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Historie Flotter Dreier

Sieben Siege in Le Mans und zehn Titel in der Marken- und Fahrer- weltmeisterschaft mit großen Namen wie , , Derek Bell, Stefan Bellof und Hans-Joachim Stuck bringen dem 956 ⁄ 962 das Prädikat „erfolgreichster Rennsport- wagen aller Zeiten“ ein. Der erste große Erfolg in Le Mans liegt 25 Jahre zurück – es war ein Dreifachsieg.

Text Fotografie Michael Sönke Porsche Archiv Seite 60 Christophorus 328

Die Szene spielt im Januar1982 auf der Rennstrecke in LeCast- ellet. Nach wenigen Runden steigt Jochen Mass aus dem . „Was für ein tolles Auto!“, schwärmt er und sagt zu Ingenieur Norbert Singer: „Der 956 ist ein gigantischer Schritt nach vorne.“ Tatsächlich leitete der 956 eine neue Ära ein, das Zauberwort hieß Groundeffekt. Zum ersten Mal nutzte Porsche konsequent diesen aerodynamischen Kniff, bei dem durch die Form des Unterbodens die Luft unter dem Fahrzeug beschleunigt wird. Mit diesem Saug- napfeffekt stieg das Kurventempo, ohne dabei Geschwindigkeit auf der Geraden zu verlieren. Wenn der Abtrieb eines Fahrzeuges sein Gewicht übersteigt, könnte es theoretisch an der Decke ent- langfahren – beim Porsche 956 Kurzheck wäre das bereits bei einem Tempo von 177,9 km/h der Fall gewesen. 25 Jahre später zieht Jochen Mass, der elf Jahre lang Porsche-Werksfahrer war, noch einmal Bilanz: „Der 956 war traumhaft und sehr komforta- bel zu fahren. Der 956 und seine Weiterentwicklung 962 waren die Rennwagen mit dem besten Konzept in der Sportwagen-Welt- meisterschaft.“

Erst die Einführung der sehr steifen Karbonfaserchassis Ende der 80er Jahre zeigten dem Porsche 956 Grenzen auf. Der mag in der Erinnerung mancher Enthusiasten wegen seines Zwölf- zylinder-Konzepts einen höheren Stellenwert genießen. Erfolg- reicher war der 956/962 mit seinem Sechszylinder-Boxer und der Turboaufladung. Sieben Gesamtsiege beim 24-Stunden-Rennen A

Drei sind keiner zuviel: Beim Langstreckenklassiker in Le Mans 1982 erreichten die Porsche 956 als erste das Ziel (rechts) und stellten sich später in Weissach zum Gruppenfoto (vorige Seite) Seite 62 Christophorus 328

Geburtstagsparty: von Le Mans zwischen 1982 und 1994! Zehn Fahrer- und Marken- Schon zehn Jahre nach dem ersten Einsatz war der 956 ⁄ 962 Titel in der Sportwagen-WM sammelten die Werksfahrer Jochen eine Legende. Am 9. April 1992 trafen sich die Macher des Mass, Jacky Ickx, Derek Bell, Stefan Bellof und Hans-Joachim Erfolgsfahrzeugs in Weissach zum Jubiläumsumtrunk. Stuck. Eine andere Statistik listet zwischen 1982 und 1994 genau Von links: Fritz Spingler (Meister in der Motorenwerkstatt), 132 Erfolge dieses Typs bei bedeutenden Rennen auf – ob in der Valentin Schäffer (Versuchsingenieur Rennmotoren), Peter Falk Sportwagen-Weltmeisterschaft, der amerikanischen IMSA-Serie, (Rennleiter), Helmut Schmid (Versuchsingenieur Rennmotoren), der japanischen Sportwagen-Meisterschaft und dem Supercup in Gerd Schmid (Kundensport), Hans Mezger (Motorenkonstruk- Europa. Nicht verschwiegen werden darf, dass in den Porsche teur), Norbert Singer (Projektleiter), Horst Reitter (Konstruk- 956 und 962 C auch drei große Rennfahrer bei schweren Unfällen teur Fahrwerk) und Eugen Kolb (Karosserie-Konstruktion) ihr Leben verloren haben: in Mosport 1985, Stefan Bellof in Spa-Francorchamps 1985 und Jo Gartner in Le Mans 1986.

Sammlerstücke Für den Porsche war gerade Le Mans die wichtigste Rennstrecke. Beim Dreifachsieg 1982 mit den Teams Jacky Ickx /Derek Bell, Jochen Mass/Vern Schuppan, / / Jürgen Barth überquerten die Porsche in der Reihenfolge ihrer Startnummern 1-2-3 die Ziellinie – zugleich war dies der erste Triumph in den Farben des Hauptsponsors von Porsche, Rothmans. Die 148 Exemplare, die vom Porsche 956 ⁄ 962 gebaut wurden, Am Ende der Rennwagen-Laufbahn 1994 stand Hurley Haywood waren für die Kunden-Teams eine lohnende Investition (Neupreis dann an der Sarthe ganz oben, er siegte mit Yannick Dalmas und 1990: 1,3 Millionen Mark). Auf dem Gebrauchtwagenmarkt für im nach einem GT-Reglement gebauten Dauer- Rennwagen waren Sammler bereit, für Fahrzeuge mit erfolgreicher . Vergangenheit tief in die Tasche zu greifen. So freute sich der Privatier René Herzog (Schweiz) nach Platz vier,den er 1990 bei In der Gruppe C hatte der Porsche 956/962 zwischen 1982 und den 24 Stunden von Daytona errungen hatte: „Damit ist der Wert 1987 nur einen Gegner: den Porsche 956/962. Private Teams von meines 962 gleich um 400 000 Mark gestiegen.“ Ein anderes Reinhold Joest, Erwin Kremer, Richard Lloyd, John Fitzpatrick Beispiel war das Fahrzeug des Schweizer Hoteliers Antoine Sala- oder Walter Brun setzten die Werks-Porsche mächtig unter Druck. min. Er machte nach einem Unfall 1989 in Mexiko die Erfahrung, Eine faire Philosophie: Die Kunden erhielten bestes Material, selbst dass selbst ein havarierter 962 gefragt ist. In Weissach wurde wenn es auf Kosten des Werkserfolges ging. „Manchmal fühlten das Fahrzeug flott gemacht – und wanderte für 1,2 Millionen Mark wir uns wie Testfahrer für die Kundenteams“, erinnert sich der in ein Privatmuseum nach Schweden. britische Rennfahrer Derek Bell. A Seite 64 Christophorus 328

Motorsport mit Ausstrahlung: Handarbeit Der 962 beim Sieg im 24-Stunden-Rennen von Daytona 1986

Noch etwas zeichnete diesen Porsche aus – seine Zuverlässigkeit. Den Porsche 962 zu bauen, war eine aufwendige Angelegenheit. „Richtig im Stich gelassen hat mich der 956 nur in Le Mans 1983“, 25 Spezialisten steckten 800 Arbeitsstunden in den Aufbau des erzählt Mass. Es war das einzige Mal, dass sich Mass mit Stefan Aluminium-Chassis, allein 3000 Nieten wurden verwendet. Insge- Bellof ein Cockpit teilte. Für Klaus Bischof, heute Leiter des samt 10 000 verschiedene Einzelteile waren auf Lager. Drei Wochen Porsche-Museums, eine ideale Paarung. „Doch mit dem Sieg lang arbeiteten die Spezialisten an der Kunststoffkarosserie, eine wurde es nichts. Ein Wasserleck im Zylinderkopf wurde von den Woche benötigte der Elektriker für die Verkabelung. Und 14 Tage Monteuren mit einem Dichtungsmittel behandelt. Aber weitere vergingen, ehe die vormontierten Komponenten des Porsche zu- Dichtungen zersetzten sich und der Kühlhaushalt kollabierte.“ sammengefügt waren. Alles geschah in Handarbeit und wurde von Nach 21 Stunden kam das Aus für das deutsche Duo, den greif- erfahrenen Monteuren und Technikern ausgeführt. Am Ende unter- baren Sieg mussten Mass/Bellof den Teamkollegen Schuppan/ zog dann der damalige Kundensportleiter Jürgen Barth jeden Holbert/Haywood überlassen. Porsche 956 ⁄ 962 vor der Auslieferung einem Test auf der Rüttel- piste des Weissacher Entwicklungszentrums. Neben den Werksfahrern gehörten , , , Paolo Barilla, jr., James Weaver, Price Cobb, , Kris Nissen, , Oscar Lar- Innenleben: Das Aluminium-Chassis des 956 im Jahr 1988 rauri, Jesús Pareja, und viele andere zu den Siegern in einem Porsche 956 oder 962 „IMSA“ beziehungsweise einem 962C. Nick Mason, Schlagzeuger und Gründungsmitglied von Pink Floyd, gehört zwar nicht dazu. Aber der Musiker hat einen der härtesten Einsätze in diesem Porsche gemeistert. Beim 1000-Kilo- meter-Rennen in Mosport/Kanada 1984 erlitten Bellof/Bell einen Lichtmaschinenschaden. Mit leerer Batterie wären die beiden im Rennen unweigerlich gestrandet. Aber nur eine Ersatzbatterie lag bereit, die jedoch nicht gereicht hätte. Also übernahm Mason, der mit dem Ersatz-956 im Rennen nur einige Runden für Filmauf- nahmen hatte drehen wollen, den Ladedienst. „Wir haben die Batterien zwischen seinem Auto und dem von Bellof/Bell immer hin-und hergetauscht, Mason musste fast das ganze Rennen alleine bestreiten“, erinnert sich Bischof schmunzelnd, „am Ende hatte er mehr Runden zurückgelegt als alle anderen Fahrer. Wir mussten ihn aus dem Wagen heben.“ Um ihn hochleben zu lassen. Wie heute den 956 /962: Happy birthday. B