Das Ornamentale in Max Klingers Druckgrafik
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Das Ornamentale in Max Klingers Druckgrafik Unter besonderer Berücksichtigung der Antikenrezeption und des Japonismus Band I (Text) Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der philosophischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Institut für Europäische Kunstgeschichte vorgelegt von Sookyoung Kim aus Seoul Erstgutachter: Prof. Dr. Thomas Kirchner Zweitgutachter: Prof. Dr. Lothar Ledderose September 2007 Vorwort Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2007 vom kunsthistorischen Institut der philosophischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Danken möchte ich allen, die zu ihrem Gelingen beigetragen haben. In erster Linie meinen beiden verehrten Lehrern, Herrn Professor Dr. Kirchner und Herrn Professor Dr. Ledderose für die fachliche Beratung und freundliche Unterstützung in allen Phasen der Entstehung dieser Arbeit. Meine Kommilitonen Georg Machauer und Charis Willems haben mich nicht nur bei der Korrektur unterstützt, sondern auch mich mit ihrer fundierten Kenntnis als Kunsthistoriker bereichert. Die Kunsthistorikerin Dr. Beatrice Stemmer, der ich eine akribisch durchgeführte Korrektur verdanke, hat sich bis ins Detail um meine Dissertation gekümmert. Ganz besonderer Dank gilt Manfred Spielmann, der über das technische Korrekturlesen hinaus mit seinem Rat mir in kritischen Zeiten geholfen hat. Dank gebührt auch der Graduierten Akademie der Universität Heidelberg, die mit einem Doktorandenstipendium im Rahmen des STIBET (Stipendien- und Betreuungsprogramms) des DAAD die letzte Phase meiner Promotion finanziell unterstützt hat. Alle genannten Hilfen waren ein wesentlicher Beitrag zum Zustandekommen meiner Dissertation. Nicht zuletzt danke ich meinen Eltern für ihre Fürsorge, und ich widme diese Arbeit meiner inzwischen verstorbenen Mutter. Heidelberg, im April 2008 Sookyoung Kim Inhalt Band I (Text) I. Einleitung 5 II. Überlegungen zur Ästhetik 12 1. Ornamentale Kunst 12 2. Das Ornament als Zeit- und Kunstform 20 III. Die ästhetische Ansicht Max Klingers in seiner Schrift „Malerei und Zeichnung“ (1891) 27 IV. Max Klinger (1857-1920) und seine Zeit 33 1. Klinger in der Gründerzeit 33 2. Die Stilelemente und Vorbilder 40 V. Das Ornamentale in den grafischen Werken Max Klingers 45 1. Die Rezeption der Antike 45 1.1 Ironisierende Rahmenbilder - Die „Rettungen Ovidischer Opfer“ 47 1.2 Die Arabeske - „Amor und Psyche“ 58 1.3 Die „Fragmente der klassischen Anthologie Emanuel Geibels“ 73 1.4 Begegnung mit dem Japonismus - „Epithalamia“ 80 2. Der Vorbote des Jugendstils 84 2.1 Das Irrationale - „Ein Handschuh“ 84 2.2 Die Buchkunst 92 2.3 Das Kunstgewerbe 103 2 3. Der Einfluss des Japonismus 107 3.1 Klinger und Japan 108 3.1.1 Klingers Interesse und Berührung mit japanischer Kunst 108 3.1.2 Die Zeitschrift Shirakaba 113 3.1.3 Kojima Kikuo 116 3.2 Der Japonismus in Deutschland 118 3.3 Das Dekorative in japanischer Kunst 124 3.4 Klingers Rezeption in Form, Stil und Motiv 126 3.5 Klinger, Schopenhauer und ostasiatisches Gedankengut 142 3.6 „Japanerin“ 149 4. Die ornamentale Symbolik 155 4.1 Die Blüte 155 4.2 „Verführung“ 159 4.3 Die Maske 162 4.4 Der Tod 166 4.5 „Genie (Künstler)“ 173 VI. Zusammenfassung 176 VII. Literaturverzeichnis 182 3 Band II (Abbildung) VIII. Abbildungen 2 IX. Abbildungsverzeichnis 56 4 I. Einleitung Klingers Kunst wurde bisher als „Gedankenpinselei“ oder „Grübelkunst“ abgestempelt. Insbesondere wurde seine Druckgrafik nach tieferer Bedeutung ausgelotet und unter Heranziehung philosophischer und literarischer Texte überinterpretiert. Dabei wurde der stilistisch formale Aspekt im Werk Klingers vernachlässigt. In der Tat hat nach Klinger die grafische Kunst die Aufgabe, den Gedanken des Künstlers zu veranschaulichen. Sie ist ein Gebiet, in dem die Kunst das Wesen, nicht den Schein darstellt, die den Geist und nicht das Auge anspricht. Jedoch führt seine grafische Kunst die Dekorativität den Augen vor. Das Ornamentale ist ein wesentliches Gestaltungselement seiner Druckgrafik. Der Begriff des Ornamentalen, das substantivierte Adjektiv, wurde vom Autor bevorzugt, im Gegensatz zu Ornament, weil Klinger weniger auf abstrakte Muster geometrischer Formen als auf die harmonische Zusammenwirkung aller figürlichen und gegenständlichen Elementen abzielt. Ein gegenständlicher Handschuh taucht in Wellen von Arabesken auf, und eine Todesdarstellung ist mit reichem ornamentalen Rahmenwerk geschmückt, das den Betrachter optisch reizt. Warum bemüht sich der Künstler in einer Kunstgattung, die ihm zufolge vieles mitzuteilen hat, um das anscheinend bloß dekorative Ornament? Eine selbständige formale Betrachtung dieser Kunstform ist lohnend, denn sie verweist auf die ästhetisch-gestalterische Leistung Klingers, die in ihrer Wirkung auf die Kunst der Jahrhundertwende ebenso gewichtet ist wie der geistige Gehalt seines 5 Werkes. Ungeachtet der tiefsinnigen inhaltlichen Botschaften bezeugt Klingers Kunst ein Stilwollen. Hinter der eklektizistischen Fassung scheint sein Streben nach authentischer Form durch. Was das ornamentale Schaffen Klingers im Einzelnen bedeutet, und inwieweit es dem Radierzyklus Klingers gerecht wird, wie darüber hinaus der dekorative Charakter seiner Druckgrafik der geistige Ausdruck der Kunst um die Jahrhundertwende (1900) wird, und wo der Widerspruch in seiner Kunst Klingers Originalität zeigt, wird in der vorliegenden Arbeit zu zeigen sein. Beim Betrachten des ornamentalen Schaffens wird deutlich, dass sich Klingers Kunst aus Antikenrezeption und Japonismus speist. In diesem Zusammenhang gilt es daher zu erörtern, inwieweit eine antike Kunstkonzeption zu einer neuen Ornamentik führt, und inwiefern alte Themen neu interpretiert werden. Im Hinblick auf den Japonismus wird untersucht, welche formalen und motivischen Elemente der japanischen Kunst Klinger übernimmt. Hat der Japonismus auf Klingers Kunst insgesamt gewirkt? Es wird sich zeigen, dass die Rezeption der japanischen Kunst als die Voraussetzung für den dekorativen Charakter seiner Druckgrafik gelten kann. Es muss auch betont werden, dass er als Erster in Deutschland die innovative Wirkung der japanischen Kunst erkannte und sie einsetzte. Es wird überdies betrachtet, in welcher Hinsicht das Ornament in Klingers Druckgrafik die Buchkunst und das Kunstgewerbe bereichert und den Jugendstil sowie den Surrealismus vorbereitet. Obgleich bereits zu seinen Lebzeiten in Ausstellungen und Publikationen gewürdigt, wurde bislang keine Arbeit dem Ornamentalen im Werke Klingers gewidmet. Aufgrund des Reichtums an Motiven wird der Betrachter gezwungen, 6 deren inhaltliche Referenz zu erschließen. Seit den 1960er-Jahren wurde seine Kunst im Sinne des Symbolismus interpretiert. Seine symbolische Kunst scheint auch in Frankreich und Italien großen Nachhall gefunden zu haben. In Japan ist Klinger in diesem Zusammenhang schon zu seinen Lebzeiten als „der größte Künstler Deutschlands“ gepriesen worden. Das Dekorative in seiner Kunst wurde dagegen selten angemessen gewürdigt, im Gegenteil. „Dekorativer“ Charakter trägt einen pejorativen Beigeschmack. Die augenscheinliche Kostspieligkeit der teuren Steine, die Klinger für seine Skulpturen importierte, und das Dekorative in seiner Grafik haben seine Kunst möglicherweise während des Nationalsozialismus und in der DDR aus dem öffentlichen Bewußtsein schwinden lassen. Außerdem fügt sich das zum Kunsthandwerklichen tendierende Dekorative kaum in das Bild des Genies Max Klinger ein. Als Geniekünstler, ja als „neuer Dürer“ wurde er 1894 von Hofmannsthal für sein grafisches Werk gefeiert.1 Auch Paul Kühn stellte ihn 1907 in eine Reihe mit Leonardo, Michelangelo, Dürer, Beethoven und Wagner.2 Die Kunst Klingers polarisierte seine Kritiker. Andere Zeitgenossen urteilten, Klingers Werke seien gekünstelt, dekorativ überladen. Margarete Hartig warf dem Künstler vor, die Stilbildung der nächsten Generation nicht gefördert zu haben. Julius Meier-Graefe, der sich einst für Klinger begeistert hatte, ist nach dem verlorenen Krieg gegen seine Kunst, sie sei von „metaphysischem Schwindel“, und Klinger „kein Künstler…sondern ein Zwischending, ein Ersatz, (ein) 1 Hofmannsthal, Hugo von. Internationale Kunstausstellung 1894, Gesammelte Werke in Einzelausgaben, Prosa I, Frankfurt 1956, S. 181f. 2 Kühn 1907, S. III. 7 Kunstgewerbler.“3 Klinger wurde entweder zum Handwerker herabgesetzt oder zum Genie erhoben. Die kunst- und weltanschauliche „Genie“-Darstellung in seiner Kunst wurde falsch verstanden, und er wurde somit zu einem nationalen Künstler befördert. Der Kunstpolitiker Franz Hermann Meissner rühmte, dass Klinger „die moderne Deutsche Rassenindividualität verkörpert“, und bezeichnete ihn „als größtes Genie der deutschen Kunst“.4 Dabei interessierte Klinger sich kaum für deutsche Literatur oder germanische Sagen, sondern eher für antike Märchen und französische Romane. Er war weniger ein nationaler, sondern vielmehr ein die nationalen Grenzen überwindender Künstler. Die vorliegende Arbeit möchte Klingers Leistung in form-stilistischer Hinsicht aufzeigen, um damit zu einer angemessenen Beurteilung des Dekorativen in seiner Kunst zu gelangen. Sein Werk wird einer Revision unterzogen und stilentwicklungsgeschichtlich eingeordnet. Das Ziel der Arbeit ist es daher, das Verständnis für die bisher hauptsächlich inhaltsorientiert gedeutete Grafik Klingers zu erweitern und das falsch dargestellte Klingerbild in der deutschen Kunst der Jahrhundertwende zurechtzurücken. Diese Arbeit teilt sich im Großen und Ganzen in zwei Teile, Theorie und Werkanalyse. Der theoretische Teil enthält Überlegungen