Stenografisches Protokoll 19/65

Verteidigungsausschuss

Stenografisches Protokoll der 65. Sitzung

Verteidigungsausschuss , den 5. Oktober 2020, 14.30 Uhr Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Saal 3.101 10117 Berlin, Adele-Schreiber-Krieger-Straße 1

Vorsitz: , MdB

Tagesordnung

Tagesordnungspunkt Seite

Öffentliche Anhörung Völkerrechtliche, verfassungsrechtliche und ethische Bewertung einer möglichen Bewaffnung ferngeführter, unbemannter Luftfahrzeuge der

Anwesenheitsliste 2

Verzeichnis der Rednerinnen und Redner 3

Stenografisches Protokoll 7

Anlagen 52

Schriftliche Stellungnahme von Dr. Christian Marxsen, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Schriftliche Stellungnahme von Andreas Schüller, European Center for Constitutional and Human Rights e. V.

Schriftliche Stellungnahme von Prof. Dr. Andreas Zimmermann, Universität Potsdam

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Mitglieder des Ausschusses

Ordentliche Mitglieder Stellvertretende Mitglieder CDU/CSU Brandl, Reinhard, Dr. Brand, Michael Gädechens, Ingo Hardt, Jürgen Gnodtke, Eckhard Irmer, Hans-Jürgen Hahn, Florian Kiesewetter, Roderich Lamers, Karl A., Prof. h. c. Dr. Kuffer, Michael Lehmann, Jens Oster, Josef Manderla, Gisela Pfeiffer, Joachim, Dr. Otte, Henning Stier, Dieter Schäfer, Anita Wadephul, Johann, Dr. Siebert, Bernd Weinberg, Marcus Strenz, Karin Willsch, Klaus-Peter Vieregge, Kerstin Zeulner, Emmi SPD Brecht, Eberhard, Dr. Dittmar, Sabine Brunner, Karl-Heinz, Dr. Heinrich, Gabriela Budde, Katrin Klingbeil, Lars Felgentreu, Fritz, Dr. Pilger, Detlev Hellmich, Wolfgang Rohde, Dennis Hitschler, Thomas Stein, Mathias Möller, Siemtje Völlers, Marja-Liisa Vöpel, Dirk Weber, Gabi AfD Elsner von Gronow, Berengar Felser, Peter Kestner, Jens Friedhoff, Dietmar Lucassen, Rüdiger Hess, Martin Nolte, Jan Hohmann, Martin Otten, Gerold Neumann, Christoph FDP Faber, Marcus, Dr. Aschenberg-Dugnus, Christine Müller, Alexander Klein, Karsten Sauter, Christian Kober, Pascal Strack-Zimmermann, Marie-Agnes, Dr. Graf Lambsdorff, Alexander DIE LINKE. Buchholz, Christine Dağdelen, Sevim Höhn, Matthias Hänsel, Heike Neu, Alexander S., Dr. Sommer, Helin Evrim Pflüger, Tobias Vogler, Kathrin BÜNDNIS 90/DIE Brugger, Agnieszka Bayram, Canan GRÜNEN Keul, Katja von Holtz, Ottmar Lindner, Tobias, Dr. Nouripour, Omid

Eine Kopie der Unterschriftenliste der anwesenden Ausschussmitglieder ist dem Originalprotokoll als An- hang beigefügt.

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Verzeichnis der Rednerinnen und Redner Seite

Vorsitzender Wolfgang Hellmich 7 Sachverständiger OTL André Wüstner 8 Sachverständiger Prof. Dr. Andreas Zimmermann 10 Sachverständiger GenLt a. D. Joachim Wundrak 12 Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala 14 Sachverständiger Andreas Schüller 16 Sachverständiger Dr. Christian Marxsen 18 Vorsitzender Wolfgang Hellmich 21 (CDU/CSU) 21 Sachverständiger OTL André Wüstner 21 Henning Otte (CDU/CSU) 22 Sachverständiger OTL André Wüstner 22 (CDU/CSU) 22 Sachverständiger OTL André Wüstner 23 Florian Hahn (CDU/CSU) 23 Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala 23 Ingo Gädechens (CDU/CSU) 24 Sachverständiger OTL André Wüstner 24 (AfD) 25 Sachverständiger GenLt a. D. Joachim Wundrak 25 Gerold Otten (AfD) 25 Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala 25 Siemtje Möller (SPD) 26 Sachverständiger Dr. Christian Marxsen 26 Siemtje Möller (SPD) 26 Sachverständiger Dr. Christian Marxsen 27 Siemtje Möller (SPD) 27 Sachverständiger Prof. Dr. Andreas Zimmermann 27 Siemtje Möller (SPD) 27 Sachverständiger Prof. Dr. Andreas Zimmermann 27 Siemtje Möller (SPD) 28 Sachverständiger Prof. Dr. Andreas Zimmermann 28

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Seite

Siemtje Möller (SPD) 28 Sachverständiger Prof. Dr. Andreas Zimmermann 28 Dr. (FDP) 29 Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala 29 Dr. Marcus Faber (FDP) 30 Sachverständiger OTL André Wüstner 30 Alexander Müller (FDP) 30 Vorsitzender Wolfgang Hellmich 31 Tobias Pflüger (DIE LINKE) 31 Sachverständiger Andreas Schüller 31 (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 32 Sachverständiger Dr. Christian Marxsen 33 Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 33 Sachverständiger Dr. Christian Marxsen 33 (CDU/CSU) 33 Sachverständiger GenLt a. D. Joachim Wundrak 34 Jens Lehmann (CDU/CSU) 34 Sachverständiger Prof. Dr. Andreas Zimmermann 34 (CDU/CSU) 35 Sachverständiger Andreas Schüller 35 Eckhard Gnodtke (CDU/CSU) 35 Sachverständiger Andreas Schüller 35 Eckhard Gnodtke (CDU/CSU) 36 Sachverständiger Dr. Christian Marxsen 36 Eckhard Gnodtke (CDU/CSU) 36 Sachverständiger Dr. Christian Marxsen 36 Jens Lehmann (CDU/CSU) 36 Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala 36 Jan Ralf Nolte (AfD) 37 Sachverständiger GenLt a. D. Joachim Wundrak 37

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Seite

Gerold Otten (AfD) 38 Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala 38 Siemtje Möller (SPD) 38 Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala 39 Dr. (SPD) 39 Sachverständiger Dr. Christian Marxsen 39 Dr. Eberhard Brecht (SPD) 40 Sachverständiger Dr. Christian Marxsen 39 Dr. Eberhard Brecht (SPD) 40 Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala 40 Dr. Fritz Felgentreu (SPD) 40 Sachverständiger Prof. Dr. Andreas Zimmermann 41 Dr. Fritz Felgentreu (SPD) 41 Sachverständiger OTL André Wüstner 41 Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) 42 Sachverständiger Andreas Schüller 42 Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) 43 Sachverständiger OTL André Wüstner 43 Tobias Pflüger (DIE LINKE) 44 Sachverständiger Andreas Schüller 44 Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) 45 Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala 45 Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 45 Sachverständiger Dr. Christian Marxsen 46 Sachverständiger Andreas Schüller 46 Vorsitzender Wolfgang Hellmich 46 Eckhard Gnodtke (CDU/CSU) 46 Sachverständiger Andreas Schüller 47 Eckhard Gnodtke (CDU/CSU) 47 Dr. Fritz Felgentreu (SPD) 47 Sachverständiger Prof. Dr. Andreas Zimmermann 47

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Seite

Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) 48 Sachverständiger Andreas Schüller 48 Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) 48 Tobias Pflüger (DIE LINKE) 49 Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala 49 Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 49 Sachverständiger GenLt a. D. Joachim Wundrak 50 Vorsitzender Wolfgang Hellmich 50

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rung beschäftigt, und somit geht es dem Aus- (Beginn: 14.34 Uhr) schuss heute darum, sich einen Überblick über den aktuellen Diskussionsstand zu verschaffen. Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Meine sehr ge- Die Ergebnisse dieser Anhörung dienen dazu, die ehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 65. Sit- weiteren Beratungen im Ausschuss und in der zung des Verteidigungsausschusses, zu der ich Öffentlichkeit auf eine fundierte wissenschaftli- Sie alle sehr herzlich begrüße. che Grundlage zu stellen. Deshalb begrüße ich an dieser Stelle noch mal ganz herzlich alle Sach- Einziger Tagesordnungspunkt ist heute: verständigen.

Öffentliche Anhörung Wir haben Ihnen mit dem Einladungsschreiben Völkerrechtliche, verfassungsrechtliche die Möglichkeit eingeräumt, eine schriftliche und ethische Bewertung einer möglichen Stellungnahme zum Thema der Anhörung abzu- Bewaffnung ferngeführter, unbemannter geben. Für die eingegangenen Stellungnahmen Luftfahrzeuge der Bundeswehr bedanke ich mich ganz herzlich; die letzte ist vor circa einer Stunde im Ausschusssekretariat ein- Zunächst möchte ich alle Anwesenden darauf gegangen. Alle Stellungnahmen sind an die Mit- hinweisen, dass die heutige Anhörung zur Her- glieder des Verteidigungsausschusses verteilt stellung der Öffentlichkeit live im Internet auf worden und werden dem Protokoll der Sitzung www.bundestag.de und in der Bundestags-App beigefügt. Aufgrund der Kurzfristigkeit liegen sie übertragen wird. Im Anschluss daran ist die Auf- heute zusätzlich auf dem Tisch. zeichnung auch in der Mediathek des Deutschen Bundestages abrufbar. Von der heutigen Sitzung wird ein Stenografi- sches Protokoll erstellt. Ich bitte Sie deshalb, bei Ganz besonders herzlich begrüße ich die Sach- jedem Wortbeitrag das Mikrofon zu benutzen so- verständigen, das sind: Herr Oberstleutnant wie Ihren Namen zu nennen. André Wüstner, der Bundesvorsitzende des Deut- schen BundeswehrVerbandes - herzlich willkom- Wie Sie der Einladung bzw. der Tagesordnung men -, Herr Professor Dr. jur. Andreas Zimmer- entnehmen konnten, ist für diese Anhörung ins- mann von der Universität Potsdam - herzlich gesamt eine Zeit von 14.30 Uhr bis circa 18 Uhr willkommen -, Herr Generalleutnant a. D. vorgesehen. Joachim Wundrak - herzlich willkommen -, Pro- fessor Dr. Carlo Masala von der Universität der Einleitend möchte ich den Sachverständigen Bundeswehr in München - herzlich willkom- gleich die Gelegenheit geben, in einer kurzen Er- men -, Herr Andreas Schüller vom European Cen- klärung von etwa fünf bis zehn Minuten zu dem ter for Constitutional an Human Rights e. V. - Thema Stellung zu nehmen. Danach werden wir herzlich willkommen - und Dr. jur. Christian mit der Befragung durch die Fraktionen fortfah- Marxsen vom Max-Planck-Institut für ausländi- ren. sches öffentliches Recht und Völkerrecht. Ich danke Ihnen, dass Sie unserer Einladung nachge- Die Fraktionen im Verteidigungsausschuss haben kommen sind, um die Fragen meiner Kolleginnen sich einvernehmlich darauf verständigt, zwei und Kollegen zu beantworten. Fragerunden durchzuführen, für die jeweils die sogenannte Berliner Stunde zugrunde gelegt Begrüßen darf ich zudem die Vertreter des Bun- wird; hierzu liegt auch eine entsprechende Tisch- desministeriums der Verteidigung sowie des vorlage vor. Es wird die CDU/CSU-Fraktion mit Auswärtigen Amtes. 21 Minuten beginnen, gefolgt von der Fraktion der AfD mit 7 Minuten, der SPD-Fraktion mit Unser heutiges Thema hat den Ausschuss bereits 13 Minuten, der FDP-Fraktion mit 7 Minuten, der in der vergangenen Wahlperiode mit einer Anhö- Fraktion Die Linke mit 6 Minuten und der Frak-

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tion Bündnis 90/Die Grünen ebenfalls mit 6 Mi- Obwohl wir in den letzten Jahren weiterführend nuten. Innerhalb der Zeitkontingente bestimmen auch viele Veranstaltungsreihen mit der Zivil- die Fraktionen eigenständig, wer eine Frage stellt gesellschaft durchgeführt haben und all die Fra- und an wen sich die Frage jeweils richtet. Die gestellungen erneut diskutiert haben bezüglich Zeitkontingente umfassen dabei Fragen und Ant- der Beschaffung von bewaffneten Drohnen, war worten. unsere Position relativ klar. Viel schwieriger war die Debatte, aber auch eindeutiger in der Positio- Wenn es keine weiteren Fragen zum Prozedere nierung bei einem Thema, das davon zu trennen gibt, können wir nun mit den Eingangsstatements war, und das ist die Fragestellung mit Blick auf der Sachverständigen beginnen. Wir gehen hier- autonome Waffensysteme an sich. Ich betone: bei der Einfachheit halber nach der Reihenfolge Das gilt es aus meiner Sicht zu trennen. auf der Tagesordnung vor. - Es beginnt Herr Oberstleutnant André Wüstner. Bitte sehr, Sie ha- Meine Damen und Herren, es gehört zum Solda- ben das Wort. tenberuf, das eigene Leben für dieses Land im Auftrag von Regierung und Parlament einzuset- Sachverständiger OTL André Wüstner (Deut- zen. In letzter Konsequenz kann das bedeuten, scher BundeswehrVerband e. V.): Sehr geehrter auch in Ihrem Namen tödliche Gewalt ausüben Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren Ab- zu müssen. Die Entscheidung für diesen Beruf ist geordnete! Herr Staatssekretär! Meine Damen keine leichte. Aber ich weiß, das ist nicht Gegen- und Herren! Für die Einladung an den Bundes- stand dieser heutigen Anhörung. Dennoch will wehrVerband als Stimme der Menschen der Bun- ich immer wieder betonen, dass es sich um kei- deswehr zu dieser zweiten Anhörung - Sie hatten nen Beruf wie jeden anderen handelt. es eingangs erwähnt - des Verteidigungs- ausschusses danke ich ausdrücklich. Es ist gut, Weil das so ist, erwarten die Angehörigen der dass damit auch die Menschen hier Gehör fin- Bundeswehr und ihre Familien von ihrem Auf- den, die als Soldatinnen und Soldaten im Auftrag traggeber, also auch von Ihnen, meine Damen von Regierung und Parlament weltweit im Ein- und Herren, dass sie die bestmögliche Ausstat- satz sind. Es sind die Menschen der Bundeswehr, tung zur Erfüllung der Aufgaben und der Auf- die die Folgen der im Raum stehenden Entschei- träge in den Einsatzgebieten zur Verfügung ge- dungen unmittelbar spüren werden. Aus diesem stellt bekommen. Dies bedeutet im Kontext dieser Grund nutze ich die Anhörung, um aus ihrer Debatte, optimalen Schutz für die eigenen Kräfte Sicht und in ihrem Namen zu sprechen. Sicher- sicherzustellen. lich werden auch Unzählige heute diese Anhö- rung verfolgen. Dass bis heute keine bewaffneten Drohnen zur Verfügung stehen, obwohl doch schon seit vielen Ich will noch mal zurückblicken. Der Deutsche Jahren dieses Thema politisch bewegt wird, kön- BundeswehrVerband hat sich bereits 2010 zu der nen übrigens sehr viele Soldatinnen und Solda- Thematik „bewaffnete Drohnen“ positioniert. ten nicht nachvollziehen. Und ja, bezüglich der 2012 folgte eine weitere Debatte, ausgelöst durch Argumente und Positionen ist eigentlich schon den damaligen Verteidigungsminister Thomas de alles von allen gesagt. Damit aber auch eines klar Maizière, 2014 hier die Anhörung. Es gab sogar ist: Es gibt unter den Angehörigen der Bundes- eine Befassung des sogenannten Beirats für Fra- wehr Respekt vor den Argumenten und der Moti- gen der Inneren Führung, mit einer entsprechen- vation derer, die sich gegen die Beschaffung aus- den Stellungnahme. All das führte dazu, dass wir sprechen, auch was eine Debatte anbelangt und als Verband schon 2014 Position zu ethischen, vieles mehr. rechtlichen und auch sicherheitspolitischen Fra- gestellungen bezogen haben. Diese Position - Sie Folgen können die Soldatinnen und Soldaten werden sich nicht wundern - hat sich im Kern vielen Argumenten nicht. Mehr noch: Einige ein- nicht verändert. zelne Positionen lassen viele Kameradinnen und Kameraden sogar fassungslos zurück. So scheint

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sich im Zuge der aktuellen Debatte herauszustel- Dennoch wird unter den Angehörigen der Bun- len, dass nicht wenige der Beteiligten sich vorher deswehr gewürdigt, dass mit der Debatte mehr offensichtlich nur bedingt oder gar niemals mit Bürger als zuvor die verteidigungspolitische und den ethischen Herausforderungen des Soldaten- auch die ethische Dimension des Soldatenberufs berufs beschäftigt haben. Das Auslösen einer teilweise erstmals wahrgenommen haben. Dies Waffe, ob als Infanterist, als Kampfpilot, als U- sind Bürgerinnen und Bürger, die sich eben nicht Boot-Kommandant oder als Artilleriegeschütz- jeden Tag mit dem System „Bundeswehr“ und si- führer, ist immer mit einer Entscheidung über Le- cherheitspolitischen Fragestellungen auseinan- ben und Tod oder auch der Verwundung des dersetzen. Dieser Nebengewinn ist in seiner Wir- Gegners verbunden. Diese ethische Herausforde- kung nicht zu vernachlässigen. Immerhin muss rung, verbunden mit der daraus resultierenden es uns allen um die Frage gehen, wie wir Bundes- Verantwortung, stellt sich für die Soldatinnen wehr und Gesellschaft noch mehr als bisher in und Soldaten als Staatsbürger in Uniform und als Fühlung bringen bzw. halten. Menschen lange vor einem möglichen Ernstfall. Es ist deshalb auch wichtiger und elementarer Gleichwohl haben wir auch zur Kenntnis genom- Bestandteil der Ausbildung, verankert in der men, dass eine absolut breite gesellschaftliche Konzeption der Inneren Führung. Debatte über die Beschaffung von bewaffneten Drohnen nicht, ich sage jetzt mal, in wünschens- Es hat viele erstaunt und, ich muss auch sagen, wertem Umfang wahrgenommen wurde. Es ist ja enttäuscht, dass diese ethische Dimension erst im auch immer eine Frage des Maßstabs, inwieweit Zusammenhang mit der Drohnendebatte entdeckt man tatsächlich glaubt, dass sich Millionen Bür- wurde. Dies ist der Grund, warum Einzelne sich gerinnen und Bürger mit dieser Frage auseinan- sogar von der Debatte abgewandt haben. Ja, auch dersetzen. die Waffe einer Drohne wird durch einen Men- schen ausgelöst, und das ist elementar mit Blick Dennoch: Viele Veranstaltungen und Veranstal- auf das, was wir aktuell diskutieren, Stichwort: tungsformate und all das, was wir begleitet ha- Bewaffnung für die sogenannte Heron TP. ben, wie zum Beispiel die Veranstaltungen im BMVg, aber auch viele Blogs - ich nenne mal den Die Befürchtungen einer Entmenschlichung der Podcast „Sicherheitshalber“ und den Blog „Au- militärischen Gewalt oder einer Herabsetzung der gen geradeaus!“ von Thomas Wiegold; es gibt Hemmschwelle zum Einsatz teilt im Deutschen noch viele mehr - haben Menschen die Möglich- BundeswehrVerband niemand, zumindest nicht keit gegeben, mitzudiskutieren und Positionen in Bezug auf die Soldatinnen und Soldaten. In- wahrzunehmen. Wir haben gleichermaßen mit wieweit es Sie im Rahmen der Politik und Ihr vielen Veranstaltungen dafür gesorgt - und ich Agieren verändert, müssten Sie selbst beantwor- sage bewusst: auch an Schulen, mit der Kirche ten. etc. -, dass wir breit diskutieren. Dennoch hat sich an unserer Position nichts verändert. Zu diesen Zusammenhang gehört auch, dass wir es als ethische Verpflichtung empfinden - wir als Die Position des BMVg ist mit eingeflossen. Ein Verband gleichermaßen -, für unseren Schutz derartiges Papier lag 2014 gleichermaßen wie die und den Schutz unser Kameradinnen und Kame- eindeutige Positionierung des Generalinspekteurs raden bestmöglich zu sorgen; das ist unser Emp- nicht vor. Dass bestimmte Aspekte - ich nenne finden von Fürsorge und Kameradschaft. Mehr hier mal die Thematik „psychische Belastung noch: Es geht hier um die Achtung unserer eige- auch von zukünftigen Drohnenpilotinnen nen Grundrechte als Staatsbürger in Uniform. und -piloten“ - Eingang in das Papier des BMVg Deswegen der Begriff „Schutzdrohne“, der vieles gefunden haben, ist gut; denn es ist bereits heute und fast alles erklärt, worum es den Soldatinnen Thema in der Bundeswehr. und Soldaten geht und was dringend gebraucht wird. Ich weiß: Innerhalb der Fraktionen gibt es unter- schiedliche Positionen und Bewertungen. Weil

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das so ist - ich weiß, im Kern betrifft es auch die Sachverständiger Prof. Dr. Andreas Zimmer- Koalitionsparteien -, will ich schon mal Danke mann (Universität Potsdam): Ganz herzlichen sagen in Richtung derjenigen, die versuchen, po- Dank. - Sehr verehrter Herr Vorsitzender! Meine litische Divergenzen zu überbrücken und eine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Entscheidung, ich hoffe, zugunsten der Beschaf- Liebe Anwesende! Ich darf mich ganz herzlich fung der Bewaffnung von Drohnen, vorzuberei- für die Einladung bedanken, hier heute zu die- ten. sem Thema zu Ihnen sprechen zu können. Ich werde mich ausweislich meiner Expertise auf Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr völker- und verfassungsrechtliche Fragen be- hoffen, dass nach der entsprechenden Anhörung schränken und zu keinen anderen Fragen Stel- heute der Weg für die Bewaffnung von Drohnen lung nehmen können. frei gemacht wird. Die Erwartungshaltung ist folglich aber auch dahin gehend klar: Sollte der Mein Vorredner wies gerade auf die Anhörung Bundestag grünes Licht geben, muss die Beschaf- im Jahr 2014 hin. In der Tat sind die Fragen, die fung durch die Bundesregierung ohne Zeitverzug auch mich beschäftigt haben, damals schon breit umgesetzt werden. diskutiert worden. Auffällig war und ist für mich, dass sich damals zwei Kollegen, Wolff Heintschel Ich bin heilfroh, dass bisher nicht die Situation von Heinegg und Thilo Marauhn, die ansonsten eingetreten ist, in der Sie als Abgeordnete Ange- sehr unterschiedliche Auffassungen zu vielen hörigen und Kameraden hätten erklären müssen, Fragen und auch zu Fragen des humanitären Völ- dass ein Kamerad im Einsatz gefallen ist, weil es kerrechts vertreten, in dieser Anhörung zu 95 bis an bewaffneten Drohnen fehlte. In gleicher Weise 99 Prozent deckungsgleich äußerten; das finde hoffe ich inständig, dass auch kein Mitglied der ich schon mal vielsagend. - Erster Punkt. Bundesregierung Angehörigen und Kameraden erklären muss, dass ein Kamerad fallen musste, Zweiter Punkt. Die ganze Diskussion in der Bun- weil nach der entsprechenden Entscheidung die desrepublik Deutschland ist, wie ich glaube, in Beschaffung nicht schnell genug verlief. Deswe- hohem Maße geprägt von der aus meiner Sicht gen ist es gut, dass die Bundesministerin der Ver- völkerrechtswidrigen Praxis der USA extralegaler teidigung in der Haushaltsdebatte in der letzten Tötungen mit bewaffneten Drohnen. Das ist aber, Woche eine schnellstmögliche Befassung des glaube ich, nicht das Szenario, über das wir re- Verteidigungsausschusses - in Klammern: nach den. Ich glaube, das Szenario, über das wir wirk- entsprechender Entscheidung des Parlaments - lich reden sollten, ist der Einsatz bewaffneter mit einer entsprechenden 25-Millionen-Euro- Drohnen in einem Kontext bewaffneter Konflikte, Vorlage angekündigt hat. wo der räumliche und zeitliche Anwendungs- bereich des humanitären Völkerrechts eröffnet Meine Damen und Herren, die Position des Deut- ist. Das ist eine grundsätzlich andere Frage - eine schen BundeswehrVerbandes ist Ihnen klar. Seit grundsätzlich andere Frage! - als der Einsatz be- 2014 hat sich diese nicht wesentlich verändert. waffneter Drohnen außerhalb bewaffneter Kon- Sicherlich haben Sie in der Vorbereitung nicht flikte. nur das alte Protokoll, sondern sämtliche Positio- nierungen zur Beratung herangezogen. Ich freue Ich will beginnen mit einem Zitat eines früheren mich in diesem Zusammenhang auf Ihre Fragen. - Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen Vielen Dank. über außergerichtliche Hinrichtungen. Ich er- laube mir, zunächst auf Englisch zu zitieren: Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Vielen Dank, Herr Oberstleutnant Wüstner. - Als Nächstes gebe A missile fired from a drone is no Herrn Professor Andreas Zimmermann das Wort. different from any other com- Bitte sehr. monly used weapon … The criti- cal legal question is the same for each weapon: whether its specific use complies with IHL.

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Also sagt Philip Alston: Eine Rakete, die von ei- 2014 in seinen Concluding Observations zum ner Drohne abgefeuert wird, unterscheidet sich Staatenbericht der USA sehr kritisch vermerkt. nicht grundsätzlich von anderen Waffen, die ein- gesetzt werden. Die kritische rechtliche Frage ist, Ferner ist in den schriftlichen Stellungnahmen ob im Einzelfall der spezifische Einsatz mit den auch zu Fragen eines möglichen Bündnisses aus- Vorgaben des humanitären Völkerrechts verein- geführt worden, ob so ein Slippery-Slope-Argu- bar ist. - Diese Frage und keine andere Frage gilt ment geschaffen wird, ob man nicht in einen fak- es zu beantworten. tischen Zwang hineinkommt, Drohnen, so man sie denn hat, auch einsetzen zu „müssen“ - in In einigen der schriftlichen Stellungnahmen ist Anführungszeichen. breit Stellung zu Fragen des völkerrechtlichen Gewaltverbots genommen worden, etwa zum Ein- Ich weise darauf hin, dass sich diese Frage auch satz bewaffneter Gewalt in Syrien oder Ähnli- durchaus umgekehrt stellen lässt. Etwa die Re- chem. Auch da gilt: Das Gewaltverbot gilt unab- publik Frankreich hat in der Vergangenheit - oder hängig davon, ob Sie eine F-16 einsetzen oder sie setzt sie noch ein; das weiß ich nicht - in Mali eine bewaffnete Drohne. Es ist völlig unstreitig bewaffnete Drohnen zur Aufstandsbekämpfung und insoweit nicht zielführend, glaube ich, hier im Rahmen eines nichtinternationalen bewaffne- auf Fragen des Gewaltverbots einzugehen. ten Konflikts eingesetzt. Stellen wir uns vor, dass etwa in Mali oder in einer vergleichbaren ande- Jetzt komme ich zu den eigentlichen Kernproble- ren Situation die Deutsch-Französische Brigade men, nämlich zu den Fragen des humanitären eingesetzt würde und dass die Französische Re- Völkerrechts. Wir wissen alle, dass es enge und - publik im Rahmen des Einsatzes der Deutsch- Gott sei Dank - strenge Vorgaben gibt, unter wel- Französischen Brigade auch bewaffnete Drohnen chen Voraussetzungen tödliche Gewalt im be- zum Schutz der eigenen Truppen oder zur Auf- waffneten Konflikt eingesetzt werden kann: standsbekämpfung würde einsetzen wollen. Wür- grundsätzlich nur im internationalen bewaffne- den wir dann davon ausgehen, dass wir uns an ten Konflikt gegen feindliche Kombattanten und diesem Einsatz nicht mehr beteiligten würden im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt ge- oder dass wir uns, also die deutschen Truppen, gen feindliche Kämpfer bzw. gegen Zivilisten, die nicht durch französische bewaffnete Drohnen sich unmittelbar an Kampfhandlungen beteiligen. schützen lassen würden? Wenn wir sagen, wir Wir wissen auch, dass exzessive Kollateralschä- lassen uns durch französische Drohnen schützen, den zu vermeiden sind und dass es dementspre- oder es zulassen, dass französische Truppen eine chend auch intensive Aufklärungspflichten ex Aufstandsbekämpfung mit bewaffneten Drohnen ante, vor einem Einsatz bewaffneter Gewalt in ei- durchführen, dann frage ich mich, wo der Unter- nem bewaffneten Konflikt, gibt. Diese Vorgaben schied liegt, ob es sich um deutsche oder franzö- gelten natürlich in genau dem gleichen Umfang, sische Drohnen handelt, die hier zum Einsatz in genau dem gleichen Maße, mit genau den glei- kommen. Wenn wir einen Einsatz deutscher chen Regeln auch für den Einsatz bewaffneter Drohnen für unzulässig, für unmoralisch oder Drohnen. - So viel in aller Kürze zu den Regeln sonst wie für nicht verantwortbar halten, dann im bewaffneten Konflikt. hielte ich eine Beteiligung an einem Einsatz, in dem Partnerstaaten solche Drohnen einsetzen, Soweit überhaupt der Einsatz von militärischer ebenfalls für nicht vertretbar. Das kann man so Gewalt außerhalb des Kontexts eines bewaffneten wollen. Aber dann muss man das, glaube ich, Konflikts Anwendung finden kann, gelten nach auch in dieser Konsequenz so sagen. zutreffender Auffassung des Menschenrechts- ausschusses der Vereinten Nationen, dessen Mit- Mein vorletzter Punkt betrifft die Rolle des Deut- glied ich seit 2018 bin, sehr enge Regeln. Nur in schen Bundestages. Wir wissen alle: Gott sei extremen Ausnahmefällen kann militärische Ge- Dank ist die Bundeswehr eine Parlamentsarmee. walt außerhalb eines bewaffneten Konflikts ein- Der Bundestag hat es ja in der Hand, wie eng gesetzt werden. Das hat der Ausschuss ja auch

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oder wie weit er das Mandat für die Bundesregie- persönliche Erfahrung und Verantwortung im rung schneiden will. Natürlich kann er nur ein Einsatz von bewaffneten UAVs, also Drohnen, Mandat, welches dem Bundestag vorgelegt wird, haben. Dies ist allerdings schon im Jahr 2011 ge- beschließen. Aber - Sie sind die Politikerinnen wesen, als ich für knapp elf Monate im Stab des und Politiker - wir wissen alle, dass es im Vor- Comm IJC in Kabul Verantwortung für Planung feld einer Befassung des Deutschen Bundestages und Durchführung der Luftoperationen der mit einem entsprechenden Mandat Abstimmun- NATO in Afghanistan hatte. gen gibt zwischen der Bundesregierung und den Fraktionen, die die Bundesregierung tragen. Zum Zweiten habe ich von 2012 bis 2018 diese Dann kann natürlich das Mandat entsprechend Einsatzerfahrungen in den Aufbau des heutigen eng geschnitten werden, indem man sagt: In dem Zentrums für Luftoperationen und damit in eine konkreten Einsatz A sollen keine Drohnen einge- neue nationale Fähigkeit zur Planung und Füh- setzt werden, oder es sollen nur Drohnen in ei- rung von Luftoperationen einbringen dürfen. Die nem bestimmten geografischen Teilanwendungs- Themen, die im Rahmen der heutigen Anhörung bereich des Konflikts oder nur bestimmte Droh- eine Rolle spielen, wie humanitäres Völkerrecht, nen eingesetzt werden, oder die Drohnen sollen Einsatzregeln, Planungsgrundsätze usw., sind gesteuert werden von dem Territorium aus, in dort Gegenstand einer fundierten Ausbildung dem der Auslandseinsatz stattfindet. - All das. und der stetigen Übung. Wir kennen doch die Praxis. Wir wissen: Das erste Afghanistan-Mandat war extrem eng ge- Vorab und grundsätzlich will ich betonen, dass schnitten, beschränkte sich auf Kabul und Umge- ich den vorliegenden Bericht des BMVg vom bung. Wir wissen, dass etwa das Mandat zur Pira- 3. Juli 2020 zu diesem Themenkreis in jeder Hin- teriebekämpfung in Somalia, das letzte Mandat sicht unterstütze. Das kann ich auch von den Bei- oder vorletzte, vorgab: bis 2 000 Meter in die trägen meiner Vorredner sagen. Küste hinein, aber nicht weiter. Genauso kann man auch Mandate für Drohneneinsätze schnei- Die wesentliche Forderung ist, dass Planung und den. Es obliegt Ihrer politischen und demokra- Einsatz von bewaffneten UAVs nach den glei- tisch zu verantwortenden Entscheidung, wie weit chen bewährten Grundsätzen, Regeln und Be- Sie bei solchen Einsätzen gehen wollen. Damit schränkungen wie der klassische Einsatz von be- kann man dann, glaube ich, auch, so sie denn be- mannten Kampfflugzeugen erfolgt. Dies gilt hin- stehen, etwaige Gefährdungen oder Gefahren, die sichtlich der völkerrechtlich bindenden Vorga- theoretisch auf einen Völkerrechtsverstoß hinaus- ben des humanitären Völkerrechts, insbesondere laufen könnten, ausschließen. der Genfer Konventionen und ihrer Zusatzproto- kolle, der strikten Einhaltung der darauf fußen- Damit will ich es zunächst in dieser Runde be- den Einsatzregeln für das jeweilige Einsatzgebiet wenden lassen. - Vielen Dank. und der eventuellen Einschränkungen durch die Mandatierung des Deutschen Bundestages. Dies Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Vielen Dank gilt sowohl für einen internationalen bewaffneten für Ihren Beitrag, Herr Professor Zimmermann. - Konflikt, gemeinhin „Krieg“ genannt, als auch für Herr Wundrak, Sie haben als Nächster das Wort. Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der UN- Charta, wie derzeit in den Einsätzen der Bundes- Sachverständiger GenLt a. D. Joachim Wundrak: wehr in Afghanistan und Mali. Herzlichen Dank, Herr Vorsitzender. - Ich danke für die Einladung zu dieser Anhörung und Im Folgenden will ich kurz auf meine Beobach- möchte eingangs kurz darlegen, warum ich tungen und Erfahrungen aus den Einsätzen in Af- denke, zum heutigen Thema beitragen zu kön- ghanistan eingehen und über die Vorteile und nen. Grenzen des Einsatzes von bewaffneten UAVs be- richten. Zum Ersten gehöre ich zum kleinen Kreis derje- nigen Bundeswehrsoldaten, die konkrete und

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Während meiner Zeit in dieser Verantwortung Ein drängendes Problem nicht nur während mei- gab es einen absoluten Höhepunkt der Einsatz- ner Einsatzzeit war die Vermeidung ziviler Opfer, zahlen der ISAF-Luftstreitkräfte als Reaktion auf ein Problem, das natürlich politisch äußerst rele- die sogenannte Frühjahrsoffensive der Aufständi- vant war und ist bis in die höchsten Ebenen der schen von Mai bis Juli 2011. Die Anzahl der Regierung. Nach meiner Beobachtung hatte der Feindberührungen, sogenannten TICs, betrug täg- Einsatz bewaffneter UAVs aufgrund der langen lich zwischen 20 und 30. Mehr als die Hälfte da- Stehzeit im Einsatzgebiet auch erhebliche Vor- von konnte regelmäßig durch Show of Presence teile in dieser Hinsicht. Einerseits konnte das so- oder Show of Force beendet werden. fortige Eingreifen in einer kritischen Situation die weitere Eskalation verhindern; andererseits Die weitaus meisten dieser Einsätze fanden im gab es in unklaren Situationen genügend Stehzeit Rahmen der Selbstverteidigung, hier der erwei- für sogenannte taktische Geduld. Zudem war die terten Selbstverteidigung, statt. Dies geschah Wirkung der eingesetzten Waffen, der bewaffne- nach Angriffen auf Konvois, Hinterhalten oder ten UAVs, am unteren Ende der verfügbaren Waf- Angriffen auf Stützpunkte der Koalitionskräfte, fenskala angesiedelt. Seither sind neu entwi- aber oft auch auf Stützpunkte der afghanischen ckelte Waffen noch kleiner und genauer und da- Polizei und des afghanischen Militärs. mit noch selektiver geworden.

Die Verantwortung für den Einsatz der Waffen ei- Weiterhin konnte in schwierigen Situationen für nes Luftfahrzeuges, auch der UAVs, liegt in die- die UAV-Operateure oft zusätzliche erfahrene Ex- sem Fall beim Kommandierenden der betroffenen pertise zur Entscheidungsfindung schnell hinzu- Truppe am Boden, praktisch umgesetzt von ei- gezogen werden. nem JTAC, einem Joint Terminal Attack Control- ler, der in direktem Funkkontakt mit der Luft- Schließlich trug nach meiner Bewertung die Tat- fahrzeugbesatzung zur Zielanweisung steht. Na- sache der geringeren emotionalen Betroffenheit türlich hat auch die Luftfahrzeugbesatzung eine durch den abgesetzten Platz der UAV-Operateure Verantwortung im Rahmen des Vieraugenprin- zu weniger stressbedingten Fehlern bei. Luftfahr- zips. zeugbesatzungen, die im Kampfgeschehen selber Ziel von Angriffen waren oder eigene Verluste Zu Beginn meines Einsatzes wurden die unbe- hautnah erlebten, wie zum Beispiel die Besat- mannten Systeme oft auch unbewaffnet zur zeit- zung von Kampfhubschraubern, neigten statis- lich lückenlosen Aufklärung unter Führung der tisch gesehen eher zu emotional bedingten Fehl- Intelligence-Abteilung eingesetzt. Hier kann ich einschätzungen. mich an mehrere Situationen erinnern, wo man einem aktuellen Angriff zuschauen musste, ohne Zusammenfassend komme ich zu dem Schluss, unmittelbar eingreifen zu können, dies auch bei dass der Vorteil des Einsatzes von bewaffneten den damals beginnenden Einsätzen der deut- UAVs, insbesondere bei Kapitel-VII-Einsätzen, schen Heron 1. aber nicht nur dort, eklatant ist, dies vor allem zum besseren Schutz der eigenen eingesetzten Mit dem Zulauf weiterer bewaffneter UAVs Soldaten, aber auch zur Minimierung von fehler- konnten einige dieser Systeme nun regelmäßig bedingten zivilen Opfern. Wenn die politische zur Konvoibegleitung und zum Objektschutz ein- Absicht besteht, mehr Verantwortung in der Welt gesetzt werden. Der Erfolg war überaus signifi- auch durch mehr militärisches Engagement der kant. Die Reaktionszeiten aus der Luft konnten in Bundeswehr in Krisengebieten zu übernehmen - diesen Fällen auf nahezu null reduziert werden. dies kritisch zu hinterfragen, ist heute nicht das Entsprechend war auch die Reaktion der Boden- Thema -, sollte der Deutsche Bundestag eher kommandeure der Koalition, die mit Nachdruck heute als morgen die Voraussetzungen für den jeweils Priorität bei der Zuteilung von bewaffne- Einsatz bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge ten UAVs für ihre Operation forderten, um ihren Soldaten den bestmöglichen Schutz zu geben.

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schaffen. Das erwarten insbesondere die Betroffe- Wir haben immer wieder das Argument, dass nen, nämlich unsere Soldaten. - Vielen Dank für man bei unseren drei engsten Verbündeten der Ihre Aufmerksamkeit. NATO diese Slippery Slope sehen kann, also bei den USA, die Drohnen einsetzen, bei Großbritan- Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Herr General- nien, die Drohnen einsetzen, und - Herr Kollege leutnant a. D., vielen Dank. - Herr Professor Ma- Zimmermann hat es erwähnt - bei Mali, wo be- sala, Sie haben das Wort. waffnete Drohnen auch zu Signature Strikes ein- gesetzt werden. Diese Beobachtung dieser drei Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala (Uni- Staaten ist meines Erachtens deshalb empirisch versität der Bundeswehr München): Sehr geehrte nicht zulässig im Vergleich zur Bundesrepublik Damen und Herren Abgeordnete! Herr Staats- Deutschland, weil keiner dieser drei Staaten eine sekretär! Ich könnte jetzt an dieser Stelle sagen: solche Parlamentsarmee hat wie die Bundes- Es ist alles gesagt worden, aber noch nicht von al- republik Deutschland. Dort wird zum größten len. Es liegt in der Natur der Sache, dass man in Teil exekutiv entschieden, wie Drohnen einge- dieser Debatte um die Frage der Vor- und der setzt werden und in welchem Szenario sie einge- Nachteile von Drohnen ganz einfach und ehrlich setzt werden. Hier entscheidet die Legislative, sagen muss, dass es eigentlich seit 2017 aus der und von daher ist dieses Slippery-Slope-Argu- Wissenschaft und aus der Praxis keine neuen Ar- ment aus der Sicht einer Parlamentsarmee empi- gumente gibt, die dafürsprechen oder die dage- risch einfach nicht aufrechtzuerhalten. Wir ha- gensprechen, die nicht bereits auf dem Tisch lie- ben sozusagen keinerlei Evidenz dafür. Es gibt gen. Deswegen ist vieles von dem, was ich hier unterschiedliche Planspiele, die sozusagen ein sage, eine Zusammenfassung des Standes des „mixed result“ haben; aber da die Drohne, die be- Wissens, das wir über bewaffnete Drohnen und waffnete Drohne, schon lange eingesetzt wird, ihren Einsatz haben. haben wir empirisch keinerlei Evidenz, dass es mit einer Parlamentsarmee zu einem Slippery Ich werde mich an den drei Fragen orientieren, Slope kommt. die mir vorgelegt worden sind, und fange mit der ersten an, der Frage der Verfügbarkeit bewaffne- Generell muss man auch sagen, dass die Vorstel- ter Drohnen und wie die Einsatzträger die Ent- lung, dass die Drohne nun plötzlich das Allheil- scheidungsträger gegebenenfalls beeinflussen. mittel ist, mit dem man militärische Operationen Dazu muss man zunächst einmal etwas Generel- beginnt, völlig an der Empirie vorbeigeht. Man les über die Drohne als Waffe sagen, und zwar: muss sich einfach anschauen - ich beziehe mich Die Drohne, ob sie bewaffnet ist oder nicht, ist in jetzt auf eine Studie von Horowitz, Kreps und militärischen Szenarien kein Game Changer; also, Fuhrmann -, wann Drohnen eigentlich eingesetzt sie ist eine logische Fortsetzung dessen, was wir werden. Also, sie werden - und da gehen wir zu in Bezug auf Waffentechnologie seit Jahrhunder- den USA - in Counter-Terrorism Operations ein- ten erleben, nämlich zwischen Kämpfenden Dis- gesetzt, also mit Signature Strikes. Da ist sozusa- tanz herzustellen. Dazu zählt genauso das Kampf- gen ihr Gebrauch sehr hoch. Das ist, wie Herr flugzeug, dazu zählt die Artillerie mit einer 40- Kollege Zimmermann gesagt hat, völkerrechtlich Kilometer-Reichweite. Also, die Drohne alleine illegal. Meines Erachtens wird das in der Bundes- ist in diesen militärischen Szenarien kein Game republik Deutschland nie passieren. Und dann Changer, sie ist nur ein weiteres Instrument die- wird sie nur dort eingesetzt, wo sogenannte ser, wie Rieke Frank es mal genannt hat, Aufwei- Uncontested Airspaces existieren, das heißt in chung der Nähebeziehung zwischen Kämpfenden Szenarien, wo die Verfügbarkeit von Short-Range und Bekämpften. Deswegen glaube ich, dass die Air Defence nicht gegeben ist, die gegebenenfalls Drohne über kein spezifisches Potenzial verfügt, Drohnen abschießen kann. Entscheidungsträger zu verleiten, sich auf eine Slippery Slope zu begeben. Wir sehen das gerade sehr schön in dem Aser- baidschan-Armenien-Konflikt. Es gibt ein paar

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Geckos, die in der Lage sind, die Drohnen runter- validen Argumente, die wir mit Blick auf die Be- zuholen; aber aus armenischer Sicht gibt es na- waffnung von Drohnen ins Feld führen können. türlich viel zu wenig Geckos. - Das zu Uncon- tested Airspaces. Mit Blick auf die Uhr möchte ich jetzt ganz gerne zu der zweiten Frage übergehen: Einsatzszena- Dort, wo Airspaces „contested“ sind, das heißt, rien, also jenseits des Einsatzes zum Patrouillen- wo die Drohnen einsetzende Nation nicht die schutz. Ich habe gerade eben angeführt, wo Droh- Lufthoheit hat, werden Drohnen extrem zurück- nen eingesetzt werden: hauptsächlich bei Coun- haltend eingesetzt. Wir sehen das in Syrien. So- ter-Terrorism Operations und in Uncontested wohl die USA als auch Großbritannien üben bei Airspaces. Das sind die zwei Einsatzszenarien, ihren Einsätzen gegen Assad - ich rede nicht von bei denen wir feststellen können, dass Drohnen den Einsätzen nachher im Counter-Daesh-Be- sozusagen sehr stark eingesetzt werden. Wenn reich, weil Counter-Daesh war Uncontested ich Counter-Terrorism Operation sehe und mir Airspace - eine extreme Zurückhaltung, was die Einsatzregeln des BMVg ansehe, das Grund- Drohnen anbelangt. Dort werden Waffen von gesetz der Bundesrepublik Deutschland berück- Plattformen abgeschossen, die berühmte Cruise sichtige und natürlich auch die Tatsache, dass Missile, oder aus dem Hubschrauber, die Hellfire, der Deutsche Bundestag darüber entscheiden weil Drohnen extrem schlecht zu schützen sind. müsste, dann halte ich den Einsatz in dieser Art Sie können Drohnen sehr schnell, wenn Sie sozu- von Operationen mit Signature Strikes, also ge- sagen Short-Range Air Defence haben, vom Him- zielten Tötungen von Personen, in der Bundes- mel runterholen, und damit vernichten Sie natür- republik Deutschland für nahezu ausgeschlossen. lich für denjenigen, der sie einsetzt, ziemlich viel Geld, und Sie haben kaum operative Vorteile. Ich komme noch mal auf den Punkt zurück, dass Also, das Hemmschwellenargument trägt meines die Drohne kein Game Changer ist. Man muss es Erachtens nicht. militärisch verstehen. Also, mit der Drohne kann ich keine Territorien besetzen; mit der Drohne Jetzt kommen wir zur Bündnisdynamik, die auch kann ich keinen Luftkampf führen. Drohnen sind vom Kollegen Zimmermann angesprochen verwundbar, wie ich gesagt habe, gegenüber der wurde, und hier meiner empirischen Erfahrung feindlichen Luftabwehr. Also, sie können ledig- in der Bundesrepublik Deutschland. Wenn es lich Luftoperationen ersetzen, bei denen man - eine Bündnisdynamik geben würde, hätten wir zum Punkt Verführbarkeit, andere Einsatzszena- 2003 am Irak-Krieg teilgenommen, hätten wir rien - halt das Leben der eigenen Soldaten nicht 2011 am Einsatz in Libyen teilgenommen, hätten riskiert. Zunächst einmal ist es so: Wenn ich eine wir keine nationalen Caveats gehabt in Afghanis- Drohne einsetze, brauche ich trotzdem Personal tan und wären wir in Mali bei „Barkhane“ dabei. vor Ort, das heißt, es sind trotzdem Soldaten auf Das wäre Bündnisdynamik. Die Bundesrepublik dem Boden, die sich um diese Drohne kümmern wäre bei all diesen zitierten Einsätzen dabei ge- müssen. Hier ist die Drohne meines Erachtens in wesen an der Seite ihrer wichtigsten Verbünde- einem eingeschränkten Maße - wenn wir hier ten. Aber wie Sie alle wissen: Wir waren es nicht. über die Frage der Bundeswehr reden - für Ergo ist das Bündnisdynamikargument auch kein Patrouillen und zum Lagerschutz da. Da könnte valides, weil es generell aus der Praxis nicht zu sie den Vorteil haben, dass sie abschreckend unterstützen ist. Es gibt diese Bündnisdynamik wirkt. Wenn nämlich bekannt ist, dass die deut- nicht in der Realität, und wir Deutsche haben schen Patrouillen durch bewaffnete Drohnen ge- uns dieser Bündnisdynamik - das kann man be- schützt werden, dann mag das den Gegner davon dauern oder nicht, aber das ist egal -, empirisch abhalten, sie überhaupt erst anzugreifen, weil er feststellbar, zu sehr, sehr vielen Gelegenheiten nicht in der Lage ist, gegen dieses Wirkmittel et- ganz einfach entzogen. was einzusetzen.

Also, von daher: Hemmschwellensenkung und Jetzt kommen wir auf den berühmten Kunduz- Bündnisdynamik sind meines Erachtens keine Fall mit einer geringen Sprengkraft. Bei Kunduz

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wäre die Möglichkeit gewesen, diese Drohne viel die Berliner Menschenrechtsorganisation Euro- länger über dem Tanklaster schweben zu lassen. pean Center for Constitutional and Human Wenn wir uns Kunduz ansehen, dann hatte der Rights, ECCHR, habe ich mich in den letzten Pilot, der entscheiden musste, wenig „rest play- zehn Jahren intensiv mit rechtlichen Fragen in time“, das heißt einen enorm hohen Druck, und Bezug auf bewaffnete Drohnen, auch in Gerichts- hat dann die Entscheidung getroffen, die er ge- verfahren, befasst sowie Gespräche mit Drohnen- troffen hat, nämlich mit 270-Kilo-Bomben anzu- piloten und Betroffenen geführt. greifen. Mit einer Drohne, die neun Stunden über diesem Einsatzgebiet fliegen kann, haben Sie na- Ich werde im Folgenden zu drei Themen Stellung türlich ein wesentlich besseres Lagebild und kön- nehmen: Bedeutung des Rechts, Einsatzszenarien nen auf Veränderungen wesentlich besser reagie- sowie Kontroll- und Rechtsschutzmöglichkeiten. ren, als Sie es können, wenn Sie zwei F-18 oder F-16, waren das damals, mit einer geringen „rest Eine Vorbemerkung zum Bericht des Bundes- playtime“ über das Szenario schicken. verteidigungsministeriums vom 3. Juli. Ich habe erhebliche Zweifel an den Zusicherungen des Dritter Punkt: Welche Folge für Nichtkombattan- Ministeriums, das in dem Bericht zu vermitteln ten hat der Einsatz bewaffneter Drohnen? Die versucht, bewaffnete Drohnen nur in einem sehr Studien, die wir kennen, beziehen sich alle auf engen Rahmen einsetzen zu wollen, nämlich zum die Frage nach ziviler Bevölkerung und Drohnen- Schutz der Soldatinnen und Soldaten. Meine einsatz bei Antiterroroperationen. Da muss man Skepsis rührt zum einen aus der bestehenden sagen: In dem Moment, in dem Sie eine perma- Praxis des Ministeriums und der Bundesregie- nente Drohnenüberwachung haben, in dem Mo- rung sowie zum anderen aus den unzureichen- ment, in dem viele Zivilisten sterben, in dem Mo- den Kontrollmöglichkeiten für Parlament und ment, in dem Kinder ihre Eltern verlieren, Justiz, den Einsatz bewaffneter Drohnen in naher herrscht natürlich ein extrem hohes Maß an und in ferner Zukunft tatsächlich auf den Schutz Traumatisierung vor. Also, es gibt Studien über von Soldatinnen und Soldaten zu beschränken. den Jemen, die sind erschreckend. Aber noch mal: Es bezieht sich hier auf Signature Strikes, Als Erstes möchte ich auf die Bedeutung, Funk- also gezielte, nichtlegale Tötungen von Personen, tion und Auslegung des relevanten Rechts, vor bei denen dann halt auch in der Vergangenheit, allem des Völkerrechts, eingehen. Einhergehend wie wir das alle kennen, die Wirkmittel in grö- mit der Verbreitung bewaffneter Drohnen gibt es ßere Menschenmengen abgeschossen worden seit gut zehn Jahren verschiedene völkerrechtli- sind. Und das ist in der Tat terrorisierend für die che Stellschrauben, an denen die Befürworter ei- Bevölkerung: diese permanente Luftraumüberwa- ner massiven Ausdehnung militärischer Gewalt chung, dieses Nichtwissen, wann geschossen drehen. Das betrifft vor allem das Gewaltverbot wird und wohin geschossen wird. Es traumati- der UN-Charta und das humanitäre Völkerrecht siert kleine Kinder. Aber noch mal: Es ist ein sowie die Menschenrechte. Damit wird das Völ- komplett anderes Einsatzszenario als das, was ge- kerrecht in seiner gewalteinschränkenden Funk- genwärtig hier in der Bundesrepublik Deutsch- tion ausgehöhlt; ein Korrektiv der Einsatzpraxis land diskutiert wird. - Ich danke Ihnen für die fehlt. Die Bundesregierung stellt sich dem nicht Aufmerksamkeit. entgegen und macht sich die expansive Ausle- gung zum Teil selbst zu eigen. Es geht dabei ins- Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Vielen Dank, besondere um die Auslegung einer Reihe von Herr Professor Masala. - Herr Schüller, Sie haben Normen und Begriffen. Zu den umstrittenen Be- als Nächster das Wort, bitte sehr. griffen gehört, was eine außergerichtliche Hin- richtung ist und was unter das Verbot völker- Sachverständiger Andreas Schüller (European rechtswidriger Tötungen fällt. Center for Constitutional and Human Rights e. V.): Ich bedanke mich für die Einladung zu Rechtlich ist mitnichten immer eindeutig, ob dieser Anhörung. Im Rahmen meiner Arbeit für eine Tötung völkerrechtswidrig ist oder nicht.

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Daher reicht es nicht aus, sich allgemein gegen größerem Ausmaß mit inzwischen Tausenden außergerichtliche Tötungen auszusprechen, so Angriffen und Opfern. begrüßenswert dies auch ist. Darf eine Person ge- tötet werden, weil sie vermeintlich einen An- Großbritannien in Syrien, Frankreich in Mali, die schlag auf einen Konvoi oder möglicherweise so- Türkei in Syrien und Irak setzen ebenfalls be- gar direkt auf Bundeswehrangehörige plant? Wie waffnete Drohnen für gezielte Tötungen von Ter- gesichert muss diese Erkenntnis sein? Wie viele rorismusverdächtigen ein. Zudem sind bewaff- Schritte bis zur Tatverwirklichung müssen noch nete Drohnen Teil des rein aus der Luft geführten folgen und abgewartet werden? Was sicher ist, Anti-IS-Einsatzes in Syrien und Irak, an dem ist, dass eine Tötung rechtswidrig und strafbar auch die Bundeswehr beteiligt ist. Da Drohnen wäre, wenn die Vorbereitung in Deutschland nur Raketen mit vergleichsweise geringer Spreng- stattfände und die Beteiligten hier mittels eines kraft tragen können, dienen sie vor allem dem Angriffs mit Sprengwaffen ums Leben kämen. Im Angriff auf kleine Ziele wie Fahrzeuge und vor Ausland ist unter anderem entscheidend, ob die- allem Menschen. ses Szenario in einem bewaffneten Konflikt statt- findet oder außerhalb. Wann dies der Fall ist, ist Im bewaffneten Konflikt ist die Unterscheidung wiederum rechtlich umstritten. Zu der Bedeu- zwischen Kombattanten und Zivilisten zentral. tung dieser Frage mehr sogleich. Im BMVg-Bericht werden insbesondere asymmet- rische und urbane Einsatzszenarien beschrieben. Die Fokussierung des Bundesministeriums der Gerade in diesen ist aber allein durch eine ver- Verteidigung auf den Schutz der Soldatinnen besserte Luftaufklärung nicht mit der erforderli- und Soldaten bleibt ebenfalls vage und ausle- chen Sicherheit festzustellen, ob die menschli- gungsbedürftig. Was umfasst der Schutz der Sol- chen Ziele am Boden den Status eines Kombat- datinnen und Soldaten? Zählt zum Objektschutz tanten haben oder nicht. Informationen, die An- etwa ein Angriff auf den Tanklaster wie im Fall griffsentscheidungen zugrunde liegen, bleiben Kunduz? Gehört zum Konvoischutz der Angriff letztlich fehleranfällig. Es sind zudem genau auf mutmaßliche Terroristen, um einen nicht nä- diese Szenarien der asymmetrischen und urba- her definierten zukünftigen Angriff zu verhin- nen Kriegsführung und nicht der klassische be- dern, wie im Fall der Tötung des deutschen waffnete Konflikt zwischen zwei Armeen, die re- Staatsbürgers Bünjamin E. durch einen US-Droh- gelmäßig zu rechtswidrigem Handeln führen und nenangriff in Pakistan? die Gewalt eskalieren lassen. Die Hemmschwelle für Angriffe durch Drohnen sinkt durch die dau- Die beiden genannten Fälle sind nicht aus der erhafte Luftpräsenz. Dies trägt zu einem Anstieg Luft gegriffen, sondern fanden mit deutscher Be- von Luftangriffen bei. teiligung bereits statt. Sie waren jeweils auch Ge- genstand parlamentarischer Untersuchungs- Eine Eskalationsspirale lauert im Einsatz bewaff- ausschüsse, weil es Anlass gab, die deutsche Be- neter Drohnen außerhalb bewaffneter Konflikte, teiligung genauer zu untersuchen. Die Fälle zei- etwa in Stabilisierungsmissionen. Wenn auf gen, dass Zweifel an der Glaubwürdigkeit der feindselige Handlungen mit Drohnenangriffen re- Bundesregierung und des Verteidigungsministe- agiert wird, kann dies rechtlich als Eintritt in ei- riums angebracht sind. nen bewaffneten Konflikt bewertet werden. Zu- dem müssen die engen Grenzen des menschen- Zweitens unterscheiden sich die typischen Ein- rechtlichen Schutzes des Rechts auf Leben beach- satzszenarien bewaffneter Drohnen von dem, was tet werden. das Bundesministerium der Verteidigung vorgibt zu planen. Eingesetzt werden bewaffnete Droh- Soll die Bundeswehr in Stabilisierungseinsätzen nen im Rahmen der internationalen Terrorismus- nicht Konfliktpartei werden, darf sie auch keine bekämpfung oftmals außerhalb bewaffneter Kon- Drohnen zur Selbstverteidigung einsetzen. Es flikte, beginnend etwa 2009 durch die USA in muss vor einem Einsatz klar und eindeutig gere-

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gelt werden, ob die Bundeswehr an einem be- Ein Weg vor die Zivilgerichte ist Betroffenen waffneten Konflikt teilnimmt oder nicht. Außer- ebenfalls verbaut, vor allem durch die Entschei- halb des bewaffneten Konflikts sollten bewaffne- dungen des BGH, die die Anwendbarkeit des ten Drohnen dann aber erst recht nicht zum be- Amtshaftungsrechts in Auslandseinsätzen gegen- reitstehenden Arsenal der Bundeswehr gehören. über ausländischen Bürgern ausschließen. Diese Entscheidungen dürfen so nicht stehen bleiben. Dadurch, dass es erhebliche Zweifel an der Hier ist nun der Gesetzgeber gefragt. Rechtmäßigkeit einiger der Rechtspositionen der Bundeswehr gibt, ist - drittens - eine effektive Ich komme zum Schluss. Die bisherige Praxis der Kontrolle exekutiven Handels durch Parlament Bundesregierung begründet erhebliche Zweifel und Gerichte von großer Bedeutung. Diese Kon- daran, dass sie bewaffnete Drohnen tatsächlich trolle ist allerdings nur unzureichend gewährleis- nur in einem engen Rahmen einsetzen würde. tet. Einsatzbeschlüsse sowie Einsatzregeln Bewaffnete Drohnen sind das Werkzeug dafür, und -konzepte zu bewaffneten Drohnen sollten das Völkerrecht weiter auszuhöhlen und es sei- vorab rechtlich überprüfbar sein, etwa durch das ner friedenssichernden, gewaltbegrenzenden Bundesverfassungsgericht. Die vorgelegten Ge- Funktion zu berauben. Die Unterstützung des setzentwürfe hierzu sind daher zu begrüßen. US-Drohnenprogramms durch Datenweitergabe und Nutzungserlaubnis für den Luftwaffenstütz- Für eine nachträgliche Kontrolle sind unter ande- punkt Ramstein sprechen eine andere Sprache. rem die Staatsanwaltschaften zuständig. Diese Die Verfügbarkeit bewaffneter Drohnen lässt die sind zunächst auf die Ermittlungsergebnisse vom Hemmschwelle für Einsätze sinken; eine Eskala- Tatort angewiesen. Bei einem Angriff mit bewaff- tion von Gewalt zu Lasten der Zivilbevölkerung neten Drohnen gibt es umfassende Ermittlungs- ist zu befürchten. Außerhalb bewaffneter Kon- pflichten aus dem Grundgesetz in Verbindung flikte sollten bewaffnete Drohnen nicht zum Ein- mit menschenrechtlichen Übereinkommen wie satz kommen und gar nicht erst mitgeführt wer- der Europäischen Menschenrechtskonvention den. oder dem Pakt über zivile und bürgerliche Rechte. Ein reines Battle Damage Assessment ge- Es fehlen ausreichende Kontrollmöglichkeiten, nügt diesen Anforderungen aus unserer Sicht um Einsatzkonzepte und -regeln von bewaffneten nicht. Hier gab es in der Vergangenheit erhebli- Drohneneinsätzen der Bundeswehr rechtlich che Defizite, zum Beispiel im Fall des Luftan- überprüfen zu können. Die Rechtsschutzmöglich- griffs bei Kunduz. Dazu fand im Februar dieses keiten für Betroffene sind zudem unzureichend. Jahres eine Anhörung vor der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschen- Aus diesen Gründen sollte der Bundeswehr keine rechte statt; eine Entscheidung steht noch aus. Bewaffnung für Drohnen zur Verfügung gestellt werden. - Danke schön. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaften kön- nen eine gerichtliche Kontrolle nicht ersetzen. Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Danke sehr, Letztere findet jedoch regelmäßig gerade nicht Herr Schüller. - Als Nächstes hat Herr Marxsen statt, da die Hürden für Betroffene zu hoch sind. das Wort. Zum einen müssen Betroffene Zugang und Mittel finden, um überhaupt in Deutschland den Sachverständiger Dr. Christian Marxsen (Max- Rechtsweg beschreiten zu können. Hinzu kommt, Planck-Institut für ausländisches öffentliches dass die gesetzlichen Voraussetzungen für das Recht und Völkerrecht): Vielen Dank. - Sehr ge- Klageerzwingungsverfahren so restriktiv sind, ehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Aus- dass de facto nur sehr wenige staatsanwaltschaft- schussmitglieder! Sehr geehrte Damen und Her- liche Entscheidungen überhaupt von einem Ge- ren! Auch ich bedanke mich ganz herzlich für die richt überprüft werden. Einladung zu dieser Anhörung und für die Mög- lichkeit, hier zur Frage der Bewaffnung von Drohnen Stellung zu beziehen.

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Ich möchte gerne auf fünf Punkte in der gebote- ist bekanntermaßen in Artikel 2 Absatz 4 der UN- nen Kürze eingehen, die hier jetzt mehrheitlich Charta verankert, stellt sich auch als Völkerge- alle schon angesprochen worden sind. wohnheitsrecht dar und gilt auch innerstaatlich über Artikel 25, 26 und 59 Absatz 2 GG. Erstens. Eine wichtige Dimension der rechtlichen Bewertung - auf diese möchte ich mich in meiner Die Debatte um die Bewaffnung der Drohnen Positionierung hier fokussieren - ist zunächst die wird zumeist auf das humanitäre Völkerrecht fo- Feststellung, dass es kein grundsätzliches völker- kussiert, also auf die im bewaffneten Konflikt gel- rechtliches Verbot der Anschaffung oder der Ver- tenden Rechtsregeln, und selbstverständlich wird wendung bewaffneter Drohnen gibt und dass es dann vorausgesetzt, dass die Regeln des völker- insoweit eben auf die konkreten Umstände der rechtlichen Gewaltverbots einzuhalten sind. Es Verwendung ankommt. Neben diesen klaren Fra- scheint auch die Annahme zu bestehen, dass das gen nach Verboten gibt es aber gewissermaßen in der Tat in der Praxis immer der Fall ist. Letz- rechtliche Umgebungsvariablen, die in die Abwä- tere Annahme allerdings - das wäre der Punkt, gungsentscheidung darüber, ob die Bewaffnung den ich hier betonen möchte - erweist sich zu- angeschafft werden soll oder nicht, eingehen soll- mindest in einigen Fällen durchaus als problema- ten. Auf ebendiese Faktoren möchte ich mich in tisch. meiner Stellungnahme im Folgenden konzentrie- ren. Wenn wir uns die Einsatzpraxis genauer an- schauen, dann zeigt sich, dass sehr wohl Fälle Der zweite Gesichtspunkt, den ich hier anführen vorhanden sind, in denen materielle Völker- möchte, auf den ich hinweisen möchte und der rechts- und Verfassungsrechtskonformität von schon mehrfach zur Sprache kam, ist die Frage Einsätzen der Bundeswehr nicht gegeben war nach der Dynamik, die sich ergeben könnte in- oder jedenfalls, wenn man das zurückhaltender folge der Anschaffung der Drohnen. Dieser Ge- formuliert, hochgradig umstritten war, sodass in- sichtspunkt ist viel diskutiert und auch hier ge- sofern jedenfalls eine sichere Einsatzgrundlage rade schon angeführt worden. Aus meiner Sicht nicht gegeben war. Man kann beispielsweise an ist es gleichwohl sehr wahrscheinlich, dass die den Kosovo denken oder natürlich an Syrien seit Verfügbarkeit bewaffneter Drohnen das Kalkül 2015, wo das ebenfalls hochgradig umstritten ist. politischer Entscheidungsträger beeinflussen wird, dahin gehend nämlich, dass die wahrge- Derartige rechtliche Probleme sind meiner Mei- nommenen Hürden für die Beteiligung an Ein- nung nach für die Frage nach der Bewaffnung sätzen abgesenkt würden. Der Hintergrund des- von Drohnen relevant. Hier nämlich zeichnen sen ist - gerade das ist ja der Vorteil der Droh- sich auch die zukünftig möglichen und wahr- nen -, dass durch den Einsatz bewaffneter Droh- scheinlichen Szenarien für den Einsatz bewaffne- nen das Leben und die Gesundheit von Soldatin- ter Drohnen ab. Die Entscheidung über die Be- nen und Soldaten nicht unmittelbar gefährdet waffnung von Drohnen fällt zu einem Zeitpunkt, werden. Da ist es naheliegend, dass sich das in in dem es zu einer bedenklichen Praxis der Über- der Gesamtgefahrenprognose im Rahmen von schreitung des Rechtsrahmens gekommen ist. Mandatierungen, aber auch in konkreten Einsatz- Durch die Bewaffnung von Drohnen würden wei- entscheidungen, in der Operationsplanung dann tere Möglichkeiten geschaffen, diese Praxis in ge- dort niederschlagen wird. steigertem Maße zu verfestigen. Der Grund dieser Verfestigung ist, dass die Bewaffnung der Droh- Der dritte Punkt, den ich hier gerne betonen nen das Einsatzspektrum der Bundeswehr erwei- möchte, betrifft einen Aspekt, der nach meinem tern würde, und es ist wahrscheinlich, wie ich Dafürhalten in der Debatte um die Bewaffnung eingangs gesagt habe, dass eben auch die Hemm- von Drohnen nicht hinreichend berücksichtigt schwelle für solche Einsätze sinken könnte. Vor wird. Dieser Punkt bezieht sich auf das Verhält- dem Hintergrund dessen spricht vieles dafür, nis der Bewaffnung zum völkerrechtlichen Ge- dass die Drohnenbewaffnung zu einer Vertiefung waltverbot. Dieses völkerrechtliche Gewaltverbot

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und Vermehrung jedenfalls auch von problemati- Schwierigkeiten in Bezug auf Rechtsschutz und schen Einsätzen der Bundeswehr führen könnte. juristische Aufarbeitung. Der Fall Kunduz hat ge- zeigt, dass jedenfalls Amtshaftungsansprüche vor Im Zusammenhang damit steht nun ein Problem, deutschen Gerichten nicht geltend gemacht wer- das gerade auch schon kurz zur Sprache gekom- den können. Denkbar wären wohl Verfahren vor men ist, und zwar dass es keine hinreichenden deutschen Verwaltungsgerichten. Aber in rechtli- Rechtsschutzmöglichkeiten gibt, mit denen die cher Hinsicht stellen sich hier bislang noch nicht materiellrechtliche Völkerrechts- und Verfas- sicher entschiedene Fragen der extraterritorialen sungskonformität von Auslandseinsätzen der Reichweite des Grund- und Menschenrechts- Bundeswehr juristisch überprüft werden könnte. schutzes. Auch sind die praktischen Beschrän- Im Rahmen von Organstreitverfahren können die kungen für eine Klage von Betroffenen natürlich Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages, vor deutschen Verwaltungsgerichten immens. also insbesondere natürlich der wehrverfassungs- rechtliche Parlamentsvorbehalt, überprüft wer- Insoweit besteht also ein nach meinem Dafürhal- den, aber eben nicht die Einhaltung materiell- ten unbefriedigender Rechtsschutz für den Fall, rechtlicher Vorgaben. Das ist wiederum bestätigt dass es zu Verstößen gegen anwendbare Rechts- worden vom Bundesverfassungsgericht in seiner vorschriften kommen sollte. Ich denke, dass die Entscheidung zum Syrien-Einsatz vom Septem- Debatte um die Einführung einer neuen Techno- ber 2019. logie auch Anlass geben sollte, Mechanismen zu etablieren, die ihre allein rechtmäßige Verwen- Gesetzesinitiativen zur Einrichtung eines neuen dung sicherstellen. Hier müsste man also an die Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht Einführung unabhängiger Untersuchungsstellen sind, wie bekannt, einstweilen nicht erfolgreich denken und zum Beispiel auch ausdrücklich an gewesen. Man kann hier sagen, dass die Beson- Klagerechte für Betroffene. derheit in der Bundesrepublik natürlich ist, dass das Parlament hier eingebunden ist, dass das Par- Als meinen abschließenden fünften Punkt lament über den wehrverfassungsrechtlichen Par- möchte ich noch einen Aspekt aus rechtsethi- lamentsvorbehalt neben der Regierung auch die scher Perspektive anführen. Es ist natürlich zu- politische Verantwortung für den Einsatz trägt. treffend, dass andere Staaten Drohnen seit Lan- Eine verbindliche, nach Maßgabe rechtstaatlicher gem bewaffnet haben, dass die Entwicklung der Gewaltenteilung organisierte Kontrolle auf die Technologie weitergeht und dass die hier ge- Verfassungskonformität und Völkerrechtskonfor- führte und, wie ich finde, sehr wichtige Debatte mität eines Auslandseinsatzes ist damit aber ge- in anderen Staaten überhaupt nicht stattfindet, rade nicht gewährleistet, da die Judikative als sondern dass man dort schlicht eine entspre- eine unabhängige Kontrollinstanz gerade ausge- chende Regierungsentscheidung hat. Es ist auch schlossen ist. richtig, dass ein technologischer Wettlauf schwerlich oder gar nicht durch einen einzelnen Zusammenfassend zu meinem dritten Punkt Staat aufgehalten oder durchbrochen werden möchte ich festhalten, dass aus der Betrachtung kann. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass die des völkerrechtlichen Gewaltverbots als einem Begrenzung der internationalen Rüstung in Anbe- Kontext der Einsätze eben doch erhebliche Argu- tracht gegenwärtiger weltweiter Aufrüstungs- mente gegen eine Bewaffnung von Drohnen spre- bestrebungen ein zentraler Aspekt der langfristi- chen. gen internationalen Friedenssicherung ist. Ich denke, es sollte hier nicht unterschätzt werden, Damit komme ich zu meinem vierten Punkt. Der dass auch vom Handeln einzelner Staaten und betrifft die Möglichkeiten des Rechtsschutzes für insbesondere auch vom Handeln der Bundes- Personen, die infolge möglicherweise rechtswid- republik Deutschland erhebliche Signalwirkun- riger Einsätze von bewaffneten Drohnen verletzt gen im internationalen Bereich ausgehen könn- würden. Herr Schüller ist darauf gerade schon eingegangen. Insoweit bestehen erhebliche

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ten, die in Richtung einer glaubhaften Perspek- Mit Bezug auf das, was dazu ausgeführt wurde, tive auf eine internationale Rüstungsbegrenzung wo denn UAVs bewaffnet eingesetzt werden kön- wirken. - Damit bin ich am Ende. nen, und die Frage, wie weit Luftraum überwacht wird, lasse ich die Landes- und Bündnisverteidi- Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Vielen Dank gung erst mal außen vor und konzentriere mich für Ihren Beitrag. - Meine Herren, vielen Dank für auf das, was wir in den letzten Jahren erlebt ha- Ihre Beiträge zum Einstieg in die sich jetzt an- ben und auch heute noch erleben, nämlich auf schließende Fragerunde, in der als Erstes die die internationalen Einsätze. Da ist es nach wie Fraktion der CDU/CSU das Wort hat, zunächst vor so, dass wir natürlich nicht klassische Ver- der Kollege Otte. fahren haben oder auch klassisch kämpfen, wie wir es mit Blick auf die Landes- und Bündnisver- Henning Otte (CDU/CSU): Herzlichen Dank, Herr teidigung vorfinden würden, sondern dass es um Vorsitzender. - Meine sehr verehrten Damen und asymmetrische Bedrohung und ein Agieren größ- Herren! Die CDU/CSU-Fraktion hält die Bewaff- tenteils außerhalb des humanitären Völkerrechts nung von Drohnen und die Beschaffung von geht. Das lässt weder das Grundgesetz zu noch Drohnen für eine notwendige und überfällige glaube ich, dass es jemals ein entsprechendes Entscheidung. Wir sehen dies als politisch gebo- Mandat geben würde. Aber das soll nicht die ten und ethisch und völkerrechtlich auch not- Folge haben, dass wir gleichermaßen außerhalb wendig an, um unseren Soldatinnen und Solda- des humanitären Völkerrechts kämpfen. Es ist na- ten in Einsatzlagen diese Schutzmöglichkeit türlich so, dass wir in den letzten Jahren erlebt nicht zu verwehren; denn wir müssen auch die haben, wie andere Akteure kämpfen. Das ist ge- schützen, die uns schützen. prägt von Hinterhalten, Handstreichen und vie- len Dingen mehr. Wenn wir klassisch aufklären, Ich freue mich sehr, dass wir heute diese breite auf Patrouillenfahrten gehen mit anderen Akteu- Debatte führen; haben wir dies doch im Koali- ren, auch zivilen Akteuren, in Zusammenarbeit tionsvertrag vereinbart, um uns jetzt hier auf die- bestimmte Projekte innerhalb bestimmter Regio- sen Weg zu begeben. - Sehr geehrter Herr Bun- nen voranbringen wollen, dann besteht natürlich desvorsitzender des Deutschen BundeswehrVer- immer eine enorm hohe Bedrohung, was An- bandes, sehr geehrter Herr Wüstner, herzlichen schläge anbelangt. Sie kennen diese aus der Ver- Dank, dass Sie unserer Bitte entsprochen haben, gangenheit mit Schwerpunkt um das Jahr 2010 in in dieser Anhörung zur Verfügung zu stehen. Sie Afghanistan mit IEDs, Hinterhalten und vielem haben die Haltung des Deutschen Bundeswehr- mehr. Gleiches haben wir ja in den letzten Jahren Verbandes sehr konkret zum Ausdruck gebracht mit Blick auf die UN und viele Kameradinnen und haben gesagt, Sie sind auch die Stimme der und Kameraden der UN in der Sahel-Region Menschen. Ich möchte Sie fragen: Für welche wahrnehmen müssen. konkreten Einsätze sieht der BundeswehrVer- band den dringenden Bedarf zur Beschaffung von Das heißt, die Gefährdung durch Terrorismus Drohnen? und organisierte Kriminalität ist dort enorm, und die Anschlags- und Hinterhaltszenarien sind im- Sachverständiger OTL André Wüstner (Deut- mer ähnlich. Deswegen ist von besonderer Be- scher BundeswehrVerband e. V.): Vielen Dank, deutung, dass wir nicht nur - und das sind die Herr Abgeordneter. - Vom Grunde her wissen wir zwei Prüfkriterien für jeden Auftrag - eine intakte hier alle im Raum: Es geht momentan, was die Rettungskette zur Verfügung haben, wenn wir in Bundeswehr und die Auftragslage anbelangt, um einen entsprechenden Auftrag gehen, sondern die Gleichrangigkeit von Landes- und Bündnis- dass gleichermaßen Aufklärung und Wirkung si- verteidigung auf der einen Seite und das Agieren chergestellt ist; denn bei einem Hinterhalts ist es im Rahmen des internationalen Krisenmanage- so, dass die Karten für einen selbst, für die Solda- ments auf der anderen Seite. tinnen und Soldaten, erst mal schlecht sind. Ich sage sogar so: Wenn wir in der klassischen Aus- bildung, wie wir sie aktuell gemäß den gültigen

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Vorschriften machen, Hinterhalte anlegen, Jetzt will ich gar nicht nur auf die einzelnen Si- spricht man davon, dass nahezu niemand oder tuationen von Troops in Contact eingehen, son- sehr wenige überleben. Das haben wir ja auch in dern beschreiben, was ich anfangs ausführte: den letzten Jahren erlebt, als andere Akteure in Wenn wir im Auftrag des Parlaments wirken wol- Afghanistan Anschläge und Hinterhalte durchge- len, ob jetzt in Afghanistan oder beispielsweise führt haben: Wenn es dann nicht relativ schnell in Mali, Stichwort MINUSMA, dann geht es ja nicht nur eine sehr präzise Aufklärung voraus schon darum, inwieweit man Patrouillen ange- und im Fall X gibt, sondern auch eine schnelle hen kann, inwieweit man überhaupt sozusagen Wirkungsmöglichkeit, dann ist die Situation für versuchen kann, seine Aufträge zu erfüllen. die eigenen Kräfte sehr begrenzt. Wenn dann die entsprechenden Mittel nicht da sind, dann bleibt der Radius klein, oder es wird Deswegen ist sozusagen diese schnelle Reaktions- auch ein entsprechender Auftrag nicht bestmög- fähigkeit, die man hat, trotz aller Prüfschemata, lich angegangen. Damit meine ich nicht, dass die man anwenden muss, von entscheidender Be- man das nicht will, sondern wenn die entspre- deutung, und deswegen, kann ich nur sagen, ist chenden Aufklärungs-, Schutz- oder Wirkungs- es für uns von Bedeutung, dass wir nicht nur auf- möglichkeiten nicht da sind, dann ist es manch- klären können, sondern relativ schnell wirken mal so, dass Mut und Dummheit eng beieinan- können. Außer einer bewaffnungsfähigen Drohne derliegen, um es mal so auszudrücken. Das wis- sehen wir mit Blick auf alle anderen Faktoren da sen die Kontingentführer, das wissen die Füh- aktuell kein besseres Mittel. rungskräfte. Deswegen will ich sagen: Es muss nicht nur die Dimension betrachtet werden: „Was Henning Otte (CDU/CSU): Herzlichen Dank. - Sie war bisher?“ oder „In welchen Einsätzen hätte stehen im engen Austausch mit den Soldatinnen man eine bewaffnungsfähige Drohne gebraucht?“, und Soldaten auch kraft Ihres Amtes. Zahlreiche sondern es steht auch die Frage im Raum: Was Soldaten berichten auch von ihren Einsatzerfah- haben wir bisher alles nicht getan, weil sie nicht rungen. Was schildern die Soldaten im Umgang zur Verfügung stand? mit dem Einsatz von bewaffneten Drohnen oder gerade mit dem nicht vorhandenen Umgang mit Henning Otte (CDU/CSU): Vielen Dank. bewaffneten Drohnen als Schutzkomponente? Florian Hahn (CDU/CSU): Herr Oberstleutnant, Sachverständiger OTL André Wüstner (Deut- ich würde da gerne anschließen. Ich stelle erst scher BundeswehrVerband e. V.): Im Bericht des mal fest, dass bei dieser Anhörung bisher von Verteidigungsministeriums sind ja einzelne Bei- keinem der Experten ein Argument genannt spiele aufgeführt. Einige Damen und Herren Ab- wurde, das sozusagen die Position, dass eine be- geordnete waren ja mit der Ministerin im Einsatz, waffnungsfähige Drohne deutsche Soldatinnen als beispielsweise in Kunduz vorgetragen wurde und Soldaten im Einsatz schützt oder schützen zum Thema Beschuss des Außenlagers und der kann, negiert. Sie haben das gerade noch mal ein- fehlenden Möglichkeit, zu wirken. Jetzt will ich drucksvoll in Ihren Ausführungen bestätigt. das Szenario nicht in Gänze beschreiben; aber nicht nur dieses Szenario, sondern auch andere Erste Frage: Das heißt, es ist eigentlich aus mei- Szenarien belegen immer wieder, wie wichtig es ner Sicht tatsächlich unbestritten, dass eine be- ist, gegebenenfalls schnell wirken zu können. waffnungsfähige Drohne deutsche Soldatinnen Diese Machtlosigkeit in einer bestimmten Art und Soldaten im Einsatz schützen kann. Wenn und Weise, dieses Verdammtsein zum Zusehen das so wäre, wäre es dann nicht sozusagen ein beispielsweise für den Heron-Piloten - im Bericht Verstoß gegen unsere Fürsorgepflicht, den Solda- des Verteidigungsministeriums wird ja das ge- tinnen und Soldaten dieses System nicht an die schildert, was, glaube ich, zum ersten Mal vor Hand zu geben? zwei Jahren passiert ist -, ist natürlich eine be- sonders belastende Situation.

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Zweite Frage: Wir sind ja gerade hier im Verteidi- alles noch mal aufdröseln. Aber auch die Frage gungsausschuss immer bemüht, unsere Soldatin- der Kollateralschäden wurde bedacht, wurde nen und Soldaten nach bestem Wissen und Ge- schon querdiskutiert in allerlei Hinsicht. Auch wissen zu schützen und sie so auszurüsten, dass hier wurde ja schon zum Ausdruck gebracht, sie möglichst geschützt sind. Hat irgendeine dass es mit Blick auf die ethische Dimension Maßnahme in den letzten zehn Jahren aus Ihrer mehr oder weniger kaum einen Unterschied Sicht dazu geführt, dass wir eine entsprechende macht, inwiefern eine Hellfire-Rakete von einem Verbesserung herbeigeführt haben und dann in Hubschrauber oder von einem, ich nenne es jetzt der Folge der Bundestag leichtfertiger über einen mal, motorisierten Segelflieger ausgelöst wird, Einsatz entschieden hätte, als das vielleicht frü- denn die Wirkung ist natürlich gleichermaßen, her der Fall gewesen ist? wie sie ist. Keine Sorge, das macht keine Soldatin und keinen Soldaten glücklich, wenn man weiß, Sachverständiger OTL André Wüstner (Deut- was das auslöst. Deswegen ist es auch gut, dass scher BundeswehrVerband e. V.): Aus Sicht der es ein wesentlicher Teil der Ausbildung vorweg Soldatinnen und Soldaten gehört es ganz klar zur ist. Fürsorgepflicht, nach besten Kräften auszustat- ten. Das betrifft alles, was wir in der Bundeswehr Was die Szenarien anbelangt: Mit Blick auf die an Ausrüstung bräuchten. Natürlich kenne ich Entscheidungen bezüglich Mandaten kann ich es auch Argumente und habe sie auch in den Debat- nicht präzise beantworten. Es sitzen hier einige ten verfolgt, die besagen: Es besteht ja keine im Raum, die das wahrscheinlich besser beant- Pflicht, eine bewaffnungsfähige Drohne anzu- worten könnten. Aber natürlich ist es immer eine schaffen bzw. die Bewaffnung anzuschaffen. - Frage, die insbesondere ein Inhaber oder eine In- Natürlich, aber wenn man so argumentiert, haberin der Befehls- und Kommandobefugnis be- könnte man sagen: Na ja, rein theoretisch besteht antworten muss, wie sie Schutz garantiert, was auch keine Pflicht, eine Schutzweste oder einen sie für die Mission braucht. Das beziehe ich mit Helm zur Verfügung zu stellen. - Klar, rein theo- Blick auf das sogenannte Framework Nations retisch können wir auch nackt kämpfen. Ob das Concept nicht nur auf uns, sondern auch auf un- moralisch vertretbar ist, ist ein anderes Thema. sere Partner, die wir im Einsatz haben. Auch diese sind sehr dankbar für einen Schutz, so wie Deswegen ist es schon eine Frage, wie wir argu- wir es auch waren. Und ich kann Ihnen nur eines mentieren, wie Sie argumentieren insbesondere sagen: Ich war 2005 in den Bergen Afghanistans gegenüber den Soldatinnen und Soldaten, aber eingesetzt. Ich war sehr dankbar in einer be- auch gegenüber ihren Angehörigen und, ich stimmten Phase, dass Verbündete für uns da wa- glaube, auch mit Blick auf die Gesellschaft. Ich ren, weil wir bestimmte Fähigkeiten nicht hat- habe betont, dass wir das breit diskutiert haben, ten. - Danke. auch klassisch, mit Gegnern von bestimmten Mandaten oder Einsätzen. Da kann man ja auch Florian Hahn (CDU/CSU): Noch eine kurze Frage unterschiedlicher Auffassung sein. Aber Kern- an Professor Masala: In der Diskussion, die wir aussage war jedes Mal, auch in den Bereichen, schon viele Jahre zu der Frage „Bewaffnungs- die den Einsätzen sehr kritisch gegenüberstehen, fähige Drohne für die deutsche Bundeswehr, ja dass, wenn Soldatinnen und Soldaten in den Ein- oder nein?“ führen, ist immer wieder das Argu- satz entsandt werden, sie dann die bestmögliche ment gefallen, das würde sozusagen eine Rüs- Ausstattung zur Verfügung bekommen. Das war tungsspirale mit anfeuern. Könnten Sie etwas nahezu überall Konsens. dazu sagen, ob Sie da eine Gefahr sehen, wenn die deutsche Bundeswehr entsprechend ausge- Jetzt stellt sich die Frage: Wie differenziert gehe rüstet würde und der Bundestag dieses Waffen- ich an bestimmte Einzelthemen heran? Ich system beschaffen würde? glaube, das Thema Schutz wurde hinreichend be- leuchtet, ebenso wie die Stehzeit im Einsatz, die Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala (Uni- Wirkungsmöglichkeit etc. pp. Ich will jetzt nicht versität der Bundeswehr München): Wenn Sie

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mich vor zehn Jahren gefragt hätten, hätte ich ge- diesem Lagezentrum eine relativ ruhige Arbeits- sagt: Ja, das kann sein, da muss man vorsichtig atmosphäre herrscht, die vielleicht dazu dienen sein. - Jetzt gibt es unterschiedliche Zählungen, könnte, dass man den Wirkmitteleinsatz viel ef- aber ich sage mal, „on an average“ 40 Staaten die- fektiver durchführen könnte, als wenn man quasi ser Welt haben bewaffnete Drohnen. Wir disku- in einem Jet fliegen würde und noch andere tieren über die Bewaffnung von fünf Herons. Funktionen erfüllen müsste, sich ganz dezidiert Sollten die bewaffnet werden, werden wir keine auf die Aufklärung der Drohne konzentrieren Rüstungsspirale weltweit auslösen. Wir sind ein könnte und dann in der letztendlichen Entschei- „latecomer“. dung bei einer bewaffneten Drohne diese dann auch wirken lassen könnte. Atmosphärisch hätte Wir diskutieren jetzt auch nicht - Entschuldi- ich gern mal Ihre Aussage dazu, was am Ende gung, wenn ich das sage mit Blick auf das, was besser sein könnte. An meiner Wortwahl haben die USA entwickeln oder was andere Staaten, Sie meine Meinung vielleicht schon erkannt. beispielsweise die Israelis, entwickeln - über die - um Trump zu zitieren - „superduperfancy- Sachverständiger OTL André Wüstner (Deut- moderne“ Drohne, sondern über ein relativ kon- scher BundeswehrVerband e. V.): Vom Grunde ventionelles Modell - Herr Wüstner hat es schon her kann man natürlich klar unterstreichen - das gesagt; ich treibe es einfach weiter -: einen Segel- wird niemand abstreiten -, dass allein dadurch, flieger mit Propeller, der ein Wirkmittel unten dass sich die Drohnenpilotin/der Drohnenpilot rangepappt hat. Also, wir werden nicht eine Rüs- schon nicht unmittelbar einer Gefährdung aus- tungsspirale auslösen, wenn diese fünf Herons setzt, natürlich schon ein anderer Rahmen gege- bewaffnet werden sollten. ben ist. Denn wir reden zwar oft nur mit Blick auf maximalen Schutz bezüglich derjenigen, die Ingo Gädechens (CDU/CSU): Herr Vorsitzender, am Boden operieren, oder manchmal werfen wir meine Damen und Herren, je älter man wird, auch ethische Fragestellungen mit Blick auf ei- umso größer wird der Schatz an Erfahrungen, den nen Gegner auf; aber wir dürfen ja nicht verges- man sammelt. Man darf nur nicht so alt werden, sen, dass es auch um einen Piloten/eine Pilotin dass man sich nachher an diesen Schatz nicht geht, die sich gegebenenfalls in Gefahr für eige- mehr erinnern kann. Ich erinnere mich aber - und nen Leib und Leben begeben. Das heißt, dadurch, darauf richte ich dann meine Frage -, dass vor dass man in einem Container an einer Bedien- vielen Jahren einmal der Tornado mit der Fähig- station ist, ist es natürlich eine andere Situation. keit eingeführt wurde, auch Marineflugfähigkei- Drohneneinsätze werden auch geplant, werden ten zu entwickeln. Damals hatte man einen Kor- vorbereitet. Es wird vorweg aufgeklärt; jetzt moran, der einen Luft-Seeziel-Bekämpfungsflug- nehme ich mal das Szenario Patrouillen. Vom körper darstellte. Und man hat festgestellt, dass, Grunde her ist die Gesamtsituation eine andere wenn man einen Piloten dort in dem Tornado als die Situation, die Sie schilderten, Stichwort: hat, er vielleicht mit dem Wirkmitteleinsatz über- eine Pilotin/ein Pilot in einem Jet, wo man eine fordert sein könnte; deshalb hat man einen soge- Vielzahl von Dingen gleichermaßen beachten nannten KBO oder Kampfbeobachter, also eine muss. Zweimannbesatzung, eingeführt. Das ist lange her. Der zweite Punkt in diesem Zusammenhang, um noch mal einen anderen Blick auf dieses Szena- Professor Zimmermann hat in einem Beitrag eine rio zu werfen: Viele glauben ja, dass ein jeglicher Überforderung erwähnt. Deshalb meine Frage an Pilot oder ein jeglicher Kommandant - und da be- Sie, Herr Oberstleutnant Wüstner: Auch ich habe ziehe ich mich jetzt auf die ethische Debatte - un- natürlich Truppenbesuche in den Einsatzgebie- mittelbar wirkt und alles sieht. Sehr viele hier in ten gemacht. Ich war auch im Lagezentrum dort, diesem Raum wissen allerdings, dass auch Jet- wo der Heron geflogen wird, in der Auswertung. piloten Waffen sehr weit vor dem eigenen Ziel Ich habe dort den Eindruck gewonnen, dass in auslösen. Ich will jetzt nicht noch mal den U- Boot-Kommandanten erwähnen etc. pp. Wenn

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ich alleine ich an den Marschflugkörper Taurus nerische Raketenabwehrtruppen oder auch Luft- etc., dann haben wir dort schon eine entspre- verteidigung bedrohten Luftraum, Drohnen nicht chende Abstandsfähigkeit, die enorm ist. In die- das Mittel der Wahl sind. Das ist richtig. Hier sem Zusammenhang besteht vor dem Hinter- sind sie doch deutlich begrenzt. Es kommt dann grund einer ethischen Fragestellung kein wesent- auf die jeweilige Situation an, ob sich eine sinn- licher Unterschied zur bewaffneten Drohne. volle Einsatzmöglichkeit ergibt.

Aber noch mal: Ja, die Situation in einem Contai- Aber ich weise darauf hin, dass wir ja eigentlich ner - und ich habe es jetzt gleichermaßen auch so denken, dass wir von der Abschreckung her schon bei Verbündeten gesehen, auch bei Euro- einen Fall der Landes- und Bündnisverteidigung päern -, in sogenannten Strike Cells ist eine aus vermeiden wollen. Hier gibt es im Vorfeld, in ei- meiner Sicht geordnetere als die Stresssituation, ner krisenhaften Entwicklung, natürlich jede die beispielsweise eine Pilotin oder ein Pilot un- Menge sinnvolle Einsatzmöglichkeiten für be- mittelbar hat. waffnete Drohnen: zur Überwachung von Räu- men, zur Überwachung von gefährdeten Objekten Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Danke sehr. - usw. Ich will jetzt nicht im Detail hier ein Szena- Dann geht das Rederecht an die Fraktion der AfD. rio aufmachen; aber Sie können sich mal das Krim-Szenario vor Augen führen. Gerold Otten (AfD): Danke, Herr Vorsitzender. - Ich möchte vorwegschicken, dass sich die AfD- Wir sind derzeit mit Bodentruppen und auch mit Fraktion seit Beginn der Legislaturperiode dafür Kampfflugzeugen im Baltikum präsent. Wenn ausgesprochen hat, bewaffnete Drohnen zu be- eine Krise sich weiterentwickeln würde, zum schaffen. Wir haben dazu mehrere Anträge hier Beispiel in diesem Gebiet, dann wäre man sehr im Ausschuss gestellt; die sind mit den Stimmen dankbar, wenn man Mittel zur bewaffneten Über- der anderen Fraktionen, auch vor allen Dingen wachung von Grenzgebieten und von Objekten der CDU/CSU, abgelehnt worden. Es ist daher hätte. Das wäre zum Beispiel eine Einsatzmög- schon erstaunlich, dass man sich dann hier so lichkeit. deutlich für die Beschaffung ausspricht. Gerold Otten (AfD): Danke. - Ich hätte noch eine Meine Frage geht an den General Wundrak: Es ist Frage an Professor Masala. Er hat in seinem Ein- hier in den Vorträgen die Schutzfunktion für un- gangsstatement darauf hingewiesen, dass es im- sere Soldaten im Einsatz stark in den Vorder- mer eine Bestrebung war, den Abstand zum Geg- grund gestellt worden, auch die Möglichkeit, zi- ner zu erhöhen, sich außerhalb der Reichweite vile Opfer dadurch zu vermeiden, dass man eben der gegnerischen Wirkungsmittel zu bringen. Sie lange Stationsmöglichkeiten der Drohne im Ein- haben auch den Aspekt angesprochen, dass in satzgebiet hat und damit eben klarere Zielinfor- Ländern wie den USA, Frankreich oder auch mationen bekommt. Gibt es aus Ihrer Sicht auch Großbritannien über den Einsatz von Mitteln die andere Möglichkeiten, die Drohnen im Bereich Exekutive entscheidet. Wie ist aus Ihrer Sicht da der Bündnis- oder Landesverteidigung einzuset- die Rolle der Parlamentsarmee? Sehen Sie, wenn zen? Gibt es da entsprechende operative Vorteile? sich das Parlament dafür entscheiden würde, be- waffnete Drohnen einzuführen, die Bündnis- Sachverständiger GenLt a. D. Joachim Wundrak: fähigkeit Deutschlands im internationalen Ein- Danke für die Frage. - Da ist natürlich der Erfah- satz durch den Vorbehalt des Parlaments dann rungsschatz begrenzt, da wir ja nun in den letz- gefährdet, oder sehen Sie dort Einschränkungen? ten Jahren in der Landes- und Bündnisverteidi- gung nicht gefordert gewesen sind. Aber ich be- Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala (Uni- ziehe mich hier auf die Ausführungen von Pro- versität der Bundeswehr München): Um die fessor Masala, der dargestellt hat, dass in einem Frage besser zu verstehen: Sie meinen, ob der „contested“ Luftraum, also in einem durch geg-

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Parlamentsvorbehalt sozusagen die Bündnis- sondern uns wirklich sehr ernsthaft und ausführ- fähigkeit gefährdet, wenn Drohnen jetzt bewaff- lich auch mit der ethischen und völkerrechtli- net werden? chen Frage auseinandersetzen.

Gerold Otten (AfD): Richtig. Bevor ich zu meinen vorbereiteten Fragen an Sie, Herr Zimmermann, komme, würde ich gerne drei Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala (Uni- Fragen stellen, die mir in Bezug auf Ihre Ein- versität der Bundeswehr München): Nein. Also, gangsstatements gekommen sind. meines Erachtens hat - empirisch - der Parla- mentsvorbehalt die Bündnisfähigkeit der Bundes- Zunächst: Herr Dr. Marxsen, Sie haben gesagt, republik Deutschland noch nie beeinträchtig. Es dass es sich um die Einführung einer neuen ist ein System, das relativ einzigartig ist, weil wir Technologie handelt, und auch, dass davon eine halt eine Parlamentsarmee haben in einer Art Signalwirkung ausgehen wird. Ich würde Sie und Weise, die die wenigsten unserer Verbünde- gerne fragen wollen: Inwiefern ist die Bewaff- ten haben. Es entspricht sozusagen der deutschen nung einer, wie Herr Masala ausgeführt hat, recht strategischen Kultur - ich sage es mal sehr ein- konventionellen Drohne tatsächlich eine neue fach -, in der Regel nicht am Tag eins dabei zu Technologie, und welche Signalwirkung sollte sein; aber am Tag drei sind wir schon dabei. Und denn davon ausgehen, wenn jetzt die Bundes- das hat bisher eigentlich auch immer ganz gut republik diese sehr überschaubare Anzahl von hingehauen. Wenn Sie mir das erlauben: Es ist Drohnen bewaffnen würde? gerade Folge der Kontrolle der Bundeswehr durch das Parlament, dass sich viele der Fragen, Sachverständiger Dr. Christian Marxsen (Max- die diskutiert werden mit Blick auf die Bewaff- Planck-Institut für ausländisches öffentliches nung von Drohnen, dann in der Bundesrepublik Recht und Völkerrecht): Vielen Dank. - Ich Deutschland genau nicht stellen. Also, von daher sprach von einer Signalwirkung dahin gehend, ist hier sozusagen die Struktur, die wir haben, so- dass diese darin bestehen könnte, hier sozusagen gar dialektisch gesehen ein Vorteil, um die Be- auf die Bewaffnung der Drohne zu verzichten. waffnung von Drohnen zu ermöglichen. Diesen Meine Beobachtung ist, dass es im internationa- Vorteil hätten wir so nicht, wenn wir ein System len Bereich doch eine Zuspitzung, eine Repolari- wie in Frankreich, Großbritannien oder den Ver- sierung gibt, in der auch die Anschaffung neuer einigten Staaten hätten. Waffen eine große Rolle spielt. Die Drohnen spie- len hier eine erhebliche Rolle. Sich hier auszu- Gerold Otten (AfD): Ich verzichte dann und stelle klinken, hier zu sagen: „Wir gehen einen Weg, in der zweiten Runde noch mal Fragen. - Danke. der eben ohne diese Bewaffnung der Drohnen auskommt“, weil man eben auch der missbräuch- Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Danke sehr. - lichen Verwendung, die von anderen Staaten da- Die SPD-Fraktion hat das Fragerecht. - Frau Möl- mit betrieben wird, eingedenk ist, könnte ein Sig- ler, bitte sehr. nal auch in der internationalen Frage nach weite- rer, zunehmender Aufrüstung sein. Andersrum: Siemtje Möller (SPD): Herr Vorsitzender, vielen Die Entscheidung gegen eine Bewaffnung von Dank. - Ich möchte zu Beginn auf die Reden in Drohnen wäre das Signal, in der Aufrüstungs- der vergangenen Woche verweisen, in denen wir bewegung nicht mitzumachen. als AG-SV-Rednerinnen und -Redner erneut sehr deutlich gemacht haben, wie viel Wert wir auf Siemtje Möller (SPD): Wenn man Ihre Stellung- die gute Ausrüstung und den Schutz unserer ein- nahme richtig liest, dann ist ja eigentlich Ihr gesetzten Kräfte legen. Nichtsdestotrotz möchte Hauptargument, dass eine Drohne dazu führen ich den hier eingeladenen Experten auch dafür könnte, dass politische Entscheidungsträgerinnen danken, dass wir gerade diese Anhörung nutzen, und -träger ihre Entscheidungen nicht mehr so nicht in wahlkampfähnliche Töne zu kommen, bedächtig und detailliert abwägen würden, wie

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wir es tun. Ich frage mich, inwiefern Ihrem Argu- Wie können aus Ihrer Sicht in diesem Zusam- ment zugrunde liegt, dass die Drohne ja tatsäch- menhang unabhängig von einer konkreten Man- lich nur ein Mittel ist und dann keine neue völ- datierung Einsatzgrundsätze beispielsweise kerrechtliche Dimension hätte. Könnten Sie noch durch Vorratsbeschluss des Deutschen Bundes- mal ausführen, welche empirischen Möglichkei- tages gesichert werden? ten Sie da auch angelegt haben, warum Entschei- dungsträgerinnen und -träger denn überhaupt Sachverständiger Prof. Dr. Andreas Zimmer- dazu kommen würden, andere Grundlagen anzu- mann (Universität Potsdam): Nach der Rechtspre- legen? chung des Bundesverfassungsgerichts ist es ja so, dass jeweils im Einzelfall auf Antrag der Bundes- Sachverständiger Dr. Christian Marxsen (Max- regierung der Bundestag den entsprechenden Planck-Institut für ausländisches öffentliches Einsatz mandatiert. Es ist der Mandatsantrag der Recht und Völkerrecht): Also, die empirische Bundesregierung, der sozusagen die Modalitäten, Entscheidung, was konkret die Effekte sein wür- den Umfang und den Gegenstand des Einsatzes den, wie sich das Ganze niederschlagen würde, konkretisiert. Insoweit obliegt es dann auch im die kennen wir natürlich nicht, weil wir tatsäch- Vorfeld dem Parlament, in Abstimmung mit der lich in der Situation noch nicht stehen. Was ich Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass das letztlich diagnostiziere in der Beobachtung von Mandat so geschnitten wird, dass es nicht zu völ- Auslandseinsätzen der Bundeswehr, ist - auch kerrechtspolitisch schwierigen Grenzfällen kom- wenn das hier von mehreren Kollegen anders ge- men könnte. Ich halte es dagegen für verfassungs- sehen wird -, dass es schon eine Bündnisdyna- rechtlich schwierig, dass der Bundestag ex ante mik international gibt. Es gibt Anforderungen. generell-abstrakt bereits Festlegungen trifft, unab- Und in dem Moment, in dem man sich eine effi- hängig von einem konkreten Einsatz. Das Bun- zientere militärische Infrastruktur und Waffen desverfassungsgericht geht in seiner Rechtspre- zulegt, entsteht natürlich ein erhöhter Druck chung davon aus, dass es hier eine Aufgabentei- auch in Bündnissen dahin gehend, dass diese im lung zwischen Bundesregierung und Bundestag Rahmen von Bündniseinsätzen zur Verfügung ge- gibt: Die Bundesregierung stellt einen Antrag auf stellt werden. Das wissen wir zwar nicht aus ei- Mandatierung, und der Bundestag kann diesem ner handfesten empirischen Beobachtung; das ist Antrag zustimmen oder diesen Antrag ablehnen, aber eine Sache, die in der Dynamik nahe liegt. und das ist es dann. Er kann aber nicht ex ante Schauen wir uns zum Beispiel an, wie die Situa- generell-abstrakt sagen: Wir wollen nur be- tion im Syrien-Einsatz war, als sich, wie eben ge- stimmte Mandatierungen erlauben. - Er kann sagt wurde, Frankreich angegriffen fühlte. Da dann nur im Einzelfall ein solches Mandat ableh- blieb letztlich die wirklich handfeste rechtliche nen oder politisch im Vorfeld auf eine Einschrän- Prüfung aus. Das ist also ein gewisser Unterton, kung des Mandats hinwirken. der eben doch häufig zu diagnostizieren ist. Siemtje Möller (SPD): Auf Seite 19 schreibt der Siemtje Möller (SPD): Ich nehme das so zur Bericht etwas von drohender Gefahr. Was bedeu- Kenntnis. Ich glaube, dass der Unterschied zwi- tet das ganz genau, wie kann man das fassen, und schen dem Einsatz französischer und dem Ein- wie weit kann der Interpretationsspielraum dabei satz deutscher Streitkräfte unterschätzt wird. Ich gehen? lasse es jetzt erst mal einfach so stehen, um zu meinen Fragen zu kommen, die ich gerne Herrn Sachverständiger Prof. Dr. Andreas Zimmer- Zimmermann stellen will. mann (Universität Potsdam): Wie erwähnt - und ich glaube, das ist Konsens -, gibt es eine grund- In dem Bericht, an dem sich diese Anhörung sätzliche Unterscheidung zwischen einem Ein- messen lassen soll, steht auf Seite 15, dass sich satz in einem bewaffneten Konflikt und außer- keine abstrakten Einsatzregeln zum Beispiel für halb eines bewaffneten Konflikts. In einem be- Drohnenpilotinnen und -piloten festlegen ließen. waffneten Konflikt - und dazu zählen auch nicht- internationale bewaffnete Konflikte, wie etwa in

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Afghanistan oder wahrscheinlich auch in Mali - Siemtje Möller (SPD): Als abschließende Frage ist es zulässig, auch ohne konkrete Bedrohung ge- für diese Runde: Wir hoffen, dass bewaffnete gen feindliche Kämpfer/feindliche Kombattanten Drohnen nicht innerhalb von Bündnissen von vorzugehen. Außerhalb eines bewaffneten Kon- uns zugewandten Staaten gegen uns genutzt wer- flikts, wenn wir also eine Kapitel-VII-Mandatie- den. Bündnisse können sich aber verändern, und rung haben, ohne dass die Bundesrepublik auch nichtstaatliche Akteure können in den Be- Deutschland Konfliktpartei ist, ist der Einsatz sitz von bewaffneten oder bewaffnungsfähigen tödlicher Gewalt gegen Personen nur in den engs- Drohnen kommen. Bei anderen Waffensystemen ten menschenrechtlichen Grenzen zulässig, also zuvor gab es ähnliche Verläufe. Wie können wir konkret in Notwehr- oder Nothilfesituationen. So aus Ihrer Sicht sicherstellen, dass dies im Bereich jedenfalls, relativ unproblematisch, die Spruch- bewaffneter Drohnen nicht passiert? Oder besteht praxis des Menschenrechtsausschusses der Ver- aus Ihrer Sicht überhaupt eine Spirale von Ak- einten Nationen. Das heißt konkret: Wenn etwa tion und Reaktion? Und kann man einer solchen von einer Person eine Bedrohung entweder für Spirale völkerrechtlich entgegenwirken? Bundeswehrangehörige oder für Zivilisten aus- geht, dann kann auch konkret außerhalb eines be- Sachverständiger Prof. Dr. Andreas Zimmer- waffneten Konflikts gegen diese Person vorgegan- mann (Universität Potsdam): Herr Masala hatte es gen werden, aber nicht jenseits davon, weil ganz schon gesagt: Wir erleben täglich den Einsatz be- normale, regelmäßige menschenrechtliche Regeln waffneter Drohnen, wir erleben das jeden Tag, Platz greifen. heute in Bergkarabach - der Iran, Israel, 30 oder 40 Staaten verfügen über bewaffnete Drohnen; Siemtje Möller (SPD): Das sind die sogenannten die Zahl stimmt vermutlich ungefähr -, sodass Selbstverteidigungssituationen, auf die Sie da an- ich in der Tat glaube, so leid es mir tut, der Zug spielen. Darüber wird auf Seite 20 gesagt, dass dürfte sozusagen abgefahren sein. Durch einen auf eine ebenengerechte Freigabe verzichtet wer- völkerrechtlichen Vertrag heute noch ein Verbot den könnte. Wie weit kann denn da der Interpre- bewaffneter Drohnen durchzusetzen, halte ich für tationsspielraum gehen, und wie kann vielleicht unrealistisch. Ich halte es für unrealistisch, dass auch man Mechanismen einbauen, dass es eine die Staaten, die heute bereits über bewaffnete Kontrolle gibt? Drohnen verfügen, sich noch nachträglich, ex post facto, darauf einlassen, diese abzurüsten. Sachverständiger Prof. Dr. Andreas Zimmer- Das bedaure ich wirklich zutiefst, aber das ist mann (Universität Potsdam): Zugegebenermaßen wohl so. habe ich keine Erfahrung. Ich habe den Kriegs- dienst verweigert; deswegen kann ich mit dem Wo die völkerrechtliche Musik meines Erachtens Begriff der ebenengerechten Freigabe nicht unbe- spielt, ist die Frage der automatisierten Waffen- dingt zwingend etwas anfangen. Ich verstehe ihn systeme und der automatisierten Drohnen. Da be- so, dass in einer konkreten Notwehrsituation müht sich die Bundesregierung in Genf, wirklich kaum mehr die Möglichkeit besteht, dass derje- etwas auf den Weg zu bringen. Das ist extrem nige, der konkret vor Ort ist, der eine kleine Ein- schwierig. Das wissen wir, und das ist vermut- heit führt, dann noch Rücksprache mit seinem lich in diesem Kreis hier auch schon thematisiert Rechtsberater etwa im Hauptquartier in Kabul worden. Wir wissen, dass bestimmte Akteure, die halten kann. Dann muss vielmehr derjenige, der da auch technologisch weit vorne sind, kein Inte- den konkreten Einsatz vor Ort, die Patrouille resse haben, sich darauf einzulassen; aber da hat führt, entscheiden. So verstehe ich es. Wenn eine man vielleicht am ehesten noch die Chance, auf Drohne zur Verfügung steht, müsste derjenige den Verhandlungsprozess einzuwirken und noch dann auch entscheiden können, dass gegen diese einen Verhandlungsprozess hinzukriegen - aber Bedrohung, die konkret vor Ort vorliegt, vorge- doch nicht, so leid es mir tut, bei den Waffen- gangen werden kann. So würde ich das verste- systemen, die es nun mal schon gibt. hen.

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Zu nichtstaatlichen Akteuren: Es ist Aufgabe von Deswegen meine Frage an Sie: Für wie wahr- Politik, hoheitsfreie Räume, wo nichtstaatliche, scheinlich halten Sie es, dass diese Bundesrepu- terroristische Gruppen territoriale Kontrolle er- blik mit diesem Grundgesetz jemals völkerrechts- werben, zu verhindern. Wir haben es im Irak und widrige oder grundgesetzwidrige gezielte Tötun- in Syrien erlebt. In dem Maße, wie ISIS oder gen mit bewaffneten Drohnen rechtmäßig durch- Daesh Kontrolle über solche weiten Gebiete er- führen wird? Und: Wo sehen Sie Grauzonen in langt haben, haben sie möglicherweise Zugang zu diesem Bereich, die nicht auch bei anderen Waf- Drohnen staatlicher Streitkräfte. Deswegen gilt es fensystemen auftreten? „at the first place“, zu verhindern, dass solche nichtstaatlichen Akteure Territorialkontrolle er- Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala (Uni- langen. Aber wenn es uns nicht gelänge, in einem versität der Bundeswehr München): Für wie weiteren Fall zu verhindern, dass Daesh oder wahrscheinlich halte ich das? Ich sage mal so: Da ISIS erneut in eine solche Konstellation kommen, wir es bis jetzt noch nicht gemacht haben, halte und sie etwa Zugang zum Arsenal türkischer ich es für relativ unwahrscheinlich. Wir hätten Drohnenstreitkräfte, syrischer Drohnenstreit- sicherlich in Afghanistan gute Gründe gehabt, es kräfte oder libyscher Drohnenstreitkräfte erlan- zu tun, weil damals sozusagen in einer gewissen gen, dann ist es so. Das muss man eben verhin- Zeit die Bedrohung für deutsche Soldaten durch dern, aber das ist keine rechtliche Frage. Da muss terroristische Kräfte extrem hoch war. Wir haben man politisch darauf hinwirken, dass es solche es nicht getan. Ich halte es für relativ unwahr- hoheitsfreien Räume wie im Irak, in Syrien und scheinlich, dass das der Deutsche Bundestag er- in Libyen nicht gibt. - Danke schön. lauben würde. Es wäre sozusagen die Entschei- dung des Deutschen Bundestages, zu erlauben, Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Danke sehr. - dass völkerrechtswidrig gezielte Tötungen durch- Dann hat die FDP-Fraktion sieben Minuten Zeit. geführt werden dürfen. Das halte ich in sämtli- chen Konstellationen, die ich mir vorstellen Dr. Marcus Faber (FDP): Vielen Dank, Herr Vor- kann, für ausgeschlossen. Man muss es immer of- sitzender. - Auch ich möchte mich zuerst einmal fenhalten. Zu 100 Prozent kann man es nicht aus- bei den Sachverständigen für die Ausführungen schließen, aber ich halte es zu 99,9 Prozent für bedanken. Für mich waren sie sehr umfangreich, ausgeschlossen. sehr erhellend, und die verschiedenen Perspekti- ven sind auch gut deutlich geworden. Aus mei- Gibt es Grenzfälle? Ich bin jetzt kein Jurist, muss ner Perspektive ist der Punkt, dass der Schutz der ich dazusagen. Aber so wie ich die Einsatzregeln deutschen Staatsangehörigen in Uniform durch des BMVg lese - und da ich jetzt erst mal nicht die Drohnen verbessert werden kann, schon ein- unterstelle, dass das alles gelogen ist und es sich mal eine sehr wichtige Erkenntnis, die wir als ganz anders entwickeln wird -, sehe ich auch Freie Demokraten teilen. Zum Zweiten ist eine keine Grenzfälle, weil das, worüber wir diskutie- ganz zentrale Erkenntnis, dass der Einsatz zumin- ren, diese Grenzfälle nicht erzeugt. Patrouillen- dest im Rahmen des Grundgesetzes auch möglich schutz würde bedeuten: Wir treffen auf feindli- ist. che Kämpfer - und damit ist es legal. Objekt- schutz heißt: Wir werden angegriffen und vertei- Meine erste Frage möchte ich an Herrn Professor digen das Objekt - und damit ist es legal. Das Masala richten. Der ehemalige Wehrbeauftragte, heißt, Grenzfälle sind ausgeschlossen. Grenzfälle Herr Bartels, hat gesagt: würden unweigerlich dann passieren, wenn man sich genau auf diesen Weg begeben würde, den Den amerikanischen Gebrauch be- einige vermuten: wenn man bewaffnete Drohnen waffneter Drohnen für gezielte Tö- haben würde, wenn man sich im Bereich der ge- tungen will niemand in Deutsch- zielten Tötungen bewegen würde und da das land sich zum Vorbild nehmen. Problem mit Kombattanten und Nichtkombattan- ten hätte. Da ich das aber für ausgeschlossen halte, sehe ich nicht, dass es Grenzfälle gibt, und

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ich halte es, wie gesagt, für unwahrscheinlich, verfahren werden. Deswegen hatte ich von An- dass dieses Hohe Haus völkerrechtswidrige ge- fang an gesagt: Man muss es trennen. Die Solda- zielte Tötungen erlauben wird. tinnen und Soldaten sehen sehr wohl mit Sorge, was sich in Russland, China oder den USA ent- Dr. Marcus Faber (FDP): Vielen Dank. - Meine wickelt, vor dem Hintergrund einer automatisier- zweite Frage möchte ich an Oberstleutnant Wüst- ten Möglichkeit, in Konflikte einzugreifen; aber ner richten. Herr Wüstner, wie bewerten Sie die bezüglich der Einsätze hier und heute, egal ob in Verzögerung der Einführung von Drohnen, die Mali oder in Afghanistan, fordert man die wir durch diese Bundesregierung in den letzten schnelle Verfügbarkeit von bewaffnungsfähigen Jahren gesehen haben? Wenn ich es richtig in Er- Drohnen. Das hatte ich in meiner Stellungnahme innerung habe, waren Sie auch bei der Anhörung zum Ausdruck gebracht. - Danke. 2014 mit dem fast wortgleichen Titel schon an- wesend. Wie bewerten Sie diese Verzögerung? Dr. Marcus Faber (FDP): Mein Kollege Müller Denn auch wenn dieser Bundestag eine Beschaf- hatte noch eine Frage. fungsentscheidung fällt, würden ja noch Jahre vergehen, bevor uns das Wirkmittel tatsächlich Alexander Müller (FDP): Vielen Dank. - Ich hätte zur Verfügung steht. noch mal eine Nachfrage an Herrn Schüller. Ich habe mir eine bemerkenswerte Aussage notiert: Sachverständiger OTL André Wüstner (Deut- die bisherige Praxis der Bundeswehr ließe be- scher BundeswehrVerband e. V.): Vorweg: Das ist fürchten, dass die rechtlichen Grenzen mit be- die Demokratie, die wir zu verteidigen bereit waffneten Drohnen nicht eingehalten würden. - sind, und so sind die Dinge. Dass die Soldatin- Sie haben das aber nicht substantiiert. Sie haben nen und Soldaten natürlich begrenzt erfreut sind ein Beispiel genannt, nämlich dass bewaffnete über diese Entwicklung, habe ich zum Ausdruck Drohnen außerhalb von Mandatsgebieten wirken gebracht. könnten; aber so was halte ich für völlig ausge- schlossen. Keine Führungskraft der Bundeswehr Ich will noch mal unterstreichen, was in Teilen würde Wirkmittel außerhalb von Mandatsgebie- anklang: Erstens .Jegliche Debatte um all das, was ten einsetzen, weil dann sofort das Ende des Sol- Sicherheitspolitik, Verteidigungspolitik und auch datendaseins da wäre. Vielleicht können Sie das den Einsatz von Militär betrifft, ist erst mal gut. noch mal substantiieren, was Sie mit der bisheri- Viele Menschen in diesem Land sind ja weg von gen Praxis der Bundeswehr meinen, die da einen diesen Themen, weg von Fragen der Sicherheit, Missbrauch befürchten lassen würde. insbesondere der äußeren Sicherheit, obwohl Ri- siken und Bedrohungen in den letzten Jahren ve- Sie hatten eine zweite interessante Aussage ge- hement zugenommen haben. Deswegen sind De- macht: Die Möglichkeit von bewaffneten Droh- batten gut, und Debatten sorgen ja auch manch- nen würde zu Mandaten motivieren, die man mal dafür, dass man innerhalb von Parteien und sonst nicht beschließen würde. Beschließen tun Fraktionen Menschen mitnimmt. die Mandate ja wir Abgeordnete. Das sehe ich dann schon als Vorwurf an uns, dass wir uns Der Punkt ist nur der: Bei dieser Frage jetzt aktu- dazu verleiten lassen könnten, neue Bundes- ell, Bewaffnung von Heron TP, sind wir extrem wehrmandate einzugehen, die man so nicht ma- spät dran. Und meine Sorge ist so ein bisschen - chen würde. Da kann ich Ihnen sagen: Es gibt für auch wenn Sie, Herr Professor Zimmermann, zu uns völlig andere Beweggründe, ob man ein Man- Recht gesagt haben, die Bundesregierung setzt dat eingeht oder nicht. - Da fassen vorher die Ver- sich in Genf ein mit Blick auf das Thema automa- einten Nationen und die EU-Gremien einen Be- tisierte Waffensysteme - , dass wir erst in zehn schluss. Dann überlegen wir uns: Was wollen wir Jahren dann hier vielleicht diskutieren, wie wir erreichen? - Ich muss an dieser Stelle abbrechen, vor dem Hintergrund künftiger Entwicklungen, weil die Zeit um ist; aber die eine Frage würde Stichwort „autonome Systeme“, auch in Europa ich schon gerne noch beantwortet bekommen.

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Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Ja, aber Herr Die dritte und letzte Frage: Wir haben ja jetzt Schüller muss sich die Beantwortung für die mehrfach davon gesprochen, wie die Zusammen- zweite Runde vornehmen, weil nämlich die Zeit arbeit mit verschiedenen Verbündeten der Bun- für Ihre Fraktion vorbei ist. Aber die zweite desrepublik ist: mit den USA - hier ist die Droh- Runde kommt ja noch. - Jetzt geht das Frage- und nenpraxis offensichtlich -, mit Frankreich, Groß- Rederecht an die Fraktion Die Linke. britannien, Türkei, Israel, usw. Ihr Argument, Herr Masala, war: Der Schutz sei, dass es bei uns Tobias Pflüger (DIE LINKE): Vielen Dank. - Weil eine Parlamentsarmee sei. Jetzt haben wir aber der CDU-Kollege eine politische Vorbemerkung Situationen vor Ort, die zum Teil so sind, dass es gemacht hatte: Die Fraktion Die Linke ist gegen eine sehr enge Zusammenarbeit gibt. Insofern die Bewaffnung von Drohnen, und wir werden noch mal die Frage an Herrn Schüller, ob Sie da uns auch weiterhin dagegen einsetzen. konkret verschiedene Szenarien auch mit den Verbündeten beschreiben könnten. In den bisherigen Ausführungen der Sachverstän- digen - herzlichen Dank dafür - ist immer wieder Sachverständiger Andreas Schüller (European das Argument mit den Einsatzoptionen gekom- Center for Constitutional and Human Rights men. Dazu noch eine kleine Bemerkung: Wenn e. V.): Vielen Dank. - Vielleicht kurz zum Thema man sagt, es wird keine Aufrüstungsdynamik Automatisierung: Ich stimme vollkommen über- durch fünf bewaffnete Heron TP gestartet, stellt ein, auch mit anderen Experten hier, dass das na- sich mir natürlich auch die Frage: Wie sollen türlich im Auge behalten werden muss, dass das fünf bewaffnete Heron TP einen umfassenden als Nächstes kommt, und dass es nur zu begrüßen Schutz von Patrouillen schaffen? Da muss man ist, wenn die Bundesregierung noch stärker auf schon in der eigenen Logik bleiben, glaube ich. ein Verbot, solche Waffensysteme zu entwickeln Wir wissen alle: Es geht um eine Grundsatzent- und dann potenziell international auch irgend- scheidung, ob die Bundeswehr bewaffnete Droh- wann einzusetzen, hinwirken würde. Ich sehe al- nen oder Bewaffnung für Drohnen anschaffen lerdings die Drohnen und die bewaffneten Droh- will, ja oder nein. Die Kollegin Anja Dahlmann nen auch schon als einen Schritt in diese Rich- von der Stiftung „Wissenschaft und Politik“ hat tung und hin zu dieser Entwicklung, weil eine vor wenigen Tagen bei einem Fachgespräch ge- Drohne einige technische Voraussetzungen sagt, dass sie mit dieser Entscheidung eine braucht, bei denen eine Automatisierung zum Pfadabhängigkeit sieht hin zu einer Automatisie- Teil schon angelegt ist. Zudem spielt bei der Art rung des Krieges. - Herr Schüller, vielleicht könn- und Weise, wie Bündnispartner Drohnen nutzen, ten Sie eine Einschätzung geben, wie Ihre Mei- Automatisierung zum Beispiel in der Datenverar- nung dazu ist. beitung und -auswertung ebenfalls schon eine Rolle, und zwar aufgrund der Datenflut, die über Der zweite Punkt bezieht sich noch mal auf die Drohnen entsteht - das wird jetzt nicht bei fünf Einsatzoptionen. Wir haben das Phänomen, dass Heron TP passieren; aber es gibt ja auch noch uns immer wieder erklärt wird, es sei quasi zum Aufklärungsdrohnen und weitere - und die auto- Schutz der Soldaten da. Jetzt wissen wir aber na- matisiert ausgewertet wird. In die Zielentschei- türlich, dass die Einsatzoptionen deutlich breiter dung fließen Daten aus diesen automatisierten sind und dass es deutlich mehr an verschiedens- Prozessen mit ein, und diese sind fehleranfällig, ten Einsatzoptionen gibt. Deshalb meine konkrete wie wir in vielen Fällen gesehen haben. Die Rich- Frage auch an Herrn Schüller: Welche möglichen tung ist klar, sie ist vorgezeichnet, und sie sollte Einsatzszenarien gibt es? Wie ist gesichert, dass an irgendeiner Stelle weiter diskutiert und mög- durch zukünftige Regierungen das, was jetzt vor- lichst auch gestoppt werden. gegeben wird, dann auch in dieser Form umge- setzt wird? Zu den Einsatzszenarien: Ich spreche hier auch über die nächsten Jahre, nicht nur über die nächste Bundesregierung. Drohnen gibt es schon seit zehn, elf Jahren im flächenmäßigen Einsatz.

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Deshalb, denke ich, kann man schon über die schicken, dass die Entscheidung für uns von ei- nächsten zehn, fünfzehn, zwanzig Jahre spre- ner Risiko-Nutzen-Abwägung abhängt, wie das so chen. Da werden sich Bundesregierungen und oft ist, wobei ich auch sagen will, dass das Risiko deren Zusammensetzungen ändern; da werden nicht nur in der hier schon oft genannten Erosion sich auch Sicherheitslagen ändern. Das muss des Rechts zu suchen ist, sondern auch mög- man alles mit im Hinterkopf haben. Deshalb ist licherweise konkret für die Soldatinnen und Sol- es auch so wichtig ist, dass Beschlüsse im Bun- daten darin liegt, wenn sich die Einsatzszenarien destag, von einer Parlamentsmehrheit getragen, der Bundeswehr zukünftig durch diese Waffen- rechtlich überprüfbar sind; denn das Recht setzt systeme ändern und dadurch auch gefährlicher natürlich Grenzen. Diese werden aber nur einge- werden. Bei dem Nutzen ist für uns ganz klar, halten, wenn es eine Überprüfbarkeit von Ent- dass der Schutz von Soldatinnen und Soldaten scheidungen gibt. Herr Marxsen hat das Beispiel das entscheidende Argument ist, das hier in die des Syrien-Einsatzes schon eingeführt. Den Teil Waagschale zu legen ist. Ich bin deswegen auch mit dem Tornado-Überflug über syrisches Staats- etwas erstaunt, dass wir in den letzten Wochen, gebiet halte ich in diesem Kontext für völker- wo wir mehrfach Gelegenheit hatten, noch mal rechtswidrig; aber es ist halt extrem schwierig, nachzufragen und uns Beispiele schildern zu las- eine gerichtliche Überprüfbarkeit, bestenfalls sen, wo der Vorteil der bewaffneten Drohnen im schon bevor der Einsatz losgeht, hinzubekom- Vergleich zur herkömmlichen Luftunterstützung men. Insofern sehe ich da eine Notwendigkeit. ist, sehr wenig Beispielfälle konkret benannt be- kommen haben. Ich habe auch noch mal schrift- Zu den Bündnisverpflichtungen: Ich finde es lich mehrfach nachgefragt, wie oft wir denn in schon bemerkenswert, dass wir über die USA, Afghanistan davon abhängig waren, dass uns Frankreich, Großbritannien, die Türkei reden - al- Bündnispartner mit bewaffneten Drohnen zu les NATO-Staaten, die bewaffnete Drohnen ein- Hilfe kommen. Daraufhin die schriftliche Ant- setzen und wo wir doch teils erhebliche Bauch- wort der Bundesregierung, das könne sie nicht schmerzen haben, wie das passiert. Insofern, sagen, darüber habe sie keine Statistik. Das finde denke ich, besteht die Gefahr, wenn man bewaff- ich schon sehr erstaunlich, gerade wenn wir hier nete Drohnen hat - vielleicht irgendwann auch in dieser Debatte auf diese Argumente ganz offen- mal in größerer Zahl -, dass sie in diesen Einsätze sichtlich angewiesen sind. mit verwendet werden, dass die Einsätze robuster werden - zum Beispiel auch zur Terrorismus- Ich will wegen der Kürze meiner Redezeit jetzt bekämpfung - und dass Einsätze grenzüberschrei- noch mal gerne Herrn Dr. Marxsen zu den Risi- tend passieren werden; in Mali wurde jetzt mitt- ken befragen. Sie hatten schon gesagt, dass der lerweile das Mandat auch über Landesgrenzen Glaube an die Zusicherung der Bundesregierung, ausgeweitet. Es bestehen in einem Bündnis eine was die völkerrechtlichen Konditionen betrifft, ganze Reihe von Möglichkeiten, dass die Bundes- durch Einsätze jenseits eines Systems kollektiver wehr da in mehr hineingezogen wird. Wenn das Sicherheit und durch Koalitionen der Willigen nicht stattfindet, wenn man sich immer heraus- bereits etwas erschüttert ist. Ich will jetzt noch hält, dann müsste das in eine Risikoabwägung mal auf die Zusicherung kommen, die uns die einfließen, warum man die Drohnen überhaupt Bundesregierung gegeben hat, dass diese bewaff- braucht, wenn man sich aus diesen ganz robusten neten Drohnen immer nur im Einsatzgebiet - Missionen sowieso heraushält. selbstverständlich nur im Einsatzgebiet - gesteu- ert werden würden, anders als bei den völker- Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Danke sehr. - rechtswidrigen Einsätzen der USA. Was machen Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das wir denn damit, dass wir erleben, dass die Ein- Wort. ätze sich geografisch zunehmend entgrenzen? Ich möchte zwei Beispiele nennen: Sea Guardian er- Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen streckt sich über das gesamte östliche Mittelmeer, Dank. - Ich möchte für meine Fraktion voraus- und es ist gar nicht mehr genau zu begrenzen, wo der Einsatz anfängt und aufhört. Auch EUTM

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Mali haben wir im letzten Mandat entgrenzt; die gehandelt wird, sondern gegen Situationen, wo Staatsgrenze Malis ist nicht mehr maßgebend. sich aus dem Fortlauf der Ereignisse eine Gefahr Wir haben unbestimmterweise fünf Nachbarstaa- entwickeln könnte. Ich halte die Verwendung ten mit einbezogen, also Niger bis hin zu Maure- dieses Begriffs in der Nummer 4 für sehr proble- tanien, die bisher gar nicht in Kampfhandlungen matisch. In Verbindung mit dem weiten geografi- involviert sind. Was machen wir denn jetzt mit schen Rahmen gibt es doch allerhand Situatio- der Zusage der Bundesregierung auch im Hin- nen, in denen hier weitreichend auch gegen Per- blick auf diese geografisch inzwischen völlig ent- sonen gehandelt werden könnte, die nicht selbst grenzten Bundeswehrmandate? als Kämpfer an einem Konflikt teilnehmen.

Sachverständiger Dr. Christian Marxsen (Max- Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Also Planck-Institut für ausländisches öffentliches würden Sie sagen, dass sich auch die amerikani- Recht und Völkerrecht): Vielen Dank. - Ich schen Einsätze, die hier von allen ganz klar als denke, die geografische Entgrenzung ist vor allem völkerrechtswidrig bezeichnet worden sind, letzt- auch vor dem Hintergrund des anwendbaren lich auf den Begriff „drohende Gefahr“ stützen Rechts ein Problem. Von wo aus die Drohnen ge- könnten und damit eben auch genau dieses glei- steuert werden, dass man das vor Ort macht, ist che Legitimierungsmuster greifen würde? Denn eben eine Seite davon. Aus rechtlicher Perspek- auch die Amerikaner machen natürlich geltend, tive stellt sich das Problem, dass in diesen Situa- dass diejenigen, die sie töten, im Zweifelsfall ein tionen vielleicht gar nicht mehr klar ist: Wo ver- Risiko darstellen. laufen die konkreten Linien des bewaffneten Konfliktes? Wo findet also humanitäres Völker- Sachverständiger Dr. Christian Marxsen (Max- recht Anwendung? Wo gelten menschenrechtli- Planck-Institut für ausländisches öffentliches che Regelungen, die eben grundsätzlich dann An- Recht und Völkerrecht): Man sieht jedenfalls in wendung finden, wenn die Intensitätsschwellen der sicherheitsrechtlichen Debatte, eigentlich in in bestimmten Gebieten nicht erreicht sind? Das der polizeirechtlichen Debatte, eine Tendenz da- hat natürlich Auswirkungen darauf, welche Ver- hin, dass man Eingriffe nicht mehr nur an kon- hältnismäßigkeitsanforderungen für die Einsätze krete Gefahren knüpfen möchte, sondern nun- zu stellen sind. mehr auch den Begriff der drohenden Gefahr ein- geführt hat. Dazu sind auch entsprechende Ver- Ich würde vielleicht bei dieser Gelegenheit gerne fahren vor dem Bundesverfassungsgericht und noch mal auf einen Passus aus den Grundsätzen auch vor dem bayrischen Verfassungsgericht ge- für den Einsatz deutscher bewaffneter Unmanned rade anhängig. Das sind natürlich Situationen, Aircraft Systems vom 3. Juli verweisen, auf eine wo man noch mal mehr rechtliche Unsicherheit Stelle, die Frau Möller bereits angeführt hat. Da erzeugt, wo man sehr viel argumentativen Spiel- wird im Punkt 4 gesagt, dass zunächst mal huma- raum hat, beispielsweise doch zu sagen, es entwi- nitäres Völkerrecht anwendbar ist, dass es dann ckelt sich hier eine Gefahrenlage, und dann auf aber Situationen gibt, in denen Einsätze gegen der Grundlage dessen einzugreifen. Insbesondere Personen grundsätzlich nur zur Abwehr einer in Verbindung damit, dass es keine Rechtschutz- drohenden Gefahr für Leib oder Leben zulässig möglichkeiten gibt, halte ich das für hochproble- sind. matisch.

Wir haben hier die geografische Entgrenzung, Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Danke sehr. - tendenziell ein großes Einsatzgebiet, wir haben Die CDU/CSU-Fraktion hat zu Beginn der zwei- anwendbare Menschenrechte, und wir haben die ten Fragerunde das Fragerecht. Aussage, dass es hier um drohende Gefahren geht. Das ist nun ein Terminus technicus aus der Jens Lehmann (CDU/CSU): Danke schön, Herr rechtlichen Debatte, eingeführt aus dem Polizei- Vorsitzender. - Ich habe eine Frage an den Herrn gesetz in Bayern, in dem es darum geht, dass Generalleutnant. Vielen Dank erst mal für Ihre nicht mehr gegen konkret vorliegende Gefahren Ausführungen, die Sie bisher getätigt haben. - Ich

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frage Sie als ehemaligen Kommandeur des Luft- zu sorgen, und in einer sich entwickelnden Krise operationszentrums der Bundeswehr: Welche sind natürlich auch die bewaffneten UAVs ein operative Bedeutung haben bewaffnete Drohnen sehr wirksames Mittel, um im Aufgalopp einer für die Einsätze der Bundeswehr, und wie unter- Krise etwa ein Lagebild dadurch zu erzeugen, scheiden sie sich in rechtlicher Hinsicht von ei- dass sie lange stehen. nem Kampfflugzeug im Close Air Support? Ich glaube, eine Frage lautete: Was können fünf Sachverständiger GenLt a. D. Joachim Wundrak: Herons leisten? Sie können mit diesen fünf He- In meinem Vortrag hatte ich die zweite Frage rons - das ist die Mindestforderung, glaube ich, schon eindeutig beantwortet: aus meiner Sicht die die Luftwaffe auch aufgestellt hat - zwei 24- nicht. Es gibt keinen Unterschied im Einsatz. Die Stunden-Lines, zwei Einsatzgebiete, abdecken. Planungsgrundsätze, die wir haben, folgend aus Das ist schon mal einiges. Das ist nicht das, was Mandatierungen, RoEs usw., setzen diese Luft- andere Länder leisten können, aber ich denke, fahrzeuge, die Plattformen und die Waffen so ein, das wäre für uns schon eine sehr, sehr wichtige wie es nach ihren spezifischen Fähigkeiten - den Fähigkeit. spezifischen Fähigkeiten dieser bewaffneten UAVs, wenn wir sie denn hätten; wir haben ja Die Bewaffnung wäre natürlich in dem Moment bisher nur Heron 1 als unbewaffnete Drohne - im Aufgalopp oder Beginn einer Krise sehr wich- und Qualitätsmerkmalen Sinn macht. Wenn Sie tig, damit Sie frühzeitig eingreifen können und schwere Waffen brauchen, wenn Sie schnelle nicht dulden müssen, dass kleine grüne Männ- Flugzeuge brauchen, dann setzen Sie natürlich chen oder wer auch immer über die Grenze ge- die entsprechenden Plattformen ein. Wenn Sie hen und Tatsachen schaffen. Das wäre zum Bei- lang andauernde Überwachung brauchen, wo das spiel ein Szenario. - Reicht Ihnen das? - Okay. Überwinden von großen Distanzen nicht die ent- scheidende Rolle spielt, dann setzen Sie halt Jens Lehmann (CDU/CSU): Ich hätte noch Fragen UAVs ein. an Herrn Professor Zimmermann. Erstens. Ist es völkerrechtlich geboten, in einem bewaffneten Für die Planungsgrundsätze und Einsatzgrund- Konflikt technologisch überlegene Waffen zu nut- sätze gibt es keine Unterschiede. Die richten sich zen, wenn dies Menschenleben schützt oder im Wesentlichen nach den RoEs. schont?

Die erste Frage war, wo ich Einsatzmöglichkeiten Die zweite Frage ist: Sehen Sie es aus Ihrer Sicht sehe. Ich denke, wir haben diese Schutzfrage ja als politisch und taktisch klug an, darauf zu ver- schon rauf- und runterdiskutiert. Sie ist eindeu- trauen, dass sich potenzielle Gegner in einem be- tig, sie ist auch unumstritten, zumindest bei allen waffneten Konflikt an das humanitäre Völker- Militärs, die ich kenne, die mit Planung und Füh- recht halten, nur weil sie zuvor den Verzicht auf rung von Luftstreitkräften zu tun haben. solche Waffensysteme jetzt im Hinblick auf Droh- nen sozusagen erklärt haben? - Danke. Der zweite Bereich, den ich nur angedeutet habe, wäre Landes- und Bündnisverteidigung. Die Ver- Sachverständiger Prof. Dr. Andreas Zimmer- antwortung für Teile unserer Luftstreitkräfte, die mann (Universität Potsdam): Vielen Dank. - Ich im Baltikum eingesetzt sind, hatte ich auch ei- beginne mit der letzten Frage, ob es gut ist, da- nige Jahre lang. Hier haben wir die Situation, rauf zu vertrauen, dass der Gegner das humani- dass Länder, NATO-Mitglieder, Verbündete keine täre Völkerrecht einhält. Das ist meines Erachtens eigenen Luftstreitkräfte mit entsprechendem keine relevante Frage. Wir als Bundesrepublik Qualitätsmerkmal haben und wir hier unterstüt- Deutschland müssen so oder so das humanitäre zen, auch als internationale Unterstützung, im Völkerrecht einhalten, egal wie der Gegner sich Wechsel mit unseren Verbündeten. Wenn wir das verhält. Das ist essenziell für unser Verständnis machen, dann haben wir natürlich auch eine Ver- von Rechtsstaatlichkeit und Einhaltung von Völ- pflichtung, für die Sicherheit dieser Kontingente kerrecht, gerade auch im bewaffneten Konflikt.

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Zu der anderen Frage. Herr Kollege Talmon hat ja mit jeder Waffe, denke ich, begangen werden. in der „FAZ“ mal versucht, eine auch verfas- Aber drohnenspezifisch sehen wir halt die Ein- sungsrechtlich fundierte Bewaffnungspflicht mit satzpraxis, die damit verbunden ist, die in den bestimmten Waffensystemen zu begründen. Ich letzten Jahren genau zu den völkerrechtlichen glaube, der Bundestag als Haushaltsgesetzgeber Diskussionen geführt hat, wo es in diesen Grau- hat insoweit ein ganz weites Ermessen, welche bereich der Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit Art von Waffensystemen er zur Verfügung stellen geht. Das ist das Drohnenspezifische. Sprich: muss. Ich erachte es kaum für haltbar, zu sagen, Durch fehlende oder unzureichende oder fehler- aus grundrechtlichen Schutzpflichten ergibt sich anfällige Informationen in der Zielaufklärung etwa eine verfassungsrechtliche Pflicht, be- beim Einsatz von Drohnen gab es zum Beispiel stimmte Waffensysteme einzuführen. Was man die Probleme, dass das Unterscheidungsgebot allerdings kraft Völkerrechts machen muss: vielfach nicht eingehalten wurde. Wenn man neue Waffensysteme einführt, muss man nach Artikel 36 des Zusatzprotokolls I zu Das ist immer waffenspezifisch: Bei einem Ma- den Genfer Konventionen und auch nach Völker- schinengewehr ist eine Person direkt dahinter gewohnheitsrecht überprüfen, ob diese Waffen- und zielt auf einen Gegner. Bei einer Drohne mit systeme in der Lage sind, das humanitäre Völker- Überflug, wo Piloten woanders sitzen, wo Aus- recht einzuhalten. Dafür gibt es im BMVg ein ei- werter der Luftbilder woanders sitzen, wo eine genes Referat, das sozusagen eine routinemäßige Automatisierung in dieser Datenerfassung zusam- Überprüfung bei der Neueinführung von Waffen- menkommt, wer jetzt gerade am Boden der Geg- systemen vornimmt, ob diese Vorgaben eingehal- ner ist oder nicht, ist das viel fehleranfälliger und ten werden. - Das, hoffe ich, hat Ihre Fragen so letztlich so fehleranfällig, dass in manchen Berei- weit beantwortet. - Vielen Dank. chen dieses Unterscheidungsgebot nicht mehr ausreichend beachtet wurde, was im Übrigen Eckhard Gnodtke (CDU/CSU): Meine Frage geht auch das Oberverwaltungsgericht NRW in einem an Sie, Herr Schüller. Ihre drei Juristenkollegen Verfahren festgestellt hat. Sprich: Es gibt spezifi- haben ja weitestgehend übereinstimmend festge- sche Eigenheiten dieses Waffensystems in der stellt, dass bewaffnete Drohnen als Waffengat- Einsatzpraxis. Ich sage nicht, dass es nicht auch tung keinem spezifischen völkerrechtlichen Ver- völkerrechtskonform eingesetzt werden kann; bot unterliegen. Zudem können bewaffnete Droh- aber es verleitete in der bisherigen Praxis, die wir nen in Übereinstimmung mit dem humanitären sehen konnten, doch dazu, dass es in Grauberei- Völkerrecht verwendet werden, insbesondere un- che bis in klar rechtswidrige Bereiche geht, was ter Wahrung des Gebots der Unterscheidung zwi- den Einsatz betrifft. schen Kombattanten und Zivilisten und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Das habe Eckhard Gnodtke (CDU/CSU): Ist es formaljuris- ich den beiden schriftlichen Ausarbeitungen von tisch möglich oder nicht? Ist es untersagt, Kampf- Herrn Professor Zimmermann und Herrn drohnen, bewaffnete Drohnen zu verwenden, Dr. Marxsen entnommen. Sie, Herr Professor oder nicht? Masala, haben es ja ebenfalls mündlich vorgetra- gen. Sachverständiger Andreas Schüller (European Center for Constitutional and Human Rights Sie hingegen, Herr Dr. Schüller, sagen in einem e. V.): Nein, es gibt kein Verbot; aber es gibt in Blog, dass Drohnen Werkzeuge für einen Völker- der Einsatzpraxis eine Tendenz von anderen rechtsbruch sind. Kann nicht mit jeder beliebigen Staaten, wie sie eingesetzt werden, die wir für Waffe potenziell ein Völkerrechtsbruch, zum Bei- rechtswidrig halten, und dem muss Einhalt gebo- spiel ein Kriegsverbrechen, begangen werden? ten werden. Wir sehen nur in dem deutschen Kontext, dass die Kontrollmechanismen und der Sachverständiger Andreas Schüller (European Rechtsschutz dagegen so unzureichend sind, dass Center for Constitutional and Human Rights es unter Umständen schwierig wird, dem mit e. V.): Vielen Dank für die Nachfrage. - Das kann rechtlichen Mitteln Einhalt zu gebieten, durch

19. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 35 von 52 Stenografisches Protokoll 19/65

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Betroffene, aber auch durch die Überprüfung von Insofern mein Argument: Ich sage, es gibt kein Einsatzregeln. apriorisches rechtliches Argument gegen die An- schaffung der Drohnen; aber der Gesamtrahmen Eckhard Gnodtke (CDU/CSU): Vielen Dank. - der rechtlichen Regelung stellt sich eben als Meine nächste Frage geht an Herrn Dr. Marxsen. problematisch dar. Gibt es völkerrechtliche Gründe, die in einem be- waffneten Konflikt gegen den Einsatz von Kampf- Eckhard Gnodtke (CDU/CSU): Noch ergänzend drohnen sprechen, insbesondere, wie ja schon die Frage: Können nach Ihrer Auffassung mit ausgeführt worden ist, wenn es um den Schutz Kampfdrohnen Kriegsverbrechen begangen wer- der eigenen Kombattanten oder sogar der eigenen den, die mit herkömmlichen Waffensystemen Zivilbevölkerung geht? nicht möglich wären?

Sachverständiger Dr. Christian Marxsen (Max- Sachverständiger Dr. Christian Marxsen (Max- Planck-Institut für ausländisches öffentliches Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht): Gegenstand meiner Stel- Recht und Völkerrecht): Da fällt mir jetzt nichts lungnahme war ja schon, dass ich gesagt habe: Es ein. Ich denke, es gibt schon eine Vergleichbar- gibt völkerrechtliche Gründe, die gegen die An- keit. Hier wie da kann mittels Sprengwaffen schaffung der Drohnen sprechen. Ich habe, wie sozusagen eingewirkt werden. Was man mit der Sie gerade richtig wiedergegeben haben, gesagt: Drohne machen kann, kann man sicher auch mit An sich ist sicher eine Verwendung denkbar; einem Flugzeug machen. Also, da gibt es keinen aber die Parameter, unter denen die Anschaffung spezifischen Unterschied. diskutiert wird, halte ich für problematisch. Was sicher ein Unterschied ist, ist die Art und Ein wichtiges Argument - das hat Herr Schüller Weise der Operation. Es kam auch schon zur gerade auch gesagt - ist eben der mangelnde Sprache, dass der Umstand, dass die Drohnen Rechtsschutz. Dieser ist aber wichtig, gerade eben lange präsent sind, dazu führen kann, dass auch, weil wir uns in rechtlichen Graubereichen man mehr Informationen hat. Aber natürlich befinden, wo wir nicht genau wissen: Welches kommt dort im Sinne der Belastungen für die Zi- rechtliche Regime findet Anwendung? Sind es vilbevölkerung auch zum Tragen, dass die Situa- Menschenrechte, ist es humanitäres Völkerrecht? tion, sozusagen beständig eine Drohne zugegen Wo verlaufen die Grenzen? Das alles sind Fragen, zu haben, problematisch werden kann. Aber um die völkerrechtlich bestimmt sind, die aber in der Ihre Frage konkret zu beantworten: Mir fallen Konkretisierung sehr großen Interpretationsspiel- keine Verwendungen ein. Aber das heißt nicht, raum lassen und bei denen wir es eben häufig dass es sie nicht gibt. mit Grauzonen zu tun haben. Eckhard Gnodtke (CDU/CSU): Vielen Dank. Die einzige Möglichkeit, die wir juristisch zur Auflösung dieser Grauzonen haben, ist, wenn wir Jens Lehmann (CDU/CSU): Ich hätte noch eine eben hier auch Gerichte mit hineinbringen. Ich Frage an Herrn Professor Masala. Sie haben ja glaube, das ist etwas, womit man sozusagen einer viel über Bündnisse gesprochen. Kann es sich missbräuchlichen Verwendung entgegentreten Deutschland aus Ihrer Sicht überhaupt leisten, könnte. Mit „missbräuchlich“ meine ich gar nicht im Kreise der Bündnispartner auf bewaffnete mal, dass da jemand aktiv sozusagen Missbrauch Drohnen zu verzichten? begehen möchte, sondern einfach, dass es viel- leicht auch in den Operationen zu einer weiten Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala (Uni- Auslegung der Rechtsregeln kommt, weiter, als es versität der Bundeswehr München): Das ist beispielsweise die Gerichte tun würden. schwierig zu beantworten, weil es sozusagen nicht objektiv zu beantworten ist. Es ist eine nor- mative Frage.

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Der Punkt ist - und ich glaube, Herr Oberstleut- Hinzukommt: Wenn man sagt: „Na ja, aber es nant Wüstner hat ihn gerade eben schon ange- geht ja nicht nur um heute, sondern wir müssen sprochen -: Wir werden durch die bewaffneten in die Zukunft denken: Was ist in den nächsten Drohnen anderer geschützt. Natürlich sind wir 20 Jahren? Auch daran müssen wir denken, wenn momentan und seit langer Zeit in einer Debatte, wir jetzt über die Anschaffung bewaffneter Droh- in der uns vor allen Dingen ein Verbündeter - nen reden“, dann hat man meiner Meinung nach aber auf den will ich gar nicht abzielen - sozusa- erstaunlich wenig Vertrauen in Demokratie und gen vorwirft, dass wir sicherheitspolitisch Tritt- Parlament. brettfahrer sind. Man kann das Argument herun- terbrechen - damit meine ich jetzt nicht die USA, (Tobias Pflüger (DIE sondern damit meine ich europäische Verbün- LINKE): Das habe ich nicht dete; wir sind im Einsatz durch niederländische gesagt!) Drohnen geschützt worden - und sagen: Letzten Endes ist das ein unfairer Deal. Wir stellen Sa- Wenn man sagt: „Wir dürfen dieser Demokratie chen für euch zur Verfügung, und ihr habt nichts und diesem Parlament die bewaffneten Drohnen Äquivalentes, was ihr für uns zur Verfügung stel- nicht zur Verfügung stellen“, frage ich mich, wie len könnt. - Daraus könnte ein bündnispoliti- man das Soldaten erzählen möchte, die Demokra- sches Argument werden. Rein objektiv muss es tie und Parlament so sehr vertrauen, dass sie be- das nicht, aber es könnte eins werden. Es kommt reit sind, beides notfalls mit dem eigenen Leben dann immer auf die konkrete Situation an. zu verteidigen.

Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Damit hat die Außerdem finde ich, dass diese Argumente be- CDU/CSU-Fraktion keine weiteren Fragen. - Die züglich Menschenrechtsverletzungen und man AfD-Fraktion. habe wenig Möglichkeiten, dagegen zu klagen, ja letztlich nicht auf Drohnen abzielen, sondern Jan Ralf Nolte (AfD): Dann fange ich mit einer dass sie - auch das ist schon mehrmals angeklun- Vorbemerkung an, bevor ich eine Frage an Gene- gen - letztlich genauso auf Panzer, auf Artillerie, ral Wundrak richte. ja sogar auf Handwaffen zutreffen können.

Bei den Argumenten gegen Drohnen gibt es ja Herr General Wundrak, ich habe jetzt eine Frage, hauptsächlich zwei Argumentationslinien. Ein- und zwar: Wer Nein zu Drohnen sagt, der ist ja mal heißt es, die Hemmschwelle sinkt; dazu ist trotzdem der Auffassung, dass unsere Soldaten auch schon etwas genannt worden. Ich möchte geschützt werden müssen, wenn sie im Feuer- einiges davon aufgreifen. Das Parlament entschei- kampf stehen. Wer Nein zu Drohnen sagt, zu was det natürlich immer noch, ob Drohnen eingesetzt sagt der denn Ja? Was wird denn dann einge- werden. Es geht dabei ja nicht nur darum, wie setzt? Was für Wirkmittel werden dann einge- hoch das Risiko für die eigenen Soldaten ist, setzt? Sind die nicht teilweise viel ungenauer? Ist wenn wir in diesem Haus über einen Einsatz ent- da nicht teilweise die Gefahr viel höher, dass es scheiden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es zu Kollateralschäden kommt? hier in nächster Zeit Mehrheiten für irgendwel- che neuen Einsätze gibt, nur weil wir vielleicht Sachverständiger GenLt a. D. Joachim Wundrak: jetzt fünf bewaffnete Drohnen haben. Das halte Danke für die Frage. - Ich denke, ich habe aus ich für relativ unrealistisch. Außerdem gibt es ja meiner Erfahrung in Afghanistan, die ja zeitlich auch Staaten, die Waffen einsetzen, die auch die so lag, dass in dieser Zeit Drohnen sehr stark ein- Bundeswehr hat, und die diese völkerrechtswid- geführt worden sind und eben halt auch bewaff- rig einsetzen, ohne dass Deutschland dasselbe nete Drohnen im Szenario verstärkt aufgetreten tun würde. Wir könnten also mit demselben Ar- sind, schon Hinweise gegeben. Das heißt ja nicht, gument auch sagen, wir dürfen jetzt keine dass wir vorher da nichts gemacht haben, son- Kampfflugzeuge mehr haben oder so, weil andere dern die Planungen sahen dann vor, dass Kampf- sie völkerrechtswidrig einsetzen.

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flugzeuge vom B-1-Bomber über F-18, von Flug- gen Stehzeiten eben die grundsätzliche Überwa- zeugträgern über F-16, F-15 - auch italienische chung geleistet haben. - Reicht Ihnen das als Ant- AMX waren beteiligt, aber als eine kleinere Sa- wort? che - eingesetzt worden sind. Die Flugzeuge, die zum Teil auch von weit her kamen - die B-1- Gerold Otten (AfD): Ja. - Dann habe ich ab- Bomber waren in Katar stationiert und mussten schließend noch eine Frage an Professor Masala. eben einen langen Korridor erst mal langfliegen, Es wird in der Diskussion auch immer wieder die Flugzeugträger, Flugzeuge genauso -, waren das Argument gebracht, dass angeblich autonome natürlich in ihrer Stehzeit im Einsatzgebiet sehr Waffensysteme die zwangsläufige Folge von un- beschränkt. Wir haben Luftbetankung eingesetzt, bemannten Systemen wären. Wie ist Ihre Ein- ein Riesenaufwand, der betrieben wird, um die schätzung zu diesem Argument? Flugzeuge länger im Einsatzgebiet zu halten. Das hat alles seine natürliche Grenze dann eben bei Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala (Uni- der Belastbarkeit der Besatzungen. Nach acht, versität der Bundeswehr München): Da mich die neun Stunden in einem Kampfflugzeug ist da die FDP-Fraktion eingeladen hat und Frau Strack- Grenze erreicht. Zimmermann hier sitzt, die ja für eine liberale Drogenpolitik ist: Ich glaube nicht, dass sozusa- Die UAVs oder Drohnen brachten da natürlich gen - - eine andere Qualität hinein, indem etwa die Plattformen im Land stationiert waren, relativ (Dr. Marie-Agnes Strack- nahe bei den Einsatzplätzen, sodass wir mit einer Zimmermann (FDP): Dro- einzigen Plattform 24-Stunden-Abdeckungen gen- oder Drohnenpolitik?) leisten konnten. Das ist natürlich ein völlig ande- rer Ansatz in Bezug auf Aufwand und Nutzen. - Drogenpolitik. - Ich glaube nicht, dass sozusa- gen das Rauchen von Marihuana zwangsläufig Von der Waffenwirkung her war es so, dass die dazu führt, dass man Crack konsumiert. Also, es UAVs, gerade die MQ-1, aufgrund ihrer be- gibt sozusagen keine Zwangsläufigkeit, die zur schränkten Tragfähigkeit relativ kleine Waffen Automatisierung führt. getragen haben, also im Wesentlichen Hellfire - das wurde schon angesprochen - und die kleins- Ich schließe mich Herrn Kollegen Zimmermann ten Lenkbomben, die im Arsenal waren. Das war an, der sagt: Automatisierung ist das eigentliche vorher eben nicht unbedingt so steuerbar. Wenn Problem und die eigentliche Herausforderung. sie nur eine B-1 mit relativ großen Waffen da hat- Die Bundesregierung tut viel. Meines Erachtens ten, dann musste entsprechend die B-1 mit den gilt es zu unterscheiden zwischen vollautomati- entsprechenden größeren Wirkungskreisen der sierten defensiven Systemen und offensiven Sys- Zerstörung eingesetzt werden. Von daher war das temen, und man muss hier dazu kommen - Frank auch eine Verbesserung, ein sinnvollerer Einsatz Sauer hat das mal gesagt -, sozusagen Eckpfeiler von kleineren Waffen in der entsprechenden Si- in der zukünftigen Debatte einzurammen, und tuation. darum bemüht sich die Bundesrepublik. Aber es gibt keinen zwangsweisen Weg, der von Drohnen Als Planer war es dann für uns natürlich auch zu vollautomatisierten letalen Kampfrobotern - sehr viel einfacher, die jeweiligen Qualitäten der das ist ja immer dieses Schreckensszenario - in Beiträge zielgerichtet an den Tag zu bringen, so- 20, 25 Jahren führen wird. Das gibt es einfach dass die Waffenträger mit der größeren Waffen- nicht. last, mit der größeren Durchschlagskraft mehr auf Bereitschaft standen und dann abberufen wur- Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Danke sehr. - den, wenn wirklich eine entsprechende Situation Die SPD-Fraktion. aufgetreten ist, während die UAVs mit ihren lan- Siemtje Möller (SPD): Herr Vorsitzender, vielen Dank. - Ich habe eine Frage an den geschätzten

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Kollegen Masala. Sie haben ja vorhin ausgeführt, die Öffentlichkeit klarstellen, dass es ja über be- dass Drohnen nicht verleiten würden bzw. dass stimmte Dinge in diesem Raum einen Grundkon- es keinen Slippery Slope gebe, weil sie ja eigent- sens gibt. Der Grundkonsens heißt: Völkerrecht- lich nur ein Waffensystem darstellten. Jetzt lich und verfassungsrechtlich sind Drohnenein- möchte ich Sie mal bitten, sich in folgende Situa- sätze prinzipiell nicht auszuschließen. tion hineinzuversetzen: Sie fahren in einem Auto und kennen eigentlich den Weg, haben die Ad- Das Zweite: Wir reden hier nicht über exterritori- resse in Ihrem Navigationssystem eingegeben, ale Tötungen. Das haben wir ja auch mehrfach und das Navigationssystem sagt jetzt, Sie müssen festgestellt. Ich nehme mal für alle MdBs, die links abbiegen, aber Sie wissen, eigentlich müs- hier im Raum sitzen, in Anspruch, dass sie keine sen Sie nach rechts. In wie vielen Fällen fährt erotische Beziehung zu Waffen haben. Also, es man tatsächlich links, weil das Navi das sagt? geht nicht darum, über den Weg der Drohne eine Das führt mich natürlich zu dem Punkt, dass wir Militarisierung deutscher Außenpolitik oder was auch in den bewaffneten Drohnen die Option auch immer herbeizuführen. eingebaut haben oder dass die Entwicklung da- hin gehen wird, dass wir eine Zielauswahl treffen Worüber wir streiten, ist - und das ist in den Gut- und Vorschläge unterbreiten können. Daher die achten von Herrn Schüller und Herrn Marxsen Frage an Sie: Wie kann man eigentlich dazu kom- deutlich geworden - der Hinweis darauf, dass es men, dass man sich auch in dieser Dimension möglicherweise - ich will das nicht bewerten - in eben nicht verleiten lässt, dass das ausgeschlos- der Vergangenheit völkerrechtswidrige Einsätze sen ist? der Bundeswehr gegeben hat - ich will das hier nicht diskutieren; das ist ja auch nicht Gegen- Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala (Uni- stand der heutigen Anhörung -, dass man aber, versität der Bundeswehr München): Deshalb gilt egal ob es so ist oder ob es nicht so ist, natürlich meines Erachtens bei diesen ganzen Technolo- dann, wenn der Einsatz erfolgt, der Truppe den gien, die momentan verfügbar sind: Zum einen bestmöglichen Schutz ermöglichen muss. spielt der Manual Loop die entscheidende Rolle; also keine volle Automatisierung, die eigenstän- Nun kommen Sie, Herr Dr. Marxsen, mit dem Ar- dig Entscheidungen trifft, sondern jemand, der gument, dadurch, dass diese Schutzwirkung für sozusagen das Ding steuert. Zum anderen gibt es Patrouillen durch die bewaffneten Drohnen ma- eine doppelte Befehlskette, jemanden, der sozu- ximiert oder verbessert worden ist, könnte im sagen die Entscheidung des einen noch mal Prinzip der Einsatz von Drohnen ausufern. Des- durch den anderen kontrollieren lässt. wegen stellt sich jetzt für mich eine Frage. Wenn ich das nächste Mal bei der Truppe bin, muss ich Ganz ehrlich: Hundertprozentig lässt sich natür- den Soldaten dann erklären: Wir dürfen keine lich nicht vermeiden, dass Sie nach links abbie- Drohnen einsetzen, um zu verhindern, dass die gen, obwohl Sie wissen, dass Sie geradeaus fah- Bundesregierung oder das Parlament den Droh- ren müssen. Aber Sie können Vorkehrungen tref- neneinsatz überzieht? Das heißt: Müssen wir fen, damit dieses Risiko minimiert wird, und das nicht maximale Schutzwirkung herstellen und sind die Vorkehrungen, die getroffen werden können nicht argumentieren, das könnte zu et- müssen. Das liegt vor allen Dingen in der Be- was anderem führen? - Diese Frage stelle ich an fehlskette, dass halt immer mehrere Leute drauf- Sie. gucken, was da passiert. Sachverständiger Dr. Christian Marxsen (Max- Siemtje Möller (SPD): Ich gebe den Rest der Zeit Planck-Institut für ausländisches öffentliches an Dr. Eberhard Brecht. Recht und Völkerrecht): Der Schutz ist sicherlich herzustellen; die Soldatinnen und Soldaten brau- Dr. Eberhard Brecht (SPD): Herr Vorsitzender, chen natürlich die entsprechende Schutzausrüs- ich denke, wir sollten erstens noch mal auch für tung. Die Frage wurde jetzt auch schon debattiert: Bedarf es dafür einer aktiven Angriffswaffe, um

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in Situationen dann sozusagen noch effizienter Dr. Eberhard Brecht (SPD): Herr Vorsitzender, vorgehen zu können? ich hätte noch eine Frage, die sich an Professor Masala richtet. Ich habe eben von Herrn Schüller (Tobias Pflüger (DIE wieder ein Argument gehört, das ich häufig in LINKE): Das ist der Punkt, der Drohnendebatte gehört habe, nämlich dass genau!) sich in der Einsatzpraxis die bewaffnete Drohne zum Entpersonalisieren eignet. Ich frage jetzt mal Das Argument, das ich hier betonen wollte, war, Sie als jemanden, der an der Universität der Bun- dass in der Entscheidung darüber, welche Szena- deswehr in München arbeitet: Würden nicht rien der Verwendung möglich sind, die Drohnen- auch Raketenwerfer, Mars II oder Panzerhaubitze bewaffnung eine Ausweitung des Operationsfel- 2000, eine viel stärkere Entpersonalisierung her- des oder des Operationsspektrums der Bundes- beiführen? Den Gegner sehe ich nicht. Ich werde wehr ermöglicht, weil man eben bestimmte Ein- möglicherweise eine sehr große Zahl von Zivilis- sätze, gegen die man sich vorher möglicherweise ten treffen, während ich im Fall der Drohne doch entschieden hätte - sei es auf Mandatierungs- im Prinzip entscheide, auf was oder auf wen ich ebene, sei es auch auf operativer Ebene -, nun- schieße. mehr möglicherweise macht, obgleich man sich vorher dagegen entschieden hätte, einfach auch Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala (Uni- im Hinblick auf die Gefahren. Das ist, glaube ich, versität der Bundeswehr München): Sie haben eine Überlegung, die dem wissenschaftlichen Be- die Frage im Prinzip selber beantwortet. Ich weis nicht zugänglich ist. Aber es ist trotzdem schließe mich da noch mal Herr Wüstner an. eine Sache, die eine sehr wahrscheinliche Dyna- Wenn Sie ein Pilot sind, der eine Bombe abwirft, mik des Ganzen ist. dann klinken Sie die weit vor dem Ziel aus. Wenn Sie - was wir nicht haben - sozusagen ei- Dr. Eberhard Brecht (SPD): Kurze Nachfrage. Sie nen Marschflugkörper von einem Flugzeugträger sprachen eben von einer Angriffswaffe. In Ihrem abschießen, dann setzen Sie den in Gang und se- Gutachten sprechen Sie von Defensivwaffe. hen noch nicht mal, was passiert. Genauso sehen Sie als Pilot nicht, was passiert. Als Drohnenpilot Sachverständiger Dr. Christian Marxsen (Max- sehen Sie, was passiert. Von daher ist der Droh- Planck-Institut für ausländisches öffentliches nenpilot, auch wenn er sozusagen im Einsatzland Recht und Völkerrecht): Defensivwaffe? geografisch von dem Ort entfernt sitzt, in dem das Geschehen passiert, durch die Beobachtung Dr. Eberhard Brecht (SPD): Sie haben gesagt, viel stärker involviert als der Eurofighter-, der F- eine Schutzkomponente ist das. 16-, F-18-, F-35-Pilot, der das ausklinkt und weg- fliegt - Ende, aus. Der sieht nicht, was er anrich- Sachverständiger Dr. Christian Marxsen (Max- tet. Der Drohnenpilot sieht, was er anrichtet. Von Planck-Institut für ausländisches öffentliches daher ist die Entpersonalisierung, wenn wir jetzt Recht und Völkerrecht): Sie haben das ja skiz- in den Einsatzort gehen und wenn wir über Sol- ziert. Sie haben sich gerade so geäußert gesagt, daten sprechen, bei anderen Abstandswaffen we- als seien die Drohnen letztlich eigentlich eine sentlich stärker, als sie es bei Drohnen ist. Verteidigungswaffe. Und ich habe gesagt, dass die auch verfassungsrechtliche Pflicht zum Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Dann hätte ich noch Schutz der Soldatinnen und Soldaten auf jeden zwei Fragen, zunächst an Herrn Professor Zim- Fall auf den Schutz durch passive Schutzausrüs- mermann. Hier wurde ja mehrfach kritisiert, dass tung zielt. Die Drohnen selbst werden aber natür- durch den Einsatz von Drohnen eine Rechtsunsi- lich zum aktiven Einsatz, zur Verletzung, zum cherheit bei den möglichen Personen im Ziel Angriff verwendet. Also, „Angriff“ ist hier nicht bzw. bei ihren Angehörigen entstehen könnte. Da im Sinne eines völkerrechtlichen Angriffs zu ver- wollte ich Sie noch mal um Ihre Bewertung bit- stehen, sondern eben im Sinne einer konkreten ten. Vor allen Dingen geht es um die Frage, ob militärischen Operation. die rechtliche Unsicherheit, die, glaube ich, in

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solchen Gefechtssituationen immer wieder und satz von Drohnen nur im westlichen Teil von Af- nicht nur abhängig von Einsatz von Drohnen auf- ghanistan, während die deutschen Truppen an- treten wird, in diesem Falle durch eine erhöhte sonsten - fiktiv - in ganz Afghanistan eingesetzt politische Verbindlichkeit ersetzt werden kann, werden dürfen. die sich aus der Mandatierung ergibt. Es obliegt der politischen Verantwortung des Sachverständiger Prof. Dr. Andreas Zimmer- Deutschen Bundestages, ob ein Mandat, welches mann (Universität Potsdam): Vielen Dank. - Zu- keine solche geografische Eingrenzung von Droh- nächst zu der ersten Frage. Wenn ich es richtig neneinsätzen vorsieht, dann vom Deutschen Bun- verstanden habe, richtete sich das noch mal auf destag gebilligt wird oder ob im Vorfeld der Bun- die Frage der Traumatisierung von Personen, die destag und die Fraktionen, die die Bundesregie- ständig, kontinuierlich von Drohnen überwacht rung tragen, in Abstimmung mit der Bundesregie- werden. In der Tat stellt sich das Problem eigent- rung darauf hinwirken können, dass ein Mandat lich nur in den Konstellationen, wie es die USA eben so eingegrenzt wird. Aber das ist eine Ent- betreiben, indem sie außerhalb von Konfliktsitua- scheidung von Ihnen, der Mitglieder des Hohen tionen zivile Gebiete kontinuierlich überwachen Hauses, ob Sie sich diese politische Verantwor- und gucken, ob sich dort „Terroristen“ befinden, tung zutrauen, dass Sie das so einhegen können. die dann gezielt getötet werden sollen. In einem Ich habe - vielleicht bin ich naiv - das Vertrauen konkreten bewaffneten Konflikt, wo es Kampf- in diese deutsche Demokratie, dass sie bis heute handlungen gibt, ist die Zivilbevölkerung natür- jedenfalls dazu noch in der Lage ist, und ich lich per se traumatisiert, weil sie den Kampf- hoffe, sie ist es noch bis auf Weiteres. - Danke handlungen ausgesetzt ist. Daher glaube ich schön. nicht, dass eine zeitweise Überwachung des Ge- biets durch Drohnen noch eine wesentliche zu- Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Vielen Dank, Herr sätzliche Traumatisierung herbeiführt. Zimmermann. - Letzte Frage an Herrn Oberstleut- nant Wüstner. Sie sind der einzige Infanterist Zur zweiten Frage. Noch mal ganz kurz zur Unsi- hier im Raum. Deswegen spreche ich Sie mal in cherheit und zum Ersatz durch politische Kon- dieser Rolle an. Könnten Sie die These noch mal trolle. Natürlich gibt es insbesondere in nichtin- kommentieren, dass ein entsprechender Schutz ternationalen bewaffneten Konflikten Fragen: durch Panzerung oder Ähnliches ein ausreichen- Wie weit reicht der Anwendungsbereich des hu- der Ersatz für den Schutz wäre, den eine Drohne manitären Völkerrechts? Wer sind legitime Ziele im Einsatz bieten kann? von Kampfhandlungen, wer sind feindliche Kämpfer, wer sind Zivilisten? Die Frage nach der Sachverständiger OTL André Wüstner (Deut- Entgrenzung im Bereich Mali/Niger war ja ge- scher BundeswehrVerband e. V.): Vom Grunde stellt worden. Aber in der Tat hat es der Bundes- her ist es so, dass jeglicher Schutz in Form von tag in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung Panzerung natürlich hilft. Aber wenn es darum in der Hand, den Einsatz zu begrenzen. geht, sozusagen gegen Abschussstellungen zu wirken, aus denen nach wie vor beispielsweise Nehmen wir das Beispiel Mali/Niger. Es wäre ja ein deutsches Feldlager oder Patrouillen beschos- denkbar, dass bei einer Mandatierung der Einsatz sen werden, dann hilft natürlich ein entsprechen- bewaffneter Drohnen auf das Staatsgebiet von der Schutz durch Panzerung nicht. Man ist ein Mali beschränkt würde. Es ist ja durchaus denk- Beobachter großer Ereignisse, aber ohne Wir- bar, dass der Bundestag darauf hinwirkt, dass die kungsmöglichkeit. Deswegen ist das Wirken Bundesregierung sagt: Wir mandatieren einen schon von elementarer Bedeutung. Es geht eben Einsatz insgesamt für die fünf Sahel-Staaten, also nicht nur um Aufklärung, es geht auch um Wir- Niger, Mauretanien, Mali und andere, aber Droh- kung. Und ja, das ist eben Teil militärischer Ge- neneinsatz nur im Bereich von Mali oder in Teil- walt, und wir müssen immer wieder klar ver- bereichen von Mali. - Oder in Afghanistan: Ein- deutlichen, weil viele ungern davon sprechen, dass wir ein solches Instrument haben, das Sie

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uns nach entsprechenden Rahmenbedingungen, einer bisherigen Praxis gesprochen, in der Miss- die Sie im Parlament uns geben, völkerrechtlich brauch möglich ist. Bitte machen Sie das mal et- legitimiert durch den Bundestag, entsprechend in was konkreter. den Einsatz mitgeben. Deswegen will ich es im- mer wieder beschreiben. Als Zweites sprachen Sie davon, dass die Mög- lichkeit des Einsatzes von Drohnen eine Stimula- In den letzten 18 Sekunden erlauben Sie mir tion für neue Einsätze sein könnte. ganz kurz folgende Bemerkung: Auch ich und auch wir vertrauen dem Primat, auch wenn es Ich würde gerne eine dritte Frage anheften. Sie manchmal in der Debatte so scheint, als vertrau- sind ja Anwalt am European Center for Constitu- ten Sie sich selbst nicht. Also, wir gehen davon tional and Human Rights. Machen Sie rein juris- aus, dass wir von Ihnen allen völkerrechtskon- tisch Unterschiede zwischen den Menschenrech- forme Mandate mit klaren Zielbeschreibungen er- ten, was Zivilbevölkerung betrifft, und den Men- halten. schenrechten, wonach auch Soldatinnen und Soldaten zu beschützen sind? (Matthias Höhn (DIE LINKE): Ach!) Es wäre schön, wenn Sie diese Fragen beantwor- teten, bevor ich dann noch eine weitere habe. Davon gehen wir aus, und wir gehen auch davon aus, dass wie bisher jeder in der Lage ist, ob im Sachverständiger Andreas Schüller (European Einsatzführungskommando oder im Einsatz, Center for Constitutional and Human Rights Dinge zu überprüfen - so wie ich es selbst erlebt e. V.): Vielen Dank für die Nachfragen. - Zu dem habe -, inwieweit in Afghanistan oder im Irak Missbrauch oder der bisherigen Praxis, auf die mandatskonform agiert wurde. - Danke. ich meine Zweifel aufbaue und stütze: Das kommt vor allem daher, dass mir diese Eckpfeiler (Dr. Alexander S. Neu (DIE im Bereich automatisierte Waffen, die eben ge- LINKE): Im Kosovo auch, nannt wurden und die die Bundesregierung ein- ja?) schlagen sollte, bei dem Einsatz bewaffneter Drohnen fehlen. Mir fehlt auch das Korrektiv, Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Danke sehr. - sprich: die Möglichkeit, Einsätze überprüfen zu Die FDP-Fraktion hat das Fragerecht. lassen, oder auch der Rechtsschutz für Einzelne, um das dann irgendwo wieder einzufangen. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): Vielen Dank, Herr Vorsitzender. - Ein spannender Skepsis kommt zum einen daher, dass zum Bei- Nachmittag! Umso wichtiger ist es - mein Kollege spiel beim Luftangriff in Kunduz ein Angriff auf- sagte es schon -, dass wir ohne Wenn und ohne grund unzureichender Aufklärungslage durchge- Aber für den Einsatz von bewaffneten Drohnen führt wurde. Das ist ja hier im Untersuchungs- sind. Es ist bitter genug, dass in dieser öffentli- ausschuss damals hinreichend von allen Seiten chen Diskussion - und natürlich kann man dage- beleuchtet worden. Da wurde eine Entscheidung gen sein - der Gegner gerne die Assoziation von zu einem Luftangriff getroffen, wobei die Ent- Killerdrohnen, Computerspielen, Enthemmung scheidungslage fehlerhaft war. Dadurch sind Zi- herstellt. Das ist sehr bedauerlich. vilisten zu Schaden gekommen. Bei Drohnen - das habe ich ja schon gesagt - sehe ich eine noch Meine Fragen richten sich an Sie, Herr Schüller, größere Gefahr, dass eine Aufklärungslage unzu- und ich baue noch mal auf die Fragen auf, die reichend ist und daraufhin dann Entscheidungen mein Kollege Herr Müller gerade hatte und die getroffen werden. Sie aufgrund der Zeit nicht beantworten konnten. Sie haben in Ihren Ausführungen als Erstes von Zum anderen wurde die Aufklärung anschlie- ßend behindert: durch die Bundeswehr und das Bundesverteidigungsministerium. Es war auch

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im Untersuchungsausschuss Thema und ist im- Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): mer noch Thema vor dem Europäischen Gerichts- Vielen Dank. Das wäre eine wunderbare politi- hof für Menschenrechte, ob das konform war mit sche Diskussion über die Frage, was fehlerhaft den prozessualen Pflichten aus Artikel 2 der ist, was man machen kann und was 2010 gewe- EMRK. Insgesamt war in den letzten zehn Jahre sen wäre, die wir leider nicht haben. das Verhalten verschiedener Bundesregierungen zu Drohneneinsätzen, die von allen hier im Noch eine Frage an Oberstleutnant Wüstner. Grunde genommen als völkerrechtswidrig be- Über die Abschreckung des möglichen Einsatzes schrieben werden, Thema. Da gab es zum Bei- von Wirkmitteln haben wir noch gar nicht ge- spiel Datenweitergaben. Das betrifft jetzt meines sprochen, also inwieweit auch Feinde, mit denen Wissens nicht die Bundeswehr, sondern eher den man konfrontiert wird, wissen, dass deutsche BND oder die Geheimdienste. Es gibt spätestens Soldaten eben diese Abschreckungsmöglichkei- seit 2012 Kenntnis, dass der Luftwaffenstütz- ten nicht haben. Ist das eine Relevanz, über die punkt Ramstein in dem US-Drohnenprogramm, Sie auch sprechen und diskutieren? Ich spreche das völkerrechtswidrig ist, eine entscheidende das an, weil wir ja gerade sagten, dass die Ab- Rolle spielt, und die Bundesregierung tut nichts schreckung darauf beruht, dass die Partner sie dagegen, auf jeden Fall nicht öffentlich oder haben, aber weniger wir selber. nicht wirksam, damit das irgendwie einge- schränkt wird. Daher kommt die Skepsis. Sachverständiger OTL André Wüstner (Deut- scher BundeswehrVerband e. V.): Also, je nach Hinzu kommt die fehlende rechtliche Überprüf- Einsatzszenario und -gebiet ist es natürlich ein barkeit, dass zukünftige Bundesregierungen, Punkt, der erörtert wird, und natürlich ist es so, sollte es hier mal zu einer Anschlagsserie kom- dass auch gegnerische Kräfte, ob jetzt klassisch men oder so, dann die Drohnen doch anders ein- aus dem Terrorismus, der organisierten Krimina- setzen, als wir uns das im Moment alles vorstel- lität etc., uns genau beobachten, ausspähen, wel- len. Dieses Korrektiv fehlt, und die Eckpfeiler che Möglichkeiten wir haben und wie wir reagie- fehlen. Dadurch diese ganz große Skepsis in Be- ren oder auch nicht reagieren. Natürlich treibt es zug auf die Anschaffung. den einen oder anderen mit Sorge um. Jetzt be- ziehe ich mich auch mal gar nicht mehr nur auf Zur letzten Frage, den Menschenrechten der Sol- deutsche Kräfte, sondern auf deutsche Kräfte datinnen und Soldaten. Sie haben diese Rechte, vielleicht im Rahmen der UN. Wenn die UN im überhaupt keine Frage, und können sie auch, so- Zuge von MINUSMA jedes Mal nach Anspren- weit es möglich ist, vor Gericht einklagen. Sie gung, nach klassischen Hinterhalten nicht in der brauchen den Schutz, den sie für die Einsätze be- Lage ist, relativ schnell zu wirken, dann wissen nötigen. Das müssen aber jetzt aus meiner Sicht - alle Soldatinnen und Soldaten, dass der Gegner das hatte Herr Marxsen auch in seinen schriftli- sich darauf einstellt und bedenkenlos weiter chen Ausführungen schon beschrieben - nicht agieren kann. Wenn es zu Luftunterstützung zwingend bewaffnete Drohnen sein. Beziehungs- käme, ob jetzt im Allgemeinen durch entspre- weise selbst wenn sie einen gewissen Schutz so- chende Waffensysteme - vergleichbar Flugzeug, gar erhöhen, muss es trotzdem in diese Abwä- relativ schnell - oder dann durch entsprechend gung der anderen Risiken mit einfließen, auch bewaffnete Drohnen, würde das ganz anders ab- wenn es natürlich schwierig ist, den direkt Be- schrecken. Das wird diskutiert, und das ist den troffenen gegenüber zu erklären, warum es keine Soldatinnen und Soldaten bewusst. Deswegen bewaffneten Drohnen gibt. Das kann ich vollkom- hofft man ja gerade für diese längeren Patrouillen men nachvollziehen. Aber in die Abwägungen in diesen überdehnten Räumen, dass diese be- fließt halt noch eine ganze Reihe anderer Aspekte waffneten Drohnen mit all den Vorteilen, die dis- ein. - Das ist so das, was ich zu dem Bereich kutiert wurden, bald verfügbar sind; denn sie hel- Menschenrechte auch für Soldatinnen und Sol- fen bei der Auftragserfüllung. daten sagen möchte.

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Darf ich noch eine Anmerkung machen, Frau man sich, glaube ich, vielleicht einfach noch ein- Strack-Zimmermann, weil auch das vielleicht mal in Erinnerung rufen. noch mal von den Zuschauern zumindest be- dacht werden sollte? - Es wird nach wie vor im- Ich habe eine konkrete Frage: Gibt es denn Statis- mer wieder über das Agieren der USA oder ande- tiken über Fehler bei bisherigen Drohneneinsät- rer Verbündeter diskutiert. Da bitte ich einfach, zen, also bei dem, wie Verbündete Drohnen ein- nur noch mal hineinzulesen in die Dinge, die be- setzen, und quasi über die jeweiligen Folgen, schrieben wurden, die Unterschiede, die wir mit Herr Schüller? Blick auf unser Parlamentsbeteiligungsgesetz im Vergleich zu anderen haben, und auch die Unter- Sachverständiger Andreas Schüller (European schiede bezüglich der amerikanischen Streit- Center for Constitutional and Human Rights kräfte im Vergleich zur CIA. Auch da gibt es, e. V.): Statistiken sind mir jetzt direkt keine be- wenn man sich einliest, klassische Unterschiede, kannt, was auch damit zu tun hat, dass ein Groß- und man dürfte nicht alles über einen Kamm teil der bisherigen Drohnenangriffe, die es von scheren. Auch was den Lerneffekt anbelangt, hat verschiedenen Staaten gab, vollkommen intrans- sich nicht nur durch Briefe von Drohnenpiloten parent und im Geheimen stattfinden. Es ist ja an Obama etc. pp. die Situation in den letzten schon schwierig, die Zahl möglicher Opfer zu be- zehn Jahren maßgeblich verändert. Auch das stimmen, weil die erforderliche anschließende sollte man hier noch mal unterstreichen. - Danke. Aufklärung nicht stattfindet oder auch, wenn sie stattfindet, geheim gehalten wird. Das ist ein Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Danke sehr. - Problem, von dem wir aus Pakistan, aus Jemen, Die Fraktion Die Linke hat jetzt sechs Minuten. aus Gebieten, wo Drohnen eingesetzt wurden, wissen. Wir wissen von der einheimischen Be- Tobias Pflüger (DIE LINKE): Vielen Dank. - Es völkerung, dass es natürlich eine ganze Reihe wird ja jetzt im Moment gerade sehr auf die par- von zivilen Toten gab, gerade in Pakistan eine lamentarische Kontrolle abgehoben. Ich will ei- extrem hohe Zahl. nen Sachverhalt einfach mal deutlich machen, nämlich dass wir zwar über die Bewaffnung der Wie kamen die zustande? Ich habe eben ange- Drohne diskutieren, aber bis heute die Art der sprochen, dass es gerade in einem Luftkrieg und Bewaffnung nicht kennen; zumindest wir als Par- in einer Situation, wo man keine Bodentruppen lamentarier kennen sie nicht, die Öffentlichkeit hat, bei der Zielauswahl bzw. den Daten für die auch nicht. Das ist vielleicht einfach ein Sach- Zielauswahl eine extrem hohe Fehleranfälligkeit verhalt, der auch in Bezug darauf, wie parlamen- gibt, da man dort gegen Menschen vorgeht und es tarische Kontrolle möglich ist, nicht ganz un- um den Status der Menschen geht, den man aus wichtig ist. der Luft aber nicht unbedingt erkennen kann, weil sie als Aufständische nicht zwingend eine In der Debatte scheint ja dieses meiner Ansicht Uniform tragen. Sprich: Man braucht andere Ver- nach vorgeschobene Argument relativ zentral zu haltensmuster oder Informationen von Informan- sein, es müssten bewaffnete Drohnen angeschafft ten vor Ort, um da zu einem gewissen Bild zu werden, um Soldaten zu schützen. Die zentrale kommen, das Tracken von Mobilfunkdaten und Frage, die sich mir natürlich stellt, ist: Ist ein un- all das. Aber das ist per se extrem fehleranfällig, mittelbarer Schutz der Soldatinnen und Soldaten und es gibt genug Berichte auch darüber, dass in nicht sinnvoller, also zum Beispiel einfach eine lokalen Konflikten eine Partei eine andere an- bessere Panzerung oder dass sie unmittelbar im schwärzt, dass die im internationalen Terroris- Einsatz selbst real geschützt sind und nicht, dass mus aktiv ist, sodass die dann dadurch zum Ziel quasi eine zusätzliche Waffe eingesetzt wird? Da eines Drohnenangriffs wird, ohne dass das zu- hat natürlich der Experte Marxsen, glaube ich, trifft. Das ist dann ein lokaler Konflikt, der eben sehr recht, wenn er sagt: Das ist eine Waffe, die auch auf dieser Ebene ausgetragen wird. auch als Angriffswaffe eingesetzt wird. Das muss

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Ich will nur sagen, dass im Luftkrieg ohne Bo- Mein Punkt war ja: In einem klassischen, völker- dentruppen oder mit einer schwierigen Aus- rechtskonformen Kriegsszenario sind Drohnen gangslage am Boden gerade diese Ziele, die typi- kein Game Changer, weil sie nur im Uncontested scherweise von Drohnen angegriffen werden, Airspace eingesetzt werden können, und im Con- nämlich Menschen, extrem schwierig zu bestim- tested Airspace machen sie keinen Sinn, können men sind, gerade wenn es um den Status der viel zu leicht abgeschossen werden. Menschen geht, den man aus der Luft auch nicht erkennen kann. Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE): Ja, vielen Dank. - Herr Professor Masala, Sie hatten gerade Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen die besonderen Qualitäten von Drohnen spezifi- Dank, Herr Vorsitzender. - Wenn das jetzt hier ziert. Dazu gehört natürlich auch diese Punktziel- eine wirklich ergebnisoffene Debatte wäre, dann wirkung der Munition mit unterschiedlicher hätte ich den Befürwortern noch mal dringlich Sprengkraft; dazu gehört auch die räumliche und empfohlen, in diesem Zusammenhang nicht im- zeitliche Exaktheit, die Präzision von Drohnen. mer von „play time“ zu sprechen, wenn man auf Zugleich hatten Sie zu Anfang gesagt, es sei kein der anderen Seite immer Wert darauf legt, dass es Game Changer. Dann frage ich mich: Wenn das hier nicht um Assoziationen mit Computerspie- kein Game Changer ist, was ist denn dann ein len geht. Aber da diese Debatte offensichtlich im Game Changer? Wir erinnern uns, dass die USA Prinzip nicht mehr ergebnisoffen geführt wird, Anfang Januar den iranischen General Soleimani will ich jetzt sozusagen auf Plan B kommen und in Bagdad per Drohnenknopf getötet haben. Das die Frage noch mal aufwerfen: Was kann man heißt, mit diesem Waffensystem kann man machen: Rechtsschutz oder Kontrollmöglichkei- durchaus die politischen und militärischen Füh- ten? Da ist zunächst mal hier angesprochen wor- rungskräfte eines anderen, unliebsamen Staates den, wir als Parlament hätten es in der Hand, die killen. Mit anderen Worten: Wenn das kein Game Art der Waffen zu bestimmen. Dazu will ich nur Changer ist, was dann? noch mal sagen: Ich glaube schon an unsere par- lamentarische Demokratie. Aber im Zusammen- Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala (Uni- hang mit Bundeswehreinsätzen ist es, glaube ich, versität der Bundeswehr München): Eine ganz nicht wirklich realistisch, zu glauben, dass wir einfache Antwort, Herr Abgeordneter Neu: im Einzelnen das Mandat im Parlament zusam- Osama bin Laden und Baghdadi sind Old-School- menstellen, sondern das ist hier ein exekutives mäßig von Special Forces gekillt worden; von da- Recht: Das Mandat wird von der Exekutive er- her ist die Drohne kein Game Changer. Sie haben stellt, ausgeplant und uns so vorgelegt, dass wir natürlich völlig recht: Die Drohne macht sozusa- als Parlamentarier nur mit Ja, Nein oder Enthal- gen Tötungen. Sie haben Soleimani erwähnt, aber tung votieren können. Es gibt auch keine Mög- Soleimani hätte genauso auf andere Art getötet lichkeit von Änderungsanträgen oder Ähnlichem werden können. Das meine ich mit Game Chan- wie bei Gesetzen; das läuft hier ein bisschen an- ger. Game Changer bedeutet, der Besitz von Droh- ders. Von daher, denke ich, geht das ein wenig nen ermöglicht jetzt eine völlig neue Art der ins Leere, zu glauben, wir könnten als Parlamen- Kriegsführung. Noch mal: Wir reden nicht über tarier hier die Bundeswehreinsätze im Detail außerlegale Tötungen; auch da sind sie im Prin- durchplanen. Das funktioniert also nicht. zip kein Game Changer, sie sind eine Waffe, mit der man das durchführt. Bei High Value Targets, Es geht also noch mal darum, welche Möglichkei- so etwa bei Bin Laden und al-Baghdadi, gehen ten man gerade auch für die Opfer einrichten Special Forces rein. Da vertraut man nicht auf kann. Hier noch mal eine Bemerkung zu Kunduz Drohnen. Es ist also kein Game Changer, sondern 2009. Ich habe mich vorhin schon gewundert, ein zusätzliches Instrument in dieser Praxis des wie wenig geeignete Beispiele genannt worden völkerrechtswidrigen Targeted Killings. sind, aber ich wundere mich, dass auch immer klar ungeeignete Beispiele mir genannt werden;

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denn Kunduz 2009 wäre bereits durch eine Auf- Sachverständiger Andreas Schüller (European klärungsdrohne eindeutig zu vermeiden gewesen. Center for Constitutional and Human Rights Hätten wir in Kunduz eine Aufklärungsdrohne e. V.): Das sind im Grunde genommen die we- über dem Lkw gehabt, hätte man erkannt, dass es sentlichen Punkte: das Amtshaftungsrecht auf be- 100 Zivilisten sind und keine Kombattanten, und waffnete Konflikte im Ausland für ausländische das Ganze hätte verhindert werden können. Hier Bürger anwendbar zu machen - was der BGH ver- hätte es also nicht an einer Bewaffnung gelegen. neint hat -, dann staatsanwaltschaftliche Ent- scheidungen, unter anderem vom Generalbun- Nun ist die Frage an Herrn Dr. Marxsen und an- desanwalt, leichter gerichtlicher Überprüfung zu- schließend an Herrn Schüller: Was können wir gänglich machen - das Klageerzwingungsverfah- konkret in Bezug auf Rechtsschutz machen? Wir ren sieht dies vor, ist aber so kompliziert ausge- haben die Rechtsprechung des BGH, die sagt: staltet, dass es für jemanden, der in Afghanistan Amtshaftung scheidet hier aus. Was können wir sitzt, im Grunde genommen kaum möglich ist, als Gesetzgeber konkret machen, um entspre- die Zuständigkeitshürden zu überwinden - und chenden Rechtsschutz in Deutschland für die letztlich die Einsatzregeln und Mandate vorab Opfer vorzusehen? In welchem Umfang müssen rechtlich durch das Bundesverfassungsgericht wir das auf die Opfer außerhalb bewaffneter Kon- überprüfbar zu machen, dass es dort entspre- flikte begrenzen, oder können wir das auch für chende Möglichkeiten gibt, um nicht nur nach- die Opfer innerhalb bewaffneter Konflikte ma- träglich eine Kontrolle zu haben, sondern auch chen? Was haben Sie da konkret für Vorschläge? direkt vorab. Bitte zunächst Herr Dr. Marxsen und dann Herr Schüller. Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Damit sind wir mit den ersten beiden Fragerunden durch. Wir Sachverständiger Dr. Christian Marxsen (Max- könnten, wenn es gewünscht ist, noch eine dritte Planck-Institut für ausländisches öffentliches Runde machen. Weil wir uns zeitlich auf 18 Uhr Recht und Völkerrecht): Ich würde das für einen limitiert haben, würde dies für jede Fraktion drei wichtigen Schritt halten, weil es zur Aufarbei- Minuten bedeuten. - Gibt es Bedarf? - Es gibt Be- tung der Rechtsregeln beitragen und konkreten darf. Die CDU/CSU-Fraktion. Rechtsschutz, Grundrechts- und Menschen- rechtsschutz, gewährleisten würde. Ich denke, Eckhard Gnodtke (CDU/CSU): Ich habe noch dass hier ein Gesetz notwendig wäre, in dem bei- eine Frage an Sie, Herr Schüller. Ist Ihnen der spielsweise steht, dass Personen, die im Rahmen Fall Roberts bekannt, der 2013 in Großbritannien von Auslandseinsätzen der Bundeswehr geschä- ausgehandelt worden ist? - Herr Professor Ma- digt werden - man müsste natürlich die Verlet- sala, Sie nicken. - Für die anderen: Damals haben zung spezifizieren und die Anwendbarkeit und die Eltern eines im Irak bei einer Patrouille ums den Rahmen näher definieren; aber letztlich Leben gekommenen Soldaten gegen die britische ergibt sich das schon aus der Mandatierung und Regierung ein obsiegendes Urteil erfochten, und aus dem dort vorgesehenen Rahmen -, ein Klage- zwar hat man festgestellt, dass die Soldaten nicht recht zugesprochen wird. Wir haben natürlich hinreichend geschützt waren, weil man gepan- mehrere Dimensionen. Wir haben zum einen die zerte Fahrzeuge, Schutzwesten usw. hätte ver- Frage der Entschädigung. Hier hat man im Völ- wenden können. Das hat die britische Regierung kerrecht eine starke Entwicklung dahin gehend, aber nicht getan. Ihr Kollege Professor Stefan dass es zumindest angezeigt ist, hierfür Entschä- Talmon - damals von der Universität Bonn; ich digungen vorzusehen, das prozedural zu imple- weiß nicht, wo er jetzt ist - hat daraus die Frage mentieren und die Rechtmäßigkeit und Rechts- entwickelt: Besteht eine Pflicht zur Beschaffung widrigkeit überhaupt erst mal feststellen zu kön- von bewaffneten Drohnen? Es ist Ihnen nicht be- nen. Das wäre auch ein ganz erheblicher Punkt, kannt? - Doch. - Wie sehen Sie das denn? Kann um für möglicherweise Betroffene Rechtsschutz man diesen Gedanken entwickeln - er hat es ge- herzustellen. tan -, und halten Sie ihn für zutreffend und legi- tim?

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Sachverständiger Andreas Schüller (European im Verlauf nichts ändert, wenn die Fähigkeit erst Center for Constitutional and Human Rights mal vorhanden ist? Können wir institutionelle e. V.): Die Antwort ist ja auch in der „FAZ“ im Vorsorge treffen, dass das, was uns im Moment Anschluss an den Artikel vom Herrn Talmon ge- als Basis in der Hand ruht, auch in Zukunft und geben worden, von einem Kollegen, glaube ich, für zukünftige Parlamentariergenerationen die vom MPI, von Herrn Marxsen. Der hat in seiner Grundlage für den Einsatz von bewaffneten Droh- Stellungnahme darauf hingewiesen, dass der Fall nen sein wird, so sie der Bundeswehr denn zur einen Tick anders gelagert war und dass es da- Verfügung stehen? rum ging, zum Beispiel ein gepanzertes Fahrzeug zum Schutz zur Verfügung zu stellen. Das war Sachverständiger Prof. Dr. Andreas Zimmer- mit „Defensivwaffe“ gemeint, also eine stärkere mann (Universität Potsdam): Zum einen hat es Panzerung, um das Recht auf Leben zu schützen, natürlich der Haushaltsgesetzgeber immer in der aber nicht Waffen, mit denen man auch aktiv und Hand, auch in den zukünftigen Jahren die Neuan- offensiv agieren kann. Das war davon nicht um- schaffung von Drohnen dann wieder in den fasst. Ich denke, es ist zu detailliert, es auf eine Haushalt aufzunehmen oder nicht. Wenn sich Pflicht zur Verwendung einer Waffe herunter- der Einsatz von Drohnen durch die Bundeswehr zubrechen. Natürlich muss ein Schutz gegeben als problematisch erweist, besteht für den Haus- sein, das muss auch ein sinnvoller Schutz sein haltsgesetzgeber die Möglichkeit, die Zahl der usw. Aber dass es eine Pflicht gibt, ein einzelnes Drohnen, ihre Bewaffnung und Ähnliches natür- Waffensystem anzuschaffen, halte ich für zu weit lich einzuschränken, und ansonsten auch immer gehend und lese ich aus der EGMR-Entscheidung im Rahmen des konkreten Mandats. von damals auch nicht heraus. Wenn Sie mir das erlauben, Frau Abgeordnete Eckhard Gnodtke (CDU/CSU): Um das noch mal Keul: Ich bin mir natürlich bewusst - ich kenne zu spezifizieren: Talmon sagt, es könne sich dann die Regeln des Parlamentsbeteiligungsgesetzes -, gegen die Bundesregierung richten, wenn Solda- dass im parlamentarischen Verfahren selbst keine ten anderer Staaten durch bewaffnete Drohnen Möglichkeit mehr besteht, auf das Mandat einzu- geschützt werden. Das war sein Bezug. - Aber das wirken. Da geht es dann nur noch darum, dem nur als Ergänzung. Das war meine Frage, und Sie Mandat zuzustimmen oder nicht zuzustimmen. haben sie beantwortet. - Vielen Dank. Aber im Vorfeld der Formulierung des Mandats gibt es natürlich Beratungen zwischen den Regie- Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Danke sehr. - rungsfraktionen und der Bundesregierung. Wir Die AfD-Fraktion. haben ja Fälle gehabt, wo etwa Bundesaußen- minister Fischer bei der Operation zur Piraterie- (Zuruf von de AfD: Wir ha- bekämpfung noch mal ausdrücklich im Bundes- ben keine Frage!) tagsausschuss gesagt hat: „Kein Einsatz in Soma- lia, keine Zustimmung“, weil es dort keine funk- - Danke sehr. - Die SPD-Fraktion muss sich jetzt tionsfähige Regierung gab. Also, es gibt durchaus einigen: der Kollege Felgentreu oder der Kollege Maßnahmen der parlamentarischen Kontrolle im Brecht. Vorfeld der Mandatierung.

Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Ich habe noch eine Vielleicht noch mal ein letzter Punkt zu den Frage zum Thema „Slippery Slope“ an Herrn Rechtsschutzmöglichkeiten: Wir können natür- Professor Zimmermann. Die Basis für unsere Be- lich viel reden über Rechtsschutzmöglichkeiten, ratungen hier und sozusagen auch die Vertrau- über Amtshaftungsrecht, Staatshaftung, alles gut. ensbasis für eine eventuelle Beschaffung ist das Nur betrifft das nicht originär Drohneneinsätze; Ergebnis des Diskussionsprozesses bis zu diesem das betrifft auch Einsätze wie in Kunduz durch Punkt, wie er Ausdruck findet in dem Ihnen auch eine F-16. Dann muss man sagen: Wir wollen für vorliegenden Bericht. Wie können wir als Parla- alle Schädigungen von Zivilisten durch die Bun- mentarier sicherstellen, dass sich an dieser Basis

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deswehr im Ausland einen deutschen Amtshaf- Selbstverteidigung - ich zitiere Sie - stattgefun- tungsanspruch. Dann wollen wir einen durch- den hat, sondern eine Eskalation der Gewalt vor- setzbaren Klageanspruch. Das kann man wollen lag. Das hatte ich mir kurz notiert, weil ich Sie so und muss man dann auch sagen. Das ist aber, verstanden habe; aber vielleicht habe ich Sie glaube ich, jenseits dessen, was wir heute hier auch falsch verstanden. diskutieren können; denn das ist ein massiver Eingriff in das deutsche System des Amtshaf- Sachverständiger Andreas Schüller (European tungsrechts für alle möglichen Arten von bewaff- Center for Constitutional and Human Rights neten Konflikten, die wir nicht antizipieren kön- e. V.): Ich habe mit einer guten Handvoll Droh- nen, und mit einer Zahl von Geschädigten, die nenpiloten und anderen Personen gesprochen, wir ebenfalls nicht antizipieren können. Ob wir die in dem US-Drohnenprogramm an verschiede- in einer solchen Konstellation hier so tief in das nen Stellen arbeiten oder gearbeitet haben, sprich System des deutschen Staatshaftungsrechts ein- US-Militärs, die teilweise auch hier im Untersu- greifen können, darüber kann man reden, aber chungsausschuss „NSA“ gesprochen haben. Es das hat mit Drohnen per se nichts zu tun. Die ist eine Handvoll aus den USA - klar, keine Deut- Frage hat sich doch beim Kunduz-Einsatz ge- schen und auch nicht Dutzende. Die haben mir stellt, und da war es eine F-16. aber aus ihren Einsatzgebieten - Jemen, Pakistan, Afghanistan - berichtet, dass sie im Endeffekt Genauso - es tut mir leid, ich überschreite die rund um die Uhr Einsätze geflogen sind und Zeit; noch 30 Sekunden - ist es bei der Frage des auch besonders verstörend fanden, dass sie im Gewaltverbots. Zu Recht haben wir den proble- Grunde genommen von Auftraggebern - sie wuss- matischen Einsatz 1999 gegen die Bundesrepu- ten noch nicht mal, ob das von der CIA, von der blik Jugoslawien im Kosovo gehabt, und man Armee oder von anderen kommt, die gerade eine kann von mir aus über den Fall Syrien streiten, Mission befehligten, die sie geflogen sind - gesagt den ich allerdings für völkerrechtlich zulässig bekommen haben, was sie da tun sollten, und sie halte. Nur: Da sind ja keine Drohnen eingesetzt nicht selbst überprüfen konnten, ob die Daten worden, weder im Kosovo noch in Syrien. Das stimmen, ob die Zielbeschreibung stimmt. war ein klassischer Einsatz „normaler“ militäri- Manchmal hatten sie Zweifel, weil es aus der scher Mittel. Das war also kein Problem des Ein- Luft nicht klar war, wer da rumlief, ob es ein satzes von Drohnen, sondern eine Frage des Jus Kind ist oder ein Hund. ad Bellum insgesamt. - Vielen Dank. Ich bitte, die Überziehung zu entschuldigen. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): Das spricht nicht für die Qualität der Drohne. Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Die FDP-Frak- tion. Sachverständiger Andreas Schüller (European Center for Constitutional and Human Rights Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): Ich e. V.): Genau, und auch nicht für die Information, habe nur noch eine kurze Frage an Herrn Schül- die es gab und den Piloten von den Auswertern ler: Sie haben nach Ihren Ausführungen - korri- zur Verfügung gestellt wurde. Es ist berichtet gieren Sie mich bitte, wenn ich es falsch verstan- worden, dass es da große Zweifel gab. den habe - auch mit Drohnenpiloten gesprochen. Die empirische Frage: Mit wie vielen haben Sie Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): gesprochen, und aus welchen Ländern kamen Okay. Ich fragte nur nach, damit nicht übrig- die? Denn aus Deutschland können sie ja kaum bleibt, dass Sie auch mit europäischen Soldaten gekommen sein. Deswegen würde mich interes- gesprochen haben, die in diesem Bereich tätig sieren, mit wem Sie da gesprochen haben, aus sind. Es war eine Handvoll, wie Sie sagten, also welchen Ländern, bei welchen Einsätzen, um das demnach nicht mehr als fünf, die explizit für die einordnen zu können, und inwieweit diese Droh- USA unterwegs waren. Hier wurde ja auch schon nenpiloten davon gesprochen haben, dass keine der Unterschied ausreichend klar gemacht zwi- schen dem, was wir völkerrechtlich und im

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Grundgesetz verankert sehen, und dem, was in der Ausdruck, den die Luftwaffe für diese Situa- den USA etwas anders läuft. Ich wollte nur noch tion benutzt. Das war also nicht meiner. mal als Bestätigung wissen, dass wir das anders sehen. - Vielen Dank. Herr Pflüger, zur Automatisierung: Ich glaube, es gibt zwei Sachen, die dagegensprechen. Es ist Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Die Fraktion kein Automatismus, weil es jeweils politische Die Linke. Entscheidungen sind. Es stellt sich irgendwann mal die Frage: Wie geht man damit um, dass es Tobias Pflüger (DIE LINKE): Vielleicht eine er- vollautonome Systeme gibt? Die Bundesregierung gänzende Bemerkung dazu: Ich habe mich zum ist dabei - das habe ich eben schon gesagt -, da- Beispiel mit einem Drohnenpiloten unterhalten, rauf hinzuwirken, dass da gewisse Regeln und der bei der Bundeswehr in Jagel stationiert war Regularien passieren. und der konkret PTBS-geschädigt ist. Wie ich dem Bericht, den wir vor Kurzem vom Bundes- Der zweite Punkt - und ich glaube, das ist das, wehrverband bekommen haben, entnommen was man oftmals vergisst -: Ich kenne eigentlich habe, ist das kein Einzelfall, sondern da gibt es kein Militär, das vollautomatisierte Waffen will, offensichtlich mehrere. Logischerweise ging es weil sie ja weiterhin die Kontrolle über das be- dabei nicht um bewaffnete Drohnen, sondern um halten wollen, was sie da veranstalten. Von daher Überwachungsdrohnen. Aber der Pilot hat eine bin ich skeptisch, ob das Argument der Kollegin - eindeutige PTBS-Schädigung. ich kenne das Papier; Sie beziehen sich auf das SWP-Papier, nicht? - valide ist, dass da ein Auto- Eine kurze Anmerkung zu Ihrem Hinweis, Herr matismus losgetreten wird, dem wir unweiger- Professor Zimmermann, bezüglich der Haushalts- lich nicht entkommen können. Ich glaube, es ist entscheidung. Wir haben den Haushalt für nächs- eine politische Entscheidung; wir haben immer tes Jahr vorliegen, und Teil dieses Haushaltes die Entscheidung. Im Koalitionsvertrag steht, sind Gelder, die auch für die Euro-Drohne vorge- glaube ich, etwas vom Verbot von letalen autono- sehen sind. Das ist schon das Nachfolgemodell men Systemen. Die Bundesregierung ist aktiv, dessen, was wir hier gerade diskutieren. Im Falle hier den Versuch zu unternehmen, Pflöcke einzu- der Euro-Drohne war von Anfang an immer eine rammen. Irgendwann wird sich die Frage stellen, Bewaffnung vorgesehen. Ihre Beschreibung ist, wie wir uns dazu verhalten, dass andere es ha- glaube ich, für die Regierungsfraktionen so weit ben. Aber es gibt keinen Automatismus, der dazu zutreffend. Wir als Oppositionsfraktion sind da führt. Ich sehe das vor allen Dingen nicht, weil deutlich eingeschränkter, weil wir zum Beispiel das Papier an der heutigen Bewaffnung der He- beim Mali-Einsatz, glaube ich, relativ unisono da- ron aufgehängt war, wenn ich mich richtig ent- rauf hingewiesen haben, dass diese unglaubliche sinne, wie sozusagen von diesem Man-In-The- Ausweitung, die da stattgefunden hat, ein richti- Loop-System - nochmals - die Slippery Slope zu ges Problem darstellt. Trotzdem wurde es am dem automatisierten letalen Kampfroboter ist. Ende so beschlossen. Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Die Fraktion Eine konkrete Frage noch an Herrn Masala: Frau Bündnis 90/Die Grünen. Dallmann habe ich ja vorher schon mal zitiert mit ihrer Publikation, in der sie beschreibt, dass man Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bin damit den Pfad hin zu einer Automatisierung be- dann mal gespannt. Ich kann das nicht beurtei- gehen würde. Wie ist da Ihre Einschätzung, Herr len, aber ich möchte gerne glauben, dass die Kol- Professor Masala? legen der Regierungsfraktionen alle intensiv in die Mandatsausformulierung eingebunden sind. Sachverständiger Prof. Dr. Carlo Masala (Uni- Ich kann mich erinnern, dass wir gerade neulich versität der Bundeswehr München): Vielen ein Mandat noch mal zurückgestellt haben, weil Dank. - Das gibt mir vorab die Gelegenheit, der Frau Abgeordneten Keul zu sagen: „Play time“ ist

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nicht mal die Regierungsressorts sich untereinan- Sachverständiger GenLt a. D. Joachim Wundrak: der informiert haben; aber das mag dann ja alles Herzlichen Dank für die Frage. - Show of Force so sein. ist eine Art der Abschreckung. Abschreckung fin- det immer im Kopf des Gegenübers statt. Der Zu den Rechtsschutzmöglichkeiten: Ja, das muss also glauben, das ist jetzt eine Androhung stimmt, das müsste man dann konsequent für des Einsatzes einer Waffe, die als Nächstes folgt. sonstige Lufteinsätze regeln. Ich sehe hier jetzt ei- Das wird er ja auch nur glauben, wenn er weiß gentlich auch nur Lufteinsätze, weil man sonst oder glaubhaft vermittelt bekommt, dass auch im Bereich des bewaffneten Konfliktes ist. Das ist deutsche Drohnen bewaffnet sind. Ansonsten ja sozusagen der Anlass, das bei Drohnen noch wird eine Show of Force mit einer unbewaffneten mal besonders zu thematisieren, da sie als be- Drohne nicht so besonders erfolgreich sein. waffnete Drohnen in der Praxis häufig außerhalb von bewaffneten Konflikten eingesetzt worden Ich hatte ja auch Show of Force als grundsätzli- sind, weil sie sich dafür besonders gut eignen. che Handlung gegenüber Troops in Contact dar- Ich glaube, das ist auch unstreitig. Von daher set- gestellt, und natürlich ist, sage ich mal, eine zen wir diesen Punkt noch mal auf die Tagesord- Show of Force einer B-1, die in 150 Metern über nung, und es lohnt sich an dieser Stelle viel- die Örtlichkeit drüberdonnert, etwas anderes als leicht, als Gesetzgeber noch mal eine Runde über eine unbewaffnete Drohne. Verstehen Sie: Es die Rechtsschutzmöglichkeiten zu drehen. muss im Kopf des anderen stattfinden, und wenn bekannt ist, dass auch die deutschen Drohnen, Dass es ein völliger Systembruch ist, kann ich ei- UAVs, bewaffnet sind, hat das eine andere Wir- gentlich nicht glauben. Wenn wir jetzt mal die kung. vorsätzliche Verletzung des humanitären Völker- rechts nehmen, also quasi ein Kriegsverbrechen, Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kann dann sind wir schon im justiziellen Bereich. Wa- der das erkennen, dass das die Deutschen sind? rum soll das für andere Dinge, für einfach rechts- widriges Handeln nicht entsprechend geklärt Sachverständiger GenLt a. D. Joachim Wundrak: werden können? Die wissen schon, wer in einem entsprechenden Gebiet eingesetzt wird. Ich hätte noch zwei ganz kurze Sachfragen, ein- mal an Herrn General Wundrak: Sie hatten ein- Vorsitzender Wolfgang Hellmich: Zumindest gangs in Ihrem Statement mal von Show of Force kann man hier erkennen, wann die Zeit vorbei gesprochen. Jetzt frage ich mich: Wozu brauche ist, und das sehr deutlich. ich bei der Show of Force eigentlich die Bewaff- nung? Kann ich unten als kleiner Taliban erken- (Heiterkeit - Katja Keul nen, ob das eine deutsche Heron ist oder eine an- (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dere Heron und ob die geladen ist oder nicht? NEN): Wir haben doch Kann ich Show of Force nicht genau mit dem noch nicht 18 Uhr, da kann er doch noch meine Frage gleichen Modell auch ohne Munition fahren? - beantworten! - Heiterkeit) Das ist eine Frage, die ich mir rein praktisch stelle. - Wir fangen jetzt nicht an, Zeitkontingente zu verhandeln, weil wir nicht irgendwo anders sind. Dann noch mal eine Frage an Herrn Dr. Marxsen, Wir sind auch nicht im Untersuchungsausschuss; was Jagel betrifft: Legitimes militärisches An- so haben wir es ja gelernt. griffsziel: Sind das nur die steuernden Piloten, oder sind das möglicherweise auch diejenigen, Ich gehe mal davon aus, diese eine Runde, die die die Bilder auswerten und hier im Inland, in wir als dritte Fragerunde angeschlossen haben, Deutschland, sitzen? Wie sieht es eigentlich da- beendet dann auch diese Fragerunden. - Ich mit aus? danke an dieser Stelle herzlich, auch im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen des gesamten

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Ausschusses, allen beteiligten Sachverständigen, dass Sie heute hier gewesen sind und mit Ihren Beiträgen auch zur Findung der Position beigetra- gen haben. Vielen Dank dafür.

(Beifall)

Damit schließe ich die heutige Sitzung, wünsche allen noch einen schönen und erholsamen Abend. Lassen Sie sich alles noch mal durch den Kopf gehen, was Sie heute gehört haben!

(Schluss: 17.40 Uhr)

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Anlagen

Schriftliche Stellungnahme von Dr. Christian Marxsen, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Schriftliche Stellungnahme von Andreas Schüller, European Center for Constitutional and Human Rights e. V.

Schriftliche Stellungnahme von Prof. Dr. Andreas Zimmermann, Universität Potsdam

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