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Forschungsgruppe Große Technische Systeme des Forschungsschwerpunkts Technik - Arbeit - Umwelt am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung

FS II 90-503

Technische Vernetzung im Gesundheitswesen: Der Fall Organtransplantation

Ingo Braun Günter Feuerstein Claudia von Grote-Janz

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialfo rschung gGmbH (WZB) Reichpietschufer 50, DW-1000 Berlin 30 Tel .: 030/25 491-0 TECHNISCHE VERNETZUNG IM GESUNDHEITSWESEN: DER FALL ORGAN­ TRANSPLANTATION

Zusammenfassung

In dem Beitrag werden die Struktur und Dynamik von techni­ schen Systemen der Organtransplantation untersucht. Im Mit­ telpunkt stehen dabei Prozesse der zwischenklinischen und überregionalen technischen Vernetzung, auf die das Transplan­ tationswesen in besonderer Weise angewiesen ist. Im Anschluß an die Analyse der netztechnischen Strukturen wenden sich die Autoren der Frage zu, welche Mechanismen das bislang unge­ bremste Wachstum der Transplantationssysteme erklären können. Hierfür werden die Bezüge untersucht, die das Transplanta­ tionswesen zur medizinischen Forschung und Wissenschaft und zu alltagsweltlichen Körperpraktiken und Körperbildern auf­ weist. Die Autoren zeigen auf, wie die enge Kopplung der Transplantationsmedizin mit der medizinischen Forschung zur Ausweitung der netztechnischen Strukturen in Organtransplan­ tationssystemen führt. Auch die Versuche der Mediziner, den vielfältigen Akzeptanzproblemen der Organverpflanzung Rech­ nung zu tragen, trägt zum Wachstum der Netzstrukturen bei.

TECHNICAL NETWORKS IN PUBLIC HEALTH: THE CASE OF ORGAN TRANS­ PLANTATION

Summary

The paper contributes to an understanding of the structure and dynamics of the technical systems of organ transplanta­ tion. The focus is on the development of supraregional tech­ nical networks linking relevant clinical and other organiza­ tions on which is dependent. After analyzing the structures of technical networks themselves, the authors identify certain mechanisms accounting for the rapid growth of transplantation systems. It is demonstrated, on the one hand, how the links between transplantation and scientific research result in system expansion. On the other hand, attempts of medical and other experts to deal with "acceptance issues" and cultural changes of body-related practices likewise contribute to system growth. Inhaltsverzeichnis

Seite

Einleitung...... 1

1. Technische Strukturen des Transplantationssystems...... 3 - Interorganisatorische Vernetzung...... 5

- Interorganische Vernetzung...... 10

2. Wissenschaftskontexte des Transplantationssystems...... 14 - Optimierung durch Immunforschung...... 16 - Diversifizierung durch Genforschung...... 22 - Absicherung durch Betroffenenforschung...... 26 - Vernetzung durch Wissensschleifen...... 33

3. Alltagskontexte des Transplantationssystems...... 33

- Organverpflanzung und Körperpraxis...... 35 - Organverpflanzung und Körpersymbolik...... 39 - Pluralisierung des Körperumgangs...... 45 - Vernetzung durch Sinnschleifen...... 47

4. Wissens- und Sinnbeschaffung in technisch vernetzten Systemen . . . .50

Literaturverzeichnis...... 53 -1 -

* Einleitung

Organtransplantationen sind interessant, spektakulär, regen die Phantasie an und provozieren nahezu automatisch ausschweifende Diskussionen mit Freunden und Kollegen, die sich sehr schnell im Reich des Grundsätzlichen oder der science-fiction bewegen. Fast täglich kann man auf Zeitungsmel­ dungen stoßen, die über erstmals geglückte Verpflanzungen von Organen berichten, von deren Existenz im eigenen Körper man oft kaum etwas ahnte, über dramatische Transplantationsaktionen unter Zuhilfenahme von militä­ rischen Düsenjägern, über DDR-Herzen, die unter spektakulären Umstän­ den in den Westen gelangten, oder man stößt auf kleine, unscheinbare Noti­ zen, die einen sachlichen Aufruf für eine namentlich genannte Person ent­ halten, sich umgehend bei ihrem Transplantationszentrum zu melden. Um so mehr verwundert es, daß es nur wenig sozialwissenschaftliche Veröffentli­ chungen und praktisch keine Literatur aus der sozialwissenschaftlichen Technikforschung zu diesem Thema gibt. Wir wollen daher im folgenden et­ was mehr Raum als im Rahmen eines Aufsatzes üblich der Beschreibung der vergleichsweise technik-, forschungs- und legitimationsintensiven Transplan­ tationsmedizin widmen. Der folgenden Analyse des Transplantationswesens unterliegt ein dezi­ diert techniksoziologisches Forschungsinteresse, das auf technische Vernet­ zungsprozesse und speziell auf die Wachstumsdynamik technisch vernetzter Systeme zielt. Konzeptionell kann die Untersuchung an einen relativ jungen Zweig der Technikforschung anknüpfen, der sich mit den Struktur- und Wachstumsbesonderheiten sogenannter "großer technischer Systeme" (des Transportwesens, der Energieversorgung, der Datenkommunikation) im Unterschied zu "kleinen technischen Systemen" (maschinelle Anlagen in der Industrie, Verbrauchertechnik) beschäftigt.1 Entsprechend wird im Mittel­ punkt unseres Beitrags die Frage stehen, warum die zentralen Funktions- * Vielen Dank für die medizinische Kritik von Michael Hess und für die techniksoziologi­ schen Ratschläge von Bernward Joerges. Beide haben uns bei dem Entwurf und der Strukturierung dieses Beitrags sehr geholfen. Für ihre freundliche Unterstützung und ihre Kommentare möchten wir uns auch bei Prof. Schoeppe vom Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation sowie bei unseren WZB-Kollegen Angelika Ebrecht-Laermann, Rai­ ner Döbert und Rolf Rosenbrock bedanken. Für die Dummheiten dieses Textes sind allein die drei Autoren verantwortlich. 1 Siehe hierzu die verschiedenen Beiträge in Mayntz/Hughes 1988, in La Porte 1991 sowie Hughes 1987. - 2 -

Probleme der Transplantationsmedizin, die Organ- und Zeitknappheit, durch technische Vernetzung beantwortet werden und in aller Regel zur Auswei­ tung ihrer netztechnischen Strukturen geführt haben. Um das techniksoziologisch Interessante am Transplantationswesen deutlich hervorzuheben und um den Text nicht zu überfrachten, haben wir - so weit es ging - vor allem sich aufdrängende gesundheitspolitische und ge­ sundheitsökonomische Aspekte ausgeblendet. Vorweg sei auch darauf hinge­ wiesen, daß in diesem Beitrag die Frage im Vordergrund stehen wird, wie und warum von der Bevölkerung ein Vertrauen in das technische System der Transplantationsmedizin aufgebaut wird. Wir werden also - obwohl im Fall der Transplantationsmedizin nichts näher zu liegen scheint - darauf ver­ zichten, die Analyse mit dem modischen Mäntelchen einer Risikoabschät­ zung zu umgeben. Die Konjunktur der Risikoproblematik verdankt sich nämlich zu einem guten Teil der falschen Hoffnung, von der Analyse der Risiken einer Technik auf ihre Sicherheit, von den Bedingungen des Scheiterns einer Technik auf die ihres Erfolges oder allgemeiner von den Folgen von Technik auf die Vor­ aussetzungen für Technik schließen zu können. Analytisch gibt es keinen Grund, das wachsende Mißtrauen in moderne Technik (Risikobewußtsein) als Kehrwert eines schrumpfenden Vertrauens in Technik (Sicherheitsbe­ wußtsein?) zu lesen, schon gar nicht, betrachtet man die Prognosen vorlie­ gender Risikoanalysen durch die Brille des Prognostizierten. Nicht nur unter mehr oder weniger logischen, sondern auch unter im weiteren Sinne tech­ niktheoretischen Gesichtspunkten scheint uns zudem das Funktionieren von Technik, insbesondere im Falle großer, weiträumig vernetzter Technik, erklärungsbedürftiger als ihr Scheitern.

Der erste Teil unseres Beitrags soll einen groben Überblick über die Strukturen und Abläufe von Organtransplantationssystemen bieten und ins­ besondere ihre netztechnischen Strukturen beleuchten. Im zweiten Teil wer­ den die Wissenschaftskontexte von Transplantationssystemen näher unter­ sucht. Es soll hier am Beispiel des bundesdeutschen Transplantationssy­ stems gezeigt werden, wie eine spezifische Rückkopplung von technischer und wissenschaftlicher Entwicklung zum Wachstum des Transplantations­ systems und seiner Probleme beiträgt. Im darauffolgenden dritten Teil sollen - zunächst unter Ausblendung der zentralen Funktionsprobleme - die all­ tagsweltlichen Kontexte des Transplantationsbetriebes im Mittelpunkt ste- - 3 -

hen. Wir werden uns hier mit den Irritationen beschäftigen, die das Trans­ plantationssystem und das Wissen über die Möglichkeiten der Transplantati­ onsmedizin für den gesellschaftlichen Körperumgang, für körperbezogene Praktiken und Symboliken mit sich bringen. Dabei versuchen wir zu zeigen, daß sich die Veränderungen des Körperumgangs, zu denen die Transplanta­ tionsmedizin beiträgt, im Rahmen und als Ausdruck von Thesen zu einer Pluralisierung des gesellschaftlichen Lebens interpretieren lassen. Danach werden dann mögliche Rückwirkungen beleuchtet, die ein derart plurali- sierter Körperumgang auf die zentralen Funktionsprobleme und die Ent­ wicklungsrichtung des Transplantationssystems ausüben könnte. Im vierten Teil folgt ein Resüme, in dem zwei Interpretationen des Verhältnisses zwi­ schen den im zweiten Teil beschriebenen Wissensschleifen und den im drit­ ten Teil beschriebenen Sinnschleifen technisch vernetzter Systeme vorge­ schlagen werden.

1. Technische Strukturen des Transplantationssystems

Organtransplantationssysteme sind eine junge Erscheinung der modernen Gesundheitsversorgung. Das bundesdeutsche System der Organtransplanta­ tion, das heißt der Umkreis der technischen und institutionellen Einrich­ tungen, die eine routinemäßige Durchführung von Organverpflanzungen er­ möglichen, wurde in den 70er Jahren aufgebaut. Das Geburtsjahr des euro­ päischen Transplantationssystems ist 1967, ein Jahr, in dem die Eurotrans- plant Foundation in der niederländischen Stadt Leiden gegründet wurde. Ziel ihrer Mitglieder (Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Belgien, Nie­ derlande und Luxemburg) war und ist es, durch den Aufbau technisch-orga­ nisatorischer Strukturen die Organverteilung und Rezipientenselektion zu optimieren.2 Die Entwicklung und Ausdifferenzierung der bundesdeutschen Infra­ struktur des Transplantationswesens hängen darüber hinaus sehr eng mit den in den 70er Jahren einsetzenden finanziellen, technischen und organi­ satorisch-administrativen Leistungen des KFH zusammen (Kuratorium für Heimdialyse - später: Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation

2 Vgl. Grounewoud/Muderlak/Chen 1987. - 4 -

e.V.). Dazu gehören die Errichtung von Organisationszentralen für Trans­ plantationskrankenhäuser, sowie die Finanzierung von inzwischen mehr als 400 Stellen von Ärzten, Pflegekräften, medizinisch-technischen Assistenten, ärztlichen Transplantationskoordinatoren und Administratoren.3

Im Laufe des letzten Jahrzehnts wurde das Transplantationssystem quantitativ, gemessen an der Zahl der durchgeführten Transplantationen, aber auch qualitativ, gemessen am Spektrum transplantierbarer Organe, enorm ausgeweitet.4 In der Bundesrepublik wurden 1985 1.275 Nieren, 58 Lebern und 73 Herzen verplanzt. 1989 waren es 1.960 Nieren, 263 Lebern und 244 Herzen.5 Zu den in jüngster Zeit neu eroberten Organbereichen ge­ hören vor allem die Lunge, der Dünndarm, Nerven und Gehirnzellen. Dar- überhinaus konzentrierte sich das experimentelle Interesse der Transplan­ teure auch auf kombinierte Transplantationen von Herz-Lunge, Niere-Pan­ kreas, Leber-Pankreas oder gar auf multiple oder Cluster-Transplantationen von Herz-Leber-Pankreas und Leber-Pankreas-Zwölffingerdarm.6 Wie die bisherige Geschichte der Transplantationssysteme zeigt, sind ihr Aufbau und ihr Betrieb in besonderem Maße auf Innovationen in den in­ stitutionellen und legitimatorischen Zusammenhängen der professionellen Medizin, aber auch in der Körperpraxis und der Körpersymbolik ihrer Klien­ tel angewiesen. Auf institutioneller Ebene hat die Transplantationsmedizin neue innerprofessionelle Kooperationsformen angestoßen, auf legitimatori­ scher Ebene einen Wandel der Arzt-Patient-Beziehung, da Patienten nicht mehr nur Leistungsempfänger, sondern ihre Körper potentielle "Inputs" der Transplantationssysteme sein können. Der Aufbau von Organtransplantationssystemen ist mit einer Reihe ähnlich expansiver und technikintensiver Entwicklungen im Feld der klini­ schen Medizin vergleichbar. Das Perturbationspotential, das sie im Hinblick

3 Vgl. KfH: 1988. 4 Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei hier angemerkt, daß die Rede vom Wachstum des Transplantationssystems nicht auf seine räumliche Erstreckung oder auf die Kosten, die es verursacht, sondern allgemeiner auf den Leistungsumfang des Systems zielt, also auf die sozialen Transaktionen, die über das technische System abgewickelt werden. Als ein grobes, auf andere große technische Systeme nicht übertragbares, allerdings für das Ver­ ständnis des weiteren völlig ausreichendes Größenmaß betrachte man daher schlicht die Zahl der durchgeführten Transplantationen. 5 Pichlmayr 1990a: B-2679. 3 Vgl. Altmann 1989: 10, sowie Bischoff 1990: 42. - 5 -

auf den gesellschaftlichen Körperumgang besitzen, scheint jedoch selbst das von relativ spektakulärer Medizintechnik, wie der In-vitro-Befruchtung oder der pränatalen Gendiagnostik, zu übersteigen. Einen der dafür maßgeben- den Gründe sehen wir in einer technischen Besonderheit des Transplantati­ onssystems. Denn der Stellenwert, den Technik in der Transplantationsme­ dizin inne hat, geht weit über das Sammelsurium von Medizintechniken hin­ aus, das gemeinhin mit dem Schlagwort Apparatemedizin bezeichnet wird. Typisch für das Transplantationssystem sind umfangreiche technische Ver­ netzungen von Geräten und klinischen Anlagen, von Organisationen und Ak­ teuren. Erst auf Basis dieser netztechnischen Strukturen ist es möglich, ein routinemäßiges Ineinandergreifen und eine effiziente Abwicklung der weit­ räumig verteilten Handlungsabläufe sicherzustellen, die die große Zeit­ knappheit und der chronische Organmangel erfordert. Die folgenden Aus­ führungen gelten daher zunächst den netztechnischen Aspekten des Trans­ plantationssystems .

Interorganisatorische Vernetzung

Technisierungsprozesse in der Gesundheitsversorgung wurden bislang vor­ wiegend betriebszentriert verfolgt und haben zum sukzessiven Aufbau um­ fangreicher Geräte- und Maschinenparks in den Kliniken und in kleinerem Maßstab auch in den Praxen niedergelassener Fachärzte geführt. Die inner­ betriebliche Vernetzung dieser Maschinenensembles - wenn man so will, der Schritt von der Apparatemedizin zur Anlagenmedizin - ist gegenwärtig im vollen Gange. Zwischen- oder überbetriebliche Ansätze technischer Vernet­ zung, wie sie Industriesoziologen im Verhältnis der jeweils von Hersteller-, Zulieferer- und Vertriebsfirmen unterhaltenen Maschinenparks beschreiben, beschränken sich im medizinischen Bereich jedoch weitgehend noch auf das Kosten- und Krankenkassenwesen und auf die meist regional ausgelegte Lo­ gistik des Rettungswesens.7 Mit Blick auf die klinische Medizin stellt daher

7 Die zwischenbetriebliche Vernetzung wird auch die Praxen der niedergelassenen Ärtze er­ fassen. Ein enormer Schub in diese Richtung zeichnet sich mit der für 1992 anvisierten Ablösung der Krankenscheine durch maschinenlesbare Patientenausweise ab. Vorerst steht dabei allerdings weniger die Koordination medizinischer Handlungsabläufe im Vor­ dergrund, als die Verbindung von Praxisverwaltung und Abrechnungswesen (vgl. Dörfler 1990). - 6 -

die Transplantationstechnik einen technischen Entwicklungsstrang dar, bei dem erstmals im größeren Umfang zwischenklinische und überregionale tech­ nische Vernetzungen eine Rolle spielen. Aus diesem Grund werden wir im weiteren, statt von "der" Transplantationstechnik und ihrer Verbreitung - was im Fall der Verbreitung etwa von Computertomographietechnik viel­ leicht noch vertretbar wäre - vom großen technischen System der Organ­ transplantation und seiner Ausbreitung sprechen.8

Das technische Netz des Transplantationswesens verbindet ein breites Spektrum unterschiedlicher Techniken - transplantationsspezifische, andere medizinische und nicht-medizinische Techniken, bewährte und noch nicht bewährte Techniken, apparative, chemische und biologische Techniken - Techniken, die wiederum in einem relativ heterogenen Spektrum teils medizinischer, teils nicht-medizinischer Einrichtungen zum Einsatz kom­ men: in Transplantationszentren und normalen Krankenhäusern, in Ge­ webe- und Organbanken, in Dialysezentren und Typisierungslaboratorien, in Trans-plantatvermittlungs- und Transplantationsinformationszentren, in Einrichtungen des Rettungs-, des Straßenverkehrs-, des Telefon-, des Funk- und des Flugwesens. Die Vernetzung selbst wird dabei vorwiegend über vorhandene kom- rnunikations- und verkehrstechnische Infrastruktur Systeme hergestellt. Der solchermaßen räumlich und funktionell distribuierte Transplantationsbe­ trieb verlangt von und gegenüber dem normalen Klinikbetrieb höhere Nor­ mierungsleistungen: in bezug auf die Standardisierung und Kompatibilisie- rung der angewandten Apparate, Datenformate, Medikamente, Transportbe­ hälter, Konservierungsflüssigkeiten und Behandlungsmethoden, aber auch in bezug auf geregelte Kooperationbeziehungen zwischen den beteiligten Kli­ niken und zwischen den verschiedenen miteinander kooperierenden Pro­ fessionen. Dabei bildet insbesondere die erforderliche Kompatibilität der bürokratischen Formate die Legitimationsbasis für eine zentrale Steuerung und Überwachung der beteiligten Kliniken. Die Kompatibilität der bürokratischen Formate wird wiederum in ho­ hem Maße technisch realisiert - sei es durch die Verwendung von Standard- Serumsets in der Gewebetypisierung und die damit verbundenen Auswer- tungs- und Aufschreibesysteme oder durch den software-technischen Zwang

8 Zur näheren Charakterisierung großer technischer Systeme siehe Joerges 1988 und 1991. - 7 -

zur einheitlichen Konfektionierung der zu kommunizierenden Daten. Eine Schlüsselrolle spielt dabei das von gegen Ende der 80er Jahre eingeführte PIONEER-System, das verschiedene Einrichtungen des Transplantationswesens miteinander verbindet.9 Durch PIONEER werden die regionalen Transplantationszentren - unter Nutzung modernster Kommunikationstechniken - "online" mit einem Zen­ tralcomputer von Eurotransplant verknüpft (siehe Abbildung I). Lokal anfal­ lende und erfaßte Daten, beispielsweise über die aktuelle Transplantabilität eines Patienten, werden zeitnah, das heißt in wenigen Minuten, zum Zentral­ computer weitergeleitet und dem Datenpool aller wartenden Rezipienten hin­ zugefügt. Das System ermöglicht so eine ständige Anpassung der Datenlage an den körperlichen Zustand der potentiellen Rezipienten. Darüberhinaus erhalten die beteiligten regionalen Transplantationszentren eine jeweils ak­ tuelle Version ihrer internen Warteliste. Wird ein Spenderorgan verfügbar, erlaubt PIONEER die computergesteuerte Selektion eines geeigneten Rezi­ pienten, vor allem aber auch ein Gegen-Checken der regionalen Wartelisten mit den umfassenden Wartelisten von Eurotransplant. Für die deutschen Transplantationseinrichtungen hat sich darüber hinaus das TIS (Transplantations-Informations-System) mit zusätzlichen Kompatibilitätsanforderungen und Überwachungsfunktionen an der Schnitt­ stelle zu Eurotransplant etabliert.10 Es soll den deutschen Transplantations­ medizinern einen schnelleren und weniger bürokratischen Datenabgleich er­ möglichen, als die schwerfällige Eurobehörde in Leiden. Autonomiebegrenzungen der Kliniken sind auch mit dem spezifischen, von starken Zeitzwängen geprägten Operationsmodus des technisch vernetz­ ten Organtransplantationssystems verbunden. Er weist das Muster eines Impulsbetriebes auf: lange Phasen ruhiger, mit dem klinischen Normalbe­ trieb verträglicher Aktivitäten wechseln sich mit kurzen Phasen hektischer, klinische Abläufe und ihre Hierarchien unterlaufender Aktivitäten ab. Abge­ sehen von der Erfolgskontrolle bereits durchgeführter Transplantationen und der Gewährleistung der postoperativen Nachbetreuung dient "das Netz" in den Phasen ruhiger Aktivität im wesentlichen nur dazu, potentielle Spen­ derorgane zu identifizieren.

9 Vgl. Broom 1988. 19 Vgl. Eurotransplant Newsletter 55/1988: 11 und KfH 1990: 17f. - 8 -

Hat "das Netz" einen potentiellen Spender aufgespürt, wird eine regel­ rechte Kaskade größtenteils zeitgleich ablaufender Netzaktivitäten ausgelöst: das Einholen der Spendeneinwilligung, die Vorbereitung der Ex- und Im­ plantationen, der Austausch von Informationen über den Spender und seine Organe, der datenförmige Abgleich von Gewebeeigenschaften des Spenders mit denen potentieller Rezipienten im Pool, die computerisierte Selektion, die stofflichen Gewebekompatibilitätsprüfungen, die Explantationen, der Trans­ port von Gewebeproben, Organen, Patienten, Ärzteteams und schließlich die Implantationen. Aus der Perspektive der involvierten Einrichtungen haben diese Aktivitäten den Charakter eines abrupten, überfallartigen Einbruchs in den normalen Klinikbetrieb, wobei in und während kurzer Zeit erhebliche technische und personelle Ressourcen mobilisiert werden müssen. Die tech­ nischen Einrichtungen peripherer Kliniken werden dabei mitunter überfor­ dert. Regelungsbedarf besteht für die Kooperationsbeziehungen zwischen den am Transplantationsgeschehen beteiligten Kliniken und Professionen daher nicht nur auf der Ebene der Organverteilung, sondern auch auf der Ebene konkreter Handlungsabläufe. Besonders wenn sie unter hohem Zeitdruck stehen, wie beispielsweise im Rahmen einer (Multi-) Organvermittlung und - entnähme, bei der sich mehrere Explantationsteams verschiedener regiona­ ler Transplantationszentren in den Betrieb eines lokalen Spender-Kranken­ hauses und dessen Infrastruktur einklinken, besteht die Gefahr von Mißver­ ständnissen, Egoismen und Organisationshavarien, die letztlich sogar zu Or­ ganverlusten führen können. Ein hierbei relevantes Konfliktfeld ist beispielsweise der hohe Kommu­ nikationsbedarf. Teils blockieren die Vermittlungsorganisationen, Koordina­ toren und unterschiedlichen Explantationsteams, die alle Kontakt mit ihren Transplantationszentren halten wollen, die Telefonanlage der hilfsbereiten Krankenhäuser. Beispiele solcher und ähnlicher Probleme gibt es genug. Auch sie bilden Anläße zur Formalisierung zwischenklinischer Koopera­ tion.11

11 Vgl. Eurotransplant Newsletter 66/1989: 5, Offermann 1987: 3, und Smit/Heigel/Lau- chart 1990. - 9 -

Abbildung I

Das PIONEER-System

TRANSPLANT PSN CENTRE

ABO HLA WEIGHT HEIGHT ANTIBODY % CENTRE REGION CMV AGE DRW6 DIAGNOSIS HOMOZYGOUS TIME ON LIST ETC_

(Quelle: Broom 1988: 15) - 10 -

Interorganische Vernetzung

Weitere wichtige Vernetzungsaspekte resultieren unmittelbar aus der zentra­ len Funktionsbestimmung des Organtransplantationssystems. In realisti­ scher Sicht kann man nämlich das Transplantieren selbst als einen Akt der technischen Vernetzung von menschlichen Körpern und Organen begreifen. Das Transplantieren ist demnach ein Prozeß, bei dem verschiedene Körper untereinander, in der Regel der Körper eines Tötens mit mehreren verschie­ denen Körpern von Rezipienten, technisch vernetzt werden - ein technischer Verknüpfungsakt, der, wie wir noch ausführen werden, den sinnkritischen Punkt für alltagsweltliche Lebens- und Todesvorstellungen darstellt. Welche Körper miteinander vernetzt werden, wird durch das sogenannte Gewebe- Matching und damit im Rahmen von zunächst nur probeweise durch­ geführten Körperkopplungen ermittelt. Zentrales technisches Objekt der Körpervernetzung bildet dabei das Transplantat. In der öffentlichen Debatte über die Transplantationsmedizin wird der technische Charakter des Trans­ plantats, was sich beispielsweise in der beliebten Gegenübersetzung von na­ türlichen und künstlichen Ersatzorganen ausdrückt, weitgehend übersehen und durch moralisch konnotierte Kategorien wie der des Naturaltausches überdeckt. Aber auch die Spenderorgane sind nur Prothesen.12 In ein technisches Produkt werden sie im Grunde schon im Körper des toten Spenders verwan­ delt, der künstlich dank einer umfassenden intensivmedizinischen Maschi­ nerie in Funktion gehalten wird. Die Intensivbehandlung potentieller Organ­ spender besteht aus häufigen und differenzierten Laborwertkontrollen des Stoffwechsels und der Kreislauffunktionen. Entsprechend wird der hirntote Organismus apparativ und medikamentös gesteuert, wobei die verabreichten Substanzen auf den Funktionserhalt der später zu explantierenden Organe zugeschnitten sind.13

Deutlicher wird ihr technischer Charakter dann durch das Herauslösen des Transplantats aus den noch vorhandenen biologischen Zusammenhän­ gen des Spenderkörpers, durch die transplantationsgerechte Präparation seiner Eigenschaften und zukünftig vielleicht durch seine Ankopplung an ein

12 Zur Sozialgeschichte der Prothesentechnik siehe Berr 1991. 13 Vgl. Klöss/Fretschner/Baumann 1990. -11 -

Transplantatüberlebenssystem (TOPS), das dem Transplantat einen mensch­ lichen Körper solange simuliert, bis es in einen geeigneten Zielkörper einge­ pflanzt wird.14 So wird kein natürliches Organ, sondern ein organisches Prä­ parat in den Körper des Rezipienten implantiert. Sein technisch-apparativer Charakter zeigt sich weiter daran, daß Transplantate vielfach nicht dort, wo es die Natur vorsieht, wo sich also das geschädigte Organ befindet, sondern an einem technisch-funktionell günstigeren Ort eingepflanzt werden. Im Fall der Niere werden hierdurch bis zu sieben Retransplantationen möglich, sollte dies wiederholtes Nierenversagen oder Abstoßungsreaktionen erfor­ dern.15 Schließlich zeigt er sich aber auch daran, daß das Transplantat während seiner gesamten Laufzeit, wie bei jeder anderen komplexeren Pro­ thesentechnik auch, kontinuierlich der technischen Wartung und Pflege in Form von Kontrolluntersuchungen, medikamentöser Immunsuppression und Immunmodulation bedarf.16

Die Vernetzung der Körper wird darüber hinaus noch auf einer anderen Ebene vollzogen: in der voneinander unabhängigen technischen Verknüp­ fung der einzelnen Spender- und Rezipientenkörper mit den technischen Sy­ stemen der professionellen Medizin, also mit den Techniken in den verschie­ denen transplantationsbeteiligten Einrichtungen und ihren überbetriebli­ chen Vernetzungen. Wie eng hierdurch der professionelle und der alltägliche Körperumgang verbunden werden und wie weit das technische Netz des Transplantationswesens in den Alltag seiner Klientel hineinragt, verdeutlicht in besonders plastischer Weise das ihm eigene "Pieperwesen".

Potentielle Rezipienten, in der Regel Dialytiker, erhalten einen Europie­ per, wenn sie auf der Warteliste einen aussichtsreichen Platz erreicht haben. So lange sie das Gerät bei sich tragen, sind sie für den Fall erreichbar, daß irgendwo im Transplantationssystem ein für sie geeignetes Organ verfügbar wird. Das Gerät erlaubt ihnen, sich frei zu bewegen und, soweit dies die Dia­ lyse zuläßt, ihrem Alltag nachzugehen. Werden sie angepiept, haben sie sich umgehend mit dem für sie zuständigen Transplantationszentrum telefonisch in Verbindung zu setzen, gegebenenfalls daraufhin in ein Taxi zu springen

14 Die Washingtoner Medizingeräte-Firma TOPS Systems begann ihre klinischen Versuche mit Organ-Konservierungssystemen im Jahr 1988 und zielt dabei auf die Einrichtung von Transplantat-Banken (Firmen-Information). l5 Vgl. Land 1985: 133f. 15 Vgl. Pichlmayr 1986. - 12 -

und sich zur Transplantationsklinik oder zum nächstgelegenen Flugplatz zu begeben. In ähnlicher Weise wird auch das Transplantationsteam mit Hilfe der im klinischen Betrieb üblichen Notfallpieper zur Vorbereitung und Durchführung der Transplantation zusammengezogen.

Das Pieperwesen der Transplantationsmedizin erstreckt sich mittlerwei­ le sogar auf das Leben mit dem Transplantat. So erhalten Herztransplantier­ te zusammen mit dem neuen Organ ein kleines Gerät eingepflanzt, das zum einen die Funktion eines handelsüblichen Herzschrittmachers erfüllt, zum anderen aber als Warnsystem für immunologische Abstoßungsreaktionen fungiert. Durch das implantierte Gerät werden die EKG-Potentiale im Herz­ muskel automatisch gemessen und ausgewertet. Gesteuert wird der mes­ sende und datenproduzierende Schrittmacher über eine Empfangsspule, die auf die Hautoberfläche des Transplantierten aufgeklebt werden kann. Auf diesem Weg gelangen die im Körper erhobenen Daten wieder nach außen - an ein bettseitiges Gerät und schließlich über das normale Telefonnetz zum Zentralcomputer der Herzklinik.17 Die Vernetzung der Körper bezieht sich schließlich auch auf die Körper der potentiellen Spender. Zu den zentralen Funktionsbestimmungen des Transplantationssystems gehören nämlich nicht nur die Abwicklung des Transplantationsaktes und die dauerhafte Einbettung von Spenderorganen in den Rezipientenkörper, sondern auch die Versorgung mit den hierfür not­ wendigen Spenderorgane. Ein großer Ausschnitt der technischen Netzstruk­ turen des Transplantationswesens dient daher der Organbeschaffung, ge­ nauer gesagt, der virtuellen Verknüpfung des Transplantationsbetriebs mit im Prinzip jedem beliebigen menschlichen Körper, der in irgendeinem Winkel der Gesellschaft die Grenze zum Tod überschreitet. Solange die Transplanta­ tionsmedizin auf menschliche Organe angewiesen ist, gehören daher nicht nur kranke Menschen zur ihrer Klientel, also diejenigen, die auf ein Trans­ plantat warten oder bereits mit einem Transplantat leben, sondern im Grunde jeder gesunde Mensch im Einzugsbereich des Transplantations­ systems. Im Gegensatz zu anderen Bereichen der medizinischen Gesund­ heitsversorgung ist die Klientel der Transplantationsmedizin Leistungsem­ pfänger und Leistungserbringer. Entsprechend ist das Transplantations -

17 Vgl. den Artikel "Magnetfelder ...", sowie Wamecke et al. 1989 und Müll er/Wamecke/- Hetzer 1990. - 13 -

system auch auf der Seite seines technischen "Inputs" von seiner Klientel abhängig. Daß es sich bei der technischen Verknüpfung der Spenderkörper größ­ tenteils um virtuelle Netzleistungen, also um die Produktion größerer Organ­ bergungschancen handelt, tut ihrer Realitätsmächtigkeit keinen Abbruch. Denn die Betroffenheit und Angst, die das Transplantationswesen in der Be­ völkerung auslöst, machen sich weniger an der Möglichkeit fest, selber ein Transplantat zu erhalten, oder daran, daß in irgendeinem Winkel der moder­ nen Medizin Transplantationen durchgeführt werden. Entscheidend ist viel­ mehr die durch die virtuelle Vernetzung geschaffene Tatsache, daß letztlich eben jeder potentieller Spender ist. Und man wird abwarten müssen, ob die virtuelle Spenderexistenz, die wir alle führen, durch den Aufbau von zentra­ len Spenderdatenbanken, über die das gegenwärtige Spenderpaßwesen ein netztechnisches Korsett erhalten soll, eher verunsichert oder aber abgesi­ chert wird.18 Neben den Zeitzwängen sind es nun in der Tat die Probleme der Organ­ beschaffung, die die bisherige Entwicklung des Transplantationssystems entscheidend geprägt haben, genauer gesagt, die chronische Lücke zwischen Transplantatangebot und -nachfrage. Von Beginn an hatten es die Trans­ plantationsmediziner mit diesem Knappheitsproblem zu tun - einem Pro­ blem, das sich mit zunehmender Entfaltung des Transplantationssystems keineswegs verringert, sondern vergrößert hat. Im Jahr 1974 standen 1.583 potentielle Rezipienten auf der Warteliste; 606 Patienten wurden im gleichen Jahr transplantiert. Im Jahr 1988 sind bereits 2.736 Patienten auf der War­ teliste registriert gegenüber 1.086 durchgeführten Transplantationen.19 Die Transplantationsfrequenz hat sich damit zwar erhöht, aber zugleich haben sich die Chancen, ein Transplantat zu bekommen, für die zur Transplanta­ tion vorgesehenen Patienten verringert. Das Transplantatangebot ist vorwiegend von der medizinischen Todes- definition, der Zahl der dieser Definition entsprechenden Todesfälle, dem En­ gagement der Ärzte und der Spendenbereitschaft der Bevölkerung abhängig. Die Länge der von den Transplantationseinrichtungen geführten Wartelisten

18 In Frankreich und Belgien wurden bereits zentrale und computerisierte Spenderregister aufgebaut (Wolfslast 1989: 45). 19 Die von der Eurotransplant Foundation (1989: 23) genannten Daten enthalten keine Transplantationen, die mit lebend-gespendeten Organen durchgeführt wurden. - 14 - potentieller Rezipienten ist wesentlich von der Machbarkeit, den Erfolgsaus­ sichten und den medizinischen Indikationsregeln für Transplantationsthera­ pien abhängig - aber auch von der Qualität möglicher Ersatztherapien, also den Überlebenschancen ohne Transplantat. Insofern befindet sich die Trans­ plantationsmedizin (und ihre Techniken) in einer zugleich ergänzenden und konkurrierenden Beziehung mit benachbarten Medizinbereichen (und deren Techniken). Die Qualität der Dialysemethoden, aber auch die Perspektiven ihrer Verbesserung, beeinflussen zum Beispiel nachhaltig die Nachfrage nach Nierentransplantaten. Je länger die Dialyse den Nierenerkrankten trotz relativ hoher Belastungen ein Überleben ermöglicht, desto länger verbleiben Dialyse-Patienten auf der Warteliste; je weniger jedoch verbesserte Dialyse­ methoden den Patienten gesundheitlich belasten, desto geringer die Notwen­ digkeit einer Transplantation. Vor diesem Hintergrund wollen wir uns im folgenden Abschnitt zunächst den wissenschaftlichen Kontexten des Transplantationsbetriebs zuwenden. Dabei wird es vor allem um die Beschreibung eines Rückkopplungsmechanismus zwischen Technik und Wissenschaft gehen, bei dem die Versuche der Systembetreiber, über den Rückgriff auf medizi­ nisch-technische Forschungen dem Organmangel zu begegnen, zu neuen Problemen im Transplantationssystem führen, die wiederum weitere Rück­ griffe auf Forschung nach sich ziehen.

2. Wissenschaftskontexte des Transplantationssystems

Die Transplantationsmedizin hat einen langen Vorlauf in der experimentellen medizinischen Forschung.20 Mittlerweile gilt die Nieren-, Herz- und Leber­ transplantation als klinisch anerkannte und relativ erfolgsstabile Behand­ lungsmethode. Mediziner messen den Transplantationserfolg an den durch­ schnittlich erreichten Transplantat-Funktionsraten und/oder Patienten­ überlebensraten. Ein Jahr nach erfolgter Operation beträgt die Patienten­ überlebensrate bei Nierentransplantationen ca. 95 % (die Transplantat-

20 So begannen tierexperimentelle Versuche der Nierentransplantation bereits zu Beginn dieses Jahrhunderts. Schon in den 20er Jahren wurde als zentrale Schwierigkeit ein Phänomen beschrieben und erforscht, das heute als immunologische Abstoßungs­ reaktion bezeichnet wird (vgl. Land 1985: 9 Iff). - 15 -

Funktionrate 80-90%), bei Leber und Herztransplantationen ca. 80%. Bei Leber- und Herztransplantationen sind Transplantat-Funktionsraten und Patienten-Überlebensraten - also mit Ausnahme von Zweit- oder Mehrfach­ transplantationen - in der Regel identisch.21

Die weiträumig organisierten Handlungsabläufe, die Operationsmetho­ den und die dabei eingesetzte apparative und medikamentöse Technik haben einen hohen Routinegrad erreicht. Dennoch ist das System in vielen seiner Strukturen experimentell geblieben. Noch immer ist der Bedarf an For­ schung und autoritativem Wissen immens. Und er konzentriert sich nach wie vor auf das ungelöste Hauptproblem des Transplantationswesens: den chronischen Mangel an transplantierbaren Organen.

Im weiteren wollen wir an drei Beispielen - der Immunforschung, der Gentechnik und der Betroffenenforschung - zeigen:

- in welcher Weise die Transplantationsmediziner auf Wissenschaft und Forschung zurückgreifen, um den Organmangel zu überwinden, und wel­ che Konsequenzen dies für die technischen Strukturen des Transplantati­ onssystems hat, - warum die Versuche bislang gescheitert sind, durch Rückgriffe auf Wis­ senschaft und Forschung das Transplantatangebot der Nachfrage nachzu­ führen, - und in wieweit diese Rückgriffe und ihr Scheitern auch durch legitimatori­ sche Zwänge gesteuert werden. Das Scheitern ist dahingehend zu qualifizieren, daß zum einen die Zahl der durchgeführten Transplantationen im Laufe der 80er Jahre kontinuierlich gestiegen ist, mit ihr jedoch auch die Lücke zwischen Transplantatangebot und -nachfrage größer wurde, obwohl das Transplantationswesen im letzten Jahrzehnt wie kaum ein anderer Bereich der klinischen Medizin von den Fortschritten im Feld der medizin-technischen Forschung profitieren konnte.

Dieses Scheitern ließe sich jedoch auch als Erfolg deuten, und zwar dann, wenn man die Begrifflichkeit von Angebot und Nachfrage von Gleich­ gewichtsvorstellungen, wie sie etwa in der klassischen Ökonomie gepflegt werden, befreit. Aus einer solchen Perspektive kann ein kontrolliertes Un­ gleichgewicht durchaus systemerhaltend sein, also den Interessen der

21 Vgl. Pichlmayr 1989a: 131; 1989b:21. - 16 -

Transplantationsmediziner und den funktionalen Erfordernissen des Trans­ plantationssystems entsprechen. Demnach schafft die Vergrößerung der An­ gebot-Nachfragelücke, solange kritische Grenzen nicht überschritten wer­ den, einen legitimatorischen Freiraum, der es den Beteiligten erlaubt, unter vergleichsweise geringen finanziellen und rechtlichen Restriktionen Trans­ plantationen durchzuführen und insbesondere eben auch reputationsträch­ tige Transplantationsforschung zu betreiben. Unabhängig von derart theoretischen Bewertungen des Sachverhalts er­ klären wir uns die zunehmende Lücke von Transplantatangebot und -nach- frage durch einen schleferformig verlaufenden. Rückkopplungprozeß von Technik und Wissenschaft, bei dem die Inanspruchnahme wissenschaftlicher Lösungsangebote für Funktionsprobleme, die aus dem Betrieb technischer Systeme resultieren, eine Ausweitung, das heißt ein Größen- oder Komplexi­ tätswachstum der technischen Systeme nach sich zieht (zum Wachstum siehe Abbildung II). Dies wirft in aller Regel neue Funktionsprobleme auf, deren Bearbeitung wiederum an Forschung und Wissenschaft delegiert wird. Vermutlich sind mehrere solcher Rückkopplungsmechanismen für das bis­ lang starke Wachstum des Transplantationssystems verantwortlich zu machen - man wird sie auch im Verhältnis zu politisch-rechtlichen, ökono­ mischen und, was wir im dritten Teil dieses Beitrags versuchen werden - auch zu kulturellen Entwicklungen der Gesellschaft identifizieren können.

Optimierung durch Immunforschung

Für die Entwicklungsdynamik und die netztechnischen Strukturen des Transplantationssystems war und ist die immunologische Forschung von entscheidender Bedeutung. Sie schlägt sich nieder in zwei transplantations- medizinischen Schlüsseltechniken: der Immunsuppression und der Gewebe­ typisierung. Beide Techniken sollen ein möglichst hohes Maß an immunolo­ gischer Kompatibilität von Rezipient und transplantierbarem Organ herstei­ len, sollen also die abstoßungsbedingten Organverluste verringern und inso­ fern zur besseren Ausnutzung des limitierten Organangebots beitragen.

Bei der Immunsuppression handelt es sich um eine Manipulationstech­ nik des Abwehrsystems, die am Rezipientenkörper ansetzt und nach der Im- - 17 -

Abbildung II

Zahl der Transplantatierten und der Patienten auf der Nierenwarteliste zwischen 1968 und 1988

Figure 1.6 The "gap" between the total number of patients awaiting renal transplantation and the number of patients transplanted

1968 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1987 1988

Total waiting list 211 862 1197 1583 1690 2065 2865 3756 5285 7412 8268 9086

Totaltranspl.’ 54 217 356 608 697 903 1231 1493 2023 2468 2738 2736

‘excluding living related transplantations (see chapter 1.8)

(Quelle: Eurotransplant Foundation 1989) - 18 - plantation wirksam wird. Als Selektionstechnik setzt die Gewebetypisierung bereits vor der Implantation an. Mit ihr versucht man die Immunbarriere da­ durch zu umgehen, indem das transplantierte Organ mit dem Gewebe des Rezipienten so weit in Übereinstimmung gebracht wird, daß es vom Rezi­ pientenkörper kaum oder nicht mehr als fremd erkannt wird. Auch wenn sich beide Techniken im Hinblick auf die Kompatibilitäts- problematik ergänzen, im Hinblick auf den Einfluß, den sie auf die System­ strukturen ausüben, befinden sie sich in Konkurrenz zueinander. In der Aufbauphase der Organtransplantationssysteme waren die Möglichkeiten der Immunsuppression noch sehr beschränkt. Die Intensität immunologi­ scher Abstoßungsreaktionen und der Transplantationserfolg korrelierten eng mit dem Grad der erreichten Gewebeübereinstimmung.22 Dies steuerte den Wissensbedarf in Richtung von typisierungsorientierten Problemlösungen und führte letztlich zur weiträumigen und technisch vernetzten Auslegung des Transplantationssystems. Um über den Prozeß der Rezipientenselektion eine hinreichende Kom­ patibilität zu realisieren, mußte eine ganze Reihe verschiedener Techniken und medizinischer Verfahren kombiniert werden: die medizintechnische Ent­ schlüsselung der hochkomplexen Gewebestrukturen, die Transformation dieser Strukturen in technisch kommunizierbare Daten, der automatisierte Abgleich des datenförmig repräsentierten Transplantatgewebes mit dem ebenfalls datenförmig repräsentierten Gewebe potentieller Rezipienten und die Organisation und Durchführung des unter Umständen weiträumigen Ge­ webe- und Datenaustauschs. Die Komplexität der Gewebestruktur verlangte zudem einen möglichst großen Pool an potentiellen Rezipienten und erzwang insofern eine überregionale Kooperation. Mit Eurotransplant wurde 1967 eine internationale Organisation ge­ gründet, die als Leitsystem des europäischen und auch bundesdeutschen Transplantationswesens fungiert. Die von den Eurotransplant-Mitgliedern entwickelten und für sie verbindlichen Systemregeln orientierten sich strikt an dem Ziel, für jedes verfügbare Organ einen optimalen Empfänger zu selegieren. Vor dem Hintergrund einer unzureichenden Immunsuppression konnte zu jener Zeit die Rezipienten-Selektion noch unangefochten als das effektivere Verfahren eines ökonomischen Umgangs mit Organressourcen

22 Vgl. Rood 1989. - 19 - gelten. Und zwar nicht nur im eng medizinischen Sinn. Denn das als rein medizinisches Roulette inszenierte Verfahren der Organverteilung erzeugte neben einer verbesserten Transplantationsstatistik vor allem auch eine grö­ ßere Transplantationsgerechtigkeit. Der hohe Automatisierungsgrad der Se­ lektions-Abläufe erwies sich angesichts der Organknappheit als enorm legiti­ mationswirksam. Dennoch ist ein quasi natural basierter Systemfrieden keine Patentlö­ sung. Auch Eurotransplant entwickelte Zusatzkriterien für die Rezipienten­ selektion: seien es nun personenbezogene Kriterien (Alter; Wartezeit; psychi­ sche und soziale Lage) oder Kriterien des systemischen Interessenausgleichs zwischen den Transplantationszentren, wie der Zwang zum regionalen und nationalen Ausgleich der Organbilanzen.23 Die Fortschritte der immunologischen Forschung und Kompatibilisie- rungstechnik haben in erheblichem Umfang dazu beigetragen, Abstoß ungs- krisen zu vermindern oder eintretende Abstoßungsreaktionen bekämpfen zu können. Beides bewirkte während des letzten Jahrzehnts einen großen An­ stieg der durchschnittlichen Transplantatfunktionsraten.

Mit der seit Anfang der 80er Jahre flächendeckend verfügbaren Sub­ stanz Cyclosporin A (CyA) überstehen über 90 Prozent der transplantierten Nieren das erste Jahr im neuen Körper, bei konventioneller Therapie waren es nur etwa 55 Prozent; nach vier Jahren sind noch knapp 80 Prozent der transplantierten Organe funktionsfähig, verglichen mit weniger als 50 Pro­ zent bei einer Immunsuppression ohne CyA.24 Herz- und Lebertrans­ plantationen wurden durch die CyA-Therapie überhaupt erst im größeren Umfang und mit Aussicht auf anhaltenden Erfolg durchführbar. Eine neue Substanz, FK-506, die gegenwärtig erprobt wird, verspricht das Verfahren der Immunsuppression noch einmal wesentlich zu verbessern.25

Der Rückgriff auf die immunologische Forschung hat zur erheblich effi­ zienteren Nutzung des begrenzten Organreservoirs geführt. Durch die ver­ längerten Funktionszeiten der transplantierten Organe verringerte sich der

23 Vgl. den Artikel "Recommendations 24 Vgl. Pichlmayr 1986: 159. 25 Verschiedentlich wird FK-506 bereits als Wunderdroge, als Jahrhundert-Medikament ge­ priesen (vgl. Fletcher 1990: 5; Der Spiegel 44/1989: 305). Ob die Erwartungen hinsicht­ lich seiner Wirksamkeit und seiner Verträglichkeit realistisch sind, muß sich allerdings noch zeigen. - 20 -

Bedarf an Re-Transplantationen - also an Zweit-, Dritt- oder gar Vierttrans­ plantationen nach jeweils erfolgter Organabstoßung. Entsprechend mehr Pa­ tienten konnten aus dem limitierten Pool verfügbarer Organe versorgt wer­ den. Die bessere Beherrschung immunologischer Faktoren hat jedoch noch andere Dimensionen des Erfolgs. Zum einen erhöhte sie die Lebensqualität von Transplantierten. Zum anderen wurde es möglich, die medizinische Indi­ kation zur Transplantation auf eine größere Patientengruppe, beispielsweise auch auf ältere Patienten, auszudehnen. Der zunehmende Transplantations- erfolg hat nicht nur den Erwartungshorizont der Ärzte, sondern vor allem auch den der Patienten ausgeweitet und so zur Verlängerung der Warteliste, insgesamt also zur Ausweitung der Nachfrage nach Spenderorganen beige­ tragen. Mit den Entwicklungssprüngen im Bereich der Immunsuppression steuert das Transplantationssystem jedoch in eine Strukturkrise. Die erhöh­ te Selektivität und der deutlich gesteigerte Wirkungsgrad der neuen Sub­ stanzen löste in der Folgezeit immer wieder Diskussionen über die weitere Notwendigkeit des kompatibilitätsorientierten Organaustausches aus. Tat­ sächlich änderten sich Anfang 1987 die Austauschkriterien von Euro trans­ plant so, daß die regionalen Zentren gegenwärtig weniger zum Organexport gezwungen sind als zuvor. Weitere Entwicklungssprünge in der Immunsuppression könnten die Gewebetypisierung als Basis der weiträumigen Rezipientenselektion über­ flüssig machen. Der Relevanzverlust der Gewebekompatibilität droht damit medizinische Kriterien der Rezipientenauswahl zugunsten sozialer Kriterien zu entwerten. Bedroht sind dadurch nicht nur die gewachsenen System­ strukturen, sondern vor allem auch das medizinische Steuerungsmonopol der professsionalisierten Transplantationschirurgie. Vor diesem Hintergrund versteht sich das Interesse von Transplanta­ tionsmedizinern an der Entwicklung neuer ausgeklügelter Systeme zur ob­ jektiven Empfängerselektion nach streng medizinischen Kriterien.26 So wur­ den zwischenzeitlich sämtliche Transplantationszentren der Bundesrepublik direkt mit einem erst vor wenigen Jahren gegründeten Transplantations-Da­

26 Eine explizit systempolitische Position bezog dabei Prof. Walter Land, der Leiter des Transplantationszentrums München-Großhadem (Land 1985: 131: 1989: 20). - 21 -

tenzentrum verbunden, dessen Datenbestand in die transplantationsimmu­ nologische Forschung eingeht. Das Ziel dieser Forschungsaktivität besteht insbesondere darin, die fortbestehende Nützlichkeit einer möglichst hohen Gewebeübereinstimmung und damit eines weiträumig vernetzten Organaus­ tausches statistisch nachzuweisen.27 Darüberhinaus eröffnet das Datenzen­ trum die Möglichkeit, weitere Selektions-Kriterien gewichtet festzulegen und "damit angesichts des Mangels, der auch weiterhin bestehen wird, zu bewir­ ken, daß das jeweils verfügbare Organ der richtige, also auch gerecht ermit­ telte Empfänger bekommt."28 Zusammenfassend lassen sich die soweit beschriebenen Wechselbezie­ hungen von Transplantationssystem und Immunforschung als iterativer und schleifenförmig verlaufender Prozeß begreifen (siehe Abbildung III), der vor allem von den Bemühungen vorangetrieben wird, orientiert an den limitierten Organressourcen den Transplantationsbetrieb zu optimieren: Ausgangspunkt bildete der begrenzte Pool verfügbarer Spenderorgane. Erkenntnisse der Immunforschung wurden zunächst in bezug auf die Vermeidung von Ab­ stoßungen in Anspruch genommen. Sie zogen den Aufbau eines weiträumig ausgelegten Verfahrens der Rezipientenselektion und den Einsatz auf­ wendiger Kompatibilisierungstechniken nach sich. Im weiteren gewannen Forschungen zur Unterdrückung der Abwehrreaktionen an Bedeutung. Sie zogen die gezielte Integration von Suppressionsmedikamenten in die Trans­ plantationstherapie nach sich. Durch den breiten Einsatz von CyA konnten - wie durch die Gewebekompatibilisierung - die Transplantatverluste stark verringert werden. Mit ihm ging zum einen die Ausweitung der Erwartungs­ horizonte bei Medizinern und Patienten einher, wodurch die Transplantat­ nachfrage stieg. Zum anderen verlor hierdurch die Gewebekompatibilisie­ rung an Bedeutung, was das Vorrücken nicht-medizinischer Selektionskrite­ rien begünstigte. Zur Bewältigung dieser beiden, einander verstärkenden Folgeprobleme des CyA-Einsatzes setzen die Transplantationsmediziner wie­ der auf Forschritte in der Immunforschung, und zwar auf Forschung zur se­ lektiveren Immunsuppression und auf Forschung über den kombinierten

27 Das am Institut für Transplantationsimmunologie angesiedelte Datenzentrum ist eine Gründung des Kuratoriums für Dialyse und Nierentransplantation und der Deutschen Stiftung Organtransplantation in Abstimmung mit der Arbeitsgemeinschaft der Trans­ plantationszentren in der BRD (vgl. den Artikel "Datenbank ..."). 2 8 KfH 1990: 18. - 22 -

Einsatz von Gewebekompatibilisierung und medikamentöser Immunsup­ pression.

Diversifizierung durch Genforschung

Während die immunologische Forschung institutionell eng mit den Einrich­ tungen des Transplantationssystems verknüpft, immunologische Wissens­ produktion sogar weitgehend im Normalbetrieb der Nieren-, Herz- und Le­ bertransplanatationen integriert ist, stützt sich die Transplantationschirur­ gie im Bereich der Gewebe-, Pankreas-, Zwölffingerdarm-, Auto- und Multi­ transplantationen auf Forschungs- und Wissenschaftsaktivitäten, die weit außerhalb des Systems angesiedelt sind. In welcher Form in diesem Operati­ onsfeld Transplantationsmediziner die Ressourcenprobleme durch Rückgriff auf Forschung und Wissenschaft zu lösen versuchen, wollen wir im folgen­ den für ein Anwendungsfeld der Transplantationstherapie beschreiben, das in besonders eklatanter Weise unter Organknappheit leidet, und zwar für den Bereich der Hirngewebetransplantationen. Verpflanzungen am menschlichen Gehirn bilden den am stärksten ta­ buisierten Bereich der Transplantationsmedizin. Entsprechend einge­ schränkt ist die Ressourcengrundlage (das menschliche Hirn) und das An­ wendungsfeld der Hirngewebetransplantation. Sie werden im Grunde nur zur Therapie des Parkinsonismus (Schüttellähmung) durchgeführt, eine Krankheit, die noch bis vor wenigen Jahren als unheilbar galt. Beim Parkin­ sonismus fehlt es den in ihrer Bewegungssteuerung gestörten Patienten an Dopamin, einem von den Hirnzellen gebildeten Signalüberträgerstoff im Zen­ tralnervensystem . Zur Therapie des Parkinsonismus scheint gegenwärtig die Trans­ plantation von fötalem Hirngewebe, die seit 1987 in verschiedenen Ländern durchgeführt wird, trotz erster Fehlschläge und wissenschaftlicher Zweifel der präferierte Weg zu sein.29 Die zentrale Barriere für die Transplantation fötalen Hirngewebes liegt nun weniger im noch ungesicherten Nachweis langfristiger Therapieeffekte, als in den ethischen Turbulenzen, die mit der Verwendung fötalen Gewebes entstanden sind.

29 Vgl. den Artikel "A Brain ...", sowie Kolata 1990 und Dietrich 1990: 20. - 23 -

Abbildung III

Transplantationssystem und Immunforschung - 24 -

Der medizinische Vorstoß in vorgeburtliche Organressourcen reakti­ vierte die medizinisch unentschiedene und ethisch umkämpfte Frage, in wel­ chem Entwicklungsstadium menschliches Leben beginnt, und ob der enorme medizinische Bedarf an fötalem Gewebe zur Ermutigung von Abtrei­ bungsentscheidungen beiträgt.30 In den USA hat diese latente Konfliktlage zu einem Verbot des Gebrauchs von fötalem Gewebe für Transplantationen geführt.31 Die Versuche, die Ressource Fötalgewebe dennoch zu erhalten, zielten dann darauf ab, die Abtreibungsentscheidung von der Entscheidung zur Spende von fötalem Gewebe strikt zu trennen.32

Die Expansionsschranken, die dem amerikanischen System der Fötal­ gewebe-Transplantation durch ethische Restriktionen gesetzt worden sind, scheinen jedoch auch über den Rückgriff auf neue technische und wissen­ schaftliche Entwicklungen, verbunden mit neuen Akteurskonstellationen im ethisch-moralischen Raum überwindbar zu sein. So ist es Wissenschaftlern der Johns-Hopkins-Universität gelungen, Nervengewebe der Großhirnrinde labortechnisch zu kultivieren. Die Transplantationsmediziner haben an der Weiterentwicklung dieser Technik ein ebenso großes Interesse wie Tierver­ suchsgegner, die Gewebeproben als Testmaterial für pharmazeutische Pro­ dukte favorisieren.33

Eine weitere und vielleicht noch bedeutsamere Interessenverschrän­ kung besteht natürlich zur neuentstehenden gewebeproduzierenden Indu­ strie. Nach Schätzungen beträgt das weltweite Marktvolumen für Zellkultu­ ren, die als pharmazeutisches Präparat angeboten werden können, immer­ hin sechs Milliarden Dollar.34 Nun hat allerdings das labortechnisch gewon­ nene Hirngewebe ein Defizit: es verfügt über keine dopaminproduzierende Neuronen.

An diesem kritischen Punkt deutet sich eine Koalition von Transplanta­ tionsmedizin und Genforschung an. Denn das Gen für die Dopamin-Synthe­ se konnte bereits identifiziert werden und wurde mit Erfolg in andere Zellar-

30Vgl. Kolata 1990. 31 Palca 1989: 752. 32 Vgl. dazu Palca 1990: 629. 33 Vgl. Sanides 1990: 12. 34 Siehe Schwarz 1989: 16, sowie Hohlfeld 1991. - 25 -

ten eingepflanzt.35 Damit scheint die Transplantation von Hirngewebe auf folgendes Verfahren hinauszulaufen: zunächst wird labortechnisch Hirnge­ webe kultiviert, dann werden spezielle Gene auf das gezüchtete Gewebe "transplantiert", um schließlich das gentechnisch manipulierte Produkt auf den Patienten zu übertragen. Dieser Rückgriff auf die Genforschung zur Züchtung von Transplantaten mag sich exotisch ausnehmen - im normalen Transplantationsbetrieb ist er, wenn auch unsichtbarer und weniger spekta­ kulär, schon präsent und zwar beim Einsatz monoklonarer Antikörper zur Abwehr akuter Abstoßungskrisen.

Vielleicht liegt aber die Lösung der Ressourcenprobleme bei der Trans­ plantationstherapie des Parkinsonismus in einem Verfahren, das ohne die Verwendung fremden oder gentechnisch produzierten Gewebes auskommt. So versuchen derzeit schwedische Ärzte, ihren Parkinson-Patienten dopa­ minproduzierende Markzellen der körpereigenen Nebenniere ins erkrankte Gehirn zu transplantieren. Um die dopaminproduzierenden Markzellen am Zielort der Transplantation nicht absterben zu lassen, müssen sie allerdings kontinuierlich mit einer Wachstumssubstanz berieselt werden, was für den Patienten sehr unangenehm sein kann.36 Die Transplantierten nutzen damit ihre eigenen Organressourcen. Für weiteren Forschungsbedarf ist auch hier gesorgt. Denn im Kern geht es um die Entschlüsselung des Absterbe- und Wachstumsprozesses dopaminproduzierender Zellen - also um einen Wis­ sensbedarf, für den wiederum die Genforschung einer der hoffnungsvollsten Adressaten sein wird.

Mit Blick auf die Ressourcenproblematik läßt auch die soweit beschrie­ bene Entwicklung der Hirngewebetransplantation einen schleifenförmig ver­ laufenden Prozeß erkennen (siehe Abbildung IV), bei dem es insgesamt darum geht, das Transplantatangebot zu diversifizieren und insbesondere eine größere Unabhängigkeit vom menschlichen Körper als Ressourcengrund­ lage zu schaffen. Ausgangspunkt bildet die ethikbedingte Nichtverfügbarkeit des menschlichen Hirns als Transplantatressource. Einen Ausweg schien der Rückgriff auf das Wissen und vor allem auf das Material der Forschun­ gen zum Fötalgewebe zu bieten. Nachdem wiederum durch ethische Restrik­ tionen die Transplantatressource Fötalgewebe versiegt war, wurden zellbiolo­

33 Schwarz 1989: 16. 36Vgl. den Artikel "Doping ...". - 26 -

gische Forschungen über gezüchtetes Hirngewebe bemüht. Die Leistungsde­ fizite (fehlende Dopaminproduktion) des gezüchteten Hirngewebes führten schließlich zum Rückgriff auf die Genforschung und zum möglichen Einsatz von Zuchttransplantaten. Und angesichts der Ängste und der Kritik, die Gentechnologien hervorrufen, braucht es keinen Propheten, um zu ver­ muten, daß auch die genmanipulierten Zuchttransplantate, sollten sie ein­ satzreif werden, die Ressourcenprobleme der Hirngewebetransplanteure nicht lösen werden. Einen Ausweg aus dieser Zwickmühle versprechen wei­ tere Forschungen zur und damit auch weitere Genfor­ schung zu eröffnen. Die widersprüchliche Entwicklung im Feld der Hirngewebetransplanta­ tion könnte für das Transplantations wesen insgesamt zukunftsweisend sein. Von den Fortschritten der bio- und gentechnologischen Forschung erwarten Transplantationsmediziner als nächsten Schritl. den künstlichen Leberer­ satz.37 Langfristig hoffen sie, über die bereits durchgeführten Verpflan­ zungen von Schweineherzklappen hinaus, gentechnisch manipulierte Tiere als Organressourcen erschließen zu können.38 Ob die Genforschung für das Transplantationswesen der 90er Jahre die Struktur- und entwicklungsprägende Stellung erhalten kann, die der Im­ munforschung in den 80er Jahre zukam, bleibt, jedoch abzuwarten. Seitdem es die Genforschung gibt, haben nämlich vor allem die Transplan­ tationsmediziner auf einen gentechnologischen Durchbruch bei der Immun­ suppression gehofft - die wesentlichen Fortschritte in der Immunsuppres­ sion wurden jedoch auf einer unerwarteten und vergleichsweise konventioel- len Basis gemacht: sowohl bei CyA wie auch bei der neuen, ebenfalls erfolg­ versprechenden Substanz FK-506 handelt es sich nämlich um Pilzextrakte.

Absicherung durch Betroffenenforschung

Im Unterschied zur Immun- und Genforschung haben die Transplantations­ mediziner erst in letzter Zeit größeres Interesse an einer "Betroffenforschung" entwickelt. Die sozialen Kontexte, persönlichen Erfahrungen und psychi-

37 Pichlmayr 1987: 325. 38 Vgl. Pichlmayr 1986: 168 und 1990b: 234. - 27 -

Abbildung IV

Transplantationssystem und Genforschung - 28 -

sehen Verarbeitungsprozesse all derer, die in das Transplantationsgesche­ hen involviert sind, also der Patienten, Spender, Spenderangehörigen, Ärzte und Pflegepersonen, wurden in der bundesdeutschen Transplantationsmedi­ zin lange Zeit vernachlässigt. Forschung auf diesen mikrosozialen und psy­ chologischen Ebenen des Transplantationsgeschehens blieb lange Zeit auf betroffenenzentrierte Zeitungs- und Fernsehreportagen beschränkt.39

Zu den wissenschaftlichen Betroffenenstudien im engeren Sinne gehö­ ren einige wenige Untersuchungen zur Rehabilitation von Transplantier­ ten.40 Sie sind nicht zufällig meist im Bereich der Nierentransplantation an­ gesiedelt. Denn zum einen überschritt die Nierentransplantation relativ früh die Schwefle zu einer anerkannten Behandlungsmethode und konnte so im Aufbau des Transplantationssystems eine Vorreiterrolle einnehmen. Zum andern weist die Nierentransplantation - im Unterschied zur Herz- oder Lebertransplantation - ein Referenzsystem auf: das in der Bundesrepublik seit Ende der 70er Jahre flächendeckend aufgebaute Netz von Dialysezen­ tren. Dies eröffnet vor allem der im Transplantationssystem betriebenen For­ schung vielfältige Ansatzpunkte für vergleichende Untersuchungen und für gesundheitspolitische und -ökonomische Analysen.41 Von den Transplan­ tationsmedizinern werden sie primär dazu genutzt, die relative Leistungsfä­ higkeit ihrer Behandlungsmethode zu demonstrieren. Von außerhalb der Transplantationsmedizin angeregte Betroffenenfor- schung konzentriert sich bislang auf psychologische Studien im Bereich der Nierentransplantation. Im Vordergrund stehen dabei vor allem Fragen nach der psychosomatischen und emotionalen Reaktion auf die Transplantation, nach der Behandlungszufriedenheit, dem beruflichen Rehabilitationsgrad,

39 Daher auch die vielen Verweise auf Zeitungsartikel ln den Fußnoten dieses Textes. Die Einstufung der Medienberichte als Forschung ist durchaus ernst gemeint. Denn in der Beschäftigung mit dem Thema haben wir die Erfahrung gemacht, daß eine gute journa­ listische Recherche einer schlechten oder gar nicht vorhandenen sozialwissenschaftli­ chen Expertise allemal das Wasser reichen kann. 40 Auch auf der Landkarte soziologischer Studien ist die Organtransplantation kaum ver­ zeichnet. Eine bemerkenswerte Ausnahme bilden die medizinsoziologischen Arbeiten von Uta Gerhardt (1986 und 1990) über sozialstrukturelle Kontexte der Rehabilitation und des Behandlungsversagens von Dialytikem und Nieren-Transplantierten. 41 Vgl. Renner/Renner 1983; Böhlen/Lange 1987; Fruhstorfer/Lange 1989; Schuster/- Schewe 1987; Seybold/Nikolay/Geßler 1983. -29 -

der partnerschaftlichen/familiären Lebensqualität und der Sexualität.42 So widmet sich beispielsweise eine am Deutschen Herzzentrum Berlin durch­ geführte Untersuchung, speziell den psychischen Belastungen, die im An­ schluß an eine Herz-Transplantation auftreten. Zu den wichtigsten psychi­ schen Problemen der nachoperativen Phase gehört die Angstüberflutung. Die durchgeführten Befragungen von Transplantierten brachten bereits erste Erkenntnisse über mögliche Zusammenhänge von Persönlichkeitsstruktur und Transplantationserfolg. So scheinen beispielsweise '"zwanghafte und gefühlsdistanzierte' Menschen mit einer längeren Heilungszeit und mehr Komplikationen rechnen" zu müssen.43 An solchen psychologischen Untersuchungen läßt sich verdeutlichen, wie Erkenntnisse der Betroffenenforschung unmittelbar systemfunktionalen Stellenwert erhalten können. Sie tragen zunächst dazu bei, die Effizienz der internen Handlungsabläufe und Entscheidungsprozesse zu erhöhen. Dar­ über hinaus bieten sie Orientierungs- und Legitimationshilfen für gezielte Rehabilitationsmaßnahmen und den Ausbau eines sozialpflegerischen Net­ zes zur postoperativen Nachbetreuung. Darüber hinaus lassen sich auf Ba­ sis gesicherter psychologischer Wissensbestände neue und kritikfeste Krite­ rien für die Patientenselektion gewinnen, die - sollten sie als verbindliche Regel in den Transplantationsbetrieb Eingang finden - nicht nur Erfolgs­ quoten erhöhen und damit Organverluste verringern, sondern auch ein Vor­ dringen nicht-medizinischer Kriterien in die Rezipientenauswahl verhindern helfen. Allerdings hat auch dieses Vorgehen Akzeptanzproblemen. Denn eine Rezipientenselektion, die persönlichkeitsstrukturelle Dimensionen des Transplantationserfolgs zur Grundlage hätte, kann sich nur schwer eventu­ ellen Einwänden entziehen, ungleich verteilte Sozialisationseffekte zu sank­ tionieren. Darüberhinaus würde die medizinische Versorgung offen mit einer Art persönlichkeitsbezogener Kontrolle verknüpft, die die medizinische Ein­ griffsbefugnisse auf alltagsweltliche Verhaltensstrukturen ausweitet.44

42 Vgl. Katschnik et al. 1980; Broda/Koch 1982; Muthny et al. 1990; Muthny/Broda 1990. Die Vielzahl und weit größere Vielfalt der amerikanischen Rehabilitationsforschung er­ schließt die Arbeit von Gerhardt 1990. 43 Vgl. Westhoff 1990; 24. 44 Historisch gesehen sind gesundheitspolizeiliche Überwachungsfunktionen der Medizin nicht ganz fremd (vgl. Attali 1981). - 30 -

Soweit die Betroffenenforschung auf die Rezipienten zielt, handelt es sich jedoch größtenteils um statistische Forschung. Als integraler Bestand­ teil der Erfolgskontrolle des Transplantationsbetriebs bietet sie größere Chancen zur Steuerung der Konkurrenz zwischen den Transplantationszen­ tren, aber auch größere Legitimationschancen insbesondere gegenüber kon­ kurrierenden Medizinbereichen. Nierentransplantationen konkurrieren mit der Dialysetherapie. Ihr Erfolg muß sich entsprechend nicht allein an der Transplantatfunktions- und Patientenüberlebensraten, sondern auch am Zugewinn an Lebensqualität für den Transplantierten messen lassen. Dies setzt wiederum das Meßbarmachen von Lebensqualität voraus - ein auf lan­ ge Sicht nicht abschließbares und - in professionspolitischer Sicht - gerade dadurch interessantes Forschungsfeld.45

Vor dem Hintergrund des chronischen Transplantatmangels und der hohen Personalfluktuation in den Transplantationskliniken zeichnen sich vergleichbare Entwicklungen auch im Bereich der Spenderforschung und der Forschung zur Arbeitssituation von Ärzten und Pflegern ab. Die beginnende Forschung zum Berufsalltag im Transplantationssystem könnte sich in spe­ zifischen Eignungskriterien bei der Personalrekrutierung und in gezielten Maßnahmen der Kooperations- und Streßschulung niederschlagen.46

Die Spenderforschung ist unmittelbar für gezielte Maßnahmen zur Er­ höhung der Spendenbereitschaft relevant, sei es in bezug auf den psycholo­ gisch geschickten Umgang mit Spendern und Angehörigen oder eine ziel- gruppensspezifische Spenderpaßwerbung. In der Bundesrepublik käme der Forschung über soziale Motive und Konsequenzen des Organspendens durch Lebendspender ein besonderes Gewicht zu. Im Vergleich etwa zur USA oder

45 Das Meßbarmachen des medizinischen Transplantationserfolges stellt eine wichtige Vor­ aussetzung für die ökonomische Bewertung der Transplantationstherapie dar; siehe hier­ zu weiter unten im Text. 45 Unter Umständen ablaufstörende Sensibilitäten gegenüber dem Explantationsgeschehen ist bei Ärzten und Pflegepersonal je nach Arbeitsaufgabe und beruflichen Sozialisation unterschiedlich ausgeprägt. Die Versuche, hierauf Einfluß zu nehmen, sind entspre­ chend zielgruppenspezifisch ausgelegt: Bei Ärzten geht es vor allem darum, daß sie trotz zusätzlicher Arbeitsbelastungen eine größere Bereitschaft aufbringen, ihre himtoten Pa­ tienten als potentielle Spender den Transplantationsvermittlungszentralen zu melden; bei den Pflegekräften geht es eher um die Entwicklung einer positiven Einstellungen zur Transplantation und zur Bewältigung der emotionalen Probleme, die speziell bei Explan­ tationen auftreten. Einige Maßnahmen, wie beispielsweise die Einrichtung des Trans­ plantations-Beauftragten, zielen sowohl auf die Verbesserung des Organressourcing als auch auf Konfliktprävention (vgl. dazu Offermann 1987; Offermann/Keller 1987: 71T. - 31 -

zu skandinavischen Ländern spielt nämlich hierzulande die Lebend- und Verwandtenspende nur eine geringe Rolle. Dafür sind vor allem kulturelle - und damit nur schwer zu beeinflussende - Faktoren der Spendenbereitschaft maßgeblich. Darüberhinaus spielen hier allerdings auch ideosynkratische Vorerfah­ rungen der deutschen Transplanteure mit in der Öffentlichkeit ausgebreite­ ten Organspendenskandalen eine Rolle. Lebendorganspenden lassen sich selbst unter Verwandten nicht hinreichend auf die Abwesenheit von mate­ riellen Interessen hin überprüfen. Hinzu tritt das Problem des psychischen Drucks, denen eng verwandte Spender vielleicht ausgesetzt sein könnten.47 Insofern geraten Lebendorganspenden im öffentlichen Diskurs leicht in die Nähe skandalträchtiger Vorfälle und Praktiken. Diese Erfahrung mußten bundesdeutsche Transplantationsmediziner wiederholt machen. Einige ha­ ben sich deshalb ganz aus der Transplantation von Organen lebender Spen­ der zurückgezogen.48 Betroffenforschung auf diesem Gebiet könnte zu handhabbaren Kriterien der Überprüfung und Selektion von Lebendspendern führen und so die gegenwärtig weitgehend brachliegenden Organressourcen der Lebendspender erschließen helfen. Insgesamt ist also auch die Betroffenenforschung, obwohl sie teilweise von Patienten mitinitiiert wurde49 und sie die Betroffenen stärker zu Wort kommen läßt, eng mit den zentralen Funktions- und Legitimationsproble­ men des Transplantationssystems verknüpft (siehe Abbildung V). Ähnlich wie im Fall der Immunforschung und der Zell- und Genforschung werden ihre Auswirkungen auf den Transplantationsbetrieb, soweit diese bereits er­ kennbar sind, weitergehende Forschungsaktivitäten und einen spezializierte- ren Forschungsbedarf nach sich ziehen. In Bezug auf die Spender sind etwa

47 Die Arbeitsgemeinschaft der Transplantationszentren in der Bundesrepublik Deutsch­ land einschließlich Berlin-West e.V. hat 1986 - als Reflex auf die Diskussion um die Kommerzialisierung des Spenderwesens - in ihrem Transplantationskodex zwar be­ schlossen, daß Organtransplantationen zwischen Nicht-Verwandten grundsätzlich nicht vorgenommen werden, gesteht den einzelnen Transplantationszentren jedoch zu, bei der Übertragung von Organen eng verwandter Lebendspender eigenverantwortlich zu verfah­ ren. 48 Vgl. dazu Beyersdörfer 1988: 286f; und den Artikel "Organ-Transfer ...". 49 Die Interessengemeinschaften der Transplantierten engagieren sich vorwiegend in der psychosozialen Beratung von Patienten, wobei das Verhältnis von Selbsthilfepotential und professioneller Unterstützung bislang ebenso ungeklärt blieb wie die Problematik der psychischen Belastung von Laienhelfem (vgl. Baumberger 1989: 27f). - 32 - vergleichende Folgeforschung und Kampagnenforschung über verschiedene Maßnahmen zur Erhöhung der Spendenbereitschaft zu erwarten, vieleicht sogar Untersuchungen über damit verbundene Nebeneffekte auf das Trans­ plantationsbewußtsein und die Leistungsansprüehe der Bevölkerung gegen­ über der Transplantationsmedizin. In Bezug auf das beteiligte medizinische Personal könnten hierdurch Untersuchungen über konfliktträchtige Ethik­ differenzen in der Medizin angeregt werden, also Studien über die teilweise weit auseinanderliegenden Berufsauffassungen bei Pathologen und Chirur­ gen, bei Krankenschwestern und Transplanteuren. Hinsichtlich der Rezi­ pienten schließlich werden mit absehbar zunehmender Kritik an dem großen ärztlichen und finanziellen Aufwand der Transplantationsmedizin Ursachen­ forschung50, Präventionsforschung und in größerem Umfang wahrscheinlich auch ökonomische Gesundheitsforschung einsetzen.51

50 Ursachenforschung dürfte sich gerade auch im Sinne unseres Interesse an wachs­ tumssteigernden Mechanismen als fruchtbar erweisen. Cyclosporin beispielsweise, daß zur Immunsupression eingesetzt wird, schädigt die Nieren und kann unter Umständen zum Nierenversagen beitragen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß Nieren­ krankheiten zunehmend durch den größeren Erfolg medikamentöser Langzeittherapien (etwa bei Diabetes, bei Rheuma oder bei den mittlerweile als Volkskrankheiten einge­ stuften Allergien) verursacht werden - die Klientel der Transplantationsmediziner wird damit im wachsenden Maße von ihren Kollegen aus anderen Medizinbereichen produ­ ziert. 51 in den USA und in England avancierte die Transplantationsmedizin bereits zu einem be­ liebten Experimentierfeld für avantgardistische Ansätze ln der Ökonomie. Im wesentli­ chen durch (für Außenstehende häufig als zynisch empfundene) Lebens- und Aufwands­ bewertungsmaßstäbe versprechen Gesundheitsökonomen dem Streit um den hohen finanziellen Aufwand für die Transplantationsmedizin, der vor allem zwischen den Trans­ plantationsmedizinern, Medizinern aus weniger kostenintensiven Bereichen und den je ­ weiligen Kostenträgern des Gesundheitswesens (Krankenkassen, Versicherungen) aus- gefochten wird, eine wissenschaftlich-rationale Entscheidungsgrundlage zu liefern. Die Folgen der Transplantationsmedizin für ökonomische Fachdebatten haben mittlerweile sogar die Aufmerksamkeit der Wissenschaftsforschung auf sich gelenkt - gesundheits­ ökonomische Lebens- und Kostenbewertungsmaßstäbe scheinen sich offenbar besonders gut als Gegenstand der Dekonstruktion wissenschaftlicher Rationalitätsansprüche zu eignen. All dies zeugt von einer großen Fortpflanzungsfähigkeit der mit der Transplanta­ tionsmedizin verbundenen Erwartungen auf wissenschaftliche Reputation (zur Ökonomie der Transplantationstherapie siehe etwa Boutsen/Gilbert 1987; Evans 1985; Kutner 1987; Schersten et al. 1986; Williams/Santiago/Evans 1987 - zur Dekonstruktion ge- sundheits- und transplantationsökonomischer Bewertungsmaßstäbe siehe Ashmore et al. 1989). - 33 -

Vernetzung durch Wissensschleifen

Zusammengefaßt kann man das Verhältnis von Transplantations- und Wis­ senschaftssystem als einen schleifenförmigen Prozeß charakterisieren. Die Lösungsversuche aktueller Problemlagen führen offenbar zielsicher zur Ent­ stehung neuer Probleme. Transplantations- und Wissenschaftssystem inter­ agieren dabei in Form einer progressiv erweiterten Spirale der Problemverla­ gerung. Trotz aller Rückgriffe auf Wissenschaft und Forschung wurde die Lücke zwischen Transplantatangebot und -nachfrage stetig größer. Die wissen­ schaftlichen Lösungsangebote haben das Organangebot zwar erhöht, zu­ gleich aber auch Veränderungen in der Systemauslegung provoziert, die eine größere Nachfrage, neue Funktionsdefizite und weiteren Wissensbedarf ent­ stehen lassen. Der vom Transplantationssystem generierte Wissensbedarf ist auf Wachstum, Akzeptanz und instrumentelle Umweltintegrationen gerich­ tet. Obwohl die Fortschritte der Immunsuppression technische Vernetzun­ gen immer weniger notwendig machen, wird es immer dichter und umfang­ reicher. Dies manifestiert sich in Techniken mit erweiterter Funktionalität, in einer intensiveren Vernetzung und in einer verstärkten Normierung von Handlungsabläufen. Es zeigt sich aber auch an der krakenhaften Ausdeh­ nung des Transplantationssystems in seine technische und nicht-technische Umwelt hinein. Das Größen- und Dichtewachstum wird dabei von einem Funktionswandel der etablierten technischen Strukturen begleitet. So wird der medizinische Bedeutungsverlust des technischen Netzes überkompen­ siert durch einen enormen Zuwachs an Steuerung- und Kontrollanforderun­ gen - und zwar vor allem hinsichtlich steigender Legitimations- und Akzep­ tanzerfordernisse .

3. Alltagskontexte des Transplantationssystems

Die bisherige Betrachtung zielte hauptsächliche auf die medizinisch-funk­ tionalen Ebenen des Organtransplantationssystems. Entsprechend kamen bislang nur jene Sinnprobleme zur Sprache, denen im Rahmen der zentralen - 34 -

Abbildung IV

Transplantationssystem und Betroffenenforschung - 35 -

Funktionsprobleme des "Systems" ein legitimatorischer Stellenwert zu­ gewiesen wird. Im weiteren wollen wir - quasi in Fortführung der Betroffe- nenforschung - aus der Perspektive der am Transplantationsgeschehen beteiligten Akteure der Frage nachgehen, in welcher Form ein derart tech- nik- und wissenschaftsintensives System in alltagsweltliche Kontexte ein­ greift. Relevant ist die Transplantationsmedizin in erster Linie für Formen des körperbezogenen Handelns und der für sie maßgebenden Körpersymboliken. Wir vermuten nun, daß der Betrieb von Transplantationssystemen und das Wissen über die Möglichkeiten der Transplantationsmedizin zu einer Pluralisierung der gesellschaftlichen Formen des Körperumgangs beitragen und insofern eine generelle Tendenz verstärken, die ihre Grundlage in der auf breiter Front in der Medizin wie in Konsumbereichen vorangetriebenen Technisierung des Körpers hat.52

Organverpflanzung und Körperpraxis

Durch die Transplantationsmedizin werden die von der Gesellschaft bereitge­ stellten Optionen des Handelns gegenüber "der Natur" um bestimmte Le­ bensverlängerungs- und Lebensverbesserungsmöglichkeiten erweitert und zwar speziell für das Handeln mit, den Bezug auf und die Behandlung von menschlichen Körpern.53 So ermöglicht die Herztransplantation ein Hinaus­ schieben des Todes, das mit herkömmlichen Mitteln der Medizin nicht zu be­ werkstelligen ist. Nierentransplantationen bilden eine Alternative zur Dialy­ sebehandlung, die für Nierenkranke mit meist viel gravierenderen Bela­ stungen, Risiken und Einschränkungen ihres Alltagslebens verbunden ist als eine Transplantation.54

52 Zur Erweiterung körperbezogener Handlungen durch "kleine technische Systeme" siehe Braun 1987 und Braun/Joerges 1990. 53 Mit dieser Formulierung soll betont werden, daß körperbezogenes Handeln und die dazu­ gehörigen Körperbilder lediglich einen Spezialfall des Handelns gegenüber der Natur und den dazugehörigen Naturvorstellungen darstellt. Technische Eingriffe in die Physiologie des Menschen weisen folglich eine Reihe struktureller Ähnlichkeiten mit technischen Eingriffen in seine Umwelt, das heißt in die sogenannten Ökosysteme auf. 54Vgl. Muthny et al. 1990; Schuster/Schewe 1987; Böhlen/Lange 1987; und Lange 1988. - 36 -

Die Inanspruchnahme und die Bereithaltung dieser medizinischen Optionen setzen eine Reihe neuartiger - auf den eigentlichen Transplanta­ tionsakt mehr oder weniger direkt bezogener - Formen des alltäglichen Kör­ perhandelns voraus. Dies betrifft zunächst den großen Problemkreis relevan­ ter Spendenpraktiken, das heißt: - die meist unter aktuellem Situationsdruck zu treffende Entscheidung über eine Organspende, sei es nun, daß ein Organ aus dem eigenen Körper (Le­ bendspende) oder Organe aus dem Körper eines gerade verstorbenen Ver­ wandten in den Bereich transplantationsmedizinischen Begehrens gera­ ten; - die unter starken moralischen und psychischen Belastungen stehende Entscheidung, durch die Lebendspende eines paarigen Organs aus dem eigenen Körper, einem persönlich Nahestehenden das Überleben zu er­ möglichen; - die generelle, von einem aktuellen Anlaß unabhängige Entscheidung, sich einen Organspenderausweis zu beschaffen und damit eine Art voraus­ schauender Körperplanung zu betreiben, die bislang nur angesichts des nahestehenden Todes üblich war - etwa im Zusammenhang mit dem Auf­ setzen eines Testaments - und mit der absehbar jeder, gerade auch junge Menschen, konfrontiert sein werden; - aber auch die zeitflexible Planung der Bestattung eines Verwandten, des­ sen zur Multi-Organentnahme freigegebener Leichnam unter Umständen eine Zeitlang konserviert werden muß. Welchen Stellenwert alltagsweltliche Strukturen für die Transplantationsme­ dizin haben, wird vor allem an den Bemühungen zur Ausweitung des Spen­ derpaßwesens deutlich. Das Interesse der Transplantationsmediziner richtet sich dabei nämlich vor allem auf die "Nettoorganlieferanten", das heißt auf Bevölkerungsgruppen, aus deren Kreis bedingt durch ihr Alter, Lebens- und Sterbensstil mehr potentiell transplantierbare Organe geborgen als zur medi­ zinischen Versorgung gebraucht werden. Dazu gehören zuvorderst die Mo­ torradfahrer. Ihr Bundesverband konnte bereits als Mitglied des Arbeitskrei­ ses Organspende gewonnen werden. Welchen Stellenwert umgekehrt die Transplantationsmedizin für das Alltagshandeln erhalten kann, zeigt die sogenannten Widerspruchslösung, die in vielen europäischen Ländern mittlerweile eingeführt ist. Mit ihr wird - 37 -

der ubiquitäre Charakter des Spendenwesens rechtlich sanktioniert. Die Wi­ derspruchslösung basiert auf der für behördliche Lösungen typischen Um­ kehrung der Beweislast: Bei einem nicht vorliegenden Widerspruch gegen die Organentnahme wird von der Zustimmung des Betroffenen ausgegangen. Ähnlich drängt auch der Aufbau von computerisierten Spenderregistern, in denen die Einwilligung und Verweigerung registriert ist, zu einer frühen - und "natürlich" jederzeit reversiblen - Entscheidung über den Umgang mit seinem/ihrem toten Körper.* 55 * Das Transplantationswesen bietet darüber hinaus ein weites Feld für die Ausdifferenzierung neuer, hochspezialisierter Rollen- und Kompetenzan­ forderungen für die medizinische und mediziütechnische Behandlung des Körpers. Man denke hier an die organspezifischen Transplantationsteams oder an die jeweiligen spezialisierten Berufsrollen und Experten für die Todesdiagnostik, die ethikverträgliche Rezipientenselektion, die Immunsup­ pression und die postoperative Nachbehandlung, den umfangreichen labor- und informationstechnischen Hintergrund der Gewebetypisierung oder die Konservierung von Organen und Gewebeproben. Als prototypisch untypisch für den bisherigen Medizinbetrieb können vor allem folgende Anforderungen und Felder der im engen Sinne professionellen Körperbezüge gelten: - die Fähigkeit zum sogenannten switch-around, der von den behandelnden Ärzten abverlangt, eben noch um das Leben des Patienten kämpfend beim sich abzeichnenden Tod des Patienten plötzlich umzuschalten, ihn nun­ mehr als potentiellen Organspender aufzufassen und entsprechende Schritte einzuleiten: - die häufig zur Organkonservierung notwendige "Pflege toter Patienten", die dem Krankenhauspersonal abverlangt wird;55

55 Zur europäischen Praxis und Rechtslage des Organspendens vgl. Wolfslast 1989. 55 Die emotionale Problematik, himtote Patienten betreuen zu müssen, deren Körper Or­ gane entnommen werden sollen, veranschaulicht der Film "Ich pflege tote Patienten - Transplantationsmedizin am Scheideweg?" (Südwestfunk, 25. Juni 1989, 22.25 Uhr). Der Film zeigt, daß das ärztliche Personal durch entsprechende Erfahrungen im Anatomie - und Pathologieunterricht weit transplantationsgünstigere Habits als das Pflegepersonal verinnerlicht hat, und beispielsweise psychische Reizschutzschwellen im Umgang mit toten Körpern leichter erhöhen und ein eher distanziert sachliches Verhältnis zum Ge­ genstand der Arbeit einnehmen kann (vgl. dazu Helmers 1989: 65fl). - 38 -

- das Fingerspitzengefühl des Arztes, der sich bei Verwandten eines Verstor­ benen um die Einwilligung in die Organentnahme bemüht.57

Es sei hier auch auf die postmortale Schönheitschirurgie hingewiesen, die vor allem nach der Entnahme mehrerer Organe mit Rücksicht auf Bestat­ tungsrituale durchgeführt wird. Zwar gehört die Leichenpräparation durch­ aus zum vertrauten Klinikalltag, vor dem Hintergrund der Spenden- und Spendeneinwilligsproblematik kommt ihr jedoch eine größere Bedeutung und spezielle symbolische Funktionen zu, unter anderem die einer Wieder- gutmachungs- oder Honorierungsgeste gegenüber den Verwandten, die in die Organspende eingewilligt haben. Im Spenden wie im Normalfall postmor­ taler Schönheitschirurgie handelt es sich um eine professionelle Antizipation möglicher pietätsbedingter Spendeneinwilligungs- oder Sektionsverweigerun­ gen. Die Vorstellung vom Schutz der Toten und der Unversehrtheit des Leichnams zwingt dazu, ein unversehrtes Erscheinungsbild der Leiche zu wahren.58 Untypische oder neuartige Körperpraktiken haben sich schließlich auch in bezug auf das Leben mit einem Transplantat herausgebildet. So ist das Leben mit einem Transplantat durch den krassen Gegensatz von aktuellem Wohlbefinden und latenter Abstoßungsgefahr geprägt. Patienten, die nach schwerer Krankheit oder langjähriger Dialyse ein Organ erhalten, fühlen sich oft wie neugeboren und können häufig einem weitgehend normalen Privat- und Arbeitsleben nachgehen. Beim gegenwärtigen Stand der Immunologie bleiben sie jedoch ein Leben lang Patient, was von ihnen ein hohes Maß an Risikobewußtsein und insbesondere den Aufbau von Lebensstrategien zur Abstoßungskrisenbewältigung abverlangt. Neben der dauerhaften Gefahr von Abstoßungskrisen rechtfertigen auch die Nebenwirkungen der Im­ munsuppression Ängste, die im Leben mit dem Transplantat bewältigt sein wollen. Zu der langen Liste unerwünschter Effekte einer auf Cyclosporin aufbauenden Immunsuppression gehören die Schädigung der Nieren und die Förderungen der Krebsbildung. Die Herausbildung transplantatbewußter Lebensweisen läßt sich auch daran ablesen, daß mittlerweile regelmäßig "world transplantat games", also

57 Hierfür wurden bereits gezielte Strategien der Gesprächsführung entwickelt (vgl. Smit/- Scharek/Viebahn 1990). 58 Vgl. Helmers 1989: 85f. - 39 -

Sportveranstaltungen für Transplantierte durchgeführt werden. Besonders drastische Veränderungen des Verhaltens gegenüber dem eigenen Körper zeigen sich bei Alkoholikern, die ihr Leben nur noch durch ein Transplantat retten können. Denn Alkoholismus gilt gemeinhin als Kontraindikation für Transplantationen.59 Insofern ist der radikale Bruch mit der alten Lebens­ weise für Alkoholiker nicht nur notwendig, um eine Transplantation und die mit ihr verbundene immunsuppressive Therapie zu überstehen, sondern be­ reits die Voraussetzung dafür, auf ein zweites Leben überhaupt hoffen zu dürfen. Transplantationsmediziner beeinflussen also - in diesem Fall über ihre Indikationsregeln - schon lange vor der Transplantation die Lebens­ weisen potentieller Rezipienten. Dieser Einfluß äußert sich potentiell auch ln anderer - sicher nicht be­ absichtigter - Weise. Denn das Wissen über die Möglichkeiten der Trans­ plantationsmedizin könnte - was sich in den USA andeutet - generell das Verhalten und die Haltung gegenüber dem eigenen Körper beeinflussen und eine zunehmende Ersatzteilmentalität im alltäglichen Körperumgang begün­ stigen - ein von Kritikern seit langem befürchteter Nebeneffekt des steigen­ den Transplantationsbewußtseins der Bevölkerung.

Organverpflanzungen und Körpersymbolik

Mit dem Stichwort der Ersatzteilmentalität ist im Grunde schon die Ebene der im engen Sinne symbolischen Repräsentationen der Körperpraktiken an­ gesprochen, speziell die Deutungsmuster vom Tod, vom Leben, aber auch von der Qualität des Lebens und Sterbens. Die Ausweitung der Handlungs­ optionen, die Organtransplantionssysteme für die gesellschaftliche Körper­ praxis bieten, haben nun teils in Verlängerung, teils in Abgrenzung vom lau­ fenden Expertenstreit um sozialhygienisch saubere Todes-, Spenden- und Selektionskriterien auch in alltagsweltlichen Kontexten Resymbolisierungen des menschlichen Körpers angestoßen und so zur Relativierung gewohnter

59 "In patients with advanced alcoholism related cirrhosis who, despite abstinence for at least 6 month and adequate nutritional state, develop hepatic decompensation, trans­ plantation may be contemplated when all other means of therapy have failed; relatively few patients however, fulfill these qualifications." (Braunwald et al. (ed) 1987: 1357) - 40 -

Deutungen, zur Mobilisierung alter und zu deren Rekombination zu spezi­ fisch neuen Deutungsmustern beigetragen. Die routinemäßige und gezielte Verknüpfung toter und lebender Körper verlangt eine entsprechende symbolische Verknüpfung von Tod und Leben, der es bislang nur in Extremsituationen bedurfte, etwa bei der Rettung der gebärenden Frau auf Kosten ihres Kindes oder umgekehrt. Hiervon betroffen sind unter anderem - die einst unproblematische Vorstellung, daß das Leben mit der Geburt resp. der Zeugung beginnt und mit dem letzten Atemzug, dem letzten Herz­ schlag oder dem Erkalten des Körpers endet, - die darin enthaltene Zeitordnung, nach der das Leben immer vor dem Tode steht, - und die Vorstellung, daß das menschenwürdige Sterben wie das Leben an körperliche Integrität und Unversehrheit gebunden ist, ein Deutungsmu­ ster, das durch verschiedene Regeln der gebotenen Pietät, aber auch durch viele religiöse Motive wie etwa der "Vergänglichkeit des Fleisches" oder des biblischen Verrottungsimperativs "Asche zu Asche" gestützt wird.60 Nicht nur für die unmittelbar Beteiligten und Betroffenen läßt sich das Transplantationsgeschehen kaum mehr durch Rückgriff auf solche Vorstel­ lungen mit Sinn ausstatten. Eher wird schon der Transplanteur zur Hebam­ me des Transplantierten, zeugt das Organ des Toten neue Lebenskraft. An­ gesichts des auf die Organentnahme wartenden "Schon-Toten", der apparativ unterstützt atmet, dessen Herz schlägt und dessen warmer, durchbluteter Körper sogar noch Reflexe zeigt, vermitteln vertraute Vorstellungen vom Tod und Leben mehr Hilflosigkeit als Sinn. In diesem Sinn bietet die Transplan­ tationsmedizin vielfältige Anläße, traditionelle Todes- und Lebensvorstellun­ gen zu aktivieren, sie aus der häufig vollzogenen Verdrängung ins Bewußt­ sein zurückzuholen, sie dann mit zeitgemäßeren und vor allem transplanta­ tionsgerechteren Semantiken zu mischen und erneut zu verdrängen. So berührt jede Transplantation die Ansprüche auf körperliche Integri­ tät, sie verletzt gängige Körpersymboliken, was naturgemäß auf der Seite des

60Andererseits ist, worauf auch von medizinischer Seite her gern hingewiesen wird, die christliche Auferstehungshoffnung nicht an die Vollständigkeit des Körpers gebunden (vgl. Salomon 1989: 42). - 41 -

Spenders und/oder seiner Verwandten mehr ins Gewicht fällt als auf der des Transplantierten. Auch kulturelle Körperbilder nicht-holistischer Art, Vor­ stellungen also über den Sitz der Seele, der Vernunft oder der Persönlichkeit in einem bestimmten Körperteil, sind davon betroffen, zumal die Trans­ plantationschirurgie zwischenzeitlich auch zum äußerst identitätskritischen Gehirnorgan vorgedrungen ist. Während durch den Aufbau und die Erweiterung von Organtransplan­ tationssystemen eine Reihe wohletablierter Körpersymboliken an Orientie­ rungskraft einbüßen und die mehr oder weniger universellen Geltungsan­ sprüche, die bislang mit ihnen verbunden waren, relativiert werden dürften, könnten bislang eher randständige oder aus der Mode gekommene Symbol­ kontexte von der Entwicklung profitieren. Die öffentliche Diskussion über die Kommerzialisierung des Spendenwesens und die Sozialpflichtigkeit des Leichnams hat beispielsweise den Topos des Altruismus remobilisiert, eine in der Liebe und anderen gesellschaftlichen Mikrobereichen nachgerade proto- typische Motivlage sozialen Handelns, die jedoch auf den makrostrukturellen Ebenen moderner Industriegesellschaften eigentümlich fehl am Platze scheint. Auch die großen Kirchen, nach wie vor Monopolisten des Deutungs­ und rituellen Managements der Grenzen des Lebens, haben ihre anfängli­ chen Widerstände gegen Organverpflanzungen aufgegeben.61 Die Organ­ spende wird nun als handgreiflicher Akt christlicher Nächstenliebe deutbar,62 ihre Ablehnung gerät dadurch in die Nähe der unterlassenen Hilfeleistung, wenn auch nicht im juristischen, so doch im moralischen Sinne.63

Der Aufbau und Betrieb der Organtransplan tationssysteme hat darüber hinaus zur Renaissance alter, ehemals mächtiger Wiederauferstehungs-, Reinkarnations- und KannibalismusvorStellungen beigetragen - Deutungsmu­ ster, die in den westlichen Industrieländern in der einen oder anderen Form im religiösen Leben (Osterfest, Abendmahl, Hostienkult), aber auch im tra­

61 Die beiden Kirchen hatten sich 1989 mit der Erklärung "Gott ist ein Freund des Lebens" zur Organtransplantation geäußert. In einer (im September 1990) abgegebenen ge­ meinsamen Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bekräftigten sie die bereits seit langem konstatierte Vereinbarkeit von Pietät und Organspende (vgl. den Artikel "Handel ..." sowie Deutsche Bischofskonferenz 1990 und Viefhues 1989). 62 Ein katholischer Moraltheologe fand dafür folgende Fonnulierung: "Hier muß die Pietät gegenüber einem Toten der Pflicht der Rettung eines Mitmenschen weichen. Das Gegen­ teil erscheint als Pervertierung echter Mitmenschlichkeit ." (Böckle 1984: 26) 63 Vgl. Schreiber 1989: 45. - 42 -

dierten Märchengut (Hänsel und Gretel) und anderen populären fiction-gen­ res, ja sogar in der Alltagssprache (sich zum Fressen gern haben) lebendig geblieben sind. Die vom Transplantationsgeschehen aktivierten Semantiken stehen dabei in durchaus widersprüchlicher Beziehung zu den funktionalen und legitimatorischen Erfordernissen des Systems. Als eher legitimationsschädigend ist die Renaissance der traditionell ne­ gativ besetzten Kannibalismusvorstellungen einzustufen, wobei die psycho­ analytische Deutung nicht ausschließt, daß sich hinter ihnen vielleicht der archaische Wunsch nach Einverleibung verbirgt.64 Im Alltagsbewußtsein dürften ihre historisch-anthropologischen Dimensionen im Vordergrund ste­ hen: der Verzehr des Toten zum eigenen Überleben und zur Aneignung der Kraft des Verzehrten.65 In diesem Sinn bieten sich Kanibalismussemantiken als eine Folie der latenten Angst an, selbst zum Einverleibten zu werden.66 Entsprechend dienen sie bevorzugt zur Markierung der kriminellen Ränder des Organtransplantationsystems. Die Reinkarnationssemantik, die spiegelbildlich zum persönlichkeits­ übergreifenden Transfer körperlicher Fähigkeiten den körperübergreifenden Persönlichkeitstransfer abbildet, dient hingegen eher zur positiven Sinnaus­ stattung des Transplantationsgeschehens. Zum einen ist sie mit nicht-line- aren, zyklischen Kosmologien - meist fernöstlicher Provenienz - konnotiert. Zum anderen enthält sie - analog zur medizin-rechtlichen Symmetrisierung der Todes- und Lebensdefinition - eine weitgehend symmetrische Anordnung von Leben und Tod. Sie kann daher insbesondere als sinnvermittelnde Brücke für Verwandte eines gerade Verstorbenen fungieren, die aufgefordert werden, in eine Organentnahme einzuwilligen. Darüberhinaus können Reinkarnationssemantiken auch sinnstiftende Funktionen im Kontext der organprotektiven Therapie übernehmen. So sind Transplantationsmediziner daran interessiert, bei den Schwestern und bei den Pflegekräften, die durch eine intensivtherapeutische Behandlung hirnto-

64 Psychoanalytische Deutungen des Kannibalismus konzentrieren sich inzwischen vor al­ lem auf die oralen Objektbeziehungen in der Mutter-Klnd-Dyade, also auf frühkindliche Erlebnisformen der Verinnerlichung des libidinös besetzten Anderen, und auf die damit verbundenen Machtphantasien, Verlustängste, Gewissensbisse, Wiedergutmachungs­ sehnsüchte (vgl. Klein 1972: 69ff). 65Vgl. Attali 1981: 21-41. 66 Wobei allerdings in psychoanalytischer Perspektive die Angst vor dem Einverleibtwerden nicht unbedingt eine uneingestandene Lust daran ausschließt. - 43 -

ter Patienten besonderen Belastungen ausgesetzt sind, eine Perspektiven­ verschiebung im Verhältnis zu der Person herzustellen, die sie wirklich be­ treuen. Adressat der Fürsorge ist demnach nicht mehr die Person des Or­ ganspenders, dessen Körperfunktionen bis zur Explantation aufrechterhal­ ten werden muß, sondern die Person des Organempfängers.67 Der den Ärz­ ten und dem Pflegepersonal abverlangte Switch-around von der Lebensret­ tung zur Organerhaltung findet mit dieser zweiten Drehung wieder zurück zu seinem Ausgangspunkt, der Lebensrettung. Gegenstand des Rettungs­ handelns ist ein dem medizinischen Personal in der Regel unbekanntes Subjekt.68 Von der Entwicklung der Transplantationsmedizin haben auch ar­ chaische Gerechtigkeitsvorstellungen des biblischen "Auge um Auge, Zahn um Zahn" profitiert. Prosaischer ausgedrückt, handelt es dabei um natural­ tauschbezogene Symmetrien von "Geben und Nehmen" - symbolische Hand­ lungsregulative, die zwischen den formalen, harten Austauschmechanismen ökonomischer oder rechtlicher Prägung und ihren emotionalen, weichen Spielarten wie der Nächstenliebe oder des Altruismus anzusiedeln sind.69 Die Symmetrievorstellung vom Geben und Nehmen ist daher vor allem auf den Zirkulationsebenen des Organtransplantationssystems relevant: bei­ spielsweise im internationalen Organaustausch mit arabischen Ländern, die

67 "Eine Intensivbehandlung potentieller Organspender versucht das Kreislaufversagen zu vermeiden, um über eine Organspende das Überleben der Transplantatempfänger zu er­ möglichen. Damit zeigt sich das große Problem, aber auch die Chance der Intensivthe­ rapie potentieller Organspender als eine vorweggenommene Intensivtherapie des Emp­ fängers. Ärzte und Pflegepersonal übernehmen bei der Behandlung himtoter potentieller Organspender Verantwortung für die wartenden Organempfänger ..." (Klöss/Fretschner/- Baumann 1990) 68 In diesem Fall unterliegt allerdings auch die Reinkarnalionssemantik einer Bedeutungs­ verschiebung, die wegführt von der traditionellen Vorstellung des körperübergreifenden Persönlichkeitstransfers. Lediglich das Organ des toten Spenders findet im Empfänger einen Ort des Überlebens, nicht jedoch der Tote als Person. 69 Indem wir (Nächsten-)Liebe und Altruismus als weiche Spielarten des Tausches bezeich­ nen, soll betont werden, daß der Altruismus wie die Liebe letztlich auf die Wechselseitig­ keit von Verhaltenserwartungen angewiesen bleibt. Die Reziprozitätsanforderungen der Liebe können durchaus harte Zwänge etablieren - jeder, der einmal unglücklich verliebt war, wird dies bestätigen. In diesem Sinne schlägt Dr. Brigitte Tannenbaum, Oberärztin der Neurochirugie vom "Krankenhaus der Barmherzigen Brüder" in Regensburg vor, die Organspende nicht nur als puren Akt der Mitmenschlichkeit, sondern immer auch als eine Art Versicherung auf Gegenseitigkeit zu begreifen: "Mit dem Kreis derer, die sich im Todesfall zur Organspende bereit erklären, wächst für jeden die Chance, daß ihm gehol­ fen werden kann, wenn er plötzlich für sich oder seine Angehörigen auf ein Transplantat angewiesen ist." (Tod und neues Leben 1990: 127) - 44 -

zwar Implantationen zulassen, nicht jedoch Organspenden, aber auch im Organaustausch zwischen verschiedenen Regionen und Transplanta­ tionszentren.70 Denkbar wäre, daß dieses Prinzip letztlich auch auf der Ebe­ ne der einzelnen Patienten größere Bedeutung erhält. Und zwar dann, wenn die persönliche Spendenbereitschaft und die Chancen, im Notfall selbst ein Organ zu erhalten, voneinander abhängig gemacht werden. SchlieJ31ich sind mit der Transplantationsmedizin auch vergleichsweise neue Formen der körperbezogenen Identität entstanden. In erster Linie be­ trifft dies die Verfremdungseffekte, die durch die Explantation für die Identi­ tät des Spenders und durch die Implantation für die des Rezipienten auftre- ten. Die Implantation und das Leben mit einem fremden Organ erzeugen - als Ausdruck der Verfremdung des eigenen Körpers und zugleich als Ver­ such des Transplantierten, dem entgegenzuwirken - das verständliche Be­ dürfnis, die anonymisierenden Verfahrensregeln der Transplantationsmedi­ zin zu umgehen und etwas über den Ursprung und die Herkunft des Organs und seines Spenders zu erfahren. Neben dem naheliegenden Interesse an der biologischen Qualität des Transplantats scheinen dabei seine im engen Sinne symbolischen Qualitäten eine Rolle zu spielen, also das Alter, das Geschlecht, die ethnische Zugehörigkeit des Spenders/der Spenderin, oder der Schicksalsschlag, der die Organspende ermöglicht hat.71 In Gegenrich­ tung sind natürlich auch die Angehörigen der Spender in symbolischer Wah­ rung ihrer Identität und ihres Willens an dem Verbleib der Organe und da­ mit an der Person desjenigen interessiert, der sie erhält.72

70 Die Eurotransplant Foundation bildet den nationalen und internationalen Austauschpro­ zeß von Organen in aktuellen Statistiken ab. Regionale Transplantationszentren sind als Eurotransplant-Mitglieder zum Ausgleich ihrer Organbilanzen verpflichtet. Wie hart der Anspruch auf Bilanzausgleich gelegentlich gehandhabt wird, zeigt ein Schreiben der Me­ dizinischen Hochschule Hannover, demzufolge dänische Patienten nicht mehr mit Herz­ transplantationen behandelt werden, solange es in Dänemark keine Anerkennung der Hirntodkriterien und damit kein entsprechendes Aufkommen an Spenderorganen gibt (Meisner 1990). 71 Muthny/Broda (1990) kamen in ihrem Projektbericht zu dem Ergebnis, daß sich ein Viertel der Rezipienten "ausgeprägte Gedanken über die Herkunft der Niere macht", wo­ bei das Alter und Faktoren der Organqualität im Vordergrund stehen, während psychisch belastende Inhalte eher verdrängt werden. 72 Einige Transplantationsmediziner versuchen dem indirekt dadurch Rechnung zu tragen, daß sie die Angehörigen von Spendern über das Gelingen der Transplantation, in gewis­ ser Weise also über das Weiterleben des Organs, informieren. - 45 -

Pluralisierung des Körperumgangs

Faßt man die transplantationsbedingten Veränderungen im Feld des Körper­ umgangs zusammen, ergibt sich in etwa folgendes Bild: Mit dem Aufbau und dem Betrieb der Organtransplantationssysteme geht eine Ausweitung sowohl der gesellschaftlichen Handlungsoptionen körperbezogener Praktiken als auch der DeutungsOptionen dieser Praktiken einher - beide Seiten zusam­ men verweisen auf eine Pluralisierung des Körperumgangs. Insofern ent­ spricht unsere Interpretation weitgehend den in der Modernisierungsdebatte vertretenen Thesen, nach denen der Entwicklungsgang moderner Gesell­ schaften durch die Pluralisierung der Lebenswelten, den Übergang zu funk- tional-differenzierten Gesellschaften oder die Heterarchisierung der Sozial­ strukturen gekennzeichnet sei. Die Pluralisierungsthese ist jedoch nicht als strikte Gegenposition zu Thesen einer fortschreitenden Rationalisierung sozialen Handelns zu verste­ hen. Wir gehen vielmehr davon aus, daß die Vervielfältigung sozialen Han­ delns mit der Privilegierung eines bestimmten Handlungstyps, nämlich dem des technischen Handelns, verbunden ist. Oder anders ausgedrückt, daß zunehmend technische Systeme einschließlich ihrer teilweise umfassenden rechtlichen, ökonomischen und auch, wie wir zu zeigen versucht haben, wis­ senschaftlichen Begleitumstände als homogene Hintergrundstrukturen für die Vielfalt gesellschaftlichen Handelns fungieren. Plastischer und mit Bezug auf den Körperumgang formuliert: In modernen Gesellschaften vermehren sich die Spielarten, menschliches Leben zu erzeugen oder zu beenden. Zugleich wird es immer schwieriger zu sterben oder geboren zu werden, ohne daß dabei umfangreiche technische Systeme im Spiel sind. Mitunter bleibt selbst nach dem Tod - was der Fall der Organtransplantation über­ deutlich demonstriert - der menschliche Körper in technische Systeme ein­ gespannt.73

73 Dies trifft natürlich auch für die "Endlagerung" des Toten und seines letzten Willens zu, die in den letzten zwei Jahrzehnten starken Pluralisieningstendenzen unterlagen. Man denke hier an das Aufkommen der Minimalbestattungen, die Renaissance der Mumifi­ zierung, die multimediale Inszenierung der Totenmesse, die Möglichkeit, sich fürs näch­ ste Jahrtausend einfrieren zu lassen oder zwischen der Verbrennung, der Land-, Meer­ oder Luftbestattung zu wählen, und an die Chemo-, Kryo-, oder Videotechnik, die dabei zum Einsatz kommt. - 46 -

Ein ähnliches Bild ergibt sich im Hinblick auf die Frage, ob die von uns beschriebenen Entwicklungen als ein Ausdruck der Säkularisierung des ge­ sellschaftlichen Lebens interpretiert werden können. Säkularisierung be­ zeichnet gemeinhin ein mit den Begriffen Vernunft, Rationalität oder Auf­ klärung etikettiertes Diskriminierungsverfahren, mit dessen Hilfe einer be­ stimmten Weitsicht relativ zu einer anderen die Legitimität entzogen wird. Auf dieser Basis ist der angesprochene Bedeutungsverlust traditioneller To­ des- und Lebensvorstellungen, vor allem die von den Kirchen vergeblich ver­ teidigte und dann stark relativierte Unversehrheit des Leichnams, relativ problemlos als ein Säkularisierungseffekt interpretierbar - die mit ihr einher­ gehende Remobilisierung der Reinkarnations- und Kannibalismussemanti­ ken aber ganz offensichtlich nicht. Die Figur der Wiederverzauberung, die in der sozialwissenschaftlichen Debatte oft zur Klärung derartig sperriger Modernisierungsphänomene be­ müht wird, stiftet jedoch mehr Verwirrung, als daß sie besonders hilfreich wäre. Die Umkehrung des Entzauberns öffnet zwar den Blick für Prozesse der Legitimitätsausstattung. Hierdurch ist jedoch kein Diskriminierungsver­ fahren für die Legitimität des Entzauberten und des (Wieder-) Verzauberten gewonnen: Ist der neuzeitliche Glaube an die Götter in weiß und der mittel­ alterliche Glaube an die Quaksalber von gleicher Qualität? Aufklärungseffek­ te verspricht eher die Figur der Säkularisierung der Säkularisation, wenn man so will, eine reflexive Säkularisierung, die "sich" der Zeitgebundenheit und Vorläufigkeit eben auch von Entzauberungsakten bewußt ist und "für die" folglich Aufklärung nicht mehr ein verabsolutierendes sondern ein rela­ tivierendes Bewertungsverfahren unter Einschluß der Kritik vorgängiger Aufklärung darstellt. Auf unser Interpretationsproblem angewandt, wirkt reflexive Säkulari­ sierung wie ein Rehabilitationsverfahren: Im Zuge der technischen Entwick­ lung können offenbar als mystisch oder religiös etikettierte Weltdeutungen nachträglich eine rationalere Grundlage erhalten. So sind im Zeitalter der Organtransplantationen Reinkarnations- und Kannibalismus Vorstellungen in der Tat weniger unvernünftig als in früheren Zeiten.74 Im übrigen hat sich

74 Es ist mittlerweile ein Allgemeinplatz, daß die neuzeitliche Aufklärung gerade im medizi­ nischen Bereich häufig über ihr Ziel geschossen ist. Man denke in diesem Zu­ sammenhang etwa an die in den 80er Jahren von den Protagonisten der Kräutermedizin unternommenen Versuche, die Legitimität ihrer Disziplin pharmakologisch zu moderni­ sieren. Zwar haben diese Versuche nicht zur Rehabilitation des naturheilkundlichen - 47 - gezeigt, daß all die Verzauberungskünste, die die Protagonisten des Trans­ plantationssystems zur Abwehr der Kannibalismusvorwürfe im Zusammen­ hang mit ersten Berichten über honduranische Organjäger demonstrierten, mittlerweile ihre Dienste versagen: krimineller Mißbrauch ist nicht mehr nur an den unzivilisierten Rändern, sondern auch in den Zentren der westlichen Zivilisation aktenkundig geworden.75

Vernetzung durch Sinnschleifen

Analog zum zweiten Teil über die Wissenschaftskontexte des Transplantati­ onssystems wollen wir uns nun folgender Frage zuwenden: Inwieweit werden die Entwicklungschancen des Organtransplantationssystems von den Plura- lisierungstendenzen im Körperumgang beeinflußt? Insbesondere werden wir fragen, ob die Vielfalt der Körpersymboliken, zu der der Aufbau des Trans­ plantationssystems beigetragen hat, seinen weiteren Aus- oder seinen Rück­ bau fördert. Es geht dabei nicht darum, ob Reinkarnationsemantiken mehr als Kannibalismussemantiken oder Ersatzteilmentalitäten mehr als ganz­ heitliche Körperbilder zum System passen. Dies gehört eher in das Feld des professionellen Deutungsmanagements, dem die Protagonisten der Trans­ plantationsmedizin in der Tat viel Aufmerksamkeit widmen.76 Es geht dabei vielmehr und zunächst um die grundsätzliche Frage, ob in Gesellschaften, die den Aufbau einer komplexen, nach wie vor angsteinflößenden und eben auch teueren Einrichtung ermöglichen, eine realistische Chance besteht, diese Einrichtung wieder zur Disposition zu stellen. Betrachtet man die öffentlichen Auseinandersetzungen, die in den letz­ ten Jahren über die Transplantationsmedizin geführt wurden, fällt die Ant­ wort eindeutig aus: so einfach wie Blei aus dem modernen Benzin werden

Lehrgebäude geführt, immerhin wurden aber daraufhin einigen ihrer bis zu 2000 Jahre alten Mixturen Wirksamkeit attestiert, das heißt ihnen wurde nachträglich der zunächst verweigerter Segen der Pharmakologie zuteil. 75 Anfang April 1990 verurteilte das Standesgericht der britischen Ärztekammen drei ihrer prominentesten Mediziner. Ihnen wurde in vier Fällen nachgewiesen, daß sie Patienten ohne deren Wissen und Einwilligung Nieren entnommen und gegen hohes Honorar Empfängern eingepflanzt haben, die den kriminellen Hintergrund der Organbeschaffung zwar nicht kannten, vielleicht aber vermuten konnten (vgl. Kneissler 1990). 76 Daß das Deutungsmanagement bis zur Zensur gehen kann, zeigen die Auseinanderset­ zung um den Film "Fleisch" von Rainer Erler (vgl. hierzu Lühe 1990). - 48 -

Transplantate sicher nicht aus der modernen Medizin verbannt werden kön­ nen. Grundsätzliche Zweifel am Sinn des Transplantationsbetriebs sind be­ reits aus dem öffentlichen Diskurs ausgegrenzt.77 Es gibt offenbar keine ein­ heitliche und sinnstabile Grundlage mehr, von der aus die Legitimität der Transplantationsmedizin in Frage gestellt werden kann. Insofern macht die Pluralisierung des Körperumgangs das System unangreifbarer. Mit dem Wachstum und der Entfaltung des Transplantationssystems bietet es zwar zunehmend mehr und größere Projektionsflächen für Ängste und Angriffsflä­ chen für Kritik, sie richten sich jedoch letztlich auf Detailaspekte des Trans­ plantationgeschehens. Die Angst vor kriminellem Mißbrauch setzt einen sinnvollen Gebrauch der Transplantationstherapie voraus, die Kritik an zu hohen Kosten unterstellt ebenso, daß Transplantationen einen Wert haben, wie die Zweifel an der Verteilungsgerechtigkeit den Sinn dessen, was verteilt wird, bekräftigen. Entscheidender für die Entwicklungsmöglichkeiten des Transplanta­ tionssystems scheint uns jedoch, daß eine Pluralisierung des Körperum­ gangs und ein verteilter Körpersinn die Detaillierung und Dezentrierung des Legitimationbedarfs vorantreiben und damit die Summe der Legitimations - anforderungen, mit denen die Betreiber des Transplantationssystems kon­ frontiert werden, insgesamt in die Höhe schrauben. Es spricht nun vieles dafür, daß der steigende Bedarf an Detail-Legitimation im Transplantations- system insbesondere durch weitere Vernetzungen und durch Umfunktionie­ rung vorhandener netztechnischer Strukturen beantwortet wird. Die techni­ schen Netzstrukturen im Transplantationssystem dienen demnach zuneh­ mend legitimatorischen Zwecken, also der Produktion von Vertrauen (Skan­ dal- und Mißbrauchsicherheit), von Gerechtigkeit (Organverteilungsgerech­ tigkeit) und von Wirtschaftlichkeit (Kostengerechtigkeit). In welcher Weise Pluralisierungstendenzen im Körperumgang eine Aus­ weitung der bestehenden netztechnischen Strukturen nach sich ziehen

77 Hierfür bezeichnend ist das Schicksal des Transplantationskritikers Jonas. Jonas ver­ sucht seit über 20 Jahren, also schon in einem frühen Stadium der modernen Trans­ plantationsmedizin, die Unverletztlichkeit des Leichnams ethisch und philosophisch zu begründen. Seine wesentlichen Argumente haben sich In dem Zeitraum kaum verändert, dennoch ist seine Position, die vor 20 Jahren als ein durchaus emstzunehmender Stand­ punkt viel Beachtung fand, durch den Aufbau der Transplantationssysteme und andere körpertechnische Entwicklungen mittlerweile hoffnungslos, wie es scheint, ins Abseits geraten. Seine nach wie vor geäußerte Kritik hat fundamentalistischen Züge erhalten (vgl. Jonas 1985). - 49 -

könnten, zeigt die aktuelle Diskussion über den Aufbau eines überregional ausgelegten Datenbanksystems zur technischen Erfassung und Dokumenta­ tion der Spendenbereitschaft. Neben dem Zeitgewinn, den ein solches Sy­ stem im Hinblick auf das Einholen der Spendeneinwilligung verspricht, böte es die Möglichkeit zur juristisch leichter normier- und damit leichter hand­ habbaren Dokumentation des individuellen Spenderwillens. Die Flexibilitäts­ spielräume der technischen Dokumentation des Spenderwillens könnten vor allem aber auch dafür genutzt werden, differenzierten Formen der Spenden­ einwilligung und -ablehnung Geltung zu verschaffen, also Spendenbereit­ schaftserklärungen, die je nach Körpervorstellung und religiöser Überzeu­ gungen nur für bestimmte Körperteile oder für bestimmte Todesumstände gelten. In welcher Weise der gestiegene Detail-Legitimationsbedarf bereits zur Umfunktionierung bestehender netztechnischer Strukturen geführt hat, zeigt das Schicksal der netztechnischen Einrichtung zur Rezipientenselek­ tion. In der Bundesrepublik werden diese Einrichtungen, deren Aufbau mit dem Verweis auf medizinische und logistische Notwendigkeiten einer weit­ räumigen Gewebekompatibilisierung begründet worden war, gegenwärtig zu einer Art zentralem Monitoringsystem des Transplantationsgeschehens um­ genutzt.78 Den Hintergrund hierfür bilden die raschen Fortschritte in der Immun­ suppression, die, wie bereits erwähnt, eine weiträumige Rezipientenselektion tendenziell erübrigen. Die netztechnischen Einrichtungen der Rezipienten­ selektion werden demnach stärker zur Überwachung der in den einzelnen Kliniken mitunter sehr unterschiedlichen Transplantations- und Organver­ teilungspraktiken, zur Regulierung zwischenklinischer Konkurrenz und zur Etablierung von Wirtschaftlichkeitskriterien eingesetzt. Auf längere Sicht wird dieses Monitoringsystem vermutlich eine Vermehrung von Transplanta­ tionspraktiken bewirken, die lokale Lösungen bieten und universalistische

78 Rudolf Pichlmayr, einer der renommiertesten bundesdeutschen Transplanteure formu­ lierte es so: 'Was ursprünglich dafür geplant war, die Verträglichkeit der Organe zu si­ chern, das möglichst gute Zusammenpassen von Spender und Empfänger, ist nun eine hervorragende Kontrolle für uns selbst" (Pichlmayr 1990b: 229). Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß in den Vereinigten Staaten erst nach 1987 einheitliche Verfahren und zentrale Überwachungseinrichtungen der Organverteilung geschaffen wurden, also zu einer Zeit, in der hochwirksame Medikamente zur Immunsuppression bereits zur Ver­ fügung standen (vgl. Dowie 1990: 147). - 50 -

Legitimationsstandards erfüllen. Auch kleinere Krankenhäuser könnten so einen Zugang zum Transplantationsbetrieb erhalten. Offenbar hat man es im Fall der Organtransplantationssysteme nicht nur im Verhältnis der technischen zur wissenschaftlichen Dynamik, sondern auch im Verhältnis zu übergreifenden kulturellen Entwicklungen mit einem Rückkopplungsphänomen zu tun: technische Vernetzungen führen zur ge­ sellschaftlichen Pluralisierung, die weitere technische Vernetzungen zur Folge haben, die ... und so weiter.

4. Wissens- und Sinnbeschaffung in technisch vernetzten Systemen

Zum Schluß sei noch einmal kurz die Absicht unserer Ausflüge in die Wis­ senschafts- und Alltagskontexte der Transplantationsmedizin resümiert. So­ wohl beim Nachzeichnen der über medizinisch-funktionale Probleme vermit­ telten Wissensschleifen des System in Bereiche von Forschung und Wissen­ schaft, als auch beim Nachzeichnen seiner über ethisch-moralische Proble­ me vermittelten Sinnschleifen in Alltagsbereiche ging es uns darum zu ver­ deutlichen, daß für viele der Probleme, die der Betrieb großer, technisch ver­ netzter Systeme aufwirft, wiederum eine technische Problemlösungen ge­ sucht und auch gefunden wird, wodurch letzten Endes das technische Sy­ steme selbst und mit ihm auch seine Problemgenerierungskapazitäten ver­ größert werden (vgl. Abbildung VI Schema A). Wir möchten nun abschließend in mehr spekulativer Absicht zwei ver­ schiedene Richtungen andeuten, in der eine generalisierende Interpretation unseres Falles möglich wäre; beide Möglichkeiten beziehen sich auf das Ver­ hältnis von Wissens- und SinnbeSchaffung in großen technischen Systemen.

Die eine, eher konventionelle Möglichkeit besteht darin, die Mechnis- men von Sinn- und Wissensbeschaffung asymmetrisch anzuordnen. Dem­ nach würden Akzeptanz- und Sinnprobleme so etwas wie einen steuernden, modellierenden Faktor für das Verhältnis von technischem System und Wis­ senschaftssystem darstellen (siehe Schema Bl). Historisch gewendet hieße dies dann, daß mit der Reife und mit wachsender Größe Aktzeptanz- und Sinnprobleme die technische Auslegung des Systems und seine Bezüge zum Wissenschaftssystem immer mehr dominieren. - 51 -

Abbildung VI

Sinn- und Wissensschleifen großer technischer Systeme - 52 -

Die zweite, weitaus komplexere Möglichkeit bestünde dann darin, Sinn- und Wissensbeschaffung symmetrisch anzuordnen (siehe Schema B2). Aus der Perspektive der Systembetreiber wäre demnach Sinn- und Wissenspro­ bleme und entsprechende Problemlösungen funktionale Äquivalente; auftre­ tende Akzeptanzprobleme ließen über den Umweg in die Wissenschaft bear­ beiten und umgekehrt. Die Tatsache zum Beispiel, daß im Fall des Transplantationssystems die Betroffenenforschung erst spät in Gang kam, würde für die erste Va­ riante sprechen, das Beispiel zentraler Spenderdatenbanken, also der Auf­ bau einer vorwiegend legitimatorischen Netzstruktur eher für die zweite. Wir wollen es hierbei belassen. Die Plausibilisierung eines derart großen Brüc­ kenschlags zwischen den harten wissenschaftlichen und weichen symboli­ schen Kontexten des Transplantationssystems wird weiterer Forschung Vorbehalten bleiben. Ein derartiger Brückenschlag erfordert ergänzende Analysen der die beiden Kontexte vermittelnden Ebenen etwa der rechtlichen oder der ökonomischen Regulierung. Vor allem aber ist er auf vergleichende Untersuchungen ähnlich gelagerter Fälle großer technisch vernetzter Sy­ steme angewiesen. - 53 -

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