nr. 23, september 2017 informationen der burgergemeinde Medaillon

Geschichte Selbstdarstellung ­lange vor ­Facebook und Co.

Burgergemeinde Bern Neues Burgerpräsidium

Zeitgeschichte «1968 Schweiz» Inhalt

Geschichte Selbstdarstellung ­lange vor ­Facebook & Co. Seiten 6–7

Burgergemeinde Bern Neues Burgerpräsidium Seiten 10–13

Zeitgeschichte «1968 Schweiz» Seiten 16–17

Generationen Lebensgeschichten lesen 4 Geschichte Selbstdarstellung ­lange vor ­ Facebook & Co. 6 Menschheit Weltuntergang – Ende ohne Ende 8 Sozialpreis 2017 Nur mit unserer Hilfe gelingt ­erfolgreiche Integration 9 Burgergemeinde Bern Neues Burgerpräsidium 10 Drei Berufsporträts Von künstlerischen Energien und von besonderen Porträts zum kreativen Banker 14 Zeitgeschichte «1968 Schweiz» 16 Abstimmungen Kurzinformation über die ­aktuellen Abstimmungsvorlagen 18 Kultur Ins Casino surfen 19 Nachruf Adel ha, heisst sech la bruuche 20 Kulturtipp I Made You A Tape – Proud and Young 21

2 Coverbild: Jonas Kambli Editorial Liebe Burgerinnen, liebe Burger, liebe Leserinnen, liebe Leser

Die Förderung junger Talente gehört zu unseren Prioritäten. Im Sommer sind die ersten Open-Castings des neu konzipierten Jugendpreises über die Bühne gegangen. Die Jury hatte die Qual der Wahl, aus zahlreichen innovativen Projekten eine Auswahl vorzunehmen. Neu werden unter anderem ein Raum und eine Bühne auf Zeit vergeben. Die feierliche Preisverleihung und Bekanntgabe der Gewinner erfolgt Ende November. Aber auch in der Politik ist Jugendförderung gefragt. Umso wichtiger ist es, die interessierte Jugend früh abzuholen und in den Ablauf politischer Prozesse in ihrer ganzen Bandbreite einzuweihen. Deshalb organisieren der Kanton, die Stadt und die Burgergemeinde Bern zusammen mit dem Jugendparlament des Kantons Bern am 1. Dezember die Jugendkonferenz. An ihr können sich die jungen Polittalente etwa an einem Speed-Debating im Berner Rathaus beweisen. Ein imposantes Ergebnis geglückter Zusammenarbeit verschiedener politischer ­Akteure steht im Kiental. Sieben Badewannen voll Wasser schiessen pro Sekunde durch die Turbine des Wasserkraftwerks Spiggenbach. Die Burgergemeinde hat es auf ihrem Boden zusammen mit der BKW und der Gemeinde Reichenbach in zwei Jahren Bauzeit realisiert. Seit August versorgt die Anlage 2500 Haushalte in der Region mit Strom. Schnitt. «Weltuntergang, Ende ohne Ende» heisst ab November im Naturhisto­ rischen Museum passenderweise eine Sonderausstellung mit apokalyptischem Unterton. Dagegen gab es im Berner GenerationenHaus weiter Anlass zu Optimismus, wurde die Institution doch im Sommer für den nationalen Design Leadership Prize im Bereich «Home & Living» nominiert: eine schöne Würdigung unseres intergeneratio­ nellen Hauses. Nun wünsche ich Ihnen eine spannende Lektüre mit dem neuen Medaillon.

Herzlich, Bernhard Ludwig Burgergemeindepräsident

3 Generationen

Lebensgeschichten Viele ältere Menschen haben das Bedürfnis, ihre Lebensge- lesen schichten niederzuschreiben und späteren Generationen zu überliefern. In der neuen Veranstaltungsreihe «Edition Unik Text: Andrea Hipp, Bild: Yoshiko Kusano Café» lesen Autorinnen und Autoren im Berner Generatio- Text mit Bildgalerie: medaillon.bgbern.ch/editionunik nenHaus aus ihren Büchern – zusammen mit ihren Kindern Weitere Informationen: www.editionunik.ch und Enkelkindern.

ereits eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn ist die Der etwas andere «Verlag» BCaféBar im Berner GenerationenHaus bis auf den letzten Die Idee von Edition Unik ist nicht, als Verlag aufzutreten, son- Platz besetzt. Gekommen sind die Familien, Freunde und Bekann- dern mit dem Buchprojekt den Schatz aus biografischem Alltags- te dreier Debutautorinnen und -autoren im Alter von 72, 73 und und Erfahrungswissen der nächsten Generation zu überliefern. 80 Jahren. Sie alle haben diesen Frühling ihr erstes Buch geschrie- Die Veranstaltung «Edition Unik Café», bei der die Autorinnen ben. Ein Buch voller Geschichten, Erinnerungen und Anekdoten. und Autoren gemeinsam mit ihren Nächsten aus den Büchern Ermöglicht wurde es durch das Oral-History-Projekt Editi- vorlesen und ihre Geschichten und Erinnerungen mit dem Pu- on Unik, initiiert von Heller Enterprise des Kulturunternehmers blikum teilen, passt gut ins Berner GenerationenHaus. Das Pro- Martin Heller. Knapp 200 Bücher sind seit dem Start von Edition jekt fördert den Dialog und den Zusammenhalt zwischen den Unik 2015 entstanden, mit jedem der halbjährlich stattfindenden Generationen, dem sich auch das Berner GenerationenHaus ver- Workshops kommen rund 50 Bücher dazu. In den Workshops schrieben hat. begleitet Edition Unik die Interessierten über vier Monate hinweg beim Schreib- Berner Première mit Fortsetzung prozess, stellt ihnen eine Software zur Das Projekt fördert den Dialog Am ersten Veranstaltungsabend des «Edi- Buchgestaltung zur Verfügung und über- tion Unik Cafés» lesen neben Elisabeth nimmt den Druck der Bücher. Inhaltliche und den Zusammenhalt zwischen Leu-Lehmann und ihrer Familie auch Vorgaben für die Texte gibt es keine. Mit den Generationen. Ueli Johner-Etter und Suzanne Schrade dem «Edition Unik Café» gehen die Bü- zusammen mit ihrem Neffen André cher zusammen mit ihren Autorinnen Schrade. Sie alle kommen aus der Region und Autoren nun erstmals auf Lesetournee. An diesem Abend Bern und halten seit diesem Frühling ihre Erinnerungen und machen sie Halt im Berner GenerationenHaus. Geschichten erstmals zwischen zwei Buchdeckeln in Händen. Als Erste betritt Elisabeth Leu-Lehmann die Bühne, zusam- Das nächste «Edition Unik Café» findet am 28. Februar 2018 im men mit ihren beiden Enkelkindern Sophie und Philippe sowie Berner GenerationenHaus statt. Die Lesenden werden im Vor- ihrem Sohn Martin. Sie alle lesen aus dem Buch, das Elisabeth feld der Veranstaltung bekannt gegeben. Leu-Lehmann diesen Frühling aus gesammelten Erinnerungen geschrieben hat. Wer welche Passagen vorliest, haben die Vier gemeinsam entschieden und diese mit farbigen Post-Its mar- EDITION UNIK kiert. Elisabeth Leu-Lehmann macht den Anfang und übergibt In der Edition Unik schreiben Menschen persönliche Texte anschliessend an Sophie an einer Stelle, an der sie sich an einen und gestalten daraus ihr eigenes Buch. Ohne inhaltliche Besuch bei der Grossmutter erinnert, als sie selbst noch ein klei- Vorgaben bringen sie zu Papier, was ihnen wichtig ist: meist nes Mädchen war. Danach liest Philippe von einem Wochenend- Erinnerungen und Erfahrungen aus ihrem Leben. Von der ausflug der Familie und gibt dann das Buch weiter an seinen ersten Seite bis zum fertigen Buch begleitet Edition Unik die Vater Martin. Von Elisabeth Leu-Lehmanns Werk gibt es nur drei Teilnehmenden. Verschiedene Unterstützungsangebote Exemplare. Zwei hat die Autorin erhalten, eins ist im Archiv der stehen zur Verfügung und gestalten gemeinsam mit einer Edition Unik in Zürich. exklusiven Software den konzentrierten Schreibprozess.

4 oben: Elisabeth Leu-Lehmann mit Enkelin Sophie unten links: Ueli Johner-Etter unten rechts: Suzanne Schrade mit ihrem Neffen André Schrade

5 Geschichte

Die Burgerbibliothek Bern hat im Februar und September Selbstdarstellung 2017 ihr Online-Informationsangebot zur Berner ­ Geschichte deutlich erweitert. Umfangreiche Dokumenta­ ­lange vor­ tionen zu Berner Familienwappen und Porträts des 16. bis 20. Jahrhunderts sind nun erstmals im Internet verfüg- Facebook & Co. bar. Über 11 000 Datensätze bieten reiches Quellenmaterial für Forschung und Wissenschaft und laden zur Begegnung Text: Nadine Fischer und Stephanie Gropp, Bilder: Burgerbibliothek mit Berner Persönlichkeiten und ihren Familien ein. Kompletter Text mit Bildgalerie: medaillon.bgbern.ch/wappenundportraets Weitere Informationen: katalog.burgerbib.ch; archives-quickaccess.ch/bbb

appen und Porträts dienten seit dem 16. Jahrhundert gemeinde» schreiben vor, dass neu geschaffene Wappen den Vor- Wgleichermassen als zentrale Medien der repräsenta- gaben der Heraldik entsprechen müssen und die Übernahme tiven Selbstdarstellung einzelner Personen und ganzer Famili- von Wappen ausgestorbener Familien nicht möglich ist. Zudem en. Mittels Ahnengalerien und Stammbäumen demonstrierten dürfen nur noch Personen mit direkter Linie zum Stammhalter Berner Familien ihre Herkunft und legitimierten so ihren Status deren burgerliche Wappen verwenden. im sozialen Gefüge der Stadt Bern. Für das Prestige einer Person Sämtliche burgerlichen Familienwappen sind nun in einer waren neben persönlichen Verdiensten vor allem das Ansehen Dokumentation zusammengestellt. Als Grundlage dienen die von ihrer Familie und die Taten ihrer Vorfahren von entscheidender der Burgergemeinde publizierten Wappenbücher von 1932 und Bedeutung. 2003. In Zusammenarbeit mit der Burgerkanzlei werden die Ein- träge laufend ergänzt. Da es aber keine Verpflichtung gibt, ein Wap- Wappendokumentation pen zu führen, hat die Burgergemeinde mehr Familien als Wappen. Wappen an Hausfassaden, in Wappenscheiben, auf schriftlichen Trotzdem ist die Dokumentation auf ansehnliche 2470 Einträge Unterlagen und als Siegel zeugen von der langen Tradition die- angewachsen, welche die rund letzten 500 Jahre abdecken. ses Merkmals der Familienerkennung und des Besitzanspruchs. Während Ende des 15. Jahrhunderts die meisten Berner Familien Berner Persönlichkeiten im Bild ein Wappen trugen und aktiv verwendeten, ist die Anzahl der Wappen und Porträts gehen im 17. und 18. Jahrhundert zuweilen Familien, welche heute überhaupt eines besitzen, zurückgegangen. ein enges Bündnis ein. In einer Vielzahl von Bildnissen erschei- Die Zuordnung der Wappen zu den entsprechenden Familien ist nen Wappen als Zeichen der Zugehörigkeit einer Person zu ei- teils schwierig, auch weil neu eingeburgerte Familien Wappen ner namhaften Berner Familie. So begegnet uns in einem Tafel- bereits ausgestorbener Familien verwendeten. Überdies haben bild von 1623 Salome Graviseth, geb. von Erlach (1604 – 1636), spätere Generationen gelegentlich ihre Wappen aufgrund von als noch unverheiratete, gut situierte Frau, die den Blick des persönlichen oder zeitgenössischen Vorlieben geändert. Die Betrachters selbstbewusst erwidert, gehört sie doch, wie das Wappenkunde oder Heraldik folgt ihren eigenen Gesetzmässig- Wappen neben ihrem Gesicht deutlich zu erkennen gibt, zur keiten. Sowohl Farben (Tinktur) als auch Beschreibung (Blaso- vornehmen und einflussreichen Familie von Erlach. Waren es nierung) der Wappen sind definiert. «In Rot ein silberner Pfahl, zunächst vor allem Patrizier, die mit Familienporträts ihren pri- belegt mit einem schwarzen Sparren», lautet die Blasonierung des vilegierten Status im Staate Bern demonstrierten, etablierte sich hier abgebildeten Wappens der von Erlach. Die Ausgestaltung der das eigene Bild seit dem 18. und 19. Jahrhundert als probates Dicke des Pfahls oder des Rottons liegen aber in der freien Ge- Mittel der Selbstdarstellung auch im aufstrebenden Bürgertum. staltung des Malers. Die Regeln der Heraldik wurden besonders Dieser Wunsch nach angemessener bildlicher Präsentation der ab dem 18. Jahrhundert nicht immer eingehalten. Und da neu eigenen Person führte zu einer Blüte der Porträtkunst in Bern eingeburgerte Personen oft einen kreativen Umgang mit Farben und bot ansässigen sowie auswärtigen Meistern des Fachs eine und Formen pflegten, existieren Darstellungen, welche der genau- reiche Auftragslage. en Prüfung eines Heraldikers nicht standhalten würden. Erst die Die herausragende Bedeutung des Porträts in der Berner vom Kleinen Burgerrat 1979 erlassenen «Weisungen für die Ein- Bildproduktion vergangener Jahrhunderte spiegelt sich auch in tragung der Familienwappen in das Stammregister der Burger- den Beständen der Burgerbibliothek Bern wider. Darstellungen

6 Porträt von Salome Graviseth, geb. von Erlach, 1623

namhafter Berner Persönlichkeiten bilden einen wichtigen Der Online-Zugriff Schwerpunkt nicht nur in der Gemäldesammlung. Auch die Die grosse Fülle der Berner Porträts und Wappen ist neu im Grafische Sammlung, das Fotoarchiv und die Privatarchive wei- Online-Archivkatalog der Burgerbibliothek Bern vorhanden. sen eine Vielzahl verschiedenster Porträts auf. Zusätzlich eröffnet das Portal Archives Quickaccess einen eigenen Neben der eigenen Sammlung führt die Burgerbibliothek thematischen Zugang. Spezielle Suchmasken ermöglichen gezielte Bern seit 1962 eine fotografische Dokumentation zu Berner Por- Recherchen zur Berner Familien- und Personengeschichte. Bei träts des 16. bis 19. Jahrhunderts in Privatbesitz, öffentlichen In- Porträts, die sich heute in öffentlichen Sammlungen befinden, ver- stitutionen und im Kunsthandel. Diese ermöglicht einen visuel- weist zudem ein Link auf die Website der jeweiligen Institution, len Zugang auch zu jenen verborgenen Bildern, die sich für die sodass die Forschungen weitergeführt werden können. Die priva- Öffentlichkeit unzugänglich in privaten Sammlungen befinden ten Eigentümer von Porträts bleiben aber selbstverständlich un- oder deren Verbleib heute gänzlich unbekannt ist. genannt. Das Familienwappen von Erlach oder das Bildnis der Mit der Onlinestellung sowohl der eigenen Bestände der Salome Graviseth finden so einen neuen Weg an die Öffentlichkeit. Burgerbibliothek Bern als auch der Werke in fremdem Besitz Die beiden jetzt aufgeschalteten Dokumentationen zu Por- steht ein ausserordentlich reicher und kostbarer Bilderschatz träts und Wappen bieten, nebst dem seit 2016 verfügbaren «His- nun erstmals einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung. Über torisch-topographischen Lexikon der Stadt Bern», Suchmöglich- 8600 Porträts laden dazu ein, Bernerinnen und Bernern vergan- keiten zu weiteren zentralen Aspekten der Berner Geschichte. gener Zeiten zu begegnen und zu entdecken, wie sie sich Künst- Das Informationsangebot von Archives Quickaccess wird auch lern, Zeitgenossen und Nachfahren präsentierten. weiterhin kontinuierlich ergänzt.

7 Menschheit Weltuntergang – Ende ohne Ende

Die Geschichte vom Weltuntergang ist uralt und ­brandaktuell. Menschen haben sie im Umgang mit realen Bedrohungen erfunden. Die Ausstellung ­«Weltuntergang – Ende ohne Ende» im Naturhisto­ rischen Museum Bern versammelt Bilder, Funde und Erzählungen aus Wissenschaft und Kunst, aus denen Angst und Faszination sprechen.

Text: Simon Jäggi, Leiter Kommunikation und Marketing, Naturhistorisches Museum der Burgergemeinde Bern; Bild: Lisa Schäublin Text mit Bildgalerie: medaillon.bgbern.ch/weltuntergang Weitere Informationen: www.nmbe.ch

Die Geschichte vom Weltuntergang ist eine menschliche Erfindung.

ines ist gewiss: Die Sonne wird kein eigentliches Naturphänomen, eher Die Ausstellung schlägt in sieben the- Esich in circa 5 Milliarden Jahren um eine menschliche Erfindung, die so alt matischen Räumen einen weiten Bogen – zu einem «Roten Riesen» aufblähen und ist wie die Menschheit selbst. In den ältes- von sachlicher Analyse über Prophezei- den Planeten Erde verbrennen. Der einzi- ten überlieferten Schriften sind bereits ungen und Spekulationen bis zu offener ge, unausweichliche Weltuntergang ist je- Untergangs-Fantasien enthalten, etwa im Lust am Untergang. Das Wechselbad kon- doch in unvorstellbar weiter Ferne. Sicher Gilgamesch-Epos. Die Offenbarung des frontiert die Besucherinnen und Besucher ist auch: Die Welt ist noch nie untergegan- Johannes in der Bibel prägt das Verständ- mit eigenen Vorstellungen und Erfahrun- gen, dafür aber Welten unterschiedlichster nis von Apokalypse in der westlichen Welt. gen. Die Ausstellung dauert fünf Jahre. Lebewesen. Schon mindestens fünf Mal in Die Geschichte vom Ende der Welt ist Der siebte und letzte Raum wird jedes der Erdgeschichte lösten Naturkatastro- uralt und brandaktuell zugleich. Die Vor- Jahr von einer Künstlerin oder einem phen Massensterben aus, bei denen ein stellung vom Weltuntergang spiegelt die Künstler neu gestaltet. Grossteil aller Tierarten von der Erde ver- Ängste und das Bedürfnis nach Erklärung schwand. Findet gegenwärtig ein sechstes einer jeden Epoche. In ihr sammelt sich Massensterben statt, ausgelöst durch den die Furcht vor Naturkatastrophen, Krank- «WELTUNTERGANG – ENDE OHNE ENDE» Einfluss des Menschen? So umstritten die heiten, neuen Technologien oder politi- Ab 10. November 2017, Naturhisto­ Antwort wäre, unbestritten ist, dass die schen Entwicklungen. Deshalb wird der risches Museum der Burgergemeinde Artenvielfalt auf der Erde rasant abnimmt Weltuntergang häufig bemüht: für religiöse Bern, Bernastrasse 15, 3005 Bern. und unterschiedliche Welten für immer Prophezeiungen, politische Schreckenssze- verschwinden. narien oder gesellschaftliche Zukunftsvi- Begleitet wird die Ausstellung von Menschliche Welten waren und sind sionen. Das Untergangs-Narrativ entfaltet einem lustvollen Rahmenprogramm – ebenso bedroht: Naturkatastrophen, Krie- immer wieder seine Wirkung als Drohku- unter anderem mit einem unkonventio- ge, Seuchen und andere Desaster haben lisse, Projektionsfläche oder Kreativmotor. nellen Klassikformat, dem National­ unzähligen Menschen das Leben gekostet Denn die reale wie auch die imaginierte satiriker Peter Schneider, Müslüm oder und ganze Kulturen ausradiert. Jederzeit Bedrohung hat immer auch Lebenskräfte Kult-Forensiker Mark Benecke. könnte ein Meteorit auf der Erde einschla- geweckt und den Innovationsgeist der Wer sich hier treiben lässt, kann sich gen, ein Vulkan ausbrechen oder ein Gam- Menschen beflügelt. So sind bedeutende zwischen Natur und Kultur, Menschen­ mablitz einschlagen. Oder stellen gar neue Werke der westlichen Kulturgeschichte leben und Universum, Bestätigung Technologien die grösste Gefahr für die in Bezug auf die christliche apokalypti- und Verunsicherung durchaus verlieren. Menschheit dar? Erschaffen wir mit Hilfe sche Prophezeiung entstanden. Auch Entwickelt wurde «Weltuntergang» der künstlichen Intelligenz Wesen, die sich heute schöpfen Menschen Ideen und In- gemeinsam mit Heller Enterprises, irgendwann gegen uns erheben und uns spiration aus dem nahen Ende der Welt: Zürich, dem Unternehmen von Martin auslöschen werden? als «Prepper», die sich für den Weltun- Heller, ehemaliger künst­lerischer Der Weltuntergang stellt kein klassi- tergang rüsten, als Klimaaktivisten oder Direktor der Expo.02. Die Szenografie sches Ausstellungsthema für ein Naturhis- als Musiker, die den Weltuntergang her- stammt von Holzer Kobler Architek­ torisches Museum dar. Es handelt sich um beisehnen. turen, Zürich.

8 anzutreffen, aber auch Einheimische sind Sozialpreis 2017 auf Besuch. Neben der Gratisnutzung der Computerstationen, schätzen sie die un- Nur mit unserer Hilfe gelingt komplizierte Unterstützung bei der Stellen- ­erfolgreiche Integration und Wohnungssuche, die ihnen hier von einem kleinen Team zuteil wird. Ein ande- rer Tag, derselbe Ort. Gründer Thomas Näf Dieses Jahr wurden gleich zwei Stadtberner Projekte mit erklärt dem Asylsuchenden Tamer (Name dem burgerlichen Sozialpreis geehrt, die für «Empower- geändert) aus der Mongolei geduldig die ment» und Integration stehen. Das Projekt «beraber» ersten Schritte auf dem Computer, das Ein- setzt sich für mehr Chancengleichheit im Bildungswesen richten eines Email-Kontos sowie das ein. In ihm erteilen Studierende Schülerinnen und Surfen im Internet. Tamer soll sich später Schülern mit Lernschwierigkeiten spezifischen Stützunter- selbstständig über den Arbeits- und Stel- richt. Das «Internetcafé Power-Point» dagegen richtet sich lenmarkt informieren können. Das von an Erwachsene in Notlagen und bietet ihnen kostenlos Näf vor sechs Jahren ins Leben gerufene betreute Computerarbeitsplätze mit Internetzugang an. Angebot ist ein Self-Empowerment-Pro- Text: Martin Grassl jekt im doppelten Sinne. Näf war einst sel- Text inklusive Bildergalerie: medaillon.bgbern.ch/sozialpreis2017 ber Armutsbetroffener und vermisste ein Weitere Informationen: www.beraber.ch/de/beraber-bern; www.internetcafe-powerpoint.ch Angebot zum Erlernen von Computer- Grundkenntnissen, um damit besser ge- rüstet zu sein für den Arbeitsmarkt. Also ittwochnachmittag in der Stadt dass «beraber»-Lehrkräfte mit ihrenSchü - machte er sich auf eigene Faust kundig MBern, es klingelt. Die zwölfjähri- lern ab und zu gemeinsame Freizeit ver- und baute gleich selber das fehlende An- ge Lorena (Name geändert) geht zur Woh- bringen, etwa bei einem Kinobesuch. gebot auf. Das «Internetcafé Power-Point» nungstür und öffnet. Heute kommt Tama- Im Vorfeld einer Unterrichtsverein- startete mit 10 gekauften Computern. Näf ra zu ihr nachhause für den wöchentlichen barung organisiert das vierköpfige Ver- bestreitet heute zusammen mit seiner Part- Stützunterricht. Die von «beraber» vermit- mittlungsteam von «beraber» jeweils ein nerin den Tagesbetrieb. Fünf Freiwillige telte studentische Lehrkraft ist in diesem Treffen zwischen den Schülern, einer vor- helfen in Teilzeit mit. Der Ort wird rege Haushalt besonders willkommen. Lorena geschlagenen Lehrkraft und den betrof- besucht. Das kostenlose Angebot ent- hat einen Migrationshintergrund, ihre fenen Eltern. Die Lehrkräfte an Schulen spricht einem grossen Bedürfnis, pro Jahr Eltern können ihr nicht bei den Hausauf- mit Jugendlichen im «beraber»-Programm nutzen es rund 7000 Menschen. gaben helfen, da ihre Deutschkenntnisse sind sich einig: Die Unterstützung macht nicht so gut sind. Auch ist ihnen unser Bil- sich deutlich bemerkbar. Die Hausaufga- Sozialpreisverleihung im Progr dungssystem zu wenig bekannt, um opti- ben sind gemacht, sogar wichtige Unter- Die Verleihung des diesjährigen Sozial- male Lern-Prioritäten für ihr Kind setzen stützung bei der Berufswahl wird geleistet. preises ging im Progr, dem Berner Zent- zu können. Der Unterricht zuhause am Ebenso dankbar für die Entlastung sind rum für Kulturproduktion, über die Büh- Küchentisch findet für Lorena in einer ver- die betroffenen Eltern. Aber auch die ne. Die beeindruckende Laudatio hielt die trauten Atmosphäre statt, Tamara wirkt «beraber»-Lehrkräfte empfinden die -ge Vizedirektorin des Staatssekretariats für wie eine ältere Schwester. Sie geht auf das knüpften Kontakte zu den Kindern und Migration, Cornelia Lüthy, selber «Secon- Kind ein, nimmt spürbar Anteil. Die Szene ihren Familien als Bereicherung. Nach da» mit spanischen Wurzeln. Da sie täg- verdeutlicht sichtlich, dass ein nahezu pri- ihrer Erfahrung mit den von ihr betreuten lich mit Menschen mit Migrationshinter- vates, entspanntes Unterrichtsklima för- Schülern gefragt, strahlt Studentin Sandra: grund zu tun habe, könne sie nur derlich ist für den Lernerfolg. Besonders «Ich habe einfach zwei coole Menschen bekräftigen, wie wichtig es sei, dass wir für Kinder mit einem anderen kulturellen kennengelernt, die mir sehr ans Herz ge- ihnen unsere Hand reichen. Dies sei ent- Hintergrund. So wie Lorena nutzen derzeit wachsen sind, und das ist auch die Motiva- scheidend, sodass sie auch wirklich bei rund 160 Berner Schülerinnen und Schüler tion, warum ich weitermache.» uns Fuss fassen könnten. zwischen 6 und 18 Jahren das Angebot von «beraber», die Hälfte von ihnen hat einen Self-Empowerment-Projekt Migrationshintergrund. Rund 140 Studie- im doppelten Sinne Der Sozialpreis rende unterrichten und begleiten sie dabei Kurz vor Monatswechsel herrscht im Der Sozialpreis soll nichtburgerliche schulisch. Was vor neun Jahren mit acht «Internetcafé Power-Point» Hochbetrieb. Initiativen in und um Bern würdigen Kindern und Jugendlichen begonnen hat, Schon nur wegen des Abgabetermins beim und einer breiteren Öffentlichkeit ist zu einem Erfolgsprojekt geworden. RAV oder der bevorstehenden Wohnungs- bekannt machen. Das Preisgeld ist für «beraber» ist türkisch und heisst «zusam- übergaben. Hier in einem Untergeschoss- wichtige, handfeste Investitionen men», das Motto lautet Integration durch raum an der Berner Monbijoustrasse sind oder Teilprojekte der Empfänger Bildung. So kann es sogar vorkommen, Erwachsene aus vielen fremden Ländern gedacht.

9 Burgergemeinde Bern Neues Burgerpräsidium

Seine Berufskarriere verbrachte Bernhard Ludwig im Papier. Eine Branche, die es im heutigen digitalen Zeitalter besonders schwer hat. Wie gelang Ludwig der Wechsel ins Präsidium die Burgergemeinde? Und welche Werte sind Burgergemeindevizepräsident Bruno Wild besonders wichtig?

Text: Stefanie Gerber, Bild: Jonas Kambli

ernhard Ludwig und Bruno Wild engagieren sich beide Bseit vielen Jahren für die Burgergemeinde, seit dem 1. Juli bilden sie das neue Präsidium. Für Bernhard Ludwig kam der Start «stotzig». Einerseits musste er als Verwaltungsratspräsident der Papier­fabrik Utzenstorf bekannt geben, dass diese Ende Jahr aus wirtschaftlichen Gründen den Betrieb einstellen muss. Zum andern galt es nach der Amtsübernahme, zahlreiche Persönlich- keiten in- und ausserhalb der Burgergemeinde zu treffen. Für die beiden ist die Burgergemeinde wichtiger Bestandteil von Bern, und das soll auch so bleiben. Die Öffnung der Burger- gemeinde unter den Vorgängern Franz von Graffenried und Rolf Dähler wollen Ludwig und Wild unbedingt weiterführen. Über 40 Jahre lang waren die Tore am Eingang zum Burgerspital ver- schlossen. Nun steht das Haus der gesamten Bevölkerung offen – sinnbildlich für die Öffnung der Burgergemeinde. Eine offene und transparente Kommunikation ist für die Burgergemeinde heute wichtiger denn je. Eine gute Kommuni- kation steigert die Wertschätzung unserer Arbeit und schafft Ver- ständnis für die Burgergemeinde», ist Ludwig überzeugt. «Die Burgergemeinde muss sich dem permanenten Wandel stellen und die Signale von aussen aufnehmen. Sie dient der All- gemeinheit und ist nicht Selbstzweck», so Wild.

Welche Projekte und Themen liegen dem neuen Präsidium besonders am Herzen? Ab 2019 will die Burgergemeinde im Kultur Casino Bern einen integrierten Kultur- und Restaurationsbetrieb betreiben, welchen sie selber führt. «Die betriebliche Änderung erfolgreich umzu- setzen, ist eine grosse Herausforderung», so Ludwig. Ein weiteres Projekt ist die Neuausrichtung des Burgerlichen Jugendwohnheims. Künftig werden die Kinder und Jugendlichen in ihrem familiären Umfeld betreut und nicht mehr im Heim. Zudem sollen Jugendliche stärker in die Burgergemeinde in- tegriert werden. «Wir möchten sie besser fördern, damit sie ein Interesse haben, mitzuwirken», hält Ludwig fest.

10 Bruno Wild und Bernhard Ludwig

11 Zehn Bilder, zwanzig Antworten. Wie ticken der neue Burgergemeindepräsident und sein Vizepräsident? Bernhard Ludwig und Bruno Wild wurden zehn Bilder vorgelegt, die grösstenteils einen besonderen Bezug zu Bern oder seiner Burgergemeinde haben. Die beiden äusserten sich frisch von der Leber weg zu den Sujets, die auf der gegenüberliegenden Seite abgebildet sind.

Bildlegenden: medaillon.bgbern.ch/zehnbilder

BERNHARD LUDWIG (BL): Das präparierte Albino- BL: Ich kann mir gut vorstellen, dass neben Geigen 1 Reh macht einen merkwürdigen Eindruck. Früher 6 und Bratschen künftig auch eine elektrische Gitarre wäre dem einen oder anderen Betrachter die Burger- im Casino Platz findet. gemeinde als Albino-Reh vorgekommen. Das wollen BW: Ich war immer Fan von AC/DC. Selber habe ich wir ändern. es musikalisch aber nicht über die Blockflöte hinaus- BRUNO WILD (BW): Solchen Rehen begegne ich nie, geschafft. wenn ich mit dem Hund auf dem Mont Vully unter- wegs bin, dagegen vielen mit braunem Fell. BL: Ein Plattenspieler und Vinyl: so bin ich aufge- 7 wachsen. BL: Die Burgergemeinde engagiert sich für die Kultur- BW: Habe selber einen alten Lenco-Plattenspieler im 2 förderung, ob jedoch eine Bäredräck-Skulptur einen Keller. Meine Kinder haben ihn wieder in Betrieb Beitrag erhalten würde, ist fraglich. genommen. BW: Weckt bei mir Kindheitserinnerungen. Lakritsi ist in Finnland allgegenwärtig. Ich habe mit meiner BL: Dieser Schlüssel sieht ziemlich alt aus und passt Familie ein Jahr in Finnland verbracht. 8 zur Burgergemeinde. Sofern man mit ihm Neues öffnen kann, wäre das noch spannend. Vielleicht wur- BL: Nicht unbedingt die Fussbekleidung fürs Osterbott. den mit ihm die Tore des heute einladenden Burger- 3 BW: Sind sehr bequem, doch ich hoffe, dass die Bur- spitals geöffnet. gerverwaltung und das Präsidium heute dynamischer BW: Wohl der alte Schlüssel des Burgerspitals, des daherkommen. schönsten Barockgebäudes von Bern. Ich durfte den Umbau begleiten und mitgestalten. BL: Das eine oder andere wird in der Burgergemeinde 4 auch künftig noch schief gehen. Da müssen wir zu- BL: Wohl ein ehemaliges Mitglied der burgerlichen sehen, was wir retten können. 9 Ehrenformation. BW: Einerseits bin ich viel auf dem Murtensee unter- BW: Der hatte nicht denselben Barbier wie ich. Auch wegs und froh, keinen Gebrauch von ihm machen zu dürfen wir heute etwas optimistischer als er in die müssen. Andererseits ist er für mich Symbol unseres Zukunft blicken. sozialen Engagements. Man soll den Rettungsring nur auswerfen, wenn er auch dringend benötigt wird. BL: Auf diesem Helm prangt die Silhouette von Bern. 10 Er gehört wohl dem SCB-Goalie. Mich freut, dass der BL: Frauenpower! Davon können wir in der Burger- Klub Schweizermeister wurde. Doch Spitzensport ist 5 gemeinde noch mehr gebrauchen. für die Burgergemeinde kein prioritäres Thema. BW: Der Jugendpreis! Für mich einer der Höhepunkte BW: Der SCB begleitet und fasziniert mich seit mei- im burgerlichen Kalender. Mir ist sehr wichtig, unser ner Kindheit, zumal ich in Nähe des Stadions auf- Engagement für die Jugend noch zu verstärken. gewachsen bin. Ein Goalie-Helm – ihre Träger, von Tosio, Bührer bis Genoni, besassen in Bern immer schon Legendenstatus.

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13 Berufsporträts Künstlerische Energien, ­besondere Porträts und kreative Banker

Die Burgergemeinde Bern beschäftigt in ihren Insti­ tutionen und Verwaltungsabteilungen 502 Mitarbeite- rinnen und Mitarbeiter in über 30 Berufsgattungen. Zudem bildet sie 30 Jugendliche aus. Drei Mitarbeiten- de der Burgergemeinde geben Einblick in ihren Tagsablauf.

Text: Julia Marzoner, Bilder: zVg und Martin Grassl Weitere Berufsporträts: www.medaillon.bgbern.ch/berufsportraets

Nik Leuenberger Nachwuchs war unterwegs. Also kündigte Leuenberger ins Kultur Casino bringen, Der neue Kapellmeister des Casinos Leuenberger seine Stelle im Casinotheater damit ein ebenso bunt gemischtes Publi- Winterthur und zügelte endlich in seine kum auf seine kulturellen Kosten kommt. ik Leuenberger hat gerade rich- Wunschstadt Bern. Weil die Arbeit im Ntig viel zu tun. Als neuer Kultur- Kultur Casino eine Teilzeitstelle ist, bleibt verantwortlicher des Kultur Casinos Bern nebenher auch noch viel Zeit für entspann- Stephanie Gropp ist er ständig auf der Suche nach frischen te Stadtspaziergänge und Familienausflüge. Eine Bildersammlung zum Ideen für das Veranstaltungskonzept, das Leuenberger geniesst es, in Bern zu arbei- ­Schmökern ab Herbst 2019 anlaufen wird. Deshalb ist ten. Er hatte immer schon einen starken er gerade überall dort, wo die kreativen Bezug zur Hauptstadt, obwohl er bereits b alte Landkarten, Stadtansich- Köpfe der Berner Szene zusammenkom- vielerorts zwischen Genf und St. Gallen Oten von früher oder Porträts von men, sei das im Progr, im Stadttheater oder Berner Persönlichkeiten – die Grafische im Rössli. Dabei er lässt sich von den künst- Sammlung, das Fotoarchiv und die Ge- lerischen Energien inspirieren, die dort he- Weil die Arbeit im mälde der Burgerbibliothek beherbergen rumschwirren. Aus einem grossen Bündel eine Vielfalt von historischen Bilddoku- rohen Ideenmaterials schmiedet er kon- Kultur Casino eine Teilzeitstelle menten. Die Kunsthistorikerin Stephanie krete Projekte, die dereinst ein breites ist, bleibt nebenher auch Gropp leitet seit September 2016 diese Publikum ins Kultur Casino locken sollen. Sammlung, welche auch fast vollständig Zwischendurch muss er die Zukunftspläne noch viel Zeit für entspannte im Online-Archivkatalog der Burgerbib- auch mal kurz beiseite legen und an das Stadtspaziergänge liothek zugänglich ist. Die Digitalisierung Hier und Jetzt denken, nämlich an die ge- der Bestände dient ausserdem dazu, die rade stattfindenden Umbauarbeiten: Wel- und Familienausflüge.­ fragilen Werke vor dem frühzeitigen Ver- che Anschlüsse, Anlagen und Installatio- fall zu schützen, weil sie dadurch nicht nen müssen eingeplant werden, und weiss immer physisch konsultiert werden müs- das Bauteam über die neuesten Entwick- gelebt hat. Bern war dabei stets in seinem sen. Gropp schätzt sehr, dass es sich die lungen Bescheid? Mitten in diesem Trubel Hinterkopf, hier verbrachte er jahrelang Burgerbibliothek zur Aufgabe gemacht bleibt Leuenberger aber entspannt, ganz seine Wochenenden. An der Stadt gefällt hat, der Öffentlichkeit den Zugang zur im Sinne des unbeschwerten Berner Rhyth- ihm der gemütliche Groove, der hohe Le- Sammlung auf digitalem Weg zu ermög- mus. Wie ein talentierter Kapellmeister bensstandard und die wunderschöne Alt- lichen. Damit lässt sich etwa seit neues- führt er die unterschiedlichen Ideenele- stadt. Am spannendsten findet er aber die tem die bedeutende Sammlung Berner mente zu einem stimmigen Gesamtkon- sehr bunte Kulturszene, die Bern zu bieten Porträts der Burgerbibliothek sowie eine zept zusammen, damit sie ab 2019 wie ein hat. Sie umfasst eine spannende Mischung einzigartige Dokumentation zu Porträts in prächtiges Orchester zusammenspielen. aus Grossveranstaltungen, alternativen fremden Besitz online recherchieren. Da- Vor zwei Jahren wollte er seine Familie Events und spontanen Acts. Und eben bei kommen Darstellungen von Berner mehr in den Vordergrund rücken, denn dieses bernische Sammelsurium möchte Persönlichkeiten des 17. bis 19. Jahrhun-

14 derts ans Licht, die sonst in privaten Wohn- Porträt fällt, fragt sie sich oft, was für ein nichts für ihn gewesen, meint Schweizer, zimmern hängen. Sowohl Wissenschaft- Mensch die abgebildete Person wohl ge- zu anonym würden Mitarbeiter und Kun- ler als auch interessierte Privatpersonen wesen ist. Besonders anhand der Bildnisse den behandelt, zu gross und unübersicht- kommen in den Haller-Saal, um die Be- des 19. und 20. Jahrhunderts lassen sich lich sei der Betrieb gewesen. Bei der DC stände zu konsultieren. Die Burgerbib­ gewisse Charakterzüge erahnen. Das Ab- Bank hingegen erfahre er mit seinen Ideen liothek bietet mit ihrer facettenreichen bild der Enkelin Theodor Kochers deutet Wertschätzung, und auch Verbesserungs- Sammlung zentrale Informationsquellen für Gropp etwa auf eine fröhliche und wil- vorschläge werden gern entgegengenom- für die Forschung zur Berner Geschichte. lensstarke Persönlichkeit hin. Mit jedem men. Schweizer sieht sich selbst als rast- Einen grossen Teil ihrer Arbeit macht neu erfassten Porträt erschliesst sich so losen Menschen, der am liebsten an allen die Annahme von Neuzugängen aus, spe- für sie auch immer wieder eine neue Welt. Schräubchen dreht, etwa auch, um Be- ziell die damit verbundenen Recherchen triebsabläufe zu optimieren. und die Katalogisierung der Bilddoku- mente. Zahlreiche Werke stammen aus Pascal Schweizer Mit Anzug, Kaffee und Begeisterung Wenn ihr Blick auf in typischer Arbeitstag beginnt ein Porträt fällt, fragt sie Efür Pascal Schweizer mit einem sich oft, was für ein Kaffee morgens um sieben Uhr, denn ohne läuft nichts. Dann stürzt er sich tatendurs- Mensch die abgebildete Person tig in seine Arbeit bei der DC Bank. Er wohl gewesen ist. bereitet sich auf Kundengespräche vor, trifft Klienten und heckt für sie massge- schneiderte Lösungskonzepte aus. Das Ziel hat Schweizer dabei immer vor Augen: Vor- und Nachlässen von Berner Künst- den Erwartungen der Kunden zu entspre- lern. Diese «Erbschaften» beinhalten ne- chen und ihnen ein optimales Ergebnis zu ben den künstlerischen Arbeiten auch pri- liefern. Dazu kommen noch interne Sit- vate Zeugnisse, die Einblicke in das Leben zungen und telefonische Anfragen, dann eines Malers, Grafikers oder Fotografen ist gegen 18 Uhr Schluss. Mit einem rau- geben. Diesen Blick hinter die Kulissen chenden Kopf und einem zufriedenen Lä- von Kunstwerken empfindet Stephanie cheln setzt er sich dann nach Feierabend Gropp als einen der spannendsten Aspek- in den Bus ins Liebefeld. te ihrer Arbeit. Wenn ihr Blick auf ein Schweizer fühlt sich sichtlich wohl in seinem Arbeitsumfeld und erzählt mit Begeisterung von seiner Arbeit in der Bank. Der Bernburger ist tief verwurzelt in der Eigentlich wollte er Designer oder Burgergemeinde und stolz auf die Werte, Grafiker werden, denn als Kind habe er für welche die burgerliche Bank steht: so- ständig gezeichnet. Aber sein Talent hätte lid, bernisch und langfristig. Vor allem für eine Karriere nicht gereicht, und des- durch diese unterscheidet sich seiner Mei- halb habe er sich nach einem Bürojob um- nung nach die DC Bank von anderen gesehen. Auf der Berufs- und Ausbildungs- Geldinstituten. Nach seiner Lehre bei der messe imponierten ihm die coolen Jungs in burgerlichen Bank arbeitete er ein Jahr den schnittigen Anzügen, die ihn schnell lang für eine Grossbank. Dies sei jedoch zu einer Banklehre überreden konnten. Damit hatte Schweizer seinen Traumberuf gefunden. Die Arbeit beschert ihm engen Schweizer sieht sich Kontakt mit Kunden, vielseitige Aufgaben- stellungen und täglich neue Herausforde- selbst als rastlosen Menschen, rungen. Ausserdem habe er sich ein gutes der gerne an allen Grundlagenwissen über Vorsorgen, Finan- zieren und Sparen angeeignet, das ihm als ­Schräubchen dreht, etwa auch, Privatmensch von Nutzen ist. Seine kreati- um Betriebsabläufe zu ve Seite tobt Schweizer mittlerweile nicht mehr mit Zeichnen aus, sondern, wenn er optimieren. aus Banknoten Origamifiguren faltet.

15 Zeitgeschichte

Am 22. Juni 1968 staunten in Bern viele beim samstägli- «1968 Schweiz» chen Gang über den Markt: Zuoberst auf dem Münsterturm flatterte eine grosse Fahne im Wind, und es war offensicht- Text: Jakob Messerli, Direktor Bernisches Historisches Museum; lich keine Schweizer Flagge. Sie war blau-rot, auf ihr Bild: KEYSTONE/Photopress-Archiv; prangte ein goldener Stern. Jugendliche hatten die Flagge Text mit Bildergalerie: medaillon.bgbern.ch/1968schweiz Weitere Informationen: www.bhm.ch/1968 der vietnamesischen Befreiungsfront in der Nacht an der Turmspitze angebracht. Die, in den Worten der Polizei, «alpinistische Meisterleistung» war Auftakt zum nationalen Vietnamtag, an dem in Bern einige hundert, meist junge Menschen gegen den Vietnamkrieg demonstrierten. Am Montag titelte das Berner Tagblatt «Kundgebung zum Vietnamtag: beginnt auch in Bern die Revolution?»

um 50-jährigen Jubiläum von 1968 blickt das Bernische Unterschiedliche Sichtweisen ZHistorische Museum auf die späten 1960er- und frühen Mit «1968 Schweiz» rückt das Bernische Historische Museum 1970er-Jahre zurück und widmet den damaligen Ereignissen und ein zeitgeschichtliches Thema in den Fokus, das im historischen ihren Folgen unter dem Titel «1968 Schweiz» eine grosse Wech- Bewusstsein noch wenig gefestigt ist, und zu dem noch kaum selausstellung. Der Widerstand gegen den Vietnamkrieg war eine nationale Erinnerungskultur existiert. Die Ausstellung gibt zwar weltweit ein Anliegen der rebellierenden jungen Generati- ­einen Überblick über die bewegten Jahre am Ende der 1960er- on, diese verfolgte aber eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Zie- und zu Beginn der 1970er-Jahre und fragt, was heute in Politik, le. Die Revolution jedoch gehörte nur für eine Minderheit dazu. Kultur und Alltag auf diese Zeit zurückgeht: Hat die 68er-Bewe- Die Ausstellung konzentriert sich auf die Ereignisse und Ent- gung die Schweiz linker gemacht oder ist 1968 gar die Geburts- wicklungen in der Schweiz, wobei Bern prominent vertreten ist. stunde der neuen Rechten? Ist die heutige Schweiz demokrati- scher als vor fünfzig Jahren? Welche gesellschaftlichen Errun-­­ Prosperität und Enge gen­schaften haben wir den 68ern zu verdanken und welche pro- Die 1950er- und 1960er-Jahre sind in der Schweiz von einem blematischen Aspekte gehen mit den damaligen Tabubrüchen eigen­tümlichen Gegensatz geprägt: Einerseits wächst die Wirt- einher? Hat der damals propagierte Individualismus heute auch schaft kontinuierlich, die materiellen Lebensbedingungen ver- seine Schattenseiten? bessern sich für viele. Fortschritt und Wachstum heissen die Devisen, alles scheint machbar. Andererseits hat die «Geistige Zeitzeugen Landesverteidigung» den Krieg überdauert und prägt die Gesell- Die Ausstellung «1968 Schweiz» lässt 16 Akteurinnen und Ak- schaft zusammen mit traditionellen Normen und Werten. Das teure von damals von ihrem 1968 erzählen. Und sie lässt sie kri- Zusammenleben ohne Trauschein ist verboten, Homosexuelle tisch zurückblicken. Für sie kommt die Deutung der Folgen von werden polizeilich registriert, Männer mit langen Haaren in Res­ 1968 einer Lebensbilanz gleich: Was bleibt? Hat der Aufbruch die taurants nicht bedient, und Frauen haben keine politischen erhofften Folgen gebracht? Für sie persönlich? Für die Gesell- Rechte. Die Enge der Nachkriegszeit ist vielen unerträglich. schaft? Haben sich ihr Kampf, ihr Aufbegehren und ihr Engage- ment gelohnt? Aufbruch Die 68er lehnen sich gegen diese Enge, gegen überkommene Au- Die Meinung der Besucherinnen und Besucher toritäten und überholte Werte auf und setzen sich für Selbstbe- Die bewegten Jahre um 1968 markieren gleichsam den letzten stimmung, Gleichberechtigung von Mann und Frau, soziale Ge- utopischen Moment in der jüngeren Schweizer Geschichte. Seit- rechtigkeit und solidarisches Handeln ein. Sie tun dies mit her gab es keine (Jugend-)Bewegungen mehr, welche die Gesell- unterschiedlichen Formen von Protest und Widerstand wie etwa schaft – die Politik, die Kultur, das alltägliche Verhalten – in ih- Demonstrationen, Sit-ins, Strassentheater oder symbolischen ren Grundfesten verändern wollten. Die Ausstellung befragt Aktionen wie der erwähnten Hissung der Vietcong-Fahne auf deshalb zum Schluss auch ihre Besucherinnen und Besucher: dem Münsterturm. So verschieden die jeweiligen konkreten An- Braucht es heute keine Veränderung mehr? Und falls doch: Wo- liegen auch sind, die Opposition gegenüber dem Bestehenden für würden Sie heute, 50 Jahre später, auf die Strasse gehen oder und dem Establishment eint die rebellische Generation. sich einsetzen?

16 Jugendliche demonstrieren am 22. Juni 1968 in Bern.

17 Mio. aus. Dieses gegenüber dem Budget Abstimmung 2017 (Rechnungsüberschuss von rund CHF 9,9 Mio.) bessere ordentliche Ergeb- Kurzinformation über die nis ist grösstenteils auf die höheren Ent- ­aktuellen Abstimmungsvorlagen gelte zurückzuführen. Diese resultieren primär aus der Tätigkeit des Forstbetriebs, da die Produktion von Holzschnitzeln und Das burgerliche Stimmvolk wählt im Dezember je Schnittwaren voraussichtlich stark gestei- ein neues Mitglied in den Grossen und den Kleinen gert wird. Weiter wird durch die Inbetrieb- Burgerrat. Zudem entscheidet es über die Aufnahme nahme von neuen eigenen Wärmever- von 32 Personen in das Burgerrecht und zwei bundanlagen der Umsatz des Geschäfts- Vorlagen: Übernahme der Sozialhilfeaufgaben der bereichs Forstunternehmung zusätzlich Zunft zu Webern sowie das Budget 2018. gesteigert. Obschon die Entgelte zuneh- Text: Stefanie Gerber; Bild: Burgerbibliothek men, wird gegenüber dem Vorjahresbud- get mit rückläufigen Personal- und Sach- aufwänden gerechnet. Diese Rückgänge sind v. a. durch die Schliessung des Kul- tur Casinos in der Umbauzeit begründet. Markant ist der Rückgang der Ab- schreibungen gegenüber der Rechnung 2016. Der Grund liegt in der Einführung er 44-jährige Ökonom Christian Übertragung der Aufgaben und die dafür von HRM2 auf den 01.01.2017. Die Umstel- DBeck wird als Folge der Wahl von erforderlichen ­finanziellen Mittel werden lung auf die neue Abschreibungspraxis Bruno Wild zum Burgergemeindevizeprä- den burgerlichen Stimmberechtigten zur führt in einer Übergangszeit dazu, dass im sidenten für den Kleinen Burgerrat vorge- Genehmi­gung unterbreitet. Vergleich zur Vergangenheit tiefere Ab- schlagen. Für den freiwerdenden Sitz von schreibungen anfallen werden. Der Subs- Christian Beck im Grossen Burgerrat wird Vorlage 2: Budget 2018 tanzindex wird bis Ende 2018 voraussicht- der 53-jährige Rechtsanwalt Martin Moser Das Budget 2018 weist einen ordentlichen lich um 3,48 Prozentpunkte gegenüber zur Wahl vorgeschlagen. Rechnungsüberschuss von rund CHF 11,9 dem Vorjahr sinken.

Vorlage 1: Übernahme der Sozial­ hilfeaufgaben der Zunft zu Webern Die Zunft zu Webern ist ebenso wie alle an- deren Gesellschaften und Zünfte der Stadt Bern sowie die Burgergemeinde Bern eine gemeinderechtliche Körperschaft im Sinne des kantonalen Gemeindegesetzes. Der Zunft zu Webern obliegen gesetzliche Ver- pflichtungen in den Bereichen der öffentli- chen Sozialhilfe und des Kindes- und Er- wachsenenschutzes, welche sie zugunsten ihrer Zunftangehörigen wahrnimmt. Seit dem Jahr 2000 haben die Aufwendungen für diese Verpflichtungen die finanziellen Möglichkeiten der Zunft zu Webern über- stiegen. Im Sinne einer nachhaltigen Lö- sung sollen deshalb die Aufgaben in der öffentlichen Sozialhilfe und im Kindes- und Erwachsenenschutz sowie deren Fi- nanzierung an die Burgergemeinde Bern übertragen werden. Aufgrund von Erfah- rungswerten dürften der Burgergemeinde zur Deckung der neuen Aufgaben jährli- che Kosten in der Grössenordnung von CHF 250 000 erwachsen; höhere Kosten können nicht ausgeschlossen werden. Die Das Zunfthaus zu Webern an der

18 Kultur Ins Kultur Casino surfen

Das Kultur Casino Bern wird derzeit umfassend renoviert und bleibt bis im Spätsommer 2019 geschlossen. Trotzdem stehen die Türen des Kultur- und Eventorts offen, zumindest in digitaler Form. Dank des laufend aktualisierten Kultur Casino-Blogs kann nämlich während der Umgestaltung hinter die Kulissen geschaut werden. Die Band­breite der Beiträge des Blogs reicht von Archivbildern aus dem 19. Jahrhundert bis zu aktuellen Drohnenflugauf­nahmen, zum Beispiel, wenn Ivo Adam mitten auf dem Bielersee einen potentiellen Lieferanten besucht.

Text: Roman Tschäppeler und Martin Grassl; Bild: zVg Text mit Bildgalerie: medaillon.bgbern.ch/casinoblog Weitere Informationen: www.kulturcasino.ch

Künftig gibt es auch auf der Casino-Karte heimischen Fisch vom Bielersee.

Uhr 30» seufzt Ivo Adam. Dann Aber auch Menschen im Hintergrund Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen: «5macht er sich noch vor Sonnen- kommen zu Wort. So erfährt man vom Der Kultur Casino-Blog gewährt in aufgang mit dem Motorboot auf die Suche Leiter des archäologischen Dienstes, ob bei diversen Posts einen Blick hinter die nach Christian Dubler, einem jungen Be- den Aushubarbeiten Überraschendes zu- Kulissen, siehe untenstehend aufge- rufsfischer aus Lüscherz, der auf dem See tage gekommen ist, oder die Praktikantin führte zwei Themen: seine Netze einholt. Adam will von Dubler Bianca Thomann erzählt von der aufwändi- erfahren, ob man nach Wiedereröffnung gen Inventarisierung des Kleinmaterials für Angus–Tatar von der Insel fürs des Kultur Casinos im kulinarischen Be- den Ausverkauf vor Baubeginn. Natürlich Berner Casino: Christine und Markus reich zusammenspannen könnte. gibt es auch Staubiges: Monatlich postet Schumacher pachten von der Burger- So beginnt ein Video auf dem Kultur Stephan Horisberger, Leiter Unterhalt und gemeinde Bern den Landwirtschafts­ Casino-Blog. Die Zuschauerinnen und Zu­- Technik, das «Baustellenbild des Monats». betrieb auf der St. Petersinsel und schauer sind dabei, während Christian «Wir sind alle beim Magazin invol- konzentrieren sich neben der Aufzucht Dubler seinem Handwerk nachgeht. Die viert», meint Ivo Adam. «Mit dem Blog von Geissen und Hühnern vor allem stimmungsvollen Szenen machen Appetit. möchten wir zwei Dinge erreichen: Burger auf Angus Rinder. Auf einem der vermut- Man freut sich, dereinst im Kultur Casino und Bürger über den Umbau informieren. lich schönsten Flecken der Schweiz, laut auch einfache Hochgenüsse wie Felchen Aber auch eine eigene Sprache entwickeln Ivo Adam «sogar der Welt…» weiden vom Bielersee serviert zu bekommen. Du- und neue Ausdrucksformen testen, etwa ei- 35 Kühe und ein «Muni». bler erklärt, dass heimischer Fisch nur dank nen Baustellen-Fondue-Talk in 360-Grad- aktiver Seebewirtschaftung gefangen wer- Ansicht.» Das Kultur Casino Bern am neuen den kann. Letztes Jahr wurden im Bielersee Standort: Das erste Casino war 1821 über 80 Millionen Kleinstfische zur Auf- Gekommen um zu verschwinden erbaut und 1895 abgebrochen worden, zucht ausgesetzt. Ansonsten könnte kein Das Magazin ist ein Pop-Up-Projekt. Mit um Platz für das heutige Bundeshaus Restaurant mehr auf die Tafel schreiben: Eröffnung das Casinos im Spätsommer zu schaffen. Für einige Jahre kamen «Heute frische Felchen aus der Region». 2019 weicht der Blog einer neuen Angebots- die Musiker im Haus der Museumsge- Das Online-Magazin zum Umbau und seite. Bestehen bleibt aber dank des Blogs sellschaft, dem heutigen Berner-­ zur Neuausrichtung des Casinos porträ- eine gestärkte Publikumsbindung. «Nebst Kantonalbank-Gebäude am Bundes- tiert in weiteren Videobeiträgen Personen, wertvollen Erfahrungen beim Produzieren platz, unter, was aber keine Lösung auf welche das Gesamtprojekt prägen. So gibt von aktuellen Inhalten wie Videos, graben Dauer sein konnte. Jahrelang bestand etwa Nik Leuenberger, Kulturverantwort- wir auch in der Geschichte des Hauses», die Idee für einen Neubau auf der licher des Kultur Casinos Bern, erste Ein- meint Adam und verweist auf die historisch kleinen Schanze, fast die gesamte blicke ins kommende Veranstaltungskon- spannende Serie «Aus den Archiven». Für heutige Grün­anlage wäre überbaut zept, oder Hans Traffelet und Markus diese Beiträge sucht der Historiker Bene- worden. Dann aber eröffnete sich eine Tschantré, beides Mitglieder der Kommis- dikt Meyer in der Burgerbibliothek Bern ganz andere weit, attraktivere Mög­ sion des Kultur Casinos, erzählen von ih- nach fotografischen und anekdotischen lichkeit: der Standort der alten Hoch- ren Rollen im Jahrhundertprojekt. Schätzen rund um den Casinoplatz. schule am Ende der .

19 Nachruf Adel ha, heisst sech la bruuche

Diese bekannte Sentenz des bernischen Dichters Rudolf von Tavel könnte man über das Leben und reiche Wirken des am 25. August dieses Jahres in hohem Alter in der Berner Altstadt entschlafenen Fürsprechers Rudolf von Fischer setzen.

Text: J. Harald Wäber; Bild: Burgerbibliothek Bern Text: medaillon.bgbern.ch/rudolfvfischer

Die Präsidentschaft von Rudolf von Fischer war von Dynamik geprägt.

n eine der ältesten Stadtberner Fa- Sehr wichtig war ihm, der sich nach renovieren und der Öffentlichkeit für kul- Imilien geboren, war ihm seine pri- seinem Studium in Wien zum Sänger aus- turelle Anlässe zu öffnen. vilegierte Genealogie nie Selbstzweck, son- bilden liess, die Musikwelt. Der grosse Gemäss der Tradition des gelebten dern Verpflichtung in der Gegenwart. Sie Opernfreund und eifrige Konzertbesucher Christentums, die in einem Teil des ber- machte ihn zur Ausnahmeerscheinung mit verfügte in diesem Bereich über stupende nischen Patriziats verankert war, bestand philanthropischem und mäzenatischem Kenntnisse, die sogar international tätige eine enge Verbindung Rudolf von Fischers Flair. Sein vielfältiges Schaffen hat in der Berufsmusiker verblüfften. Es lag daher zur reformierten Kirche, der er bis in die Aarestadt und darüber hinaus wichtige nahe, ihn zum Präsidenten der Bernischen höchsten Ränge diente. Die Leiter führte Spuren hinterlassen, an die man an dieser vom Präsidium des Kirchgemeinderates Stelle dankbar erinnern darf. der Münstergemeinde über den Kleinen Da ist einmal der Einsatz für die Bur- Ausnahmeerscheinung­ Kirchenrat der Gesamtkirchgemeinde und gergemeinde Bern zu nennen, die er nach das Präsidium der Bernischen kantonalen dem üblichen «cursus honorum» in den mit philanthropischem und Synode zur Mitgliedschaft im Vorstand burgerlichen Räten von 1991 bis 1997 auf mäzenatischem Flair. des Schweizerischen Evangelischen Kir- durchaus grandseigneurale Weise präsi- chenbundes, wo er überall engagierte, dierte. Es waren dynamische Jahre mit oekumenisch orientierte Arbeit leistete. nicht wenigen markanten Erfolgen, von Musikgesellschaft zu ernennen. Mit Hilfe Im persönlichen Verkehr mit dem denen nur der grosse Festumzug des Jubi- einer Fusion mit dem Bernischen Orches- hochgebildeten Rudolf von Fischer wa- läumsjahrs BE 800, die ersten Vergabun- terverein, aus der das Bernische Sympho- ren nicht nur seine Freundlichkeit, sein gen des burgerlichen Jugendpreises, die nieorchester entstand, und der Verpflich- Charme und der Humor des glänzenden Grundsteinlegung zum Erweiterungsbau tung bedeutender Dirigenten führte er das Redners, sondern auch sein Dialekt beson- des Naturhistorischen Museums, die Ver- Musikschaffen der Bundesstadt zuHöhe - ders angenehm. Er sprach als einer der einbarung zur Schaffung eines Paul-Klee- punkten. Letzten noch in reiner Form das gepflegte Museums, die Sanierung der Liegenschaft Auch die Architektur fand sein gros­ Stadtberndeutsch und bleibt unvergessen «», aber auch die erste Einbur- ses Interesse. Er war einer der Ersten, der als Vorleser aus Rudolf von Tavels Werken. gerung einer jüdischen Familie genannt den künstlerischen Wert des während In den Lauben der Altstadt fehlt ins- seien. langer Zeit verachteten Historismus er- künftig die elegante, kerzengerade schrei- Im Zusammenhang mit der burgerli- fasste. So konnte er auch vom Gast zum tende Persönlichkeit mit Krawatte und chen Laufbahn und darüber hinaus wur- Retter des gefährdeten Hotels Giessbach Hut, die Bekannte stets freundlich lächelnd den an Rudolf von Fischer zahlreiche Mit- am Brienzersee­ werden, unterstützt vom und chevaleresk grüsste. Die Freunde des gliedschaften in Behörden, Kommissionen bekannten Umweltschützer Franz Weber. Verstorbenen müssen inskünftig ohne und Stiftungen angetragen, wobei er sich Die Campagne Oberried in Belp, ein geistvolle Stunden im vornehmen Heim gemäss seinen Interessen besonders gerne ehemaliger Sitz seiner Familie, vermochte an der auskommen. Und der Stuhl in musisch-kulturellen, sozialen und kirch- er zudem mit Hilfe der Stiftung der Fami- des regelmässigen Kirchgängers im Müns- lichen Organisationen engagierte. lie von Fischer und der Denkmalpflege zu ter ist verwaist.

20 Kulturtipp Von der Burgergemeinde Bern unterstützte Projekte

I Made You A Tape Proud and Young Jürg Halter: «Mondkreisläufer»,

Label: Blaublau Records Der gesunde Menschenversand Weitere Informationen: www.imadeyouatape.be Jürg Halter hat «Mondkreisläufer» ursprünglich als Theaterstück geschrieben. Jetzt hat er den Theatertext weiterentwickelt und in einen schillernden Prosatext verwandelt. Im Grenzgebiet zwischen Vernunft und Wahnsinn setzt Halter einen namenlosen Protagonisten aus und schickt ihn auf die Suche nach einer ersehnten Die Präsidentschaft von Rudolf von Fischer war von Dynamik geprägt. Mutter, die sich auf dem Mond befinden soll. Dabei drängt er den ie Berner Rockband I Made Leser, dem unablässig Sprechen- DYou A Tape hat mit «Proud den zu folgen und mit ihm und and Young» ein kühnes erstes Studio- anderen eine neue Gemeinschaft album eingespielt. Stolz und jung? Ist zu begründen. das nicht der Gemütszustand über- heblicher Kids, die ihre schicken Klamotten in schmuddeligen Clubs vorführen? Die, welche am Sonntag- morgen nicht mehr wissen, was in der Nacht zuvor passiert ist, und das dann toll finden? «Proud and Young» also: Diesen Namen hat sich das Rockquartett I Made You A Tape für ihr Album ausgesucht. Der Titel aber ist eine Falle. Da wird nicht etwa besungen, wofür die Jugend nichts leisten musste: ihr erst unverschämt kurzes Dasein auf diesem Planeten und die damit verbundenen Privile- gien. Nein, diese Musik bespielt den Abgesang auf den Kontrollverlust im Halbdunkeln. Da tönen weit ausholende Gitarren (Niklaus Hostettler), retroromantische Elektronika (Sibill Urweider), hochtrabendes Schlagzeugspiel (Mirko Schwab), bleischwere Bass- Walter Däpp: «Langsam pressiere», linien (Belinda Arestegui) und viele, viele Halleffekte. Verlag Tatsächlich hat alles mit Kassettenaufnahmen begonnen, damals im Jahr 2014. Mit Walter Däpps berndeutsche aufwendiger Instrumentierung stellte sich diese Band auf die Bühne, um die grossen ‹Radio SRF 1 Morgegschichte› sind Rockgesten anzusteuern – ein für unsere minimalistische Laptopmusik-Zeit selten sinnige und stimmige Alltags­ gewordenes Phänomen. Die Folge der musikalischen Geschäftigkeit ist dieses Studio- beobachtungen, die dazu animie- album, welches mit Unterstützung der Produzenten Stefan Allemann (Death by Choco- ren, mit (selbst-)kritischem late) und Michael Galluser (Stahlberger, Lord Kesseli & The Drums) eingespielt wurde. ­Schmunzeln über den gewohnten Sich dieses Album anzuhören, bedeutet auch, in einen Topf voller Desillusion zu Alltagstrott zu sinnieren – und fallen. Und wo diese herrscht, sind Referenzen an die musikalische Kälte der 80er- beim Weitertrotten dann vielleicht Jahre selten fern. I Made You A Tape zitieren sie mit analogen Synthesizern und Sibill ein bisschen langsamer als Urweiders Stimme, die in verzweifeltem Sopran singt: «Ich bin so verdammt jung, dass ­gewohntzu «z'pressiere». es wehtut!». Auch der Grunge findet seinen Weg (Just A Word) in das Liedgut der Band. Da gibt es harte Gitarren, die in der Popmusik selten geworden sind. Unschuldige Kinderlieder-Akkorde («Shards») folgen auf böse Schläge und hässige Gitarren («One- Way Mirror»). Woher kommt die Melan- zur autorin cholie? Ist das Wohlstandsverwahrlosung? Milena Krstic macht Falls ja, tönt sie unverschämt gut. Es ist die Musik und schreibt Musik einer uneitlen Jugend, die nichts als freie Journalistin weniger im Sinn hat, als die Welt zu er- u.a. für den Bund. obern. Allen Zweifeln zum Trotz.

21 Agenda

Weihnachtsbaumverkauf 2017 24. & 25. November 2017, 21.00 Uhr 26. – 30. Dezember 2017, bei den Forsthäusern und (Sa. 19.30 Uhr) jeweils ab 21.00 Uhr im Innenhof des Burgerspitals BURGERGEMEINDE BERN NATURHISTORISCHES MUSEUM BERN Forsthaus Grauholz Grauholzstrasse 1, 3065 Bolligen «Burgerbar Bern» «Die Bar der toten Tiere» 15. – 17. November Aller guten Dinge sind fünf. Die Bar 13:30 – 16 Uhr Die Burgerbar steht im Zeichen der der toten Tiere geht in die fünfte 18. November Jugend und ist auf Initiative junger Saison. An fünf Abenden hinterein- 09 – 15 Uhr Burgerinnen und Burger entstanden. ander in der Altjahreswoche. Die 20. November – 16. Dezember Im Kellergewölbe des Berner wildeste Bar der Stadt wartet wieder (Mo u. Di.-morgen geschlossen) GenerationenHauses überrascht die mit guten Drinks und einzigartiger 09 – 11:30 / 13:30 – 17 Uhr Burgerbar mit lokalen Tastings, Atmosphäre auf. Jeden Abend mit Sa: 09 – 16 Uhr Getränken und Kunst. Auch Nichtbur- einem besonderen Rahmenpro- 18. – 22. Dezember gerinnen und -burger sind herzlich gramm. 09 – 11:30 / 13:30 – 17 Uhr willkommen. Bernastrasse 15, 3005 Bern 23. Dezember Gewölbekeller, 2, www.nmbe.ch 09 – 16 Uhr 3011 Bern www.burgerbarbern.ch Forstzentrum Bremgartenwald Halenstrasse 10, 3012 Bern 14. Februar 2018, 16.30 Uhr 01. – 02. Dezember 08. – 09. Dezember 25. Dezember 2017, 10.00 Uhr DER BURGERSPITTEL 13. – 23. Dezember (So geschl.) 09 – 17 Uhr BURGERGEMEINDE BERN «Vernissage Ausstellung «Weihnachten mit Mumprecht ‹Bild-Wort- Forsthaus Schermen Papiermühlestrasse 122, 3063 Bern ­Abendmahl» Klang›» 16. Dezember 08 – 12 Uhr Pfarrerin Marianne Bartlome-Michel, In Zusammenarbeit mit dem Atelier Predigt; Christine Brechbühl, Orgel. 1+1 zeigt der Burgerspittel eine Forsthaus Heitern Spittelkapelle, Bahnhofplatz 2, Retrospektive des Berner Künstlers Heitern 476, 3176 Neuenegg 3011 Bern Rudolf Mumprecht. Er geht seit 16. Dezember www.begh.ch vielen Jahren eigenständig seinen 08 – 14 Uhr Weg, ungeachtet der Entwicklungen und Trends der Kunstszene. Die Burgerspital Ausstellung dauert bis 10. Mai 2018. Bahnhofplatz 2, 3011 Bern Viererfeldweg 7, 3012 Bern 09. Dezember www.derburgerspittel.ch 09 – 16 Uhr 16. Dezember 10 – 17 Uhr

22 Hohe Geburtstage Mai bis November 2017

102 Frau Frieda Wilhelmi, Gesellschaft zu Kaufleuten 101 Frau Denise Küpfer, Zunft zu Webern

Frau Alexandrine Steiger, Gesellschaft zu Ober-Gerwern

Frau Nina Feuz, Gesellschaft zu Schuhmachern

Frau Margaretha Aebi, Gesellschaft zu Kaufleuten 95 Frau Gertrud Griscom, 100 Zunftgesellschaft zum Affen Frau Annemarie Hofer, Frau Veronika Zuckschwerdt, Gesellschaft zu Kaufleuten Zunftgesellschaft zu Schmieden

Frau Vreneli Dasen, Frau Isabelle von Wattenwyl, Zunftgesellschaft zu Schmieden Gesellschaft zu Pfistern

Frau Hedwig Gränicher, Frau Rosalie Müller, Zunftgesellschaft zu Metzgern Gesellschaft zu Mittellöwen

Frau Marlise Gisiger, Zunftgesellschaft zum Affen

Frau Hedwig Glättli, Zunftgesellschaft zu Schmieden

Frau Anna Baumgartner, Gesellschaft zu Kaufleuten

Frau Emma Bush, Gesellschaft zu Kaufleuten

Frau Margarita von Graffenried, Gesellschaft zu Pfistern

Frau Verena Brönnimann, Zunftgesellschaft zu Metzgern Einige wichtige Termine der Burgergemeinde Bern

10. November 2017 Eröffnung Sonderausstellung «Weltuntergang – Ende ohne Ende» www.nmbe.ch

16. November 2017 – 17. Juni 2018 Sonderausstellung «1968 Schweiz» www.bhm.ch

9. Dezember 2017 Spittelmärit «Koffermarkt im Advent» www.begh.ch

2. November 2017 – 31. Mai 2018 Jeudredi – Kultur am Donnerstag «Saison 2017/2018» www.begh.ch

Burgergemeinde Bern Bahnhofplatz 2 · Postfach 3001 Bern

T 031 328 86 00 [email protected]

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