RENATO SCHIRER

Der Einsatz der Kleinkampfverbände der an Donau und Drau Renato Schirer St. Martin im Innkreis 2016

2 Inhalt

Einige Anmerkungen zum Thema ……….……….….………………….…… 5

Das Kommando Oberfähnrich Scholz (3./M.E.K. 71) ………………………. 7

Das Kommando Oberleutnant Tegethoff (1./M.E.K. 71) …..…….…………. 13

Die Parallelaktion .……………………………………………………….. 16

Das Sonderkommando „Glatze“ …...……………..…………………….……. 24

Der gescheiterte Entsatz von Budapest ……………………….……………… 33

Die Brücke von Dunaföldvar ………………………………………………… 36

Die Neuorganisation im Südosten …………………………………………… 40

Das Sonderkommando „Apache“...…………………………………………… 45

Das Sonderkommando „Winnetou“…………………………………………… 47

Die letzte deutsche Offensive ………………………………………………… 50

Letzte Änderungen …………………….……………………………………… 52

Das Ende von „Apache“ ………………………………………………………. 53

„Winnetous“ Ende …………………………………………………………….. 55

Das Sonderkommando „Sioux“ ..……………………………………………… 58

Schlussbemerkung ……………………………………………………………. 73

3 4 Einige Anmerkungen zum Thema

Der vorliegende Bericht, vordergründig dem maritimen Bereich zuzuordnen, passt so gar nicht ins übliche Schema der Marine-Bücher. Das hier behandelte Thema war seinerzeit, ebenso wie heutzutage nur schwer ins Kriegsgeschehen einzuordnen. Obwohl der Grundsatzbefehl des Oberkommandos der Wehrmacht vom 15. April 1944 den Einsatz von Sonderkampfmitteln (See) der Kriegsmarine auf den Flüssen und Seen im Kommandobereich des Heeres explizit ausschloss, war es letztlich die Kriegsmarine welche für die Auswahl, Planung und Ausführung der K.-Einsätze auf Donau, Drau und Plattensee zuständig war. Den höheren Kommandobehörden des Heeres kam lediglich ein Vorschlagsrecht in Bezug auf die zu bekämpfenden Ziele zu. Damit unterscheiden sich diese Unternehmen grundsätzlich von ähnlichen Operationen im Heeresbereich, wo es gleichwertige und ähnliche Unternehmen auf Flüssen und Seen gab, welche aber dem Aufgabenbereich der Pioniertruppe und den zur Abwehr gehörenden „Brandenburger“ zuzuordnen waren. Diese Zwiespältigkeit machte sich bereits während des Krieges bemerkbar, doch die zu klärenden Fragen blieben unbeantwortet. Handelte es sich hier nicht um eine eindeutig dem Landkrieg zuzuordnende Form der Kampfführung? War der Führungsanspruch der Kriegsmarine berechtigt und sinnvoll?

Tatsache ist, dass das Wirken der Kleinkampfverbände im „Feuerofen“ der Ostfront den Marinehistorikern fremd blieb, aber auch die auf den Landkrieg spezialisierten Kollegen diese Episode in der Endphase des Zweiten Weltkrieges lange ignorierten. Dies darf nicht wundern, hielten sich die Erfolge dieser Einsätze aus vielerlei Gründen auf diesen Kriegsschauplätzen in engen Grenzen. Dieses Schicksal des vergessen Werdens teilten die an der südlichen Ostfront eingesetzten K.-Verbände mit jenen Einheiten der Kriegsmarine, welche sich 1944 aus dem besetzten Griechenland zurückziehen mussten und sich die Verbände von Heer, Marine und Luftwaffe gemeinsam, im Verband der Heeresgruppe E, auf das Reichsgebiet zurückkämpften. Dieser über die Balkanhalbinsel heraufführende Marsch erfolgte unter schwierigsten Gelände- und Wetterbedingungen, wobei die Verbände ständig auch von einer gegnerischen Übermacht bedroht waren.

Es brauchte mehr als ein Jahrzehnt nach der Beendigung des Krieges bis es zu einem ersten Ansatz kam, diese Beteiligung der Kriegsmarine im Bereich des Feuerofens der Ostfront zu würdigen. 1958 legte Jürg Meister sein Werk über den Seekrieg in osteuropäischen Gewässern vor, in dem er auch die Vorgänge im Donauraum analysierte und dabei auch den Kleinkampfverbänden der Kriegsmarine seine Aufmerksamkeit zuwandte. In den folgenden Jahrzehnten richtete sich das Interesse zumeist auf die Sonderkampfmittel der Kriegsmarine zur See und die zahlreichen Veröffentlichungen zum Thema Kleinkampfverbände konzentrierten sich zumeist auf technische Details der Waffensysteme und gaben Erlebnisberichte wieder. Hierbei blieb der K.-Einsatz an der Ostfront ausgespart, was auch kaum wundern darf begünstigten die vorhandenen Quellen eine Bearbeitung dieses Themas in keiner Weise. Es fehlte auch an entsprechenden Erlebnisberichten von ehemaligen Angehörigen dieser Verbände. Da die erhofften großen Erfolge ausblieben gab es in diesem Bereich keine Ritterkreuze und selbst bei den wenigen propagandistisch groß herausgestellten Erfolgen blieb selbst bei den Durchführenden ein berechtigter Zweifel am Sinn dieser Opfergänge. Erst in jüngster Zeit verbesserte sich die Quellenlage, durch die Bereitstellung der während des Krieges in „Bletchley Park“ entschlüsselten deutschen Funksprüche, grundlegend.

Dieses lange unter Verschluss gehaltene Material, welches vom Londoner Nationalarchiv in digitalisierter Form angeboten wird, bot erstmals die Möglichkeit auch dieses dunkle Kapitel der Kriegsgeschichte auszuleuchten. Erst der von den Alliierten abgehörte Funkverkehr, zwischen dem Kommando der Kleinkampfverbände und den an der Ostfront eingesetzten K.-Verbänden, ermöglichte es dieses Spezialthema umfassend zu bearbeiten. Dies war in der Vergangenheit nicht

5 möglich, da die überlieferten deutschen Aktenbestände kaum über das Jahr 1944 hinausreichten. Hier sei eine Warnung, besonders für die K.-Einsätze im Bereich des Heeres, angebracht, wo die Einsatzvorbereitungen zum Teil über das stationäre Nachrichtennetz der Wehrmacht abgewickelt wurden und dadurch der alliierten Funküberwachung verborgen blieben. Demnach ist bei den abgehörten deutschen Funkmeldungen, wie sie sich im Bestand DEFE-3 überliefert haben, unter Umständen von beachtlichen Lücken auszugehen, welche ganze Unternehmen ausblendeten. Ein weiterer Anreiz zur Bearbeitung dieses „Orchideen-Themas“ ging von der gründlich recherchierten Arbeit von Hartwig Kobelt über die Marine-Einsatz-Kommandos aus, welches 2012 als Buch auf dem Markt kam. Hier fanden zum ersten Mal seit 1958 auch die an der Ost- und Südostfront eingesetzten Marine-Einsatz-Kommandos wieder eine entsprechende Berücksichtigung. Ein weiteres Verdienst dieses Buches ist es, die Organisationsstruktur und die Kommunikationsstränge des Kommandos der Kleinkampfverbände mit den unterstellten Einheiten klar herausgearbeitet zu haben. In diesem Zusammenhang möchte ich mich bei Herrn Dr. Hartwig Kobelt auch für seine uneigennützige mannigfache Hilfestellung bei der Erstellung dieser Arbeit bedanken.

Die vorliegende Arbeit macht den Versuch einen ganz speziellen Bereich der Kriegsführung, im Schnittpunkt der Wehrmachtsteile Heer und Marine, zu analysieren und innerhalb eines geografisch klar definierten Raumes darzustellen. Dabei ist es dem Autor klar, dass eine solche Aufgabenstellung kaum auf ein breites Interesse hoffen darf, doch manches auch für die Gesamtsicht wichtige Detail wird erst unter Zuhilfenahme einer Lupe erkennbar. Eine Besonderheit dieses Themas ist auch, dass der K.-Einsatz an der Ost- und Südostfront stets eng mit dem Geschehen auf der obersten Führungsebene verbunden war. Als auslösendes Moment lässt sich fast immer die Interaktion zwischen Hitler und Dönitz ausmachen, welche in der Folge stets zu entsprechenden Aktivitäten der Seekriegsleitung führten und das Kommando der Kleinkampfverbände tätig werden ließ. Zusammenfassend darf gesagt werden, dass alle diese von der obersten Führungsebene inspirierten Operationen auf dem Schlachtfeld bei weitem nicht die erhofften Wirkungen hatten und in keinem Verhältnis zu dem erforderlichen Aufwand an Mensch und Material standen.

6 Das Kommando Oberfähnrich Scholz (3./M.E.K. 71)

Am 22. Oktober 1944 traf beim Kommando der Kleinkampfverbände (K.d.K) eine Anfrage des im Südostraum führenden Marinegruppenkommandos Süd ein, ob die Zerstörung einer nur teilweise gesprengten Brücke im Raum Belgrad durch den Einsatz von K.-Mitteln möglich wäre. Hierbei wurde Vukovar als Operationsbasis in Aussicht genommen.1 Es ging hier um die misslungene Sprengung einer der beiden Straßenbrücken über die Save, in der Nacht vom 19. auf dem 20. Oktober, anlässlich der Räumung des Brückenkopfs Belgrad.2 Bei der seit längerem umkämpften Brücke versagten im entscheidenden Moment die vorbereiteten Sprengladungen, lediglich eine nachträglich angebrachte Schnellladung kam zur Detonation. Diese hob die Brücke zwar leicht an und die Konstruktion hing danach leicht durch, blieb aber passierbar.3 Ein angedachter Einsatz von Sturzkampfflugzeugen musste wegen der drückenden Luftüberlegenheit des Gegners außer Betracht bleiben und wurde daher vom Chef des Generalstabes der Heeresgruppe verworfen.4

Ausschnitt aus dem Stadtplan von Belgrad (1945). Deutlich zu erkennen ist die gesprengte Donaubrücke und im Bereich der Save die gesprengte Eisenbahn- und Kettenbrücke (König Alexander I. Brücke). Bei der zweiten Straßenbrücke über die Save (13) war die Sprengung misslungen. (Sammlung des Autors). Am 20. Oktober 1944, kurz nach Einbruch der Dunkelheit, kämpfte sich ein Zug Pioniere, verstärkt durch vier Sturmgeschütze, durch den gegnerischen Brückenkopf bis zur Brückenauffahrt vor. Dort zündete man um 20:10 Uhr vier mitgeführte und mit Sprengstoff beladene Lastkraftwagen, wobei der Brückenoberbau erheblich beschädigt wurde. Aber es gelang nicht, so wie erhofft, die Brücke

1 Bundesarchiv-Militärarchiv (BArch-MArch), RM 35III/150, S. 9, 12, 13, 15. 2 National Archives Record Administration (NARA) Microfilm Publikation (MF) T-77 roll 194 (Tagesmeldungen des O.B. SÜDOST). Geheime Tagesmeldung O.B. Südost (OKdo.H.Gr.F) an OKW/WFSt, vom 20.10.1944, 3 NARA MF T-77 roll 194. Aufzeichnung der geführten Ferngespräche vom 20.10.1944. 4 Ebd.

7 zum Einsturz zu bringen. Bei dieser gewagten und verlustreichen Aktion wurden fünf russische Panzerabwehrgeschütze zerstört, aber auch auf deutscher Seite gingen zwei der vier Sturmgeschütze verloren.5 Am 21. Oktober wurde dann doch die Unterstützung durch die Luftwaffe angefordert, obwohl man einen solchen Einsatz am Vortag noch als „selbstmörderisch“ abgelehnt hatte.6 Der Schlachtfliegereinsatz gegen den feindlichen Brückenkopf an der Straßenbrücke über die Save erfolgte am 22. Oktober. Die Luftwaffe meldete einen erfolgreichen Einsatz und eine gute Trefferlage im Bereich des russischen Brückenkopfes, die Brücke selbst wurde jedoch nicht getroffen.7

Nun kam die Marine an die Reihe, der Marine-Verbindungsoffizier (M.V.O.) der Heeresgruppe fragte in dieser Angelegenheit beim Marinegruppenkommando Süd wegen eines möglichen Einsatzes von K.-Mitteln an, das seinerseits das Kommando der Kleinkampfverbände (K.d.K.) mit dieser Frage konfrontierte. Wegen der besonderen Dringlichkeit sollte die Antwort direkt an den M.V.O. bei der Heeresgruppe F (O.B. Südost) übermittelt werden, wo man vergebens darauf wartete.8 Aus nicht näher bekannten Gründen hatte das diesbezügliche Fernschreiben den Adressaten nicht erreicht und erst nach einer Urgenz konnte das K.d.K. am 31. Oktober 1944 dazu Stellung nehmen. Die verspätete Antwort erschien vielversprechend, da ein Einsatz mit Sprengbooten („Linsen“) und Kampfschwimmern in Betracht gezogen wurde. Das K.d.K. bot für den Einsatz von Kampfschwimmern neben -Minenpaketen mit Auftriebskörpern und Uhrwerkszündern auch solche mit Selenzellen an, die als treibende Torpedo-Minenpakete mit Selbstzündung durch den Schattenwurf der Brückenkonstruktion, eingesetzt werden konnten. Auch ein Einsatz von Flusstreibminen (Kugelminen) in größerer Anzahl könnte in Frage kommen.9 Der Hinweis auf den Einsatz von treibenden Sprengmitteln zeigt, dass man beim K.d.K. über das ins Auge genommene Zielobjekt auf der Save nicht informiert oder sich über die Einsatzverhältnisse nicht im Klaren war.

Bedingt durch die auf dem Nachrichtenweg eingetretene Verzögerung wurde der Stab Haun, der in Opicina unweit von Triest sein Stabsquartier hatte, erst am 1. November 1944 kurz vor Mitternacht, mittels eines Fernschreibens des K.d.K informiert.10 Es ging um die Unterstützung der Heeresgruppe F, im konkreten Fall um die Zerstörung von Brücken im dortigen Heeresgruppenbereich durch Kleinkampfverbände der Marine.11 In diesem Zusammenhang kam es am 6. November in Agram (Zagreb) zu einer Besprechung. Teilnehmer waren neben Korvettenkapitän Haun, der bereits am Abend des Vortages in Agram eingetroffen war, General Bazing, der General der Pioniere bei der Heeresgruppe F, und der M.V.O. Kapitän zur See von Both.12 Das Thema war die Zerstörung der Straßenbrücke über die Save in Belgrad, deren Sprengung misslungen war. General Bazing, welcher die missglückte Brückensprengung zu

5 NARA MF T-77 roll 194. Geheime Tagesmeldung O.B. Südost (OKdo.H.Gr.F) an OKW/WFSt. vom 21.10.1944. 6 Ebd. Aufzeichnung der am 20. und 21.10.1944 geführten Ferngespräche. 7 Ebd. Geheime Tagesmeldung O.B. Südost (OKdo.H.Gr.F) an OKW/WFSt, vom 22.10.1944, S. 3. 8 Der M.V.O. bei der Heeresgruppe F (OB Südost) war Kapitän zur See v. Both. Nach den Unterlagen hatte er im Generalstab der Heeresgruppe keinen leichten Stand, so lautete eine der überlieferten Aussagen des Ia der HGr. aus dieser Zeit: „So werde ich immer von der Marine belogen“. 9 Zitiert nach: Hartwig Kobelt, Marine-Einsatz-Kommandos, Aachen 2012 (in der Folge zitiert als „Kobelt, MEK“) S. 133 und BArch-MArch, RM 35III/150, S. 9, 12, 13 und 15. Die Signaturen des Bundesarchivs wurden in der Mehrzahl aus dem sorgfältig recherchierten Werk von Hartwig Kobelt übernommen. 10 Der Einsatzstab Haun, später umbenannt in 6. K.-Division, unterstand dem K.-Stab Süd und diente als Führungsstab für alle in der Adria eingesetzten Einheiten des K.d.K., wie M.E.K., K.-Flottillen und Meereskämpfer/Kampfschwimmer (freundliche Auskunft von Dr. Hartwig Kobelt)).“ 11 NARA MF T-1022 roll 2586, PG-46125 Kriegstagebuch (KTB) des K.-Stabes Süd, 1.11.1944 (BArch-MArch RM 103 S. 17—20. 12 Dem auf dem Balkan führenden „Oberbefehlshaber Südost“, Generalfeldmarschall von Weichs, stand für diese Aufgabe der Generalstab der Heeresgruppe F zur Verfügung, der zugleich auch als Oberkommando der 2. Panzerarmee fungierte. Dazu kam dann noch die in Griechenland stationierte Heeresgruppe E (Generaloberst Löhr).

8 verantworten hatte, war kein ausgeprägter Freund der Kriegsmarine. Anlässlich des erfolgreichen Durchbruchs der Donauflottille von Belgrad nach Neusatz (Novi Sad) ist von ihm von der lockere Spruch überliefert: „man muss die Marine eben immer treten“.13 Die nachstehende Lagekarte vom 3. November zeigt, wie aussichtslos sich die Ausgangslage für das geplante Unternehmen, bereits vor der am 6. November in Agram stattgefundenen Besprechung, war.

Die Lagekarte vom 3. November 1944 zeigt den Frontverlauf zwischen Mohacs und Belgrad. Unterhalb von Ilok (km 1298) waren beide Ufer der Donau bereits in der Hand des Gegners (NARA, MF T-78 roll 136). Einig war man sich, dass durch den mittlerweile erfolgten Rückzug, so wie vorgesehen ein Einsatz von Linsen und Kampfschwimmern auf der Donau, aus dem Raum Vukovar, nicht mehr in Frage kam. Daher hatte das K.d.K., wohl ohne die näheren Umstände zu kennen, einen Einsatz von Treibminen vorgeschlagen. Aufgrund der vom Admiral der Kleinkampfverbände (A.d.K.) erteilten Genehmigung konnte Korvettenkapitän Haun einen solchen Einsatz auch zusagen. Es darf wohl angenommen werden, dass allen Beteiligten die Aussichtslosigkeit eines solchen Unternehmens völlig klar sein musste, denn wie sollten die in die Donau gesetzten Treibminen die Save stromaufwärts schwimmen? Wie dem auch sei, man wurde sich einig und Haun bestimmte für diese Aufgabe den 3. Zug des ihm unterstellten Marine-Einsatzkommandos (M.E.K.) 71.14

Diese Einsatzkommandos hatte man ursprünglich für Kommando-Unternehmen auf und über See aufgestellt, sie sollten in der Regel über drei Züge zu jeweils 20 Mann verfügen. Entsprechend den Vorgaben verfügte auch das M.E.K. 71, nach erfolgter Neuaufstellung im September 1944, über 72

13 NARA MF T-77 roll 194. Aufzeichnung der geführten Ferngespräche am 15.10.1944. 14 Die offizielle Bezeichnung nach der Feldpostübersicht vom 25.1.1945 war: Marine K.-Verband Einsatzkommando 71.

9 Mann, nämlich 12 Funker, 20 Kraftfahrer und 40 Einzelkämpfer. An der Spitze des M.E.K. 71 stand der Oberleutnant der Marineartillerie der Reserve Walters. Zur Durchführung entsprechender Aufgaben konnten auch Kampfschwimmer, damals als Meereskämpfer bezeichnet, von dem zuständigen Lehrkommando 700, in der erforderlichen Zahl zugewiesen werden.15 Mit dem Einsatz im Bereich der südlichen Ostfront betrat man allerdings Neuland.

Das M.E.K. 71 hatte am 21. Oktober 1944 in Lübeck verladen und langte am 27. Oktober in Triest ein. Zwei Tage später verlegte man weiter nach Pola, dem zukünftigen Standort.16 Der 3. Zug, unter Führung von Oberfähnrich Scholz, den man für die Brückenbekämpfung im Donauraum vorgesehen hatte, wurde umgehend zurück nach Triest beordert um sich für den Abtransport mit der Eisenbahn in seinem neuen Einsatzraum bereitzuhalten. Doch das Unternehmen stand unter keinen guten Stern, denn als der Transport am 6. November bei der Transportkommandantur in Verona angemeldet wurde, verweigerte diese die Vergabe einer Transportnummer unter Hinweis auf eine zwischen Italien und dem Reichsgebiet verhängte Transportsperre.17 Erst nach einer Urgenz und unter Berufung auf die Kriegswichtigkeit der Verlegung, die sonst, trotz des Treibstoffmangels, auf der Straße durchgeführt werden müsse, wurden die angeforderten Waggons bereitgestellt.18 Erst am 15. November standen diese in Triest zur Verladung der Fahrzeuge bereit. Das bereits mehrfach zitierte KTB vermerkte, der Transport werde noch am Abend nach Agram abgehen.19

Die Abfahrt erfolgte vermutlich aber erst am nächsten Tag, als die Wehrmachts-Verkehrsdirektion (WVD) in Verona den Verkehr in begrenztem Ausmaß, über Tarvis (Tarvisio), freigab.20 Doch die Fahrt verlief bei weiten nicht so wie geplant. Zur Verkehrslage auf der Strecke durch das Kanaltal (Val Canale) ist nur bekannt, dass die WVD Verona bereits am nächsten Tag wieder alle Fahrtnummern für Fracht- und Kohlenzüge stornierte. Folglich dürfte der Verkehr nur sehr stockend abgelaufen sein. Am 22. November vermerkte die Generalbetriebsleitung Süd (GBL Süd) überdies, dass zahlreiche Streckenunterbrechungen in den Bereichen Assling - St. Veit und Klagenfurt - Marburg an der Drau (Maribor) den Verkehr erheblich behinderten.21 Ein Schriftstück der Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) gibt über die prekäre Situation in diesem Bereich Auskunft. So war die 141 km lange Hauptstrecke von Marburg bis zum Grenzbahnhof Brückel in der Zeit vom 23. November bis zum 8. Dezember insgesamt 204 Stunden durch Sabotageaktionen der Partisanen unterbrochen. Lediglich an drei Tagen war diese wichtige Verbindung ins Reichsgebiet störungsfrei zu befahren.

Weitere Verzögerungen entstanden dadurch, dass die Züge nachts in Bahnhöfen, die als „bandensicher“ galten, abgestellt werden mussten.22 Da man bei der Heeresgruppe F über die Verkehrslage wohl besser informiert war, ersuchte der M.V.O. am 22. November, Korvettenkapitän

15 Kobelt, MEK, S. 15—19 und BArch-MArch, RM 7/56, S. 62. Vergleiche dazu auch: The National Archives London (TNA) WO 204/12809, CSDIC/CMF/SD 56, S. 20 und PRO ADM 1/18222 C. R. 1148/45 Part IV (Interview with Admiral Heye and Staff, S. 2). 16 NARA MF T-1022 roll 2586, PG-46125. KTB E.-Stab Haun 1.—31.10.1944. Zur Person des Kommandoführers siehe TNA, WO 204/12809, CSDIC/CMF/56, S. 5 u. 8).“ 17NARA MF T-1022 roll 2586, PG-46125. KTB E.-Stab Haun 1.—31.10.1944, 12.11.1944 (BArch-MArch RM B103/1, F. 19). Vgl. dazu auch: NARA, RG 243, USSBS Transport Division Report E-201 Rail Operations over the Brenner Pass, Exhibit K 1. Von der Wehrmachts-Verkehrsdirektion (WVD) Verona wurden erst ab dem 8. November wieder Fahrtnummern in begrenzten Umfang, für Wehrmachts- und wichtige Gütertransporte ausgegeben. Bereits am folgenden Tag mussten alle Wehrmachtstransporte über dem Brenner storniert werden. 18 NARA MF T-1022 roll 2586, PG-46125. KTB E.-Stab Haun 1.—31.10.1944, 15.11.1944 (BArch RM B103/1, F. 20). 19 Ebd., 15.11.194. 20 NARA, RG 243, USSBS Transport Division, Report E-201 Rail Operations over the Brenner Pass, Exhibit K 1, 17.11.1944. 21 NARA, RG 243, USSBS Transport Division, Report E-200 Effects of Strategic Bombing on Transport, Exhibit 66. 22 NARA, MF T-311 roll 195. O.B. Südost (O.Kdo.H.Gr.F) Ia/F 1699/44 gKdos., vom 11.12.1944 (siehe Faksimile).

10 Haun möge doch Oberfähnrich Scholz befehlen umgehend die Bahn zu verlassen. um mit seinen Kraftfahrzeugen im Straßenmarsch Fünfkirchen (Pecs) zu erreichen.23

Im Kriegstagebuch der Seekriegsleitung findet sich am 24. November ein Beitrag des Generalreferates Skl./S. (Sonderkampfmittel), in dem es hieß: „Bezüglich Einsatzes von MEK´s gegen Donaubrücken wird gemeldet, daß Einsatzstab Adria in ständiger Verbindung mit Heeresgruppe F steht. Benötigtes Sprengmaterial ist zugeführt“.24 Der Eintrag weist darauf hin, dass man an oberster Stelle zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Probleme ortete. Am 25. November informierte der M.V.O. der Heeresgruppe F, dass Oberfähnrich Scholz, nach Rücksprache mit der Heeresgruppe, den Befehl erhalten habe die russische Ponton-Brücke bei Apatin mit Hilfe von Treibminen zu zerstören. Als voraussichtlicher Einsatzort wurde Mohacs bestimmt, der Termin für das Absetzen der Treibminen sollte die Nacht vom 26. auf den 27. November sein.25 Doch die Transportfrage war nicht die einzige Friktion beim Einsatz des 3. Zuges. Bereits unmittelbar nach der Besprechung vom 6. November in Agram hatte Korvettenkapitän Haun 200 Kugeltreibminen 41 angefordert. Als am 10. November bekannt wurde, dass auch die Heeresgruppe F die gleiche Anzahl bestellt hatte, stornierte die vorgesetzte Dienststelle die Anforderung der Marine.26

Groß war die Überraschung als am 12. November der M.V.O. aus Agram mitteilte, dass es sich um keine Doppelanforderung handelte, da die Heeresgruppe die angeforderten 200 Treibminen für eigene Zwecke benötige. Korvettenkapitän Haun meldete dies unverzüglich dem K.d.K., wobei er zweifelnd den Zusatz anfügte: „falls die Aufgabe überhaupt noch durchgeführt werden sollte“.27 Über die ursprüngliche Absicht die Savebrücke in Belgrad zu zerstören breitete man den Mantel des Schweigens und war froh einen neuen Auftrag gefunden zu haben, der ebenfalls das Werfen von Flusstreibminen in der Donau vorsah. Das Problem war jedoch, dass es keine Treibminen gab. Für die Lieferung der angeforderten Kugeltreibminen gab es noch immer keine Zusage. Da sprang auf Vermittlung des Inspekteurs Minenräumdienst Donau (IMRDD) die ungarische Armee hilfreich ein. Man bot Hilfe an, da eine größere Menge Flusstreibminen ungarischer Bauart in einem Munitionsdepot, in der zwischen Komárom und Esztergom gelegenen Ortschaft Süttö (Stromkilometer 1743) lagerten.28

Oberfähnrich Scholz sollte für die Abholung der Minen sorgen und sich auch nähere Informationen über dem Einsatzraum direkt bei der Heeresgruppe Süd beschaffen.29 Die Stärke des 3. Zuges wird übereinstimmend mit 14 Mann, davon vier Kampfschwimmer, angegeben. Dabei dürfte es sich nur um die Kämpfer gehandelt haben.30 Dazu müssen dann noch die Kraftfahrer, Funker und das Versorgungspersonal gezählt werden. Allerdings dürften die Kampfschwimmer erst später, mit dem 1. Zug des M.E.K. 71 in den Einsatzraum verlegt haben um hier zum 3. Zug aufzuschließen. Die ungarischen Treibminen hätten bereits in der Nacht vom 26. auf den 27. November bei Mohacs (Stromkilometer 1447) abgelassen werden sollen.31 Diese Termin dürfte jedoch nicht zu halten gewesen sein, wofür eine Eintragung im KTB des IMRDD spricht, die am 29. November vermerkt:

23 BArch-MArch, RM 35III/97, S. 63 und TNA, DEFE 3/680, S. 68 (22.11.1944). 24 Kriegstagebuch der Seekriegsleitung 1939—1945, Teil A, Berlin, Bonn, Hamburg1996 (zukünftig zitiert als KTB Skl.) Band 63/II, S. 539. 25 NARA MF T-1022 roll 2539. Fernschreiben (FS) des M.V.O. der Heeresgruppe F, Nr. 3228, gKdos., vom 25.11.1944 (BArch-MArch, RM 35III/161, S. 39). 26 NARA MF T-1022 roll 2586, KTB, K.-Stab Süd vom 1.—15.11.1944, 10.11.1944 (BArch-MArch, RM B103/1, F. 19). 27 Ebd. 10. und 12.11.1944. 28 NARA MF T-1022 roll 2539. Fernschreiben (FS) des M.V.O. der Heeresgruppe F, Nr. 3228, gKdos., vom 25.11.1944 (BArch-MArch, RM 35III/161, S. 39). 29 Der Einsatz erfolgte im Befehlsbereich der Heeresgruppe Süd. 30 Kobelt, MEK, S. 132 und Lawrence Patterson, Waffen der Verzweiflung, Berlin 2009, künftig zitiert als „Paterson, Waffen“, S. 148. 31 NARA MF T-1022 roll 2539. Fernschreiben (FS) des M.V.O. der Heeresgruppe F, Nr. 3228, gKdos., vom 25.11.1944 (BArch-MArch, RM 35III/161, S. 39).

11 „Mehrere Lkw´s mit Treibminen beladen haben heute die Fahrt zur Heeresgruppe Süd nach Mohacs angetreten“.32 Da jedermann klar sein musste, dass mit den Treibminen kaum ein durchschlagender Erfolg zu erreichen sei, suchte man natürlich nach effizienteren Lösungen. So schloss der M.V.O. der Heeresgruppe F ein diesbezügliches Fernschreiben mit dem Satz, dass andere Mittel auf Grund der militärischen Lage derzeit nicht einsetzbar wären und man die Prüfung der Verfügbarkeit von geeigneten Torpedo-Minen bereits veranlasst hätte.33

Eine Gruppe „Meereskämpfer“ bei der Befehlsausgabe (PK.-Aufnahme).

32 BArch-MArch, RM 61/IX-2. KTB des Inspekteurs Minenräumdienst Donau (IMRDD), 29.11.1944. 33 NARA MF T-1022 roll 2539. Fernschreiben (FS) des M.V.O. der Heeresgruppe F, Nr. 3228, gKdos., vom 25.11.1944 (BArch-MArch, RM 35III/161, S. 39).

12 Das Kommando Oberleutnant Tegethoff (1./M.E.K. 71)

Am 22. November, als sich der Transport mit dem 3. Zug des M.E.K. 71 gerade seinem Zielbahnhof Agram näherte, befahl der K.-Stab Süd unverzüglich ein weiteres Kommando samt Sprengmaterial bereitzustellen und dieses so rasch als möglich mittels Bahntransport nach Fünfkirchen (Pécs) zu verlegen. Der Grund für diese Maßnahme war ein neuer dringlicher Auftrag, einen von der Roten Armee errichteten Übergang über die Donau bei Batina zu zerstören. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht festgelegt, welcher der beiden in Zuführung befindlichen Züge des M.E.K. 71 diesen Auftrag letztlich ausführen sollte.34 Erst am 23. November bestimmte man den 1. Zug unter dem Kommando von Oberleutnant Tegethoff für diese Aufgabe. Das Kommando hatte eine Stärke von 16 Mann, zu denen so bald als möglich noch sechs Kampfschwimmer, unter dem Kommando von Oberfeldwebel Mitschke, stoßen sollten.35 Der 1. Zug führte auch Torpedominen und eine Boot vom Typ „Linse“ mit. Die nachgeführten Kampfschwimmer sollten erst im Einsatzraum auf die beiden Züge (1. u. 2./M.E.K. 71) aufgeteilt werden.36

Der Transport fuhr am 24. November um die Mittagszeit von Triest ab.37 Doch schon bald musste man zur Kenntnis nehmen, dass die unwägbare Transportsituation zwischen dem Reich und Italien jede noch so sorgfältig erstellte Planung zunichtemachen konnte. Fakt ist, dass der Bahntransport, anstelle des Zielbahnhofes Agram, vorzeitig am Wörthersee in Kärnten endete.38 Hier, im Bahnhof Krumpendorf, wurde am Abend des 25. Novembers entladen. Von Kärnten aus wurde am Morgen des 26. Novembers der Weitermarsch nach Kroatien, nun allerdings auf der Straße, angetreten. Ein Hinweis auf die Gründe des vorzeitigen Abbruchs des Eisenbahntransports findet sich, wie bereits angemerkt, in den zahlreichen Streckenunterbrechungen in den Bereichen Assling - St. Veit und Klagenfurt - Marburg an der Drau.39 Die Weiterfahrt nach Agram, die auf der Straße erfolgte, verlief ohne weitere Probleme, wobei die Kolonne neben einer Linse auf einem Spezialanhänger auch zwei Torpedominen mitführte.40 Ein Vorkommando fuhr mit einem VW-Kübelwagen voraus um in Agram den M.V.O. über die mitgeführten Torpedominen und deren Einsatzmöglichkeiten zu informieren. Nach Erledigung dieser Aufgabe sollte das Vorkommando weiter nach Fünfkirchen (Pecs) fahren.41 Hierher sollte später auch die Kolonne, welche mittlerweile ebenfalls Agram erreicht hatte, kommen.42

In Verbindung mit dem Eintreffen des Kommandos in Agram erteilte der K.-Stab Süd, in einem an den M.V.O. der Heeresgruppe F gerichteten Fernschreiben, entsprechenden Vorgaben für einen erfolgversprechenden Einsatz. Es wurde darauf hingewiesen, dass die geplanten Einsätze bei Apatin und Batina einer sorgfältigen Vorbereitung bedurften und Kugeltreibminen wurden als ungeeignet bezeichnet. Besonderes Augenmerk wurde vom K.-Stab Süd auf die Problematik beim Einsatz der mitgeführten Torpedominen gelegt.43 Es wurde darauf aufmerksam gemacht, dass eine Verbringung dieser Minen durch Kampfschwimmer bei den derzeitigen Wassertemperaturen problematisch und nur auf allernächste Entfernung möglich sei.

34 TNA, DEFE 3/680, S. 68 (22.11.1944). 35 BArch-MArch, RM 35III/161, S. 39. Vgl. dazu auch TNA, DEFE 3/680, S. 96 (23.11.1944). 36 BArch-MArch, RM 35III/161, S. 33 f. und NARA MF T-1022, roll 2539. FS M.V.O. HGr. F, 3228 gKdos. sowie FS (E-Stab Haun) G 463 D MFS Triest, beide vom 25.11.1944. Vgl. dazu auch TNA, DEFE 3/680, S. 71 u. 96 f. (23.11.1944). 37 NARA, MF T-1022 roll 2539. FS K.-Stab Süd g. 463 D MFS Triest, vom 25.11.1944. 38 Ebd. FS K.-Stab Süd g. 483 vom 26.11.1944. 39 NARA, RG 243, USSBS Transport Division, Report E-200 Effects of Strategic Bombing on Transport, Exhibit 66. 40 BArch-MArch, RM 35III/161, S. 33 f. und NARA, T-1022, roll 2539. FS K.-Stab Süd g. 483, vom 26.11.1944. 41 TNA, DEFE 3/680, S. 95 (22.11.1944). 42 Ebd., S. 118 (24.11.1944). 43 Zu den Sonderkampfmitteln vgl. auch das diesbezügliche Kapitel bei Kobelt, MEK, S. 19—22.

13 Ein Fernschreiben des O.B. Südost, vom 11. Dezember 1944, informierte das OKW über die katastrophale Transportlage in der Untersteiermark. Zu jener Zeit, als sich der 1. und 3. Zug des M.E.K. 71 im Bahntransport nach Agram befanden (NARA MF T-311 roll 195).

14 Auch müssten die Torpedominen unmittelbar an den Brückenpfeilern angebracht werden. Bei der Zündung wäre dafür Sorge zu tragen, dass alle Ladungen gleichzeitig zur Explosion gebracht werden, wobei in jedem Fall eine genaue Berechnung der zur Anwendung kommenden Ladungen erforderlich sei.44 Eine weitere Forderung war, dass kein Einsatz ohne eine vorherige Unterweisung erfolgen dürfe. Auch wurde darauf hingewiesen, dass Torpedominen mit „Sofie“ (vermutlich sind hier jene mit dem fotoelektrischen Zündsystem gemeint) noch nicht lieferbar wären.45 Doch alle diese Forderungen und Mahnungen blieben graue Theorie, denn die Stellung eines M.V.O. im Stab einer Heeresgruppe hatte nicht annähernd das Gewicht um diese Vorgaben auch durchzusetzen. Dieses galt für die Kommandoführer vor Ort in noch größerem Ausmaß, waren diese doch schon Kraft ihres niederen Ranges Getriebene im turbulenten Geschehen der wankenden Fronten.

Meereskämpfer beim Uhrenvergleich (Deutsche Wehrmacht, Propagandafoto).

44 BArch-MArch, RM 35III/161, S. 31. 45 Ebd. und NARA MF T-1022 roll 2539. FS, K.-Stab Süd gKdos. 160 D MFS Triest, vom 26.11.1944.

15 Die Parallelaktion

Um sich alle Möglichkeiten offen zu halten, wurde auch der 3. Zug des M.E.K. 71 in die Überlegungen bezüglich der Bekämpfung der Übergangsstelle der Roten Armee bei Batina mit einbezogen. Denn auch Oberfähnrich Scholz, der ursprünglich den Treibmineneinsatz gegen die Übergangsstelle bei Apatin leiten sollte, war mit seinen Männern zu diesem Zeitpunkt noch auf der Bahn in Richtung Agram unterwegs.

Der kleine kroatische Ortschaft Batina heute. Die Brücke im Hintergrund gab es damals noch nicht (Wikimedia Commons). Am Vormittag des 21. November hatte der Transport Villach passiert und beim K.d.K. rechnete man mit einer baldigen Ankunft in Agram. Allerdings endete die Weiterfahrt, wegen einer Streckenunterbrechung durch einen Anschlag der Partisanen, unvorhergesehen am Bahnhof von Cilli (Celje). Es ist nicht bekannt ob der vom K.d.K. in Betracht gezogene Befehl zum Abladen und zum Weitermarsch auf der Straße auch erteilt wurde, bzw. ob er Oberfähnrich Scholz auch rechtzeitig erreichte.46 Erst nach zwei Tagen konnte der Transport am 23. November von Cilli aus die Weiterfahrt antreten.47 Da Scholz mit seinen Männern erst am 24. in Agram einlangte, hatte sich die Hoffnung zerschlagen, über den 3. Zug wesentlich früher als über den ebenfalls im Anmarsch befindlichen 1. Zug verfügen zu können.48

46 TNA, DEFE 3/680, S. 68 (22.11.1944). 47 Ebd., S. 96 f. (23.11.1944). 48 Ebd., S. 98 f (23.11.1944), S. 109 ff. (24.11.1944) u. S. 118 (24.11.1944).

16 Der verzögerte Anmarsch bot auch den Anlass für den Führungsstab des K.d.K. neuerlich Druck zu machen. Dies vor allem, da die Seekriegsleitung plötzlich, nachdem sich in den vergangenen Tagen alles auf Batina konzentriert hatte, plötzlich einen Bericht über die Möglichkeiten zur Zerstörung der Behelfsbrücke bei Apatin einforderte. In der Folge wurde dieser Einsatz auch von Vizeadmiral Heye als essentiell bezeichnet. Doch die Voraussetzungen für einen Einsatz waren gerade hier alles andere als günstig. Die Wassertemperatur der Donau betrug im Raum Apatin 0,06 Grad Celsius und die Strömung wurde mit 0,8 bis 1 Meter pro Sekunde angegeben. Erschwerend war, dass die Fahrrinne hier besonders eng war und sich bei Stromkilometer 1401 auch noch eine große Sandbank befand. Auch mehrere Wassermühlen behinderten in diesem Abschnitt einen Einsatz.49

Die Donau bei Apatin heute, wo die Rote Armee einen Donauübergang errichtet hatte (Wikimedia Commons). Während die Akteure in Agram vorerst auf weitere Befehle warteten, fiel am 25. November auf oberster Ebene die Entscheidung. Entgegen den ursprünglichen Intentionen erhielt der zuletzt zugeführte 1. Zug unter Oberleutnant Tegethoff die Donaubrücke bei Apatin als Ziel zugewiesen. Der Grund dafür, dass der 3. Zug, anstelle zur ursprünglich vorgesehenen Brücke bei Apatin zum Donauübergang bei Batina umdirigiert wurde ist nicht bekannt.50 Bei dieser der Brücke handelte es sich um eine von Pionieren der Roten Armee errichtete Pontonbrücke bei Stromkilometer 1424 die Ortschaften Bezdan und Batina verband.

Jeder Zug eines M.E.K. verfügte über eine eigene Funkstation, was einerseits ein großer Vorteil für eine flexible Führung war. Ein Nachteil war, dass dieses Führungsverfahren zu einem regen FunK.- und Funkfernschreibverkehr führte, der oft ausufernde Formen annahm, wollten doch die

49 TNA, DEFE 3/680, S. 115 f. (25.11.1944). 50 Ebd., S. 125 u. 127 f. (25.11.1944).

17 übergeordneten Stäbe ständig über das aktuelle Geschehen informiert sein. Demgegenüber stand die taktische Forderung den Sendebetrieb möglichst kurz zu halten, um dem Gegner nicht die Möglichkeit eines Anpeilens der Funkstelle zu geben. Dem wirkte entgegen, dass die Kommandoführer vor Ort nur bescheidene Befugnisse hatten und ständig bei den vorgesetzten Stellen um Erlaubnis fragen mussten. So konnte der Vorteil einer flexiblen Führung über Funk auch zum Nachteil werden, besonders wenn der Gegner fast ohne Zeitverzug den Funkverkehr mitlesen konnte. Dies war ab Juli 1944 der Fall, als die Alliierten die von den Deutschen mit Hilfe der Schlüsselmaschine (ENIGMA) codierten Sprüche entziffern konnten, was der deutschen Seite nicht bekannt war.51

Die K.-Verbände benutzten den im März 1944 eingeführten Schlüssel „Eichendorff“, der bei den Briten den Decknamen Bonito bekommen hatte. Dieser Schlüssel wurde unverändert bis zum Kriegsende verwendet, was die alliierte Dechiffrierung begünstigte. Erstmals war es im Mai 1944 gelungen, damals allerdings noch in bescheidenen Umfang, in den Schlüssel einzubrechen. Später konnte man die Funksprüche und Fernschreiben in kürzester Zeit entschlüsseln. Von Vorteil für die deutsche Seite war, dass man im Bereich des K.d.K. für die wesentlichen taktischen Begriffe und später auch für die Einheitsbezeichnungen durchwegs Tarnnamen verwendete. Ebenso teilte das K.d.K. Fernschreiben und Funksprüche mit längeren Textpassagen grundsätzlich auf mehrere Teile auf, wobei der nachfolgende Teil erst abgesetzt wurde, wenn der Eingang des vorhergehenden Abschnitts quittiert worden war. Da man auf britischer Seite dem Funkverkehr der K.-Verbände im Bereich der Ostfront nicht die höchste Priorität einräumte, kam noch der Zeitverzug, zwischen der Echtzeit der Funksprüche und der Weitergabe des entschlüsselten Textes, dazu. Positiv wirkte sich für die alliierte Seite die seit langem bestehende und gut eingespielte Funküberwachung im Balkanraum aus. Dementsprechend ließen sich die erzielten Ergebnisse der Funküberwachung und die daraus gewonnenen Erkenntnisse im Mittelmeer-Bereich nicht mit jenen der südlichen Ostfront vergleichen. Hier, besonders in den Bereichen der Heeresgruppen Süd und Mitte, erzielte die alliierte Funkaufklärung (SIGINT) nur sporadische Erfolge.

Anfang Dezember 1944 hatte sich die Situation dahingehend verändert, dass sich der Einsatz der beiden Kommandos immer mehr in den Befehlsbereich der Heeresgruppe Süd verlagerte. Hier besonders in dem hart umkämpften Teil der Donau in Ungarn, von Gran (Esztergom) bis zur serbischen Grenze. Dies hatte insofern atmosphärische Auswirkungen, da der Stab der Heeresgruppe Süd, im Gegensatz zu jenem der Heeresgruppe F, der bereits seit Jahren mit der Marine in den Bereichen Adria und Ägäis kooperieren musste, noch weniger Wert auf eine gedeihliche Zusammenarbeit legte. Mittlerweile war der 3. Zug des M.E.K. 71, unter der Führung von Oberfähnrich Scholz, befehlsgemäß in Richtung Mohács unterwegs und befand sich zum Monatsende im Raum Stuhlweißenburg (Székesfehérvar) wobei man auf vier Lastkraftwagen 150 ungarische Treibminen mitführte, welche man am 29. November vom Munitionslager in Sütto abgeholt hatte.52 Der ursprünglich geplante Termin, die Nacht vom 26. auf den 27. November, war mittlerweile längst verstrichen.53 So konnte buchstäblich in letzter Minute, südlich von Paks 100 Treibminen ungarischer Bauart abgelassen werden. Die Aktion erfolgte in der Nacht zum 1. Dezember 1944, zwischen 02:00 und 04:00 Uhr, unter der Leitung von Fähnrich Eger.54

Mit Tagesanbruch musste die Ortschaft Paks geräumt werden, den die russischen Angriffsspitzen standen bereits tief im Rücken der deutschen Front, die zum Teil noch immer an der Donau stand.

51 Patterson, Waffen, S. 72. 52 BArch-MArch, RM 61/IX-2. KTB IMRDD, 29.11.1944 u. TNA, DEFE 3/680, S. 209 f. (30.11. u. 1.12.1944.) 53 NARA MF T-1022 roll 2539. Fernschreiben (FS) des M.V.O. der Heeresgruppe F, Nr. 3228, gKdos., vom 25.11.1944 (BArch-MArch, RM 35III/161, S. 39). 54 TNA, DEFE 3/680, S. 443 (4.12.1944) und NARA MF T-1022 roll 2539, FS, MSKF 0529, vom 4.12.1944 (M.V.O. HGr. Süd gKdos. 1402/44).

18 Doch im Bereich von Paks war es den über die Donau angreifenden sowjetischen Verbänden gelungen die deutsche Verteidigung zu durchstoßen, um sich hier mit der nach Norden angreifenden Hauptmacht zu vereinigen.55

Die Lagekarte der Heeresgruppe F vom 30. November 1944 zeigt den Beginn des Durchbruchs an der Nahtlinie der Heeresgruppen F und Süd, der erst auf Höhe der Ortschaft Paks abgewehrt werden konnte (NARA MF T-78, roll 136). Mit dem Ablassen der Treibminen bei der Ortschaft Paks war man zwar der ursprünglichen Planung sehr nahe gekommen, allerdings lagen zwischen der Absetzstelle der Minen bei Stromkilometer 1533 und der Engstelle der Donau bei Batina bei km 1425 mehr als 100 km. Doch die Lageentwicklung erforderte ein rasches Handeln und für den 3. Zug war es allerhöchste Zeit sich in Richtung auf den Plattensee zurückzuziehen. In diesen turbulenten Tagen verlor der Zug auch seinen Führer, Oberfähnrich Scholz, bei einem nicht überlieferten Ereignis. Der Leichnam von Scholz wurde in den in den ersten Dezembertagen in Stuhlweißenburg zu Grabe getragen. Neben dem Todesfall von Scholz gab es auch bei diesem Vorfall auch zwei schwer verletze Soldaten die nach Wien ins Lazarett transportiert wurden.56 Fähnrich Eger, der bald darauf zum Oberfähnrich befördert wurde, hatte mittlerweile das Kommando übernommen und setzte sich mit seinen Leuten nach Balatonkenese ab, wo man sich mit dem 1. Zug von Oberleutnant Tegethoff vereinigte. Die zum Transport der Minen zugeteilten vier Lastkraftwagen wurden von hier nach Agram zurückgeschickt und beide Züge verlegten am 3. Dezember weiter nach Stuhlweißenburg. Hier wartete man auf weitere Befehle, während Tegethoff weiter nach Budapest fuhr, um im

55 NARA MF T-78 roll 136, Lagekarte vom 1. und 2.12.1944. 56 TNA, DEFE 3/680, S. 443 f. (4.12.1944).

19 Hauptquartier der Heeresgruppe Süd neue Instruktionen zu empfangen.57 Wie verwirrend die Situation war zeigt deutlich das Kriegstagebuch des IMRDD. Kapitän zur See Lautenschlager, der im Donaubereich für alle hier eingesetzten Teile der Marine zuständig war, ging von der Annahme aus, dass das Ablassen der Treibminen bei Paks, so wie ursprünglich vorgesehen, der Brücke von Apatin bei Stromkilometer 1401 gegolten hatte. Doch dieser Donauübergang befand sich 30 km stromabwärts der Pontonbrücke von Batina. Daher konnte man nicht damit rechnen, dass mit Hilfe der Treibminen ein Erfolg zu erzielen war. Noch dazu, wo im Fall von Apatin auch noch eine Engstelle der Donau dem Ziel, der russischen Pontonbrücke, vorgelagert war. So ist es auch verständlich, das sich im Kriegstagebuch am 3. Dezember folgender Beitrag findet: „Der General der Pioniere Heeresgruppe Süd bittet, das Werfen von Treibminen auf der Donau einzuschränken, da bislang keine Erfolge erzielt sind“.58

Versucht man diese erste Phase des Einsatzes zusammenzufassend zu beurteilen, kommt man zwangsläufig zu dem Urteil „Außer Spesen nichts gewesen“. Der ursprünglich vorgegebene Einsatz gegen die Straßenbrücke über die Save in Belgrad entbehrte von Anfang an jeder vernünftigen Grundlage und war einfach undurchführbar. Für die danach geplanten Einsätze gegen die Übergangsstellen der Roten Armee bei Apatin und Batina galt, dass der vorgesehene Einsatz durch das verspätete Eintreffen am Kriegsschauplatz zu diesem Zeitpunkt bereits überholt war. Die Kommandos fuhren unmittelbar in die sowjetische Offensive hinein und mussten froh sein sich noch rechtzeitig vom Feind absetzen zu können. Die Gründe für die in letzter Minute geplante Rochade zwischen den 1. und den 3. Zug, in Hinsicht auf die zugewiesenen Ziele, bleiben im Dunklen. Möglicherweise lag es daran, dass der 1. Zug bereits an den erstmals mitgeführten Torpedominen geschult war und man sich daher größere Erfolgschancen versprach. Letztlich blieb es ohne Belang, da beide Unternehmen in dieser Form nicht zur Ausführung kamen. Oberleutnant Tegethoff der den Befehl erhalten hatte sich unverzüglich nach der Ankunft im neuen Einsatzraum beim M.V.O. der Heeresgruppe Süd, im 30 km nordwestlich von Budapest gelegen Hauptquartier zu melden, erlebte hier eine böse Überraschung.59 Als er sich dort am 2. Dezember meldete, erklärte man ihm, dass man derzeit keine Verwendungsmöglichkeit für die K.-Mittel der Marine sehe.60 In diesem Zusammenhang ist auch eine im Stab des Marine-Gruppenkommando Süd durchgeführte Korrektur an einem Fernschreiben interessant, in dem der M.V.O. der Heeresgruppe Süd über die Vorsprache von Oberleutnant Tegethoff berichtete. Das an das Marine- Gruppenkommando Süd und den K.-Stab Süd adressierte Fernschreiben enthält folgende Textpassage: „H GR SUED GEN D PIONIERE HAT GEBETEN, DASZ TEGETHOFF WERFEN TREIBMINEN AUF DONAU EINSCHRAENKT, DA BISHER ALLE VORBEREITUNGEN UNGARN NICHT ZUM ZIEL GEFUEHRT HABEN. Der danach folgende Satz ist allerdings schwer verständlich und möglicherweise verstümmelt: „TEGETHOFF DAHER 3/12 IN VERBINDUNG MIT 6. ARMEE BEI ORGANISATION TREIBMINENWERFEN DONAU“. In dem überlieferten Exemplar des Marine-Gruppenkommando Süd, hatte jemand das Wort „EINSCHRAENKT durchgestrichen und handschriftlich „IN DIE HAND NIMMT“ darüber geschrieben.61 Im Kriegstagebuch des IMRDD findet sich hingegen die ursprüngliche Aussage.62

57 BArch-MArch, RM 35III/161, S. 16. NARA T-1022 roll 2539. FS M.V.O. HGr. Süd, SSD MSKF 3550, vom 3.12.1944 und FS MSKF 0529, vom 4.12.1944 (M.V.O. HGr. Süd gKdos. 1402/44), entspricht BArch-MArch, RM 35III/161, S. 16. Vgl. dazu auch TNA, DEFE-3/680, S. 209 f. (30.11. und 1.12.1944) und 443 f (4.12.1944). 58 BArch-MArch, RM 61/IX-2. KTB IMRDD, 3.12.1944. 59 TNA, DEFE 3/680, S. 237 (1.12.1944). Das Hauptquartier der Heeresgruppe war in der Ortschaft Dobogókö, westlich von Budapest (vgl. dazu auch die Lagekarte vom 1.12.1944). 60 NARA MF T-1022 roll 2539. FS, KR MSFK 0529, vom 4.12.1944 (M.V.O. HGr. Süd gKdos 1402/44). In dem an die Operationsabteilung der Heeresgruppe Süd und an den K.-Stab Süd in Triest gerichteten Fernschreiben heißt es wörtlich: […] „Nach Vortrag bei HGr. Süd hier keine Verwendung für besondere K.-Mittel Tegethoff.“ […] (entspricht BArch-MArch, RM 35III/161, S. 16). Diese Aussage findet sich auch in TNA, DEFE 3/680, S. 237. 61 NARA T-1022 roll 2539. FS MSKF 0529, vom 4.12.1944 (M.V.O. HGr. Süd gKdos. 1402/44). 62 BArch-MArch, RM 61/IX-2. KTB IMRDD, 3.12.1944.

20 DIE DEUTSCHE KUGELTREIBMINE 41

Kugeltreibmine 41, Schwimmlagen, Packgefäß und Querschnitt. Abbildungen aus dem Merkblatt Gen.d.Pi.u.Fest., Merkblatt 29a/16 Flußtreibminen vom 1.3.1944. Zentralarchiv des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation (CAMO) 500/12451/Akte 437.

21 Nachdem die angeforderten 200 deutschen Kugelminen 41 in dem in der Slowakei gelegenen Heeresmunitionslager Bolerinz zur Abholung bereitlagen, setzte sich Tegethoff diesbezüglich mit der Armeegruppe Balck in Verbindung.63 Doch der Oberbefehlshaber der 6. Armee wollte von K.- Mitteln nichts wissen sondern wünschte die Aufstellung einer Motorboots-Abteilung für den Plattensee, deren Aufgabe der Einsatz im Vorpostendienst sein sollte. Damit konnte Tegethoff nicht dienen.64 Am 4. Dezember fasste der K.-Stab Süd für das Marine-Gruppenkommando die Situation folgendermaßen zusammen: „Für Einsatz gegen Donaubrücken Budapest Draumündung Gruppe Oblt Tegethoff eingesetzt. Ist z. Zeit bei H Gr Süd um weitere Einsätze zu erkunden. Ein Treibmineneinsatz hat 1/12 stattgefunden. T. hat Anweisung Mittel und Möglichkeiten zu melden“.65 Zur selben Zeit reagierte das K.d.K. auf die niedrigen winterlichen Wassertemperaturen der Donau und untersagte jegliche Planung und Durchführung von Operationen mit Kampfschwimmern.66 Gleichzeitig erfolgte der Befehl die Kampfschwimmer der Gruppe Mitschke unverzüglich nach „Weißkoppel“ in Marsch zu setzen. Am 8. Dezember trat die Gruppe dann von Graz aus mit der Bahn die Fahrt nach Schleswig-Holstein an.67

Die beiden Züge verlegten von Stuhlweißenburg nach Balatonfüred, eine Stadt am Nordufer des Plattensees, wo man auf die Rückkehr von Tegethoff wartete.68 Da keine neuen Aufträge vorlagen, blieb man vorerst in Balatonfüred. Die Zerstörung der russischen Donaubrücken südlich von Budapest blieb weiterhin auf dem Tisch, dieses Thema wurde am 10. Dezember 1944 neuerlich vom Chef des Generalstabs des Heeres beim Lagevortrag vor Hitler angesprochen. Als Generaloberst Guderian die Wichtigkeit der Unterbindung dieser Donauübergänge betonte, schaltete sich der Oberbefehlshaber der Marine ein. Dönitz der an der Lagebesprechung teilnahm erwiderte darauf, dass dafür bereits Marine-Einsatzkommandos im Bereich der Heeresgruppe Süd bereitstünden. Seiner Meinung nach wäre es die Aufgabe der örtlichen Stellen die Modalitäten eines Einsatzes im Detail festzulegen und für die Durchführung zu sorgen.69

Ohne neue Aufträge nutzte Tegethoff die Zeit um seinen Verband neu zu formieren. Auffallend ist, dass ab diesem Zeitpunkt nur mehr der 1. Zug des M.E.K. 71 im Funkverkehr aufscheint.70 Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass es in Balatonfüred zu einer Zusammenlegung der beiden Züge gekommen war.71 Am 18. Dezember 1944 wurde das Prozedere für den Funkbetrieb zwischen dem Führungsstab des K.d.K., dem K.-Stab Italien und dem Einsatzstab Haun neu festgelegt.72 Dieses war notwendig geworden, da am 12. Dezember 1944 die Marinefunkstelle des aufgelösten Marine-

63 NARA MF T-1022 roll 2539. FS, KR MSFK 3611 vom 4.12 1944 und FS, KR MSFK 0529, vom 4.12.1944, entspricht BArch-MArch, RM 35III/161, S. 15. 64 BArch-MArch, RM 61/IX-2. KTB IMRDD, 5.12.1944. 65 NARA MF T-1022 roll 2539. FS, SSD MSTF 02926 vom 4.12.1944 (K.-Stab Süd, gKdos. 209/44), entspricht BArch- MArch, RM 35III/161, S. 9. 66 TNA, DEFE 3/680, S. 209—211 u. 443 f. (4.12.1944). 67 Ebd. S. 443 f. (4.12.1944) u. 692 (9.12.1944). „Weißkoppel“ war die Tarnbezeichnung für List auf Sylt, wo es ein Lager bzw. eine Ausbildungsstelle für die Kleinkampfverbände der Marine gab. Hier befand sich unter anderem auch das für die „Meereskämpfer“ zuständige Lehrkommando 700. 68 BArch-MArch, RM 61/IX-2. KTB IMRDD, 8.12.1944. 69 Gerhard Wagner (Hg.), Lagevorträge des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine vor Hitler 1939—1945, München1972, S. 622 (künftig zitiert als „Wagner, Lagevorträge“). Hier: Skl. B. Nr. 1. Skl. Ib 3707/44 gK. Chefs., vom 15.12.1944, Betr.: Niederschrift über die Teilnahme des Ob.d.M. an der Führerlage am 10.12.44, 15.00 Uhr. 70 TNA, DEFE 3/680 S. 692. Ab dem 9.12.1944 findet man im Bestand DEFE 3 nur mehr Funksprüche bezüglich des 1. Zuges des M.E.K. 71, nun unter dem Kommando von Oberleutnant Tegethoff. Daher liegt die Annahme nahe, dass man die beiden Züge, zur Freimachung einer Funkstelle und der anteiligen Versorgungsteile und zugunsten des neu zugeführten „Sonderkommandos Glatze“ zusammengelegt hatte. 71 Beide Züge hatten zusammen kaum mehr als dreißig Kämpfer. Überdies würde die Hälfte der FunK.- und Versorgungsfahrzeuge eingespart, die man für das neu zugeführte „Sonderkommando Glatze“ nicht neu zuführen musste. 72 TNA, DEFE 3/680, S. 746 f. (18.12.1944).

22 Gruppenkommandos Süd ihren Betrieb eingestellt hatte und die bisher vom Gruppenkommando Süd bezüglich des K.-Einsatzes wahrgenommenen Aufgaben an den K.-Stab Italien übergingen.73

Vizeadmiral Heye hatte, in Bezug auf die Zusage seines Oberbefehlshabers bei der Besprechung am 10. Dezember im Führerhauptquartier, die Unmöglichkeit des Einsatzes gegen die russischen Donauübergänge südlich von Budapest erkannt. So vermerkte am 12. Dezember das Kriegstagebuch der Seekriegsleitung, dass der A.d.K. infolge der Entwicklung der militärischen Lage in Ungarn keine Einsatzmöglichkeiten mehr für Kleinkampfmittel auf der Donau, unterhalb der ungarischen Hauptstadt, sah.74 Trotzdem sollte seiner Ansicht nach der 1. Zug des M.E.K. 71 vorerst für zukünftige Einsätze im Donauraum verbleiben.75 Am 18. Dezember findet sich im Kriegstagebuch der Seekriegsleitung zu den „Sonderkampfmitteln“ folgender Vermerk: „Chef Skl. befürchtet, daß auch auf der Donau Eis einsetzen wird, ehe die Aufgaben durchgeführt werden, empfiehlt daher beschleunigtes Handeln“.76 Diese Bedenken waren mehr als berechtigt, doch Tegethoff wartete weiter auf Befehle und war zur Untätigkeit verdammt.77

Die Gründe dafür waren einerseits bei der Heeresgruppe Süd zu suchen, aber auch die im Donaubereich oberhalb und unterhalb von Budapest führenden Armeegruppe Balk (6. Armee und 3. ungarische Armee) ließ es an diesbezüglichen Initiativen mangeln. So blieb das schmale Zeitfenster bis zum Zufrieren des Stromes ungenutzt. Auch die zu diesem Zeitpunkt erfolgte Auflösung des Marine-Gruppenkommando Süd, welches in der Vergangenheit immer wieder zum Handeln gedrängt hatte, dürfte hier mitgewirkt haben. Am 22. Dezember 1944 vermerkte das Kriegstagebuch der Seekriegsleitung plötzlich, dass für die Sprengung von Brücken in Budapest K.- Mittel bereitgestellt seien.78 Dabei stellt sich die Frage nach dem Sinn dieser Eintragung, da in Budapest zu jeder Zeit genügend Pioniere des Heeres für die Sprengung der Brücken verfügbar waren. Wahrscheinlich wollte das Generalreferat Skl./S. mit diesem Beitrag auf Kommando Tegethoff hinweisen, welches in Balatonfüred ohne Aufträge bereitstand.79

73 KTB Skl., Band 64/I, Berlin, Bonn, Hamburg 1996, S. 149 u. 158 (12. u. 13.12.1944). Mit 13.12.1944 wurde der IMRDD einsatzmäßig der 1./Skl. unterstellt. 74 Ebd. S. 282. 75 TNA, DEFE-3/680, S. 878 f. (20.12.1944). Hier wird ausdrücklich der 1. Zug des M.E.K. 71 unter Oberleutnant Tegethoff genannt. 76 KTB Skl., Band 64/II, Berlin, Bonn, Hamburg 1996, S. 444. 77 TNA, DEFE-3/680, S. 878 f. (20.12.1944). 78 KTB Skl., Band 64/II, S. 550 (22.12.1944). 79 Ebd., S. 550 (22.12.1944).

23 Das Sonderkommando „Glatze“

Hatte man bei der Heeresgruppe Süd zu Anfang des Monats Dezember noch keinerlei Verwendung für K.-Kräfte der Marine gesehen, so änderte sich dies zur Monatsmitte. Da es an geeigneten Verbänden bei der Sicherung des Plattensees mangelte wünschte man hier eine Unterstützung der Marine zur Sicherung des flachen Steppensees.80 Damit begann eine neue Phase der Kooperation zwischen Heer und Marine, wobei der Plattensee im Mittelpunkt stand. Die Aktivitäten der Marine wurden von dem im Donauraum führenden Inspekteur Minenräumdienst Donau geleitet, wobei eine Zuführung von geeigneten Schiffen und Booten sowie von Artillerie- und Sperrmaterial geplant war. Das meiste blieb im Planungsstadium stecken und nur wenig konnte realisiert werden.81 Im Rahmen dieser Aktivitäten kam es, dank des Eingreifens des Oberbefehlshabers der Marine, auch zur Aufstellung eines Sonderkommandos für diesen Zweck. Der K.-Stab Süd hatte noch am 4. Dezember, mit Blick auf die hier eingesetzten Teile des M.E.K. 71, festgestellt, dass die Sicherung und Verteidigung des Plattensees keine Aufgabe für die K.-Verbände sein könne, änderte sich dies von einem Tag auf den anderen.82

Diese Sinnesänderung war auf Großadmiral Dönitz zurückzuführen, der am 10. Dezember 1944 im Führerhauptquartier an einer militärischen Lagebesprechung teilnahm. Als der Chef des Generalstabs des Heeres bei der täglichen Mittagslage bei Hitler auf die eminente Bedeutung der Sicherung des Plattensees hinwies und eine Unterstützung der Marine einforderte, versicherte Dönitz das die Marine für diese Aufgabe bereits 24 „Linsen“ bereitgestellt hätte.83 Diese voreilige und überdies unrichtige Meldung welche wohl dem alleinigen Zweck diente Hitler zu gefallen, führte dazu, dass die Seekriegsleitung noch am selben Tag die Aufstellung eines neuen K.- Verbandes mit 24 „Linsen“ veranlasste und dem K.d.K. mitteilte, dass der Oberbefehlshaber eine weitgehende Unterstützung der Heeresoperationen auf dem Plattensee wünsche.84 Entsprechend der Zusage von Dönitz kam es am 10. Dezember zur Bildung eines Sonderkommandos für den Plattensee unter der Tarnbezeichnung „Glatze“. Am 11. Dezember wurde in der Seekriegsleitung unter Vorsitz von Großadmiral Dönitz die Angelegenheit Plattensee besprochen und der 22. Dezember 1944 als spätestes Datum für das Eintreffen der 24 „Linsen“ im Einsatzraum festgelegt.85

Ein weiterer Besprechungspunkt am 10. Dezember war der Einsatz von K.-Mitteln gegen die sowjetischen Brücken südlich von Budapest, wofür Dönitz ebenfalls entsprechende Zusagen machte und Hitler versicherte, dass Marineeinsatzkommandos für diesen Zweck bei der Heeresgruppe Süd bereitständen. Dönitz führte weiter aus, es sei Aufgabe der örtlichen Stellen den Einsatz im einzelnem festzulegen und durchzuführen.86 Bei der am nächsten Tag abgehaltenen Lagebesprechung der Seekriegsleitung, kam die Meldung des Einsatzstabes Haun zur Sprache, dass die Heeresgruppe Süd keine Aufträge für die K.-Verbände im Gebiet südlich von Budapest hätte. Worauf Dönitz veranlasste, dass der M.V.O. beim Generalstab des Heeres sofort Generaloberst Guderian über den Standpunkt der Heeresgruppe informiere, da sich dieser am Vortag in dieser Angelegenheit gegenteilig geäußert hatte.87 Es ist nicht bekannt, wie man in der Operationsabteilung des Generalstabs des Heeres auf diese Intervention reagierte.

80 BArch-MArch, RM 61/IX-2. KTB IMRDD 10.12.1944. Die 1. Skl. beauftragte den IMRDD an diesem Tag mit der Unterstützung der Heeresoperationen am Plattensee. 81 Vergleiche dazu das KTB IMRDD, 1.—15.12.1944 und Januar und Februar 1945. Die Teile vom 16.—31.12.1944 und für März und April 1945 sind im BArch-MArch nicht überliefert. 82 TNA, DEFE 3/680, S. 443 f. (4.12.1944). 83 Wagner, Lagevorträge, S. 622. 84 KTB Skl., Band 64/II, S. 236 und KTB IMRDD, 10.12.1944. 85 KTB Skl., Band 64/I, S. 236 u. 252 f. 86 Wagner, Lagevorträge, S. 622. 87 KTB Skl., Band 64/I, S. 256 und Wagner, Lagevorträge S. 622 (Skl. B. Nr. 1. Skl. Ib 3707/44 gK. Chefs., vom 15.12.1944, Betr.: Niederschrift über die Teilnahme des Ob.d.M. an der Führerlage am 10.12.44, 15.00 Uhr).

24 Fakt ist, dass der Druck des Oberbefehlshabers der Marine auf die Seekriegsleitung in dieser Sache erheblich gewesen sein musste, da man sich nicht mit der Verlegung des „Linsen“-Verbandes zum Plattensee begnügte, sondern auch mit den ersten verfügbaren Sprengbooten ein Unternehmen gegen eine südlich von Budapest gelegene russische Kriegsbrücke plante. Die Mitwirkung des Heeres dürfte sich dabei auf die Vorgabe des Zieles beschränkt haben. Konkret ging um zwei südlich von Budapest errichtete Pontonbrücken bei Ercsi (Donau-Kilometer 1613,50), über welche pausenlos der Nachschub für die in den westungarischen Raum vorstoßenden Verbände der Roten Armee rollte. In der Vergangenheit hatte man die beiden Übergange mit 21 cm-Mörsern und 17 cm- Kanonen, zum Teil auch mit Hilfe von Artilleriebeobachtern in Flugzeugen, bekämpft. Dabei wurde am 11. Dezember eine der beiden Brücken, wie die Luftbilder zeigten, im südlichen Bereich schwer beschädigt.88 Durch die inzwischen eingetretenen Erfolge des Gegners lag die Brücke nun außer Reichweite der Fernartillerie. Zusätzlich hatten die sowjetischen Jagdflieger einen kaum zu durchdringenden Abwehrschirm über dem Übergangsbereich gebildet, welche ein Bombardement der Brücken unmöglich machte. Zusätzlich hatte man die Übergangsstellen mit einer Netzsperre gegen den Einsatz von Treibminen und Kampfschwimmer gesichert. Während die Heeresgruppe Süd in den letzten Dezembertagen der sich anbahnenden Einschließung von Budapest, wegen der Überlegenheit des Gegners und dem Mangel an eigenen Verbänden, tatenlos zusehen musste, wurde in Schleswig Holstein der für den Plattensee vorgesehene K.- Verband auf seine Aufgabe vorbereitet.89 Um den von Dönitz vorgegebenen Termin, den 22. Dezember 1944, einzuhalten, wurde in Plön die Aufstellung des „Linsen“-Verbandes rücksichtslos und mit allen Mitteln vorangetrieben. So konnte Kapitänleutnant Benthin bereits am 15. Dezember 1944 seine Abmarschbereitschaft in der Kaserne in Plön melden.90 Trotzdem dauerte es bis zum 26. Dezember, bis das Sonderkommando im Einsatzraum in Balatonalmádi eingetroffen war. Hier wurde es dem „Kampfkommandanten Plattensee“ unterstellt.91 Die vorgesehenen 24 Spreng- und Fernlenkboote waren zu diesem Zeitpunkt bereits im Bahntransport in Raab (Györ) eingetroffen. Von dort musste sie die von Oberleutnant Schleyer geführte Sprengbootgruppe abholen und im Straßenmarsch zum Plattensee bringen.92

Am 12. Dezember 1944 wurde der Seekriegsleitung bekannt, dass die Heeresgruppe Süd den Einsatz von „Glatze“ zwar begrüße, sich jedoch vom Einsatz der Sprengboote keine entscheidende Wirkung erwarte.93 Nach Ansicht des Heeres konnte damit bestenfalls eine Störung der feindlichen Absichten erreicht werden, da es auf dem flachen Steppensee keinerlei lohnenden Ziele für Sprengboote gäbe. Des Weiteren wurde angemerkt, dass die „Linsen“ wegen ihrer geringen Größe als Waffenträger kaum geeignet wären, was ihren Nutzen erheblich reduzieren würde.94 Unter Hinweis auf diese ernüchternde Stellungnahme des Heeres erbat Vizeadmiral Heye von der

88 NARA MF T-311 R-160. Fernschreiben vom 12.12.1944 an die Operationsabteilung im Generalstab des Heeres, HGr. Süd Ia Nr. 4798/44 g.Kdos. 89 Die offizielle Bezeichnung lautete nach der Feldpostübersicht: Marine K.-Verband Sonderkommando Glatze. 90 Die Angaben nach Helmut Blocksdorf, Das Kommando der Kleinkampfverbände der Kriegsmarine, künftig zitiert als „Blocksdorf, KdK“, S. 190. 91 NARA MF T-311 R-160. KTB HGr. Süd, 26.12.1944. 92 TNA, DEFE 3/680, S. 746 (18.12.1944) u. S. 878 f. (20.12.1944) sowie 1049 f (29.12.1944). Vgl. dazu auch Blocksdorf, KdK, S. 189. Kommandoführer war Kapitänleutnant Friedrich Benthin, Gruppenführer war Oberleutnant Konrad Schleyer und der Führer des Fernlenkzuges Leutnant Gerhard Weidlich. TNA, DEFE 3/680, S. 1048 u. 1049 f. nennt auch eine Gruppe Schimkus. 93 Blocksdorf, KdK, S. 189, hier findet man die entsprechenden Angaben zu dem Einmann-Sprengboot „Linse“, weitere Angaben zu den technischen Daten und zur Einsatzform auf S. 142 ff. Die Seekriegsleitung gab in einem hausinternen Schriftstück für die „Linse“ folgende Parameter an: Gewicht 1,2 Tonnen; Gesamtfahrbereich bei 15 km 80 sm = 5 Std.; Höchstgeschwindigkeit 31 kn = 2 Std.; Marschgeschwindigkeit 15 kn = 4,5 Std., Bewaffnung Sprengladung im Heck der Ladungsboote = 300 kg (später wurde das Gewicht der Sprengladung erhöht); je zwei Landungsboote werden von einem Leit-Boot gleichen Typs durch Fernsteuerung an das Ziel herangeführt (NARA MF T-1022 roll 1708 PG-32121 S. 783—785). 94 KTB Skl., Teil A, Band 64/I, S. 282.

25 Seekriegsleitung eine neuerliche Entscheidung, wobei er suggestiv die Frage stellte, ob die wertvollen Sprengboote nicht doch einer anderen Verwendung zugeführt werden sollten und ob „Glatze“ unter diesen Umständen überhaupt weitergeführt werden sollte. Letztlich war es Dönitz der diese Angelegenheit mit der Bemerkung, dass jedes Maschinengewehr von großem Wert sein kann, persönlich entschied. Damit war die Sache erledigt und Dönitz hatte gegenüber Hitler sein Gesicht gewahrt.95

Bei der bereits zitierten Lagebesprechung am 11. Dezember 1944 war auch die Meldung von Vizeadmiral Heye zur Sprache gekommen, dass infolge des raschen Vormarsches des Gegners südlich von Budapest keine Einsatzmöglichkeit für K.-Mittel mehr gegeben sei, was von Dönitz kommentarlos zur Kenntnis genommen wurde.96 Unter diesen Umständen ist die Umsetzung der von Dönitz getätigten Zusage, bezüglich der Bekämpfung der gegnerischen Donauübergänge im Raum Budapest durch K.-Kräfte von besonderem Interesse. Dazu finden sich im Kriegstagebuch der Seekriegsleitung lediglich zwei dürre Einträge, die mehr verschleiern als erhellen. Am 22. Dezember wurden im kleinen Kreis, nach der Lagebesprechung beim Chef der Seekriegsleitung, noch einige Punkte besprochen. Darunter befand sich auch ein Punkt des Sonderreferats Skl./S., in der die Absicht gemeldet wurde, einen Teil der K.-Mittel vom Plattensee abzuziehen und gegen Netzsperren auf der Donau einzusetzen. Wobei die Kriegsbrücken bei Ercsi im Kriegstagebuch der Seekriegsleitung mit keinem Wort erwähnt wurden.97 Etwas abgesetzt davon findet sich im Kriegstagebuch dann folgender kryptische Satz: „Für die Sprengung von Brücken in Budapest sind K.-Mittel bereitgestellt“.98

Mit dieser Formulierung, die einerseits die Brückenbekämpfung (Stichwort „Netzsperre“) und andererseits die Vorsorge für den Fall einer missglückten Brückensprengung durch die Pioniere des Heeres (K.-Mittel bereitgestellt) umfasste, wollte man eine Desavouierung von Vizeadmiral Heye vermeiden. Hatte dieser doch bereits vor zehn Tagen erklärt, dass infolge des raschen Vormarsches der Roten Armee südlich von Budapest keine Einsatzmöglichkeiten für K.-Mittel bestünden. Diese Aussage, welche Dönitz damals ohne Widerspruch zur Kenntnis nahm, wurde im Kriegstagebuch am 11. Dezember 1944 festgehalten.99 Das diese Operation in Budapest überhaupt nachvollzogen werden konnte, ist dem Kriegstagebuch der Heeresgruppe Süd zu verdanken, wo sich die fernschriftlich übermittelte Einsatzplanung überliefert hat.100 Demnach wurde Korvettenkapitän Haun von in Italien nach Wien zum Wehrkreiskommando XVII beordert um von hier aus den K.- Einsatz vorzubereiten und zu leiten.101 Vermutlich war es der 21. Dezember 1944, an jenem Tag an dem sich Hitler entschlossen hatte den bisherigen Oberbefehlshaber Generaloberst Friesner durch den General der Infanterie Wöhler zu ersetzen, als Korvettenkapitän Haun am Gefechtsstand der Heeresgruppe in Dobogokö eintraf.102

Am Gefechtsstand trug Haun, unterstützt vom M.V.O. der Heeresgruppe, dem Chef des Generalstabs, Generalmajor von Grolman, seinen Plan vor. Es ging um die zirka 30 km vom Stadtrand Budapests entfernte und unweit der Ortschaft Ercsi bei Stromkilometer 1633 gelege

95 KTB Skl., Band 64/I, S. 282. Vgl. dazu auch Blocksdorf, KdK, S. 190. 96 KTB Skl., Band 64/I, S. 282. 97 KTB Skl., Band 64/II, S. 550. 98 Ebd. 99 KTB Skl., Band 64/I, S. 282. 100 NARA MF T-311 R-160. FS HGr. Süd Nr. 204/44 g.Kdos. Chefsache, abgesetzt in Wien am 21.12.1944 um 20:30 Uhr, eingegangen in Dobogokö am 22.12.1944 um 02:40 Uhr. 101 Hier wurde er von Kapitän zur See Höring, der M.V.O. bei den Wehrkreisen XVII (Wien) und XVIII (Salzburg), der zugleich auch Donaureferent des OKM war, unterstützt. 102 Generaloberst Friessner und sein 1 Generalstabsoffizier waren an diesem Tag in Zossen, beim Oberkommando des Heeres, zu einer Besprechung mit Generaloberst Guderian und kehrten erst am späten Abend zum Gefechtsstand in Dobogokö zurück.

26 Netzsperre und die beiden dahinter liegenden Pontonbrücken. Nach Abklärung der offenen Fragen wurde einvernehmlich die Nacht vom 26. zum 27. Dezember für die Durchführung des Unternehmens „Gazelle“ bestimmt. Haun fuhr noch am selben Tag nach Wien zurück, wo er noch am Abend des 21. Dezember vom der Fernschreibstelle des Wehrkreiskommandos aus die Einsatzplanung an die Heeresgruppe Süd und dem K.d.K. übermittelte.

27 28 Die Einzelheiten der Durchführung können dem hier in Faksimile wiedergegebenen Dokument entnommen werden. Entgegen allen geltenden Grundsätzen handelte sich um einen auf dem grünen Tisch erstellten Plan, der ohne vorhergehender gründlicher Erkundung erstellt wurde. Dessen größte Schwäche war, wie sich bald herausstellen sollte, dass er in keiner Weise die sich rasant verschlechternde militärische Lage im Großraum Budapest berücksichtigte, was letztlich auch dazu führte, dass das Unternehmen für den damit beauftragten Kapitänleutnant Benthin in dieser Form undurchführbar wurde. Weder das Kriegstagebuch der Seekriegsleitung, noch jenes der Heeresgruppe Süd erwähnt den weiteren Verlauf des Unternehmens „Gazelle“. Immerhin dürfte es Kapitänleutnant Benthin noch rechtzeitig gelungen sein die erforderlichen neun Linsen nach Budapest zu bringen um wie vorgesehen in der Nacht vom 26. auf den 27 zu dem Unternehmen antreten zu können.

Aufgrund der drohenden Einschließung wurde der Angriffstermin um einen Tag vorgezogen, wie ein am 25. Dezember um 21:20 Uhr abgesetzter Funkspruch an die Armeegruppe Balck vermuten lässt, in dem die Heeresgruppe darauf hinwies, dass die gegen Brücke bei Ercsi eingesetzten Marinekampfmittel unter keinen Umständen in Feindeshand fallen dürften.103 Am 26. Dezember um 03:30 Uhr folgte ein Fernschreiben, welches diesmal nachrichtlich auch an den M.V.O. ging, worin es hieß: „1.) K.-Stab Süd der Kriegsmarine führt vermutlich Nacht 25./26.12. Unternehmen mit Marine-Kampfmittel zur Sprengung der Netzsperre und Kriegsbrücke bei Ercsi durch. Deckname des Unternehmens „Gazelle“. Führer Kapitänlt. Benthin. 2.) Kapitänlt. Benthin ist angewiesen, wegen Vorbereitung und Durchführung unmittelbar mit IX. SS-Geb. Korps Verbindung aufzunehmen und Armeegruppe zu unterrichten. Zusammenarbeit mit Luftwaffe regelt Armeegruppe“.104

Näheres über das Geschehen in der belagerten Stadt unmittelbar vor der Schließung des Kessels, ist in Bezug auf das Unternehmen „Gatelle“ nicht überliefert. Am wahrscheinlichsten ist, dass unter dem Druck der Ereignisse, der Ring um Budapest wurde am 26. Dezember geschlossen, das Unternehmen sich als undurchführbar herausstellte und abgebrochen wurde. Immerhin gelang es Kapitänleutnant Benthin und seinen Männern Budapest noch in letzter Minute zu verlassen. Über den Verbleib der „Linsen“ machte man sich beim K.-Stab Süd keine Illusionen, wie ein Fernschreiben vom 23. Dezember 1944 zeigt, indem es heißt: „Bei Gazelle verbrauchte Boote (Linsen) werden für Glatze (Plattensee) aus der Heimat nachgeschoben, damit Bestand dort mit 24 Stück bestehen bleibt“.105 Damit endete auch die Budapest-Episode des Sonderkommandos „Glatze“.

Am 26. Dezember 1944 vermerkte das Kriegstagebuch der Heeresgruppe Süd, dass das Marine- Sonderkommando am Plattensee, in Balatonalmádi, eingetroffen ist und dem „Kampfkommandanten Plattensee“ unterstellt wurde. Mit selben Datum findet sich im Kriegstagebuch der Seekriegsleitung die Eintragung, dass infolge des Zufrierens des Plattensees ein Einsatz der „Linsen“ hier nicht mehr möglich wäre. Daher wolle man die vorhandenen „Linsen“ zu Brückensprengungen auf der Donau einsetzen.106 Drei Tage später berichtete „Glatze“ an das K.d.K. genaueres über die Eisbildung am See, welche einen Einsatz für die nächste Zeit unmöglich erscheinen lasse. Daher dachte man an Einsätze auf der Donau im Bereich von Raab (Györ), wobei man argumentierte, dass man bei entsprechendem Bedarf ja innerhalb kürzester Zeit zum See zurückverlegen könne.107 Doch es kam anders, denn am 31. Dezember traf der fernschriftliche

103 NARA MF T-311 R-160, HGr. Süd, Funkspruch Ia Nr.4962/44 g.Kdos. Die Heeresgruppe hatte bereits am 23. Dezember von dem 15 km so. von Gran gelegenen Dobogokö nach Martinsberg (Pannonhalma) verlegt, von dort aus ging es nach Esterhaza (heute Fertöd) weiter, wo im Schloss der Fürsten Esterhazy, Quartier genommen wurde. 104 Ebd. HGr. Süd Ia Nr. 4980/44 g.Kdos. vom 25.12.1944, abgesetzt erst am 26.12.1944 um 03:30 Uhr. 105 Ebd. HGr. Süd Ia Nr. 206/44 g.Kdos. Chefsache. 106 KTB Skl., Band 64/II, S. 620 107 TNA, DEFE-3/680 S. 1049 f. (29.12.1944).

29 Befehl ein sofort nach Wien zu verlegen und auf weitere Befehle zu warten.108 Damit war das Unternehmen „Glatze“ im eigentlichen Sinn gescheitert, obwohl eigens dafür aufgestellt, sollte dieser K.-Verband niemals auf dem seichten ungarischen Steppensee zum Einsatz kommen.

Die Lagekarte der Operationsabteilung im Generalstab des Heeres vom 1. Januar 1945 (NARA RG-242 via WW II Aerial Photos and Maps) zeigt die katastrophale Situation: Budapest ist eingekesselt, Gran (Estergom) ist gefallen und Komorn (Komarom) ist unmittelbar bedroht. Der rasche Abzug der „Linsen“ vom Plattensee ist wohl auch im Zusammenhang mit der Entwicklung der militärischen Situation zu sehen. In den letzten Dezembertagen war die 2. und 3. Ukrainische Front zu einer sorgfältig abgestimmten Operation mit dem Ziel der Einschließung Budapests angetreten, die in der Folge die gesamte Front der Heeresgruppe zum Einsturz zu bringen drohte. Nach der Einkesselung von Budapest sollte der Angriff mit einem kraftvollen Vorstoß in Richtung auf Neutra fortgesetzt werden. Doch dieses Unternehmen scheiterte, da es der 7. Gardearmee, welche gemeinsam mit Teilen der 6. Garde-Panzerarmee, nicht gelang über Leva (Levice) hinauszukommen. Damit endete die russische Angriffsoperation nördlich der Donau, nach einem acht Tage lang währenden Panzerkampf, vorerst am Fluss Gran (Hron).109

Vor dem Hintergrund dieser kriegerischen Ereignisse, deren Schwerpunkt eindeutig im Donauraum lag, kam es bei den K.-Verbänden der Marine zu einer Neuausrichtung, die auch das Sonderkommando „Glatze“ betraf, welches in den letzten Tagen des Jahres 1944, ohne die in Budapest eingesetzten Teile, am Westufers des Plattensees versammelt war. Da sich Vizeadmiral Heye über die Nutzlosigkeit der „Linsen“ am Plattensee im Klaren war, entschloss er sich zur Tat. Lediglich ein Vorkommando sollte in Kövágóörs, einer Ortschaft am Nordufer des Plattensees,

108 Ebd. S. 1061 (31.12.1944). 109 Eingehend Dargestellt bei: Norbert Számvéber, Festung an der Donau (Materialien aus dem Bundesarchiv Heft 14), Budapest u. Freiburg im Breisgau 2003, s. 18 f. u. 28.

30 zurückbleiben, während das Schlüsselpersonal nach Gänserndorf, einer Kreisstadt nordöstlich von Wien, beordert wurde, wohin auch das kurz vor Jahresende formierte Sonderkommando „Goliath“, unter der Leitung von Oberleutnant Tegethoff, verlegen sollte.110 Die am Plattensee vorhandene Ausrüstung wurde auf die Eisenbahn verladen und auf zwei Transporte aufgeteilt. Der eine Zug, mit dem für die zukünftigen Aufgaben benötigten Gerät, hatte Györ zum Ziel, von wo aus der Transport, sobald der Entladebahnhof bekannt war, in den Raum Wien weitergeleitet werden sollte.111

Das überzählige Personal und die entbehrliche Ausrüstung wurden in einem zweiten Transport zusammengefasst, der ebenfalls auf der Schiene, jedoch unter Umgehung des äußerst belasteten Schienennetzes im Wiener Raum, über Slowenien in das Reichsgebiet geführt werden sollte. Der Zielbahnhof für diesen Transport war Plön in Schleswig-Holstein. Dieser Transport nahm seinen Weg über das Südende des Plattensees nach Nagykanisza. Von hier ging es über Pragerhof (Pragersko) nach Marburg an der Drau (Maribor) und weiter nach Spielfeld-Strass, wo man das alte Reichsgebiet erreichte.112 Kurz vor Pragerhof wurde der Transport am 3. Januar 1945, unweit der Ortschaft Stauden (Cirkovce), von alliierten Flugzeugen angegriffen. Dabei beanspruchte die Bedienung des im Transport mitgeführten 2 cm Flakvierlings den Abschuss einer der anfliegenden Maschinen, welche in Brand geriet und eine Tragfläche verlor. Da der Zug weiterfuhr war es der Geschützbedienung jedoch nicht möglich die Absturzstelle zu lokalisieren.113

Zu Anfang des Jahres 1945 waren alle im Bereich der Heeresgruppe Süd eingesetzt gewesenen Kleinkämpfer, sowohl jene vom Sonderkommando „Glatze“ als auch die vom M.E.K. 71, nun unter der Tarnbezeichnung „Goliath“, im Wiener Raum versammelt. Die Zusammenführung und Neuordnung der K.-Verbände hing eng mit der Auffassung der Heeresgruppe Süd über den Einsatz der K.-Verbände in ihren Befehlsbereich zusammen. Als Korvettenkapitän Haun Ende 1944, bezüglich des K.-Einsatzes gegen den russischen Flussübergang bei Ercsi, im Generalstab der Heeresgruppe vorstellig wurde, sah er sich mit den eher konservativen Vorstellungen und Forderungen der Heeresgruppe konfrontiert. Das Heer hielt wenig von handstreichartigen Einsätzen im Hinterland des Gegners, man wünschte vor allem eine Unterstützung der Marine bei der Absicherung gegen die Eventualitäten im Rahmen des unmittelbaren Kampfgeschehens. Bei den Heeresstäben galt als Schreckensszenario eine misslungene Brückensprengung die dem Gegner entscheidende operative Vorteile bot.

Man dachte an eine ähnliche Situation, wie jene im Bereich der Heeresgruppe F in Belgrad, im Zusammenhang mit der missglückten Sprengung der Straßenbrücke über die Save. Dieses Ereignis hatte im November 1944 auch zum ersten Einsatz von K.-Kräften der Marine im Südostraum geführt. Konkret wurde die Bereitstellung von K.-Kräften für die Unterbrechung der bestehenden festen Donauübergänge, im Raum Budapest sowie in Esztergom, Komorn und Preßburg, im Falle eines Versagens der normalen Sprengvorbereitungen gefordert.114 Auf dieses Verlangen reagierte der Einsatzstab Haun, dass man die vor Ort bereits vorhandenen Teile des M.E.K. 71, unter dem Kommando von Oberleutnant Tegethoff, für diese Aufgabe bestimmte. Die motorisierte Einsatzgruppe in der Stärke von einem Offizier und 21 Mann wurde in der Folge Korvettenkapitän Benthin unterstellt und erhielt den Decknamen „Goliath“ zugewiesen. Für diese Aufgabe wurden Goliath auch Motorboote und eine entsprechende Ausstattung an Sprengmittel zugeteilt. Tegethoff

110 TNA, DEFE-3/680, S. 1061 (31.12.1944). 111 Kobelt, MEK, S.135 f. (BArch-MArch RM 7/657, S. 262, Lage K.-Mittel vom 29.12.1944). 112 Kobelt, MEK, S.136. 113 Ebd. (BArch-MArch RM 7/658, S. 133, Lage K.-Mittel vom 8. Januar 1945). Dieser Absturz konnte weder in den deutschen noch in alliierten Unterlagen verifiziert werden. Da am Balkan aber mehrere alliierte Fliegende Verbände unabhängig voneinander im Einsatz waren und die deutsche Seite im Partisanengebiet nur beschränkten Zugang hatte, könnte dieser Abschuss durchaus erfolgt sein. 114 NARA MF T-311 R-160, FS HGr. Süd Nr. 206/44 g.Kdos. Chefsache, vom 24.12.1944 14:00 Uhr.

31 wurde in den letzten Tagen des Dezembers nach Wien beordert um hier die aus Lübeck angelieferten Sprengmittel in Empfang zu nehmen. Neben 20 Torpedominen „S“ (TOS), zu je 500 kg, handelte es sich auch um kleinere Sprengladungen, welche zur Bekämpfung von Pontonbrücken vorgesehen waren. Daneben wurden auch besondere Sprengmittel, welche zur Beseitigung von Torpedoschutznetzen vorgesehen waren, angeliefert.

Trotz der am 23. Dezember 1944 ausgesprochenen Unterstellung unter Korvettenkapitän Benthin behielt „Goliath“ seine motorisierte Funkstelle und war auch unabhängig von „Gazelle“ und „Glatze“. Der erste Auftrag lautete sofort mit der Untersuchung aller in Frage kommenden Donaubrücken zu beginnen, aber auch die Bekämpfung etwaiger Pontonbrücken, die der Gegner im großen Donauknie nördlich von Budapest schlagen könnte vorzubereiten.115 Während auf die Sprengmittel gewartet wurde, konnten die Männer des Sonderkommandos die letzten Dezembertage in ihren festen Quartieren in Balatonfüred verbringen. Am 4. Januar 1945 kam dann der Befehl zur Verlegung nach Wien, wo man in einem ehemaligen Ferienlager im 17. Bezirk, in der sogenannten „Rohrerhütte“ in Neuwaldegg, provisorisch unterkam.116 Doch schon am nächsten Tag meldete Tegethoff, dass er am 8. Januar 1945 von Wien nach Gänserndorf weiterverlege und ab diesem Zeitpunkt über den M.V.O. bei den Wehrkreiskommanden XVII und XVIII in Wien erreichbar sei.117

Nachdem es nicht zu dem befürchtete russischen Vorstoßes nach Preßburg und zur Öffnung der Hainburger-Pforte kam und damit die unmittelbare Bedrohung von Wien wegfiel, übermittelte das K.d.K. am 8. Januar 1945 ein Fernschreiben mit neuen Direktiven an Kapitänleutnant Benthin. Darin wurde mitgeteilt, dass der Chef des Generalstabs des Heeres den Schwerpunkt der südlichen Ostfront nach wie vor im Raum Budapest sehe und dies auch für die Marine zu gelten habe.118 Bereits am nächsten Tag erging der Befehl an Benthin sich unverzüglich beim M.V.O. der Heeresgruppe Süd zu melden.119 In diesem Zusammenhang erfolgte gemeinsam mit dem M.V.O. eine Erkundung des Geländes im Bereich von Raab (Györ), wobei man besonders die Donaustrecke von Gönyü bis Komorn (Komaróm/Komárno) in Augenschein nahm. Bei einer nachfolgenden Besprechung an der auch deutsche und ungarische Pionieroffiziere teilnahmen, einigte man sich, einen Vorrat an Minenpaketen für die bei Vorstößen des Gegners besonders gefährdeten Brücken bei Komorn bereitzustellen.

Eine Vorgangsweise welche vom Pionierführer der 6. Armee vehement abgelehnt wurde und daher nicht zur Ausführung kam. Die Armee bestand darauf, dass so wie bisher die Sprengmittel und das erforderliche Spezialpersonal in Wien auf Abruf bereitzuhalten wären.120 Letztlich kehrte Kapitänleutnant Benthin ohne einen konkreten Auftrag bekommen zu haben von der gemeinsamen Erkundungsmission mit dem M.V.O. nach Gänserndorf zurück, wo die beiden Sonderkommandos „Glatze“ und „Goliath“ warteten.

115 Ebd. und TNA, DEFE-3/682, S. 664 (8.2.1945), dies ist der einzige an das Sonderkommando „Goliath“ gerichtete und von den alliierten aufgefangene Funkspruch (das K.d.K. übermittelte neue Funkfrequenzen) im Bestand. Der dienstliche Verkehr von „Goliath“, bis zum Aufgehen in „Winnetou“, wurde über das ortsfeste Fernschreibnetz der Wehrmacht abgewickelt, daher auch das fast völlige Fehlen von „Goliath“ im Bestand DEFE-3. 116 TNA, DEFE-3/680, S. 1133 (4.1.1945). 117 TNA, DEFE-3/681, S. 86 (5.1.1945). Der M.V.O., Kapitän zur See Höring, hatte seine Diensträume im Gebäude des Wehrkreiskommando XVII in Wien. 118 TNA, DEFE-3/681, S. 324 (8.1.1945). 119 Ebd., S. 215 (9.1.1945). 120 Kobelt, MEK, S.136. (BArch-MArch RM 7/658, S. 234, Lage K.-Mittel vom 14.1.1945.)

32 Der gescheiterte Entsatz von Budapest

Die kampfkräftigsten Teile von Marschall Malinovskys 2. Ukrainischer Front sollten vom Donauknie aus die deutsche Verteidigung in nördlicher und nordwestlicher Richtung durchbrechen um auf Neutra (Nitra) vorzustoßen. Nach Erreichen dieses Zwischenzieles sollte die Gruppierung zusammen mit den übrigen Verbänden der Front weiter auf Preßburg (Bratislava) vorrücken. Diese Operation welche zu einer raschen Überwindung der Hainburger Pforte und zu einer akuten Gefährdung von Wien hätte führen können, kam zu einem für den deutschen Generalstab besonders ungünstigen Moment. Generaloberst Guderian sah sich einer Zwangslage gegenüber. Verantwortlich für die gesamte Ostfront, musste er spätestens Mitte Januar 1945 mit dem Beginn der russischen Hauptoffensive an der Weichsel rechnen, wo den deutschen Verbänden eine bis zu fünfzehnfache Übermacht des Gegners gegenüber stand.121 Unter dieser Prämisse war aus seiner Sicht Ungarn ein Nebenkriegsschauplatz, wo sich allerdings eine äußerst gefährliche Krise abzeichnete. Die katastrophale Entwicklung im Donautal ließ den Druck auf den Generalstabschef immer stärker werden und verlangte nach einer Zuführung von neuen Verbänden.

Der russische Durchbruch zum Gran-Fluss (Hron), vom 20. Dezember 1944 bis zum 1. Januar 1945. Am 26. Dezember 1944 konnte die Rote Armee wie vorgesehen die Einschließung Budapests durch die Verbände der 2. Ukrainischen Front erfolgreich abschließen. Doch die geplante Fortsetzung, welche einen Vorstoß in Richtung auf Neutra vorsah, scheiterte jedoch, denn die 7. Gardearmee, welche gemeinsam mit Teilen der 6. Garde-Panzerarmee, vorstoßen sollte, kam im Raum Leva (Levice) zum Stillstand. So endete die russische Angriffsoperation am Fluss Gran (Hron).122

121 Heinz Guderian, Erinnerungen eines Soldaten, Neckargemünd 1960, S. 346. 122 Eingehend Dargestellt bei: Norbert Számvéber, Festung an der Donau (Materialien aus dem Bundesarchiv Heft 14), Budapest u. Freiburg im Breisgau 2003, s. 18 f. u. 28.

33 Das Jahr 1945 begann am 1. Januar mit einem Angriff des IV. SS-Pz.Korps durch das Vertes- Gebirge, dem Unternehmen „Konrad“. Das Ziel war der Entsatz von Budapest. Um diese Zielsetzung zu verhindern trat die Rote Armee, am 6. Januar 1945, mit den am Ostufer des Gran- Flusses versammelten schnellen Verbänden der 6. Garde-Panzerarmee, zu einem großangelegten, über den Zweck einer bloßen Entlastung hinaus reichenden, Angriffsunternehmen an. Aus seinem Gran-Brückenkopf bei Parkany heraus richteten sich die Stoßkeile der Angreifer gegen Komorn und Neuhäusel (Nové Zámky). Die russischen Verbände konnten gegen die abgekämpften deutschen und ungarischen Kräfte einen raschen Durchbruch erzwingen und standen schon am nächsten Tag vor den Brückenköpfen Komorn und Neuhäusel. Im Zsitva-Abschnitt, der die beiden Brückenköpfe verband, kam der Angriff infolge der zähen Verteidigung durch Alarmeinheiten, Ersatzformationen und den Resten der hier liegenden Stellungs-Divisionen zum Erliegen. Ab dem 10. Januar erfolgte ein deutscher Gegenangriff mit der 20. Pz.-Division, deren Verwendung ursprünglich an der Gebirgsfront der 8. Armee vorgesehen war. Von Udvard aus trat die Panzerdivision in südlicher Richtung an, um später nach Südosten einzuschwenken. In erbitterten Panzerkämpfen warf die Division die überlegenen schnellen Kräfte des Gegners vom Zsitva- Abschnitt zurück. Dadurch war fürs Erste die unmittelbare Bedrohung des Industriegebiets von Komorn, mit den für die Treibstofferzeugung wichtigen Erdölraffinerien, gebannt. Der deutsche Angriff, sollte, mit der Zuführung weiterer Kräfte aus dem Raum südlich der Donau, den russischen Brückenkopf über den Gran gänzlich beseitigen. Das Unternehmen musste jedoch am 20. Januar abgebrochen werden, da die 20. Pz.-Division auf Anordnung des Oberkommandos des Heeres in den ostdeutschen Raum verlegt wurde. Auch die südlich der Donau eingesetzten Kräfte standen für eine weitere Operation nicht mehr zur Verfügung, da sie zum Entsatz von Budapest gebraucht wurden, der diesmal mit einem Angriffsunternehmen durch die Enge bei Székesfehérvár erzwungen werden sollte. Nach erneuten russischen Panzerangriffen die nur geringe Geländegewinne brachten, aber der 6. Garde-Panzerarmee den Rest ihrer Panzer kosteten, erstarrte die Brückenkopf-Front am Gran-Fluss.

Der Schwerpunkt lag im Monat Januar 1945 eindeutig beim Versuch die eingekesselte ungarische Hauptstadt freizukämpfen. So startete am 7. Januar 1945 ein weiteres Unternehmen, mit dem Ziel das ins Stocken geratene Unternehmen „Konrad“ zu entlasten. Dafür sollte das I. Kavalleriekorps gemeinsam mit III. Panzerkorps und dem IV. SS-Panzerkorps gegen die sowjetische 46. Armee und die 4. Garde-Armee vorgehen. Den deutschen gepanzerten- und mechanisierten Verbänden gelang es zwar den sowjetischen Verbänden im Raum Székesfehérvár erhebliche Verluste zuzufügen, doch der erhoffte Durchbruch blieb aus. So wurde „Konrad 2“, wie das Unternehmen nun genannt wurde, am 12. Januar 1945 eingestellt ohne das Ziel erreicht zu haben.123 Zwischen dem 18. und dem 26. Januar 1945 versuchte die Heeresgruppe Süd nochmals die sowjetischen Kräfte zwischen Donau und Vertes-Gebirge aufzuspalten um mit dem Unternehmen „Konrad 3“ den Einschließungsring um Budapest aufzubrechen. Doch wieder erwiesen sich die für diese Aufgabe eingesetzten gepanzerten und mechanisierten Verbände des III. Panzerkorps und des IV. SS-Panzerkorps als zu schwach um dieses Ziel nur annähernd zu erreichen.

Nach der Einkesselung der ungarischen Hauptstadt kam es zum Versuch Budapest durch die Marine über die Donau mittels Schiff versorgen zu lassen. Die ersten Versuche um den Jahreswechsel scheiterten kläglich, da beide Ufer bereits fest in der Hand des Gegners waren.124 Doch die Seekriegsleitung übte auf Kapitän zur See Lautenschlager, welcher die Marineteile im

123 Genauere Informationen bietet der Dokumentenband „Festung an der Donau“ (Materialien aus dem Bundesarchiv Heft 14), Koblenz 2003. Hier besonders der Überblick über das Kriegsgeschehen von Norbert Számvéber auf den Seiten 8—34. 124 Vergleiche dazu: http://historisches-marinearchiv.de/sonstiges/artikel/versorgung_budapest.php

34 Donaubereich führte, enormen Druck aus um doch noch zu Erfolgen zu kommen. In den folgenden Tagen verhinderte Niedrigwasser und Eistreiben weitere Aktivitäten und ab Mitte Januar 1945 blockierte ein vier Kilometer langer Eisstau, vor der gesprengten Brücke von Esztergom die Donau.

OKH/GenStdH/OpAbt Lagekarte Ost vom 7.1.1945 (NARA RG-242 via WW II Aerial Photos and Maps).

Die Lagekarte vom 28.1.1945 zeigt, im Vergleich zu jener vom 7. Januar, wie kontraproduktiv die drei vergeblichen Versuche zum Entsatz von Budapest (Unternehmen Konrad 1, 2 und 3) für die Gesamtsituation der Heeresgruppe Süd in Ungarn waren (NARA RG-242 via WW II Aerial Photos and Maps).

35 Die Brücke von Dunaföldvar

Am 20 Januar 1945 findet sich im Kriegstagebuch der Seekriegsleitung der Eintrag: „Vom Sonderunternehmen „Glatze“ wurde eine Gruppe von Kleinkampfmitteln nach Dunaföldvar in Marsch gesetzt zum Einsatz gegen eine Donaubrücke im Abschnitt des 4. SS-Pz. Korps. Über die vom Heer gesprengte Brücke hat der Russe inzwischen [eine] Notbrücke geschlagen, die mit Ladungslinsen zerstört werden soll.“125 Bei diesem für die weiteren Operationen der sowjetischen Truppen wichtigen Donauübergang bei Stromkilometer 1560,55 handelte es sich um eine in den Jahren zwischen 1928 und 1930 errichtete Stahlkonstruktion. Zwar hatte die Wehrmacht die Brücke bei ihrem Rückzug gesprengt, doch eine von der Luftwaffe geflogene Aufklärung zeigte, dass die Sprengung nur das dritte und vierte Feld der Brücke zerstört hatte. Hier war die Stahlkonstruktion jeweils in der Mitte eingebrochen und lag im Wasser der Donau. Doch die beiden östlichen Felder waren noch vorhanden, die Tragwerke waren lediglich zu zwei Drittel zerstört.126 Diese Gegebenheiten nutzten die russischen Pioniereinheiten und verlegten in kürzester Zeit auf den Trümmern der gesprengten Brücke eine behelfsmäßige Fahrbahn.

Die Brücke von Dunaföldvar nach ihrer Fertigstellung im Jahr 1930 (Postkarte). Noch am Tag der Auftragserteilung startete Oberleutnant Tegethoff mit drei Männern zu einem Erkundungsunternehmen in den Bereich Dunaföldvar.127 Fünf Tage später meldete er, dass die von Dunapentele zur Brücke führende Straße sich zur Gänze im Besitz des Gegners befand. Eine für den nächsten Tag, am 26. Januar, geplante Aufklärung des unmittelbaren Brückenbereiches konnte, bedingt durch den ständigen Beschuss von Maschinengewehren und Panzerabwehrkanonen nicht durchgeführt werden. Auch oberhalb von Dunapentele war die Situation wenig erfreulich, da auf Höhe der Ortschaft Rácalmás sich russische Scharfschützen durch gezieltes Feuer im Uferbereich

125 KTB Skl., Teil A, Band 65, S. 371 f. 126 TNA, DEFE 3/681, S. 1117 (23.1.1945). 127 Ebd., S. 1140 (26.1.1945).

36 des Stromes unangenehm bemerkbar machten.128 Betrachtet man die Lagekarte vom 25. Januar, so lässt sich erahnen wie gering die Aussicht auf eine erfolgreiche Durchführung dieses Unternehmens war. Zu der schwierigen militärischen Situation kamen dann noch die widrigen hochwinterlichen Verhältnisse.

OKH/GenStdH/OpAbt Lagekarte Ost vom 25.1.1945 (NARA RG-242 via WW II Aerial Photos and Maps). Am Morgen des 25. Januar 1945 gab es eine Überraschung, als ein an „Glatze“ und gleichlautend an den Admiral z.b.V. Südost gerichteter Funkspruch vom K.d.K. einlangte. Dessen Inhalt besagte nicht weniger, als das die Operation in dieser Form, unabhängig von der Feindlage, undurchführbar sei. Als Gründe wurden angeführt: 1.) Die Beschaffenheit des Ufers, wo Sandbänke das zu Wasser bringen der Boote verhinderten. 2.) Das solide Packeis im vorgesehenen Angriffsbereich vor der Brücke, welches das Luftbild von der letzten Aufklärungsmission zeigt. 3.) Da Linsen im Eis nicht eingesetzt werden können, kann die Operation erst durchgeführt werden, wenn sich die derzeit gegebene Situation grundlegend geändert hat.129 Doch ungeachtet dieses Fernschreibens wurde das Unternehmen weitergeführt. Am 26. Januar wurde der Feindlagebearbeiter (Ic-Offizier), der sich beim Restkommando in am Nordufer des Plattensees, in Balatonalmádi befand, mit einem Funkwagen nach Gänserndorf in Marsch gesetzt. Der Auftrag lautete, bei dem hier untergezogenen Fernlenkzug, unverzüglich alle Vorbereitungen für einen Einsatz gegen die Brücke von Dunaföldvar zu veranlassen.130

128 TNA, DEFE 3/681, S. 1140 f. und 1141 (26.1.1945). 129 TNA, DEFE 3/682, S. 41 (25.1.1945). 130 TNA, DEFE 3/681, S. 1141 (26.1.1945).

37 Die nach ihrer Zerstörung im Jahr 1945 in den Jahren 1948 bis 1951 mit zusätzlichen Untergurten wiedererrichtete kombinierte Straßen- und Eisenbahnbrücke (Postkarte um 1955). Noch am selben Tag wurde das für den Einsatz vorgesehene Kommando, welches sich mittlerweile in der Ortschaft Káloz bereitgestellt hatte, weiter nach Sárosd verlegt. Von dort aus sollte die Einsatzgruppe so bald als möglich in Richtung Donau weiterverlegen. Als Ausgangsbasis für das Unternehmen hatte man die nördlich von Rácalmás liegenden Ortschaft Kulcs vorgesehen.131 Doch die Operation war von Anfang an vom Pech verfolgt, so erzwang ein technisches Problem an einem der Transportwagen für die mitgeführten „Linsen“ und starke Schneeverwehungen einen vorläufigen Abbruch des Unternehmens. Man kehrte nach Kulcs zurück, wobei man vorerst nur an eine Verschiebung des Unternehmens dachte.132 Am 27. Januar unternahm man einen neuerlichen Versuch, nach Einbruch der Dämmerung die beiden mitgeführten „Linsen“ zu Wasser zu bringen. Doch das Unternehmen scheiterte kläglich, was ein am 28. Januar um 04:00 Uhr aus Kulcs abgesetzter Funkspruch bestätigte. In dieser Lagemeldung wurde über den Abbruch des Unternehmens berichtet und das man die beiden, unter größten Mühen in den Strom gesetzten, „Linsen“ im Eis der Donau zurücklassen musste.133

Damit hatte sich auch die Ansicht des K.d.K. voll bestätigt, dass es unter diesen Bedingungen einfach nicht möglich war auch nur in die Nähe der Brücke zu kommen. Zumindest konnte man froh sein aus diesem mehr als fragwürdigen Unternehmen ohne personelle Verluste herausgegangen zu sein. Aus dem Scheitern konnte man zumindest die Lehre ziehen, dass Sprengboote dieser leichten Bauart bei einer stärkeren Eisbildung auf Flüssen nicht mit Erfolg eingesetzt werden konnten, was aber schon vorher eine bekannte Tatsache war. Man musste zur Kenntnis nehmen, dass es unbedingt eines Kranfahrzeugs bedurfte um die schweren Sprengboote bei ungünstigen Uferverhältnissen ins Wasser zu setzen. Eine weitere Lehre dieses gescheiterten Unternehmens war, das nur ein nächtlicher Einsatz, infolge der bei Tageslicht pausenlos in Wellen angreifenden

131 TNA, DEFE 3/681, S. 1124 (26.1.1945). 132 Ebd., S. 1125 (27.1.1945). 133 TNA, DEFE 3/682, S. 98 (28.1.1945).

38 Kampfflugzeuge des Gegners, Erfolg haben konnte.134 Obwohl Ende Januar 1945 klar erkennbar war, dass sich die von Dönitz gegenüber Hitler gemachten Zusagen in Bezug auf den Einsatz der Kleinkampf-Verbände in Ungarn in keiner Weise erfüllt hatten, zog man daraus keinerlei Konsequenzen.

Im Gegenteil weitete man den Einsatz von Kleinkampfmitteln im Bereich des Heeres ständig weiter aus. Obwohl mittlerweile bekannt war, dass die Fertigung der vorgesehenen 1000 Linsen in dem mittlerweile in Kraft getretenen „Rüstungsnotprogramm“ nicht gedeckt war, wurden die Einsätze auf den Binnenwasserstraßen weiter forciert. Erst am 27. Februar 1945 musste sich Vizeadmiral Heye eingestehen, dass man auf einen Einsatz von „Linsen“ in der östlichen Ostsee, im Interesse der Schwerpunktbildung im Westen und wegen der zahlreichen neuen Aufgaben auf Oder, Donau, Drau und Rhein, verzichten müsse.135 Als kurz danach bekannt wurde, dass im günstigsten Fall noch mit einer Auslieferung von 200 „Linsen“ zu rechnen sei, dämmerte es den Verantwortlichen das die zukünftigen Einsätze mit den bereits vorhandenen Beständen bewältigt werden müssten. Aufgrund dieser misslichen Versorgungslage musste sich Vizeadmiral Heye zu folgenden Entschluss durchringen: „Für Wehrmachtsaufgaben bereitgestellte Sondergruppen für Einsätze auf Oder, Donau, Drau und Rhein können in Zukunft nicht mehr in gleichem Umfang mit Linsengruppen ausgerüstet werden, da erfahrungsgemäß gerade diese Einsätze eine Bereitstellung von zahlreichen Gruppen in weitverzweigten Bereitstellungsräumen erfordern und alle Flußaufgaben einen unverhältnismäßig hohen Materialeinsatz im Gegensatz zum zu erwartenden Erfolg fordern. […] Bereitstellung von Linsengruppen für Sondereinsätze auf Flüssen dann nur auf Anforderung Wehrmachtsführungsstab.136

Vorstellung des Sprengbootes der Kriegsmarine, vermutlich am 22. oder 23. Mai 1944, anlässlich der in Linz an der Donau stattgefundenen Rüstungstagung (Foto US-Army, Office Chief of Ordnance).

134 TNA, DEFE 3/682, S. 98 (28.1.1945). 135 KTB Skl., Band 66, S. 315. 136 Ebd. S. 319 f.

39 Die Neuorganisation im Südosten

Nach dem Scheitern des Unternehmens gegen die Brücke von Dunaföldvar waren Anfang Februar 1945 die beiden im Bereich der Heeresgruppe Süd eingesetzten Sonderkommandos „Glatze“ und „Goliath“ wieder im Wiener Raum versammelt.137 Als Ende Januar 1945 die Aufstellung der K.- Flottille 217 in Schleswig-Holstein abgebrochen wurde und deren Personal und Ausrüstung nach Wien verlegt wurde, kam es hier zu einer beachtlichen Konzentration von K.-Verbänden.138 Die ehemalige K.-Flottille traf am 14. Februar 1945 mit ihrem Chef Oberleutnant zur See Dr. Müller- Voß, aber ohne „Linsen“, in Gänserndorf ein.139 Mit ihrem Abtransport aus Schleswig-Holstein wurde die Einheit umbenannt und am 11. Februar 1945 unter der Bezeichnung „Marine K.-Verband Sonder-Kommando“ in die Feldpost-Übersicht eingetragen.140 Diese Massierung von K.-Verbänden im Wiener Raum, die alle für einen Einsatz im Heeresbereich vorgesehenen waren, ging vermutlich auf Dönitz zurück, welcher damit Hitlers Schwerpunktsetzung Rechnung tragen wollte. Während Vizeadmiral Heye den Einsatz auf Flüssen aufgrund der Materiallage und des erheblichen Aufwandes durchaus begrenzen wollte, teilte sein Oberbefehlshaber diese Ansicht nicht. So musste sich Vizeadmiral Heye mit dem System des „sowohl als auch“ abfinden.

Die Gründe dafür dürften in dem besonderem Nahverhältnis von Dönitz zu Hitler zu suchen sein. Der Oberbefehlshaber der Marine hatte in der „Führerlage“ vom 23. Januar 1945 einen Rüffel Hitlers hinnehmen müssen, der Dönitz belehrte, dass das ungarische Öl-Gebiet und die Ölförderung im Wiener Becken an der Spitze aller strategischen Überlegungen zu stehen habe, da ohne dieses Öl eine weitere Kriegsführung nicht möglich wäre.141 Kurze Zeit später, als Dönitz am 5. Februar 1945 eine Erhöhung der Dieselölzuteilung für die Weiterführung des U-Bootskrieges einforderte, kam Hitler sofort auf die Wichtigkeit des Kriegsgeschehens in Ungarn und im Wiener Becken zu sprechen. Er zeigte zwar Verständnis für das Anliegen der Kriegsmarine, verwies aber zugleich auf seine Voraussicht und die Richtigkeit der von ihm befohlenen Maßnahmen zur Sicherstellung der Ölgebiete in Ungarn und Österreich, da diese nach Hitlers Worten 80% der damaligen Gesamtförderung abdeckten. Monologisierend wies er vor der versammelten Generalität darauf hin, dass der moderne Krieg vorwiegend ein Wirtschaftskrieg sei, dessen Forderungen auch in der Kriegsführung bevorzugte Berücksichtigung finden müssten.142

Ein typisches Beispiel für die Knappheit der Ressourcen zeigt das nachstehende Beispiel. Nachdem in der Nacht vom 16. auf den 17. Januar 1945 bei einem erfolglosen Einsatz im Ligurischen Meer, nur 23 von den 33 gestarteten „Linsen“ nach La Spezia zurückkehrten, verfügte das K.d.K. die Beendigung des dortigen Einsatzes. Die Spreng- und Kommandoboote sollten unverzüglich von La Spezia nach Verona verbracht werden, von wo sie mittels Bahntransport nach Wien gebracht werden sollten, um hier für einen Einsatz zur Verfügung zu stehen.143 Wobei sich die Frage stellt, wie viele von den aus La Spezia abtransportierten „Linsen“, wegen der prekären Verkehrsverhältnisse überhaupt den Weg über den Alpenhauptkamm fanden. Auch der Abbruch der Aufstellung der K.-Flottille 217, ebenfalls eine Linsen-Flottille, erfolgte um Personal und Gerät für den Kampfraum Donau und Drau frei zu bekommen.144

137 TNA, DEFE 3/681, S. 1141 (26.1.1945) und DEFE 3/682, S. 98 (28.1.1945) u. S. 664 (8.2.1945). 138 Blocksdorf, KdK, S. 149 und Patterson, Waffen, S. 337. 139 TNA, DEFE 3/683, S. 43 (15.2.1945). 140 Norbert Kannapin, Die deutsche Feldpostübersicht 1939—1945, Osnabrück 1982, Band III, S. 267, „Marine K.- Verband Sonder-Kommando“ Feldpostnummer 63227. 141 Wagner, Lagevorträge, S. 637 (Skl. B. Nr. 1. Skl. Ib 190/45 Chefs., vom 23.1.1945, Betr.: Niederschrift über die Teilnahme des Ob.d.M. an der Führerlage am 23.1.1945, 16.00 Uhr). 142 Ebd., S. 647 (Skl. B. Nr. 1. Skl. Ib 292/45 GKdos. Chefs., vom 5.2.1945, Betr.: Niederschrift über die Teilnahme des Ob.d.M. an der Führerlage am 5.2.1945, 16.00 Uhr). 143 Blocksdorf, KdK, S. 156. 144 Blocksdorf, KdK, S. 156 und Patterson, Waffen, S. 337.

40 Parallel zu den organisatorischen Veränderungen in der Kommandostruktur erfolgte auch eine Neuordnung der hier eingesetzten K.-Verbände. Nachdem der 3. Zug des M.E.K. 71 bereits im Dezember 1944 aus dem Funkverkehr verschwunden war, erfolgte nun die organisatorische Auflösung aller hier eingesetzten K.-Verbände. Das betraf sowohl den 1. Zuges des M.E.K. 71, der zum Sonderkommando „Goliath“ geworden war, als auch das Sonderkommando „Glatze“, aber auch die in Aufstellung befindliche K.-Flottille 217, deren Teile sich in Gänserndorf befanden. Am 11. Februar 1945 wurden daraus zwei neue K.-Verbände gebildet. Die für einen Einsatz auf der Donau, oberhalb von Budapest, bestimmte Einheit wurde mit diesem Datum unter der Bezeichnung „Marine K.-Verband Sonder-Kommando“ mit der Feldpostnummer 63267 in die Feldpostübersicht eingetragen.145 Die Einheit unter dem Kommando von Oberleutnant z. S. Dr. Müller-Voß, deren Einsatzraum das Mündungsgebiet der Drau und die Donau oberhalb und unterhalb der Einmündung der Drau sein sollte, erhielt zum selben Datum als „Marine K.-Verband Sonder-Kommando“ die Feldpostnummer 63227 zugeteilt.146

Über die Stärke und Organisationsform der im Februar 1945 neugebildeten Sonderkommandos ist nichts überliefert. Beide Sonderkommandos wurden nach kurzer Zeit umbenannt und erhielten die Tarnnamen „Apache“ für den Donauraum und „Sioux“ für den Bereich Donau-Drau zugewiesen. Die wenigen Angaben in der Literatur zur Organisationsform sind wenig präzise und widersprüchlich. Jürg Meister nennt für das Sonderkommandos „Sioux“ neben einer Sprengbootkompanie auch eine Marine-Einsatzkompanie und eine Sprengkompanie welche die Sprengmittel verwaltete und zum Einsatz brachte.147 Karl Meyer, der diesem Sonderkommando angehörte, nennt keine Gliederung, spricht von einem 30 Mann starken Sonderkommando und schildert einen eher kleinen Verband, dürfte damit nur die Struktur jenes Teils des Sonderkommandos beschreiben dem er angehörte.148 Analysiert man die durchgeführten Einsätze so kommt man auf eine recht beachtliche Zahl von „Linsen“. So könnte die Zahl der vorhandenen „Linsen“ annähernd der Sollstärke einer „Linsen“-Flottille mit 16 Kommando- und 32 Sprenglinsen nahegekommen sein.149

Über die Zusammensetzung des im Donauraum eingesetzten Sonderkommandos „Apache“, welches unter anderen die Aufgabenstellung des ehemaligen Sonderkommandos „Goliath“ übernahm, ist noch weniger bekannt.150 „Apache“ dürfte zumindest einen Teil der bei „Glatze“ vorhandenen „Linsen“ übernommen haben. Bekannt ist, dass nach erfolgter Auflösung von „Apache“ zwei Transportzüge erforderlich waren.151 Man kann auch davon ausgehen, dass „Apache bei den wenigen Einsätzen auch kaum „Linsen“ verloren hatte.152 Geht man von einem Standard- Transportzug nach den Normen der Wehrmacht für motorisierte Einheiten (K.-Zug) aus, so müssten auch „Apache“ eine erhebliche Anzahl von „Linsen“ zur Verfügung gestanden haben. Ein solcher Militärzug verfügte im Durchschnitt über 51 Waggons, acht davon waren Personenwaggons mit rund 250 Sitzplätzen. Dazu kamen 20 Güterwaggon mit einer Länge von 10 Meter und einer Ladefähigkeit von bis zu 20 Tonnen, die für die Verladung schwerer Fahrzeuge vorgesehen waren.

145 Norbert Kannapin, Die deutsche Feldpostübersicht 1939—1945, Osnabrück 1982, Band III, S. 268. 146 Ebd. S. 267. 147 Jürg Meister, Der Seekrieg in den osteuropäischen Gewässern 1941—45, München1958, S. 332, künftig zitiert „Meister, Seekrieg“. 148 Karl Meyer, Mit Seesack in den Krieg, Berlin 2008, S. 78, künftig zitiert „Meyer, Mit Seesack“. 149 Die Zahlen nach Blocksdorf, KdK, S. 146. 150 Bei Aufstellung hatte „Goliath“ 30 Mann. Da in der Folge noch Motorboote und diverses Gerät dazu kam, dürfte sich die Stärke des Sonderkommandos verdoppelt haben und annähernd der beiden vor Ort vorhanden (1. u. 3.) des M.E.K. 71 entsprochen haben. 151 Patterson, Waffen, S. 337 f. und Anmerkung 119. 152 Auch die Aufteilung des Sonderkommandos auf mehrere Einsatzorte in Ungarn spricht eher für eine größere Einheit.

41 Für leichte Fahrzeuge und für mitgeführtes Gerät standen 20 Flachwaggons zu jeweils 7 Meter Länge zur Verfügung.

Die von Hitler und Dönitz favorisierte Schwerpunktsetzung erforderte auch eine Neuordnung der im Südostraum vorhandenen Führungsstrukturen.153 Den Anfang machte die Schaffung der neuen Dienststelle des „Admirals z.b.V. Südost“ zur Jahreswende 1944/1945. Der direkt der Seekriegsleitung unterstellte Admiral z.b.V. Südost war nach der im Dezember 1944 erfolgten Auflösung des Marine-Gruppenkommandos Süd erforderlich geworden und sollte die wenigen noch verbliebenen Führungsaufgaben in diesem Raum übernehmen. Vizeadmiral Lietzmann, mit dieser Aufgabe betraut zog in die ehemalige Stabsunterkunft des Marine-Gruppenkommandos Süd, in Kammer am Attersee, ein. Da auch das OKW die Auflösung der Dienststelle des Oberbefehlshabers Südost (Feldmarschall Freiherr von Weichs) und des von ihm in Personalunion wahrgenommenen Oberkommando der Heeresgruppe F beabsichtigte, wurde im Februar 1945 der bewährte M.V.O. der Heeresgruppe F, Kapitän zur See von Both, dem Stab von Vizeadmiral Lietzmann, zur Verwendung, zugeteilt.

Auch bei den in diesem Raume tätigen Marine-Verbindungsoffizieren kam es zu erheblichen Veränderungen. Bei der Heeresgruppe F löste Kapitän zur See Bennecke den bisherigen M.V.O. ab, da Kapitän zur See von Both zum Admiral z.b.V. Südost beordert wurde. Auch bei der Heeresgruppe Süd kam es zu einem Wechsel, hier wurde Kapitän zur See Weygold durch Fregattenkapitän Dr. Dietsche ersetzt. Nur bei der Heeresgruppe E blieb alles beim Alten und der bisherige M.V.O., Kapitän zur See Zechlin, weiterhin im Amt.154 Als Mitte März 1945 vom OKW die Auflösung des Stabes des Oberbefehlshabers Südost, welcher bisher in Personalunion auch die Heeresgruppe F geführt hatte, befohlen wurde, wurde Generaloberst Löhr, der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe E, zum neuen O.B. Südost ernannt. Löhr dessen Heeresgruppe sich von Griechenland über die Balkanhalbinsel herauf bis nach Kroatien zurückgekämpft hatte, übernahm nun die Gesamtführung im Südostraum.155 Im Unterschied zu den Heeresgrenzen erstreckte sich der Befehlsbereich von Vizeadmiral Liezmann über den Bereich des O.B. Südost hinaus. Zusätzlich zum Balkanraum waren Liezmann in Bezug auf die Marineangelegenheiten auch auf die Befehlsbereiche der Heeresgruppen Süd (General der Infanterie Wöhler bzw. Generaloberst Rendulic) und Mitte (Generaloberst bzw. Feldmarschall Schörner) unterstellt.

Im Aufgabenbereich des Admirals z.b.V. Südost übernahm ein K.-Stab z.b.V., an dessen Spitze Kapitän z. S. Düwel stand, die Führung der hier eingesetzten K.-Verbände. Damit war auch die Trennung von dem im italienischen Raum führenden „Deutschen Marinekommando Italien“, dem späteren Marine-Oberkommando Süd, vollzogen. Die Führung der K.-Verbände im Südosten ging vom K.-Stab Süd (Einsatzstab Haun) auf Kapitän zur See Düwel über.156 Am 22. Februar 1945 unterrichtete er fernschriftlich die unterstellten Verbände über ihre Berichtspflicht an Vizeadmiral Liezmann.157 Ein Einsatz von Kampfschwimmern dürfte Anfang Februar 1945 wegen der fehlenden Voraussetzungen noch nicht vorgesehen gewesen sein. Zur Situation auf der Donau berichtet die Tagesmeldung der Heeresgruppe Süd am 8. Februar, dass die Eisdecke der Donau oberhalb von Budapest zwar aufgetaut sei, sich aber ein beginnender Eisstau abzuzeichnen begann. Der

153 In der Feldpostübersicht wurde die Neuorganisation der K.-Verbände mit dem Datum 11.2.1945 eingetragen. 154 Walter Lohmann, Hans H. Hildebrand, Die Deutsche Kriegsmarine 1939—1945, Bad Nauheim 1956—1964, Band II, Hauptkapitel XVI; Kapitel 5, S. 1. 155 Am 18.3.1945 erfolgte die Befehlsübernahme durch die HGr. E und Generaloberst Löhr wurde zum O.B. Südost ernannt. 156 TNA, DEFE 3/683. Im überlieferten Funkverkehr ist der K.-Stab z.b.V. erstmals am 22.2.1945 im Bereich des Admirals z.b.V. Südost nachzuweisen. Nach Lohmann/Hildebrand, Die Deutsche Kriegsmarine 1939—1945, Band II, Hauptkapitel XVc, S. 7, war Kapitän zur See Düwel im Zeitraum 11.1944 bis Kriegsende Chef des K.-Stab Skagerak, der zugleich auch K.-Stab z.b.V war. Dem kann aufgrund der Faktenlage nicht zugestimmt werden. 157 TNA, DEFE 3/683, S. 620 f. (22.2.1945).

42 Wasserstand stieg infolge der Schneeschmelze rasch an und es bestand akute Überschwemmungsgefahr. Drei Tage später lag die Luft-Temperatur über 0o, der noch vorhandene Schnee schmolz dahin und die Donau führte starkes Treibeis.158 Am 14. Februar war die Temperatur auf 5o angestiegen und im Bereich der Armeegruppe Balck gab es eine nächtliche Flutwelle in einer Höhe von 2 Meter. Auch in den darauffolgenden Tagen gab es weitere Flutwellen, in deren Gefolge es zu extremen Hochwasserständen kam.159

Nachdem man lange Zeit vergeblich darauf gewartet hatte, übermittelte die Heeresgruppe Süd am 14. Februar 1945 ihre Forderungen an die Marine. Bezüglich der K.-Mittel wurden folgende Punkte genannt: 1.) Die Bereitstellung von Marine-Kleinkampfmitteln zum Einsatz gegen Fähren und Brücken, im Falle eines Übersetzversuches des Gegners aus dem Gran-Brückenkopf auf das südliche Donauufer; 2.) eine vorsorgliche Bereitstellung von Marine-Kleinkampfmitteln zur Zerstörung von nicht gesprengten Brücken im Falle eines feindlichen Durchbruchs bei Komorn; 3.) die Bereitstellung von Marine-Kleinkampfmitteln zum Einsatz gegen feindliche Fähren und Brücken für den Fall des Vorstoßens eigener Verbände bis an die Donau im Bereich südlich von Budapest; 4.) die Bereitstellung von Marine-Kleinkampfmitteln für den Plattensees, um hier ein Übersetzen des Feindes zu verhindern.160 Dieser Forderungskatalog, der sich bereits an den Zielen der geplanten Offensive der Heeresgruppen Süd und E orientierte, wurde vom IMRDD unverzüglich an den K.-Stab z.b.V. weitergeleitet. Nach kurzer Prüfung sagte Kapitän zur See Düwel zu, den Forderungen des Heeres mit seinen Kräften nachzukommen, nur im Fall des Plattensees sah er sich dazu nicht in der Lage, da keine geeigneten Kampfmittel für diese Aufgabe verfügbar waren.161

Um die Aufträge abzuklären fuhr Düwel am 21. Februar 1945 nach Hainburg an der Donau, wo das Stabsschiff des IMRDD lag. Auf der „Helios“ besprach er mit Kapitän zur See Lautenschlager den weiteren Einsatz der K.-Verbände sowie deren Einsatzmöglichkeiten auf der Donau.162 Am 27. Februar kam der Einsatz von K.-Mitteln der Marine auch im Generalstab der Heeresgruppe Süd zur Sprache. Im Zusammenhang mit der für den 6. März 1945 geplanten Offensivoperation wollte man mit Hilfe von K.-Mitteln nochmals gegen die Brücke bei Dunaföldvar aktiv werden. Für den Bereich der Heeresgruppe E, die gleichzeitig offensiv werden sollte, wurden die Donauübergänge bei Batina und Baja als lohnende Ziele festgelegt.163 Der Donauübergang bei Dunaföldvar rückte neuerlich ins Blickfeld, da sich Hitler für das Unternehmen “Frühlingserwachen“ für eine Südlösung entschieden hatte. Diese Variante sah einen raschen Vorstoß der gepanzerten Verbände, an Budapest vorbei, zur Donau vor. Hier sollten bei Dunaföldvar und Dunapentele große Brückenköpfe über die Donau gebildet werden, aus denen heraus man gegebenenfalls, am östlichen Donauufer, auf Budapest einschwenken wollte.164

Im Zusammenhang mit der Offensive wurde eine besondere Pflicht zur Geheimhaltung, unter Androhung der Todesstrafe, verfügt. Dies hatte natürlich auch entsprechende Auswirkungen bezüglich des Funkbetriebes.165 Die verhängte Funkstille führte dazu, dass von den im Operationsgebiet befindlichen K.-Verbänden von den Alliierten kaum Funksprüche abgehört wurden und sich daher im Bestand DEFE-3 auch nur einige wenige Meldungen finden.166 Die

158 NARA MF T-311 roll 162. KTB, HGr. Süd, Tagesmeldung vom 11.2.1945. 159Ebd. KTB, HGr. Süd, Tagesmeldung vom 8., 11., 14., 16. u. 18.2.1945. 160 BArch-MArch, RM-61-IX-2, KTB IMRDD, 14.2.1945. 161 Ebd. 162 Ebd., 21.2.1945. 163 NARA MF T-311 roll 162. KTB HGr. Süd, 27.2.1945, S. 11. 164 Ebd. S. 12 f. 165 Ebd. S. 13. 166 So scheint „Glatze“ bei den von den Briten im Februar 1945 aufgefangenen und entschlüsselten Funksprüchen nur zweimal auf.

43 schlechte Quellenlage wird für die letzten beiden Monate des Krieges noch verschärft, da das überlieferte Kriegstagebuch des IMRDD mit dem Februar 1945 endet. Damit versiegt auch die letzte deutsche Quelle, welche zumindest sporadisch über die Aktivitäten der K.-Verbände im Südosten berichtet hatte. Ab diesem Zeitpunkt finden sich nur mehr vereinzelte Hinweise im Kriegstagebuch der Seekriegsleitung. Doch auch hier wird mit der zunehmenden Nähe zum Kriegsende immer spärlicher über die Vorgänge berichtet, wobei der Donauraum zumeist gänzlich ausgespart blieb.

So bleiben für den letzten Abschnitt des Krieges nur die von den Alliierten abgehörten und entschlüsselten Funksprüche im Londoner Nationalarchiv (TNA). Doch auch dieser Bestand ist lückenhaft und eher eine Auswahl des Zufalls, denn nicht jeder Funkspruch wurde aufgenommen und entschlüsselt. Viele Meldungen sind verstümmelt und oft fehlen ganze Teile. Nachteilig ist auch, dass die gesendeten Nachrichten nicht immer im Originalwortlaut überliefert sind, sondern oft in der Form eines von dem jeweiligen Sachbearbeiter erstellten Auszuges, der zum Teil auch mit Kommentaren versehen wurde. Des Weiteren wird bei jenen meist umfangreichen „Bonito“- Meldungen die nicht entschlüsselt wurden nur das Datum und der Umfang (Anzahl der Schlüsselgruppen) angegeben. Die alliierte Funkhorchorganisation (Signal-Intelligence/SIGINT) im Adriaraum und auf dem Balkan die schon seit langen bestand, war demnach bestens eingespielt. Daher gibt es bezüglich der mitgelesenen Funksprüche eine starke Verzerrung zugunsten der Ostfront. Während die Funksprüche aus dem Bereich der auf dem Balkan kämpfenden Heeresgruppen F und E überproportional vertreten sind, wurden von der südlichen Ostfront und den hier kämpfenden Heeresgruppen Mitte und Süd nur vereinzelte Funksprüche aufgezeichnet. Dementsprechend ist auch der K.-Einsatz im Bereich der Mündung von der Drau in die Donau gut nachvollziehbar, während vom Einsatz auf der Donau zwischen Wien und Budapest nur wenige Meldungen vorliegen.

44 Das Sonderkommando „Apache“

Vermutlich im Zusammenhang mit der geplanten Operation „Frühlingserwachen“, der letzten deutschen Großoffensive, erhielten die bisher namenlosen K.-Verbände Tarnnamen zugeteilt, die ausschließlich zur Verwendung kamen. Das neu formierte Sonderkommando „Apache“ übernahm die Aufgaben der im Verlauf der Neuorganisation im Südostraum aufgelösten Sonderkommandos „Goliath“ und „Glatze“. Aufgrund der gemachten Erfahrungen konzentrierte sich der Einsatz nun mehr auf die Donau als auf den Plattensee. Bedingt durch eine straffere Funkdisziplin und die strikte Verwendung der Tarnbezeichnungen ist aus den Funksprüchen die Besetzung der Kommandantenstellen nicht mehr erkennbar. Daher bleibt die Frage offen, ob die bisher hier agierenden Offiziere Kapitänleutnant Benthin und Oberleutnant Tegethoff in der neuen Organisation ihre Positionen behielten. Bekannt ist, dass an der Spitze der jeweiligen Sonderkommandos ein „Einsatzleiter“ stand, dem mehrere „Gruppenleiter“ unterstellt waren. Das Sonderkommando „Apache“ verlegte nach einem zweiwöchigen Aufenthalt in Gänserndorf, der vor allem zur Ausbildung genutzt wurde, im Straßenmarsch nach Balatonalmádi, einer Ortschaft am Nordufer des Plattensees. Zu diesem Zeitpunkt war das östliche Ufer des Plattensees bereits in der Hand des Gegners, der jedoch keinerlei Angriffsabsichten erkennen ließ. Hier wurde eine weitere Woche für die Herstellung der Einsatzbereitschaft und zur Wartung der Ausrüstung eingeschoben.

Ein Licht auf die damaligen Verhältnisse wirft der Werdegang eines Linsen-Fahrers, welcher bei der K.-Flottille 211 im Einsatz gestanden hatte und der Mitte Dezember 1944 zur neu aufzustellenden K.-Flottille 217 versetzt wurde.167 Anfang Februar 1945 kam der Maschinen- Obergefreite Keller mit der Bahn von Plön, dem Aufstellungsort der Flottille, nach Gänserndorf bei Wien und wurde dem Sonderkommando „Apache“ zugeteilt. Während der größere Teil der aufgelösten Flottille mit dem ehemaligen Flottillenchef Oberleutnant zur See Dr. Ulrich Müller-Voß den Grundstock für das Sonderkommando „Sioux“ bildete, kam ein kleinerer Teil zu dem für den Donaubereich vorgesehenen Sonderkommando „Apache“. Die neugebildeten Kommandos verfügten über eine speziell für den Nahkampf ausgebildeten „Einsatzgruppe“, daneben gab es eine „Linsen“-Gruppe in der sowohl über „Kommandoboote“ mit einer Fernsteuereinrichtung als auch über „Sprengboote“, die mit einer 480 kg schweren Sprengladung versehen waren, zusammengefasst waren.

Die „Linsen“ waren auf speziellen Bootsanhängern verladen und diese wurden an Lastkraftwagen angehängt mitgeführt. Für die Instandhaltung der Fahrzeuge des vollmotorisierten Verbandes, besonders aber der als besonders reparaturanfällig bekannten Ford-V-8 Motoren der „Linsen“, gab es eine Instandsetzungsgruppe mit einem Werkstatt-Lkw. Zur Versorgungsgruppe gehörte neben den für die Transportaufgaben erforderlichen Lastkraftwagen auch ein Küchen-Lkw der über eine fest aufgebaute Feldküche verfügte. Bedingt durch die zu dieser Zeit durchwegs gegebene Luftüberlegenheit des Gegners gab man den Sonderkommandos auch ein Lkw, mit einem fest aufgebauten 2 cm Flakvierling 38, zur Fliegerabwehr bei.168 Wohl bereits im Zusammenhang mit den Vorbereitungen zur Offensive wurde der Verband von Balatonalmádi näher an die Front nach Stuhlweißenburg (Székesfehérvár) herangeführt. Als weitere Einsatzorte werden im März 1945 neben den Städten Raab (Györ) und Komorn (Komárom) auch die Ortschaft Karmacs, ein Ort unweit der Stadt Keszthely, genannt. Da der erwartete Durchbruch im Rahmen der Offensive ausblieb und es im Raum südlich von Budapest zu keinem Vorstoß kam, der die Donau erreichte, gab es für die „Apache“ auf der Donau südlich von Budapest auch keine Einsätze.

167 Patterson, Waffen, S. 337 f. Hier wird auf Grund von Originalunterlagen aus dem Archiv von Maurice Laarman der Werdegang des Maschinenobergefreite Norbert Keller dargestellt. 168 Die Angaben nach Meyer, Mit Seesack, S. 76—79.

45 Nur im Bereich des Donauknies unterhalb der Stadt Gran (Esztergom) soll es noch zu mehreren erfolglosen Versuchen gekommen sein die „Linsen“ auf der Donau zum Einsatz zu bringen. Dokumentiert ist nur ein Unternehmen in der Nacht vom 15. auf den 16. März, als zwei Linsen- Rotten den erfolglosen Versuch unternahmen den regen sowjetischen Fährbetrieb zwischen Nagymaros und Visegrád zu unterbinden.169 Dafür hatte man auf Anforderung der Heeresgruppe Süd in aller Eile zwölf „Linsen“ von Komorn nach Gran, zum Brüko-Staffel-Stab 939, verlegt, um sie von hier aus im Donauknie einzusetzen.170 Im KTB der HGr. Süd findet sich dazu keinerlei Hinweise, was aber nicht wundern darf, trat doch an diesem 16. März 1945 die Rote Armee zum Gegenangriff an, der „Wiener Operation“ die vor der Reichsgrenze nicht mehr zum Stillstand gebracht werden konnte.

Der Bereich Nagymaros/Visegrád, kurz vor der oberen Mündung des Szent-Endreer-Armes der Donau. (NARA RG- 373, Dick Tracy/Target Map [Ausschnitt] via WW II Aerial Photos and Maps).

169 BArch-MArch RM 7/852. KTB der Skl. Teil D, Ergänzungen Teil I, 14.3—20.4.1945, S. 55; zitiert nach Kobelt, MEK, S. 136 f. 170 Blocksdorf, KdK, S. 189 und Patterson, Waffen, S. 337. Blocksdorf verlegt diesen Einsatz irrtümlich auf den 2. Dezember 1944, was aufgrund der damaligen militärischen Lage ausgeschlossen werden kann.

46 Das Sonderkommando „Winnetou“

Anfang März 1945 wurde für das Gebiet von Donau und Drau ein weiteres Sonderkommando mit den Decknamen „Winnetou“ gebildet. In diesem Sonderkommando waren die dem K.-Stab z.b.V. zugeteilten Kampfschwimmer zusammengefasst.171 Dass es sich bei dem Sonderkommando „Winnetou“ um ein Detachement von Kampfschwimmern handelte, wird dadurch bestätigt, dass alle „Winnetou“ betreffenden Meldungen auch nachrichtlich auch an das Lehrkommando 700 gingen. Bei diesem im Juni 1944 aufgestellten Lehrkommando handelt es sich um jenes für Kampfschwimmer, welches nach einem Zwischenspiel in Venedig im November 1944 nach List, auf die Insel Sylt, wechselte.172 Über die Stellenbesetzung ist nichts bekannt, aus den dechiffrierten Funkmeldungen ist lediglich zu ersehen, dass als Sperrwaffenoffizier ein Oberleutnant Bartsch eingeteilt war.

Oberkommando der Kriegsmarine Seekriegsleitung s O.U., den ......

Ausweis Nr......

Der ...... Dienstgrad Vorname Name St.R.Nr.

untersteht dem Oberkommando der Kriegsmarine. Er ist auf Befehl des Oberkommandos der Kriegsmarine, Seekriegsleitung s, für einen Spezialauftrag eingesetzt, nach dessen Durchführung er sofort auf schnellstem Wege zu seinem Kommando zurückzukehren hat. Er darf von keinem anderen Truppenteil zu anderer Verwendung eingesetzt werden, vielmehr ist ihm von allen militärischen und zivilen Dienststellen bei der Durchführung seines Auftrages und bei der Rückkehr zu seinem Kommando jede erdenkliche Hilfe zu gewähren.

Über das Auffinden von verwundeten oder gefallenen Soldaten mit diesem Ausweis ist das Oberkommando der Kriegsmarine, Seekriegsleitung s, sofort fernschriftlich oder auf dem Funkwege zu verständigen.

Für das Oberkommando der Kriegsmarine Dienstsiegel Seekriegsleitung s Kriegsmarine Kommando der K.-Verbände

THOMSEN Kapitänleutnant

Spezialausweis für die Angehörigen der K.-Verbände. Schon im November 1944, in der ersten Einsatzphase im Donauraum, waren den beiden hier eingesetzten Zügen des M.E.K. 71 Kampfschwimmer und zugeteilt. Da das K.d.K. Anfang Dezember 1944 einen Einsatz von Kampfschwimmern, wegen den winterlichen Wassertemperatur

171 TNA, DEFE 3/683; S. 1133 und S. 1169. Am 5. März übermittelte das K.d.K. zwei Maschinenverschlüsselte Geheimfernschreiben, mit 95 bzw. 74 Gruppen, an „Winnetou“. Zum Einsatzgebiet vgl. auch das KTB Skl. Band 67, S. 157 (11.3.1945). Zu Oberleutnant Bartsch siehe DEFE 3/684, S. 247 (12.3.1945). 172 TNA, DEFE 3/683, S. 1133 und 1169 (5.3.1945) und Blocksdorf, KdK, S. 33.

47 der Donau, untersagte, wurden die unter der Führung von Oberfeldwebel Mitschke stehenden Kampfschwimmer abgezogen.173 Die Gruppe sammelte befehlsgemäß in Graz von wo man am 8. Dezember 1944 die Fahrt nach List auf der Insel Sylt, der Ausbildungsstelle der „Meereskämpfer“ mit dem Decknamen „Weißkoppel“, antrat.174

Ein Trupp von „Meereskämpfern“ bei der Überprüfung der Ausrüstung (Propagandafoto). Im ersten Quartal des Jahres 1945 kam es neuerlich zur Zuteilung von Kampfschwimmern. Anfang März 1945 erfassten die Briten erstmals ein Sonderkommando mit dem Decknamen „Winnetou“.175 Gemäß dem Kriegstagebuch der Seekriegsleitung ist diese Tarnbezeichnung dem K.d.K.-Einsatz „Donau-Drau“ zugeordnet.176 Da man Ende 1944 alle im Bereich von Donau und Drau vorhandenen Kampfschwimmer aus dem Einsatz gezogen hatte, war es nur logisch, mit dem Einsetzen der wärmeren Jahreszeit, neue Kampfschwimmer für einen Einsatz bereitzustellen. Dabei dürfte man auch die in Ungarn geplante Offensive im Auge gehabt haben. Ursprünglich sollte das für den Bereich des K.-Stabes z.b.V. vorgesehene Sonderkommando aus zwei Teilen bestehen. Ein Teil war für den Bereich der Heeresgruppe Süd, in Kooperation mit dem Sonderkommando „Apache“ bestimmt. Der andere Teil sollte beim O.B.-Südost (Heeresgruppe E), parallel zum Sonderkommando „Sioux“, zum Einsatz kommen.

173 TNA, DEFE 3/680, S. 209—211 u. 443 f. (4.12.1944). 174 Ebd., S. 443 f. (4.12.1944) u. 692 (9.12.1944). 175 TNA, DEFE 3/683; S. 1133 und S. 1169. Am 5. März übermittelte das K.d.K. zwei maschinenverschlüsselte Geheimfernschreiben an „Winnetou“. 176 KTB Skl., Band 67, S. 157 (11.3.1945).

48 Doch bald zeigte sich, dass sich diese Vorgaben nicht durchführen ließen, wie ein Geheimfernschreiben des K.-Stabes z.b.V. vom 22. Februar 1945 zeigt.177 Denn die für Agram (Zagreb) bestimmten Meereskämpfer hingen in Wien fest, da alle Straßen- und Bahnverbindungen in die kroatische Hauptstadt unterbrochen waren. Da eine Wiederaufnahme des Verkehrs in den nächsten Tagen nicht absehbar war, wurde „Winnetou“ beauftragt das für die Drau bestimmte Kontingent aufzulösen. Unmittelbar vor dem Beginn der seit langen in Westungarn geplanten Offensivunternehmen wies das K.d.K. am 5. März 1945 „Winnetou“ an, wegen der niederen Wassertemperaturen bei Donau und Drau vorerst keine Sabotageeinsätze mit Meereskämpfern zu planen und durchzuführen.178 Auf Grund dieses Verbots und der im Zusammenhang mit der Frühjahrsoffensive angeordneten Funkstille, findet sich im Monat März nur ein einziger Funkspruch in Bezug auf die „Winnetou“ im Bestand des Britischen Nationalarchivs.179

Zwar wurde im Rahmen der Vorbereitungen zur Operation „Frühlingserwachen“ auch ein Einsatz von Kampfschwimmern, im Rahmen der K.-Mittel der Marine, in die Überlegungen einbezogen. Doch aufgrund der niedrigen Wassertemperaturen und des Ausbleibens eines durchschlagenden Erfolges des Angriffsunternehmens sollte es dazu nicht kommen. So blieb den im Sonderkommando „Winnetou“ zusammengefassten Kampfschwimmern ein Einsatz im Westungarn erspart. Über die Gliederung und Stellenbesetzung dieses für Donau und Drau zuständigen Sonderkommandos hat sich wenig Konkretes überliefert. Es gibt lediglich einen Hinweis, dass Korvettenkapitän (V) Hermann Lüdke, welcher als Verwaltungsoffizier im Quartiermeisterstab des A.d.K. tätig war, bereits Anfang November 1944 von Vizeadmiral Heye mit der Führung der Unternehmens „Winnetou“ beauftragt worden sei.180 Die Einsetzung eines Logistikexperten zur Koordinierung der Einsätze im Bereich von Donau und Drau nach dem Ende der Winterpause würde durchaus einen Sinn gemacht haben, doch bleiben hier, vor allem bezüglich des zeitlichen Ablaufs viele Fragen offen.

Korvettenkapitän (V) Hermann Lüdke war bis Januar 1945 als Verwaltungsoffizier im Quartiermeisterstab der K.-Verbände tätig und wurde im Januar 1945, als Nachfolger von Marinestabsarzt Dr. Wandel, neuer Chef des Lehrkommandos 700 in List, welches für die Ausbildung der Kampfschwimmer zuständig war. In dieser Funktion könnte er ab März 1945 auch den Einsatz der Kampfschwimmer im Bereich Donau und Drau geleitet haben und in diesem Sinne „Winnetou“ zuzuordnen sein. Als Kommandoführer selbst, dürfte er aufgrund seines Dienstgrades wohl kaum in Frage gekommen sein.

177 TNA, DEFE 3/683, S. 621—623 (22.2.1945). FS K.-Stab z.b.V. 6/45 g.Kdos. 178 TNA, DEFE 3/684, S. 120 (5.3.1945). 179 Ebd., S. 512 (23.3.1945). So meldete „Winnetou“ am 23. März 1945 das Eintreffen der letzten Teile des Sonderverbands „Apache“ in Gänserndorf. 180 Für den Hinweis danke ich Dr. Hartwig Kobelt. Vgl. dazu: Michael Jung, Sabotage unter Wasser, Die deutschen Kampfschwimmer im Zweiten Weltkrieg, Hamburg, Berlin, Bonn 2004, S. 123. Das Datum November 1944 und die in den letzten Wochen des Krieges verwendete Tarnbezeichnung „Winnetou“ schließen sich jedoch gegenseitig aus.

49 Die letzte deutsche Offensive

Im Kriegstagebuch der Heeresgruppe Süd findet sich am 27. Februar 1945 bezüglich der Vorbereitung dieser letzten deutschen Offensivoperation folgender Hinweis: „Die Kriegsmarine wird Kleinkampfmittel besonders gegen die Brücke bei Dunaföldvar und beim O.B. Südost gegen die Brücken bei Batina und Baja bereitstellen.“181 Am. 1. März präzisierte das Kriegstagebuch: „Kleinkampfmittel der Kriegsmarine stehen für den Einsatz gegen die feindlichen Donau- Übergangsstellen bei Batina und Baja nach Regelung mit dem Verbindungs-Offz. der Kriegs- Marine bei der H.Gr. Süd zur Verfügung.“182

Unmittelbar vor dem Angriffsbeginn, am 3. März 1945, regte der Chef des Generalstabes der 6. SS- Panzerarmee an, gleichzeitig mit der Offensive auch ein Unternehmen über den Plattensee mit

181 NARA MF T-311 roll 162. KTB HGr. Süd, 27.2.1945, S. 11. 182NARA MF T-311 roll 162. KTB HGr. Süd, 1.3.1945, S. 4.

50 Sturmbooten der Marine durchzuführen.183 Dieser Vorschlag wurde von der Heeresgruppe zwar erwogen, musste jedoch verworfen werden, da die Stürme das Packeis an das Südufer des Sees getrieben hatten, sodass dort keine Landemöglichkeit gegeben war.184 An diesem Tag wurde auch der Angriffsbefehl für die letzte deutsche Offensive „Frühlingserwachen“ durch General der Infanterie Wöhler unterzeichnet. Der Befehl sah vor die K.-Mittel der Marine je nach Entwicklung der Lage, bei der 6. SS-Pz. Armee oder bei der Armeegruppe Balck einzusetzen. Dies betraf die bei Balatonalmádi und Szekesfehervar bereitgehaltenen Sonderkommandos „Winnetou“ und „Apache“. Während das Sonderkommando „Sioux“ bei dem den O.B. Südost unterstellten LXXXXI Armeekorps zum Einsatz kommen sollte.185

Während im kroatisch-ungarischen Raum das Sonderkommando „Sioux“ mehrmals im Zusammenhang mit der Offensive aktiv wurde, gab es an der oberen Donau im Bereich der Heeresgruppe Süd für die hier bereitgestellten K.-Kräfte kaum vergleichbare Aufgaben zu erledigen. Sowohl „Winnetou“ als auch „Apache“ standen im Verlauf der am 6. März 1945 begonnen Angriffsoperation „Frühlingserwachen“ abseits vom kriegerischen Geschehen. Dies vor allem auch, da die Offensive ihr weit gestecktes Ziel, das Erreichen und Überschreiten der Donau im Abschnitt südlich von Budapest, nicht annähernd erreichte. Betrachtet man die von der Heeresgruppe am 14. Februar 1945 übermittelten Aufgaben, so muss man feststellen, dass kein einziger dieser Punkte im Bereich von „Apache“ und „Winnetou“ auch nur ansatzweise zur Ausführung gekommen war. Das Sonderkommando „Apache“ lag während der Offensive zeitweise in Raab (Györ) und Komorn (Komárom/Komárno) in Bereitschaft, ohne jedoch zum Einsatz zu kommen.186

Erst im letzten Moment, am 16. März 1945, als sich die Angriffskraft der deutschen Verbände bereits erschöpft hatte, startete man unterhalb der Stadt Gran (Esztergom) den vergeblichen Versuch die sowjetischen Aktivitäten auf der Donau mit Hilfe einiger „Linsen“ zu stören. An diesem Tag traten die sowjetischen Truppen, direkt aus der Verteidigung heraus, zur Gegenoffensive an, die vor der Reichsgrenze nicht mehr zum Stehen gebracht werden konnte. Der sowjetische Vorstoß führte dazu, dass die im Bereich der Heeresgruppe Süd befindlichen K.- Verbände in den Strudel des Rückzuges hineingezogen wurden. Am 24. März wurde „Winnetou“ vom K.d.K. informiert, dass das Sonderkommando „Apache“ sofort aufzulösen sei und alle bisherigen Aufgaben auf „Winnetou“ übergingen.187 Wenige Tage später erhielt auch „Winnetou“ den Befehl eine Rückverlegung nach Norddeutschland vorzubereiten und jenes Material zu melden welches auf den vorhandenen Lastkraftwagen mitgeführt werden könne. Die vorhandenen Sprengmittel sollten zurückgelassen und an das Heer übergeben werden.188 Diese Eile wird verständlich, da die Rote Armee bereits am 29. März 1945, um 11:04 Uhr, unweit der kleinen burgenländischen Ortschaft Kloster Marienberg die Reichsgrenze überschritt.189

183 Es ist nicht eindeutig, ob hier an „Linsen“ oder an sonstige Boote der Marine gedacht war. 184 NARA MF T-311 roll 162. KTB HGr. Süd, 3.3.1945, S. 4. 185 NARA MF T-311 roll 162. Frame 7214344—7214360 (HGr. Süd, Ia 84/45gKdos. Chefs., vom 3.3.1945). . 186 Meister, Seekrieg, S. 332 nennt als zeitweise Stationierungsorte Raab (Györ), Komorn (Komarom), Karma (vermutlich ist Karmacs gemeint, eine Ortschaft unweit von der am südlichen Ende des Plattensees gelegenen Stadt Keszthely) und zuletzt Gänserndorf. 187 TNA, DEFE-3/684, S. 618 f. (24.3.1945) u. S. 620 (25.3.1945). 188 Ebd., S. 742 (31.3.1945). 189 Das 14. (selbstständige) Garde-Motorrad-Bataillon, unter dem Kommando von Garde-Major Plotnikow, überschritt als erstes die Reichsgrenze. Dieser Aufklärungsverband des 9. Garde-Mech-Korps verfügte neben 90 Beiwagenmaschinen auch über 10 Panzer vom Typ M-4A3 „Sherman“ und einige M-3 Halbkettenfahrzeuge, beides amerikanische Bauarten. Für die freundliche Auskunft bin ich Dr. Mag. Markus Reisner zu Dank verpflichtet.

51 Letzte Änderungen

In den letzten Wochen des Krieges verzichtete man im Bereich der Ostfront auf die bisher übliche Gliederung, da diese dem Wechsel von Teilen verschiedener K.-Verbände entsprechend den Erfordernissen der militärischen Lageentwicklung im Wege stand. Durch den Verzicht konnte man besser auf die spezielle Situation der unterschiedlichen Kriegsschauplätze reagieren und die Engpässe bei den Sonderkampfmitteln leichter ausgleichen. Hier wäre besonders auf den vorhandenen Mangel an Spreng- und Fernlenkbooten hinzuweisen, aber auch die erforderlichen besonderen Sprengmittel waren immer schwerer aufzubringen. Die Sonderkommandos „Apache“ und „Sioux“ dürften einsatzmäßig einem Mix aus M.E.K. und „Linsen“-Flottillen entsprochen haben, ohne an eine bestimmte Größenordnung und Gliederung gebunden zu sein. Diese „Sonderkommandos“ verfügten über die den M.E.K. üblichen Kampfmitteln auch über „Linsen“, die man auf Anhängern mitführte. Zusätzlich konnten bei entsprechend dem Bedarf eine bestimmte Anzahl von Kampfschwimmern zugeteilt werden. Neu war, dass die Kampfschwimmer eine eigenständige Kommandostruktur hatten und im Südostraum im Sonderkommando „Winnetou“ zusammengefasst waren. Das Sonderkommando „Apache“ war dem Befehlsbereich der Heeresgruppe Süd zugeordnet und „Sioux“ war für den Befehlsbereich der Heeresgruppe E vorgesehen. Beide Sonderkommandos wurden am 11. Februar 1945 in die Feldpostübersicht aufgenommen. Mit einiger Verspätung verzeichnete die Feldpostübersicht am 26. März 1945 die Umbenennung auf Marine K.-Verband Sonderkommando „Apache“ und „Sioux“.190 Gleichzeitig neigte sich auch die Ära von Kapitän zur See Düwel dem Ende zu. Ende März wurde der K.-Stab z.b.V. vom Attersee abgezogen und nach „Strandkoppel“, dem in Schleswig-Holstein, in der Gemeinde Timmendorfer Strand, errichteten Stabsquartier des Kleinkampfverbandes, beordert.

Ab dem 25. März 1945 führte das K.d.K. direkt und übernahm die bisher dem Stab Düwel wahrgenommenen Aufgaben. Scheinbar war man mit den Abläufen im Bereich des Admirals z.b.V. Südost unzufrieden gewesen und glaubte die verfahrene militärische Situation und die nachrichtentechnischen- und logistischen Probleme durch eine Straffung der Organisation wenden zu können.191 Auch der ehemalige M.V.O. beim O.B. Südost, Kapitän zur See von Both, welcher Vizeadmiral Liezmann zur Verwendung zugeteilt war, wurde von seiner Funktion entbunden und verließ den Attersee. Kapitän zur See von Both wurde in der Folge zum Leiter des „Marineauffangstabes Adria“ ernannt.

190 DEFE 3/683, S. 620 (22.2.45). Hier werden die neuen Tarnbezeichnungen für die Einsätze Donau und Drau bestätigt. Funksprüche mit der Kennung „Winnetou“ wurden von den Alliierten erstmals am 5., solche mit „Sioux“ am 8. und mit „Apache“ am 12. März 1945 aufgenommen. Für „Winnetou“ konnte keine Feldpostnummer ermittelt werden. Möglicherweise wurde hier die Feldpostnummer vom Lehr-Kdo 700 (13104) verwendet. 191 TNA, DEFE 3/684, S. 618 A u. 619 (24.3.1945) und 620 (25.3.1945).

52 Das Ende von „Apache“

Zum Zeitpunkt der unmittelbaren Übernahme der Führung im Südosten durch das K.d.K. näherten sich die Truppen der 3. Ukrainischen Front bereits der Reichsgrenze. Die hier im Bereich der Heeresgruppe Süd eingesetzten K.-Verbände hatten ihre Basislager räumen müssen und zogen sich auf Komorn, dem Sammelpunkt, zurück. Da sich die an beiden Ufern der Donau gelegene Stadt bald zu einem neuralgischen Punkt der deutschen Abwehrfront wurde, marschierte man weiter über die Reichsgrenze, so das „Winnetou“ am 23. März melden konnte, dass „Apache“ bereits vollständig in Gänserndorf eingetroffen sei.192 Am nächsten Tag befahl das K.d.K. die sofortige Auflösung des Sonderkommandos „Apache“, wobei die bisher wahrgenommenen Aufgaben fortan von „Winnetou“ wahrgenommen werden sollten. Alles im Wiener Raum nicht mehr benötigte Personal und Gerät sollte unverzüglich im Bahntransport nach Plön in Marsch gesetzt werden.193

Da die Transportkommandantur Wien die benötigten Waggon nicht sofort bereitstellten konnte, fuhr der Transportzug erst am 1. April 1945, zu einem Zeitpunkt als die Rote Armee bereits die Reichsgrenze auf breiter Front überschritten hatte, von Gänserndorf ab. Von hier führte die Fahrt über Prag und Berlin um nach zahlreichen Zwangsaufenthalten und Umleitungen und zweieinhalbwöchiger Fahrt den Entladebahnhof Plön zu erreichen.194 Der zweite Transport mit den Führungsteilen und der Funkstation hatte weniger Glück. Zwar konnte der Zug noch rechtzeitig das umkämpfte Wien verlassen, doch man kam nicht weit und stand am Abend des 6. April 1945 in der Bahnstation Göpfritz an der Wild, wo man auf die Weiterfahrt ins Protektorat wartete.195 Nach endlosen Warten endete hier am 9. April 1945 die Fahrt und die Zugsgarnitur musste auf Anordnung der Transportdienststellen entladen werden. Von Göpfritz aus ging es im Straßenmarsch in die nahegelegene Kreisstadt Horn.196

Der Grund für das Ende der Fahrt war in der Entscheidung Hitlers zu suchen, drei gepanzerte Divisionen von dem damals noch ruhigen Oder-Abschnitt der Ostfront abzuziehen um sie im Wiener Raum einzusetzen. Diese vorrangigen Transporte welche auf den Nord-Süd-Transversalen in Richtung Wien unterwegs waren, sorgten dafür, dass das übrige Verkehrsgeschehen zum Erliegen kam, wobei anzumerken wäre, dass alle diese Divisionen viel zu spät kamen um noch nachhaltig in das Kampfgeschehen um die zweitgrößte Stadt des Reiches einzugreifen. In Horn versuchte der Einsatzleiter von „Apache“ vergeblich Befehle für das weitere Vorgehen zu bekommen. Der einzige Erfolg war, dass ihm der Kommandant der Donauübergänge bei der Heeresgruppe Süd, der Kommandant des Stabes der Heeres-Pionierbrigade 127, schriftlich bestätigte, dass es keinerlei Verwendung mehr für die Sonderkommandos der Marine gab, was auch „Winnetou“ betraf.

Am 12. April 1945 setzte „Apache“ einen umfangreichen Funkspruch mit 155 Gruppen an das K.d.K. ab, dessen Inhalt wir nicht kennen, da er von den Briten nicht dechiffriert wurde.197 Vermutlich ging es dabei um die Absicht die in Horn festsitzenden Restteile von „Apache“ mit dem Sonderkommando „Sioux“ zu vereinen, welches sich zu dieser Zeit kämpfend von Kroatien nach Slowenien abgesetzt hatte um von hier aus das Reichsgebiet zu erreichen. Aufgrund der militärischen Lage und dem Kollaps des Schienennetzes war ein solcher Versuch der von

192TNA, DEFE 3/684, S. 512 (23.3.1945). 193Ebd., S. 618 f (24.3.1945). 194Patterson, Waffen, S. 337 f. Hier ein Auszug des Briefes von Norbert Keller an Maurice Laarman, vom 30.3.1987. 195 TNA, DEFE 3/684, S. 1025 (7.4.1945). Göpfritz an der Wild, eine zwischen Tulln und Gmünd (Ceske Velenice) gelegene Bahnstation an der Franz-Josef-Bahn, unweit des Bahnknotens Sigmundsherberg. Von hier aus funkte „Apache“ um 18:00 Uhr seine Lagemeldung an das K.d.K. 196 Ebd., S. 1232 (9.4.1945). Funkspruch von „Apache“ an das K.d.K. In Horn gab es eine Kaserne des Heeres. 197 TNA, DEFE 3/685, S. 5 (12.4.1945).

53 vornherein zum Scheitern verurteilt. Dementsprechend verbot das K.d.K. am 16.4.1945 die Durchführung der geplanten „Operation Graz“.198 Noch am selben Tag übermittelte „Apache“ seinen täglichen Lagebericht, mit Stand vom 15. April um 14:00 Uhr. Darin berichtete der Einsatzleiter dass er hier keinerlei Möglichkeit für eine weitere Verwendung mehr sähe.

Er habe nochmals mit der Heeres-Pionierbrigade 127, deren Gefechtsstand sich im Verteidigungsbereich Krems an der Donau befand, Kontakt aufgenommen ohne weitere Befehle zu bekommen. Auch eine Vorsprache beim Kommandanten des örtlichen Kampfabschnittes, Generalmajor Volkmann, der hier die Verteidigung des nördlichen Uferbereichs der Donau übernommen hatte, blieb ergebnislos. Ebenso scheiterte der Versuch an Sprengmittel zu kommen, da aufgrund der prekären allgemeinen Versorgungslage sich niemand imstande sah diesem Anliegen nachzukommen.199 Da weder Befehle noch Aufträge vorlagen und mit einer Transportmöglichkeit nach Norddeutschland nicht mehr zu rechnen war, wurde wohl im Einvernehmen mit dem K.d.K. beschlossen sich auf den naheliegenden Truppenübungsplatz Döllersheim (heute Allentsteig) zurückzuziehen, wo man im Raum Zwettl die weitere Entwicklung abwarten wollte.

Damit endete auch die Geschichte des im Einsatzraum verbliebenen Teils von „Apache“. Da sich das Wehrkreiskommando XVII ebenfalls ins nördliche Waldviertel nach Zwettl abgesetzt hatte, ist es nicht auszuschließen, dass hier nochmals ein direkter Kontakt mit Kapitän zur See Höring, dem M.V.O. bei den Wehrkreiskommando XVII und XVIII, zustande gekommen ist. Fest steht, dass mit der Lagemeldung vom 16. April 1945 die Funksprüche von „Apache“ im Bestand DEFE 3 enden.200 Die Funkverbindung zu „Winnetou“ war aus unbekannten Gründen bereits am 4. April 1945 abgebrochen.201

198 Ebd., S. 216 (16.4.1945). Bei dem Begriff „Operation Graz“ ist nicht klar, ob damit die Hauptstadt der Steiermark gemeint war oder ob es sich hierbei um einen Tarnbegriff handelte. 199 Generalmajor Volkmann war vorher Kommandeur der Luftkriegsschule 7 in Tulln. 200 TNA, DEFE 3/685, S. 221 f. (16.4.1945). 201 Ebd., S. 926 f. (4.4.1945). Der letzte Funkspruch wurde am 4. April um 12:04 Uhr abgesetzt.

54 „Winnetous“ Ende

Am 1. April meldete „Winnetou“ an das K.d.K., dass der Einsatzleiter vom Ia im Stab der Heeresgruppe Süd den Befehl erhalten hatte, sich für den Eventualfall bereitzuhalten, falls eine der Brücken zwischen Preßburg und Wien unzerstört in den Besitz des Gegners gelangen würde.202 Damit wurde die alte Forderung der Heeresgruppe erneuert, welche man bereits zum Jahresende 1944 an das Sonderkommando, welches später die Tarnbezeichnung „Apache“ führte, gerichtet hatte. Doch dieser Fall war bisher nicht eingetreten. Die von Preßburg nach Engerau (Petrzalka) führende Straßenbrücke wurde, als die letzte Donaubrücke vor Wien, am 3. April 1945 um 04:00 Uhr von Pionieren der Heerespionierbrigade 127 planmäßig gesprengt.203 Nach dieser Brückensprengung wurde die Frage der Sicherung der in Wien vorhandenen Donaubrücken akut. So meldete sich der Pionierführer der Heeresgruppe Süd am Abend des 31. März 1945 in dieser Angelegenheit telefonisch beim Oberkommando des Heeres, um Befehle zur Sprengung der Wiener Donaubrücken, bei einem überraschenden sowjetischen Vorstoß, zu erhalten. Der Leiter der Operationsabteilung im Generalstab des Heeres hielt die Angelegenheit für so wichtig, dass diese Angelegenheit sofort Hitler zur Entscheidung vorgelegt wurde.

Gänzlich unerwartet untersagte Hitler jegliche Brückenzerstörungen innerhalb der Ostmark.204 Da im Fall einer unzerstört in die Hände der Roten Armee gelangten Donaubrücke unabsehbare negative Folgen für die Lage der Heeresgruppe zu befürchten waren, reagierte der taktische Führungsstab der Heeresgruppe mit der vorsorglichen Bereitstellung von K.d.K.-Kräften für diesen Fall.205 In diesem Zusammenhang wurde von der Heeresgruppe im Einvernehmen mit dem K.d.K. vereinbart, dass die für den Einsatz in Wien nicht benötigten Teile von „Winnetou“ weiter nach Westen verlegt werden sollten. Dafür wurde der Raum Znaim (Znojmo) in Aussicht genommen. Diese Verlegung sollte mittels Bahntransport erfolgen, nur die mit Sprengmittel beladenen Lastkraftwagen sollten im Straßenmarsch in den neuen Bereitstellungsraum verlegen. Im Wiener Raum sollten lediglich zwei „Linsen“ samt der dazugehörigen Besatzung und Ausrüstung verbleiben.206

Am 3. April 1945 erhielt „Winnetou“ einen Sonderauftrag vom K.d.K. Der Einsatzleiter sollte sich unverzüglich mit dem für die östliche Ägäis zuständigen M.V.O. und mit der Transportleitung der Luftwaffe in Wien-Aspern in Verbindung zu setzen, um den Lufttransport einer Gruppe von „Meereskämpfern“ nach der Insel Leros sicherzustellen. Da zu diesem Zeitpunkt die Rote Armee bereits vor den Toren Wiens stand, sollten diese Kampfschwimmer mit ihrer 2.600 kg schweren Ausrüstung noch rechtzeitig ausgeflogen werden.207 Es darf bezweifelt werden ob dieses Unternehmen noch zur Durchführung kam. Am 4. April 1945 präzisierte die Heeresgruppe ihren Auftrag vom 1. April dahingehend, dass der Einsatzleiter sofort mit dem Stab des neu ernannten Kampfkommandanten von Wien Kontakt aufzunehmen habe. Im Sinne der Auftragserfüllung sollte

202 TNA, DEFE 3/684, S. 846 f (1.4.1945). Die Funktion Ia im Generalstab der Heeresgruppe war die des 1. Operationsoffiziers/Leiter der Führungsabteilung im taktischen Führungsstab. 203 Vgl. dazu auch den Fachartikel im HMA „Der deutsche Mineneinsatz auf der Donau 1944/45, wo das Kriegsgeschehen um die Festung Preßburg ausführlich behandelt wird. http://historisches-marinearchiv.de/sonstiges/artikel/donauverminung2.php 204 Vergleiche dazu auch Renato Schirer, Die Reichsbrücke im Zweiten Weltkrieg, in PRO CIVITATE AUSTRIAE, Informationen zur Stadtgeschichtsforschung in Österreich, Heft 17, 2012, S. 81—108, wo das Ringen um die Donaubrücken eingehend dargestellt wird. Eine wesentlich erweiterte Fassung findet sich unter: http://www.döbling.com/data/documents/DIE-REICHSBRUeCKE-.xps 205 Der wahre Hintergrund dieses Auftrages wurde „Winnetou“ natürlich nicht bekanntgegeben. In der diesbezüglichen Meldung an das K.d.K. heißt es, dass genaue Anweisungen zu dieser Aufgabe erst später erteilt werden. 206 TNA, DEFE 3/684, S. 846 f. (1.4.1945). Nach der Auflösung von „Apache“ standen „Winnetou“, neben den „Meereskämpfern“, nun auch „Linsen“ für einen Einsatz zur Verfügung. 207 Ebd., S. 877 (3.4.1945).

55 der Einsatzleiter die Absichten von General der Infanterie von Bünau, hinsichtlich der Sicherung der Donaubrücken und ihrer allfälligen Zerstörung erkunden.208 Vor allem aber sollte auf diesem Wege der Kampfkommandant auch über das Sonderkommando und seine Einsatzmöglichkeiten, im Falle des Scheiterns einer Sprengung der Donaubrücken, informiert werden.209 Die chaotischen Umstände in Wien verhinderten in der Folgezeit sowohl eine entsprechende Erkundung der in Frage kommenden Brücken, als auch die Durchführung von vorbereitenden Maßnahmen, welche für ein solches Unternehmen unabdingbar waren. Daher konnte man unter diesen Umständen kaum mit einer erfolgreiche Durchführung dieses K.-Einsatzes rechnen. Auch der Abtransport der nicht benötigten Teile von „Winnetou“ verzögerte sich erheblich, da die Transportkommandantur Wien die erforderlichen Waggons nicht bereitstellen konnte.210 Mittlerweile war die nach Westen führende Bahnlinie durch ständige Bombardements des Bahnknotens St. Pölten, durch die 15. US-Luftflotte, unterbrochen. So kam für diese Aufgabe nur mehr die nördlich der Donau, über Sigmundsherberg und Gmünd (Ceské Velenice), ins Protektorat führende Strecke in Frage. Auf dieser befand sich auch der zweite Transport von „Apache“, dessen Fahrt hier am 6. April, am Bahnhof Göpfritz an der Wild, endete.211 Auch die aus Wien abtransportierten Teile von „Winnetou“ wird es wohl ähnlich ergangen sein.

Am Abend des 6. April 1945 musste auf Befehl des Kampfkommandanten die erste von den Wiener Donaubrücken, die Stadlauer-Ostbahnbrücke, gesprengt werden, um eine Inbesitznahme durch die im Südosten der Stadt zur Donau vorrückenden Truppen der 3. Ukrainische Front zu verhindern. Dieses Ereignis wurde vor Hitler, wegen seines Befehls der jegliche Brückensprengung untersagte, bis zum 9. April 1945 geheim gehalten. Am diesem Tag meldete um 17:00 Uhr die Funkstation von „Apache“ dass der Transport noch immer in Göpfritz stehe und auf Anordnung der Transportdienststellen mittlerweile den Zug frei gemacht hatte, da an ein Weiterkommen vorerst nicht zu denken sei. In Bezug auf das Sonderkommando „Winnetou“ wurde berichtet, das man von der Dienststelle „Kommandant der Donauübergänge“ (Kommandeur Heeres-Pionierbrigade 127) einen schriftlichen Befehl bekommen habe, der besagte, dass für das Sonderkommando „Winnetou“ kein weiterer Bedarf mehr bestehe und dessen Spezialauftrag hinfällig geworden sei.212 Dies ist somit der letzte bekannte Hinweis auf das Sonderkommando „Winnetou“.

Nach den vorliegenden Funkmeldungen ist zu vermuten, dass „Winnetou“ bereits in der Anfangsphase des Kampfes um Wien seine Funkstelle verloren hatte, oder technische Probleme die Aufrechterhaltung der Funkverbindung zum K.d.K. verhinderten.213 Bis zum 10. April 1945 adressierte die Funkstelle des K.d.K. ihre Funksprüche noch nachrichtlich an „Winnetou“.214 Nach diesem Zeitpunkt gab es dann keinerlei Sprüche adressiert an „Winnetou“ mehr. Ab dem 4. April 1945 wurde nur mehr mit der Funkstelle von „Apache“, die es hier im Großraum Wien eigentlich gar nicht mehr geben sollte, ein Funkverkehr aufrechterhalten. Es darf angenommen werden, dass das Sonderkommando „Winnetou“ mit der Beendigung der Kampfhandlungen in Wien, am 14./15. April 1945, zumindest als Organisationseinheit, nicht mehr existierte. Eine Laune des Kriegsgottes wollte es, dass letztlich genau jener Fall eintrat, den der Chef des Stabes der Heeresgruppe zur Monatswende März/April befürchtete. Nämlich das eine der Donaubrücken unversehrt in die Hand des Gegners fallen könnte. Es war dies die tagelang hart umkämpfte Reichsbrücke, welche am Abend des 13. April 1945, als sich die deutschen Truppen aus dem Bereich der am linken Ufer gelegenen Vorbrücken zurückziehen mussten, nicht mehr gesprengt werden konnte. So konnte die

208 Der Kampfkommandant General der Infanterie von Bünau war erst am Abend des Vortages in Wien eingetroffen. 209 Dem Kampfkommandanten wurde für diese Aufgabe die Heeres-Pionierbrigade 127 unterstellt. 210 TNA, DEFE 3/684, S. 926 f. (4.4.1945). Geplant war Wien am Vormittag des 4.4.1945 zu verlassen. 211 Ebd., S. 1025 (7.4.1945). 212 Ebd., S. 1232 (9.4.1945). 213 Die letzte im Bestand DEFE 3/684 vorhandene Funkspruch von „Winnetou“ ist vom 4.4.1945 (S. 926 f.). 214 TNA, DEFE 3/684 S. 1239 (10.4.1945).

56 Rote Armee diesen wichtigen Donauübergang mit nur geringen Beschädigungen in Besitz nehmen. In diesem Zusammenhang wäre noch anzumerken, dass nach der Einnahme von Wien durch die sowjetischen Truppen nicht die geringste Chance bestand die Brücke eventuell noch durch Kampfschwimmer oder Sprengboote zu zerstören.215 Um von dem noch von der Wehrmacht gehaltenen linken Donauufer, oberhalb des Gaues Groß-Wien, bis zur Reichsbrücke vorzustoßen, hätte man drei gesprengte und im Strom liegende Brücken überwinden müssen. Eine allerletzte Meldung zur Donau, vom 23. April 1945, die sich im Bestand DEFE 3 im Londoner National Archiv überliefert hat, zeigt deutlich das Zusammenrücken von West- und Ostfront. Denn das von der Wehrmacht gehaltene Gebiet wurde von Tag zu Tag kleiner, mittlerweile hatten die westlichen Alliierten das Reichsgebiet in einen Nordraum und einen Südraum aufgespalten. Die in London dechiffrierte Meldung besagte das ein Marine-Spezialkommando zum Einsatz auf der Donau zwischen Donauwörth und Dillingen zum Einsatz bereit stünde. Es handelte sich um fünf Gruppen zu jeweils drei Kampfschwimmern. Jeder dieser Kampfschwimmer sei mit zwei 5 kg schweren Sprengstoffpaketen und den entsprechenden Zündmitteln ausgestattet. Ihre Aufgabe war es im Morgengrauen des 24. April 1945, im Hinterland des Gegners, die bereits im Besitz der Alliierten befindliche Brücken zu sprengen um den Nachschub zu stören.216 Dieser wohl letzte Einsatz von Kampfschwimmern auf der Donau, wenn er denn überhaupt zur Ausführung kam, dürfte in keinem Zusammenhang mit „Winnetou“ gestanden haben.

Schematische Darstellung eines Angriffs auf große Brückenpfeiler mit vier Meereskämpfern und schweren Sprengpäckchen (NARA, Foreign Military Studies).

215 Der aktuelle Forschungsstand findet sich bei Renato Schirer, Die Reichsbrücke im Zweiten Weltkrieg, in PRO CIVITATE AUSTRIAE, Informationen zur Stadtgeschichtsforschung in Österreich, Heft 17, 2012, S. 81—108. 216 TNA, DEFE 3/570 S. 382. Die Meldung lag entschlüsselt am 24.4.1945 um 12:17 Uhr vor, der Einsatz war an diesem Tag bereits im Morgengrauen erfolgt. Dieses Beispiel zeigt recht deutlich, dass nicht jede abgehörte Informationen für die kämpfende Truppe auch von direktem Wert war.

57 Das Sonderkommando „Sioux“

Die bisher in Ungarn eingesetzt gewesenen Teile von Glatze sammelten um die Monatswende Januar/Februar 1945 im Wiener Raum, um hier neu formiert zu werden. Weitere Teile des Sonderkommandos, welche man vorsorglich für einen Einsatz auf Drau und Donau nach Kroatien verbracht hatte, befanden sich noch im Raum Agram (Zagreb). Wegen der ständig blockierten Bahn- und Straßenverbindung, welche durch das von den Partisanen beherrschte Gebiet der Untersteiermark und Krain führten, entschloss man sich diese Teile an Ort und Stelle aufzulösen, da an eine Rückholung nach Wien in absehbarer Zeit nicht zu denken war.217 Nachdem die Teile der aufgelösten K.-Flottille 217, unter dem Kommando von Oberleutnant z. S. Müller-Voß, in Gänserndorf eingetroffen war, wurde hier mit der Aufstellung von zwei neuen Sonderkommandos der Marine, jeweils für die Heeresgruppe Süd und F, begonnen. Dafür standen neben dem Neuzugang aus Schleswig-Holstein auch Personal und Gerät des aufgelösten Sonderkommandos „Glatze“ und des 1. Zuges des M.E.K. 71, welcher ebenfalls der Auflösung anheimfiel, zur Verfügung.218 Bereits nach drei Tagen Aufenthalt in Gänserndorf wurde der für die Heeresgruppe F bestimmte Verband unter Oberleutnant z. S. Dr. Müller-Voß im Bahntransport weiter nach Agram befördert.219 Hier blieb das vorerst noch namenlose Sonderkommando einige Tage, die dazu benützt wurden um das von „Glatze“ zurückgebliebene Personal und Gerät einzugliedern.220

Erst mit dem Eintreffen im neuen Einsatzraum änderte sich die Bezeichnung der Einheit auf Sonderkommando „Sioux“.221 Die Aufgabe des Sonderverbandes sollte es sein, hier im Bereich der Heeresgruppe F und in Kooperation mit der Heeresgruppe Süd gegen die stromabwärts von Budapest gelegenen Donauübergänge des Gegners zu operieren.222

Alte Ansicht von Aljmas (ungarisch Almás, deutsch Apfeldorf), heute ein Teil der kroatischen Gemeinde Erdut. (Postkarte um 1930).

217 TNA, DEFE 3/683, S. 620 f. (22.2.1945). Vergleiche dazu den ähnlichen Vorgang, die Auflösung der für den Drau- Bereich vorgesehen Kampfschwimmer-Gruppe von „Winnetou“ in Wien, wegen der fehlenden Transportmöglichkeit. 218 Oberleutnant zur See Dr. Ullrich Müller-Voß war ursprünglich als Flottillenchef der in Aufstellung befindlichen K.- Flottille 217 vorgesehen. Oberleutnant Gerhard Greß war als Gruppenführer und Leutnant Alfred Mohr Führer des Fernlenkzuges in Aussicht genommen. 219 Meyer, Mit Seesack, S. 79. 220 Ebd. und TNA, DEFE 3/683, S. 620 f. (22.2.1945). 221 In DEFE 3/683, S. 620 (22.2.45) werden die neuen Tarnbezeichnungen für die Einsätze Donau und Drau bestätigt. Funksprüche mit der Kennung „Sioux“ wurden erstmals am 8.3.1945 aufgenommen. 222 TNA, DEFE 3/683, S. 43 (15.2.1945). Meister, Seekrieg, S. 322, nennt folgende Zusammensetzung: Sprengbootkompanie, Marine-Einsatzkompanie, Sprengkompanie mit Torpedosätzen (wohl TMB).

58 „Sioux“ richtete seine Basis in Aljmas, einer kleinen am rechten Donauufer gelegenen Ortschaft ein. Die Lage des Ortes, unmittelbar unterhalb der Einmündung der Drau, machte ein Befahren von beiden Flüssen möglich.223 Als hauptsächliches Einsatzgebiet war die Donau vorgesehen, wobei sich der Einsatzbereich flussaufwärts bis nach Baja und flussabwärts bis nach Novi Sad erstreckte.224 So günstig die die Basis auch gelegen war, das umliegende unwegsame Gebiet, heute ein Nationalpark, wimmelte von Partisanen welche das Sonderkommando ständig im Auge behielten. Es konnte daher nur eine Frage der Zeit sein, bis die Aktivitäten des Sonderkommandos auch der gegnerischen Seite zur Kenntnis kamen.

Die Mündung der Drau in die Donau bei Aljmas (Postkarte). Bereits unmittelbar nach der Ankunft in Aljmas wartete ein erster Auftrag auf das Sonderkommando. Mit Hilfe zweier „Linsen“ sollte ein Kundschafter, vermutlich war es ein Angehörigen eines Frontaufklärungs-Kommandos, am feindbesetzten linken Donauufer abgesetzt werden. Während die Besatzung einer „Linse“ die Anlandung mit ihren Handwaffen sicherte, brachte das andere Boot den Agenten sicher an Land. Nach erfülltem Auftrag kehrten beide „Linsen“ unbehelligt nach Aljmas zurück. Der Erfolg des Unternehmens blieb zweifelhaft, da kurz nach der Umkehr der Boote, in dem Bereich wo man den Mann abgesetzt hatte, ein heftiger Schusswechsel zu hören war.225 Als man im Einsatzraum angekommen war, musste man mit Bestürzung feststellen, dass eine Fernsteuerung der mit Sprengstoff beladenen Linsen, sowie ursprünglich vorgesehen, wegen der starken Strömung auf dem Strom kaum möglich war. Daher musste eine andere Einsatztaktik gefunden werden. Diese überraschende Erkenntnis war besonders bitter, da man unmittelbar vor den Frühjahrsoffensiven stand, dem Unternehmen

223 Meyer, Mit Seesack, S. 79. Aljmas ist ein kleines Dorf südlich der Mündung der Drau und Teil der slawonischen Gemeinde Erdut in Ostkroatien. Der Ort liegt direkt am rechten Donauufer bei Stromkilometer 1380,50. 224 Meister, Seekrieg, S. 332. 225 Meyer, Mit Seesack, S. 80.

59 „Frühlingserwachen“ im Bereich der Heeresgruppe Süd und „Waldteufel“ im Bereich des OB. Südost (Heeresgruppe F und E). Als Alternative zur Fernlenkung wollte man die „Versenklinsen“, ohne die Fernsteuerung zu benutzen, unter dem Schutz der im Nahkampf ausgebildeten Einsatzgruppe einsetzen. Deren Männer sollten auf drei „K.-Linsen“ verteilt werden und die Sprengstoffträger bis zum Ziel eskortieren. Die beiden Männer, welche den „Versenklinse“ ins Ziel steuerten, sollten ihr Fahrzeug dann unmittelbar vor der zu erwarteten Detonation verlassen. Wegen der vor dem Beginn der Offensiven verhängten Funkstille konnte diese Änderung nicht an das K.d.K. gemeldet werden. Erschwerend war, dass selbst die Seekriegsleitung wegen der von Hitler verordneten besonderen Geheimhaltung über das Vorhaben erst mit Angriffsbeginn informiert wurde. So rätselte das K.d.K., aber auch der K.-Stab z.b.V., über das Ausblieben der täglichen Lagemeldungen und den Verbleib des Sonderkommandos.

Batina/Bezdan und Apatin. Der neue Einsatzraum von „Sioux“, die Donau zwischen Mohács und der Mündung der Drau (Drava). NARA RG 242, Fliegerkarte 1:500000 L 34-SW BELGRAD (Ausschnitt). Das Kriegstagebuch der Heeresgruppe Süd vermerkte am 1. März 1945 erstmals, dass Kleinkampfmittel der Kriegsmarine für einen Einsatz gegen die feindlichen Donau- Übergangsstellen bei Batina und Baja, nach Absprache mit dem Verbindungsoffizier der Kriegsmarine bei der Heeresgruppe Süd, zur Verfügung stehen.226 Für einen derartigen Einsatz kam vorerst nur „Sioux“ in Frage, da nur hier ein Zugang zur Donau im Abschnitt unterhalb von Budapest gegeben war. Bei den angesprochenen Übergangsstellen bei Baja handelte es sich um eine

226 NARA MF T-311 roll 162. KTB HGr. Süd, 1.3.1945, S. 4.

60 Brücke im ungarischen Bereich der Donau bei Stromkilometer 1480. Der wichtige Übergang direkt in der Hauptstoßrichtung der Offensive sollte unbedingt zerstört werden und befand sich etwa 80 Kilometer unterhalb der bereits bekannten Brücke bei Dunaföldvar, wo im Januar 1945 der erste Einsatz der K.-Verbände im Südostraum gescheitert war.

Im Bereich Serbien und Kroatien galt als primäres Ziel die von russischen Pionieren, im Bereich der Stromenge bei Kilometer 1425, errichtete Pontonbrücke welche die serbischen Stadt Bezdan mit dem kleinen kroatischen Ort Batina verband. Hier lagen die Erfolgsaussichten wesentlich günstiger als in Ungarn, da sich der Übergang nur 45 km oberhalb des Basislagers befand. Die Brücke bei Baja war schon von der Erreichbarkeit her ein unlösbares Problem. Hier mussten die Linsen 100 km bergwärts fahrend, gegen die starke Strömung ankämpfen. Doch das größte Hindernis war, dass auf halber Strecke noch die Pontonbrücke von Batina zu überwinden war. Sieht man sich hier die Detailkarte bezüglich des Verlaufs der Donau in diesem Bereich an, so stellt sich unweigerlich die Frage, wie diese Engstelle bei Batina, wo sich auch die russische Pontonbrücke befand, überhaupt überwunden werden sollte.

Oberleutnant zur See Dr. Müller-Voß Der Einsatzleiter Oberleutnant z. S. Dr. Müller-Voß, völlig auf sich gestellt und ohne Funkkontakt zum K.d.K., musste, nach dem Motto „Befehl ist Befehl“, den Auftrag wohl oder übel exekutieren. Der Zeitdruck war derartig groß, dass man nicht nur auf jegliche Erkundung und Vorbereitung verzichten musste sondern die Abstrusität dieses Unternehmens gar nicht realisierte. Obwohl die Großoffensive bereits in den Morgenstunden des 6. März begonnen hatte, konnte Sioux“ erst in der Nacht vom 7. auf den 8. März 1945 antreten. Mit Einbruch der Dämmerung eskortierten drei K.- Linsen die Sprengstoffträger auf ihren gefahrvollen Weg. Doch das Schicksal hatte Einsicht mit den Männern, eine „Linse“ nach der anderen fiel mit defekten Motoren aus und das Unternehmen musste bereits in der Anfangsphase abgebrochen werden.227 Die Motoren der schwer beladenen und vollbesetzten „Linsen“ waren für eine lange Fahrt gegen die starke Strömung, so wie sie auf der

227 TNA, DEFE 3/684, S. 118 (8.3.1945).

61 Donau gegeben war, einfach nicht ausgelegt. Die bekannten Probleme mit dem Ford V-8 Ottomotor der „Linsen“ sorgten dafür, dass dieses wahnwitzige Unternehmen für die Beteiligten einigermaßen glimpflich ausging. Der einzige messbare Erfolg des nächtlichen Unternehmens beschränkte sich auf die Gewinnung einiger Erkenntnisse über die am Ufer liegenden gegnerischen Stellungen. Als in der Funkzentrale des K.d.K., nach einer langen Periode des Schweigens, am 8. März 1945 ein Funkspruch von „Sioux“ empfangen wurde, gab dieser Rätsel auf. Darin wurde ein Abbruch des Unternehmens wegen zahlreicher technischer Defekte gemeldet und die Durchführung des Unternehmens „Batina“ für die nächste Nacht angekündigt.228 Da man weder beim K.d.K. noch beim K.-Stab z.b.V. etwas über diese Vorhaben wusste, wurde am nächsten Tag folgender Funkspruch abgesetzt: Welches Unternehmen wurde abgebrochen? Was war das Objekt des Unternehmens? Was ist die „Batina-Gruppe“?229 Erst mit der noch am selben Tag eingehenden Antwort kam Klarheit in diese Angelegenheit. Zu diesem Zeitpunkt war bereits das Scheitern der zweiten Operation bekannt, welche sich in der vergangenen Nacht gegen die russische Pontonbrücke bei Batina gerichtet hatte.230

Beim Unternehmen „Batina“ waren vier „K.-Linsen“ und fünf „Versenklinsen“ zum Einsatz gekommen, doch nur eine „K.-Linse“ erreichte die 45 km stromaufwärts gelegene Pontonbrücke. Dabei kam zu einem kurzen Geplänkel mit der Brückenwache, wobei aus der „K.-Linse“ auch eine Panzerfaust abgefeuert wurde, anschließend kehrte die Besatzung ohne Verluste zur Basis zurück. Von der Verunsicherung des Gegners abgesehen, dürften sich der Schaden an der Pontonbrücke in Grenzen gehalten haben, ebenso dürften die Angaben über die Verluste des Gegners, von mehr als zehn Mann, übertrieben gewesen sein. Letztlich war es für die Sowjets nicht mehr als ein Nadelstich, für die deutsche Seite war die Bilanz jedoch eine Katastrophe. Drei „K.-Linsen“ und drei „Versenklinsen“ waren noch vor dem Ziel durch Motorschäden ausgefallenen und zwei „Versenklinsen“ galten als vermisst und mussten mit der Besatzung von vier Mann als Totalverlust angesehen werden.231

Beide Unternehmungen scheiterten an den fehleranfälligen Bootsmotoren. Die wohl konstruktionsbedingten Mängel, wie ungenügende Kühlleistung und häufige Vergaserausfälle durch eindringendes Spritzwasser, waren durch keine noch so hohe Motivation wettzumachen.232 Die Serie der technischen Probleme riss nicht ab, so wurde am 11. März vor einer Verwendung der TMB-Pakete gewarnt, auf deren Einsatz man so große Hoffnungen gesetzt hatte.233 Nach dem Fiasko mit den „Linsen“ hatten nun auch die Kampfschwimmer ein ernsthaftes Problem.234 Nachdem sich die Angriffskraft der deutschen Armeen verbraucht hatte trat die Rote Armee am 16. März 1945 zur Gegenoffensive an. In diesem Zusammenhang sollte auf Befehl der Heeresgruppe E das gescheiterte Unternehmen gegen die Pontonbrücke zwischen Bezdan und Batina in der Nacht vom 16. auf den 17. März 1945 wiederholt werden. Der Angriff wurde prompt zu einem neuerlichen Fiasko. Bereits von Anfang an stand das Unternehmen unter keinen guten Stern. So fiel bereits bei der Abfahrt der Motor eine „Versenklinse“ wegen eines Wasserschlages im Zylinder aus.

228 TNA, DEFE 3/684, S. 118 (8.3.1945). 229 Ebd., S. 126 (9.3.1945). 230 Ebd., S. 128 u. 357 (9.3.1945). 231 Ebd., S. 128 (9.3.1945). Die Schilderung der „Linsen“-Einsätze im Buch von Karl Meyer, auf Seite 80 f., lassen sich im Einzelnen nicht nachvollziehen. Hier dürfte es sich um eine Zusammenziehung des erlebten Geschehens aus mehreren Einsätzen handeln. 232 Ebd., S. 118 (8.3.1945), S. 126 und S. 357 (9.3.1945). Bei den „Linsen“ verwendete man einen handelsüblichen Ford V-8 Motor, dessen Modifizierung zum Bootsmotor mit Fehlern behaftet war. 233 Ebd., S. 161 (11.3.1945). Die Uhrwerkschalter in den TMB-Paketen funktionierten nicht. Diese Nachricht ging auch „Winnetou“ und „Apache“. Bei der Torpedo-Mine B, mit der Kurzbezeichnung TMB handelte es sich um eine Grundmine mit 580 kg Sprengladung welche ursprünglich für den Einsatz in U-Booten gedacht war. 234 Ebd., S. 247 (12.3.1945). Die Nachricht für „Winnetou“ war an den dortigen Sperrwaffenoffizier Oberleutnant Bartsch gerichtet.

62 Bald nach dem Start fiel eine „K.-Linse“ aus, nach kurzer Fahrt folgten zwei „Versenklinsen“ nach, die alle Probleme mit dem Kühlsystem bekamen.235 Die weiter stromaufwärts fahrenden „Linsen“ trafen bei Apatin auf eine russische Sperre und wurden von zwei am Ufer postierten Scheinwerfern erfasst und mit Maschinenwaffen bekämpft. Da an eine weitere Durchführung des Auftrags, mit nur zwei einsatzklaren „Linsen“, ohnehin nicht zu denken war, brach man das Unternehmen ab.236 Nach diesem neuerlichen Versagen meldete der Einsatzleiter, dass keine neuen Operationen mehr durchgeführt werden können, solange die technischen Mängel nicht behoben wären.237 Die Heeresgruppe Süd, deren Frontlinie bereits weit hinter dem Plattensee lag und sich der Reichsgrenze näherte, hatte mittlerweile das Interesse an der Pontonbrücke bei Batina verloren. Daher wandte sich die Heeresgruppe E, der „Sioux“ unterstellt war, lohnenderen Zielen zu, die stromabwärts von Aljmas lagen. Hier versprach man sich auch wesentlich günstigere Erfolgsaussichten.238

Der Bereich der Fährstellen der Roten Armee bei Sarengrad und Ilok. NARA RG-77, AMS M501, 1:250000 (Ausschnitt). Nach Ansicht des Heeresgruppe E kam hier in erster Linie die Bekämpfung der von den russischen Pionieren betriebenen Fährstellen bei den Ortschaften Sarengrad (Stromkilometer 1306) und Ilok (km 1298,80) in Frage. Gegen die Fähren bei Sarengrad und Ilok wollte man jeweils drei Boote

235 TNA, DEFE 3/684, S. 258 (16.3.1945). 236 BArch-MArch, RM 7/852. KTB der Skl. Teil D, Ergänzungen Teil I, 14.3—20.4.1945, S. 55, (19.3.1945); zitiert nach Kobelt, M.E.K., S.136 f. 237 TNA, DEFE 3/684, S. 258 (16.3.1945). 238 Die Heeresgruppe E übernahm ab dem 23. März das Kommando über den Bereich der bisherigen Heeresgruppe F. Generaloberst Löhr, der O.B. der Heeresgruppe E, wurde als Nachfolger von Generalfeldmarschall von Weichs, der in die Führerreserve versetzt wurde, der neue O.B. Südost.

63 einsetzen, wobei eine „K.-Linse“ den Feuerschutz von zwei „Versenklinsen“ übernehmen sollte. Unter Verzicht auf die Fernsteuerung sollten die Sprengboote bis zum Ziel eskortiert werden.239 Mit Hilfe der Strömung rechnete man damit das Ziel rasch zu erreichen, trotzdem war ein derartiger Vorstoß auf der nächtlichen Donau ein gewagtes Unternehmen. Besonders wenn der Gegner bereits alarmiert ist und die Boote gegen die starke Strömung, vorbei an feindbesetzten Ufer, zur Basis zurück mussten. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete man in Aljmas fieberhaft daran, möglichst viele Boote einsatzbereit zu bekommen und die Mängel an den Antriebsaggregaten zu beseitigen. Entsprechend den Angaben der Instandsetzungsstaffel rechnete man frühestens mit der Möglichkeit einer Durchführung während der Nacht vom 25. auf den 26. März 1945.

Bei den gewünschten Einsätzen gegen Sarengrad und Ilok handelte es sich um schwierige, aber durchaus erfüllbare Aufgaben. Hier konnte die rund 80 km Fahrt flussabwärts, mit Hilfe der Strömung, rasch erfolgen. Doch dabei blieb es nicht, auch bei der Heeresgruppe E konnte man es einfach nicht lassen, nach den Sternen zu greifen. So wurden, neben Sarengrad und Ilok, auch die vermutlich bereits wiederhergestellte Donaubrücke bei Novi Sad und jene über die Save bei Sabac als lohnende Ziele vorgegeben, obwohl dazu nicht einmal aktuelle Luftbilder vorlagen.240

Die von der Heeresgruppe E vorgegeben Ziele, weit im Hinterland der Front. Novi Sad an der Donau und die an der Save gelegene Stadt Sabac. NARA, RG-242, Fliegerkarte 1:500000 Belgrad (Ausschnitt). Liest man diese Zielvorgaben, so könnte man den Eindruck gewinnen, dass Heer wollte die lästigen Kleinkrieger einfach loswerden, den die Städte Novi Sad und Sabac lagen weit im Hinterland der sowjetischen Front. Nach den bisherigen Erfahrungen lag Novi Sad an der Grenze des Machbaren. An ein weiteres Vordringen bis in den Raum Belgrad war bei der damaligen Frontlage überhaupt

239 TNA, DEFE 3/684, S. 508 f. (21.3.1945). 240 Ebd.

64 nicht zu denken und die Vorstellung von der Donau aus über die Save bis zur Brücke von Sabac vorzudringen muss als eine Utopie abgetan werden. Es war das gleiche Wunschdenken und derselbe Einsatzraum, damals war es die Heeresgruppe F, welcher zur Monatswende Oktober/November 1944 zum Einsatzs von K.-Mitteln im Südosten geführt hatte. Um den Vorstellungen der Heeresgruppe entgegen zu kommen bezog man zumindest Novi Sad in die Planung ein, was immerhin eine Fahrtstrecke von jeweils 120 km für die Hin- und Rückfahrt erforderte.

Bezüglich Sarengrad und Ilok hatte man sich zu der Einsicht durchgerungen, dass der ursprünglich vorgesehene Plan, zumindest für die Besatzungen der Sprengstoffträger, einem Selbstmordkommando gleichkam. Daher modifizierte man das Vorhaben dahingehend, dass man auf den Einsatz der klassischen „Versenklinsen“ verzichtete. Zusätzlich bezog man auch einen Vorstoß nach Novi Sad in das Unternehmen ein. Die sieben einsatzbereiten „Linsen“ wollte man auf drei Gruppen aufteilen. Drei sollten gegen Sarengrad eingesetzt werden und jeweils zwei gegen Ilok und Novi Sad. Jeder Bootsbesatzung wurde mit 50 kg an Sprengmitteln ausgestattet, mit deren Hilfe möglichst viele Fähren und Schiffe des Gegners ausgeschaltet werden sollten. Einen Einsatz gegen eine Donaubrücke, so wie es im Fall von Novi Sad ursprünglich vorgesehen war, konnte man mit dieser Menge Sprengstoff sicherlich nicht durchführen. Des Weiteren lautete der Auftrag an die Besatzungen, möglichst umfassende Erkenntnisse über den gegnerischen Schiffsverkehr und über die mittlerweile errichteten Behelfsbrücken und Fähren zu gewinnen.241

Der „Dreifachschlag“ kam so wie vorgesehen in der Nacht vom 25. auf den 26. März 1945 zur Ausführung. Zur Überraschung aller, konnte die für den Raum Novi Sad bestimmte Gruppe als einzige ihre Mission erfolgreich ausführen, obwohl sie den weitesten Weg durchs feindbesetzte Gebiet zurückzulegen hatte. Unter der Ausnützung des Überraschungsmoments gelang es drei Motorfrachter von jeweils 500 Tonnen, einer davon war mit Getreide beladen und einen hölzernen Kahn von etwa 300 Tonnen zu versenken. Bei einer weiteren Aktion, es handelte sich um ein kleines Motorschiff, konnte der Erfolg nicht mehr beobachtet werden. Vor dem Antritt der Rückfahrt konnte noch jeweils eine Sprengladung an einem Verladekran und an einer Lagerhalle angebracht werden. Auf dem Weg zurück zur Basis konnte noch eine Fähre und ein Schlepper durch Sprengladungen außer Betrieb gesetzt werden.242 Obwohl, nach einer gewissen Verzögerung durch die Überraschung, eine starke Gegenwehr einsetzte, kam die Gruppe ohne Verluste zurück.

Doch nun war der Gegner gewarnt und die für Ilok vorgesehene Gruppe wurde schon von zwei sowjetischen Monitoren erwartet. Es gelang noch eine Panzerfaust abzufeuern, dann waren die Boote zur Umkehr gezwungen, wobei eine „Linse“ einen Treffer abbekam und drei Soldaten verwundet wurden. Auch der für Sarengrad bestimmten Gruppe gelang es nicht den zugewiesenen Auftrag zu erfüllen. Die drei Linsen mussten wegen des starken Abwehrfeuers, welches bereits unmittelbar nach dem Verlassen der Basis einsetzte, umkehren.243 Der Vorstoß bis auf Höhe von Novi Sad war wohl ein einmaliger und kaum zu wiederholender Glücksfall, der unter Ausnutzung des Überraschungsmoments gelang. Der erfolgreiche Teil des Unternehmen, jener gegen Novi Sad, wurde in der Folge propagandistisch überhöht und weidlich ausgeschlachtet. So fand er auch Eingang in den Wehrmachtsbericht vom 29. März 1945: „Sprengboote der Kriegsmarine versenkten auf der Donau bei Neusatz vier Flussschiffe und sprengten Fähr- und Verladeeinrichtungen sowie Materiallager der Sowjets in die Luft“.244 In Zusammenhang mit diesem Vorstoß erwähnt Jürg Meister in seinem Werk über den Seekrieg in osteuropäischen Gewässern, dass die Besatzungen der

241 TNA, DEFE 3/684, S. 522 (23.3.1945). 242 BArch-MArch, RM 7/852. KTB der Skl. Teil D, Ergänzungen Teil I, 14.3—20.4.1945, S. 55; zitiert nach Kobelt, M.E.K., S.136 f. und DEFE 3/684, S. 621A (27.3.1945) u. S. 709 (29.3.1945). 243 TNA, DEFE 3/684, S. 621A (27.3.1945). 244 Wehrmachtsbericht vom 29.3.1945. Das Ereignis wurde auch in den Wiener Tageszeitungen kundgemacht.

65 „Linsen“ den bevorstehenden sowjetischen Aufmarsch rechtzeitig erkannt hätten, doch diese Meldungen vom Heer als wenig wahrscheinlich abgetan wurden.245

Zur Zusammenarbeit der Heeresgruppe mit den Kräften der Kriegsmarine wäre anzumerken, dass die von Generaloberst Löhr geführte Heeresgruppe E in der Vergangenheit stets kooperativ gewesen war. Diese Zusammenarbeit basierte auf den gemeinsam durchgeführten zahlreichen und oft auch verlustreichen Operationen zur Versorgung und Räumung der Inselfestungen in der Ägäis. Als Indiz für die gedeihliche Zusammenarbeit darf gelten, dass der bewährte M.V.O. der Heeresgruppe, als einziger von den im Südostraum tätigen Verbindungsoffizieren bis zur Kapitulation in seiner Funktion verblieb. Ein Funkspruch des K.d.K. forderte am 22. März 1945 die bisherigen Erfahrungen beim Einsatz von Treibminen zu berichten. Der Grund des Interesses war, dass die Mitte Februar angeforderten 100 Kugel-Treibminen 41 samt Zubehör im Sperrwaffen- Arsenal in Linz-Ebelsberg eingetroffen waren.246 Die Antwort lautete, dass das Ablassen von Treibminen bisher durch Pioniere des Heeres erfolgt sei, ohne das ein Erfolg zu erkennen war. Böses ahnend, fügte der Einsatzleiter vorsorglich hinzu, dass im hiesigen Bereich kein Bedarf an Kugeltreibminen gegeben sei und er auch keine Möglichkeit zum Einsatz von TMB-Paketen sehe.247

Seit dem 23. März hatte die Heeresgruppe E den Oberbefehl über dem gesamten Balkanraum übernommen. Die unter dem Oberbefehl von Generaloberst Löhr stehende Heeresgruppe hatte sich von Griechenland aus, ständig bedrängt durch griechische, albanische und jugoslawische Partisanenverbände und die 3. Ukrainische Front, durch das winterliche Balkangebirge zurückgekämpft. Nun näherte sich die Front langsam der Reichsgrenze und die Heeresgruppe war in schwere Abwehrkämpfe mit dem nachdringenden Gegner gebunden. Die großen Aufgaben, welche die hier eingesetzten K.-Verbände ohnehin zumeist überfordert hatten, waren nun vorbei. Von der nahen Front war bereits der Kanonendonner zu hören und die Partisanen machten sich nun auch in unmittelbarer Nähe der Basis bemerkbar. Nach vereinzelten Zusammenstößen mit kleineren Gruppen plante man für die Zeit nach dem Osterfest ein größeres Unternehmen in der Umgebung von Aljmas. In der Nacht vom 4. auf den 5. April wurde gemeinsam mit Heerestruppen ein befestigter Stützpunkt gleichzeitig vom Wasser und vom Land aus angegriffen und zerstört.248 Mit einer erheblichen Verspätung meldete der kroatische Wehrmachtsbericht am 9. April einen von einer Marineeinheit durchgeführten Handstreich gegen einen an der Donau gelegenen sowjetischen Stützpunkt, wobei die dortigen Befestigungen nachhaltig zerstört wurden.249

Zu Anfang des Monats April 1945 verdichteten sich die Anzeichen für eine Offensive in Syrmien durch die jugoslawischen Partisanenverbände.250 Wohl in diesem Zusammenhang verlangte das K.d.K. unverzüglich über die Absichten für die nächste Zukunft zu berichten und den aktuellen Stand der „Linsen“, Sprengmittel und Kraftfahrzeuge zu melden.251 Kurz danach forderte er den Einsatzleiter auf sofort Kontakt mit der Heeresgruppe, bezüglich eines Abzuges aus dem Einsatzraum, aufzunehmen. Nach Ansicht des K.d.K. gab es hier keine lohnenden Ziele mehr und es bestand die akute Gefahr im Falle einer Offensive vom Gegner überrollt oder abgeschnitten zu werden. Das Ergebnis der Kontaktaufnahme mit der Heeresgruppe sollte sofort gemeldet werden.252

245 Meister, Seekrieg, S. 332. 246 BArch-MArch RM 61-IX-2, KTB IMRDD, 15.2.1945. 247 TNA, DEFE 3/684, S. 495 (22.3.1945) und S. 709 (29.3.1945). 248 Karl Meyer, Mit Seesack, S. 82 f. 249 TNA, DEFE 3/684, S. 881 (4.4.1945) und Kobelt, MEK, S. 137. 250 Erich Schmidt-Richberg, Der Endkampf auf dem Balkan, Heidelberg 1955, S. 118 f. 251 TNA, DEFE 3/684, S. 881 (4.4.1945). Das K.d.K. forderte mit selben Datum Informationen über die nächsten Vorhaben an. Ebenso sollte der Bestand an Linsen, Sprengmittel und Kraftfahrzeugen gemeldet werden (S. 898). 252 Ebd., S. 900 (4.4.1945, 23:24 Uhr).

66 Links: Frontverlauf (punktiert eingezeichnet) 27.3. und 3.4.1945; rechts 3.4. und 10.4.1945 (US-Army). Da die Basis in Aljmas, an der Mündung der Drau in die Donau, schon unmittelbar durch den vorrückenden Gegner bedroht war, wurden der Anlegeplatz geräumt und die „Linsen“ auf die Anhänger verladen und am 8. April stand die Fahrzeugkolonne bereit, um abzurücken. An diesem Tag erteilte die Heeresgruppe den Befehl, unverzüglich im Straßenmarsch von der der Mündung der Drau in die Donau nach dem Süden zu verlegen. Hier wurde das Sonderkommando dem XXXIV. Armeekorps unterstellt. Als mögliche Ortschaften für die Errichtung der neuen Basis an der Save wurden Zupanja oder Samac vorgegeben. Der neu erteilte Auftrag lautete: 1. Überwachung der Save; 2. Einsatz der „Linsen“ gegen Kriegsbrücken oder Fähren des Gegners; 3. Halten des am südlichen Ufer der Save befindlichen Brückenkopfs unter allen Umständen.253

Das XXXIV. Armeekorps bekam vom Oberkommando den Auftrag, die Führung in der vorsorglich ausgebauten Stellung Save-Fluss – Vrpolje – Djakovo – Valpovo zu übernehmen.254 So berichtete „Sioux“ in seiner abendlichen Lagemeldung zum 8. April, dass das XXXIV. A.K. das Sonderkommando in den Raum Vrpolje beordert hatte, von wo aus Patrouillen zur Abschirmung der Save unternommen werden sollten. An einem Einsatz der „Linsen“ im größeren Umfang wäre jedoch wegen des Benzinmangels nicht zu denken.255 Während der Verlegung traf über Funk, am 9. April 1945 um 11:45 Uhr, der Befehl des K.d.K. ein, der den Abzug aus dem bisherigen Operationsgebiet, nach Zustimmung des Chefs des Generalstabes der Heeresgruppe E, anordnete und die Auflösung des Sonderkommandos nach dessen Rücktransport ankündigte. Der Einsatzleiter sollte bei der zuständigen Wehrmachts-Transportleitung eine Fahrtnummer für den Eisenbahntransport nach Plön beantragen und gegebenenfalls über Probleme berichten.256 In dieser angespannten kritischen Lage war ein Herauslösen der Einheit nicht zu verantworten. So richtete Generaloberst Löhr, noch am 8. April kurz vor Mitternacht, ein Fernschreiben an die Kriegsmarine, was dazu führte, dass die fernschriftliche Anordnung zum Abzug widerrufen wurde.257 Der am Abend des 8. April erstellte Lagebericht meldete, dass ein Abzug aus dem

253 TNA, DEFE 3/566, S. 115—118, vom 14.4.1945 (C.i.C. Southeast, Appreciation of 8.4.1945). 254 Erich Schmidt-Richberg, Der Endkampf auf dem Balkan, S. 121 f. Das XXIV A.K. hatte vom 12.—18.4.1945 seinen Gefechtsstand in Poderkavlje, nördlich von Brod. 255TNA, DEFE-3/684., S. 1182 (9.4.1945, 16:16 Uhr). 256 Ebd., S. 1210 (9.4.1945, 11:15 Uhr). 257 Ebd., S. 1209 (10.4.1945, 01:37 Uhr). Hier wird das Fernschreiben von Generaloberst Löhr vom 8.4.1945 um 23:30 Uhr erwähnt (hier wohl irrtümlich C. in C. South-West bezeichnet). Ein ähnlich lautendes Fernschreiben (Nr. 1201/9 vom 10.4.1945, 02:46 Uhr), allerdings auf anderer Frequenz abgesetzt, findet sich im Bestand DEFE-3/684, S. 1239.

67 Frontbereich, im Sinne des Befehls des K.d.K., nicht möglich wäre. Mit Blick auf den Vormarsch des Gegners gäbe es die günstigsten Voraussetzungen für den Marsch nach Vrpolje. Dieses Marschziel, so hoffte man, würde man zumindest mit Teilen bereits in der kommenden Nacht erreichen.258 Am 9. April verlegte man Vrpolje weiter nach Velika Kopanica und am nächsten Tag, am 10. April gegen 16:00 Uhr erreichte die erste Gruppe mit vier „Linsen“ die Save bei Slavonski Samac.259 Der Lagebericht vom 10. April berichtet über die mehr als chaotische Situation im Einsatzraum, besonders da Fernmeldeverbindungen in weiten Bereichen ausgefallen waren. Der Grund war, dass der Gegner die schwache deutsche Abwehrfront zwischen Drina und Bosna zum Einsturz gebracht hatte und seine Verbände bis zur Save vorfühlten.

Von der Mündung der Drau (Drava) in südlicher Richtung zur Save (Sava). Im Straßenmarsch von Aljmas über Osijek nach Djakovo, wo man 10 km südlich, in der Ortschaft Vrpolje unterzog. Von hier ging es über Velika Kopanica nach Samac, wo die Bosna in die Save mündete. NARA RG-242, Fliegerkarte 1:500000 Belgrad (Ausschnitt). In Zusammenarbeit mit der Brückenkopf-Kompanie in Samac sollte die Save im Bereich der Bosna-Mündung durch Streifen zu Lande und auf dem Wasser überwacht werden um ein Überschreiten des Flusses durch den Gegner zu verhindern und den Aufbau einer Abwehrfront zu ermöglichen. Es war der 10. April 1945, als um 20:00 Uhr die erste Kontrollfahrt auf der Save

Möglicherweise handelt es sich hier um eine Wiederholung für einen der angeschriebenen Empfänger („Sioux“, „Winnetou“ und „Apache“, die beiden letzteren wurden nur nachrichtlich verständigt). 258 TNA, DEFE-3/684., S. 1182 (9.4.1945, 16:16 Uhr). 259 Ebd., S. 1230 f. (10.4.1945, 16:40 Uhr). Lagebericht 10.4.1945.

68 durchgeführt wurde.260 Zu diesem Zeitpunkt waren bereits alle Brücken gesprengt, lediglich im Bereich von Bosnisch Samac bestand noch am Südufer ein eigener Brückenkopf. Diesen strebten die sich kämpfend zurückziehenden deutschen Truppen zu, welche in kleinen und größeren Gruppen aus allen Richtungen kamen.261 Neben dem Streifendienst auf der Save, fanden die „Linsen“ ihre Hauptaufgabe als Hilfsmittel zum Übersetzen der Soldaten auf das sichere, von den eigenen Truppen besetzte, nördliche Ufer. Wegen der geringen Aufnahmekapazität der Boote entwickelte sich ein Pendelverkehr, in dem rund um die Uhr und unter ständigen Beschuss Soldaten vom feindbesetzten Ufer geholt wurden.262 Diese Einsätze waren besonders gefährlich, da die Partisanen für ihre Handwaffen und Maschinengewehre durchwegs Explosivgeschosse verwendeten.

Links: Frontverlauf 10.4 bis 17.4.1945 (punktiert eingezeichnet); rechts: 17.4. und 24.4.1945 (US-Army). Als die gegnerische Offensive am 12. April voll einsetzte, war auch der Brückenkopf bei Bosnisch Samac nicht mehr zu halten und musste geräumt werden. Wiederum konnten die „Linsen“ bei der Evakuierung unschätzbare Dienste leisteten. Doch das Intermezzo an der Save ging für das Sonderkommando nicht ohne personelle und materielle Verluste ab. So musste Leutnant z. See Schreier, der bewährte Führer der Einsatzgruppe, bei Brod zu Grabe getragen werden, nachdem er auf der Save von einer feindlichen Kugel tödlich getroffen wurde. Auch einige „Linsen“ blieben auf der Save zurück, als die Boote beim Abzug wieder auf den Anhängern verladen wurden.263 Am 14. und 15. April kam es im Bereich der hier kämpfenden 41. Infanteriedivision, bei Vrpolje und an den Ufern der Save zu einer Reihe heftiger Kämpfe, wobei drei von den acht angreifenden jugoslawischen Panzern im Nahkampf zerstört wurden. Am 16. April kam der Befehl zum Absetzen in eine Zwischenstellung, auf halben Weg zwischen Vrpolje und Brod, wo die Kämpfe dann bald abflauten.264

Am 16. April meldete „Sioux“ zur Lage, dass keinerlei Verbindung zur Heeresgruppe E bestehe und man sich im Bereich des XV. Geb.A.K. befand.265 Dieses Armeekorps zog sich in der Folge

260 Ebd. (Lagebericht 10.4.1945). 261 Ebd. (Lagebericht 10.4.1945) und Meyer, Mit Seesack, S. 84 f. 262 Meyer, Mit Seesack, S. 84 f. 263 Ebd. S. 84—86. 264 Erich Schmidt-Richberg, Der Endkampf auf dem Balkan, S. 123. 265 TNA, DEFE-3/685, S. 219 (16.4.1945, 19:26 Uhr).Das XV. Geb.A.K. dürfte über den Abzug von „Sioux“ informiert gewesen sein, da es zwar eine Meldung über die Kampfstärke des Sonderkommandos einholte, ohne jedoch Aufträge zu erteilen.

69 aus dem Raum Agram über Steinbrück (Zidani Most) und Laibach (Ljubljana) nach Klagenfurt zurück und auf derselben Route marschierte auch das Sonderkommando in Richtung auf die Reichsgrenze zu. Im abendlichen Lagebericht vom 16. April meldete „Sioux“, dass man damit rechne am Abend des nächsten Tages Agram zu erreichen.266 Schon vorher, in den frühen Morgenstunden des 15. April 1945, hatte das K.d.K. seine Sicht der Dinge übermittelt. Aufgrund der militärischen Situation sei hier keinerlei Operationsmöglichkeit mehr gegeben. Daher solle sich das Sonderkommando ins Reichsgebiet zurückziehen.

Der Frontverlauf am 16. Februar und am 15. April 1945 sowie am 16. April und am 7. Mai (US-Army). Im Straßenmarsch sollte das Sonderkommando Bayern erreichen. Als Marschziel wurde das Trainingslager der Meereskämpfer (Lehrkommando 700) angegeben, welches sich südlich von München in der SS-Führerschule in Bad Tölz befand. Des Weiteren teilte das K.d.K. mit, dass der OB. Südost über diesen Befehl bereits informiert sei.267 Daraufhin forderte „Sioux“ am 16. April den für den Weitermarsch über die Alpen erforderlichen Treibstoffbedarf an. Für diesen Zweck sollten in Klagenfurt 3000 Liter Benzin und 600 Liter Diesel bereitgestellt werden.268 Die letzte überlieferte Meldung stammt vom 4. Mai 1945, als „Sioux“ sich aus Vizmarje, einem Vorort von Laibach (Ljubljana) meldete.269 Die Antwort des Führungsstabes des K.d.K. erfolgte am 5. Mai um 01:27 Uhr. Der K.d.K. teilte mit, dass die Lage im Einsatzraum von Plön aus nicht beurteilt werden könne und der Verband auf sich selbst gestellt sei. Es folgte die Weisung alle geheimen Schriftstücke zu vernichten und den Widerstand gegenüber Briten und Amerikanern einzustellen sowie den Funkverkehr ab sofort im Klartext durchzuführen.270 Damit endete der Kampfauftrag des Sonderkommandos, doch die Kampfhandlungen mit den nach Kärnten vorrückenden Partisanen Titos gingen weiter.

266 TNA, DEFE-3/684, S. 219 (Lagemeldung 16.4.1945). 267 Ebd., S. 241 (15.4.1945). 268 Ebd. S. 219 (Lagemeldung 16.4.1945). 269 TNA, DEFE-3/685, S. 626 (4.5.1945, 20:25 Uhr). Von Interesse ist, dass das Fernschreiben an das K.d.K. und den K.-Stab Süd und erstmals auch an die 6. K.-Division (Einsatzstab Haun) gerichtet war. 270 Ebd., S. 625 (5.5.1945, 01:27 Uhr).

70 Nach mühevollen Marsch auf den überfüllten engen Bergstraßen, auf denen der Gebirgsstock der Karawanken zu überwinden war, erreichte man die Drau und damit die Reichsgrenze im Raum Drauburg (Dravograd) – Lavamünd. In diesem Bereich des europäischen Kriegsschauplatzes zeigte die am 9. Mai 1945 um 01:00 Uhr in Kraft getretene Waffenruhe vorerst keine Wirkung. Die Truppen Titos wollten Kärnten erobern und die sich zurückziehenden deutschen Truppen wollten sich nicht in allerletzter Minute in jugoslawische Gefangenschaft begeben. So ging das Sterben auf beiden Seiten weiter.

Das letzte Stück des Weges, von der Save zur Drau, führte „Sioux“ über den Gebirgsstock der Karawanken, mit den um 2000 m hohen Berggipfeln. Das Sonderkommando marschierte von Laibach (Ljubljana) kommend auf Nebenstraßen durch Slowenien bis zur Reichsgrenze bei Drauburg (Dravograd). Von hier führte der Weg dann in den Raum Klagenfurt, wo das Sonderkommando in die britische Kriegsgefangenschaft ging. NARA RG-77, AMS M501 1:250000, NL33-5 (Ausschnitt).

71 Die Kampfhandlungen und Übergriffe endeten erst, als die von Italien kommenden britischen Verbände nach und nach Kärnten besetzten und die Partisanen Zug um Zug über die Grenze nach Jugoslawien zurückdrängen. Während dieser gesetzlosen Zeit gelang es dem Sonderkommando sich der Gefangennahme durch die Tito-Partisanen zu entziehen um sich in geschlossener Formation den mittlerweile in Kärnten eingetroffenen britischen Truppen zu ergeben. Abschließend kann gesagt werden, dass das Sonderkommando „Sioux“ wohl jener K.-Verband war, der die meisten Einsätze im Bereich der südöstlichen und südlichen Ostfront durchgeführt hatte. Trotz der chaotischen Zustände auf diesem Kriegsschauplatz funktionierte die Funkverbindung klaglos und die Kommunikation des Sonderkommandos mit dem K.d.K. blieb bis in die letzten Kriegstage aufrecht.

ADM(2)

TO I D 8 G ZIP/ZTPCM/102527 FROM N 6

5275 KC/S T O O 0220 T O I 0127/5/5/45

FROM: K.D.K. F 1

TO: SIOUX

NO LONGER POSSIBLE FROM HERE TO APPRECIATE SITUATION IN OUR AREA. IF YOU CAN NO LONGER GET ORDERS FROM YOUR AREA C IN C. KEEP YOUR TROOPS TOGETHER, DESTROY ALL SECRET DOCUMENTS. CEASE RESISTANCE TOWARD THE XXXXXXXX ANGLO-AMERCIANS. W/T IN PLAIN LANGUAGE FROM NOW.

(DEPT NOTE: BOUNCE. CF. TRTPG/383)

0456/6/5/45 EGT/MW

Abschrift des letzten von den Briten aufgenommene Funkspruchs an „Sioux“, vom 5. Mai 1945 um 01:27 Uhr (TNA DEFE 3/685).

72 Schlussbemerkung

Zum Abschluss dieser regionalen Studie, welche nur einen winzigen Ausschnitt aus dem weiten Bereich der unter dem Kommando von Vizeadmiral Hellmuth Heye zusammengefassten „Sonderkampfmittel (See)“ erfasst, sollen noch einige Punkte allgemeiner Art angesprochen werden. Auffallend ist, dass das behandelte Thema, obwohl eindeutig der Marine zuzuordnen, mit dem Krieg zur See überhaupt nichts zu tun hat. Es lässt sich nicht einmal ein Bezug zu der in diesem Gebiet ebenfalls operierenden Donauflottille herstellen. Wie der nachfolgende, in Faksimile wiedergegebene, Grundsatzbefehl des Oberkommandos der Wehrmacht, vom 15. April 1944, zeigt, hätte es diese Aktivitäten der Kriegsmarine im Heeresbereich gar nicht geben dürfen. Denn im Punkt 4 des ersten Abschnitts ist ausdrücklich festgelegt, dass sich dieser Befehl nicht auf den Einsatz von Sonderkampfmitteln (See) auf Flüssen und Seen bezieht.271 Es handelt sich hier um einen typischen Fall einer Usurpation, welche sich gegen das Aufgabengebiet des Heeres richtete. Allerdings war dies ein im Rahmen der nationalsozialistischen Herrschaftsstruktur häufig vorkommender Fall, der ganz im Sinne der „teile und herrsche-Mentalität“ Hitlers war.

So gab es auch vorher schon mehrere Beispiele im militärischen Bereich, allen voran jenes der Waffen-SS, die von Kriegsbeginn an danach trachtete sich als vierter Wehrmachtsteil zu etablieren. Auch die Luftwaffe hatte ähnliches versucht, allerdings mit mäßigem Erfolg. Nachdem die Rückzuge an allen Fronten und der Mangel an Treibstoffen die Stilllegung weiter Teile der vorhandenen fliegenden Verbände erzwungen hatte, wagte sich Göring, durch die Aufstellung von der „Luftwaffen-Felddivisionen“, auf dieses gefährliche Eis. Da diese Masse dieser Verbände bereits nach einigen Monaten zerschlagen und im Heer aufgegangen waren, führte der Oberbefehlshaber der Luftwaffe das gescheiterte Experiment mit der Aufstellung einer ihm unterstehenden „Fallschirm-Armee“ weiter. So darf es nicht wundern, dass auch die Marine in dieser letzten Phase des Krieges, wo bereits erkennbar war, dass dieser nicht mehr zu gewinnen ist, eine ähnliche Vorgehensweise anwandte.

Die Kriegsmarine hatte zu diesem Zeitpunkt ihre schweren Einheiten zum größten Teil verloren und musste die wenigen noch vorhandenen Schiffe wegen des Mangels an Treiböl stilllegen. Begünstigt durch den gleichzeitigen Niedergang des U-Bootskrieges, auf den Hitler und Dönitz ihre ganze Hoffnung gesetzt hatten, öffnete sich ein neues Fenster für die Visionäre des totalen Kriegs. Nun kam es auch im Bereich der Kriegsmarine zu hektischen Aktivitäten auf dem Gebiet der Kleinkampfverbände, wobei man sich ähnliche Vorhaben der Royal Navy zum Vorbild nahm. Dönitz unterstützte diese diversen Vorhaben tatkräftig, wobei der Wunsch das vordergründige Motiv gewesen sein dürfte, als Wehrmachtsteil nicht gänzlich ins Abseits zu geraten. Was man aber völlig außeracht lies, dass zu diesem Zeitpunkt die materiellen Erfordernisse für diese Vorhaben weder von der qualitativen, noch von der quantitativen Seite gesichert waren.272

Bedingt durch die überstürzt begonnene Aufstellung zahlreicher verschiedenartiger K.-Verbände kam es zu erheblichen, vor allem logistischen Problemen. Die zugeteilten Sonderkampfmittel waren zumeist unausgereift und unerprobt. Oft waren sie für die damit ausgestatteten Kämpfer gefährlicher als für den Gegner. Obwohl diese Mängel alle durchwegs bekannt waren, wurden sie bewusst in Kauf genommenen. Doch es zeigte sich bald, dass diese Mängel auch durch ein noch so ambitioniertes Einsatzverhalten der Soldaten nicht ausgeglichen werden konnte.

271 NARA T-1022 R-1709 (PG-32121a). OKW Nr. 003872/44 gKdos. WFSt/Op/Org., vom 15.4.1944, Betr.: Sonderkampfmittel (See). 272 Die hier aufgezeigten Probleme beziehen sich entsprechend dem Thema ausschließlich auf die Linsenfertigung. Anzumerken wäre, dass die Fertigungsprobleme bei den Sonderkampfmitteln (See), wie Neger, und , noch erheblich größer waren.

73 74 75 Bei der Rüstungskonferenz am 12. Juli 1944 musste man bezüglich der Linsen protokollieren: „Linse. Seetüchtigkeit fraglich, Änderungen nötig. 300 werden gebaut, in 14 Tagen Entscheidung über den Weiterlauf 800“.273Zwei Monate später war alles ganz anders, nun beurteilte man die Lage euphorisch. Direktor Merker, der Leiter des Hauptausschusses Schiffbau im Ministerium Speer, berichtete über die Auslieferung von 144 Einheiten im August und stellte für September weitere 281 „Linsen“ in Aussicht.274 Wie rasch sich diese optimistischen Angaben in Luft auflösen konnten, zeigte ein kurz danach stattgefundener Luftangriff auf Königsberg, bei dem 25 fertige Boote erheblich beschädigt wurden. Bei dieser Besprechung legte man auch die Anzahl der insgesamt zu fertigenden Boote mit 1200 Stück fest, wovon 1000 mit Fernsteuerung und 200 mit Drahtlenkung geliefert werden sollten.

Obwohl zu diesem Zeitpunkt die Fertigung von fernmeldetechnischem Gerät einer der größten Engpässe in der Wehrmachtsrüstung war, lag von der Firma Hagenuk die Zusage für die Lieferung der Fernsteuerungen für 750 Boote vor.275 Doch die Wirklichkeit sah dann wesentlich anders aus, wie das im Text des Öfteren zitierte Kriegstagebuch der Seekriegsleitung aus dem Jahr 1945 zeigt. Die ständigen Ungereimtheiten, sowohl bei der Planung als auch beim Einsatz der K.-Verbände, können direkt als dass „Markenzeichen“ der im Heeresbereich eingesetzten Marine- Kleinkampfverbände gesehen werden. Im Rahmen des expandierenden Einsatzes von K.-Mitteln der Kriegsmarine, der im Spätherbst 1944 seinen Höhepunkt erreichte, kam es, im Gegensatz zu der Festlegung im Grundsatzbefehl über die Sonderkampfmittel (See) zu einer Ausweitung des Einsatzgebietes auf die Flüsse und Seen im Operationsgebiet des Heeres. Diese Vorgangsweise dürfte auf Dönitz zurückzuführen sein, der damals jede Gelegenheit benutzte um an Hitlers Seite an den militärischen Lagebesprechungen teilzunehmen und dabei der Versuchung erlag, die K.-Mittel der Marine ins Gespräch zu bringen.276

Obwohl unter Missachtung der Abmachung vom April 1944 die Einsätze im Heeresbereich, sowohl an der West- wie an der Ostfront, ständig vermehrt wurden, vermied man es sorgsam, als man zu Anfang des Monats November 1944 die Grundsätze für den Einsatz von K.-Mitteln und deren einsatzmäßige Steuerung festlegte, auf die bereits im Gange befindlichen Aktivitäten im Operationsgebiet des Heeres einzugehen.277 Das von Dönitz gewünschte, aber auch von Heye getragene, Eindringen in den Wirkungsbereich des Heeres hatte für die dort zum Einsatz kommenden K.-Verbände ungünstige Auswirkungen, da man im Heer das Eindringen in den eigenen Wirkungsbereich mit Misstrauen betrachtete. Dazu kommt, dass diese K.-Einsätze durchwegs von der obersten Führungsebene (Hitler, OKW, OKH) den nachgeordneten höheren Kommandobehörden des Heeres aufoktroyiert wurden. Eine Folge war, dass man die Leistungsbereitschaft dieser engagierten Einzelkämpfer vielfach ignorierte und sie zum Teil auch hinhielt. Zumeist erinnerte man sich ihrer nur in äußerst prekärer Lage und übertrug den K.- Verbänden zumeist kaum lösbare Aufgaben, die oft nur dazu dienten vom eigenen Versagen abzulenken.

273 NARA T-1022 roll 1708 (PG-32121). Chef Mar Rüst, Mar Rüst Nr. 5448/44 gKdos, vom 13.7.1944, Betr.: Meldung an Ob.d.M. betr. Rü-Sitzung vom 12.7.1944. 274 NARA T-1022 roll 1709 (PG-32121a). Bei der am 11. September 1944 stattgefundenen 19. Rüstungsbesprechung. 275 Ebd. 276 Dönitz weilte zwischen dem 8.2.1943 und dem 10.4.1945 an 119 Tagen bei Hitler (1943 - 31, 1944 - 32, 1945 - 54) wobei er zumeist auch an den militärischen Lagebesprechungen, welche vom Generalstab des Heeres dominiert wurden, teilnahm (IMT Nürnberg, Document 648-D). 277 NARA T-1022 roll 1710 (PG-32122b). 1. Skl., Nr. 3484/44 gKdos. Chefs., vom 7.11.1944 ( Skl./S B.Nr. 32/44 Lagebeurteilung und der sich daraus ergebender Einsatz von K.-Mitteln); 1. Skl. Nr. 3483/44, gKdos., Chefs. vom 7.11.1944 ( Skl./S B.Nr. 33/44, A.d.K., Überlegungen über den Einsatz der Kleinkampfmittel in der nächsten Zeit); 1. Skl. Op. 33056/44 gKdos., vom 15.11.1944, Betr.: Einsatzmäßige Steuerung der Kleinkampfflottillen.

76 Ein weiterer Schwachpunkt an der Schnittstelle zwischen Heer und Kriegsmarine war die mangelhafte Versorgung. Im Unterschied zum maritimen Bereich waren die logistischen Probleme hier kaum geregelt. Die Versorgung war hier in erster Linie vom Heer wahrzunehmen, da der Einsatzleiter eines Sonderkommandos nur den jeweiligen M.V.O. im Generalkommando der Heeresgruppen als Ansprechpartner hatte, war es sehr problematisch, wenn eher kleinste Fragen der Versorgung beim Stab des Generalquartiermeister auf den Tisch kamen. Letztlich hatte die Praxis gezeigt, dass die Führung der Sonderkommandos mit Hilfe der M.V.O. wenig erfolgversprechend war. Entsprechen den Vorstellungen der Seekriegsleitung kam den Oberbefehlshaber der Marine- Gruppenkommandos, Marine-Oberkommandos bzw. der Kommandierenden Admiräle eine tragende Aufgabe in Bezug auf Führung und Versorgung zu, die bei den Einsätzen an der Ost- und Südostfront nirgends zum Tragen kam.278 Völlig verkannt wurde von Seiten der Marineführung die katastrophale Verkehrssituation die damals im Reich und auf den italienischen Kriegsschauplatz und am Balkan herrschte. Bis in die letzten Kriegstage wollte man nicht zur Kenntnis nehmen, dass durch die fehlende Mobilität der obersten Führungsebene jegliche Einwirkungsmöglichkeit genommen war.

Eine Folge war, dass die Sonderkommandos in der Endphase des Krieges oft tagelang ohne Versorgung unterwegs waren und es den motorisierten Teilen ständig an Treibstoff mangelte. Auch war es im Chaos der letzten Kriegsmonate mehr als vermessen auf eine solidarische Aushilfe durch Heeres- oder Luftwaffendienststellen zu hoffen. Mit Bezug auf den vorstehenden Bericht ist anzumerken, dass man im Generalstab der Heeresgruppe Süd nur wenig mit den zugeteilten K.- Kräften anzufangen wusste, was sicher auch dem M.V.O. anzulasten, der nicht in der Lage war die Belange der K.-Kräfte wirkungsvoll zu vertreten und der im Stab der Heeresgruppe vorherrschenden Geringschätzung der Marine entgegenzutreten. Sicherlich hatte auch das gescheiterte Unternehmen gegen die Brücke von Dunaföldvar dazu beigetragen, dass der Beitrag der Kriegsmarine zur Kriegsführung nicht besonders hoch eingeschätzt wurde. Doch die Wurzeln lagen wahrscheinlich tiefer und gingen auf die Kämpfe im Süden Russlands und im Bereich des Schwarzen Meeres zurück. Wo man sich angewöhnt hatte die Verantwortung nach Möglichkeit auf die Marine abzuwälzen. Das galt für den ungenügenden Nachschub, aber auch für die katastrophalen Ereignisse bei der Räumung der Krim. Die tragischen Vorgänge um das Ende der deutschen Machtposition im Schwarzmeerraum sowie die nachfolgende Räumung Rumäniens und Bulgariens boten beiden Wehrmachtsteilen reichliche Gelegenheit sich gegeneinander mit Vorwürfen zu konfrontieren.

Ein weiterer Grund könnte gewesen sein, dass man im Winter 1944/45 mit der gegnerischen Operation zur Einschließung Budapests und danach mit der Versorgung und dem Entsatz der „Festung“ derart beschäftigt war, dass kaum Zeit für Planung und Vorbereitung von Sonderunternehmen blieb. Unmittelbar nach dem Drama von Budapest war es die letzte deutsche Großoffensive, welche die volle Aufmerksamkeit der Heeresstäbe erforderte. Während bei dem im Bereich der Drau erfolgten Offensivunternehmen die vorhandenen K.-Mittel eingesetzt und auch überfordert wurden, kam es im ungarischen Bereich zu keinen ähnlichen Aktivitäten. Hier wartete man vergebens auf den erfolgreichen Durchbruch und dem damit verbundenen Erreichen der Donau, zu dem es jedoch nicht kam. Obwohl die bei der Heeresgruppe Süd vorhandenen K.- Einheiten, nach dem Scheitern der Offensive, frühzeitig aus dem Kampfbereich zurückgezogen wurden, konnte der Untergang des größten Teils der hier eingesetzt gewesenen K.-Verbände, im Rahmen der „Wiener Operation“ der 2. und 3. Ukrainischen Front, nicht verhindert werden.

278 Ebd.

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