbinenleistung auf 25 MW er- höhte.50 Ein Teil der elektrischen Energie ging an das Magnesitwerk im Tuxertal und die Be- völkerung des hinteren Zillertals. Der Absatz der überschüssigen Energie wurde über die 110

44 Zillertaler Kraftwerke A.-G., in: Wasserwirtschaft 21 (1928), Nr. 17, S. 317–318, hier S. 318. 45 Pinzer Beatrix/Pinzer Egon, Zillertal, S. 59. 46 Widmann, Die Kraftwerksgruppe Zillertal, S. 174. 47 Pinzer, Zillertal, S. 59. 48 Gert Dressel/Günter Müller, Geboren 1916. Neun Lebensbilder einer Generation, S. 454. 49 Schreiber, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Nazizeit in Tirol, S. 70. 50 Bachmayr, Tauernkraftwerke AG, S. 26. 13

kV-Leitung von Jenbach zur Aluminiumhütte Töging in Bayern geleitet. Der Ausbau der Kraft- werke wurde auch während des Zweiten Weltkriegs fortgesetzt. So kam es auch zur Nutzung der unteren Gefällstufe des Gerlosbaches.51

3.1.1 Kraftwerksgruppe Gerlos Am südlichen Ende der Ortschaft Rohrberg im Zillertal befindet sich das Speicherkraftwerk Gerlos. Dieses wurde in mehreren Ausbaustufen zwischen 1939 und 2007 gebaut und saniert. Im Jahr 1939 begann die TIWAG unter Mitwirkung der AEW mit dem Bau der Unterstufe des Gerloskraftwerks. 1941 waren dort ca. 800 Arbeiter beschäftigt, von denen ca. 400 bis 500 „Ausländer“ waren. Im Zwangsarbeiterlager in Gerlos lebten ca. 520 Fremdarbeiter und Kriegsgefangene. Der TIWAG gelang es trotz kriegsbedingter Verzögerungen und Problemen die Bauvorhaben voranzutreiben. Dies ist mitunter auf den massiven Zwangseinsatz von „Aus- ländern“ zurückzuführen.52 Neben dem Gerloskraftwerk entstand ein kleiner Wochenspeicher in Gmünd mit einer erstmals in Österreich errichteten 39 m hohen Gewölbemauer.53 Aufgrund von Brüchen und Isolationsschäden konnte das Gerloskraftwerk erst Ende 1948 in Betrieb ge- nommen werden. Der geplante Jahresspeicher Durlaßboden musste wegen ungeklärter Be- sitzverhältnissen nach dem Zweiten Weltkrieg retardiert werden.54

Für den Bau und Ausbau des Kraftwerks Bösdornau, des Tuxbach-Zwischenwerks und des Kraftwerks Gerlos war zu Beginn die TIWAG verantwortlich, erst das zweite Verstaatlichungs- gesetz von 1947 sah vor, dass diese Kraftwerke an die TKW zu übertragen sind. 1963 bis 1967 gab es das erste Projekt der TKW: den Bau einer Oberstufe für das in Rohrberg bestehende Gerloskraftwerk. Diese bestand aus dem 50,7 Mio. m³ großen Jahresspeicher Durlaßboden und dem Kraftwerk Funsingau, von welchem die Energie über eine 14 km lange 110 kV Frei- leitung zum Umspannwerk Gerlos abgeleitet wurde.55

51 Abendstein, Die Auswirkungen des Ausbaus der Wasserkraft im Zillergrund, S. 26. 52 Schreiber, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Nazizeit in Tirol, S. 77. 53 Hans Döpper, Die Erneuerung des Kraftwerks Gerlos, S. 231. 54 Robert Emanovsky, Energie aus Gletscherwasser, S. 55. 55 Abendstein, Die Auswirkungen des Ausbaus der Wasserkraft im Zillergrund, S. 28. 14

Abbildung 2: Kraftwerksgruppe Gerlos56

Von 2004 bis 2007 kam es zu einer zweiten Ausbaustufe des Kraftwerks Gerlos. Es wurde um ein zusätzliches Krafthaus und einen Maschinensatz mit einer 135.000 kW Leistung auf insge- samt 200.200 kW erweitert.57 Die Kraftwerksgruppe Gerlos hat heute eine Leistung von 225.200 kW58, alles ist automatisiert und wird von der Zentralwarte Zillertal in Mayrhofen aus überwacht und fernbedient.

3.1.2 Kraftwerksgruppe Zemm/Ziller Das nächste Großprojekt der TKW im Zillertal war die Kraftwerksgruppe Zemm/Ziller. „Die Größenordnung dieses Projektes ging jedoch auch in den sechziger Jahren noch weit über den österreichischen Bedarf hinaus. Aus diesem Grund wurde ein ausländischer Partner gesucht und in der Energie-Versorgung Schwaben AG, Stuttgart (EVS) auch gefunden.“59

Infolge langwieriger Verhandlungen betreffend den Durchleitungsrechten bei Dritten kam es erst 1965 zur Vertragsunterzeichnung. Anschließend begann die TKW mit dem Bau der Kraft- werksgruppe Zemm, die die wasserwirtschaftliche Nutzung des Zemm-, Stillupp- und Tuxba- ches mit sich brachte. Wesentlich für den fließenden Bau der Kraftwerksgruppe Zemm/Ziller

56 Gerhard F. Koska (Hrsg.), Vertrauen in die Kraft des Wassers, S. 181. 57 VERBUND Hydro Power GmbH, Speicherkraftwerk Gerlos. 58 Dass., Speicherkraftwerk Funsingau. 59 Koska (Hrsg.), Vertrauen in die Kraft des Wassers, S. 23. 15

war der Talschaftsvertrag, der 1969 zwischen dem Land Tirol und der TKW geschlossen wurde. Walter Hammerschmid zählt in seinem Aufsatz noch weitere Zugeständnisse auf, die vor Bau- beginn der Talschaft und dem Land Tirol zugesagt werden mussten:

• „Unterirdische Verlegung der Druckrohrleitung Mayrhofen; • Verkabelung der geplanten Leitung zwischen dem Kraftwerk Mayrhofen und der Frei- luftschaltanlage; • Ausbau der Straße nach Ginzling und Freigabe für den öffentlichen Verkehr; • Bau einer Umfahrungsstraße für Mayrhofen, um Transporte durch das Ortszentrum von Mayrhofen zu vermeiden; • Vorfinanzierung von Straßenbauten im Zillertal; • Errichtung von biologischen Kläranlagen im Ginzling und Hintertux; • Regulierung des Zemmbaches unterhalb des Kraftwerks Mayrhofen und erhebliche Beitragszahlungen zu Zillerregulierung;“60

Bereits drei Jahre vor Vertragsabschluss kam es zur Bezahlung der ersten, in diesem Vertrag festgelegten Summe von drei Mio. Schilling.61 Vor Baubeginn mussten noch aufwendige Stra- ßenprojekte realisiert werden, wie beispielsweise die Umfahrung von Mayrhofen oder die 24 km lange Zufahrt zum Schlegeisgrund.62 Nachdem in den Jahren 1965 bis 1971 die Kraftwerke Roßhag und Mayrhofen errichtet wurden, kam es zwischen 1974 und 1987 zum Bau des Pro- jekts Zillerkraftwerk. Dieses gliedert sich in den Jahresspeicher Zillergründl und das Pumpspei- cherkraftwerk Häusling. Bei diesem Projekt gab es sehr viele Einsprüche von Naturschützern, gefolgt von Demonstrationen, Protesten und Widerständen oder negativen Berichterstattun- gen in den Medien. Die einheimische Bevölkerung bildete zusammen mit der Marktgemeinde Mayrhofen die Aktionsgemeinschaft „Rettet den Zillergrund“ und auch der Deutsche Alpen- verein, welcher Besitzer einer Hütte im Zillergrund war, wehrte sich zunehmend. Zu einer ein- vernehmlichen Lösung dieser Probleme kam es erst, als sich der damalige Tiroler Landes- hauptmann Eduard Wallnöfer einmischte und zwischen den Parteien vermittelte. So verpflich- tete sich die Tauernkraftwerke AG

60 Walter Hammerschmid, Die Tauernkraftwerke AG im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen, S. 89. 61 Koska (Hrsg.), Vertrauen in die Kraft des Wassers, S. 25. 62 Pinzer, Zillertal, S. 59. 16

„eine Restwassermenge für den Ziller zu belassen, Mayrhofen vom Baustellenverkehr durch die Errichtung eines 2,1 Kilometer langen Tunnels, der eine wintersichere Stra- ßenverbindung nach Brandberg bildet, freizuhalten, für Kanalisationen und Wasserlei- tungen Beiträge zu leisten sowie verschiedene landschaftsgestaltende Maßnahmen zu treffen.“63

Zusätzlich zu dieser Verpflichtung wurde der oben genannte Talschaftsvertrag als Entschädi- gung für die Veränderungen des Landschaftsbildes geschlossen, der den Gemeinden jährlich finanzielle Mittel einbringt. Als letzte Erweiterung kam 1991 das Kleinkraftwerk64 Gunggle hinzu, welches – wie auch das Kraftwerk Bösdornau, dessen Einzugsgebiet in den 1960er Jah- ren verkleinert wurde – zur Eigenbedarfsdeckung der Kraftwerksgruppe eingesetzt wird.65

Abbildung 3: Kraftwerksgruppe Zemm/Ziller66

Die Kraftwerksgruppe Zemm/Ziller besteht derzeit aus der Oberstufe Kraftwerk Roßhag mit dem Jahresspeicher Schlegeis (Nutzinhalt: 126,5 Mio. m³), der Hauptstufe Kraftwerk Mayrh- ofen mit dem Wochenspeicher Stillupp (Nutzinhalt: 6,6 Mio. m³) und dem Kraftwerk Häusling mit dem Jahresspeicher Zillergründl (Nutzinhalt: 86,7 Mio. m³). Nachdem das Wasser aus dem

63 Ebd. 64 Nach dem Energieförderungsgesetz 1979 gelten Kraftwerke bis zu 10 MW als Kleinkraftwerke. 65 VERBUND Hydro Power GmbH, Pumpspeicherkraftwerk Mayrhofen. 66 Koska, Vertrauen in die Kraft des Wassers, S. 176. 17

Schlegeisspeicher durch eine ca. 17 km lange Triebwasserführung im Kraftwerk Roßhag abge- spannt wird, kommt es schließlich mit einer Fallhöhe von 634 m zum Speicher Stillupp. Dieser ist das Zentrum der gesamten Anlage: Er dient als Entnahmebecken für das Wasser, das bei Bedarf vom Pumpspeicherkraftwerk Roßhag in den Schlegeisspeicher gepumpt und wird zu- dem als Speicher des Kraftwerks Mayrhofen genützt.67

Zusammen nutzen die Speicherkraftwerke Zemm/Ziller ca. ein Drittel des Rohenergiepotenzi- als des Zillertals und bilden gleichzeitig die leistungsstärkste Kraftwerksgruppe Österreichs. Die Kraftwerksgruppe verfügt über eine mehr als 1.000 MW Turbinenleistung und 600 MW Pumpenleistung. 68

3.1.3 Zusammenfassung Kraftwerksgruppe Zillertal Die Kraftwerksgruppe Zemm/Ziller mit den zwei Oberstufenkraftwerken Roßhag und Häus- ling, dem Hauptstufenkraftwerk Mayrhofen und dem Kraftwerk Bösdornau und die Kraft- werksgruppe Gerlos mit dem Oberstufenkraftwerk Funsingau und dem Kraftwerk Gerlos er- geben zusammen die Kraftwerksgruppe Zillertal. Diese erzeugt im Jahr durchschnittlich 1.642 GWh Strom.69 In der folgenden Tabelle sind alle Verbund-Kraftwerke der Kraftwerksgruppe Zillertal nach Jahr der Inbetriebnahme aufgelistet:

Anlage Kraftwerkstyp Bauzeit Inbe- Turbinen- Pumpen- Erzeu- trieb- leistung leistung gung nahme [MW] [MW] [GWh] Tuxbach Laufkraftwerk 1928 -1930 1930 0,4 3 Bösdornau Laufkraftwerk 1928 - 1930 1940 25 69

Gerlos Speicherkraftwerk 1939 - 1945 1949 200 320 1965 - 1967 2004 - 2007 Funsingau Speicherkraftwerk 1963 - 1967 1968 25 27 Mayrhofen Speicherkraftwerk 1965 - 1971 1977 355 700 Roßhag Pumpspeicherkraftwerk 1965 - 1972 1977 231 240 328 Häusling Pumpspeicherkraftwerk 1974 - 1987 1988 360 366 188 Gunggl Laufkraftwerk 1986 - 1990 1992 4 7 SUMME 1.200,4 606 1.642 Abbildung 4: Wasserkraftwerke von VERBUND Hydro Power AG im Zillertal70

67 Abendstein, Die Auswirkungen des Ausbaus der Wasserkraft im Zillergrund, S. 29. 68 Ebd., S. 175. 69 VERBUND Hydro Power GmbH, Projekt Untere Tuxbachüberleitung. 20. Vilser Baustofftage Wirtschaftskam- mer Reutte, S. 7. 70 Ebd. 18

3.2 Diskussionen über weitere Ausbaumöglichkeiten Der immer weiter ansteigende Stromverbrauch in Österreich und der positive Einfluss der be- reits existierenden Kraftwerksbauten auf die regionale Wirtschaft führten bereits in den 70er Jahren zu Untersuchungen für mögliche Erweiterungen der Kraftwerksgruppe Zemm/Ziller. Laut dem Dipl.-Ing. Richard Widmann dachte die Verbund AHP schon damals über „eine Er- weiterung der beiden Oberststufen, der Hauptstufe und Erweiterung durch Errichtung einer an die Hauptstufe Mayrhofen anschließende Unterstufe“71 nach.

Mit dem Spatenstich des Projekts Untere Tuxbachüberleitung72 wurde 2017 die Erweiterung der Hauptstufe in Angriff genommen. Auch die Errichtung einer Unterstufe im Anschluss an die Hauptstufe war im Diskurs. Beim derzeit ruhend gestellten Projekt Rotholz73 ist zwar die Rede von einem 25 km langen Stollen vom Kraftwerk Mayrhofen bis nach Rotholz und einer zusätzlichen Verbindung zum Inn, jedoch lässt sich die Grundidee für dieses Projekt auf die Überlegungen des Verbunds in den 70er Jahren zurückführen. Diese werden von Richard Wid- mann 1987 folgendermaßen beschrieben:

„Die derzeitigen Planungen sehen eine unmittelbare Entnahme des Wassers aus dem Ausgleichsbecken unterhalb des Krafthauses Mayrhofen vor, das dann über einen Druckstollenlinksufrig des Ziller zu einem Krafthaus entweder nahe von Erlach (knapp unterhalb von ) oder in der Nähe von Uderns geführt wird. Zum Kraftwerk Erlach wäre ein 10 km langer Stollen erforderlich, in den auch zwei Seitenbäche einge- leitet werden könnten. Damit wäre es möglich, fast 620 Mio. m³ Wasser, davon 567 Mio. m³ aus dem Kraftwerk Mayrhofen, über eine mittlere Nutzfallhöhe von 60 m, bei einem Winteranteil von knapp 50 % zu nutzen. Die Energieerzeugung Erlach würde etwa 84 Mio. KWh betragen. Zum Kraftwerk Uderns wäre ein 17 km langer Stollen er- forderlich, in den noch ein weiterer Bach eingeleitet werden könnte. Die mittlere Nutz- fallhöhe würde 80 m, die jährliche Energieerzeugung 121 Mio. KWh betragen.“74

Diese Projektbeschreibung über den Ausbau der Unterstufe des Kraftwerks Mayrhofen von Widmann ist beinahe ident mit Überlegungen den Projektüberlegungen Untere Tuxbachüber-

71 Widmann, Die Kraftwerksgruppe Zillertal, S. 183. 72 Siehe Kapitel 7.1.1. 73 Siehe Kapitel 7.1.2. 74 Ebd., S. 185. 19

leitung und Rotholz. Des Weiteren ist im Aufsatz von Widmann von „Erweiterungsmöglichkei- ten der Oberstufen“ die Rede. So könnte der Stillupp- und Floitenbach auf Höhe der Oberstufe gefasst werden, um dann über einen zehn km langen Stollen dem Speicher Zillergründl zuge- leitet zu werden. Das würde ein jährliches Plus von 54 Mio. kWh ergeben. Hinzu könnten auch noch einige Bäche aus Südtriol geführt werden, wie beispielsweise der Pfitscher -und Unter- bergbach. Durch deren Einleitung in den Schlegeisspeicher käme man auf eine zusätzliche Energieerzeugung von 70 Mio. kWh. Für eine zusätzliche Energieerzeugung von 81 Mio. kWh würde die Zuleitung des Ahrntal-, Windtal- und Röttalbaches sorgen.75

Auch rund um die Kraftwerksgruppe Gerlos gibt es Überlegungen von Seiten der Verbund AHP, um diese den energiewirtschaftlichen Erfordernissen der heutigen Zeit entsprechend anzu- passen. 2004 wurde bereits eine Ausbaustufe des Kraftwerks Gerlos vorgenommen, dabei wurde es mit einem zusätzlichen Krafthaus und einem neuen Maschinensatz bestückt. Zusätz- lich könnte das Kraftwerk durch eine weitere Bachbeileitung erweitert werden. So bestehe die Möglichkeit, den Märzenbach mithilfe eines zwölf km langen Stollens zum Krafthaus Funsingau am Gerlosbach überzuleiten. Die Energieerzeugung im Kraftwerk Gerlos könnte dadurch um rund 40 Mio. kWh vergrößert werden. Später könnte man mit einer kleinen Pumpstation das Wasser des Märzenbaches in den Speicher Durlaßboden pumpen.76

Andreas Bachmayr spricht das Projekt Märzengrund bereits in seinem in den 70er Jahren ver- öffentlichten Werk über die TKW an. Laut ihm sah dieses „die Errichtung eines Pumpspeicher- kraftwerkes mit einer Leistung von 320 MW in der Nähe des Kraftwerkes Gerlos vor. Ein Spei- cher mit rund 10 Mill. m³ im Märzengrund und ein Verbindungsstollen zum Speicher Durlaß- boden gewährleisten einen wirtschaftlichen Pump-Wälz-Betrieb.“77

Obgleich sich die TKW 1987 noch Realisierungschancen für dieses Projekt einräumten, wurde dieses im November 1991 ruhend gestellt. Die Umsetzung scheiterte am Widerstand der Bür- gerinitiative Lebensraum Zillertal, die 1987 als Verein gegründet wurde, um die Übererschlie- ßung des Lebensraums im Zillertal zu verhindern. Dazu zählten neben überflüssigen Seilbahn- projekte und zusätzlichen Verkehrswegen auch der Ausbau der Wasserkraft. Noch während

75 Ebd. 76 Ebd. 77 Bachmayr, Tauernkraftwerke AG, S. 32. 20

der Vorverhandlungen lud die Bürgerinitiative zu einem Informationsabend ein, um ihre Mit- menschen „auf die schwerwiegenden Folgen einer Bachableitung, auf die Zerstörung des Le- bensraums für spätere Generationen, hinzuweisen“78. Die Folgen waren Proteste und eine Volksbefragung in der Gemeinde , bei der sich 212 von 233 Einwohnern gegen die Ab- leitung des Märzenbaches aussprachen. Der Gemeinderat stand hinter der Meinung der Dorf- bewohner und vertrat diese auch offiziell. Eine Abfindungssumme von zwölf Mio. Schilling wurde abgelehnt.79

Ob das Projekt Märzenbach von Seiten der Verbund AHP nochmal in Angriff genommen wird, kann zu dieser Zeit nicht gesagt werden. Fest steht, dass trotz zunehmenden Widerständen aus der Bevölkerung die Planungen zu Wasserkraftprojekten im Zillertal bei der Verbund AHP weiterlaufen. Das Projekt Rotholz ist zurzeit ruhend gestellt, aber die Untere Tuxbachüberlei- tung befindet sich in der Bauphase und die Effizienzsteigerung Zillertal (Verbesserung und Er- neuerung der älteren Kraftwerksanlagen) sowie weitere Kleinkraftwerke sind bereits umge- setzt bzw. genehmigt. Die Realisierung der in der Tabelle ersichtlichen Projekte würde zu einer zusätzlichen Erzeugung von rund 271 GWh und einem Gesamtinvestitionsvolumen von ca. 735 Mio. Euro führen.

Projekt Status Leistung Leistung Erzeugung Turbine Pumpe (nat. Zufluss) Effizienzsteigerung Zillertal umgesetzt 10 MW 22 MW 12 GWh Untere Tuxbachüberleitung im Bau 1,6 MW 74 GWh Rotholz ruhend gestellt 116 MW 304 MW 170 GWh Kleinkraftwerke genehmigt 6 MW 15 GWh Summe 132 MW 326 MW 271 GWh Abbildung 5: Wasserkraftprojekte im Zillertal80

Laut dem Strategieplan Zillertal sind weitere Ausbaupotenziale grundsätzlich gegeben durch:

• „Effizienzsteigernde technische Maßnahmen bei den Kraftwerksanlagen der Verbund Hydro Power AG • Im Fall einer Bypasslösung für den Schwallbetrieb von Mayrhofen zum Inn: Nutzung der Schwallenergie

78 Broschüre der Bürgerinitiative Lebensraum Zillertal 1988, S. 6. 79 Ebd. 80 VERBUND Hydro Power GmbH, Projekt Untere Tuxbachüberleitung, S. 8. 21

• Nutzung des Zillers und des Märzenbachs (derzeit keine konkreten Projekte) • Errichtung von Kleinkraftwerken (in Abstimmung mit den übergeordneten Nutzungs- interessen des jeweiligen Wassereinzugsgebiets – Koordination ev. über den Planungs- verband Zillertal) und Trinkwasserkraftwerken“81

Bis auf Punkt 2 befinden sich bereits alle Ausbaupotenziale in der Umsetzungsphase.

3.3. „Kraftwerksbau rettet die Zillertalbahn“ „Kraftwerksbau rettet die Zillertalbahn“ – Dieser Titel war im Zusammenhang mit einem Ar- tikel über die Zillertalbahn in der Tiroler Tageszeitung am 14. Juli 1986 zu lesen. Diese Schlag- zeile war nicht unbegründet, denn nach Fertigstellung der Kraftwerksbauten befand sich die Zillertalbahn AG in einer schlechten finanziellen Lage. Bereits 1964 gab es Verhandlungen zwi- schen dem Ministerium und dem Unternehmen über die Auflassung der Schmalspurbahn.82 Hauptgrund für die Verhandlungen waren die zu erwartenden Transporteinstellungen des Tuxermagnesits83, die der Zillertalbahn seit 1923 kräftige Einnahmen verschafften.84 Die Situ- ation änderte sich mit dem Baustart der Zemmkraftwerke im Jahr 1965. Neben zahlreichen Transportaufträgen erhielt die Zillertalbahn AG einen Kredit von zwölf Mio. Schilling von der TKW, mit der Auflage, die Güter für die Kraftwerksgesellschaft bevorzugt zu befördern. Den Großteil dieser Summe investierte das Unternehmen in den Fuhrpark. Die beiden Brücken über den Inn und den Ziller wurden verstärkt, 30 kleiner restauriert und die Bahnhofsanlagen erweitert.85 Zudem wurden zwei neue Lokomotiven beschafft und gebrauchte Rollwagen ge- kauft um damit über vier Jahre hinweg ca. eine Mio. Kubikmeter Zement und sonstiges Bau- material für die Staumauer des Schlegeisspeichers zu transportieren.86 Unmittelbar vor dem Bahnhof in Mayrhofen zweigte ab Juni 1967 eine für die TKW in Betrieb genommene An- schlussbahn ab. Diese führte zur Werksstraße87 und anschließend zu einem dreigleisigen Gü- terbahnhof. Von dort aus ging noch ein weiteres Gleis zum Kraftwerk. Neben Zement, Bauma-

81 Josef Geisler, Strategieplan Zillertal. Ziele, Strategien und Leitmaßnahmen für die Zukunft unseres Tales, S. 63. 82 Abendstein, Die Auswirkungen des Ausbaus der Wasserkraft im Zillergrund, S. 76. 83 In der Zeit von 1927 bis 1976 existierte das Magnesitbergwerk Tux, das sich am Berg in der Nähe des Ortes Vorderlanersbach befand. Es war das höchstgelegene Magnesitbergwerk Europas in jener Zeit. 84 Pinzer, Zillertal, S. 50. 85 Kleidel, Franz, Die Zillertalbahn, S. 6. 86 Abendstein, Die Auswirkungen des Ausbaus der Wasserkraft im Zillergrund, S. 76. 87 Diese dient heute als Ortsumfahrung. 22

schinen und Druckrohrleitungen wurden auch Transformatoren und Generatoren von der Zil- lertalbahn befördert.88 Für diese Transportleistungen bezahlte die TKW dem Unternehmen Frachtkosten über 40 Mio. Schilling.89

Dennoch ist in dem Geschäftsbericht der Zillertaler Verkehrsbetriebe AG aus dem Jahr 1975 von den Einnahmeausfällen über vier Mio. Schilling aufgrund der Einstellung des Magnesitab- baus zu lesen.90 Die darauffolgende kurzzeitige schlechte wirtschaftliche Lage der Bahngesell- schaft kann aus dem Geschäftsbericht von 1976 entnommen werden:

„Jahrzehnte waren diese Gütertransporte die große finanzielle Säule des Eisenbahnbe- triebes. Bis zum Baubeginn des Kraftwerksprojektes `Zillergründl´ kommen harte Zei- ten für die Gesellschaft. Es wird unbedingt notwendig, daß alle zuständigen und inte- ressierten Körperschaften für die relativ kurze Durststrecke helfend zur Seite ste- hen.“91

Die leicht spürbare Verzweiflung in diesem Bericht des Vorstands ist verständlich, zumal die Magnesittransporte ein Drittel der jährlichen Einnahmen der Bahn ausmachten.92 Die Bahn- gesellschaft erhoffte sich einen finanziellen Aufschwung durch den Baubeginn der Sperre Zil- lergründl im Jahr 1980 – was auch eintraf. Nach Fertigstellung der Bauarbeiten im Jahr 1987 wurde der Güterbahnhof in Mayrhofen abgetragen und auf dem Areal ein Autohaus von der Bahngesellschaft errichtet, welches zusätzliche Einnahmen bringen sollte. Die Anschlussbahn und auch das Gleis zum Kraftwerk blieben vorerst bestehen. Aufgrund zu hoher Pachtzinsfor- derungen ließ die TKW die Bahnstrecke dann endgültig abtragen.93

„Der Ausfall der Einnahmen nach Fertigstellung der Kraftwerksanlagen sowie das Ende des Magnesitabbaus rückten die Gefahr einer Auflassung der Eisenbahn in bedrohliche Nähe.“94 Eine Aufrechterhaltung des Bahnbetriebs und die damit einhergehende Geldmittelbeschaf- fung für die Modernisierung benötigten große Anstrengungen. Heute stellt die Zillertaler Ver-

88 Kleidel, Die Zillertalbahn, S. 6. 89 Ebd. 90 Abendstein, Die Auswirkungen des Ausbaus der Wasserkraft im Zillergrund, S. 76. 91 Zillertaler Verkehrsbetriebe AG, Geschäftsbericht 1976. 92 Kleidel, Die Zillertalbahn, S. 4. 93 Ebd., S.7. 94 Pinzer, Zillertal, S. 50. 23

kehrsbetriebe AG einen wichtigen Wirtschaftsfaktor für das Tal dar. Die Fahrgäste können in- zwischen nicht nur im nostalgischen Dampfzug oder mit einem der Lokomotivzügen durchs Zillertal fahren, sondern sich auch bequem in einen Linienbus setzen.95 Außerdem wird die Zillertalbahn heute durch Talvertragsmittel der Verbund AHP finanziell unterstützt.

3.4 Konflikte der Kraftwerksgesellschaften mit der Öffentlichkeit „Mit der öffentlichen Meinung kann der Erfolg nicht ausbleiben, ohne sie kann es niemals ei- nen Erfolg geben.“ Dieses Zitat des amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln hat seine Gültigkeit auch im Kraftwerksbau. An dieser Stelle muss der Unterschied zwischen diesen bei- den Meinungen hervorgehoben werden: Die öffentliche Meinung ist die „vorherrschende An- sicht einer unbestimmten Menge Menschen über eine Person oder einen Gegenstand“96. Diese soll klar abgegrenzt werden von der veröffentlichten Meinung, da sich die beiden kei- nesfalls immer decken. Die veröffentlichte Meinung ist die in den Massenmedien vorherr- schende Meinung zu überlieferten Themen.97 Die Elektrizitätsgesellschaften müssen ihre Pro- jektvorhaben samt Fakten für die Bevölkerung transparent machen, um dieser ein rationales Abwägen und einen Entscheidungsprozess zu ermöglichen. Auch wenn einige Entscheidungen über die Köpfe der Bevölkerung hinaus getroffen werden, bleibt diese hinsichtlich des Was- serkraftwerksbau ein wichtiger Entscheidungsträger.

3.4.1 Beispielfall: Aktionsgemeinschaft „Rettet den Zillergrund“ Folgende Ausführungen stützen sich auf diverse Zeitungsartikel in der Tiroler Tageszeitung zwischen Juli und Oktober 1971. Das Zustandekommen der Aktionsgemeinschaft wird auch im Aufsatz von Hammerschmid98 und in der Diplomarbeit von Abendstein geschildert.

Die Aktionsgemeinschaft Rettet den Zillergrund gruppierte sich, als die TKW das Projekt Ziller- kraftwerk umsetzen wollte. Den Plan für das Zillerkraftwerk gab es schon vor der Umsetzung des Projekts Kraftwerksgruppe Zemm. Der Vorwurf, dass dieses Kraftwerk erst nach der Fer- tigstellung der Kraftwerksgruppe Zemm von der TKW „erfunden“ wurde, entbehrt somit jeg- licher Grundlage. Da der Stromverbrauch in den Jahren 1968 bis 1970 um ca. 7,4 % pro Jahr

95 Ebd. 96 Zit. nach Gerhard Schobersberger, Kein Kraftwerk (mehr) ohne Öffentlichkeitsarbeit , S. 95. 97 Ebd. 98 Hammerschmid, Die Tauernkraftwerke AG im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen. 24

zunahm, sollte das Zillerkraftwerk im Anschluss an die Kraftwerksgruppe Zemm errichtet wer- den.99

Der Gemeinderat von Mayrhofen sprach sich bereits im Jahr 1969 gegen weitere Kraftwerks- bauten im Zillertal aus. In der Vergangenheit war es aber immer zu einem Einvernehmen ge- kommen, weshalb die TKW auch in diesem Fall zuversichtlich war, ein Einvernehmen mit der Bevölkerung herstellen zu können. Als 1971 die Verhandlungen über Schwertransporte auf der Zillertalbahn betreffend das Zillerkraftwerk starteten und die TKW das Projekt zur wasser- rechtlichen Genehmigung einreichte, war die Gemeinde Mayrhofen kurz vor einem Auf- stand.100 Der Gemeinderat von Mayrhofen hatte in der Zwischenzeit einen neuerlichen Be- schluss gegen das Zillerkraftwerk gefasst, dem sich auch die Tourismusverbände anschlos- sen.101 1971 verzeichnete die Gemeinde erstmals über eine Mio. Nächtigungen und betrieb weltweit Werbung für die Naturschönheit des Zillertals. Verständlich, dass sich die Tourismus- verbände dieses Werbebild nicht ohne Weiteres durch die Kraftwerksgesellschaften beschä- digen lassen wollten.102 Zudem waren viele Zillertaler davon überzeugt, dass die Umsetzung des Projekts die straßenmäßige Erschließung des noch einzigen „naturbelassenen Seitental hinter Mayrhofen“ bedeuten würde und der Baustellenverkehr „eine zwar vorübergehende, aber doch schwerwiegende Beeinträchtigung der Fremdenverkehrswirtschaft mit sich brin- gen“ könnte.103

Noch im selben Jahr wurde die Aktionsgemeinschaft Rettet den Zillergrund gegründet und „Vi- zebürgermeister Helmut Kugler zu deren Obmann gewählt; auch der Bürgermeister von Mayr- hofen, mehrere Gemeinderäte und Funktionäre des Fremdenverkehrsverbandes wirkten mit, ebenso die Gemeinde Brandberg“104. Es wurden nicht nur Unterschriften im Tal gesammelt, die Aktion im Zillertal fand auch in den Medien entsprechende Resonanz. Im August 1971 gab es Berichte im Fernsehen und die Bunte Illustrierte brachte eine mehrseitige Bildreportage heraus. Einen Monat später veranstaltete die Aktionsgemeinschaft eine Großkundgebung in Mayrhofen, bei der Einheimische und Gäste zahlreich erschienen.105

99 Ebd., S. 90. 100 o.A., Zillertal gegen einen weiteren Kraftwerksbau, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 163, 17.7.1971, S. 5. 101 Hammerschmid, Die Tauernkraftwerke AG im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen, S. 90. 102 Abendstein, Die Auswirkungen des Ausbaus der Wasserkraft im Zillergrund, S. 46. 103 o.A., Zillertal gegen einen weiteren Kraftwerksbau. 104 Hammerschmid, Die Tauernkraftwerke AG im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen, S. 90. 105 Albert Eiziger, Kriegsstimmung in Mayrhofen: Hier die Millionen - hier Emotionen, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 251, 29.10.1971, S. 7. 25

Dort zeigte der damalige Vizebürgermeister Kugler die Auswirkungen des Kraftwerksbaus am Beispiel der Zillertaler Gemeinde Ginzling auf:

„Wenn man die Nächtigungen des Ortes im Jahr 1964 mit 100 annimmt, so sanken sie bis 1970 auf 71, während sie im Tiroler Durchschnitt auf 143 gestiegen sind. Für den Gesamterfolg von Mayrhofen gebe es plausible Gründe: Das Werbebudget wurde ver- doppelt, die Gästekarte eingeführt, man hat sich auf den Winter konzentriert. […] We- gen der Kraftwerke kommt niemand zu uns.“106

Ein anderes Grundproblem sah Kugler bei der Landesregierung, die seiner Meinung nach die Interessen der Zillertaler „verrät“. Einige Beschuldigungen gingen an den Landesamtsdirektor von Tirol (1960 – 1981) Rudolf Kathrein, der nicht nur in der Regierung tätig war, sondern auch im Aufsichtsrat der TKW saß:

„Die Tauernkraftwerke müssen die Wasserkräfte nützen. Hofrat Kathrein als Aufsichts- rat der TKW sitzt im selben Boot. Wenn die TKW in Salzburg auf Schwierigkeiten sto- ßen, so haben sie bei uns die Unterstützung der Landesregierung: Und so … möchte man wünschen, wir wären nicht nur kirchlich, sondern auch politisch bei Salzburg.“107

Daraufhin erklärte Kathrein bei der Großkundgebung, dass „die Landesregierung all ihren Ein- fluss geltend gemacht hat, um beim Bau des Zemmkraftwerks die Interessen der Bevölkerung zu wahren“ und verwies auf die Besonderheit des Zillertalvertrags, der in keinem anderen Bundesland ähnlich vorhanden war.108 Nach der Großkundgebung und den Fernseh- und Zei- tungsberichten gab es im Oktober 1971 mehrere tausend Unterschriften gegen den geplanten Kraftwerksbau im Zillertal.109

Das Land Tirol zeigte Verständnis für die Probleme im Zillertal, war jedoch aufgrund des Tal- schaftsvertrags von 1969110 in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt. Mit dieser Vertragsun-

106 Ebd. 107 Ebd. Zur Verständlichkeit: Der Ziller trennt das Zillertal in die Diözesen Innsbruck (ehemaliges Brixen) und Salzburg. Dies ist an den Farben der Kirchturmdächer erkennbar. Links (westlich) des Zillers sind diese rot (Erzdiözese In- nsbruck), rechts (östlich) des Zillers hingegen sind sie grün als Zeichen der Zugehörigkeit zur Erzdiözese Salz- burg. 108 Ebd. 109 Hammerschmid, Die Tauernkraftwerke AG im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen, S. 90. 110 Siehe Kapitel 5. 26

terzeichnung hatte sich das Land Tirol bereiterklärt, die TKW „beim Bau und Betrieb des Zil- lerkraftwerks wohlwollend zu unterstützen“111. Landeshauptmann Wallnöfer wollte zu einem Einvernehmen mit dem Zillertal kommen und sprach so in einer öffentlichen Reden die posi- tiven Auswirkungen des Kraftwerksbaus an, wie beispielsweise die „wohltuende“ und „bedeu- tende“ Arbeitsbeschaffung in den folgenden Jahren in Tirol.112 In seinen Ausführungen ging er soweit, dass er das Zillertal als Gebiet „zweiter oder dritter Rangordnung“ bezeichnete und dass die dortige Bevölkerung durch die Kraftwerksgesellschaften „Arbeit und Brot finden“ soll- ten.113 Diese Aussage des damaligen Landeshauptmanns ist bedenklich, da es zu dieser Zeit bereits Sommer- und Wintertourismus im Zillertal gab und die Bevölkerung dadurch weiter fortgeschritten und finanziell besser abgesichert war, als in anderen Tälern Tirols. In der Som- mersaison 1971 verrechnete das Zillertal einen Rekord an Nächtigungszahlen.114

Die Verhandlungen zwischen den Gegnern des Projekts und der TKW bzw. dem Land Tirol blie- ben erfolglos und als die feierliche Eröffnung des Zemmkraftwerks am 8. Oktober 1971 bevor- stand, wollte die Aktionsgemeinschaft diese für ihren Aufstand nützen. Bei den Verhandlun- gen versprach sie nur, die Würde des eingeladenen Bundespräsidenten Franz Jonas nicht an- zugreifen. Daraufhin sagte die TKW die Eröffnungsfeier ab,115 als Begründung gab der Vor- stand der TKW die Vermeidung von Protestaktionen an:

„Wir bedauern es außerordentlich, die für den 8. Oktober 1971 vorgesehene feierliche Inbetriebnahme der Zemmkraftwerke durch den Herrn Bundespräsidenten absagen zu müssen, weil die Aktionsgemeinschaft „Rettet den Zillergrund“, welcher Vertreter der Gemeinde und des Fremdenverkehrsverbandes Mayrhofen angehören, diese Feier zu Protestaktionen benützen wollte. […] Wir glauben daher im allgemeinen Interesse zu handeln, wenn wir zur Vermeidung ei- ner Situation, die wir als Gastgeber nicht vertreten und unseren Gästen auch nicht zu- muten können, überhaupt auf eine Feier verzichten. Leider entfällt für uns damit auch die Möglichkeit, bei dieser Gelegenheit der Bevölkerung des Zillertales, mit deren

111 Talschaftsvertrag, 5.12.1968. Landesarchiv Innsbruck, 7. Jänner 1969, Innsbruck, 8 S., TLA Urk. III 1855. 112 o.A., LH Wallnöfer: Naturschutz und Energieversorgung, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 230, 4.10.1971, S. 5. 113 Ebd. 114 Ebd. 115 Hammerschmid, Die Tauernkraftwerke AG im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen, S. 91. 27

Großteil uns ein freundschaftliches Verhältnis verbindet, für ihre verständnisvolle Hal- tung beim Bau der Zemmkraftwerke danken zu können. […]“116

Am 21. Oktober 1971 war in der Tiroler Tageszeitung die Schlagzeile: „Ohne feierliche Eröff- nung haben die nunmehr fertiggestellten Zemmkraftwerke der Tauernkraftwerke AG in Tirol ihren vollen Betrieb aufgenommen.“117 Als die Verbundgesellschaft im Jänner 1972 ihr Aus- bauprogramm bis 1980 vorstellte, war das Zillerkraftwerk darin bereits nicht mehr enthalten; das Projekt wurde auf die TKW-Warteliste gesetzt.118 Durch den Ölpreisschock119 im Jahr 1973 änderte sich die Meinung vieler Gegner über den Kraftwerksbau und den heimischen Energie- ressourcen wurde von der Bevölkerung wieder mehr Bedeutung zugeteilt. Anschließend nahm die TKW die Verhandlungen mit den betroffenen Gemeinden wieder auf – mit Erfolg. Mitent- scheidend für dieses Umdenken der Talbewohner war auch, dass der Obmann der Aktionsge- meinschaft sich zurückgezogen hatte. Nach langen Verhandlungen konnte 1974 das Abkom- men über die erste Ausbaustufe des Zillerkraftwerks erreicht werden. Zwei Jahre später wurde auch die zweite Ausbaustufe von den drei betroffenen Gemeinden Brandberg, Mayrhofen und Gerlos genehmigt. Dieses Einvernehmen basierte auf etlichen Forderungen, denen die TKW nachkommen musste. Kernpunkte waren beispielsweise die Errichtung eines Straßentunnels in den Zillergrund, das Anlegen eines Wanderweges von Mayrhofen ins Zillergründl, die Ge- staltung des Zillerbachbettes und die direkte Abgeltung von mittel- und unmittelbaren Schä- den an die drei betroffenen Gemeinden. Da es zu einem Einvernehmen zwischen TKW und Bevölkerung kam, stimmte auch das Land Tirol dem Kraftwerksbau zu. Dem folgte die wasser- rechtliche Bewilligung für die erste und zweite Ausbaustufe. 120

Die Aktionsgemeinschaft Rettet den Zillergrund war nicht die letzte Gruppierung im Zillertal, die sich aufgrund des Kraftwerksbau bildete. Im Jahr 2014 ging eine Aktionsgemeinschaft mit dem Namen miabrauchndi online, um die Bevölkerung über die neusten Projekte der Verbund AHP Untere Tuxbachüberleitung und Rotholz zu informieren und Unterschriften gegen einen weiteren Kraftwerksbau zu sammeln.121

116 Zit. nach ebd. 117 o.A., Größte Kraftwerkskette Österreichs ist fertig, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 245, 21.10.1971, S. 5. 118 Dass., Projekt "Zillergründl" auf der TKW-Warteliste, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 246, 22.10.1971, S. 5. 119 In dieser Phase stieg der Ölpreis stark an und es kam in Österreich beispielsweise zu autofreien Tagen. 120 Hammerschmid, Die Tauernkraftwerke AG im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen, S. 92 f. 121 Siehe Kapitel 7.1.2. 28

3.5 Naturkatastrophen im Zillertal Im Zillertal kam es in den letzten Jahrhunderten immer wieder zu Überschwemmungen, Mur- brüchen und Lawinen. Speziell die Berggemeinden sind im Winter häufig von Lawinen be- droht, die schlimmsten Lawinenwinter im letzten Jahrhundert waren 1951 und 1954. In der Chronik des Zillertals wird ab dem Jahr 1559 regelmäßig über Hochwasserkatastrophen be- richtet, die das Tal ca. alle 20 bis 30 Jahre heimsuchten. Bereits 1796 schrieb der katholische Aufklärer und Publizist Lorenz Hübner über das Zillertal: „Ströme oder reißende Bäche, welche von Zeit zu Zeit große Verwüstungen anrichten, gibt es hier sehr viele.“122 Auslöser für die häufigen Überschwemmungen waren vor allem das schwache Gefälle das Zillers und der zeit- weilig bis auf die Gletscherzonen fallende Regen. Manchmal wurde der gesamte Talboden vom hinteren Zillertal bis nach Strass überflutet. Zudem verursachten extreme Murenabgänge bei starkem Niederschlag oft große Schäden. Hauptgrund für diese Naturkatastrophen sind die Schiefer- bzw. Quarzphyllitböden123 der Kitzbüheler und Tuxer Voralpen, die tiefgründig verwittern und zu Rutschungen neigen.124

Als Katastrophenjahre, in denen Überschwemmungen den Talboden von Mayrhofen nach Strass oft wochenlang zu einem riesigen, bis zu 30 km langen See umgestalteten, können die Jahre 1838, 1871, 1878, 1903, 1908, 1927, 1956, 1960, 1966 und 1968 gezählt werden. Nicht nur der Zillerfluss richtete Überschwemmungen und Schäden an, auch die Wildbäche waren oft Auslöser. Viele Häuser, die in der Gefahrenzone der Wildbäche stehen, weisen zwei- stöckige Keller auf, denn war das Erdgeschoss durch Murenabgänge unbenutzbar geworden, konnte der erste Stock als Erdgeschoss ausgebaut werden. Das Leben der Bauern im Zillertal war stark von diesen Naturgewalten geprägt, egal ob sich der Hof am Berg oder auf Talboden befand.125

Erst als die Speicherkraftwerke in den inneren Gründen und im Gerlostal samt großer Rück- haltebecken gebaut wurden, nahmen die Gemeinden in Zusammenarbeit mit den Wasser- kraftgesellschaften die längst fällige Zillerregulierung in Angriff. So wurden in den 1970er Jah- ren höhere Dämme für das relativ hoch liegende Flussbett zwischen Mayrhofen und der Mün-

122 Zit. nach Pinzer, Zillertal, S. 57. 123 Bei niedriger Temperatur metamorph überprägter toniger Sandstein. 124 Pinzer, Zillertal, S. 57. 125 Ebd. 29

dung in den Inn errichtet. Zudem beteiligte sich die TKW an der Wildbachverbauung im Ziller- tal. Kritiker bezeichneten die Zillerregulierung als einen „Werkskandal“, der das Landschafts- bild des Zillertals veränderte. „Tatsache ist, daß die Tieferlegung der Flußsohle und die Errich- tung zahlreicher Uferschutzbauten nun sogar Schutz gegen die gewaltigsten Hochwässer, wie sie nur alle hundert Jahre auftreten, bieten und zudem eine wesentliche Verbesserung der Kulturen im Talboden gewährleisten.“126

Neben der Zillerregulierung wurde die Rekultivierung des Zillerufers in die Hand genommen und ca. 54.000 Bäume und 9.000 Sträucher gepflanzt. Diese dienen nicht nur als Lärmschutz im Bereich der Schnellstraße, sondern wirken zudem als Windschutzstreifen. Dies war auch die Entstehungsphase der „landschaftlich reizvollen“ Zillerpromenade, welche ebenfalls groß- teils von der Kraftwerksgesellschaft finanziert wurde.127

4. Allgemeines zu den Tal(schafts)verträgen Die sogenannten Talverträge sind ein Sondertypus von Verträgen, welche speziell im Westen Österreichs zu finden sind – genauer gesagt nur in Tirol und Vorarlberg. Ihr Auftreten findet immer im Zusammenhang mit einem Wasserkraftwerksbau statt. Bedingt durch die geologi- sche Struktur Tirols ist es nicht möglich, die gesamte Wasserkraft anhand von Flusskraftwer- ken zu nützen, deshalb gibt es in einigen Seitentälern Talsperren bzw. Speicherkraftwerke. Ein weiterer wichtiger Grund für die Errichtung von Speicherkraftwerken ist, dass diese zur De- ckung von Spitzenleistung dienen und im Rahmen der Netzregelung Bedarfsreserven bereit- stellen. Dadurch kann in verbrauchsarmen Zeiten überschüssige Energie gespeichert und bei überdurchschnittlicher Leistungsnachfrage wieder gezielt abgegeben werden. Im Zuge der Ge- nehmigung eines Kraftwerks kommt es in den meisten Fällen auch zu einem Talvertrag. Ge- genstand eines Talvertrags ist die Abgeltung der Schäden. Interessant ist hier, dass es sich nicht um die unmittelbaren oder eindeutig feststellbaren Schäden handelt128, sondern um die unmessbaren „mittelbaren“ Schäden. Es scheint fast so, als wäre dieser zu einem fixen Be- standteil des Genehmigungsverfahrens geworden. 129

126 Ebd. 127 Ebd. 128 Diese werden nach den Bestimmungen des ABGB und des WRG abgegolten. 129 Kostner, Der janusköpfige Staat als Vertragspartner, S. 216. 30

Sehr wichtig in diesem Zusammenhang ist das folgende Zitat aus der Dissertation Der janus- köpfige Staat als Vertragspartner von Markus Kostner: „Dass man in einem Genehmigungs- verfahren, in dem die Gebietskörperschaft entweder die Möglichkeit hat, die Genehmigung zu erteilen oder sie nicht zu erteilen, auf das Wohlwollen dieser angewiesen ist, versteht sich von selbst.“130 Hier stellt sich die Frage, ob die Gebietskörperschaft ihre Gnade wirtschaftlich verwertet bzw. von der Höhe der Abgeltungen abhängig macht. Ist die Abgeltung der „mittel- baren Schäden“ (siehe Inhalt Talvertrag I) nur ein Deckmantel für den Verkauf des Entgegen- kommens des Vertragspartners oder gibt es wirklich mittelbare Schäden, die bis jetzt gesetz- lich nicht erfasst wurden und dadurch in dieser Weise abgegolten werden? Die folgende Aus- wertung der Verträge soll Licht ins Dunkel bringen. Sie dient rein wissenschaftlichen Zwecken und ist als solche auch kritisch.

Doch vorher muss noch kurz auf die Pflichten der beiden Vertragspartner eingegangen wer- den. Beim Abschluss eines Talvertrags stehen sich zwei mächtige Vertragspartner gegenüber, die entscheidende öffentliche Interessen vertreten und sich gegenseitig auch beeinflussen. Speziell in Österreich sind die gegenseitigen Einflüsse der Verbände, Parteien und Institutio- nen „von wesentlicher Bedeutung im Entscheidungsfindungsprozeß“131.

Jede Elektrizitätsgesellschaft ist dazu verpflichtet, alle Genehmigungen betreffend den Kraft- werksbau bei den einzelnen Behörden selbst zu beantragen. Im Falle einer ausständigen oder verweigerten Genehmigung könnte das ganze Projekt scheitern. Das heißt, das Land Tirol kann die Genehmigung in ihrem Kompetenzbereich verweigern und dadurch das gesamte Kraft- werksprojekt anfechten. Selbstverständlich schenkt das Land der Ausschöpfung dieses Druck- mittels mehr Interesse als der Bund, da dieser nicht unmittelbar betroffen ist.132

5. Der Zillertalvertrag I von 1968/69 Um die Zustimmung der Bevölkerung für den Bau der Kraftwerksgruppe Zemm zu bekommen, machte die TKW den Zillertaler Gemeinden einige Zugeständnisse133. Zu diesen gehörte auch der „Abschluß eines Talschaftsvertrages zur Abgeltung von unmeßbaren Schäden“134. Zudem benötigte die TKW das Einverständnis des Landes Tirol und so kam es, dass sich das Land Tirol,

130 Ebd. 131 Ebd. 132 Ebd. 133 Siehe Kapitel 5.1.2. 134 Hammerschmid, Die Tauernkraftwerke AG im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen, S. 89. 31

trotz den zahlreichen Auseinandersetzungen über das Projekt der Kraftwerksgruppe Zemm/Ziller, zum Ausbau der Wasserkraft im Zillertal bekannte. Der damalige Landeshaupt- mann Wallnöfer forderte die Berücksichtigung der örtlichen Interessen und fortwährende Ent- schädigungszahlungen für das Zillertal. Die Auszahlungen sollten der gesamten Talschaft zu- gutekommen. Als Vorbild nahm man den Vertrag, der zwischen dem Land Tirol und der Vor- arlberger Illkraftwerke AG abgeschlossen wurde. Dieser kam aufgrund der Überleitung einiger Bäche des Paznauntals zu den Illkraftwerken im Montafon zustande.135

Bei den im Vorfeld stattgefundenen Verhandlungen konnte die TKW nicht ausschließen, dass der Kraftwerksbau und -betrieb im Zillertal Strukturveränderungen oder mittelbare Schäden zur Folge hätte, deshalb gab es am 5. Dezember 1969 ein diesbezügliches Vertragsangebot seitens der TKW. Dieses wurde am 7. Jänner 1969 von der Tiroler Landesregierung angenom- men. Die durch den Kraftwerksbau entstehenden unmittelbaren Schäden sind im österreichi- schen Wasserrecht unmissverständlich geregelt, eine eindeutige Regelung für mittelbare Fol- geschäden gab es zu dieser Zeit noch nicht. Auch heute ist es noch sehr aufwändig, das Aus- maß und die Abgeltung der mittelbaren Schäden festzustellen bzw. nachzuweisen.136

Die jährlich gesicherte Entschädigung von drei Mio. Schilling wurde bereits im Jahr 1966 das erste Mal ausbezahlt. Das Land Tirol gab die Zusage, den Betrag zweckmäßig zu verwenden, wobei der TKW ein Vorschlagsrecht eingeräumt wurde. Die jährliche Abgeltung wurde nach Fertigstellung des Zillerkraftwerks um 50 % aufgestockt, da die Nutzung des Zillers in der bis- herigen Abgeltung noch nicht mit eingerechnet war. 1987 betrug die Talvertragszahlung be- reits elf Mio. Schilling.137 Bei einem Regeljahresarbeitsvermögen von 1047 GWh bedeutete dies eine Auszahlung der mittelbaren Folgen für ca. einen Groschen pro kWh. Ein Jahr später ergaben alle bis dato ausgezahlten Entschädigungszahlungen in Summe bereits rund 100 Mio. Schilling.138

Der Zillertalvertrag hat einen Umfang von acht Seiten und wurde am 07.01.1969 vom damali- gen Landeshauptmann Wallnöfer, den zwei Landesräten, dem Landesamtsdirektor und dem Vorstand der TKW unterzeichnet.

135 Ebd. 136 Ebd. 137 Kandolf, 40 Jahre Tauernkraftwerke AG, S. 25. 138 Hammerschmid, Die Tauernkraftwerke AG im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen, S. 89. 32

5.1 Inhalt Mit der Unterzeichnung des Zillertalvertrags erklärte sich das das Land Tirol bereit, die TKW bei ihrem Bauvorhaben wohlwollend zu unterstützen. Die Absicht des Vertragsabschlusses wird gleich am Anfang des Dokuments deutlich dargestellt: Die „Abgeltung von Beeinträchti- gungen und Schäden, die als mittelbare Folgen unseres Kraftwerksbaues und -betriebes im Zillertal auftreten“139.

Zu diesen nichtvorhersehbaren Schäden bzw. der gewissen „Beeinflussung der gesamtwirt- schaftlichen Struktur des Zillertales samt Seitentäler, insbesondere auch des Tuxertales“ zäh- len laut Land Tirol etwa die Beeinträchtigung des Tourismus, der Landwirtschaft, der Verkehrs- verhältnisse, der Grundvernässung oder Austrocknungen sowie der kleinklimatischen Verhält- nisse. Hingegen sind die unmittelbaren und eindeutig feststellbaren Beeinträchtigungen oder Schäden von dieser Vereinbarung nicht betroffen. Diese mussten von der TKW nach den Best- immungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) und des Wasserrechtsgesetzes (WRG) abgegolten werden.140

Die unter Punkt I. im Vertrag erwähnten „anderweitigen vorteilhaften Beeinflussungen“141 im Zillertal sind nicht eindeutig aus dem Vertrag zu erfassen. Damit könnten sowohl der Hoch- wasserschutz als auch die etwas später angeführten Abgeltungszahlungen gemeint sein. Um den Aufwand des Nachweises der mittelbaren Schäden und einer darauffolgenden langwieri- gen, rechtlichen Auseinandersetzung zu umgehen, entschied man sich für eine pauschale Schadensersatzregelung.142

Unter Punkt III. verpflichtet sich die TKW dazu „die Beeinträchtigungen und Schäden […] und für alle sonstigen Verpflichtungen, die das Land Tirol nach diesem Vertrag übernimmt“143, dem Land einen Pauschalbetrag von jährlich drei Mio. Schilling auszubezahlen. Auszahlungsbeginn war im Jahr 1967, um bereits während der Bauzeit auftretende negative Beeinflussungen aus- zugleichen oder zu verhindern. Unter Zugrundelegung dieser Bestimmungen kam es im Jahr

139 Talschaftsvertrag, 5.12.1968, TLA Urk. III 1855, S. 1. 140 Kostner, Rechtliche und politische Rahmenbedingungen der Errichtung eines Wasserkraftwerkes am Beispiel des Zillerkraftwerkes (2. Ausbaustufe), S. 46. 141 Talschaftsvertrag, S. 2. 142 Kostner, Rechtliche und politische Rahmenbedingungen der Errichtung eines Wasserkraftwerkes am Beispiel des Zillerkraftwerkes (2. Ausbaustufe), S. 47. 143 Ebd. 33

1977 zu einer weiteren Vereinbarung zwischen der TKW und dem Land Tirol. Dabei verpflich- tete sich die TKW nach der Fertigstellung der ersten Ausbaustufe des Zillerkraftwerks eine zusätzliche jährliche Abfindung von einer Mio. Schilling zu bezahlen. Zugleich einigten sich die beiden Parteien, den anfänglichen festgelegten Betrag von drei Mio. Schilling nach der Inbe- triebnahme der zweiten Ausbaustufe des Kraftwerks um 50 % zu erhöhen.144 Aufgrund der Wertsicherung bezahlte die TKW 1981 bereits ca. sieben Mio. Schilling.145 Die Summe des Jah- resbetrages werde sich im gleichen Verhältnis ändern, wie der Stromtarif, „den die Verbund- gesellschaft den Landesgesellschaften für jahresdurchgängige Bandlieferung berechnet“146.

Unter Punkt IV. verpflichtet sich das Land Tirol, die erhaltenen Geldmittel so zu verwenden, “daß gegen uns keine wie immer gearteten Ansprüche einzelner Personen, Gemeinden oder sonstiger Institutionen für Schäden und Beeinflussungen nach Pkt. II, unabhängig zu welcher Zeit und in welcher Art sie eintreten, gerichtet werden können.“147 Zudem wird das Land Tirol die TKW gegen alle derartigen Forderungen schuld- und klaglos halten und erklärt dadurch die Schuldübernahme im Sinne des § 1404 ABGB. Die TKW erhält für die Verwendung der Abgel- tung ein Vorschlagsrecht.148

Punkt V. des Vertrags betrifft die Bereiterklärung des Landes Tirol, die TKW beim Bau und Betrieb der Zemmkraftwerke samt Ergänzungsanlagen wohlwollend zu unterstützen. Weiters werde die Tiroler Landesregierung im Falle einer Erklärung des Zillergrunds zum Naturschutz- gebiet nicht beabsichtigen, den Bau und den Betrieb der Kraftwerksanlagen in diesem Gebiet „an eine besondere Bewilligung nach dieser Verordnung zu binden“.149

Sollte es zu einem Naturschutzgebiet im Zentralalpenbereich kommen, werde sich das Land Tirol dafür einsetzen, dass für die Wasserkraftwerksbauten Sondergenehmigungen erteilt werden. Im Gegenzug werde die TKW das Land Tirol über die jeweiligen Bau-, Betriebs- und Projektierungstätigkeiten im Zillertal in Kenntnis setzen.150

144 Abendstein, Die Auswirkungen des Ausbaus der Wasserkraft im Zillergrund, S. 78. 145 Österreichischer Rechnungshof, Tauernkraftwerke AG, S. 357–388. 146 Talschaftsvertrag, S. 3. 147 Ebd., S. 4. 148 Ebd., S. 4. 149 Ebd., S. 5. 150 Ebd. 34

Weiters heißt es unter Punkt V., dass für die von der TKW beabsichtigte „Überleitung des Tuxbaches“ vom Land Tirol keine gesonderten Entschädigungsforderungen gemäß diesem Vertrag erhoben werden. Die Abgeltung dieses Projekts wurde in einem Folgevertrag, der auf dem Muster dieses Vertrags basiert, festgelegt. Da die Aufnahme der angeführten Kraftwerks- anlagen gewisse Sofortmaßnahmen zur Regulierung des Zillers erfordern, erklärt sich die TKW unter Punkt VI. des Vertrags bereit, jene Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Erfüllung der wasserrechtlichen Auflagen aufgewendet werden müssen. Das Land Tirol werde dieses Vor- haben mit einem Interessensbeitrag von 10 % unterstützen, wobei in diesem Beitrag die Inte- ressensanteile der Gemeinden bereits enthalten seien. Da diese Geldmittel für eine Gesamt- regulierung des Zillers nicht ausreichen würden, bemühe sich die TKW, vom Bund die Bereit- stellung der nötigen Mittel zu erhalten. Sollte dies nicht gelingen, übernehme die TKW die Vorfinanzierung zu einer dem Kreditmarkt entsprechenden Verzinsung und Rückzahlung.151

Laut Punkt VII. wird das Land Tirol mit Unterzeichnung dieses Vertrags Aktionär der TKW und erklärt sich bereit, im Falle einer Weitergabe der Anteilsrechte, die Zustimmung der Verbund- gesellschaft bzw. deren Rechtsnachfolgerin einzuholen, um damit die Befreiung der Gesell- schaftssteuer zu erhalten.152

Im letzten Punkt des Vertrags wird deutlich gemacht, dass bei allfälligen Streitigkeiten aus diesem Vertag, gleichgültig ob bei Rechtsfragen oder Tatsachenfeststellungen, ein Schiedsge- richt eingesetzt wird. Außerdem verzichten beide Vertragsteile „auf die Anfechtung dieses Vertrages wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes oder wegen Irrtums“.153

5.2 Die Reaktion des Rechnungshofes Der Talschaftsvertrag wurde vom Rechnungshof speziell in den 1970er und 80er Jahren heftig kritisiert. Er empfahl eine Vertragsaufhebung aufgrund der freigiebigen Haltung des Unter- nehmens und der Tatsache, dass der Vertrag in der österreichischen Rechtsordnung keine De- ckung finde. Der Vorstand hielt damals am Vertrag fest, da ein nützliches Auskommen mit dem Land Tirol daraus resultierte. Hätte er das nicht getan, würden die Kraftwerke Häusling und

151 Ebd., S. 6. 152 Ebd. 153 Ebd., S. 7. 35

der Stausee Zillergründl sowie viele folgende Projekte heute mit großer Sicherheit nicht exis- tieren.154

Untersuchungen des Rechnungshofes in den Jahren 1967 bis 1971 ergaben, dass die überwie- senen Summen der TKW vom Land Tirol nicht zwingend für die Begleichung mittelbarer Folgen des Kraftwerksbaus verwendet wurden. Laut Rechnungshof ginge es über die herrschende Rechtsordnung hinaus, ein verhältnismäßig kleines Gebiet für nicht messbare Schäden in ei- nem solchen Ausmaß zu entschädigen. Außerdem wäre Tirol durch den Kraftwerksbau ohne- hin zu Bereicherungen im Wert von mehreren 100 Mio. Schilling gekommen. Im Bericht des Rechnungshofes von 1983 wird bemängelt, dass Millionenbeträge für Werbemaßnahmen des Fremdenverkehrs und die Sanierung der Zillertaler Verkehrsbetriebe verwendet worden seien. Zudem sollen Gelder in das Bauvorhaben einer Tagesheimstätte für Behinderte, in die Errichtung einer Schule und ca. 400.000 Schilling für den Bau eines Schießstands der Zillertaler Schützen geflossen sein.155

Daraufhin empfahl der Rechnungshof den beiden Parteien über eine Veränderung des Ver- trags zu verhandeln. Gemeint war damit eine deutliche Herabsetzung der jährlichen wertge- sicherten Pauschalzahlung. In einem Rechnungshofbericht der 1990er Jahre ist von weiteren Bemängelungen zu lesen:

„Eine Änderung des Vertrages mit dem Land Tirol hinsichtlich einer Herabsetzung der jährlich wertgesicherten Pauschalzahlungen der Unternehmung für `derzeit nicht oder nur schwer voraussehbare bzw erkennbare Schäden´ durch die Kraftwerksbauten im Zillertal wäre anzustreben. Diese beliefen sich im Jahre 1992 wegen der Indexerhöhun- gen bereits auf 12,2 Mill S, wobei weitere Steigerungen – in Abhängigkeit von Strom- preiserhöhungen – zu erwarten sind.“156

In einer folgenden Stellungnahme des Rechnungshofes von 1995 gibt dieser an, hinsichtlich des Zillertalvertrags sich nicht mehr in der Lage zu sehen, „substantielle Veränderung herbei- zuführen“157.

154 Kandolf, 40 Jahre Tauernkraftwerke AG, S. 25. 155 Österreichischer Rechnungshof, Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes. 156 Österreichischer Rechnungshof, Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über die Tauernkraftwerke AG, S. 15. 157 Ebd. 36

Bei anderen Verwendungszwecken ist der Zusammenhang mit dem Kraftwerksbau klar er- sichtlich. So wurden in den Jahren 1967 bis 1973 50 Mio. Schilling für die Verzinsung des Dar- lehens betreffend den Bau der Schnellstraße zwischen Stumm und Zell verwendet, welcher aufgrund der anfallenden Mehrbelastung durch den Schwerverkehr vollzogen werden musste. Zur Verzinsung des Darlehens für den Ausbau der Tuxer Landstraße wurden zehn Mio. des Pauschalbetrages in die Hand genommen. Auch dringend war die Errichtung einer Kläranlage und eines Verbandsammlers für das Zillertal. Dafür wurde 1983 ein Zuschuss von 30 Mio. Schil- ling bewilligt.158

Auch der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses tauchte während des Rechtsstreits häufiger auf. Die Parteien schlossen nämlich bereits während des Wasserrechtsverfahrens und vor Ertei- lung der ersten – von vielen – erforderlichen Bewilligungen den Zillertalvertrag ab. Das bedeu- tet, sowohl bei der TKW als auch beim Land Tirol bestand zu dieser Zeit schon die Gewissheit, dass das Bauvorhaben bewilligt wird. Dabei behielten sie recht, wie sich im Nachhinein her- ausstellte. Zudem ist bemerkenswert, dass sich das Land Tirol bereits zwölf Jahre vor der na- turschutzrechtlichen Bewilligung verpflichtete, die TKW in „wohlwollendem Verhalten“ zu un- terstützen, obwohl die Auswirkungen des Kraftwerksbaus im Zillertal damals noch nicht aus- reichend quantifiziert werden konnten.159

Aus diesem Verhalten von Seiten des Landes Tirol lässt sich schließen, dass damals aufgrund von wirtschaftlichen Interessen und den Summen aus dem Talvertrag sämtliche Genehmigun- gen erteilt wurden. Aus rechtlicher Sicht eine sehr bedenkliche Vorgehensweise. Dieser Ver- tragsabschluss war dem Land Tirol wohl eine Lehre, denn für die weiteren Talverträge wurde eine andere Formulierung gefunden. Seither wird nicht mehr von einer „Abgeltung von Beein- trächtigungen und Schäden, die als mittelbare Folgen des Kraftwerksbaues und -betriebes auf- treten“, sondern von der „Abgeltung des Prozessrisikos nicht spezifizierter Schäden aller Rich- tungen“ gesprochen.160 Das heißt, es werden nicht mehr die unmessbaren Schäden, sondern das Prozessrisiko entschädigt. Kostner betont in diesem Zusammenhang folgendes:

158 Hammerschmid, Die Tauernkraftwerke AG im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen, S. 89. 159 Kostner, Rechtliche und politische Rahmenbedingungen der Errichtung eines Wasserkraftwerkes am Beispiel des Zillertalkraftwerkes (2. Ausbaustufe), S. 55. 160 Ebd., S. 56. 37

„So lange die Entschädigungszahlungen nicht sinnvoll bzw vertragsgemäß verwendet werden und dadurch der Anschein der Überhöhung beseitigt wird, kann der schale Bei- geschmack einer finanziellen Abgeltung des wohlwollenden Verhaltens der Landesbe- hörden auch durch eine andere Bezeichnung nicht beseitigt werden.“161

Wie auch immer man die Abgeltung schlussendlich bezeichnet, faktisch wird es immer das- selbe bleiben. Fest steht, dass seit dem Rechnungshofbericht über die TKW im Jahr 1982 ein Rechtsstreit hinsichtlich des Zillertalvertrags ausbrach, der über einige Jahre hinweg im Gange war. Dabei standen sich zwei Blöcke gegenüber: Jene, die den Talvertrag als Entschädigungs- regelung für die nicht messbaren Schäden ansahen und jene, die ihn einer verdeckter Gewinn- ausschüttung oder Schenkungsvertrag zuordneten. Auf diese weit auseinandergehenden Standpunkte wird im folgenden Kapitel kurz eingegangen.

5.3 Rechtliche Grundlagen Ausschlaggebend für die Bearbeitung dieses Kapitels ist die Diplomarbeit von Markus Kostner, der sich mit den rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen der Errichtung des Zillertal- kraftwerks auseinandergesetzt hat.

Laut § 5 Abs 1 des Wasserrechtsgesetzes ist die Benützung öffentlicher Gewässer innerhalb der gesetzlichen Schranken jedermann gestattet. Durch die Einordnung der öffentlichen Ge- wässer in das öffentliche Gut fällt bei der Wassernutzung kein Wasserzins an. Jedoch betreffe diese unentgeltliche Wassernutzung nur die dazu Berechtigten wie z.B. Marktgenossen oder Gemeindebürger. Bei Ortsfremden kann es zu einer Abgeltung durch die Benutzung des Was- sers an die Gesamtheit der Berechtigten kommen.162

Die Leistungen aus dem Talvertrag wären laut Kostner keine Schadenersatzleistungen aus dem AGBG oder nach dem WRG. Kostner war nach längerem Studieren des Talvertrags jedoch da- von überzeugt, dass die „dort vereinbarten Leistungen wenigstens zum Teil die Funktion des vom WRG angeblich ausgeschlossenen Wasserzinses erfüllen“163.

161 Ebd. 162 Ebd., S. 50. 163 Ebd. 38

Das Land Tirol hat sich im Talvertrag nicht nur für den Wasserzins und die eventuell notwen- dige Ausnahmebewilligung verpflichtet, sondern auch dazu, die TKW für die im Vertrag aufge- zählten Schäden schad- und klaglos zu halten. Überdies sollen die Entschädigungszahlungen für die Behebung der resultierenden Beeinträchtigungen des Kraftwerksbaus verwendet wer- den, was laut Kostner nicht immer der Fall war.164

Die bereits oben erwähnte „Interpretation der Entschädigungszahlungen als verdeckte Ge- winnausschüttung an das Land Tirol als Aktionär“ muss an dieser Stelle nochmals angespro- chen werden. Diese Interpretation beruht darauf, dass die Entschädigungszahlungen als Schenkungen angesehen werden. Das bedeutet, die Gegenleistungen des Landes Tirol könn- ten die Zahlungen der TKW nicht rechtfertigen. Auf diese Äußerungen reagierten die beiden Vertragspartner mit heftigem Widerstand. Speziell das Land Tirol sah in dessen Schuldüber- nahme eine angemessene Gegenleistung. Der Rechnungshof war hier jedoch anderer Ansicht. Laut diesem habe sich die TKW zu nachgiebig verhalten, dabei wäre die TKW während der damaligen Einflussnahme des Landes Tirol aber in einer schwierigen Lage gewesen. Mittler- weile sind die damaligen Interpretationen des Rechnungshofes über eine verdeckte Gewinn- ausschüttung aber in den Hintergrund getreten.165

Ein weiteres Problem war die gewerbesteuerrechtliche Qualifikation. Man war sich nicht ge- nau sicher, ob die Entschädigungszahlungen als dauernde Belastung (§ 7 Gewerbesteuerge- setz) gewertet werden sollten oder nicht. So hat sich das Finanzamt für Körperschaften in Wien dagegen ausgesprochen, aber laut Finanzlandesdirektion sind die Entschädigungszah- lungen nach der Berufungsentscheidung „zu 50 % als dauernde Last“ zu werten.166

Die TKW erklärte, dass ohne Zillertalvertrag der Bau der Zemmkraftwerke und des Zillertal- kraftwerks nicht möglich gewesen wäre. Diese Aussage wurde 1982 vom Landeshauptmann Wallnöfer und anderen Vertretern bestätigt. Die TKW bedaure aber, dass „nur durch die Ge- währung eines in der österreichischen Rechtsordnung nicht vorgesehenen Schadenersatzes der Ausbau der Wasserkräfte im Zillertal möglich gewesen“167 sei.

164 Ebd., S. 51. 165 Ebd. 166 Ebd., S. 52. 167 Ebd. 39

5.4 Entschädigungsvereinbarungen mit den Gemeinden in den 1970er -80er Jahren

Zwischen den 1960er und 80er Jahren kam zu weiteren großen Baumaßnahmen der TKW im hinteren Zillertal. So errichtete die Gesellschaft von 1963 bis 1967 die Oberstufe für das Ger- loskraftwerk, wobei auch ein Umspannwerk in Gerlos entstand. Der Baustart für die Kraft- werke Roßhag und Mayrhofen war im Jahr 1965, sechs Jahre später waren diese fertiggestellt. Der Bau des Zillerkraftwerks in den 1970er Jahren mit der Errichtung des Speichers Zillergründl und dem Kraftwerk Häusling war wohl der umstrittenste Kraftwerksbau im Zillertal. Er wurde von einigen Demonstrationen wie auch der Aktionsgemeinschaft Rettet den Zillergund hinaus- gezögert, aber dennoch 1987 abgeschlossen. In diesem Kapitel wird genauer auf die Entschä- digungsvereinbarungen, welche vor, während und nach dem Bau der oben genannten Kraft- werke mit den betroffenen Gemeinden abgesprochen wurden, eingegangen. Manche dieser Zahlungen gingen über die im Zillertalvertrag vereinbarten Abgeltungen hinaus.

5.4.1 Gemeinde Mayrhofen Mayrhofen war zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses 1969 nicht unmittelbar vom Kraft- werksbau betroffen, aber der mit dem Bau einhergehende erhöhte Schwerverkehr war auch für die Gemeinde Mayrhofen deutlich spürbar. Zudem war die Gemeinde Mittelpunkt der Ak- tionsgemeinschaft Rettet den Zillergund. Für die Abgeltung der mittelbaren Folgen der ersten Ausbaustufe des Zillerkraftwerks zahlte die TKW zehn Mio. Schilling für die Errichtung einer Klär- und Kanalisationsanlage. Zudem kam es zu einem Pauschalbetrag der TKW von einer Mio. Schilling für den Bau eines Gehsteiges bei der Straßeneinfahrt „Mitte“. Weiters kam es zu einem Pauschalbetrag von 300.000 Schilling für die Leitungsanlagen. Der Tourismusver- band Mayrhofen erhielt eine Summe von 549.500 Schilling. Darin enthalten war eine Werbe- reise, die Abgeltung der Fremdenverkehrsschäden für die Jahre 1974 bis 1977 und eine Reise nach Berlin.168

Als es zur Errichtung der zweiten Ausbaustufe kam, wurde von Seiten der TKW eine weitere Summe von zwei Mio. Schilling für die Gemeinde Mayrhofen in die Hand genommen. Zu dieser Abfindung kam es aufgrund der Verbauungsmaßnahmen des Stilluppwasserfalls. Das zeigt nochmals deutlich, dass die Formulierung „Abgeltung von Folgeschäden“ nur ein rechtlicher

168 Österreichischer Rechnungshof, Tauernkraftwerke AG. 40

Deckmantel war. Auch an den Mietkosten des Gendarmeriepostens Mayrhofen beteiligte sich die TKW mit einem Betrag von 200.000 Schilling.169

Um die Kraftwerksbauten zu ermöglichen, empfand es die TKW als notwendig, auch Regelun- gen zuzustimmen, die bei einer strengen Auslegung der Rechtvorschriften nicht gedeckt wer- den. Man muss beachten, dass Mayrhofen zu dieser Zeit Mittelpunkt der Aktionsgemeinschaft Rettet den Zillergrund und die TKW deshalb sehr erfreut über die Beseitigung dieses Wider- stands mithilfe der Entschädigungszahlungen war. Anders wäre das laut einer Stellungnahme der TKW nicht möglich gewesen.170

5.4.2 Gemeinde Brandberg Mit der Gemeinde Brandberg machte die TKW anlässlich der zweiten Ausbaustufe des Ziller- kraftwerks eine Vereinbarung, in der sie sich unter anderem zur Errichtung eines Tunnels von Laubichl bis nach Maurach im Zillergrund, einer Straße in den Zillergrund sowie mehreren Wanderwegen verpflichtete. Des Weiteren leistete die TKW eine Zahlung von dreieinhalb Mio. Schilling für eine Kanalisations- und Kläranlage und einen Pauschalbetrag von vier Mio. Schil- ling für voraussehbare Beeinträchtigungen des Fremdenverkehrs und der Landwirtschaft.171

Vor Baubeginn der zweiten Ausbaustufe zahlte die TKW erneut eine Pauschalentschädigung über zwei Mio. Schilling plus einer halben Mio. zusätzlich für die Errichtung einer Umspann- station in der Au. Diese außerplanmäßigen sechs Mio. Schilling für nicht voraussehbare Schä- den kritisierte der Rechnungshof stark. Nicht nur, weil dieser Betrag als äußerst großzügig er- scheint, sondern auch, weil er im Widerstand zum bestehenden Zillertalvertrag stand. Dort hatte sich nämlich das Land Tirol verpflichtet, die Beträge der TKW so zu verwenden, dass „gegen die TKW keine auch wie immer gearteten Ansprüche einzelner Personen, Gemeinden oder sonstiger Einrichtungen wegen Schäden oder Beeinflussungen durch Folgeerscheinun- gen des Kraftwerksbaues und -betriebes gerichtet werden“172.

Bei der Errichtung des sogenannten Brandbergtunnels sollte das Land Tirol die Mehrkosten von 35 Mio. Schilling übernehmen. Aufgrund von verschiedenen Schwierigkeiten lagen die

169 Kostner, Rechtliche und politische Rahmenbedingungen der Errichtung eines Wasserkraftwerkes am Beispiel des Zillertalkraftwerkes (2. Ausbaustufe), S. 58. 170 Ebd., S. 56. 171 Ebd., S. 58 f. 172 Ebd., S. 59. 41

Kosten des Tunnels deutlich höher als geplant, trotz den ursprünglichen Abmachungen leis- tete das Land Tirol lediglich einen Pauschalbetrag von 24,5 Mio. Schilling. Durch den Bau die- ses Tunnels erreicht man den Zillergrund, ohne die Gemeinde Mayrhofen durchqueren zu müssen. Da der Tunnel eigentlich als Zufahrt zur Kraftwerksbaustelle geplant wurde, besitzt dieser eine für einen Straßentunnel eher unübliche hohe Steigung.173

5.4.4 Gemeinde Gerlos In den 1980er Jahren erklärte sich die TKW bereit, der Gemeinde Gerlos 2 Mio. Schilling für die „Umweltbeeinträchtigungen und Veränderungen der kleinklimatischen Verhältnisse“ zu zahlen. Die Umweltbeeinträchtigungen kamen durch den Wasserentzug aus dem Gerlosbach und einer Verringerung der Wasserführung in zwei weiteren Bächen zustande. Überdies ka- men von Seiten der TKW 572.000 Schilling für die Anschaffung eines Tanklöschfahrzeuges der Feuerwehr Gerlos. Auf Wunsch der Gerloser Bevölkerung stellte die TKW zusätzlich 50.000 Schilling für die Errichtung eines Landesteges am Speicher Durlaßboden zur Verfügung. Als der Rechnungshof feststellte, dass diese Summen ohne rechtliche Verpflichtungen bezahlt wur- den, einigte sich die Gerloser Bevölkerung darauf, der Vorstand hätte zur Sicherung eines rei- bungslosen Bauablaufs dem Kompromiss von zwei Mio. Schilling zugestimmt. Außerdem sei das Tanklöschfahrzeug aufgrund der Vorflutverhältnisse gerechtfertigt und der Betrag für den Landungssteg als Zeichen für die positiven Auswirkungen des Kraftwerksbaus auf den Touris- mus zu sehen.174

5.4.5 Gemeinde Tux Aufgrund der Tuxbachbeileitung verpflichtete sich die TKW dazu, die Baukosten einer Kläran- lage für die Gemeinde Tux zu 80 % zu übernehmen. Eine Höchstgrenze dieses Betrages wurde auf 1,6 Mio. Schilling fixiert. Es stellte sich allerdings schon nach kurzer Zeit heraus, dass es zu einer erheblichen Überschreitung der geschätzten Gesamtkosten kommen würde. Doch ob- wohl der Kostenanteil der TKW letztendlich ca. 3,22 Mio. Schilling betrug, blieb sie dabei, die vereinbarten 80 % der Baukosten beizutragen. Darin enthalten waren sowohl Kanalisierung und Grundstückseinlösen als auch die Zufahrtsstraße und die Flussregulierung.175

173 Ebd., S. 62. 174 Ebd., S. 60. 175 Ebd., S. 60 f. 42

Obwohl es von Seiten der Gemeinde Tux eine schriftliche Verzichtserklärung die weiteren An- sprüche aus diesem Titel betreffend gab, zahlte die TKW 1981 für zusätzliche Sanierungsar- beiten eine Summe von 402.000 Schilling. So erreichte der Kostenbeitrag der TKW eine Höhe von insgesamt 3,62 Mio. Schilling. Wenn dieser Betrag mit der eigentlichen Verpflichtung der TKW von 1,6 Mio. Schilling verglichen wird, ergibt sich daraus eine ungezwungene Zulage von ca. 2 Mio. Schilling.176

Für Kanalisationsarbeiten im Ortsteil Lanersbach erklärte sich die TKW bereit, im Falle einer Veränderung der Vorflutverhältnisse aufgrund der Tuxbachbeileitung, 30 % der Baukosten zu übernehmen. Eine solche Änderung trat zwar nicht ein, aber die TKW leistete trotzdem einen Zuschuss von 1,5 Mio. Schilling. Auch diese Zahlungen standen unter starker Kritik des Rech- nungshofes, mit der Begründung, dass keine bestimmte vertragliche oder bescheidmäßige Verbindlichkeit bestand.177

Kostner fasst die Probleme bzw. die missliche Lage der Bürgermeister der betroffenen Ge- meinden wie folgt zusammen: Für die Bürgermeister entstand das Problem, „entweder den Naturschutz höher zu bewerten, sich gegen das Projekt zu stellen und der Gemeinde mitunter einen Millionenschaden zuzufügen, der sie ihr Amt kostet, oder mit der TKW zu kooperieren und die Gemeinde zugleich zu sanieren.“178 Die Richtigkeit ihres Handels wird durch eine wei- tere Amtsperiode bestätigt, jedoch bleibt die angemessene Information der Bevölkerung dies- bezüglich offen.

5.5 Entschädigungsvereinbarungen mit Privaten Von der Tuxbachüberleitung waren zwei Laufwasserkraftwerke eines Hoteliers betroffen, bei welchen beiden eine Minderung der Stromerzeugung festgestellt wurde. Die TKW verpflich- tete sich daher, dem Kraftwerkseigentümer „ab dem Tag der Überleitung des Tuxbaches bis zum 31. Dez. 1999 elektrische Energie mit einer Höchstleistung von 130 kW Jahresband für seinen Eigenbedarf zur Verfügung zu stellen“179. Außerdem übernahm die TKW die Anschluss- kosten an das Netz der TIWAG.

176 Ebd., S. 61. 177 Ebd. 178 Ebd., S. 62. 179 Ebd., S. 63. 43

Im Gegenzug verpflichtete sich der betroffene Kraftwerkseigentümer, für den zukünftigen Entfall der Betriebskosten der TKW eine Summe von 223.000 Schilling abzugelten. Zudem sprach der Hotelier von der Löschung seiner Wasserrechte bei der zuständigen Behörde, die- ser Aufgabe kam er jedoch nicht nach. Stattdessen wurde ihm nach einer wasserrechtlichen Bewilligung die Restwassernutzung des Tuxbaches in seinen Kleinkraftwerken gestattet. Von der Behörde wurde die Verwendung der elektrischen Energie als positiv eingestuft, mit Ver- weis auf die Verwendung für innerbetriebliche Zwecke (Hotelbetrieb) und Umstellung von Öl- heizung auf umweltfreundliche, elektrische Energie. In der Realität kam es zur Einspeisung der gewonnen Energie in das Netz der TIWAG.180

Überdies gab es zum Teil hohe Grundstücksablösen, um Bauverzögerungen durch langwierige Enteignungsprozesse zu umgehen. Die TKW machte den Grundstücksbesitzern hohe Ange- bote, mit dem Verweis, dass diese im Falle einer Enteignung einen wesentlich geringeren Be- trag erhalten würden. Es kam daher nur zu einem Enteignungsverfahren.181

6. Der Erweiterungsvertrag von 1977 Im Zusammenhang mit dem geplanten Bau des Zillerkraftwerks kam es zu einem weiteren Talvertrag zwischen der TKW und dem Land Tirol. Dieser wurde bereits im Zillertalvertrag I unter Punkt 5. Abs 2 angemerkt. Bei diesem Projekt handelt es sich um die Erweiterung des Zemmkraftwerks durch eine zweite Ausbaustufe – den Jahresspeicher Zillergründl, vier Bach- beileitungen und das Kraftwerk Häusling. Der Wasserrechtsbescheid für den vom Bundesmi- nisterium für Land und Forstwirtschaft bezeichneten „bevorzugten Wasserbau“ lag ab dem 29. Juni 1977 vor. Vier Jahre später kam es zur naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung der Tiroler Landesregierung.182

6.1 Inhalt Der Erweiterungsvertag wurde am 15. Dezember 1977 dem Land Tirol zugesendet und am 24. Jänner 1978 vom Landeshauptmann Wallnöfer sowie zwei Landesräten besiegelt. In der Ein- leitung spricht die TKW die Vereinbarung an, welche im Falle der Errichtung des Zillertalkraft-

180 Österreichischer Rechnungshof, Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes, S. 369. 181 Kostner, Rechtliche und politische Rahmenbedingungen der Errichtung eines Wasserkraftwerkes am Beispiel des Zillertalkraftwerkes (2. Ausbaustufe), S. 64. 182 Kostner, Der janusköpfige Staat als Vertragspartner, S. 240. 44

werks zu treffen ist, sprich eine Auskunft über das Zustandekommen des Erweiterungsver- trags, „wonach die durch dieses Bauvorhaben eintretenden Strukturveränderungen und Be- einträchtigungen unter Berücksichtigung der in der Zwischenzeit gemachten Erfahrungen nach den Grundsätzen des Zillertalvertrages abgegolten werden“183.

Unter Punkt I. macht der Vertrag auf den Zillertalvertag I und die dort vereinbarten Entschä- digungszahlungen aufmerksam. Diese sollten mit der Inbetriebnahme der Zemmkraftwerke jährlich an das Land Tirol ausgewiesen werden. Durch Verzögerungen bei der Fertigstellung des Kraftwerks gibt es eine abgeänderte Abgeltung für das Jahr 1977. Im darauffolgenden Jahr sollte dann die anfangs vereinbarte Summe bezahlt werden.184

Punkt II. verweist auf die Regelung im Zillertalvertrag I, welche eine um mehr als 20-prozentige Absenkung der Berechnungsgrundlage betrifft. Zudem werden die anfängliche Entschädi- gungssumme und die vorgesehene Wertsicherungsklausel aufeinander abgestimmt. Das be- deutet, Punkt III. Abs 2 ersetzt den Punkt I. Abs 2 der Vereinbarung des Zillertalvertrags I.185

Die jährliche Energieerzeugung der ersten und zweiten Ausbaustufe des Zillertalkraftwerks würden zusammen im Regeljahr 361,7 Mio. kWh betragen, also rund 50 % der Regeljahreser- zeugung der Zemmkraftwerke. Dadurch würde die TKW den Entschädigungsbetrag für diese um 50 % erhöhen, um die „derzeit nicht oder nur schwer vorausseh- und erkennbaren Schä- digungen“ abzugelten. In kurzen Worten, das Land Tirol erhielt eine jährliche Summe von 50 % der Entschädigungssumme des Zillertalvertrags I, die anfangs bei drei Mio. Schilling lag, aber laut Berechnungen des Rechnungshofes bereits im Jahr 1978 ca. 5.750.000 Schilling betrug.186

Punkt IV. betrifft die Regelung des gewerbesteuerlichen Gutachtens der Entschädigungszah- lungen, demzufolge alle Zahlungen der TKW aus dem Zillertalvertrag „einer gewerbesteuerli- chen Belastung unterliegen“187. Mit Vertragsabschluss stimmte das Land Tirol einer 5,3 pro- zentigen Reduzierung der Zahlungen ab dem Jahr 1978 zu.

183 Talschaftsvertrag (Erweiterungsvertrag), 15. 12.1977, veröffentlicht in: Kostner, Der janusköpfige Staat als Vertragspartner, Innsbruck 1986. 184 Ebd., S. 2. 185 Ebd. 186 Ebd. 187 Ebd., S. 3. 45

Punk V. verweist auf die Aufrechterhaltung der Inhalte des Zillertalvertrags I, „soweit sie im vorstehenden nicht abgeändert oder aufgehoben wurden“188.

7. Der Zillertalvertrag II von 2015 Der Zillertalvertrag II wurde – wie sein Vorgängermodell – ebenfalls zwischen dem Land Tirol und der Verbund AHP geschlossen. Unterzeichnet wurde er vom Landeshauptmannstellver- treter Josef Geisler und den beiden Verbund AHP Geschäftsführern Michael Amerer und Karl Heinz Gruber am 27. Juni 2015. Da noch keine Literatur zum Vertrag und den damit in Verbin- dung stehenden Kraftwerksprojekten existiert, werden im folgenden Teil hauptsächlich Zei- tungsartikel sowie Pressemeldungen und Gemeinderatsprotokolle zitiert. Der Inhalt des Ziller- talvertrags II kann nicht ausführlicher behandelt werden, da dieser noch unter Verschluss steht.

7.1 Vorgeschichte Um die Vorgeschichte des Zillertalvertrags II von 2015 zu verstehen, müssen zunächst die neuen Projekte Untere Tuxbachüberleitung (bereits in Bau) und das Projekt Rotholz (ruhend gestellt) erläutert werden. Zudem muss ein kleiner Einblick in die Energiestrategie und die EU- Wasserrahmenrichtlinie gegeben werden, da auch diese mit den beiden Projekten in Verbin- dung stehen.

7.1.1 Projekt Untere Tuxbachüberleitung Bereits in den 1970er und 80er Jahren gab es während der Errichtung der Zemmkraftwerke erste Überlegungen zum Projekt Untere Tuxbachüberleitung. Diese scheiterten aber am Wi- derstand der einzelnen Gemeinden.189 Über 40 Jahre später, am 17. Februar 2017, kam es nach der Wiederaufnahme dieses Projekts und längeren Vorverhandlungen schließlich zum Baustart.

Hauptgrund für die Wiederaufnahme des Projekts war die im Jahr 2019 auslaufende Betriebs- genehmigung des Kraftwerks Bösdornau. Dieses müsse an die gegenwärtigen Gesetze und Vorschriften angepasst werden bzw. eine Nachfolgelösung für die Erzeugung gefunden wer- den190. Laut Michael Amerer, Geschäftsführer der Verbund AHP, sei eine Weiterführung des Kraftwerks Bösdornau unter den künftig geltenden strengeren EU-Wasserrahmenrichtlinien

188 Ebd. 189 VERBUND Hydro Power GmbH, Projekt Untere Tuxbachüberleitung, S. 10. 190 Angela Dähling, Vom Stromprojekt elektrisiert, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 73, 24.7.2017, S. 34. 46

„sowohl aus energiewirtschaftlicher Sicht als auch den Naturschutz betreffend die schlechtere Variante, als das Kraftwerk stillzulegen und den Tuxbach in den Stilluppspeicher abzulei- ten“191.

Künftig wird das Wasser des Tuxbaches die Turbinen im Kraftwerk Mayrhofen antreiben. Ein 8,6 km langer Stollen wird den Tuxbach mit dem Stillup-Speicher verbinden und den Zemm- bach unterqueren. Aufgrund des Höhenunterschiedes dieser Verbindung von 30 m kann zu- sätzlich ein Kleinkraftwerk an der Einmündung in den Stillupp Speicher errichtet werden. Die- ses wird mit einer Gesamtjahreserzeugung von rund 1,7 MW ca. 20.000 Haushalte (74 GWh) abdecken.192

Durch die neue Überleitung und die Verknüpfung mit dem bestehenden Kraftwerk Mayrhofen sowie dem neuen Kleinkraftwerk Stillupp werden in Zukunft 74 Mio. kWh Wasserkraftstrom erzeugt. Die Bauzeit dieses Projekts beträgt ca. drei Jahre.193 194

Abbildung 6: Projektgebiet Untere Tuxbachüberleitung 136 In einem Interview betonte der Geschäftsführer der Verbund AHP Amerer, „dass zwischen 70 und 80 % der Investitionssummen unseres Projektes als Wertschöpfung in der Region bzw. im

191 Ebd. 192 VERBUND Hydro Power GmbH, Informationen zum Projekt "Unterer Tuxbach" und zur Projektüberlegung "Rotholz", S. 4. 193 VERBUND Hydro Power GmbH/Stadtwerke Schwaz, Stadtwerke Schwaz und VERBUND bekräftigen Partner- schaft. Partnerschaftserklärung zur Realisierung des Projektes Unterer Tuxbach unterzeichnet. 194 VERBUND Hydro Power GmbH, Projekt Untere Tuxbachüberleitung, S. 12. 47

Land verbleiben“195. Die große Bedeutung des Tuxbach Projekts verdeutlichte auch Landes- hauptmannstellvertreter Josef Geisler:

„Die Wasserkraft spielt in der Energiestrategie des Landes Tirol eine wesentliche Rolle. Mit dem Kraftwerksprojekt Unterer Tuxbach kommen wir unserem Ziel, bis 2050 ener- gieautonom zu sein und unseren Energiebedarf aus heimischen, erneuerbaren Ener- giequellen zu decken, wieder einen großen Schritt näher.“196

Bevor das Projekt jedoch in Angriff genommen werden konnte, kam es zu langwierigen Ver- handlungen zwischen der TKW und den Schwazer Stadtwerken, da diese, aufgrund des aus- laufenden Wasserrechts des Kraftwerks Bösdornau der TKW, ein Konkurrenzprojekt für den Tuxbach vorschlugen. Das Resultat war ein Widerstreitverfahren, wobei sich auf politischen Druck beide Parteien einigten.197

Die Stadtwerke Schwaz erhielten von der AHP ein Beteiligungsangebot, ein durchaus gängiges Modell des Baukostenzuschusses in der Elektrizitätswirtschaft. Aufgrund eines einmaligen Fi- nanzierungsbeitrages erwarben die Stadtwerke Schwaz den Anspruch auf eine adäquate jähr- liche Strommenge aus den Zillertaler Kraftwerksprojekten der Verbund AHP „zu marktkonfor- men Bedingungen“.198 Der eigentliche Plan der Stadtwerke bestand darin, die drei betroffenen Gemeinden am erzeugten Strom mitverdienen zu lassen – was aber nicht gelang. Darauffol- gend gab es von Seiten der Gemeinden und der Tourismusverbände einen Forderungskatalog, der vom Verbund durchgearbeitet werden musste.199

Vor allem in den betroffenen Gemeinden kam es zu Diskussionen über Umweltverträglichkeit und wirtschaftliche Aspekte. Besonders betroffen war beispielsweise der Fischereiberechtigte des Tuxbaches Tobias Fankhauser aus , dessen Forellenhof durch die Fischerei- möglichkeit ein Alleinstellungsmerkmal bei seinen Gästen erreicht hatte. Der Besitzer forderte

195 VERBUND, Spatenstich für das Projekt Unterer Tuxbach im Zillertal. 196 Ebd. 197 VERBUND Hydro Power GmbH/Stadtwerke Schwaz, Stadtwerke Schwaz und VERBUND bekräftigen Partner- schaft 198 VERBUND Hydro Power GmbH, Projekt Untere Tuxbachüberleitung, S. 25. 199 Angela Dähling, Alle in einem Boot beim Wasserkraftprojekt, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 49, 18.2.2017, S. 41. 48

deshalb ein Ersatzrevier oder Berechtigungskarten im Nachbarrevier, dies konnte aber nicht ermöglicht werden.200

Negative Stimmung aufgrund des Projekts Untere Tuxbachüberleitung machte sich allgemein in der Gemeinde Finkenberg breit, die hauptbetroffene Gemeinde. Laut den Dorfbewohnern sei die Umsetzung des Projekts politisch nicht zu verhindern gewesen, da sowohl Landesregie- rung als auch der Zillertaler Planungsverband hinter dem Vorhaben der Verbund AHP standen, um bis 2050 die Energieautonomie im Land zu erreichen. In einer Gemeinderatssitzung ver- kündete der damalige Bürgermeister von Finkenberg Matthias Eberl den Gemeinderäten, zu denen auch der Projektleiter des besagten Kraftwerksprojekt Marco Fiegl zählte: „Seitens des Landes sagte man uns, das Thema sei erledigt. Der Verbund kann tun, was er will, und über die Gemeinden drüberfahren. Da fühlt man sich hintergangen und von allen verlassen.“201

Die Finkenberger erstellten einen mehr als 15 Punkte umfassenden Forderungskatalog, wel- chen sie der Verbund AHP zukommen ließen. In diesem war von Freikarten für die Schlegeis- Mautstraße, Vereinssponsoring, aber auch vom Grundverkauf beim Bösdornau-Kraftwerk, Ortsteilkanalisationen und Straßensanierungen zu lesen. Der Verbund kam all diesen Forde- rungen der Gemeinde nach und Finkenberg erhielt zudem, als Entschädigung für den Verlust der Kommunalsteuer, 20.000 Euro.202 Scharf kritisiert wurde von der Gemeinde Finkenberg die „Vergabepraxis der Talvertragsmittel“, die 2015 rund 1,2 Mio. Euro jährlich betrugen. Eberl sprach von „Freunderlwirtschaft“ und zählte Beispiele für die Vergabe der Talvertragsmittel auf. Er kritisierte die „Finanzspritze“ für das Europahaus, den Ziller-Radweg und die Zillertal- bahn. Laut dem damaligen Bürgermeister habe die Gemeinde Finkenberg als hauptbetroffene Gemeinde nichts von dieser Verwendung der Talvertragsmittel und es sei besser, das Geld für Altenheime und das Gesundheitswesen zu verwenden.203

Schlussendlich wurden für das Projekt auch durchaus positive Stimmen laut. Der Gemeinderat Tux stand dem Projekt laut Gemeinderatssitzungsprotokoll vom 15.07.2014 positiv gegen- über, der Beschluss wurde mit zwölf Ja-Stimmen bei einer Stimmenthaltung gefasst. Zu einer Zustimmung der Gemeinde Tux und der Gemeinde als Grundeigentümerin der Grundparzelle

200 Dies., TVB erteilt Verbund-Plänen Absage, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 178, 1.7.2014, S. 34. 201 Dies., Finkenberg gibt sich geschlagen, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 105, 16.4.2015, S. 34. 202 Ebd. 203 Ebd. 49

1247 Kg kam es erst nach einer Anpassung des Vertrags von 1990, der zwischen der TKW und der Gemeinde Tux abgeschlossen wurde. 204

Vor Baubeginn wurden einige projektbezogene Vereinbarungen getroffen. So wurde 2015 der Zillertalvertrag von 1969 erneuert, was eine Ausweitung der finanziellen Unterstützung für die einzelnen Gemeinden mit sich brachte. Außerdem gab es seitens der AHP im Zuge des Rück- baues eines Wehres in Mayrhofen eine Zusage für die Errichtung einer Strecke für den Was- sersport und eine dafür vorgesehene Einstiegsstelle im Bereich des Ausgleichbeckens beim Kraftwerk Mayrhofen. Ein weiteres Versprechen galt dem Hochwasserschutz, welcher im Be- reich der Ufersiedlung verbessert werden soll. Die Zentralwarte Zillertal in Mayrhofen wird erhalten bleiben.205 Weitere Folgen der Verhandlungen sind, dass die AHP sowohl auf die Nut- zung der Wasserfassung Stillupp als auch auf die bestehende Wasserfassung am Tuxbach ver- zichten wird. Das Krafthaus Bösdornau wird in Zukunft nur mehr den Eigenbedarf der Kraft- werke decken und daher nur noch mit einem Maschinensatz durch den Zemmbach betrieben. Als weiteren positiven Grund für die Erhaltung des Kleinkraftwerks Bösdornau gibt die Ver- bundgesellschaft folgendes an: „Mit der Rest-Nutzung des Kraftwerks Bösdornau wird auch sichergestellt, dass das in den Jahren 1928 bis 1930 errichtete und industriehistorisch attrak- tive Kraftwerksgebäude als Teil der Geschichte der Wasserkraft in Tirol und bei VERBUND er- halten bleibt.“206

7.1.2 Projekt Rotholz Im Jahr 2014 wurde in den Zeitungen über die neuen Projektüberlegungen der Verbund AHP betreffend einen Kraftwerksbau in Rotholz berichtet. Die Idee für dieses Projekt entstand auf- grund einer neuen Wasser-Rahmenrichtlinie der EU, die 2027 in Kraft treten soll. Diese besagt, dass die Wasser-Welle im Ziller reduziert werden muss, um die Natur, die Fischbestände und die Ufer zu schützen. Dadurch würden aber die Turbinen in Mayrhofen weniger Strom erzeu- gen. Das bedeutet, es bräuchte einen größeren Fluss, der das Einleiten des besagten Wasser- schwalls besser verkraften würde – nämlich den Inn. Das Projekt Rotholz umfasst eine Druck- leitung, die vom Kraftwerk Mayrhofen bis zum neuen Kraftwerk in Rotholz verlaufen würde sowie eine Verbindung zum Inn. Dazu müsste ein 25 km langer Stollen als Zuleitung zum Kraft-

204 Gemeindeamt Tux, 45. Gemeinderatssitzung 2014, S. 5. 205 VERBUND, Spatenstich für das Projekt Unterer Tuxbach im Zillertal. 206 Ebd. 50

werk durch das gesamte Zillertal gebaut werden. Diese Zuleitung würde sich an manchen Stel- len bis zu 600 m tief im Hang befinden. Im Kraftwerk Rotholz könnte dann das Wasser, das nicht als „Welle“ in den Ziller darf, zur Stromerzeugung herangezogen werden. Das Krafthaus soll Pumpturbinen erhalten, um Wasser retour zu pumpen und zu speichern. Laut Verbund AHP könnte dadurch die Stromerzeugung der Kraftwerksgruppe Zillertal um zehn Prozent ge- steigert werden. Das heißt, zu den 1600 GWh jährlich erzeugtem Strom könnten durch den Kraftwerksbau in Rotholz 170 GWh addiert werden. Außerdem sollen auch die kleineren Bä- che, wie der Sidanbach, der Talbach, der Riedbach, der Finsingbach und der Öxelbach mit ein- gebunden werden.207

Die Verbund AHP sprach 2014 noch von einem frühesten Baubeginn im Jahr 2023 und gab grobe Kostenschätzungen von ca. 500 bis 600 Mio. Euro an.208 Mit dieser Summe wäre das Projekt „Rotholz“ das derzeit größte Projekt des Konzerns.

2014 sind die Projektgegner mit einer Website unter dem Titel miabrauchndi.at online gegan- gen, um auf die beiden Projekte Untere Tuxbachüberleitung und Rotholz aufmerksam zu ma- chen. Dort war von der bedrohten Zillertaler Natur zu lesen. Die Ausführungen gingen soweit, dass von der Trockenlegung des Zillers die Rede war. Mit der Website erhoffte sich die Akti- onsgemeinschaft kräftige Unterstützung von der Bevölkerung, was auch zu funktionieren schien. Der Projektleiter Marco Fiegl betonte daraufhin, dass die beiden Projekte nichts mit- einander zu tun hätten. Die beiden Projekte sorgten kurze Zeit später in fast allen Zillertaler Gemeinden für Aufregung. Bevölkerungsgruppen schlossen sich zusammen und sendeten ei- nen Postwurf mit Informationen zu den Projekten und über die Naturbedrohung aus.209 Die Verbund-Gruppe kritisierte die nicht faktengetreue Darstellung der Informationen, da auch den Gegnern bekannt sei, dass ein trockenes Bachbett „unter heutigen Voraussetzungen so- wohl denkunmöglich als auch definitiv nicht genehmigungsfähig wäre“210. Die Projekte müss- ten allen strengen Kriterien der heutigen Ökologie entsprechen. Fiegl gab in einem Informati- onsblatt von 2014 folgende Informationen zur Realisierung des Projekts:

207 Dähling, 600 Verbund-Millionen ins Zillertal, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 14, 16.1.2014, S. 17. 208 o.A., Verbund plant neues Kraftwerk in Rotholz, in: Rofankurier, 6.3.2014. 209 Ebd. 210 o.A., David gegen Goliath im Zillertal, in: Bezirksblätter, 12.11.2014, [https://www.meinbezirk.at/schwaz/lo- kales/david-gegen-goliath-im-zillertal-d1147292.html], eingesehen 2.3.2018 51

„Dabei wird die Wassermenge, die weiterhin im Ziller fließen wird, nach ökologischen Gesichtspunkten von der Behörde festgelegt. Heute kann aufgrund der ersten Star- tüberlegungen zum Projekt noch niemand sagen, wieviel das genau sein wird. Fest steht [,] dass auch mit der Realisierung des Projektes immer und jederzeit eine ökolo- gische und landschaftsbildliche Wassermenge fließen wird. Sicher ist auch, dass der Stollen für die Ausleitung in der talauswärts blickend linksseitig gelegenen Hangseite verlaufen wird. Sobald die Daten der Grundlagenerhebung vorliegen, ausgewertet und in die Überlegungen eingeflossen sind, wird über die weiteren Schritte entschieden und die Öffentlichkeit umfassend informiert werden. Denn erst dann können Detail- fragen - wie etwa die Wasserführung des Ziller - beantwortet werden.“211

Im darauffolgenden Jahr kam es zu Grundlagenerhebungen, um die Auswirkungen des Pro- jekts besser einschätzen zu können. Dazu zählten auch Grundwasserbohrungen im vorderen und hinteren Zillertal, die für den Grundwasserschichtenplan erforderlich waren. Eine Geneh- migung wäre nur dann möglich, wenn eine ökologisch verträgliche Wasserführung gesichert ist. Bald darauf wurde das Projekt Rotholz ruhend gestellt, wobei die Ursachen hierfür nicht exakt ersichtlich sind. Es bleibt unklar, wann und ob das Projekt wieder aufgenommen wird, sicher ist nur, dass es in ferner Zukunft zur Senkung der Wasser-Welle, die die europäische Wasserrahmenlinie vorschreibt, kommen wird.

7.1.3 Energiestrategie Bis 2025 sollen die bestehenden Wasserkraftanlagen modernisiert und erweitert werden, um den erneuerten ökologischen Vorschriften zu entsprechen. Darunter fällt auch die EU-Was- serrahmenrichtlinie den ausgleichenden Schwallbetrieb der Speicherkraftwerke betreffend, die bis spätestens 2027 umzusetzen ist. In einer Pressemeldung von 2015 betont der Ge- schäftsführer der Verbund AHP die „Effizienz und Umweltfreundlichkeit“212 der Anlagen und die Entdeckung eines nachhaltigen Ausbaupotenzials im Zillertal. Deshalb sollen geplante Maßnahmen für die Werksgruppe umgesetzt werden, welche ein Plus von 270 Mio. kWh (ca. 65.000 Haushalte) an sauberer Wasserkraft bedeuten würden.213

211 VERBUND Hydro Power GmbH, Informationen zum Projekt "Unterer Tuxbach" und zur Projektüberlegung "Rotholz". 212 Entstrasser-Müller, Zillertalvertrag II: Gemeinden profitieren von Wasserkraft. 213 Ebd. 52

Durch die Umsetzung der beiden Projekte in Mayrhofen und Roßhag kam es bereits zu einer Erzeugungssteigerung von 3,5 %. Das Projekt Untere Tuxbachüberleitung, welches als Nach- folgelösung des Kraftwerks Bösdornau gilt, spielt ebenfalls eine große Rolle bei der Erreichung der Energieautonomie bis zum Jahr 2050.214

Das bedeutet, alle noch folgenden Projekte richten sich stark nach dem Strategieplan des Pla- nungsverbandes Zillertal und natürlich den rechtlichen Rahmenbedingungen. Das übergeord- nete Ziel des Strategieplans ist der Klimaschutz. Der Strategieplan wurde 2012 vom Planungs- verband Zillertal veröffentlicht und neben Arbeitsfeldern wie Mobilität und Verkehrsinfra- struktur oder Tourismuswirtschaft ist dort auch von Natur und Umwelt zu lesen. Unter letzte- res Arbeitsfeld fallen die Themen Energie und Ressourcen. Interessant ist die Anmerkung des Planungsverbands, dass die Region Zillertal durch den weiteren Ausbau der Wasserkraft nicht nur den Anspruch auf Entschädigungen hat, sondern zudem von der erzielten Wertschöpfung einen angemessenen Anteil erhalten soll.215

7.1.4 Behördenverfahren und „vorbelastetes Projektumfeld“ Das Genehmigungsverfahren für das Projekt Untere Tuxbachüberleitung begann am 27. Juni 2013 mit der Entscheidung des Umweltsenates. Einen Monat später kam es zur Einigung mit der Stadtwerke Schwaz GmbH und es folgten eine wasserrechtliche, eine nuturschutzrechtli- che und eine forstwirtschaftliche Einreichung. Der Bescheid der drei Behörden erfolgte im Jahr 2016.216

Im Informationsblatt der Verbund AHP ist die Rede von einem „vorbelasteten Projektumfeld“, zu welchem neben Grundstückseigentümern, Gemeinden und Tourismusverbänden auch NGOs wie der Alpenverein und der Kajakclub gehören.217 Deshalb wurden zusätzlich zum Zil- lertalvertrag II mit den Gemeinden Mayrhofen, Finkenberg und Tux sowie mit dem Tourismus- verband Mayrhofen- sogenannte „Partnerschaftsverträge“ abgeschlossen. Wesentli- cher Inhalt dieser Verträge ist folgender:

• Infrastrukturelle Maßnahmen als Ausgleich für erschwerte Nutzungen durch das Pro- jekt (z.B. Wehrumbau Zemm)

214 Ebd. und o.A., Zillertaler Gemeinden profitieren von Wasserkraft, in: Tiroler-Bauernzeitung, Nr. 27, 2.7.2015, S. 17. 215 Geisler, Strategieplan Zillertal. 216 VERBUND Hydro Power GmbH, Projekt Untere Tuxbachüberleitung, S. 27. 217 Ebd., S. 24. 53

• Kooperationen bei diversen touristischen Maßnahmen oder Projekten im Bereich von Liegenschaft oder Kraftwerksanlagen der VHP • Konkretisierung von Maßnahmen im Zusammenhang mit der Errichtung der Unteren Tuxbachüberleitung (z.B. Teilrückbau von Kraftwerksanlagen des Kraftwerks Bös- dornau)218

7.1.5 Gemeinschaftsprojekt Um ein langes Widerstreitverfahren zu vermeiden und mehr Akzeptanz in der Region zu errei- chen, ermöglichte die Verbund AHP der Stadtwerke Schwaz GmbH eine Beteiligung am Projekt Untere Tuxbachüberleitung. Bei diesem Beteiligungsangebot handelt es sich um das Modell des Baukostenzuschusses, was bedeutet, dass die Stadtwerke Schwaz „durch Leistung eines einmaligen Finanzierungsbeitrages das Recht und einen Anspruch erwerben, eine definierte, adäquate jährliche Strommenge aus den Kraftwerksprojekten der VHP [Verbund AHP] zu marktkonformen Bedingungen zu beziehen“219.

Laut Geschäftsführer der Stadtwerke Schwaz GmbH Helmut Mainusch gilt dieser Anspruch auf eine gewisse Strommenge für 90 Jahre. Dieses Partnerschaftsprojekt ist das größte, das die Stadtwerke Schwaz GmbH jemals abgewickelt hat. Über die genaue Kostenaufteilung wurde aus vertraglichen sowie rechtlichen Gründen Stillschweigen vereinbart.220

7.2 Auswirkungen Der Zillertalvertrag II ist im Grunde genommen ebenfalls nur eine Erweiterung des Zillertalver- trags I, was bedeutet, dass letzterer aufrechterhalten bleibt. Hauptgrund für das Zustande- kommen war das Projekt Untere Tuxbachüberleitung, dessen Baubeschluss ein Jahr später – im September 2016 – erfolgte. Baubeginn war im Jänner 2017.221 Dieser Vertragsabschluss ist laut den beiden Vertragspartnern ein „Meilenstein, der die bisherige partnerschaftliche Zu- sammenarbeit mit dem gemeinsamen Verständnis zur Sicherung des Wertes der regionalen Wasserkraft untermauert“222.

218 Ebd., S. 26. 219 Ebd., S. 25. 220 Dähling, Tunnelbaustart für Wasserkraftprojekt, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 261, 21.9.2017, S. 34. 221 VERBUND Hydro Power GmbH, Projekt Untere Tuxbachüberleitung, S. 29. 222 Entstrasser-Müller, Zillertalvertrag II: Gemeinden profitieren von Wasserkraft. 54

Im Vertrag wurde die Erhöhung der derzeitigen jährlichen Zahlungen um rund 230.000 Euro auf rund 1,4 Mio. Euro festgelegt, die nach der Umsetzung der Unteren Tuxbachüberleitung erfolgen wird. Sollten alle Projekte (Tuxbach, Rotholz, Kleinkraftwerke) umgesetzt werden, könnte durch den Zillertalvertrag von 2015 ein zusätzlicher Betrag von 800.000 Euro in die Region fließen. Zusammen mit der bisherigen Summe aus dem Zillertalvertrag I, die sich auf ca. 1,2 Mio. Euro beläuft, könnte das Zillertal insgesamt über zwei Mio. Euro jährlich als Wert- schöpfungsbeitrag aus der Nutzung der Wasserkraft erhalten. Dies bedeutet, „dass die 24 Ge- meinden des Planungsverbandes Zillertal auch die möglichen unmessbaren Beeinträchtigun- gen, die durch die geplanten Modernisierungen und Erweiterungen der Kraftwerksanlagen entstehen, abgegolten bekommen.“223 Werden also alle geplanten Projekte der Verbund AHP im Zillertal umgesetzt, dann könnte sich der jährlich ausbezahlte Betrag um bis zu 60 % erhö- hen. Laut Josef Geisler werden die Zahlungen für infrastrukturelle Maßnahmen wie Bach- oder Lawinenverbauungen verwendet und sind nebenbei ein wichtiges Finanzierungsinstrument für Projekte des Planungsverbandes.224

Eine der Schattenseiten des Projekts Untere Tuxbachüberleitung ist die Auswirkung auf die jetzige Form des Wassersports. So wird das Rafting und Kajakfahren nicht mehr wie bisher in der Zemmschlucht stattfinden können, sondern wird auf den Ziller verlegt. Im Vorfeld wurde daher zusammen mit den Gemeinden über Vorschläge für einen Ausgleich dieser Folgen nach- gedacht. Eine endgültige Lösung sollte mit Hilfe von Professor Aufleger von der Universität Innsbruck gefunden werden. Dieser war durch seine Mitarbeit am Surfwellen-Projekt im Ziller bereits einigen Zillertalern bekannt.225

Der Verbund wird die Wehre Kohlstatt (Schwendau) und Kreuzlau (Mayrhofen) für Kajaks und Boote durch Blocksteinrampen passierbar machen. Wasserbausteine werden hierfür flach in das Gewässer gelegt und bei den beiden Wehren je eine einfache Passage für Boote und eine sportlich angelegte Gasse für Kajaks geschaffen. Dazu muss das Wehr Kohlstatt von der Ver- bund AHP zusätzlich um mindestens einen Meter abgesunken werden, um der flussaufwärts

223 Ebd. 224 Ebd. 225 Dähling, Wassersport auf den Ziller verlegen, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 325, 26.11.2014, S. 37. 55

gelegenen Ufersiedlung größeren Schutz vor Hochwasser zu bieten.226 Glaubt man dem Präsi- denten des Tiroler Kanuverbandes Hannes Pramstraller, dann ist der Wehrrückbau kein „Ge- schenk“ der Kraftwerksgesellschaft, sondern eine 25 Jahre alte Forderung.227

Im Zusammenhang mit dem Zillertalvertrag II wurden weitere Projektumsetzungen zugesagt: • Abbau des Speicherbeckens Bösdornau • Wehrinstandsetzung Mayrhofen inklusive Durchgängigkeit für den Wassersport • Strecke für den Wassersport unterhalb der Wehre • Einstiegstelle für den Wassersport im Bereich des Ausgleichsbeckens beim Kraftwerk Mayrhofen • Wasserstandinformationen für den gewerblichen Wassersport • Verbesserung Hochwasserschutz „Ufersiedlung“ • Bekenntnis zur Zentralwarte Zillertal228

8. „Unmessbare“ Schäden als Deckmantel für den Wasserzins? Ist der Wasserzins in der Schweiz die wichtigste Abgabe für die Wasserkraftnutzung, so gab es in Österreich in dieser Hinsicht einen Ausschluss des Wasserzinses. Dies war mit Sicherheit ein Anhaltspunkt für die „Erfindung“ der Talverträge. Um dem Wasserzins zu entgehen, rückten die „mittelbaren Folgen des Kraftwerksbaus“ als Entschädigung in den Vordergrund. Kritiker werden von einigen Aussagen bestärkt, die zugeben, dass es sich hierbei um eine Art Wasser- zins handeln würde, der nach WRG im Grunde nicht ausgeschlossen ist. Kostner bestärkt diese Aussagen in seiner Dissertation damit, dass die vereinbarten Leistungen zum Teil die Funktion des vom Wasserrechtsgesetz angeblich ausgeschlossenen Wasserzinses erfüllen würden. Wei- ters verweist er auf Verhandlungen zwischen der TKW und dem Land Tirol, in denen die Ab- geltung der unmessbaren Schäden immer wieder als Wasserzins bezeichnet wurden.229 Gibt es aber sehr wohl unmessbare Schäden, „dann ist die derzeitige Verwendungspraxis nicht dazu angetan, das Vertrauen in die Notwendigkeit dieser Entschädigungszahlungen zu för- dern“230.

226 Entstrasser-Müller, Zillertalvertrag II: Gemeinden profitieren von Wasserkraft. 227 Ebd. 228 VERBUND Hydro Power GmbH, Projekt Untere Tuxbachüberleitung. 229 Kostner, Der janusköpfige Staat als Vertragspartner, S. 249. 230 Ebd. 56

Zu einer Verfestigung der Kritik kam es vor allem durch Abschlüsse von weiteren Entschädi- gungsvereinbarungen mit betroffenen Gemeinden. Als Begründung für diese Abgeltungen wurden ebenfalls die „unmessbaren Schäden“ genannt, die bereits durch den Abschluss des Talvertrags I eigentlich angemessen beglichen wurden. Warum kam es dann aber zu neuerli- chen Entschädigungszahlungen seitens der TKW?

Um diese Frage zu beantworten, muss nochmals auf die Gemeinde Mayrhofen verwiesen wer- den, die zur Zeit des Kraftwerksbaus Mittelpunkt der Aktionsgemeinschaft Rettet den Ziller- grund war. Um die Aufstände zu schlichten, wurde mit mehreren Gemeinden über eine Ab- geltung für die befürchteten Nachteile verhandelt. Die Folgen der Verhandlungen über die erste Ausbaustufe des Zillerkraftwerks waren:

• Eine Zahlung von zehn Mio. Schilling für die Errichtung einer Klär- und Kanalisations- anlage. • Ein Pauschalbetrag von einer Mio. Schilling für die Herstellung eines Gehsteiges bei der Straßeneinfahrt „Mitte“. • Ein Pauschalbetrag von 300.000 Schilling zur Abgeltung mittelbarer Beeinträchtigun- gen, welche durch eigene, aber auch durch Leitungsanlagen der Verbundgesellschaft gegeben waren. • Die Finanzierung einer Werbereise des Fremdenverkehrsverbands, eine Abgeltung et- waiger Fremdenverkehrsschäden für die Jahre 1974 bis 1977 sowie eine Berlin Reise231, welche insgesamt 594.500 Schilling betrug.232

Anlässlich der Errichtung der zweiten Ausbaustufe des Zillerkraftwerks kam es zu zwei weite- ren Zugeständnissen der TKW an die Gemeinde Mayrhofen:

• Zwei Mio. Schilling als Abgeltung der unmessbaren Folgeschäden. • 200.000 Schilling für die Mietkosten des Gendarmerieposten Mayrhofen.233

Solche zusätzlichen Zahlungen gab es nicht nur für die Gemeinde Mayrhofen, sondern auch für die Gemeinden Tux und Gerlos. Die darin angegebenen Verwendungszwecke sind im Grunde vertragsfremd und erwecken den Eindruck, als wären sie Zahlungen für die Ablöse des

231 Ob es sich hierbei ebenfalls um eine Werbereise handelte, konnte nicht herausgefunden werden. 232 Österreichischer Rechnungshof, Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes. 233 Ebd. 57

Widerstandes. Die TKW rechtfertigte sich in diesem Zusammenhang beim Rechnungshof mit einer Stellungnahme, die Kostner in seiner Dissertation folgendermaßen zusammenfasste: „In ihrer Stellungnahme hob sie die Notwendigkeit hervor, zur Ermöglichung von Kraftwerksbau- ten Regelungen zuzustimmen, die bei einer strengen Auslegung der Rechtsvorschriften nicht gedeckt seien.“234 Zudem sah es die TKW als Erfolg, die Widerstände gegen den Kraftwerksbau mithilfe der zusätzlichen Entschädigungszahlungen zu schlichten.

Hieraus ist klar ersichtlich, dass die Abgeltung der unmessbaren Schäden bei den Gemeinden als Deckmantel für die Ablöse des Widerstands fungieren und beim Land Tirol für den Was- serzins. „Dieser ist aber nach der hM [herrschenden Meinung] in Österreich nicht zulässig, weswegen die Talverträge einer rechtlichen Grundlage entbehren.“235 Die eigentliche Funk- tion der Talverträge ist dementsprechend nicht die Abgeltung der unmessbaren Schäden, wo- mit das gesamte System dieser Verträge in Frage gestellt werden kann.236

9. Das Gremium des Zillertalvertrags Das Gremium des Zillertalvertrags ist verantwortlich für die Verwendung der Geldbeträge, die im Rahmen des Talvertrags jährlich von der Verbund AHP ausbezahlt werden. Oberster Ent- scheidungsträger ist das Land Tirol und eine beratende Bezirkskommission, die sich aus dem Bezirkshauptmann, einem Landtagsabgeordneten und zwei Bürgermeistern aus dem Zillertal zusammensetzt. Zurzeit befinden sich in dieser Kommission neben dem Landeshaupt- mannstellvertreter Josef Geisler, der Bezirkshauptmann von Schwaz Dr. Michael Brandl, der Obmann des Planungsverbandes Zillertal und Bürgermeister von Ried im Zillertal Hansjörg Jä- ger, der Bürgermeister von Brandberg Heinz Ebenbichler und der Amtsdirektor für Gemeinde- aufsicht, Grundverkehr und Wahlen Helmut Wolf.

Das Gremium muss sich an die Richtlinien, welche unter Punkt 7.1 aufgezählt werden, halten. Zu den Aufgabenbereichen des Gremiums zählen neben der Gewährung von Zuschüssen auch die Bearbeitungen von Ansuchen und Abstimmungen über diese.

Außerdem sind die Mitglieder dazu verpflichtet, Rücksprachen mit der Geschäftsleitung der Verbund AHP zu halten. Auf eine Anfrage hin, bestätigte der Tiroler Landesamtsdirektor Josef

234 Kostner, Der janusköpfige Staat als Vertragspartner, S. 251. 235 Ebd. 236 Ebd. 58

Liener, dass Transparenz bei der Vergabe der Talvertragsmittel nur gegenüber dem Verbund, aber sonst nicht vorgesehen sei.237 Bis zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinen Einspruch be- züglich der Verwendung der Mittel aus dem Zillertalvertrag seitens der Kraftwerksgesellschaft.

9.1 Richtlinien für die Verwendung der Mittel aus dem Zillertalvertrag Die folgenden Richtlinien wurden primär für das Gremium des Zillertalvertrags ausgearbeitet, um dieses auf die richtige Verwendung der ausbezahlten finanziellen Mittel aus dem Vertrag hinzuweisen. Herr Hansjörg Jäger, Planungsverbandsobmann des Zillertals, hat mir diese zur Verfügung gestellt. Die Richtlinien beziehen sich immer noch auf den Vertrag vom 5.12.1968 bzw. 7.1.1969, aber haben ihre Gültigkeit trotz des Abschlusses des Zillertalvertrags II von 2015 nicht verloren. Folgende Schwerpunkte wurden darin festgelegt:

1. Verbesserung von landwirtschaftlichen Strukturen: wie z.B. Rekultivierung und Wiederbe- grünung von geschädigten Bereichen, Entwässerung und Austrocknungen.

2. Abfallwirtschaft: wie z.B. Förderung des Baues von Kompostieranlagen, Klärschlammdepo- nie.

3. Abwasseranlagen/Wasserversorgungsanlagen: Darunter fallen Maßnahmen mit regiona- lem Charakter zum Zweck der Abwasserentsorgung und der Wasserversorgung (z.B. Investiti- onen für Anlagen von Abwasserverbänden, Notverbindungsleitungen zwischen Wasserversor- gungsanlagen von zwei oder mehreren Gemeinden, Erwerb von Quellwasservorkommen für regionale Wasserversorgungsanlagen, Ausweisung von Quellschutzgebieten für regionale Wasserversorgungsanlagen, geologisch-hydrogeologische Grundlagenerhebungen).

Im begründeten Einzelfall sollten auch Mittel für Gemeinden zuerkannt werden, die über- durchschnittlich hohe Aufwendungen für die Errichtung von Sammelkanälen (Schmutzwasser- und Regenwasserkanäle, Ableitungen und Transportkanäle) zur Erschließung von entlegenen Streusiedlungen und Einzelobjekten zu erbringen haben.

Dem schriftlichen Ansuchen sind die Projektunterlagen und eine Kostenschätzung samt Finan- zierungsplan beizulegen. Die Förderungsbedingungen des Landes für kommunale Abwasser-

237 Dähling, Finkenberg gibt sich geschlagen. 59

entsorgungsanlagen sind einzuhalten und mit einem diesbezüglichen Formblatt zu dokumen- tieren. Die Beurteilung der Anträge erfolgt unter der Beziehung eines kulturbautechnischen Amtssachverständigen im Rahmen einer Ausschusssitzung des Talvertrags.

4. Fremdenverkehr: wie z.B. Investitionsmaßnahmen regionaler Verbände.

5. Verkehr: wie z.B. Förderung künftiger Investitionsprogramme der Zillertaler Verkehrsbe- triebe AG; Förderungen von Bauvorhaben in entsiedlungsgefährdeten Gebieten, die eine La- winengefährdung oder sonstige Elementarschäden ausschließen.

6. Sonstige örtliche oder regional bedeutsame Vorhaben: Ansuchen, die nicht unter die För- derungsschwerpunkte 1-5 fallen, sind besonders sorgfältig zu prüfen und zwar unter dem Ge- sichtspunkt der Bestimmung des Zillertalvertrags Punkt I und Punkt II.

7. Die Zuerkennung von Mitteln aus dem Zillertalvertrag hat grundsätzlich subsidiären Cha- rakter. Das heißt, dass in erster Linie andere Unterstützungsmöglichkeiten für Projekte in Be- tracht zu ziehen und auszuschöpfen sind. Die kumulative Zuerkennung von Talvertragsmitteln mit sonstigen Förderungsaktionen ist gesondert zu begründen.

8. Jeder Antrag ist vor seiner Entscheidung im Talvertragsausschuss zu beraten.

9. Die Anträge können nur nach Maßgabe der vorhandenen finanziellen Mittel berücksichtigt werden.

9.2 Projektübersicht 2007 – 2017 Die Protokolle wurden unter der Auflage zur Verfügung gestellt, dass die Summen für die ein- zelnen Projektbeteiligungen nicht genannt werden. Der folgende Teil dieser Arbeit beinhaltet eine Aufzählung aller Projekte im Zillertal, die innerhalb einer Zeitspanne von zehn Jahren mit den Geldmitteln aus den Talverträgen I und II unterstützt worden sind. Bis auf das Jahr 2016 waren alle Sitzungsprotokolle vollständig enthalten.

Für das Gremium des Zillertalvetrags ist es gewiss schwierig, genaue Grenzen zwischen den Projektunterstützungen und den Projektablehnungen zu ziehen, da es außer den oben aufge- zählten Richtlinien keine genaueren Vorgaben für die Verwendung der Abgeltung seitens der TKW bzw. der Verbund AHP gibt. Immer wieder kommt es zu Unterstützungs- bzw. Projektan-

60

fragen Zillertaler Institutionen, Gemeinden und Vereine, die sich Geldmittel aus dem Talver- trag erwarten, aber abgelehnt werden müssen, da sich der Einsatzbereich dieser nicht mit den eigentlich vorgesehenen Verwendungen der Geldbeträge aus dem Talvertag decken.238

Auch mir ist es schwer gefallen, eine Gliederung für die folgenden Projekte zu erstellen, um einen besseren Überblick zu bekommen. Schlussendlich habe ich mich aber für die Eingliede- rung der einzelnen Projekte in folgendes Schema entschieden, da diese sieben Bereiche die gesamten Projektunterstützungen abdecken:

Eingliederung der Projekte in die Bereiche mit Beispielen:

1. Wasser: Hochwasser- und Bachverbauungen, Abwasseranlagen 2. Umwelt: Lawinen- und Steinschlagschutz, Abfallwirtschaft, Landwirtschaft 3. Verkehr: verkehrstechnische Maßnahmen, Zillertalbahn 4. Tourismus: Radwege, Wanderwege, Tourismusverbände 5. Elektrizität: Stromversorgung und Breitbandverlegungen 6. Sozialprojekte: Altenheime 7. Bildung/Kultur: Schulen, Theater

Die Einteilung in diese sieben Bereiche entspricht nicht exakt der Einteilung, wie sie bei den „Richtlinien für die Verwendung der Mittel aus dem Zillertalvertrag“ vorzufinden ist. So wird der Bereich „sonstige örtliche oder regional bedeutsame Vorhaben“ mithilfe der Themen- schwerpunkte „Elektrizität“, „Sozialprojekte“ und „Bildung und Kultur“ in der von mir ange- fertigten Gliederung exakter dargestellt und die einzelnen Finanzierungsbeihilfen aus dem Zil- lertalvertrag sind dadurch besser ersichtlich. Die „Verbesserung von landwirtschaftlichen Strukturen“ sowie die „Abwasseranlagen/Wasserversorgungsanlagen“ fallen in den Bereich „Umwelt“. Die restlichen Bereiche sind ident mit den Punkten in den „Richtlinien für die Ver- wendung der Mittel aus dem Zillertalvertrag“.

Die in der Klammer stehenden Jahreszahlen belaufen sich auf den Einreichungszeitraum der Anträge für die jeweiligen Projekte. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass im Jahr 2010 zwei Sitzungen des Gremiums stattfanden. In den restlichen Jahren wurde sich einmal zur Sitzung getroffen.

238 Diese Informationen stammen aus einem Gespräch mit dem Planungsverbandobmann und Mitglied des Zil- lertalvertrags-Gremium Herrn Hansjörg Jäger. An dieser Stelle möchte ich mich nochmals bei ihm für Pro- jekteinsicht der Jahre 2007 bis 2017 bedanken. 61

9.2.1 Bereich Wasser Ein ganz klarer Vorteil der Kraftwerksanlagen im Zillertal ist der Hochwasserschutz. Die fünf Stauseen in den hinteren Seitentälern leisten einen wertvollen Beitrag zur Hochwassersiche- rung im Zillertal. „Die verheerenden Überschwemmungen, die das Zillertal früher beinahe re- gelmäßig heimsuchten, sind seit Bestehen der Stauseen kaum mehr möglich“.239 Für Verbund- Gesellschaft ist klar, dass bei Starkregen und Hochwassergefahr Schutzmaßnahmen vor der Stromerzeugung stehen. Zu diesen Zeiten werden die Kraftwerke im Tal stillgelegt und das Wasser in höher liegende Speicher gepumpt. Diese dienen dann als Rückhaltebecken für den verzögerten Abfluss.240

Doch nicht nur die Stauseen bieten diesen Hochwasserschutz, sondern auch allgemeine Ufer- verbauungen, die mit den Summen des Zillertalvertrags bezahlt werden. Im folgenden Teil werden die Projekte rund um den Hochwasserschutz und die Baumaßnahmen für die Abwas- serbeseitigung aufgelistet. Die betrachtete Zeitspanne beträgt zehn Jahre.

Die folgenden Projektunterstützungen entsprechen dem Punkt 3 der ausgearbeiteten „Richt- linien für die Verwendung der Mittel aus dem Talvertrag“.

• Ansuchen 1: (2007) Durch eine Sperre wurde die Schwemmalm im Zemmgrund beein- trächtigt, deshalb wurden Sicherheitsmaßnahmen im Bachbett vorgenommen. Auch im unteren Bereich des Bachbettes mussten Räumungen vorgenommen werden. Dadurch konnte einerseits ein Bachausbruch verhindert werden und im unteren Be- reich eine Ablagerungsmöglichkeit für Geschiebe geschaffen werden. Für diese Siche- rungsmaßnahmen wurde eine Summe aus dem Zillertalvertrag zugesagt.241 • Ansuchen 2: (2008) Durch die seinerzeitige Zillerregulierung musste durch die Senkung des Grundwasserspiegels im Bereich des Schwimmbads in der Gemeinde Stumm das Moorbad um 1,5 Meter aufgelassen werden. Bei der neuen Badeanlage wurde auch einen Naturschwimmteich errichtet, für welchen infolge der Absenkung des Grund- wasserspiegels eine Spezialfolie beschaffen werden musste, um das Versickern des Ba- dewassers zu verhindern. Ein Teil dieses Mehrkostenaufwandes der Gemeinde Stumm wurde nach Abstimmung des Gremiums der Gemeinde beigesteuert.242

239 Zit. nach Pinzer, Zillertal, S. 60. 240 Entstrasser-Müller, Zillertalvertrag II: Gemeinden profitieren von Wasserkraft. 241 Sitzung Zillertalvertrag vom 07.08.2007. 242 Sitzung Zillertalvertrag vom 28.05.2008. 62

• Ansuchen 3: (2009) Im Zuge des Ausbaus der Brucker Landstraße und der Errichtung eines Gehsteiges musste die Straßenentwässerung komplett neu gebaut werden. Die Gesamtkosten dieses Entwässerungssystem wurden von der Gemeinde übernommen. Jedoch musste beim Einlaufbauwerk eine Absperrvorrichtung angebracht werden, da- mit der Schwellbetrieb des Zillerwassers nicht das dahinterliegende Retentionsversi- ckerungsbecken überflutet. Da diese zusätzlichen Baumaßnahmen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Schwellbetrieb des Kraftwerks der Verbund AHP standen, wurde das Vorhaben von der Gemeinde Bruck mit einem Pauschalbetrag aus dem Zil- lertalvertrag unterstützt.243 • Ansuchen 4: (2010) Im Jahr 2005 wurde am Gerlosbach eine Geschiebestausperre er- richtet, um dem Bach einen geordneten Lauf zu geben und durch die Hebung der Bach- sole Stabilisierung der Hänge zu erreichen. Unterhalb der Sperre wurde eine Kolksiche- rung in Form einer Grobsteinpflasterung errichtet. Durch das starke Hochwasser im Sommer 2005 wurde diese Pflasterung stark beschädigt und es wurde festgestellt, dass die Erosion den Bestand der Sperre akut gefährdet und umgehende Maßnahmen not- wendig sind. Die betroffenen Gemeinden wurden mit Geldmitteln aus dem Talvertrag unterstützt.244 • Ansuchen 5: (2010) Die gesamte Staffelung von der Brücke B 165 bis zur Mündung in den Gerlosbach wurde erneuert und weitere Maßnahmen wie eine Warnsignalanlage, die bei größeren Murstößen eine Ampel bei Gerlos auf Rot schaltet, mussten vorge- nommen werden. Dieses Ansuchen um eine Teilbeteiligung wurde vom Ausschuss an- genommen.245 • Ansuchen 6: (2010) Durch Mängel bei den Verbauungsanlagen beim Riedbach kam es zu einem Sanierungsprojekt. Für die beiden betroffenen Gemeinden Ried und Kalten- bach ist die Realisierung dieses Vorhabens, insbesondere aus Sicherheitsgründen für die Bevölkerung, ein sehr dringliches Projekt gewesen. Die Gesamtkosten wurden auf- geteilt auf Bund, Land Tirol, Verbund, Zillertalbahn AG, Baubezirksamt und die Ge- meinden Ried und Kaltenbach. Das Gremium des Zillertalvertrags beschloss die beiden Gemeinden mit einer Geldsumme zu unterstützen.246

243 Sitzung Zillertalvertrag vom 13.03.2009. 244 Sitzung Zillertalvertrag vom 18.02.2010. 245 Sitzung Zillertalvertrag vom 13.07.2010. 246 Ebd. 63

• Ansuchen 7: (2010) Der Bau von Abwasserbeseitigungsanlagen wurde in , Ramsau, Ginzling und jeweils mit einem Anteil von 10 % der Gesamtkosten unterstützt.247 • Ansuchen 8: (2011) Die Kunstbauten im Bereich der Uferschutzmauern in Zell am Ziller wurden saniert. Laut Antrag sollten 20 % der Kosten aus Talvertragsmittel finanziert werden. Dieser Antrag wurde vom Ausschuss befürwortet.248 • Ansuchen 9: (2012) Die Wasserdienstleistungs GmbH erstellte zusammen mit dem Kul- turbauamt Schwaz eine Studie. Die Kosten hierfür wurden zu 50 % durch Talvertrags- mittel gedeckt.249 • Ansuchen 10: (2013) Im Bereich der Olpererhütte (oberhalb des Schlegeisspeichers im Zamser Grund) mussten Schutzmaßnahmen am Gewässer vorgenommen werden. Das Gremium des Zillertalvertrags unterstützte diese Aktion.250 • Ansuchen 11: (2013) Für die Kosten der Pflanzenkläranlagen in der Gemeinde Brand- berg wurde ein Zuschuss seitens des Ausschusses gewährt.251 • Ansuchen 12: (2013) In der Gemeinde Brandberg musste der Ortskanal saniert wer- den. Ein erhöhter Beitrag für diese Sanierung wurde vorgeschlagen, da Beispielsfolgen für Quellsanierungen und Wasserleitungsbauten zu vermeiden sind.252 • Ansuchen 13: (2014) Die schon seit 2012 laufenden Verbauungsmaßnahmen des Horberg- und Sidanbaches in der Gemeinde Schwendau wurden ebenfalls durch Sum- men aus dem Zillertalvertrag unterstützt. Jedoch war das Gremium vorerst nicht über- zeugt, da es sich bei der Gemeinde Schwendau weder um eine Kraftwerksgemeinde handelt noch ein Zusammenhang bei den Verbauungsarbeiten mit der Verbund AHP besteht.253 • Ansuchen 14: (2014) Die Gemeinden Aschau, Kaltenbach und Ried haben einen Was- serverband nach dem Wasserrechtsgesetz gegründet. Der Ausschuss schlug vor, Mittel aus dem Talvertrag für diese Neugründung nach Bedarf bereitzustellen.254

247 Ebd. 248 Sitzung Zillertalvertrag vom 10.06.2011. 249 Sitzung Zillertalvertrag vom 03.05.2012. 250 Sitzung Zillertalvertrag vom 25.03.2013. 251 Ebd. 252 Ebd. 253 Sitzung Zillertalvertrag vom 01.12.2014. 254 Ebd. 64

• Ansuchen 15: (2017) Im Bereich kurz vor Ende der Flachstrecke des Zemmbaches be- fanden sich massive Bachablagerungen, wodurch ein Bachausbruch zu erwarten war. Durch die rückschreitende Verlandung dieses Bereichs waren weitere Bereiche der an- grenzenden Kulturflächen durch Bachausbrüche und Überflutungen gefährdet. Für die Bachräumung bei der Schwemmalm wurde eine Summe aus dem Zillertalvertrag ge- währt.255 • Ansuchen 16: (2017): Es wurden bereits zwei Teilstücke des Ufermauerwerks der Ge- meinde Gerlos saniert. Dadurch kam es beispielsweise zur Erhöhung der Mauer. Diese Sanierungsmaßnahmen wurden mit Mitteln aus dem Talvertrag unterstützt.256 • Ansuchen 17: (2017) Im Bereich des Ortsteils Gruben wurde 1989/90 eine Abwasser- beseitigungsanlage samt einer Pumpstation errichtet. Eine Prüfung vorgelegter Unter- lagen hat die die genauen angefallen Kosten aufgezeigt. Die Mitglieder des Ausschus- ses gewährten der Gemeinde Brandberg für die Kanalsanierung einen Betrag für diese Sanierung.257

9.2.2 Bereich Umwelt In den Bereich Umwelt fallen sowohl Lawinen- und Steinschlagschutz, die Abfallwirtschaft als auch Projekte die Landwirtschaft betreffend. Der Schwerpunkt im Bereich Steinschlagschutz lag in den letzten Jahren auf Finkenberg (Penken) und Tux. Die Baukosten für diese Projekte beliefen sich auf insgesamt 6,1 Mio. Euro. Die Arbeiten am Lawinenschutz für die Gemeinde Tux starteten im Jahr 1994, denn die sogenannten Hintertux- und die Schmittenberg-Lawinen stellten für die Ortsteile Hintertux und Neu-Hintertux sowie für die Zufahrtstraße zum Hinter- tuxer Gletscher eine große Gefahr dar. Diese Straße musste immer wieder wegen Lawinenge- fahr gesperrt werden, was gravierende Auswirkungen auf die Bevölkerung und den Tourismus mit sich brachte. Die Hintertuxer-Wandlawine wird auch in den kommenden Jahren Schwer- punkt der Lawinenverbauung sein. Die Bauzeit dieses Projekts beläuft sich auf 15 Jahre und startete im Jahr 2012. Die Kosten der Sicherungsarbeiten werden auf rund 13 Mio. Euro ange- setzt, 25 % (ca. 250.000 Euro) davon muss die Gemeinde Tux pro Jahr aufbringen.258 Der Bund

255 Sitzung Zillertalvertrag vom 30.08.2017. 256 Ebd. 257 Ebd. 258 Zillertaler Zeitung, Gemeinden, Land, Bund und Verbund investieren 33 Millionen für Wildbach und Lawi- nenverbauung. Finsingbach, Märzenbach, Penken & Wandlawine Tux. 65

trägt 55 % der Gesamtkosten, das Land Tirol 20 %.259 Die Gemeinden werden bei diesen Pro- jekten durch Zuschüsse aus dem Zillertalvertrag unterstützt.

Im Bereich Umwelt ist auch der Naturschutzplan von großer Bedeutung. Dieser ist ein Instru- ment, „der die Interessen und praktischen Bedürfnisse der AlmbewirtschafterInnen mit den Schutzzielen der Naturparkbetreuungen vereint.260“ Außerdem fördert er das gegenseitige Verständnis der Beteiligten. Konkrete Naturschutzmaßnahmen leisten zentrale Beiträge „zum Erhalt der Biodiversität“ und die Aufrechterhaltung traditioneller Kulturlandschaftselemente wirkt sich positiv auf das Landschaftsbild aus. 261 Das Ansuchen 2 in der folgenden Aufzählung beläuft sich auf den Naturschutzplan.

Auch die Landwirtschaft wird durch Talvertragsmittel unterstützt. Die Aktion „Hundekot“ und auch die Anschaffung zweier Kühlcontainer in der Gemeinde Fügen wurden als Unterstüt- zungsmaßnamen für die Bauern im Zillertal durchgeführt.

Die folgenden Projektunterstützungen entsprechen dem Punkt 1 und 2 der ausgearbeiteten „Richtlinien für die Verwendung der Mittel aus dem Talvertrag“.

• Ansuchen 1: (2008) Da es im Jahr 2007 zu einem Steinschlagereignis auf der Sulzbo- denalm (Brandberg) im Zillergrund kam und dieses zu Schäden am Almgebäude führte, wurde dem Gremium von der Gemeinde Brandberg ein Ansuchen vorgelegt. In diesem geht es um Erhebungs- und Planungsarbeiten in Zusammenhang mit der Wildbach- und Lawinenverbauung, da für die Verlegung der Almgebäude kein sicherer Platz vor- handen war. Die Kosten wurden aufgeteilt. Ein Drittel kam aus den Talvertragsmit- teln.262 • Ansuchen 2: (2010) Da ein Naturschutzplan vorsah, Teile der Brandenberger Bergmäh- der263 vor der Verbuschung zu säubern und zu bewirtschaften, musste der bestehende Schlepperweg um ca. einen Kilometer erweitert werden. Die Bauern waren nur dazu bereit diese Bewirtschaftung durchzuführen, wenn ein Schlepperweg errichtet werde.

259 Entstrasser-Müller, LHStv Geisler: „Sicherheit hat Priorität“. 33 Millionen Euro für Wildbach- und Lawinen- verbauung im Bezirk Schwaz. 260 Willi Seifert, Naturschutzplan auf der Alm Neuauflage in vier Tiroler Naturparken, S. 1. 261 Ebd. 262 Sitzung Zillertalvertrag vom 28.05.2008. 263 Bergmähder sind Wiesenflächen an meist sehr steilen Hängen. 66

Ein Antrag für die Abgeltung des Wegbaues durch Talvertragsmittel wurde mit der Be- gründung eingereicht, dass die Realisierung dieses Naturschutzplanes zur Bereiche- rung der Brandberger Kulturlandschaft beitragen würde und überdies eine Besonder- heit des gesamten Zillertaler Erholungsangebotes darstellt. Die Entscheidung wurde vorerst vertagt, es folgte aber eine Genehmigung. 264 • Ansuchen 3: (2011) Es kam im Jahr 2012 zu der Errichtung einer Anbruchverbauung mittels Stahlschneebrücken in der Gemeinde Tux. Der Ausführungszeitraum dieses Projektes wird etwa 15 Jahre betragen. Eine Zusicherung einer Unterstützung aus Tal- vertragsmittel wurde vorerst auf fünf Jahre beschränkt, da die weiteren Entwicklungen noch nicht absehbar waren. Erst im darauffolgenden Jahr kam es zu der Entscheidung, dass ein siebenprozentiger Beitrag zu den Kosten, aufgeteilt auf die angenommene Bauzeit von 13 Jahren, bereitgestellt wird, mit der Begründung, dass es sich hierbei um eine Kraftwerksgemeinde handelt.265 • Ansuchen 4: (2011) Wie schon für das vorher genannte Projekt wurde die Zusicherung zur Unterstützung des Steinschlagschutzprojekts Penken in der Gemeinde Finkenberg (Bauzeit 15 Jahre) ebenfalls vorerst auf fünf Jahre beschränkt, da auch in diesem Fall die weitere Entwicklung nicht absehbar war.266 • Ansuchen 5: (2011) Im Jahr 2011 wurde im Zillertal die Aktion „Hundekot“ durchge- führt. Die Kosten hierfür wurden zur Gänze durch Talvertragsmittel übernommen.267 • Ansuchen 6: (2012) Es mussten zwei Kühlcontainer für Tierkadaver in der Gemeinde Fügen angeschafft werden. Die Hälfte der Kosten wurde aus Talvertragsmittel bereit- gestellt.268 • Ansuchen 7: (2015) Der Antrag der Gemeinde Brandberg auf Übernahme des Abgan- ges betreffend der Zillergrundlinie wurde dem Ausschuss zur Kenntnis gebracht. Auf- grund der schlechten Witterung in den Sommermonaten 2014 ergab sich der hohe Abgang. Die Mitglieder des Ausschusses schlugen vor, der Gemeinde Brandberg Geld- mittel bereitzustellen.269

264 Sitzung Zillertalvertrag vom 13.03.2009. 265 Sitzung Zillertalvertrag vom 10.06.2011. 266 Ebd. 267 Ebd. 268 Sitzung Zillertalvertrag vom 03.05.2012. 269 Sitzung Zillertalvertrag vom 16.07.2015. 67

9.2.3 Bereich Verkehr Das Zillertal ist speziell an den Wochenenden regelmäßig kurz vor dem „Verkehrskollaps“. Es geht sogar so weit, dass die Einheimischen vor allem an Samstagen nicht mehr ins Auto stei- gen, „denn wer nicht stundenlang im Stau stehen will, sollte sich besser zu Fuß fortbewe- gen“270. Da es sich beim Zillertal um eines der tourismusintensivsten Gebiete Österreichs han- delt, benötigt es ein gut funktionierendes Verkehrskonzept. Für dieses sorgt die Zillertaler Ver- kehrsbetriebe AG. Dieses Verkehrsunternehmen betreibt regionale Buslinien im und um das Zillertal. Eine der wichtigsten Linien führt von Mayrhofen über Jenbach, Schwaz und Wat- tens nach Innsbruck. Aber auch der Gäste- und Dörferbus von Mayrhofen nach Hippach wird beispielweise bedient. Weiters werden hochalpine Berglinien nach Hochfügen, Schwendberg und in den Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler Alpen geführt. Die Zillertaler Verkehrsbetriebe AG ist im Besitz einer Dampflock, die hauptsächlich als Attraktion für die Gäste dient, und mehrerer Lokomotiven und Personenzüge. Für den Bau des Speicherkraftwerks in Mayrhofen in den Jahren 1965 bis 1971 wurde die Zillertalbahn als Transportmittel für Baumaterial ver- wendet, wodurch ihr Fortbestand gesichert werden konnte.271

Die meisten Ausgaben aus Talvertragsmittel im Bereich Verkehr betreffen die Zillertaler Ver- kehrsbetriebe AG, aber auch Ansuchen um Unterstützungen für Parkplatzanlagen oder Brü- ckenbauten werden in einigen Fällen vom Ausschuss genehmigt.

Die folgenden Projektunterstützungen entsprechen dem Punkt 5 der ausgearbeiteten „Richt- linien für die Verwendung der Mittel aus dem Talvertrag“. Dort steht an erster Stelle auch die „Förderung künftiger Investitionsprogramme der Zillertaler Verkehrsbetriebe AG“.

• Ansuchen 1: (2008) Ein Einsatzfahrzeug der Wasserrettung Zillertal, dessen Reparatur und Umbau in keinem Verhältnis mehr zum Wert des Autos standen, wurde ausge- tauscht. Der Ausschuss einigte sich auf die Leistung eines Teilbetrages.272 • Ansuchen 2: (2008) Die Karlstegbrücke in Ginzling wurde neu errichtet, sie wird nicht nur als Zufahrt zum Gewerbebetrieb, sondern auch für die Erschließung eines Wander- weges verwendet. Zudem führt die Trassierung einer großen Stromleitung über die Brücke. Ein kleiner Teil dieser Kosten wurde von den Talvertragsmittel abgegolten.273

270 Haun, Das Zillertal erstickt im Verkehr, in: Bezirksblätter, 5.2.2014. 271 Franz Kneidel, Die Zillertalbahn, S. 6. 272 Sitzung Zillertalvertrag vom 28.05.2008. 273 Ebd. 68

• Ansuchen 3: (2010) Das „mittelfristige Investitionsprogramm Zillertalbahn“ läuft im- mer auf fünf Jahre. Bei diesem Ansuchen handelte es sich bereits um das siebte Pro- gramm, welches auf die Jahre 2010 bis 2015 ausgerichtet war. Nach dem Ergebnis der Prüfung der Fachabteilung stimmte der Ausschuss dem Antrag zu.274 • Ansuchen 4: (2010) Um den Halbstundentakt der Busse von Mayrhofen nach Ginzling zu gewähren, wird ein Teil aus den Talvertragsmitteln für dieses Vorhaben bereitge- stellt.275 • Ansuchen 5: (2011) Dasselbe gilt für das Ansuchen zur Unterstützung des Halbstun- dentaktes der Busse von Mayrhofen nach Hintertux.276 • Ansuchen 6: (2011) Auch ein Teil der Kosten für den Halbstundentalkt von Zell am Ziller nach Gerlos kam aus Talvertragsmittel. Die Ansuchen 4,5 und 6 werden jährlich mit einer Pauschale unterstützt.277 • Ansuchen 7: (2013) Die Zillertalbahn war bestrebt, gemeinsam mit den Tourismusver- bänden den Dampfzug attraktiver zu gestalten und neu zu positionieren. Da der Dampfverkehr auch einen Deckungsbeitrag zu den Infrastrukturerhaltungskosten der Bahnstrecke zu tragen hat, wurde dieses Ansuchen auf eine befristete Auszahlung ge- währleistet.278 • Ansuchen 8: (2013) Für Ausgaben wie der Konzeptentwicklung des öffentlichen Ver- kehrs oder der Klima- und Energiemodellregion wurden dem Planungsverband Zillertal gewisse Geldmittel zur Verfügung gestellt.279 • Ansuchen 9: (2013) Die Mitfinanzierung der Park & Ride Anlagen in Jenbach wurde im Ausschuss diskutiert. Sie einigten sich, einen Beitrag von 50 % zu übernehmen, wobei dieser auf zwei Jahre aufgeteilt werden sollte.280 • Ansuchen 10: (2015) Die Umsetzung des Bahnhofsprojekts in Mayrhofen war dringend notwendig, da mit dem geplanten Busterminal auch die Seitentäler, vor allem das Tuxertal, erschlossen werden sollte. Es kam zu Verhandlungen mit den Partnern Ziller- taler Verkehrsbetriebe AG, Mayrhofner Bergbahnen AG, Tourismusverband, Land Tirol

274 Sitzung Zillertalvertrag vom 18.02.2010. 275 Ebd. 276 Sitzung Zillertalvertrag vom 10.06.2011. 277 Ebd. 278 Sitzung Zillertalvertrag vom 20.12.2013. 279 Ebd. 280 Ebd. 69

und den Grundeigentümern. Aufgrund der regionalen Bedeutung kam der Ausschuss zum Entschluss ein Sechstel der Kosten zu übernehmen.281 • Ansuchen 11: (2015) Die Marktgemeinde Mayrhofen musste eine provisorische Bus- haltestelle für die Dauer von sechs bis acht Jahren errichten, da der neue Bahnhof noch nicht fertiggestellt ist. Auch diese Haltestelle hat wie das gesamte Projekt, eine regio- nale Bedeutung. Die Mitglieder des Ausschusses befürworteten eine Übernahme von 10 % der Gesamtkosten.282 • Ansuchen 12: (2015) Der Ausschuss schlug vor, den Finanzierungsbeitrag für den Dampfzug über fünf Jahre (bis 2019) jährlich bereitzustellen.283

9.2.4 Bereich Tourismus Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts kamen die ersten Alpinisten ins Zillertal, die noch heute als touristische Wegbereiter für das Tal gelten. Mitte des 20. Jahrhunderts erfolgte der Auf- stieg des Zillertals als Urlaubsdestination für den Wintertourismus.284

Wichtig im Bereich Tourismus ist der Strategieplan des Zillertals, der 2012 vom Planungsver- band ausgearbeitet wurde. Darin befindet sich nämlich auch das Arbeitsfeld „Tourismuswirt- schaft“. Der Leitsatz des Planungsverbandes Zillertal zum Thema Tourismus lautet folgender- maßen: „Die Zillertaler Bevölkerung bekennt sich weiterhin zum Tourismus als besonders wich- tigem Wirtschaftsfaktor der Region, wobei der davon ausgehende Wohlstand eine sehr breite Verteilung zu finden hat. Die öffentlichen Rahmenbedingungen werden so ge- setzt, dass der Tourismus seine Wettbewerbsfähigkeit durch eine innovative und qua- litätsorientierte Weiterentwicklung festigen kann, ohne dabei die Belastbarkeitsgren- zen zu überschreiten.“285

Einige Vorhaben des Planungsverbandes werden mithilfe von Geldern aus dem Zillertalvertrag umgesetzt. Aber auch der Bau von Wanderwegen oder Radwegen sowie Tourismusverbände allgemein werden durch Talvertragsmittel unterstützt.

281 Sitzung Zillertalvertrag vom 16.07.2015. 282 Ebd. 283 Ebd. 284 Amplatz, Vom antiken Grenzgebiet zur modernen Tourismushochburg. 285 Geisler, Strategieplan Zillertal, S. 10. 70

Die folgenden Projektunterstützungen entsprechen dem Punkt 4 der ausgearbeiteten „Richt- linien für die Verwendung der Mittel aus dem Talvertrag“. Als Beispiel für Unterstützungen wurden dort Investitionsmaßnahmen regionaler Verbände angegeben.

• Ansuchen 1: (2008) In diesem Ansuchen ging es um die Optimierung des Qualitäts- Managements und der Informations- und Kommunikationstechnologie in den Heu- milch verarbeitenden Betrieben Tirols (Zillertaler Sennerein). Die Produktivität sollte gesichert und Absatz sowie Wertschöpfung gesteigert werden. Zudem sollten mehr Arbeitsplätzt im ländlichen Raum gesichert werden. Das Gremium einigte sich auf ei- nen Beitrag.286 • Ansuchen 2: (2008) Der Zillertaler Radweg war teilweise noch sanierungsbedürftig. Deshalb einigten sich der Planungsverband und die Gemeinden bezüglich der Kosten- aufteilung dieses Projekts. 10 % kamen aus Talvertragsmitteln.287 • Ansuchen 3: (2008) Die Verbund AHP errichtete in Brandberg eine neue Mautstelle und in diesem Zusammenhang wurde daran gedacht, ein öffentliches, barrierefreies WC und einen freizugänglichen Informationsraum zu errichten. Die Gemeinde Brand- berg musste einen Teil dieser Kosten aufbringen und richtete sich an das Gremium des Zillertalvertrags. Die Entscheidung über diesen Antrag wurde erst nach einem Ge- spräch mit der Verbund AHP getroffen.288 • Ansuchen 4: (2009) Für den Neu- und Zubau der Zillertal Tourismus GmbH am Infor- mations- und Bürogebäude in wurde vom Talvertragsausschuss ein Zuschuss gewährt.289 • Ansuchen 5: (2010) Die alten und teilweise stark angerosteten Geländer und die allge- mein zu niedrige Brüstung entlang der Zillerpromenade in Mayrhofen entsprachen nicht mehr den Vorschriften. Zur Abwendung allfälliger Gefahr für die körperliche Si- cherheit der Benutzer war die Erneuerung der Geländer und teilweise des Unterbaus vor allem zur Absturzsicherung dringend erforderlich. Es kam zu einer Zuerkennung von Talvertragsmittel, die auf fünf Jahresraten aufgeteilt wurden.290

286 Sitzung Zillertalvertrag vom 28.05.2008. 287 Ebd. 288 Ebd. 289 Sitzung Zillertalvertrag vom 13.03.2009. 290 Sitzung Zillertalvertrag vom 18.02.2010. 71

• Ansuchen 6: (2012) Die Gemeinde Aschau errichtete einen Rad- und Gehweg in einem stark frequentierten Bereich. Dieser ist nicht nur für die Bewohner der betroffenen Ortsteile, sondern auch für die tausend Gäste des Camping Aufenfeld von großer Be- deutung. Es wurde vorgeschlagen, wie bei allen Radwegen, einen Beitrag von 10 % zu übernehmen.291 • Ansuchen 7: (2013) Für den Workshop zum Setzen einer Richtlinie für die Betten- so- wie für die Grundlagenentwicklung bezüglich der regionalen Verkehrskonzepte wur- den Mittel aus dem Talvertrag zur Verfügung gestellt.292

9.2.5 Bereich Elektrizität In den Bereich Elektrizität fällt hauptsächlich die Elektrifizierung bisher unversorgter Liegen- schaften oder Almen. Die Breitbandverlegungen im Zillertal wurden von mir ebenfalls in die- sen Bereich eingegliedert.

In den kommenden Jahren wird auch die Elektrifizierung der Zillertalbahn eine große Rolle spielen. Die Bahn bedarf sowohl einer qualitativen als auch einer quantitativen Aufrüstung, um langfristig den Maßstäben des modernen öffentlichen Verkehrssystems gerecht zu wer- den. Dazu gibt es bereits Pläne, um die Elektrifizierung der Strecke und deren Finanzierung zu sichern. Vorher sind jedoch noch strategische Vorfragen zu klären. 293

Die folgenden Projektunterstützungen fallen in Punkt 6 „Sonstige örtliche oder regional be- deutsame Vorhaben“ der ausgearbeiteten „Richtlinien für die Verwendung der Mittel aus dem Talvertrag“. Es handelt sich hier um Ansuchen, die nicht unter die Förderungsschwerpunkte 1-5 fallen, deshalb sind diese besonders sorgfältig vom Gremium zu prüfen.

• Ansuchen 1: (2011) Für die Elektrifizierung des Märzengrundes wurden 10 % der an- fallenden Kosten übernommen.294 • Ansuchen 2: (2015) Die Elektrifizierungsgemeinschaft Wildgerlostal hat dem Aus- schuss des Talvertrags einen Antrag auf Kostenübernahme für die Elektrifizierung ge- stellt. Die Anschlussanlage wurde von der TINETZ-Stromnetz Tirol AG als zuständigem Netzbetreiber erstellt. Aus der Gesamtkostenübersicht ging dabei hervor, dass die

291 Sitzung Zillertalvertrag vom 03.05.2012. 292 Sitzung Zillertalvertrag vom 20.12.2013. 293 Geisler, Strategieplan Zillertal, S. 67. 294 Sitzung Zillertalvertrag vom 10.06.2011. 72

Kunden mit einer höheren Summe Grabungskosten rechnen mussten. Der Ausschuss einigte sich auf die finanzielle Unterstützung der Gemeinde Gerlos.295 • Ansuchen 3: (2017) In den Gemeinden Rohrberg und kam es im Jahr 2017 zur Verlegung einer Ringleitung im Bereich Rohr Richtung Kraftwerke der Verbund AHP bis zur Gemeindegrenze Gerlosberg und weiterführend bis zur Hoferwaldsiedelung. Diese Breitbandverlegung wurde mit einer Summe aus dem Zillertalvertrag unter- stützt.296 • Ansuchen 4: (2017) Bereits seit längerer Zeit versuchten die Eigentümer der bisher unversorgten Liegenschaften im hinteren Stilluptal eine Lösung zur Stromversorgung ihrer Almen und Gasthäuser zu erzielen. Der Ausschuss des Zillertalvertrags hat sich dazu entschieden, für dieses Vorhaben einen Betrag von 10 % der Gesamtkosten zu leisten.297

9.2.6 Bereich Soziales Im Sozialbereich gab es in den letzten zehn Jahren nur zwei Ansuchen, die vom Gremium be- fürwortet wurden, wobei beachtet werden muss, dass „Bildung und Freizeit“ nicht in diesen Bereich fallen. Die Ansuchen kamen von den Wohn- und Pflegeheimen im Zillertal.

Die folgenden Projektunterstützungen fallen in Punkt 6 „Sonstige örtliche oder regional be- deutsame Vorhaben“ der ausgearbeiteten „Richtlinien für die Verwendung der Mittel aus dem Talvertrag“. Es handelt sich hier um Ansuchen, die nicht unter die Förderungsschwerpunkte 1-5 fallen, deshalb sind diese besonders sorgfältig vom Gremium zu prüfen.

• Ansuchen 1: (2013) Der Altenheimverband Vorderes Zillertal musste aufgrund beste- hender Nachfrage entsprechende Investitionen tätigen. Die Berechnung des Unter- stützungsbetrags wurde anhand der damaligen Finanzlage der Gemeinden Tirols 2011 vorgenommen und das Gremium einigte sich, den Altenheimverband zu unterstüt- zen.298

295 Sitzung Zillertalvertrag vom 16.07.2015. 296 Sitzung Zillertalvertrag vom 30.08.2017. 297 Ebd. 298 Sitzung Zillertalvertrag vom 20.12.2013. 73

• Ansuchen 2: (2013) Auch das Altersheim Zell am Ziller hatte Investitionen geplant und stellte dem Gremium ein Ansuchen. Geplant waren zusätzliche Zimmer und die Reali- sierung eines betreuten Wohnens bis 2014. Auch in diesem Fall einigte sich der Aus- schuss auf eine Unterstützungssumme.299

9.2.7 Bereich Bildung, Kultur und Freizeit „Das Kulturleben des Tales und dabei insbesondere das reichhaltige und qualitativ hochste- hende Musikgeschehen ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal in der Abgrenzung zu Mitbewer- berregionen.“300 Nicht nur die Tourismuswirtschaft sorgt für die Rahmenbedingungen, die dem Kulturschaffen einen guten Nährboden gibt, auch Gelder aus dem Zillertalvertrag fließen in Kulturvereine und in das Musikgeschehen im Tal. Auch Kindergarten- und Schulprojekte profitieren von Talvertragsmittel.

Nicht zu vergessen ist das Europahaus in Mayrhofen, welches auf eine namhafte Congressge- schichte zurückschauen kann. Es zählt heute zu den führenden Congresshäusern Österreichs mit über 500 Veranstaltungen im Jahr. 2010 wurde das Europahaus umgebaut, um den mo- dernen Standards zu entsprechen. Hierfür wurden auch Mittel aus dem Talvertrag geneh- migt.301

Wie auch die Bereiche Elektrizität und Sozialprojekte, fallen folgende Projektunterstützungen in Punkt 6 „Sonstige örtliche oder regional bedeutsame Vorhaben“ der ausgearbeiteten „Richtlinien für die Verwendung der Mittel aus dem Talvertrag“. Es handelt sich hier um An- suchen, die nicht unter die Förderungsschwerpunkte 1-5 fallen, deshalb sind diese besonders sorgfältig vom Gremium zu prüfen.

• Ansuchen 1: (2007) Eine Zillertaler Delegation fuhr in Begleitung mit den Musikkapel- len Aschau und Brandberg und den Ramsauer Schützen nach Schlesien. Dort fand die 175-Jahresfeier der Zillertaler Auswanderer statt. Die Buskosten wurden aus Talver- tragsmittel bezahlt.302

299 Ebd. 300 Geisler, Strategieplan Zillertal, S. 31. 301 Europahaus Mayrhofen GesBR, Europahaus Mayrhofen - Congress Zillertal. 302 Sitzung Zillertalvertrag vom 07.08.2007. 74

• Ansuchen 2: (2007) Der bekannte Mayrhofner Künstler Albin Moroder303 feierte 2007 seinen 85. Geburtstag. Aufgrund dessen wurde ein Buch mit seinen Werken aufgelegt und für das Fest 85 Kruzifixe aus Bronze angefertigt. Im Gremium angeregt wurde der Ankauf eines Kruzifixes pro Gemeinde, zusätzliche Broschüren sollten den Gemeinden zur Verfügung gestellt werden. Das Gremium beschloss einstimmig, dass die gesamten Kosten aus Talvertragsmittel zur Verfügung gestellt werden.304 • Ansuchen 3: (2008) Das Europahaus Mayrhofen musste umgebaut werden um das Projektziel „Förderung der heimischen Kultur und Bildungsangebote“ zu erreichen. Dazu brauchte es moderne Veranstaltungsräume, Seminarräume und Ausstellungsflä- chen. Weiters wurde ein Infoterminal Zillertal angelegt und Gemeinden werden in Zu- kunft ihre Veranstaltungen kostenlos durchführen. Eine maximale Teilsumme aus dem Zillertalvertrag wurde fixiert und in Raten über drei Jahre hinweg auszubezahlt.305 • Ansuchen 4: (2009) Dieses Ansuchen betrifft das Seraphische Liebeswerk der Kapuzi- ner. Eine Privatschule und das dazugehörige Heim für schwererziehbare Kinder in Fü- gen musste saniert werden. Nach längeren Verhandlungen einigte man sich auf eine finanzielle Unterstützung durch Talvertragsmittel, die in drei Jahresraten ausgezahlt wurde.306 • Ansuchen 5: (2010) Beim Fußballplatz in Finkenberg kam es zu einer talseitigen Set- zung im Ausmaß von bis zu 50 cm. Die vorgenommene Sanierung wurde durch Talver- tragsmittel unterstützt.307 • Ansuchen 6: (2012) Dieses Ansuchen belief sich auf ein Umweltprojekt der Zillertaler Tourismusschulen. Es wurde vorgeschlagen, gewisse Mittel dafür bereitzustellen.308 • Ansuchen 7: (2013) Ein Ansuchen des Kulturvereins Stummer Schrei wurde gewährt, mit der Bedingung, dass die angeschaffte mobile Bühne auch anderen Zillertaler Ver- einen für kulturelle Zwecke zur Verfügung gestellt werden muss.309

303 Dieser gestaltete für die Eröffnung der Zemmkraftwerke am 8. Oktober 1971, die von der TKW in Auftrag gegebene Bronzeplastik. Das Kunstwerk mit dem Namen „gezügelte Kraft“ befindet sich vor dem Kraftwerk Mayrhofen. 304 Sitzung Zillertalvertrag vom 07.08.2007. 305 Sitzung Zillertalvertrag vom 28.05.2008. 306 Sitzung Zillertalvertrag vom 18.02.2009. 307 Sitzung Zillertalvertrag vom 18.02.2010. 308 Sitzung Zillertalvertrag vom 03.05.2012. 309 Sitzung Zillertalvertrag vom 20.12.2013. 75

• Ansuchen 8: (2014) Seit 1982 wird in Abstand von fünf Jahren wechselseitig das Tau- ferer-Ahrn-Zillertal-Treffen durchgeführt, ein Nord- und Südtiroler Talschaftstreffen. Die siebte Tiroler Begegnung war Ende September 2014 in Mayrhofen. Bei diesem Pro- jekt handelt es sich darum, ein äußeres, sichtbares Zeichen der Zusammengehörigkeit zu setzen und auch gemeinsam Projekte in Angriff zu nehmen. Der Ausschuss des Tal- vertrags hat beschlossen die Kosten dafür bereitzustellen.310 • Ansuchen 9: (2014) Im Rahmen des Kinder- und Jugendtheaters gab es im Jahr 2014 beim Theaterfestival Steudltenn eine Produktion mit Schülerinnen und Schülern. Auf- grund des Antrages wurde beschlossen einen gewissen Betrag beizusteuern.311 • Ansuchen 10: (2017) Im Mai 2018 wird das Schützen Alpenregionstreffen in Mayrh- ofen ausgerichtet. Das Ansuchen der Marktgemeinde Mayrhofen wurde den Mitglie- dern zur Kenntnis gebracht und diese einigten sich auf eine Summe, die für dieses Vor- haben bereitgestellt werden soll.312

9.3 Auswertung Die jährliche Überweisung der Verbund AHP stieg in den Jahren 2007 bis 2017 von ca. 1,1 Mio. Euro auf ca. 1,3 Mio. Euro an.313 Dies hängt auch mit dem Abschluss des Zillertalvertrags II von 2015 und dem Baustart des neuen Projekts Untere Tuxbachüberleitung zusammen.

18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 Wasser Umwelt Verkehr Tourismus Elektrizität Sozialprojekte Kultur & Bildung

Anzahl der Projekte (2010 - 2017)

Abbildung 7: Gewährte Ansuchen, die mit Talvertragsmittel in den Jahren 2007-2017 unterstützt wurden.

310 Sitzung Zillertalvertrag vom 01.12.2014. 311 Ebd. 312 Sitzung Zillertalvertrag vom 30.08.2017. 313 Amt der Tiroler Landesregierung, Finanzzuweisungen der Jahre 2007 bis 2017. 76

Laut Diagramm werden Ansuchen, die dem Bereich Wasser zugeordnet wurden, am häufigs- ten vom Gremium des Zillertalvertrags angenommen. Gefolgt werden diese von Ansuchen be- treffend den Verkehr und Kultur, Bildung und Freizeit. Die Bereiche Umwelt und Tourismus sowie Elektrizität wurden in den Jahren 2010 bis 2017 weniger mit Talvertragsmittel unter- stützt. Das Schlusslicht bilden die Sozialprojekte.

Bei der Betrachtung dieses Diagrammes müssen folgende Punkte berücksichtigt werden:

1. Elektrizitätsprojekte gab es im Zillertal in den letzten Jahren nur sehr wenige, da die Stromversorgung im Zillertal bereits in einem sehr hohen Maße ausgebaut ist. Laut Sitzungsprotokolle des Gremiums wurden alle Ansuchen in diese Richtung gehend an- genommen und die Betroffenen mit Talvertragsmittel unterstützt. 2. Der Bereich Tourismus wird sehr stark durch Mittel aus dem Talvertrag unterstützt. Im Diagramm sind nur jene mit einberechnet, die ausschließlich den Tourismus betreffen, wie beispielsweise Tourismusverbände oder der Umbau des Europahauses. Natürlich stehen aber auch die Ansuchen in den Bereichen Verkehr und Umwelt mit dem Touris- mus im Zillertal in Zusammenhang, da dieser Auswirkungen auf die gesamte Talschaft und die Infrastruktur mit sich bringt. 3. Die Bereiche Wasser und Umwelt fließen ineinander über und können nur schwer von- einander getrennt werden, da Wasser einen großen Teil unserer Umwelt ausmacht. 4. Der Bereich Verkehr betrifft hauptsächlich die Zillertalbahn AG, welche jährlich einen neu berechneten Pauschalbetrag von den Talvertragsmitteln erhält. Aus diesem Grund wurde diese finanzielle Unterstützung nur einmal aufgezählt, da schließlich nicht jedes Jahr ein neues Ansuchen gestellt wurde.

Außerdem muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass das Auswertungsdiagramm keine Rücksicht auf die Höhe der Summen für die jeweiligen Projektunterstützungen nimmt, sondern die Anzahl der angenommenen Ansuchen in allen Bereichen aufzeigt. Hinzu kommt, dass die Ansuchen aus dem Jahr 2016 fehlen. Dieses Diagramm stellt einen Gesamtüberblick der vom Gremium unterstützen Projekte dar.

Neben den oben aufgezählten Zusagen zur Unterstützung, kam es bei den Talvertrags-Sitzun- gen zwischen 2010 und 2017 auch zu Ablehnungen gewisser Projekte. Beispiele für abgelehnte Projektunterstützungen sind:

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• Das Ansuchen um Unterstützung bei den Errichtungskosten für den Radiosender Radio Maria (2010)314. Dieses wurde abgelehnt, um Beispielfolgen zu vermeiden. • Das Ansuchen um Unterstützung betreffend die Zillertaler Kulturszene Stummer Schrei (2010)315. Auch dieses Ansuchen wurde von den Ausschussmitgliedern mit der Begrün- dung, die Beispielfolgen zu vermeiden, abgelehnt. • Das Ansuchen betreffend die Wasserversorgung beim Gasthof Karlsteg (2011). Die Be- gründung für die Ablehnung des Ansuchens war, dass Wasserversorgungsanlagen bis dato nicht unterstützt worden seien. Aufgrund dessen könne keine positive Stellung- nahme für diesen Antrag abgegeben werden.316

In allen drei genannten Fällen sprachen sich die Mitglieder einheitlich gegen eine Unterstüt- zung aus.

Schlussendlich bleibt die „richtige“ Verwendung der Talvertragsmittel im Zillertal ein Streit- punkt. Immer wieder gibt es Anschuldigungen aus der Bevölkerung, die die Geldmittelverwen- dungen hinterfragen. Diesbezüglich muss beachtet werden, dass die jährlich ausbezahlte Summe der Verbund AHP an das Land Tirol immer noch eine Abgeltung der „unmessbaren Schäden“ ist, die messbaren Schäden wurden bereits beglichen. Das Gremium muss sich an die „Richtlinien für die Verwendung der Mittel aus dem Zillertalvertrag“ halten. Wenn es sich jedoch um Ansuchen handelt, die nicht unter die Förderungsschwerpunkte 1-5 fallen, werden diese besonders sorgfältig vom Gremium geprüft. Die Frage nach der „richtigen“ Verwendung der Geldmittel bleibt offen, aber ist die Unterstützung von Bildungs-, Kultur- und Sozialprojek- ten „falsch“?

Natürlich spielt in diesem Zusammenhang auch die Höhe der zugesagten Summe für die je- weiligen Projekte eine Rolle. Da die genauen Beträge in dieser Arbeit jedoch nicht angegeben wurden, kann auch kein Vergleich in dieser Hinsicht gezogen werden.

10. Fazit In dieser Arbeit wurde die Bedeutung der Wasserkraftnutzung im Zillertal sowohl für die Ver- bund AHP als auch für die Talbewohner dargelegt. Der Ausbau der Wasserkraft wirkt sich nicht

314 Sitzung Zillertalvertrag vom 18.02.2010. 315 Ebd. 316 Sitzung Zillertalvertrag vom 10.06.2011. 78

nur wirtschaftlich sehr positiv auf das Tal aus, sondern bietet zudem Hochwasserschutz. Dadurch blieben Überschwemmungen und Hochwasserkatastrophen, welche das Zillertal ca. alle 20 bis 30 Jahre heimsuchten, in den letzten 50 Jahren aus.

Zudem sind die Staumauern der Speicherseen zum Tourismusmagnet aufgestiegen. Im Juni 2016 wurde der weltweit erste Klettersteig an einer Staumauer eröffnet. Dieser befindet sich an der 131 Meter hohen Staumauer des Schlegeisspeichers und ist 200 Meter lang. Die Ver- bund AHP hat mit diesem Projekt eine neue Touristenattraktion im Zillertal geschaffen.

Seit der Fusion im Jahr 1999 ist die Verbund AHP für die Kraftwerke im Zillertal verantwortlich und arbeitet ständig an neuen Projekten und Verbesserungen der Kraftwerksanlagen. Mittler- weile betreibt die Verbund AHP im Zillertal acht Wasserkraftwerke und fünf Speicherseen, was sie zu einer der größten Kraftwerksgruppen in Österreich macht. Das bislang letzte umgesetzte Großprojekt der Kraftwerksgesellschaft war das 1987 in Betrieb genommene Zillerkraftwerk, das im Vorfeld zu heftiger Kritik in der Bevölkerung führte und dessen Baustart um zwei Jahre aufgeschoben wurde. Verantwortlich hierfür war die Zillertaler Aktionsgemeinschaft Rettet den Zillergrund, „die ein Zerstören der Kulturlandschaft befürchtete und somit die Interessen des Fremdenverkehrs für Mayrhofen und die hinteren Gemeinden des Zillertals wahren wollte“317.

Hinter den einzelnen Aktionsgemeinschaften im Zillertal standen auch Naturschützer und der Alpenverein. Wurde die Wasserkraft zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch sehr positiv gesehen und ihre Vorteile stark betont, so kam es ab Mitte des 20. Jahrhunderts zu einem Umdenken der Bevölkerung.318 Die Elektrifizierung und die Kraftwerksbauten veränderten das Land- schaftsbild nachhaltig, dies führte schlussendlich vermehrt zu Widerständen gegen die Kraft- werksprojekte. Die Naturschützer beschränkten sich vor allem in den 1960er und -70er Jahre auf eine „ästhetische Anpassung der Bauten ins Landschaftsbild“319, da die meisten Kraftwerk- sprojekte staatliche Unterstützung finden und so ein Widerstand prinzipiell aussichtslos war. Im Fall Zillertal war dieser Widerstand ebenfalls eingeschränkt, da sich die Kraftwerksgesell- schaft mit dem Zillertalvertrag von 1969 naturschutzrechtlich abgesichert hatte.

317 Abendstein, Die Auswirkungen des Ausbaus der Wasserkraft im Zillergrund, S. 127. 318 Simon Hämmerle, „Die TIWAG“ und „unsere Illwerke“, Ein Vergleich des öffentlichen Diskurses bei Kraft- werksprojekten in Tirol und Vorarlberg im Zeitraum 1954-1969 sowie eine schulische Umsetzung im Rahmen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung, S. 17. 319 Ebd., S. 21. 79

Generell gilt für die Kraftwerksgesellschaften: „Kein Kraftwerk mehr ohne Öffentlichkeitsar- beit.“ Die Projekte Zillerkraftwerk (2. Ausbaustufe) oder das derzeitige Projekt Untere Tuxbachüberleitung hätten ohne eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit nicht verwirklicht werden können. So stehen im Vorfeld der Talverträge meistens Auseinandersetzungen mit der Bevöl- kerung, wie beispielsweise als der Verbauungsplan des Zillergrundes veröffentlicht wurde und sich die Aktionsgemeinschaft Rettet den Zillergrund bildete. Es war bereits das dritte von ins- gesamt vier Seitentälern im hinteren Zillertal, das verbaut werden sollte. Die Bevölkerung fühlte sich übergangen und nicht ausreichend informiert, deshalb wuchs der Widerstand. Da- mit wurde weder bei der TKW noch in Tirols oberster Stelle gerechnet. Nicht nur der Abschluss der Talverträge, die durch mangelnde Rechtfertigung in der österreichischen Rechtsordnung wohl auch als eine Maßnahme der Öffentlichkeitsarbeit angesehen werden können, sondern vor allem die vielen Kontakte und die persönlichen Gespräche mit der betroffenen Bevölke- rung führten letztendlich zur Verwirklichung dieser umstrittenen Projekte. Der TKW bzw. der Verbund AHP ist es gelungen, durch Öffentlichkeitsarbeit die widersprechenden Interessens- gruppen rechtzeitig zu befriedigen.320 Dass die Bemühungen der TKW und der Verbund AHP, das Vertrauen der Zillertaler Bevölkerung zu erlangen, damit aber kein Ende fanden, ist bei- spielsweise beim Projekt Rotholz ersichtlich, das bis auf Weiteres ruhend gestellt ist.

Die Problematik der Talverträge rückt immer mehr vom rechtlichen ins politische Feld. So wird auch die Entscheidung über ein Bewilligungsansuchen anstatt im rechtlichen Verfahren, im politischen Vorfeld getroffen. Noch während ein Verfahren läuft, steht die Entscheidung schon längst fest. Meistens positiv, da sich sonst das Ansuchen auf Bewilligung gar nicht lohnen würde. Ein Talvertrag ist somit der Ausdruck der politischen Entscheidung. Nur wenn in die- sem Fall das rechtliche Bewilligungsverfahren wieder an Bedeutung gewinnen würde, könnte es wieder zu einer stärkeren Objektivität und Rechtsgebundenheit kommen. Hierfür steht un- sere österreichische Gesetzgebung eigentlich.

Aus dieser Arbeit ist deutlich hervorgegangen, dass die Verbund AHP bzw. die TKW nicht von sich aus bereit waren, die Abgeltungen zu erbringen - dazu kam es nur durch den immer wie- derkehrenden Druck seitens des Landes Tirol. Dies und die zum Teil nicht vertragsgemäßen

320 Schobersberger, Kein Kraftwerk (mehr) ohne Öffentlichkeitsarbeit, S. 99. 80

Verwendungen der Entschädigungszahlungen, welche aus dem Zillertalvertrag I und II hervor- gehen, hinterlassen einen bitteren Nachgeschmack, der beseitigt werden muss.

Trotz der offenen Frage nach den gerechtfertigten Zahlungen des Zillertalvertrags I und II steht fest, dass diese das Investitionsvolumen aller Zillertaler Gemeinden erhöhen und zur Verbes- serung der dortigen Infrastruktur beitragen. Viele wichtige touristische, soziale oder die Um- welt betreffende Projekte und Regulierungsmaßnahmen hätten ohne die Zahlungen aus dem Zillertalvertrag nicht umgesetzt werden können.

Erst durch das Gespräch mit Herrn Jäger, dem Planungsverbandsobmann des Zillertals, wurde mir klar, dass das Gremium des Zillertalvertrags keine leichten Tagesordnungspunkte in ihren Versammlungen zu besprechen hat. Es kommen immer wieder neue Ansuchen für Unterstüt- zungen verschiedenster Projekte, die sehr schwierig einzuordnen sind. Doch trotzdem muss eine Entscheidung getroffen und eine „entsprechende“ Beteiligungssumme fixiert werden. In gewisser Hinsicht ist die gesamte Zillertaler Bevölkerung durch die Talverträge Nutznießer der Kraftwerksbauten geworden. Die TKW bezahlte jährlich ca. 11 Mio. Schilling, mittlerweile wird dem Land Tirol bereits eine Summe von ca. 1,3 Mio. Euro von der Verbund AHP ausgewiesen. Diese sogenannten Entschädigungszahlungen kommen nicht immer ihrem eigentlichen Zweck, nämlich der Entschädigung der vom Kraftwerksbau betroffenen Anrainern und Ge- meinden, zu, sondern werden in die Infrastruktur, gemeinnützige Anlagen, Kultur und Bildung im ganzen Tal investiert.

Im Jahr 2017 war Baustart für das neue Großprojekt Untere Tuxbachüberleitung. Vor Baube- ginn wurden einige projektbezogene Vereinbarungen getroffen, um den Forderungen der Ge- meinden und Tourismusverbänden gerecht zu werden. Zusätzlich wurde 2015 der Zillertalver- trag von 1969 erneuert, was eine Ausweitung der finanziellen Unterstützung für die einzelnen Gemeinden mit sich brachte.

Mit dem Spatenstich des neuesten Projekts der Verbund AHP Untere Tuxbachüberleitung im Februar 2017 wurde nochmals deutlich sichtbar, dass trotz Aufständen und zahlreichen Pro- jektgegnern die Umsetzung neuer Kraftwerksprojekte möglich ist. Im Vorfeld müssen zwar Forderungskataloge und einige andere Abmachungen zwischen Gemeinden und Kraftwerks- gesellschaft durchgearbeitet und beschlossen werden, aber in vielen Fällen kann sich die Kraft-

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werksgesellschaft behaupten. Spannend bleiben die Fragen rund um das ruhend gestellte Pro- jekt Rotholz. Wann, unter welchen Umständen und mit welcher Begründung wird das Projekt wieder neu aufgerollt werden?

11. Umsetzung im Schulunterricht Die Auswirkungen des Nationalsozialismus auf Österreich werden im Schulunterricht sehr breit behandelt, der wirtschaftliche Aspekt geht dabei oft verloren. In den meisten Fällen wird zwar der wirtschaftliche Aufschwung durch die Rüstungsindustrie ausgearbeitet, Themen, wie die Bedeutung des „Anschlusses“ für die Elektrizitätswirtschaft in Tirol und Vorarlberg sowie die Errichtung der Wasserkraftwerke mithilfe von Zwangsarbeitern, werden im Schulunter- richt nicht berührt. Die folgende ausgearbeitete Unterrichtseinheit ist ein Versuch, diese un- berührten Themenbereiche in den Geschichteunterricht einzubauen.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist, die Erinnerungskultur als einen Teil der Geschichtskul- tur anzusehen. Der Begriff „Erinnerungskultur“ bedeutet kulturelle Erinnerungsleistungen von unterschiedlichen Trägergruppen zu fassen, die in der Gegenwart durch Vergangenheitsbe- züge Sinn bilden und auf diese Weise Ordnung anbieten.321

„Es handelt sich dabei vorrangig um kollektive Wahrnehmungen, also um eine grup- penförmige Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, aber auch um subjektive Wahrnehmungen, die nicht primär wissenschaftsorientiert – im Sinn der Erarbeitung geschichtswissenschaftlicher Erkenntnis – , sondern stärker durch emotionale Akte und symbolische Praktiken geprägt sind, um Segmente der Vergangenheit im öffentli- chen und privaten Bewusstsein zu halten.“322

Sobald Erinnerungskulturen im Unterricht im Heute angesetzt werden (z.B. TIWAG, Kraft- werksanlagen heute, …), kann eine Verknüpfung des historischen und des politischen Lernens gelingen. Grund hierfür ist, dass die Art der Erinnerung und der Umgang mit dieser nicht nur durch die „historischen Quellen und die in der Vergangenheit durchlebten Situationen deter- miniert sind“323. So kann nach einer quellenkritischen Klärung dessen, woran erinnert wird,

321 Christoph Kühberger, Erinnerungskulturen als Teil des historisch-politischen Lernens, S. 39. 322 Ebd. 323 Ebd. S. 40 f. 82

eine Diskussion im Klassenzimmer angesetzt werden, die zu einer differenzierten Urteilsbil- dung anregt. Dadurch beschäftigen sich die Lernenden mit dem Umgang der heutigen Gesell- schaft mit bestimmten Themen aus der Vergangenheit.324

Die Themenbereiche „Zwangsarbeiter beim Kraftwerksbau“ und „Aufschwung der Tiroler Elektrizitätswirtschafft durch den Nationalsozialismus“ sollen im Heute angesetzt werden. So werden sich die SuS mit der TIWAG und ihrer Vergangenheit und einem Zeitungsartikel aus dem Jahr 2013, der von Ausgrabungen am ehemaligen Zwangsarbeiterlager in Kirchbichl be- richtet, auseinandersetzten. Zudem sollen die SuS durch die Arbeit mit Biographien den rich- tigen Umgang mit Quellen erlernen und die damalige Situation der Zwangsarbeiter genauer nachvollziehen können.

11.1 Historisches Lernen „Historisches Lernen ist ein Denkstil und nicht das Akkumulieren von Wissen. Es ist wie Philosophieren und mathematisches Denken eine abendländische Kulturerrungen- schaft, die 2'500 Jahre alt ist und sich durch die Jahrhunderte ausdifferenziert, entmy- thologisiert und rationalisiert hat.“325

Historisches Lernen kann durch das Prozessmodell von Gautschi grafisch veranschaulicht wer- den. Die Prozesse sind dort als Pfeile, die Produkte als Rechtecke abgebildet. „Historisches Lernen […] geschieht in der Auseinandersetzung des Individuums (Kreis rechts), das in eine Gesellschaft und den zeitlichen Wandel eingebunden ist, mit Ausschnitten aus dem Universum

Abbildung 8: "Historisches Lernen" als komplexer Prozess8

324 Ebd. S. 41. 325 Hans-Jürgen Pandel, Quelleninterpretation. Die schriftliche Quelle im Geschichtsunterricht, S. 126. 83

des Historischen (Kreis links), das durch den zeitlichen Wandel stetig wächst.“326 Durch diesen Prozess verändert sich das Geschichtsbewusstsein des Individuums und erweitert zugleich das Universum des Historischen und der Geschichtskultur.327 328

Ausgangspunkt für Historisches Lernen muss nicht zwingend eine Frage an Vergangenes oder eine Begegnung sein, sondern kann beispielsweise auch von einem Werturteil ausgehen, da- sein zugrunde liegendes Sachurteil untersucht. Historisches Lernen ist ein Prozess, „der in ver- schiedenen Abfolgen der einzelnen Prozess-Schritte möglich ist“329.

Die Abbildung verdeutlicht, dass Historisches Lernen zudem die Überprüfung von Sachanaly- sen, Sachurteile und Werturteile an Quellen und Darstellungen bzw. an gegenwärtig beste- henden gesellschaftlichen Normen bedeutet.330

11.1.1 Erforderliche Kompetenzen für „Historisches Lernen“

„Historisches Lernen führt dazu, dass Individuen wissen, welche Bedeutung einem aus- gewählten Inhalt im Universum des Historischen beizumessen ist […], wie dieser mit anderen Inhalten zusammenhängt […], wie der ausgewählte Inhalt eingebunden ist ins Universum des Historischen und welche Folgen der Inhalt für die individuelle oder ge- sellschaftliche Gegenwart und Zukunft hatte, hat oder haben könnte.“331

Damit Historisches Lernen erfolgreich praktiziert werden kann, benötigen die Individuen Kom- petenzen. Nach Franz Weinert sind Kompetenzen „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwor- tungsvoll nutzen zu können“. 332 Das verständliche Historische Erzählen ist die Grundvoraus- setzung für erfolgreiches Historisches Lernen. Somit ist das Ziel jedes Geschichtsunterrichts diese „narrative Kompetenz“ auszubilden. Als sinnvoll gilt, pro Fach nicht nur eine einzige

326 Fachhochschule Nordwestschweiz, Kompetenzmodell für «Historisches Lernen» – eine Orientierungshilfe für Lehrerinnen und Lehrer, S. 5. 327 Ebd. 328 Peter Gautschi, Guter Geschichtsunterricht. Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 49. 329 Ebd. 330 Siehe Abbildung 7. 331 Fachhochschule Nordwestschweiz, Kompetenzmodell für «Historisches Lernen», S. 8. 332 Franz E. Weinert, Leistungsmessungen in Schulen (Beltz Pädagogik), S. 27 f. 84

Kompetenz zu definieren, sondern sie aufzuteilen. Auch Karl-Ernst Jeismann hat sich für eine solche Aufteilung eingesetzt und dies wie folgt begründet:

„Um den Umgang mit Geschichte aus der Blindheit zu lösen, die ihn gewöhnlich im gesellschaftlichen und politischen Alltag charakterisiert, ist es notwendig, methodisch verschiedene Operationen oder Dimensionen des Denkens und Urteilens zu trennen, die in historischen Vorstellungen sich gewöhnlich ununterscheidbar miteinander ver- binden. Notwendig ist eine solche, Distanz zu eigenen Geschichtsvorstellungen schaf- fende methodische Trennung, weil sie die Selbstreflexion auf die naiven Gewissheiten ermöglicht und die Voraussetzungen unserer historischen Vorstellungen auf eine sehr elementare Weise zu erklären erlaubt.“333

11.1.2 Die vier Kompetenzbereiche Durch das oben abgebildete Lernmodell des Historischen Lernens eröffnet sich die Möglich- keit, die Narrative Kompetenz weiter auszudifferenzieren und anschließend vier Problemfel- der herauszukristallisieren, mit denen SuS konfrontiert sind, wenn sie historisch lernen:

1. „Wie finde und erkenne ich historische Zeugnisse und Menschen, die mir über Vergan- genes berichten können? Wie komme ich von Vermutungen und Fragen zu Annahmen und Fragestellungen, mit denen ich zielgerichtet ins Universum des Historischen nach geeigneten Quellen und Darstellungen suchen kann? 2. Wie erschließe ich Quellen und Darstellungen, um ausgewählte Sachverhalte aus dem Universum des Historischen in Erfahrung zu bringen? Wie komme ich zu einer Sacha- nalyse, und wie kann ich sie überprüfen? 3. In welchem Zusammenhang stehen meine Sachanalysen zu anderen Sachanalysen, wo sind sie im Universum des Historischen verortet, wie hängen sie in Bezug auf Ursache und Wirkung zusammen? Wie komme ich zu einem Sachurteil, und wie kann ich es überprüfen? 4. Was ist der Sinn, den ich aus der Beschäftigung mit dem Universum des Historischen gewinne? Wieso soll ich mich mit Geschichte beschäftigen? Wie hängt das Vergangene

333 Karl-Ernst Jeismann/Wolfgang Jacobmeyer (Hrsg.), Geschichte und Bildung. Beiträge zur Geschichtsdidaktik und zur historischen Bildungsforschung, S. 63. 85

mit dem Gegenwärtigen zusammen, und was bedeutet dies für mich und die Zu- kunft?“334

Um diese vier Anforderungen zu bewältigen müssen die vier Teilbereiche der „narrativen Kompetenz“ herangezogen werden:

1. Ein Kompetenzbereich umfasst die Wahrnehmung von Veränderungen in der Zeit, zur Begegnung mit Zeugnissen aus dem Universum des Historischen und Präsentationen aus der Geschichtskultur ab. In diesem Kompetenzbereich entwickeln die SuS eigene Fragen und Vermutungen, welche anhand von Quellen und Darstellungen herangetra- gen und beantwortet werden können.335 2. Ein weiterer Kompetenzbereich deckt die Entwicklung, Überprüfung und Darstellung von historischen Sachanalysen anhand von Quellen und Darstellungen und den kor- rekten und kompetenten Umgang mit verschiedenen Gattungen (z.B. Tagebuch, histo- rischer Roman, Fotografie, …). Durch kompetentes Handeln in diesem Bereich wird eine eigenständige Sachanalyse erreicht.336 3. Ein dritter Bereich fördert die Kompetenz zur Analyse und Deutung, zur Interpretation, zur Herleitung und zum Aufbau sowie zur Darstellung von historischen Sachurteilen im Universum des Historischen gefasst. Dieser Kompetenzbereich lässt die SuS zu einem persönlichen Sachurteil kommen.337 4. Ein letzter Kompetenzbereich umfasst die Sinnbildung über Zeiterfahrung, die Wertur- teilsprüfung an Zeiterfahrung, die Reflexion des historischen Lernens und ist als Hilfe zum Aufbau von Einstellungen und Haltungen sowie zur eigenen Orientierung in der gegenwärtigen Lebenspraxis gedacht. Dieser Kompetenzbereich führt bei den SuS zu einem eigenen Werturteil.338

334 Fachhochschule Nordwestschweiz, Kompetenzmodell für «Historisches Lernen», S. 8 f. 335 Ebd., S. 9. 336 Ebd. 337 Ebd. 338 Ebd. 86

Abbildung 9: Vier Kompetenzbereiche für "Historisches Lernen"339

Ohne die Angabe der zeitlichen Dimensionen neben den geschilderten Denkvorgängen, sind die dort ausgeführten menschlichen Erkenntnisprozesse nicht geschichtsspezifisch. Deshalb ist es auch in der Kurzbezeichnung unumgänglich, „die Perspektive auf die Dimension der Zeit, also den Wandel oder das Werden, bei den einzelnen Kompetenzen ausdrücklich zu benen- nen.“340

11.2 Gedanken zur Umsetzung Im folgenden Teil werden die Gedanken zur Umsetzung wie Lehrplanbezug, die inhaltliche Einbettung der Unterrichtseinheit, die Umsetzung der Kompetenzbereiche im Unterricht und die Ziele der Unterrichtseinheit aufgezeigt. Diese Überlegungen dürfen bei keiner Unterrichts- planung fehlen.

11.2.1 Lehrplanbezug Im Lehrplan steht, dass sich SuS der 4. Klasse Oberstufe AHS mit faschistischen bzw. diktato- rischen Staatssystemen im Europa des 20. Jahrhunderts beschäftigen sollen. Außerdem soll der Unterricht in „Form von Modulen einen Einblick vom 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart zu geben, wobei insbesondere Kontinuitäten bewusst zu machen sind. […] Die angeführten

339 Gautschi, Guter Geschichtsunterricht, S. 52. 340 Fachhochschule Nordwestschweiz, Kompetenzmodell für «Historisches Lernen», S. 10. 87

Teilkompetenzen […] sind mit den thematischen Konkretisierungen in Verbindung zu setzen. Die Basiskonzepte sind dabei im Sinn von Lernfortschritten ausgewogen einzubinden.“341

Die Kompetenzkonkretisierung unter „Modul 1 (Historische Bildung): Faschismus – National- sozialismus – politische Diktaturen“ lautet:

- „Schriftliche und bildliche Quellen beschrieben, analysieren und interpretieren; - Perspektivität von Quellen wahrnehmen; - Erkenntnisse aus Quellenarbeit oder Arbeit mit Darstellungen für individuelle Orien- tierung nutzen;“342

Unter dem Punkt Thematische Konkretisierung343 ist im Lehrplan mitunter von einer Analyse der Auswirkungen des Nationalsozialismus in Österreich zu lesen, welche in der folgenden Un- terrichtseinheit anhand der Elektrizitätswirtschaft und der damit in Verbindung stehenden Zwangsarbeit gedeckt wird.

11.2.2 Inhaltliche Einbettung Das gewählte Thema „Elektrizitätswirtschaft in Tirol im Nationalsozialismus“ fällt in den Be- reich Auswirkungen des Nationalsozialismus in Österreich (Modul 1) und bietet den SuS einen regionalen Bezug. Die Bildungs- und Lehraufgabe für das Unterrichtsfach Geschichte und So- zialkunde/Politische Bildung besagt, dass „die lokale und regionale Ebene […] als nahe liegen- des Erfahrungs- und Erprobungsfeld herangezogen werden“344 soll.

Die drei geplanten Unterrichtsstunden sollten erst am Ende des Moduls 1 bearbeitet werden, denn vorher müssen Grundlagen und Voraussetzungen des Nationalsozialismus in Österreich analysiert werden.

11.2.3 Umsetzung der Kompetenzbereiche im Unterricht Die Wissenvermittlung steht im Geschichtsunterricht meist im Vordergrund, jedoch kommt es auch auf die zielgerichtete Förderung der SuS an. So stehen sich die Wahl der richtigen Kom- petenzbereiche und die Wissensvermittlung komplementär gegenüber. Die folgende Unter- richtseinheit stützt sich auf das oben erklärte Kompetenzmodell von Gautschi.

341 Lehrpläne für allgemeinbildende höhere Schulen, BGBl. Nr. 88/1985. 342 Ebd. 343 Ebd. 344 Ebd. 88

Nach Gautschi ist die Narrative Kompetenz die zentrale Befähigung, die SuS erwerben sollen. Die vier Teilbereiche dieser Kompetenz sind miteinander verknüpft und sollen den Prozess des historischen Denkens beschreiben. Gautschi weist im Gegensatz zu Christoph Kühberger345 die Methoden- und Sachkompetenz nicht als eigene Kompetenzbereiche aus, da er diese bereits in den vier genannten Teilbereichen integriert sieht.

Die Interpretationskompetenz für Geschichte und Orientierungskompetenz für Zeiterfah- rung sollen durch Fragen im Anschluss an einen Vortrag der Lehrperson zum Thema Elektrizi- tätswirtschaft in Tirol im Nationalsozialismus gedeckt werden. Die SuS sollen sich dadurch Ge- danken zu diesem Thema machen, die über das Vorgetragene hinausgehen. Diese Fragen könnten wie folgt gestellt werden:

• Seht ihr den nationalsozialistischen Einfluss auf die damalige Tiroler Elektrizitätswirt- schaft als positiv oder negativ an? • Wer oder was profitierte am Meisten durch den Eingriff des Deutschen Reichs auf die österreichische Wirtschaft während der NS-Zeit?

Weiters werden diese zwei Kompetenzbereiche mithilfe zweier Biographien abgedeckt. Die SuS befassen sich mit einer der beiden Biographien, recherchieren im Internet und machen sich Gedanken über die Person. Anschließend werden die Gedanken und aufkommenden Fra- gen in einer Diskussionsrunde in der Klasse besprochen.

Die Erschließungskompetenz für historische Quellen und Darstellungen wird durch das Lesen und Bearbeiten eines Zeitungsartikels aus dem Jahr 2013 gedeckt. Die SuS müssen den Artikel als Quelle ansehen und diesen mithilfe der vorgegebenen Fragen analysieren und hinterfra- gen. Auch der Inhalt des Artikels handelt von Quellenfunden und die SuS sollen sich darüber Gedanken machen, worüber uns die verschiedenen Quellen Auskunft geben.

Die Wahrnehmungskompetenz für Veränderungen in der Zeit wurde in der Unterrichtspla- nung ebenfalls berücksichtigt. Diese ist in Anschlussfragen und -diskussionen an den Vortrag

345 Christoph Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen. Methodische und didakti- sche Annäherungen für Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung (Österreichische Beiträge zur Ge- schichtsdidaktik Band 2), Innsbruck-Wien-Bozen 20153. 89

der Lehrperson zu finden. Die SuS sollen sich Gedanken über den Umgang mit dem National- sozialismus bzw. den Zwangsarbeitern in der heutigen Gesellschaft machen. Beispiele für sol- che Fragen wären:

• Was bedeutet die nationalsozialistische Vergangenheit für die TIWAG? • Worin seht ihr die Auswirkungen auf die heutige Elektrizitätswirtschaft in Tirol und Ös- terreich?

11.2.4 Übergreifende Ziele der Unterrichtseinheit • „Die Studierenden sollen ein globales Geschichtsverständnis entwickeln, das von regi- onalen Bezügen bis zur weltumspannenden Dimension reicht.“346

• „Die Studierenden sollen weiters befähigt werden, Sachverhalte und Probleme in ihrer Vielschichtigkeit, ihren Ursachen und Folgen zu erfassen und ein an den Menschen- rechten orientiertes Politik- und Demokratieverständnis zu erarbeiten.“347

• „Durch den Unterricht sollen die Studierenden befähigt werden, die sozialen, kulturel- len, wirtschaftlichen und politischen Strukturen und Abläufe kritisch zu analysieren und die Zusammenhänge zwischen Politik und Interessen sowie die Ursachen, Unter- schiede und Funktionen von Religionen und Ideologien zu erkennen. Studierende sol- len ihre gesellschaftliche Position und ihre Interessen erkennen und über politische Probleme urteilen und entsprechend handeln können.“348

Neben diesen drei Kernzielen ist auch der gemeinsame Diskurs im Klassenraum sehr bedeu- tend, denn durch ihn konstruieren die Lernenden nach Klafki eigene, fundierte und begrün- dete Bewertungen.

„Bildung im Sinne des Selbst- und Mitbestimmungs- sowie des Solidaritätsprinzips ist nicht zuletzt durch die Einsicht gekennzeichnet, dass es notwendig ist, einerseits ein Höchstmaß an Gemeinsamkeiten anzustreben, andererseits aber doch immer die Möglichkeit zu unterschiedlichen und kontroversen Auffassungen, Problemlösungs- versuchen, lebensentwürfen zu gewährleisten und zu verteidigen.“349

346 Lehrpläne für allgemeinbildende höhere Schulen, BGBl. Nr. 88/1985. 347 Ebd. 348 Ebd. 349 Wolfgang Klafki, Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik, S. 62. 90

Ein gemeinsamer Diskurs verdeutlicht den Lernenden, dass es für gesellschaftliche Problemlö- sungen keine Lösung, die mit einem Mal alle Schwierigkeiten behebt, gibt. Denn alle Lösungen werden im Kontext des Diskurses der beteiligten Personen konstruiert. Widersprüche, die in einem Diskurs zum Vorschein kommen, sieht Klafki als Lernchance, denn sie machen Deu- tungs- und Handlungsspielräume für die Lernenden sichtbar.350 In der folgenden Einheit soll speziell in der letzten Unterrichtsstunde ein Diskurs zum Thema „Zwangsarbeit in Tirol“ in der Klasse entstehen. Darauf sollte die Lehrperson bereits seit Beginn der Unterrichtseinheit hin- arbeiten.

350 Ebd., S. 50. 91

11.3 Verlaufsplanung und Arbeitsmaterialien

Zeit Inhalt/Thema Kompe- LP-Bezug/ Organisationsform: Quellen bzw. Fragen zur Reflexion tenzen Lehr- und Lernziele Sozialformen Geschichtsdar- + Methoden stellungen 50 1. Einführung in die Elektrizi- Sachkom- - SuS können Geschichte Frontalunterricht Vortrag (Infos Haben die SuS Prob- Min. tätswirtschaft in Tirol im Na- petenz als Konstruktion der Ver- (Vortrag LP) im Buch von leme beim Ausfüllen tionalsozialismus durch einen Fragekom- gangenheit wahrneh- Horst Schrei- des Lückentextes? LP-Vortrag. petenz men. Partnerarbeit ber)351 Wenn ja, wo genau ha- (15 Minuten) (Lückentext) + ben sie Schwierigkei- - SuS können sich ein Bild Lückentext ten? 2. Verfestigung des Gehörten über die Elektrizitätswirt- Einzelarbeit + durch das Ausfüllen eines Lü- schaft in Tirol im Natio- (Zeitungsbericht) Zeitungsbericht ckentextes. Außerdem bietet nalsozialismus machen. aus dem Jahr Wie sind die SuS mit der Lückentext eine gute Zu- (Vortrag + Zeitungsarti- 2013 dem Zeitungsartikel sammenfassung des vorge- kel). umgegangen? Welche tragenen Themas. Fragen haben sie sich (10 Minuten) dazu überlegt?

3. Einblick in das Thema: Haben die SuS gewusst Zwangsarbeit beim Kraft- was Quellen sind? werksbau. Als Beispiel wird Wenn ja, welche Bei- der Kraftwerksbau in Kirch- spiele haben sie ge- bichl herangezogen. (Zei- nannt? tungsartikel) (15 Minuten)

4. Abschießende Diskussion

351 Horst Schreiber, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Nazizeit in Tirol (Geschichte & Ökonomie 3), Innsbruck 1994. 92

(10 Minuten) 50 1. Weiterarbeiten mit dem Sachkom- - SuS können Aussagen Partnerarbeit Biographien Haben die SuS gewusst Min. Thema "Zwangsarbeit in Tirol petenz und Interpretationen ehemaliger was zu tun war? während des Nationalsozia- über die Vergangenheit Zwangsarbeiter lismus“. Um den SuS einen Metho- und Gegenwart anhand in Tirol Hatten die SuS Prob- genaueren Einblick in das denkom- von Belegen aus Quellen leme bei der Quellen- Thema zu verschaffen, wer- petenz und Darstellungen nach- Internetrecher- recherche? den zwei Biographien ehe- (Rekon- vollziehen. che maliger Zwangsarbeiter in Ti- struktions- rol ausgeteilt und mit diesen kompe- - SuS können die Ge- weitergearbeitet. tenz) schichte als eine Be- trachtung, die im Nach- Die SuS bekommen von der hinein geschieht, wahr- LP den Auftrag, sich mit den nehmen und deren Aus- Biographien zu beschäftigen, wirkungen reflektieren sich mithilfe des Internets (Retroperspektivität). genauer über die Personen zu informieren (Bsp.: über - SuS können ein Plakat deren Heimatort,…) um an- zur vorgegebenen Mate- schließend ein Plakat anzu- rialgrundlage erstellen. fertigen. (Die Klasse wird hierfür in zwei Gruppen geteilt. Eine Gruppe erhält die Biographie 1, die andere die Biographie 2. Dann werden die einzel- nen Gruppen nochmals in Zweierpaare unterteilt = Partnerarbeit)

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50 In der letzten Stunde dieser Orientie- - SuS können die frem- Partner- bzw. Präsentationen Haben die SuS den Auf- Min. Einheit werden die Ergeb- rungskom- den Darstellungen zur in- Gruppenarbeit + trag richtig verstanden nisse der Recherchearbeit petenz dividuellen Orientierung Plakate und umgesetzt? vorgestellt. Dazu werden für hinsichtlich der Bewer- jede Biographie zwei SuS tung der Vergangenheit Wo gab es Schwierig- ausgewählt, die das Plakat und möglicher Hand- keiten bzw. Fragen? vorstellen. Anschließend lungsoptionen in der Ge- können die SuS, die dieselbe genwart und Zukunft Biographie bearbeitet haben, nutzen. Fehlendes bei der Präsenta- tion ergänzen. - SuS können das Ge- lernte Wissen verankern. Als Abschluss der Einheit werden sowohl die Biogra- phien als auch der Zeitungs- artikel und der LP-Vortrag nochmals angesprochen und noch offene Fragen geklärt.

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M01: Lückentext

Die Elektrizitätswirtschaft in Tirol in der Nazizeit

Die reichen Wasserkräfte Westösterreichs hatten die Begehrlichkeit des Deutschen Reiches und deutscher Großkonzerne bereits lange vor 1938 geweckt. Mit dem ______war nun die Möglichkeit gegeben, den durch die forcierte Aufrüstung stark gestiegenen Strombe- darf des Reiches mittels Erschließung neuer Energiequellen in der „Ostmark“ zu decken. Dabei erhielten die Gaue Tirol-Vorarlberg und Salzburg eine besondere Rolle zugeteilt. Erschließung, Ausbau und Nutzung des österreichischen Energiepotentials entsprechend den Bedürfnissen der deutschen Wirtschaft erforderten eine zentrale Lenkung der E-Wirtschaft durch das ______. Die VIAG (Vereinigte Industrieunternehmungen AG), ein reichseigener Staatskon- zern, gründete zu diesem Zweck am 22. April 1938 eine Elektrizitätsgesellschaft, die Al- penelektrowerke AG (AEW), deren Tätigkeit ein Musterbeispiel für die ______der Tiroler Wirtschaft darstellt. Die Aufgabe der AEW bestand darin, neue ______in Tirol zu bauen, deren Kapazitäten ins Großdeutsche Reich zu transportieren und zu diesem Zweck ein ______mit Anschluss an die deutsche Nord-Süd Energieachse zu er- richten. Noch 1938 wurde eine 100 kV (120.000 Volt) – Leitung vom Achenseekraftwerk über Kirchbichl und Kufstein zum Innwerk nach Töging gebaut, um Tiroler Energie der deutschen Aluminiumindustrie zur Verfügung zu stellen. Die Nutzung Tiroler Stroms für die deutsche Wirtschaft hatte bereits vor dem „Anschluss“ Tradition, denn das Achenseekraftwerk expor- tierte fast den gesamten erzeugten Strom nach Bayern. Tirol war also schon in der ______sehr stark nach Deutschland ausgerichtet gewesen. Es gab zwar keine Verbindung zu Innerösterreich, wohl aber zwei 100 kV-Leitungen, die ans bayrische Netz angeschlossen waren.

Nach 1938 wurde die Landeshauptstadt Innsbruck, die die Aktienmehrheit der TIWAG hielt, gezwungen, den Anteil an die reichseigene VIAG, die das Aktienpaket an die Tochter ______weitergab, abzutreten. Bis 1941 verfügte die AEW schließlich über mehr als 98% Anteile an der ______.

Die Tiroler E-Wirtschaft befand sich schließlich in der NS-Zeit völlig in den Händen großdeut- scher Wirtschafts- und Profitinteressen. Noch im Spätherbst 1938 wurde der Bau des ersten großen ______Tirols, des Innkraftwerks Kirchbichl, in Angriff genommen

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und 1941 auch fertiggestellt. Ende November 1939 waren an dieser Baustelle ca. 1.000 Arbei- ter beschäftigt, darunter 200 Polen, 60 Italiener, 60 Bulgaren und 15 Kroaten. Die TIWAG un- terhielt in Kirchbichl ein eigenes ______. Im Juli kamen weitere 330 französische Kriegsgefangene in Kirchbichl und im ______in Einsatz. Von 1938-1940 baute die TIWAG im Zillertal die Wasserkraftanlage Stillup-Bösdornau aus, ab 1939 errichtete sie mit Hilfe von mindestens 500 Zwangsarbeitern und ______das Gerlos- kraftwerk, das bis Kriegsende zu 95% fertiggestellt werden konnte. Die ausländischen Arbeits- kräfte wurden im Zwangsarbeiterlager Schwarzach festgehalten.

Der Gau Tirol-Vorarlberg war als ______Stromlieferant für die deutsche Industrie auser- koren worden, so dass schließlich auf Vorarlberg 45% und auf Tirol 17% der Ausbauleistung aller neugebauten Kraftwerke in Österreich entfielen. In den sieben Jahren der NS-Zeit er- höhte sich nicht zuletzt dank der massiven ______die Ausbauleistung in Tirol um beachtliche 71%. Die ______während der NS-Zeit sowie die ausgereiften Pla- nungen und die nicht fertiggestellten Projekte stellten eine wichtige Basis dar, von der aus die stürmische Expansion der E-Wirtschaft nach 1945 erfolgte. Die ______ging enorm ge- stärkt aus der NS-Zeit hervor.

Anschluss TIWAG AEW Verbundnetz Zwangsarbeiterlager Zwischenkriegszeit billiger Kriegsgefangene Zillertal Investitionen Germanisierung Reich Kraftwerke TIWAG Flusskraftwerkes Zwangsarbeit

Quelle: Schreiber Horst, Die Elektrizitätswirtschaft in Tirol in der Nazizeit, online verfügbar unter: http://www.erinnern.at/bundeslaender/tirol/unterrichtsmaterial/zwangsarbeit-in-tirol/Die%20Elektrizitaets- wirtschaft%20in%20Tirol.pdf

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Lösung Lückentext

Die reichen Wasserkräfte Westösterreichs hatten die Begehrlichkeit des Deutschen Reiches und deutscher Großkonzerne bereits lange vor 1938 geweckt. Mit dem „Anschluss“ war nun die Möglichkeit gegeben, den durch die forcierte Aufrüstung stark gestiegenen Strombedarf des Reiches mittels Erschließung neuer Energiequellen in der „Ostmark“ zu decken. Dabei er- hielten die Gaue Tirol-Vorarlberg und Salzburg eine besondere Rolle zugeteilt. Erschließung, Ausbau und Nutzung des österreichischen Energiepotentials entsprechend den Bedürfnissen der deutschen Wirtschaft erforderten eine zentrale Lenkung der E-Wirtschaft durch das Reich. Die VIAG (Vereinigte Industrieunternehmungen AG), ein reichseigener Staatskonzern, grün- dete zu diesem Zweck am 22. April 1938 eine Elektrizitätsgesellschaft, die Alpenelektrowerke AG (AEW), deren Tätigkeit ein Musterbeispiel für die „Germanisierung“ der Tiroler Wirtschaft darstellt. Die Aufgabe der AEW bestand darin, neue Kraftwerke in Tirol zu bauen, deren Ka- pazitäten ins Großdeutsche Reich zu transportieren und zu diesem Zweck ein Verbundnetz mit Anschluss an die deutsche Nord-Süd Energieachse zu errichten. Noch 1938 wurde eine 100 kV (120.000 Volt) – Leitung vom Achenseekraftwerk über Kirchbichl und Kufstein zum In- nwerk nach Töging gebaut, um Tiroler Energie der deutschen Aluminiumindustrie zur Verfü- gung zu stellen. Die Nutzung Tiroler Stroms für die deutsche Wirtschaft hatte bereits vor dem „Anschluss“ Tradition, denn das Achenseekraftwerk exportierte fast den gesamten erzeugten Strom nach Bayern. Tirol war also schon in der Zwischenkriegszeit sehr stark nach Deutsch- land ausgerichtet gewesen. Es gab zwar keine Verbindung zu Innerösterreich, wohl aber zwei 100 kV-Leitungen, die ans bayrische Netz angeschlossen waren.

Nach 1938 wurde die Landeshauptstadt, die die Aktienmehrheit der TIWAG hielt, gezwungen, den Anteil an die reichseigene VIAG, die das Aktienpaket an die Tochter AEW weitergab, ab- zutreten. Bis 1941 verfügte die AEW schließlich über mehr als 98% Anteile an der TIWAG.

Die Tiroler E-Wirtschaft befand sich schließlich in der NS-Zeit völlig in den Händen großdeut- scher Wirtschafts- und Profitinteressen. Noch im Spätherbst 1938 wurde der Bau des ersten großen Flusskraftwerkes Tirols, des Innkraftwerks Kirchbichl, in Angriff genommen und 1941 auch fertiggestellt. Ende November 1939 waren an dieser Baustelle ca. 1.000 Arbeiter be- schäftigt, darunter 200 Polen, 60 Italiener, 60 Bulgaren und 15 Kroaten. Die TIWAG unterhielt in Kirchbichl ein eigenes Zwangsarbeiterlager. Im Juli kamen weitere 330 französische Kriegs- gefangene in Kirchbichl und im Zillertal in Einsatz. Von 1938-1940 baute die TIWAG im Zillertal die Wasserkraftanlage Stillup-Bösdornau aus, ab 1939 errichtete sie mit Hilfe von mindestens 500 Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen das Gerloskraftwerk, das bis Kriegsende zu 95% fertiggestellt werden konnte. Die ausländischen Arbeitskräfte wurden im Zwangsarbeiterlager Schwarzach festgehalten.

Der Gau Tirol-Vorarlberg war als billiger Stromlieferant für die deutsche Industrie auserkoren worden, so daß schließlich auf Vorarlberg 45% und auf Tirol 17% der Ausbauleistung aller neu- gebauten Kraftwerke in Österreich entfielen. In den sieben Jahren der NS-Zeit erhöhte sich nicht zuletzt dank der massiven Zwangsarbeit die Ausbauleistung in Tirol um beachtliche 71%. Die Investitionen während der NS-Zeit sowie die ausgereiften Planungen und die nicht fertig- gestellten Projekte stellten eine wichtige Basis dar, von der aus die stürmische Expansion der E-Wirtschaft nach 1945 erfolgte. Die TIWAG ging enorm gestärkt aus der NS-Zeit hervor.

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M02: Zeitungbericht

NS-Zwangsarbeiterlager in Kirchbichl

"Bei den Ausgrabungen wurden neben Knöpfen, Wehrmachtszubehöhr und Reichspfennigen auch viele Hygieneartikel gefunden", so Karsten Wink, Geschäftsführer der ARDIS Archeolo- gie.

Im Rahmen der Kraftwerks-Erweiterung in Kirchbichl wurden Ausgrabungen am ehemali- gen Zwangsarbeiterlager durchgeführt. Die Ergebnisse wurden jetzt veröffentlicht.

KIRCHBICHL (mel). Als Vorarbeit zur Kraftwerks-Erweiterung in Kirchbichl beauftragte die TI- WAG eine archäologische Grabungsfirma, um das ehemalige Barackengelände am Wehr zu untersuchen. Jetzt sind die Ausgrabungen abgeschlossen und die Ergebnisse wurden am 12. November präsentiert.

Insgesamt 40 Boxen Fundmaterial (u.a. Munition, Knöpfe, Reichspfennige, Porzellan, Hygie- neartikel, Schuhe, Werkzeug und militärische Objekte) gingen aus den Ausgrabungen hervor und lieferten zahlreiche Informationen über das Zwangsarbeiterlager. "In Kirchbichl geht es um die Aufarbeitung der Geschichte des seinerzeitigen Dritten Reiches und die Rolle einzelner Betriebe, Personen und der Gesellschaft im Umgang mit einem totali- tären Regime. Im Fokus stehen die Schicksale von Zwangsarbeitern und anderen Menschen, die diesem skrupellosen System zum Opfer gefallen sind", erklärt TIWAG-Vorstandsdirektor Johann Herdina.

Anwesenheit der Wehrmacht bewiesen Im Zwangsarbeiterlager Kirchbichl waren sowohl zivile Arbeiter als auch Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene aus verschiedenen Ländern untergebracht. Wie viele Menschen sich im La- ger befanden, kann nicht genau belegt werden. "Die Zwangsarbeiter wurden je nach Bedarf auch bei anderen Kraftwerks-Projekten eingesetzt, deshalb lässt sich die genaue Anzahl an Arbeitern nicht klären", so der Historiker Erich Andreas Schreder. Durch die Ausgrabungs-Funde wurde auch die Anwesenheit der Wehrmacht bewiesen: "Wir haben bei den Ausgrabungen militärisches Zubehör und Munition gefunden, die aufgrund der Gravur eindeutig der Wehrmacht zugeordnet werden kann", sagt Karsten Wink, Ge- schäftsführer der Grabungsfirma "ARDIS Archaeology".

"Sehr interessantes Material" Karsten Wink über die Funde in Kirchbichl: "Die archäologischen Hinterlassenschaften und baulichen Überreste aus der NS-Zeit befanden sich seicht unter der Oberfläche. Die Ausgra- bungen haben uns sehr viele Informationen über die damaligen Zustände geliefert. Einige Fragen, wie zum Beispiel in wie weit das Zwangsarbeiterlager umzäunt war, sind jedoch noch immer offen". Diese offenen Fragen will man jetzt mit Fotos, schriftlichen Dokumenten und Zeitzeugenbefragungen lösen. 98

Historischer Hintergrund In den 1930er-Jahren wuchs der Hunger nach Energie zusehends. Mit dem Anschluss Öster- reichs an das Deutsche Reich 1938 übte die nationalsozialistische Machtzentrale in Berlin massiven Druck auf Energieversorgungsunternehmen aus, um den Kraftwerksbau möglichst rasch voranzutreiben und so den großen Energiebedarf im gesamten Deutschen Reich de- cken zu können. Die Kraftwerke in Tirol standen zur damaligen Zeit im Einflussbereich der 1938 neu gegründeten Alpenelektrowerke AG. Die Mehrheit der einheimischen, arbeitsfähi- gen Männer war zum Kriegsdienst eingezogen worden, es herrschte großer Arbeitskräfte- mangel. Um diesen auszugleichen, wurden Zwangsarbeiter – überwiegend polnischer Her- kunft – eingesetzt, die in einem Barackenlager nahe der Baustelle festgehalten wurden. Trotz intensiver Nachnutzung der inzwischen abgerissenen Gebäude gelang es, kriegszeitli- che Relikte ans Tageslicht zu holen und ausführlich zu dokumentieren. „Auf diese Weise kann ein Stück Zeitgeschichte vor dem Vergessen und Verdrängen bewahrt werden“, so TIWAG-Vorstandsdirektor DI Johann Herdina.

Arbeitsauftrag:

• Benenne die verschiedenen Quellen, die bei den Ausgrabungen gefunden worden sind. • Suche dir zwei von den oben genannten Quellen aus und versuche zu erklären, wo- rüber uns diese Auskunft geben könnten. • Erzähle deinem Sitznachbarn, welche der Quellen dein Interesse geweckt hat und be- gründe ihr/ihm warum.

Quelle: Bezirksblatt vom 14.11.2013, online verfügbar unter: https://www.meinbezirk.at/kufstein/lokales/ns- zwangsarbeiterlager-in-kirchbichl-d754242.html. 99

M03: Biographie 1

Marija Kukurusa-Schweißgut:

Zwangsarbeiterin aus der Ukraine

Terror, Hunger und Flucht prägen die Kindheit von Marija Kukurusa. Sie gehört zu jenen Zwangsarbei- terinnen, die in Tiroler Bauernfamilien menschlich aufgenommen werden und nach dem Krieg in Tirol bleiben. Doch ihre Sprache, Kultur und alte Heimat muss Marija Kukurusa hinter sich lassen. Und damit auch ihre Mutter, ihren Bruder und ihre Schwestern, von deren Schicksal sie jahrzehntelang nichts erfährt. Der Krieg hat Marija Kukurusa entwurzelt. Doch sie schätzt sich glücklich, dass sie in Tirol eine neue Familie gründen konnte.

Eine Kindheit unter der Herrschaft von Stalin und Hitler

Marija Kukurusa wird am 28. Jänner 1928 in Kornella, einem Dorf in der Ukraine, geboren. Ihre Kindheit ist überschattet vom Terror Stalins, der 1932/33 eine schreckliche Hungersnot mit Millionen Toten auslöst. Marija Kukurusas Großmutter verhungert, der Vater und der Onkel werden als Gegner Stalins verhaftet. Während der Onkel ums Leben kommt, überlebt der Vater und zieht mit der Familie nach Stalino (seit 1961 Donezk). Marija Kukurusa besucht den Kindergarten und lernt in der Schule auch ein Jahr lang Deutsch. Doch kaum geht es der Familie besser, überfällt die Deutsche Wehrmacht 1941 die Sowjetunion. Millionen UkrainerInnen werden ins Deutsche Reich verschleppt, ausgehungert oder ge- tötet.

Die Familie Kukurusa versucht unter diesen Umständen, so gut es geht zu überleben. Doch bereits im Herbst 1941 stirbt der schwer erkrankte Vater. Medikamente fehlen weitgehend. Der Winter ist eis- kalt. Es gibt kaum mehr etwas zu essen und zu heizen. Im Frühjahr 1942 flieht Marija Kukurusa mit der Mutter und ihren Schwestern Julia und Dora sowie einer Schwägerin aus der völlig zerstörten Stadt. Der 700 Kilometer lange Weg ins Hei- matdorf muss mit dem Gepäck auf ei- nem zweirädrigen Karren zu Fuß zu- rückgelegt werden. Nach einigen Wo- chen kommt die Familie völlig er- schöpft an, doch Marijas Schwester Ju- lia ist verloren gegangen und bleibt verschollen.

Abbildung 10: Marija Kukurusa - Schweißgut 2002

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Im Viehwaggon zur Zwangsarbeit nach Tirol

Marija Kukurusas Aufenthalt im Dorf ist nur von kurzer Dauer. Bereits am 14. Juli 1942 wird sie mit anderen Mädchen und einigen Männern von der deutschen Besatzung aufgefordert, sich am nächsten Tag für den Abtransport ins Deutsche Reich bereit zu halten. Die Mutter kann für Marija gerade noch einen Laib Brot und ein Stückchen Butter bei der Nachbarin besorgen. Auf dem Weg zum 20 Kilometer entfernten Bahnhof werden in den Dörfern aber auch direkt von der Straße weg weitere Menschen auf den Pferdekarren geladen. Der Zug, in den sie einsteigen, ist völlig überfüllt. Marija Kukurusa wird mit anderen jungen Leuten beiderlei Geschlechts in einen Viehwaggon gesteckt. Während der Fahrt können sie den Zug nicht verlassen und müssen auf Stroh schlafen. Die Toilette besteht aus einem Loch im Boden des Waggons. Während ihrer Fahrt erhalten die Menschen nur einmal zusätzliches Essen – ein Stück Brot und Käse. Im großen Durchgangslager für ZwangsarbeiterInnen in Wörgl stoppt der Zug. An diesen Zwischenaufenthalt erinnert sich Maria Kukurusa-Schweißgut nur noch ungern:

„Im Lager war es furchtbar. Wir mussten uns nackt ausziehen. Was wir noch an Essen hatten, wurde uns weggenommen. Den ganzen Tag nackt, dann duschen, dann die ärztliche Untersuchung, vor allem die Lunge. Ich erinnere mich an eine Frau, der die Seife ausgerutscht war und die dann deswegen mit der Peitsche geschlagen wurde. Die Männer, die uns bewachten, begafften uns wie Sklaven. Ich war damals 14 Jahre alt, also noch ein Kind.“ Marija Kukurusa kommt nach Weißenbach ins Außerfern. Zuerst arbeitet sie kurze Zeit in einem Gasthaus, dann wird sie einem Bauernhof zugeteilt. Sie muss zwar hart arbeiten und hat kaum ein eigenes Einkommen, doch die dreieinhalb Jahre bis Kriegsende verlaufen ruhig: „Bei der Familie Lob wurde ich gut behandelt. Ich durfte am gleichen Tisch essen und konnte auch essen, wenn ich Hunger hatte.“

„Wenn keine Leute mehr da sind, dann ist dort auch keine Heimat“

Auch nach Kriegsende bleibt Marija Kukurusa noch in Weißenbach, da jeder Kontakt zu ihrer völlig zerstörten Heimat – auch zur Mutter, mit der sie bis Herbst 1943 noch brieflich verkehrte – abgerissen ist. Sie wechselt als Magd zur Familie Lutz, die das fleißige und ruhige Mädchen sehr mag. Doch schließ- lich müssen die ehemaligen ZwangsarbeiterInnen, die sich noch in Tirol und in den anderen österrei- chischen Bundesländern aufhalten, in ihre Heimat zurück. Die Sowjetunion besteht auf die Rückfüh- rung ihrer Landsleute. Doch im Land herrscht immer noch eine brutale Diktatur unter Stalin. Viele uk- rainische und andere aus der Sowjetunion stammenden ZwangsarbeiterInnen kommen in ihrer Heimat in Lagerhaft, weil sie der Zusammenarbeit mit dem Feind verdächtigt werden. Der Ausweg besteht für die 18-jährige Marija Kukurusa in einer Heirat mit ihrem um sechs Jahre älteren Tiroler Freund Ludwig Schweißgut. Pfarrer Alois Raggl, der sie für den katholischen Glauben gewonnen hat, unterstützt sie. Am 19. Juni 1946 muss die junge ukrainische Frau noch eine Nacht im Gefängnis von Reutte verbringen,

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wohin sie mit ihren Landsleuten vor der geplanten Abreise gebracht wurde. Doch am nächsten Tag holt Ludwig Schweißgut sie ab und heiratet sie in der Pfarrkirche von Breitenwang. Erst 1980 gelingt es Marija Kukurusa, Kontakt mit ihrer alten Heimat aufzunehmen. Sie erfährt, dass die meisten Fami- lienmitglieder verstorben sind. Die sowjetischen Behörden verhindern, dass sie mit ihrer schwer kran- ken Schwester in Beziehung treten kann. Bescheiden zieht Marija Kukurusa 2002 die Bilanz ihres harten und bewegten Lebens: „Wir haben neun Kinder. Wir haben viel gearbeitet, und ich habe viel Zeit mit meinen Kindern verbracht. Rückschauend muss ich trotz allem sagen, dass es mir das Schicksal letztlich gut gemeint hat.“

Quelle: Richard Lipp, Maria Schweißgut – Lebensweg der ehemaligen Zwangsarbeiterin Marija Kukurusa, in: Tiroler Chronist 87 (Juli 2002), S. 31-34.

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M04: Biographie 2

Eugenia Kaser:

Verschleppt und ausgebeutet

Eugenia Kaser wird 1923 geboren. Sie wächst mit zwei Brüdern und einer Schwester in drückender Armut in Czernielewka, einem sehr kleinen Dorf in der Ukraine, auf. Ihr Vater stirbt bereits wenige Jahre nach ihrer Geburt. Mutter Irina ist gesundheitlich angeschlagen. Von klein auf arbeitet Eugenia Kaser im Haushalt und in der Landwirtschaft. Sie kann keine Schule besuchen und lernt daher weder schreiben noch lesen. Ihre Verschleppung nach Tirol stellt einen brutalen Einschnitt in ihrem bisherigen Leben dar. Bis ins Alter leidet sie an einem Gefühl der Entwurzelung. Ausbeutung, Benachteiligung und Missachtung ihrer Person werden ständige Begleiter. Erst in ihren letzten Lebensjahren erfährt sie end- lich ein wenig Anerkennung.

Von Czernielewka nach Zirl

Anfang Juli 1941 rücken Truppen der Deutschen Wehrmacht in Czernielewka ein. Die 18-jährige kann sich mit ihrer Schwester einige Tage in einem Erdloch im Garten verbergen. Als die beiden schließlich aus ihrem Versteck kommen, werden sie mit vielen anderen BewohnerInnen des Dorfes auf Lastwagen geladen und zum nächsten Bahnhof gebracht. Dort erfolgt der Abtransport in mit Stroh ausgelegten Viehwaggons, in dessen Mitte sich eine Wassertonne befindet. Als Eugenia Kaser Tirol erreicht und das erste Mal in ihrem Leben die Berge sieht, kommt sie sich ganz verloren vor. Schließlich gelangt sie mit dem Zug nach Hochzirl und muss dann nach Zirl marschieren, wo sie mit anderen AusländerInnen auf die einzelnen Bauernhöfe und Betriebe verteilt wird.

Als billige Arbeitskraft im Hotel Post in Zirl

Eugenia Kaser arbeitet zunächst im Hotel Post in Zirl, dem eine große Landwirtschaft angeschlossen ist. Auch das Dorfkino gehört der Hotelierfamilie. Die junge verschüchterte Ukrainerin ohne Bildung ist ein willkommenes Opfer für die Profitgier der Wirtsleute. Anuschka, wie sie von ihnen genannt wird, muss von früh bis spät in der Landwirtschaft schuften und läuft sich die Füße blutig. Das Wäschewa- schen ohne Warmwasser und das Aufhängen der Wäsche in der Winterkälte sind eine Qual. Einmal erkrankt sie an schwerer Lungenentzündung und entgeht nur knapp dem Tod. Bei den Küchenarbeiten und Putztätigkeiten im Gasthausbetrieb und im Kino hat Eugenia Kaser keinen Kontakt zu Einheimi- schen. Freizeit gibt es praktisch nicht. Der Arbeitstag ist überlang, Ausgang verboten. Untergebracht ist sie in einem großen ungeheizten Raum mit vielen anderen ZwangsarbeiterInnen aus mehreren Län-

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dern. Selbst bei der Verpflegung schlagen die Wirtsleute einen Gewinn für sich heraus. Die Zwangsar- beiterInnen essen aus einem Blechgeschirr „wie für Hunde“. Sie erhalten die Reste der Mahlzeiten, die die Hotelgäste übriggelassen haben.

Im Frauenlager Jenbach

Eugenia Kaser hält es schließlich nicht mehr aus. Sie will gemein- sam mit ihrer Freundin eine andere Arbeitsstelle suchen gehen. Doch die Entfernung vom Arbeitsplatz ist streng verboten. Bereits kurz nach Zirl werden die beiden von Gendarmen gefasst. Darauf- hin erfolgt die Überstellung ins Frauenlager bei den Heinkel-Wer- ken (heute General Electric) in Jenbach, das als Außenstelle des Ar- beitserziehungslagers Reichenau der Gestapo untersteht. Die schwere Zeit in Jenbach hat Eugenia Kaser aus ihrem Gedächtnis verbannt. Nur ungern lässt sie Erinnerungen hochkommen. Sie ist in einer kleinen, niedrigen Holzbaracke mit Stockbetten unterge-

Abbildung 11: Eugenia Kaser 1944 bracht. Überall gibt es Ungeziefer. Die Läuse sind nicht nur lästig, sie übertragen auch das lebensgefährliche Fleckfieber. Die Ernäh- rung ist miserabel und besteht vorwiegend aus altem Brot und einer Wassersuppe mit Rüben. Tag für Tag nagelt Eugenia Kaser Holzkisten zusammen, in denen Munition und Maschinenteile transportiert werden. Ihre Finger schmerzen. Die Arbeit am Sonntag empfindet sie als den Höhepunkt der Woche. Ein Tiroler Aufseher führt sie aus dem Lager, damit sie sein Haus putzt und den Garten in Schuss hält. Dafür erhält sie etwas Anständiges zu essen, auch Kaffee und Kuchen. Kurz vor Weihnachten 1944 holt eine Angestellte des Innsbrucker Arbeitsamtes Eugenia Kaser in Jenbach ab und teilt sie dem Weinhaus Bertagnolli in der Leopoldstraße als Hausmädchen zu. Ein kleiner Durchgangsraum dient ihr als Unter- kunft. Sie hat nicht einmal ein eigenes Bett, sondern muss in einem Ohrensessel schlafen. Ein Gast des Weinhauses nützt ihre Zwangslage aus und vergewaltigt sie. Eugenia Kaser wird schwanger.

Nach 1945: „Ostarbeiterin“ – „Russin“ – Ausländerin

Das Kriegsende ändert nichts an der Situation der jungen Zwangsarbeiterin aus der Ukraine. Sie bleibt auf sich alleine gestellt und arbeitet weiterhin als rechtlose billige Hilfskraft im Weinhaus Bertagnolli. Im Februar 1946 bringt sie Zwillinge zur Welt. Bald nach der Geburt wird Eugenia Kaser von der Inns- brucker Klinik einfach auf die Straße gesetzt. Sie weiß nicht, wohin sie sich wenden soll. Einen Moment lang überlegt sie, mit den Säuglingen in den Inn zu springen. Doch schließlich begibt sie sich wieder zum Weinhaus. Die Wirtsleute können die tüchtige und anspruchslose Arbeiterin, die völlig auf sie an-

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gewiesen ist, gut gebrauchen. Eine Rückkehr in die Ukraine ist für Eugenia Kaser kein Thema. Die Mut- ter ist bereits verstorben, das Elternhaus soll zerstört sein, das Schicksal ihrer Geschwister ist ungewiss. Wie sollte sie aber auch in ihrer Heimat die Schwangerschaft im Feindesland erklären? Ihr ist klar, dass sie in der Ukraine große Probleme bekommen würde. Eugenia Kaser bleibt mit ihren Kindern in Tirol und arbeitet auch auf ihren späteren Dienstposten als Küchen- und Hausgehilfin. Die Behörden wissen nicht genau, wie sie „die Russin“ einstufen sollen. Bis Mitte der 1950er Jahre wird Eugenia Kaser unter derselben Bezeichnung wie in der NS-Zeit geführt: als „Ostarbeiterin“. Sie gilt als Ausländerin und hei- matloser Flüchtling und muss immer wieder um Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ansuchen. Von den Sozialleistungen bleibt sie viele Jahre ausgeschlossen. Ihre Ehen und ihre Kinder verhindern eine Abschiebung bzw. zwangsweise Rückführung in die Ukraine. Eugenia Kaser ist nicht wirklich ein famili- äres Glück gegönnt. Die von ihrem ukrainischen Dorf Vertriebene wird in Tirol nie völlig heimisch. Sie findet sich schwer zurecht und bleibt im Grunde eine Fremde, deren Geschichte niemanden interes- siert. Obwohl sie ihr Leben lang hart arbeitet und ihre Kinder großzieht, ist die Rente so gering, dass sie nur mit einer Zulage auf die gesetzliche Mindestpension kommt. Im hohen Alter kann sie erstmals durch die Förderung des Sozialsprengels Urlaub machen – im Tiroler Brixental.

Späte Würdigung

1999 wird der Universitätslehrer Heinz Blaumeiser mit einer Gruppe StudentInnen durch einen Zufall auf Eugenia Kaser aufmerksam. Er hilft ihr, die verschüttete Lebensgeschichte freizulegen, die selbst ihre Tiroler Familie kaum kennt. Mit seiner Unterstützung gelingt es, dass sie im August 2001 vom Versöhnungsfonds der Republik Österreich einen kleinen Entschädigungsbeitrag als Wiedergutma- chung für ihre Zeit als Zwangsarbeiterin erhält. Der mittellosen Eugenia Kaser ist aber weniger die be- scheidene Geldsumme als die damit verbundene Anerkennung und Würdigung ihres Schicksals als Zwangsarbeiterin wichtig. Es gibt einen Bericht über sie im ORF Tirol, und Heinz Blaumeiser schenkt ihren Erzählungen mit seinen StudentInnen große Aufmerksamkeit. Bei einem Ausflug sagt sie ihnen: „So gut ist es mir noch nie gegangen.“

Quelle: Heinz Blaumeiser, Die Tiroler „Russin“ – von der Verschleppung zur Entschädigung. Ein Fallbeispiel aus der Werkstatt lebensgeschichtlicher Rekonstruktion, in: Geschichte und Region/Storia e regione 1 (2003), S. 107- 139. 105

12. Literatur- und Quellenverzeichnis

12.1 unveröffentlichte Quellen Sitzungsprotokolle Talvertrag von 2007 – 2017 (2016 exklusive), zur Verfügung gestellt von Hansjörg Jäger (BGM Ried im Zillertal).

Richtlinien für die Verwendung der Mittel aus dem Vertrag zwischen dem Land Tirol und der Tauernkraftwerke AG, 2 S., zur Verfügung gestellt von Hansjörg Jäger (BGM Ried im Zillertal).

Talschaftsvertrag, 5.12.1968, abgeschlossen zwischen dem Land Tirol und der Tauernkraft- werke AG, am 7. Jänner 1969, Innsbruck, 8 S., TLA Urk. III 1855. (veröffentlicht in: Kostner, Markus, Der janusköpfige Staat als Vertragspartner. Eine rechtliche Betrachtung der Stellung der Gebietskörperschaften als Privatrechtssubjekte am Beispiel des Systems der sog. Tal(schafts)verträge, Dissertation, Innsbruck 1986.)

12.2 veröffentlichte Quellen Budgettransfer Land Tirol 2007-2017, Ausgaben, Überweisungen nach Zillertalvertrag, [https://www.tirol.gv.at/], eingesehen 20.3.2018.

Bundeskanzleramt Österreich, BGB für das Land Österreich, 2. Verstaatlichungsgesetz, 10.5.1947, Stück 21, Nr. 81, S. 469-475, [https://www.ris.bka.gv.at/Doku- mente/BgblPdf/1947_81_0/1947_81_0.pdf], eingesehen 7.1.2018. Deklaration, 15.3.2011, Gemeinsames Verständnis zur künftigen Wasserkraftnutzung in Ti- rol, Amt der Tiroler Landesregierung, [https://www.tiwag.at/fileadmin/user_upload/wasser- kraftausbau/startseite/Deklaration_Kuenftige_Wasserkraftnutzung.pdf], eingesehen 9.4.2018. Gemeindeamt Tux, 45. Gemeinderatssitzung 2014, [https://www.gemeinde- tux.at/images/downloads/protokolle/2014/gr_protokoll_15_07_2014.pdf], eingesehen 3.2.2018. Österreichischer Rechnungshof, Tauernkraftwerke AG. Salzburg, in: Österreichischer Rech- nungshof (Hrsg.), Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes. Verwaltungsjahr 1982, Wien 1983, S. 357–388. Österreichischer Rechnungshof, Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über die Tau- ernkraftwerke AG, Wien 1995. Talschaftsvertrag (Erweiterungsvertrag), 15.12.1977, Abgeltung für den Bau und Betrieb des Zillerkraftwerks, veröffentlicht in: Kostner, Markus, Der janusköpfige Staat als Vertrags- partner. Eine rechtliche Betrachtung der Stellung der Gebietskörperschaften als Privatrechts- subjekte am Beispiel des Systems der sog. Tal(schafts)verträge, Dissertation, Innsbruck 1986.

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12.2.1 Zeitungsartikel Dähling, Angela, 600 Verbund-Millionen ins Zillertal, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 14, 16.1.2014, S. 17, [http://www.tt.com/wirtschaft/standorttirol/7735947-91/600-verbund- millionen-ins-zillertal.csp], eingesehen 4.3.2018. Dähling, Angela, Alle in einem Boot beim Wasserkraftprojekt, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 49, 18.2.2017, S. 41, [http://mobileapps.tt.com/wirtschaft/standorttirol/12633040-91/alle-in- einem-boot-beim-wasserkraftprojekt.csp], eingesehen 3.2.2018. Dähling, Angela, Finkenberg gibt sich geschlagen, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 105, 16.4.2015, S. 34, [http://mobileapps.tt.com/politik/landespolitik/9893508-91/finkenberg- gibt-sich-geschlagen.csp], eingesehen 3.2.2018. Dähling, Angela, Tunnelbaustart für Wasserkraftprojekt, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 261, 21.9.2017, S. 34, [http://mobileapps.tt.com/wirtschaft/standorttirol/13456824-91/tunnel- baustart-für-wasserkraftprojekt.csp], eingesehen 2.3.2018. Dähling, Angela, TVB erteilt Verbund-Plänen Absage, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 178, 1.7.2014, S. 34, [http://www.tt.com/wirtschaft/standorttirol/8582073-91/tourismusver- band-erteilt-verbund-plänen-absage.csp], eingesehen 3.3.2018. Dähling, Angela, Vom Stromprojekt elektrisiert, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 73, 24.7.2017, S. 34, [http://www.tt.com/politik/landespolitik/8676490-91/vom-stromprojekt-elektri- siert.csp], eingesehen 3.3.2018. Dähling, Angela, Wassersport auf den Ziller verlegen, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 325, 26.11.2014, S. 37, [http://mobileapps.tt.com/lebensart/freizeit/9306716-91/wassersport- auf-den-ziller-verlegen.csp?tab=article], eingesehen 3.3.2018. Eiziger, Albert, Kriegsstimmung in Mayrhofen: Hier die Millionen - hier Emotionen, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 251, 29.10.1971, S. 7. Haun, Florian, Das Zillertal erstickt im Verkehr, in: Bezirksblätter, 5.2.2014, [https://www.meinbezirk.at/schwaz/politik/das-zillertal-erstickt-im-verkehr-d804229.html], eingesehen 10.4.2018. o.A., David gegen Goliath im Zillertal, in: Bezirksblätter, 12.11.2014, [https://www.meinbe- zirk.at/schwaz/lokales/david-gegen-goliath-im-zillertal-d1147292.html], eingesehen 2.3.2018. o.A., Gemeinden, Land, Bund und Verbund investieren 33 Millionen für Wildbach und Lawi- nenverbauung. Finsingbach, Märzenbach, Penken & Wandlawine Tux, in: Zillertalerzeitung, [https://www.zillertalerzeitung.at/de/homepage/finsingbach-marzenbach-penken-wandla- wine-tux], eingesehen 10.4.2018. o.A., Größte Kraftwerkskette Österreichs ist fertig, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 245, 21.10.1971, S. 5.

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13. Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Stauseen und Verbund-Kraftwerke im Zillertal…………………………………………………3 Abbildung 2: Kraftwerksgruppe Gerlos ...... 15 Abbildung 3: Kraftwerksgruppe Zemm/Ziller ...... 17 Abbildung 4: Wasserkraftwerke von VERBUND Hydro Power AG im Zillertal ...... 18 Abbildung 5: Wasserkraftprojekte im Zillertal ...... 21 Abbildung 6: Projektgebiet Untere Tuxbachüberleitung ...... 47 Abbildung 7: Verwendung der Mittel aus dem Zillertalvertrag…………………………………………… 76 Abbildung 8: "Historisches Lernen" als komplexer Prozess………………………………………………….83 Abbildung 9: Vier Kompetenzbereiche für "Historisches Lernen"………………………………………..87 Abbildung 10: Marija Kukurusa - Schweißgut 2002……………………………………………...... 100 Abbildung 11: Eugenia Kaser 1944…………………………………………………………………………………….104

14. Abkürzungsverzeichnis ABGB – Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch AEW – Alpenelektrowerke Aktiengesellschaft AG – Aktiengesellschaft AHP – Austrian Hydro Power bzw. – beziehungsweise ca. – circa km – Kilometer m – Meter Mio. – Million(en) SuS – Schülerinnen und Schüler TKW – Tauernkraftwerke Aktiengesellschaft TIWAG – Tiroler Wasserkraft Aktiengesellschaft WRG – Wasserechtsgesetz, BGB1 Nr 215/1959 idgF % – Prozent

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Maßeinheiten für Energie

MJ – Megajoul (1 MJ = 1.000 KJ) GJ – Gigajoul (1 GJ = 1.000 MJ) TJ – Terajoul (1 TJ = 1.000 GJ) PJ – Petajoul (1 PJ = 1.000 TJ ≈ 278 GWh) GWh – Gigawattstunden (1 GWh = 1000 MWh = 1 Million kWh) kWh – Kilowattstunden (1 kWh = 3,6 MJ)

Maßeinheit für elektrische Spannung kV – Kilovolt (1 kV = 1.000 Volt)

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