FREIZEIT DIE STEINERNE WELT VON

Die größte Insel der irischen strotzt vor keltischen und frühchristlichen Relikten wie Hinkelsteinen, Kreuzen und Begräbnisstätten Heiliger. Außerdem ist sie eine Hochburg der gälischen Sprache. Autos sieht man kaum, die Einwohner bewegen sich per pedes, Fahrrad oder Pferd.

50 FORUM | 29. November 2013 FREIZEIT

Von Cornelia Lohs

ühsam trottet Cappuccino len Linien über die Insel und teilen sie den Hang hinauf. „Gasta, in winzige Felder. Wie eine Steinwüste gasta!“ ruft Kevin, der Kut- liegt Inishmore unter der Klippe. Bäu- scher, dem ka"eebraunen Pferd zu, als me gibt es kaum, dafür ist der Boden zu die Strecke wieder gerade wird. Gasta ist karg und die Luft zu salzig. Die Insel irisch und bedeutet „schnell“. Es ruckelt ist seit über 4.000 Jahren bewohnt. Mit ganz schön in dem alten Pferdewagen, über 600 eingetragenen Wahrzeichen der mit seiner runden Form an eine mit- von archäologischem und historischem telalterliche Badewanne erinnert. „Er Interesse gleicht sie einem riesigen Frei- stammt aus dem Jahr 1915. Ich habe ihn lichtmuseum. Eines der Wahrzeichen vor über 20 Jahren auf einer Auktion in ist die Kirche des Heiligen Ciarán, oder Lisdoonvarna gekauft“, erklärt Kevin. was davon übrig ist. Ciarán kam im 6. Er ist mit seinen Fuhrgästen auf dem Jahrhundert als junger Mönch auf die Weg zu Dún Aen- Insel und lebte dort gus, einem bron- sieben Jahre im zezeitlichen Fort, Das Fort ist irisches Kloster des Heili- das auf dem Rand Nationalmonument gen Enda. Damals einer hohen Klip- zählte Inishmore pe thront. Am Fuß zu den wichtigsten des Forts lässt Kevin sie aussteigen und Wallfahrtsorten irischer Mönche. In ei- gesellt sich auf ein Guinness zu den an- nem Traum sah sich Ciarán ein Kloster deren Kutschern, die hier auf Fuhrgäs- in Clonmacnoise am Ufer des Shannon te warten. An Steinwällen vorbei geht bauen. Er verließ Inishmore, um das es steil hinauf zur Festung, die nach Kloster zu bauen, das zu einem der be- Aonghus MacNatfráich, König von deutendsten in Irland wurde. Ciarán gilt Cashel im fünften Jahrhundert nach als Wegbereiter des Christentums im Christus benannt wurde. So die Legen- keltischen Irland. Jährlich tre"en sich de. Der irische Name des Forts ist Dún am 9. September, dem Tag des Heiligen Aonghasa. Ausgrabungen haben erge- Ciarán, Gläubige zu einer Wallfahrt. ben, dass in der Festung Menschen über Mehrmals täglich zieht Cappucci- einen Zeitraum von 2.500 Jahren gelebt no Inselbesucher vorbei an vereinzel- haben, von 1500 v. Chr. bis 1000 n. Chr. ten Häusern, prähistorischen Ruinen, Dún Aonghasa gehört seit Ende des 19. der Seehundkolonie und Torfmooren. Jahrhunderts zu den Nationalmonu- Immer wieder überholen kleine Tou- menten Irlands. Eine Gruppe Amerika- nerinnen wandert in Flip-Flops den stei- nigen Weg hinauf und 'ucht über das falsch gewählte Schuhwerk. Eine von ih- nen gibt auf und setzt sich auf eine Bank am Wegrand. Ein Stein hat sich durch einen ihrer Flip-Flops gebohrt. Keinen Schritt weiter wird sie gehen, ruft sie ihren Freundinnen zu. Die spektaku- läre Sicht über die Bucht von entschädigt den mühseligen Aufstieg. Die Klippen stürzen schwindelerregen- de 100 Meter tief zum Meer ab. Eine junge Französin robbt sich bäuchlings zum Rand der Klippe, stützt sich auf die Ellbogen und schaut zu, wie die Wellen an den Klippen brechen. Nicht weit von ihr steht auf einem Felsvorsprung ein Wild und mystisch: Video(lmer und murmelt etwas von der Die irische Insel perfekten Kulisse für ein Musikvideo, Inishmore lockt das er „Tanz am Abgrund“ nennen will. jedes Jahr im Die gegenüberliegende Seite bietet einen Die hohen Klippen sind beliebte Sommer bis zu herrlichen Blick über Inishmore. Tau- Fotomotive und perfekte Kulisse, 3.000 Touristen an. sende Steinwälle ziehen sich in paralle- zum Beispiel auch für Musikvideos. Fotos: dpa

29. November 2013 | FORUM 51 FREIZEIT

ristenbusse, die Ta- und einem Laden mit gesaus'ügler zu den den berühmten Aran- Kilmurvy Sehenswürdigkeiten Oghil Wollpullovern, keine Kilronan Schottland der Insel bringen, den Geschäfte. Dafür jede Pferdewagen. Aus ei- Killeany Menge Pubs, wohin nem der Busse winkt N.-Irland sich Besucher 'üch- die Amerikanerin, ten, wenn das Wetter Irland deren Flip-Flop auf England umschlägt. Um 17 dem Weg zu Dún Ae- Die Aran Islands liegen Inishmore Uhr wird es plötzlich ngus von einem Stein vor der Westküste Irlands. London still in Kilronan, dem durchbohrt wurde. Inishmore ist die größte. Hauptort der Insel. Es ist Mitte Sep- Die Touristen, die am tember, noch immer Morgen vom Festland kommen bis zu 1.500 Touristen täglich ausgehen will, muss auf dem Festland herübergekommen sind, verlassen Inish- auf die Insel. Im Sommer, ganz beson- übernachten, denn die letzte Fähre nach more mit dem letzten Boot um 17 Uhr. ders an den Wochenenden, sind es über Inishmore legt um 18.30 Uhr ab. Es sei Die wenigen, die über Nacht bleiben, 3.000. Auch im Winter kommen noch denn, man hat sein eigenes Boot oder haben nun die Terrasse des Pier House zahlreiche Besucher, denn auf Inishmo- sein eigenes kleines Flugzeug“, lacht für sich allein. Mit einem Glas Wein re wird es selten kälter als zehn Grad. Ei- er und fügt hinzu: „Dafür gibt es hier oder Guinness sitzen sie an einem Tisch nige übernachten in den kleinen B&Bs keine Kriminalität. Meine Eltern brau- und schauen zum Hafen hinunter. Kein und Pensionen der Insel. Viele kommen chen ihre Haustüre nachts nicht abzu- Mensch weit und breit. Es herrscht ab- allerdings nur, um Dún Aengus zu sehen solute Stille, nicht einmal das Gekreisch und verlassen Inishmore am Abend mit der Möwen ist mehr zu hören. Kein der Fähre oder dem kleinen Flugzeug „Hier gibt es Wunder, dass diese Insel immer wieder von Aer Arann. Nur 840 Menschen le- keine Kriminalität“ Dichter und Schriftsteller angezogen ben ganzjährig auf der 31 Quadratkilo- hat. Der Dubliner John Millington Syn- meter großen Insel, auf der es noch bis ge (1871–1909), der lange Zeit in Paris 1975 keinen elektrischen Strom gab. schließen.“ Die Insel hat eine Schule, lebte, verbrachte hier mehrere Sommer. „Immer mehr junge Menschen verlassen die zum A-Level (Abitur) führt, viele Sein Haus wurde in den Originalzu- Inishmore“, erzählt Ian, der sich mit ein Schüler gibt es allerdings nicht, denn stand zurückversetzt und steht Besu- paar Freunden im Pub tri"t. Er wurde hier leben nur wenige Familien mit Kin- chern o"en. Er schrieb mit „/e Aran vor 30 Jahren hier geboren, hat die Insel dern. Der Großteil der Bevölkerung ist Islands“ einen Klassiker über das Leben jedoch als Achtzehnjähriger verlassen, über 50 Jahre alt. „Das Leben für junge auf der Insel. „Give up Paris… Go to um in Dublin zu studieren. Er verbringt Familien ist hier nicht einfach“, meint the Aran Islands… Express a life that ein paar Tage bei seinen Eltern. „Als Ian. „Alles muss vom Festland herüber- has never found expression („Gib Paris junger Mensch hat man hier keine Pers- gescha"t werden, und das ist mitunter auf, geh zu den Aran Islands und erlebe pektive. Es gibt so gut wie kein soziales sehr umständlich“. Auf der Insel gibt ein Leben, für das es keinen Ausdruck Leben. Kino, Konzerte, Diskotheken, es, außer einem großen Spar-Super- gibt“), schrieb er. Das fällt auf Inishmo- so etwas kennen wir hier nicht. Wer markt, ein paar kleinen Souvenirshops re nicht schwer! t

INFO

Allgemein: www..com und www.aranisland.info Fähre: Ab Rossaveal (Ros an Mhíl), täglich, www.aranislandferries.com Flugzeug: Mit Aer Arann ab ConnConnemaraem Airport bei Galway CiCity ist man in nur sechs MiMinuten auf der Insel. FFlugzeitenlu und Preise : www.aerarannislands.ieww Hotel:H Pier House (Zimmer

mitmi W-LAN): ohs (2) Tausende Steinwälle ziehen www.pierhousearan.comww sich über die Insel und teilen Touristeninformation:To sie in Felder. Seit 4.000 Jahren leben hier Menschen. PierPi in Kilronan. Fotos: Cornelia L

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