„Bei gleicher Umgebung lebt doch jeder Mensch in einer anderen Welt.“ Arthur Schopenhauer

Ing. Dipl. Ing. Anton Vilanek

Planung, Genehmigung und Betrieb des WINDPARK . Eine qualitative Analyse über Wahrnehmungen und Reaktionen von Akteuren und Interes- sensgruppen aus den Marktgemeinden Auersthal und Bockfließ in Niederösterreich.

MASTERARBEIT zur Erlangung des akademischen Grades

Magister der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften

Studium: SOZIAL- UND HUMANÖKOLOGIE

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung

Begutachter: Mag. Dr. Gert Dressel Institut für Wissenschaftskommunikation und Hochschulforschung an der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung | IFF Wien

Wien, im Juni 2013 Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende wissenschaftliche Arbeit selbststän- dig angefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten selbst erbracht ha- be. Ich erkläre weiter, dass ich keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle aus gedruckten, ungedruckten oder dem Internet im Wortlaut oder im we- sentlichen Inhalt übernommenen Formulierungen und Konzepte sind gemäß den Regeln für wissenschaftliche Arbeiten zitiert und durch Fußnoten bzw. durch andere genaue Quellenangaben gekennzeichnet. Die während des Arbeitsvorganges gewährte Unter- stützung einschließlich signifikanter Betreuungshinweise ist vollständig angegeben. Die wissenschaftliche Arbeit ist noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt worden. Diese Arbeit wurde in gedruckter und elektronischer Form abgegeben. Ich bestätige, dass der Inhalt der digitalen Version vollständig mit dem der gedruckten Version über- einstimmt.

Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben wird.

Ing. Dipl. Ing. Anton Vilanek Wien, im Juni 2013

I

Vorwort

In meiner Diplomarbeit als Studierender der Raumplanung und Raumordnung an der TU Wien wurde der Windpark Auersthal im Zusammenhang mit dem Thema „Auswir- kungen der Kulturlandschaftsveränderung auf die räumliche Entwicklung einer ländli- chen Gemeinde, aufgezeigt am Beispiel der Marktgemeinde Auersthal“, aus technischer Sicht beschrieben. Daraus folgte die Idee, sich weiter, aus der sozialökologischen Per- spektive, also mit den projektbeteiligten Akteuren und Interessensgruppen näher zu be- fassen, um deren Wahrnehmung und Reaktionen beim Projekt Windpark Auersthal kennen zu lernen. Als teilnehmender Beobachter konnte ich im Auersthaler Freundes- kreis Diskussionen zwischen Befürwortern und Gegnern miterleben.

Diese Arbeit wäre ohne Unterstützung durch die Marktgemeinde Auersthal sowie der mutigen Aussagen der Interviewpartnerin und der Interviewpartner nicht zustande ge- kommen. Ich bedanke mich für das Entgegenkommen, die Offenheit und das Vertrauen.

Für Rat und Unterstützung bei der Datenbearbeitung bedanke ich mich bei:

Mag. Martin Bösch, BM Land-und Forstwirtschaft, Umwelt u Wasserwirtschaft, Wien.

Dipl. Ing. Rainer Feucht, Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen, Wien.

Mag. Karl Hiesberger, Amt der NÖ Landesregierung, RU5, St. Pölten.

Mag.ª Susanne Hubl, Wiener Krankenanstaltenverbund.

Markus Heindl, Universität für Bodenkultur Wien.

Milka Hudobnik, Slowenisches Wissenschaftszentrum Wien/Dunaj.

Bernhard Kafol, Studierender der Slowenistik an der Universität Wien.

Mag. Erich Klansek, Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie, Wien.

Mag. Gerald Kroneder, Wiener Umweltschutzabteilung, MA 22.

Dr. Bettina Perthold, Universität Wien.

Dr. Gerhard Strohmeier, IFF Fakultät Wien.

Ein recht herzliches Danke gilt meinem Betreuer Mag. Dr. Gert Dressel von der IFF- Fakultät Wien für seine wohlwollende Betreuung.

II

Kurzfassung

Ziel dieser Arbeit ist es, im Rückblick den Planungs- und Entwicklungsprozess beim Windpark Auersthal zu erforschen. Im Fokus stehen Menschen, deren Umgebung durch Windkraftanlagen verändert werden sollte/wurde. Das Erkenntnisinteresse war: Welche Wahrnehmung und Reaktionen lösen die Planung, Genehmigung und der Betrieb von Windkraftanlagen bei Akteuren und Interessensgruppen aus?

Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde die Methode des problemzentrierten, leitfadengestützten Interviews gewählt. Befragt wurden neun Personen aus dem Kreise von Betreiber, Politik und Verwaltung sowie Personen aus der Bewohner- und Jäger- schaft. Die Interviewauswertung erfolgte in Anlehnung an die qualitative Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring.

Das Ökostromgesetz 2002 war für drei Betreiber von Windkraftanlagen der eigentliche Anlass zur Planung und Antragstellung von 49 Anlagen im Bereich von Obersdorf und Auersthal im Nordosten Niederösterreichs. Das ursprüngliche Forschungsvorhaben über den Windpark Auersthal musste auf Grund wechselseitiger Beeinflussung auf die bei- den benachbarten Windparkprojekte, den Windpark Bockfließ und den Windpark Kö- nigsfeld, ausgedehnt werden. Südlich vor Bockfließ sollten nämlich zeitgleich weitere 25 Windkraftanlagen errichtet werden. Erst nach Einbringung des UVP- Genehmigungsantrages wurde die Bevölkerung von Bockfließ über die geplanten Stan- dorte und die hohe Konzentration von Anlagen im Umkreis ihrer Gemeinde informiert, was massive Proteste zur Folge hatte. Rasch gegründete Bürgerinitiativen und die Bür- gerliste ProBockfließ (PROB) machten Druck auf die Entscheidungsträger. Durch poli- tische Intervention des Landes und der Gemeinden kürzten die drei Betreiber schrittwei- se ihre Projekte, von den ursprünglich 49 beantragten Windkraftanlagen wurden ledig- lich 29 Anlagen UVP-rechtlich genehmigt, nur 18 Anlagen wurden schließlich errichtet und im Juni 2006 in Betrieb genommen.

Die Windkraftgegner waren gesellschaftlich gut vernetzte Personen aus der Jagdgesell- schaft von Auersthal und Bockfließ. Weiters waren es Personen, die von ihrem Wohn- standort künftig den Blick auf die Anlagen befürchten mussten.

Infolge der unterschiedlichen topographischen Lageeigenschaften von Auersthal und Bockfließ waren die Bewohnerinnen und Bewohner von Auersthal und Bockfließ auch

III ungleich Projektbetroffene. Die Auersthaler siedeln hauptsächlich innerhalb einer lang- gezogenen Geländemulde, während sich die Besiedelung von Bockfließ vom flachen Marchfeld bis hinauf in die Bockfließer Weinberge erstreckt.

Die Projektinformation für die Bevölkerung verlief jedenfalls in den Gemeinden Auersthal und Bockfließ äußerst unterschiedlich. Die Planer des Windpark Auersthal gingen bereits mit ihrer Idee in die Öffentlichkeit und warben um Zustimmung. Sie standen stets im offenen Dialog mit der Gemeinde und der Bevölkerung und erreichten dadurch das Einvernehmen für den Windpark Auersthal. Die Projektplaner des Wind- park Bockfließ und des Windpark Königsfeld verhielten sich hingegen überaus zurück- haltend, wenn nicht schweigsam: „Der Informationsstand war gleich Null.“1 Die Aus- grenzung und Nichteinbindung der Bevölkerung von Bockfließ in das Planungsgesche- hen führte dann auch zu einem massiven Widerstand. Es kam zu einer politischen Inter- vention und zu einem sukzessiven Projektrückzug durch die Betreiber.

Fazit: Die Planung von Windkraftanlagen verlangt neben den raumplanerischen Vorga- ben auch die Kenntnisnahme sozialverträglicher Standorteigenschaften. Planungstrans- parenz und ein ergebnisoffenes Kommunizieren mit den politisch handelnden Akteuren und der Bevölkerung sind unumgehbare Voraussetzung. Empathie, Authentizität und Partizipation fördern die soziale Akzeptanz.

Der konkrete Nutzen für die Auersthaler wurde transparent gemacht, sowohl was die Kosten als auch die ökologischen Aspekte anbelangt, und nicht zuletzt dadurch, dass Windkraftwerke gegenüber anderen Kraftwerksbauten einen ganz wesentlichen umwelt- relevanten Vorteil bieten: Windkraftwerke können in nur wenigen Tagen errichtet und nach Betriebsende ebenso rasch zurückgebaut und einem vollständigem Recycling zu- geführt werden. Die Kurzfassung in der Muttersprache meines Vaters Josef Vilanek (1909-2004) aus Umberg/Umbar in der Gemeinde Wernberg/Vernberk, Kärnten/ Koroška.

Povzetek v materinščini mojega očeta Jožefa Vilaneka (1909–2004) iz Umbara/Umberg, občina Vernberk/Wernberg, Koroška/Kärnten.

1 Siehe: Aussage Alfred Müllner, S. 71.

IV

Povzetek

Cilj tega dela je retrospektivno raziskati načrtovalni in razvojni proces ob nastajanju vetrnega parka Auersthal. V središče so postavljeni ljudje, katerim naj bi se zaradi vetrnega parka spremenile življenjske okoliščine. Spoznati se je želelo, katere zaznave in reakcije akterjev in interesnih skupin so sprožile načrtovanje, odobritev in delovanje vetrnih turbin. Za odgovarjanje na vprašanje raziskave je bila izbrana problemsko usmerjena metoda strukturiranega intervjuja. Vprašanih je bilo devet oseb iz kroga lastnikov, politikov in javne uprave, prebivalcev in lovcev. Obdelava intervjujev je temeljila na kvalitativni vsebinski analizi po Phillipu Mayringu. Zakon o ekološki elektriki iz leta 2002 je spodbudil načrtovanje 49 vetrnih naprav med Obersdorfom in Auersthalom v severovzhodni Nižji Avstriji. Raziskave za vetrni park Auersthal je bilo treba zaradi medsebojnih vplivov razširiti tudi na sosedna projekta vetrni park Bockfließ in vetrni park Königsfeld. Južno od Bockfließa in pred njim naj bi se postavilo še 25 naprav. Prebivalstvo Bockfließa je bilo seznanjeno s številom in lokacijami šele takrat, ko je bila vložena prošnja za dovoljenje njihove postavitve. Sledili so množični protesti in ustanovitev ljudskih gibanj ter civilne iniciative ProBockfließ (PROB). Zaradi političnih intervencij dežele in občin so trije lastniki postopoma zmanjšali svoje projekte. Rezultat umika je bil, da je bilo od prvotno 49 predlaganih naprav na podlagi UVP pravno dovoljenih 29, dejansko postavljenih naprav z začetkom delovanja v juniju 2006 pa je bilo samo 18. Nasprotniki vetrne energije so prihajali iz vrst lokalnih lovskih društev in so se povezali z ljudmi, ki so se bali, da bodo skozi okna svojih bivališč morali gledati vetrnice. Zaradi različne topografske lege Auersthala in Bockfließa je projekt prebivalstvo obeh krajev različno prizadel. Prebivalci Auersthala prebivajo pretežno vzdolž raztegnjene kotline, medtem ko sega naselje Bockfließ od ravninskega Marchfelda do vinorodnih goric. Prebivalstvo je bilo informirano na zelo različne načine. Načrtovalci projekta vetrni park Auersthal so javnost informirali že z idejo in upali na odobritev. Vodili so odprt dialog z občino in s prebivalstvom. Projektni načrtovalci vetrnih parkov Bockfließ in Königsfeld pa so zavzeli do javnosti odnos brez besed. »Stopnja informiranosti je bila nična.« V Bockfließu je izključitev prebivalstva iz načrtovanja privedla do močnega odpora, političnih intervencij in postopnega umika lastnikov. Zaključek: Načrtovanje vetrnih turbin zahteva določene lokacije, transparentnost pri načrtovanju in odprto komuniciranje s političnimi akterji in s prebivalstvom. Empatija, pristnost in medsebojno sodelovanje pospešujejo socialno sprejemljivost. Vetrnice imajo bistveno prednost: lahko se postavijo v nekaj dneh, po prenehanju obratovanja pa se lahko hitro spet odstranijo.

V

Inhaltsverzeichnis

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ...... VIII 1. EINLEITUNG ...... 1 2. WAHRNEHMUNG ...... 3

2.1. LANDSCHAFTSWAHRNEHMUNG ...... 4 2.2. LANDSCHAFT UND LANDSCHAFTSBILD ...... 4 2.3. EUROPÄISCHE LANDSCHAFTSKONVENTION ...... 7

3. PROJEKTBESCHREIBUNG ...... 9

3.1. WINDKRAFTNUTZUNG FRÜHER ...... 9 3.2. WINDKRAFTNUTZUNG HEUTE ...... 13 3.3. REGIONALE CHARAKTERISTIK: UND MARCHFELD ...... 15 3.4. LOKALE CHARAKTERISTIK: AUERSTHAL UND BOCKFLIEß ...... 16 3.5. WINDVERHÄLTNISSE UND EIGNUNGSZONE ...... 21 3.6. WIND IM MARCHFELD ...... 22 3.7. PROJEKT: WINDPARK MARCHFELD NORD ...... 25 3.8. ÜBERSICHTSFOLDER: WINDPARK MARCHFELD NORD ...... 25 3.9. PROJEKT: WINDPARK AUERSTHAL ...... 31 4. AKTEURE UND INTERESSENSGRUPPEN ...... 32

4.1. BETREIBER UND PROJEKTWERBER ...... 32 4.2. POLITIK UND VERWALTUNG ...... 33 4.3. BEFÜRWORTER UND GEGNER ...... 33

5. FORSCHUNGSFRAGEN...... 34 6. METHODIK ...... 35

6.1. DATENBASIS ...... 36 6.2. QUALITATIVE DATENERHEBUNG ...... 38 6.2.1. Feldzugang ...... 40 6.2.2. Interviewpartnerin und Interviewpartner ...... 40 6.2.3. Interviewdurchführung und Transkription ...... 42 6.3. DATENAUSWERTUNG ...... 42 7. ERGEBNISSE ...... 44

7.1. WAHRNEHMUNG DER AKTEURE UND INTERESSENSGRUPPEN ...... 45 7.1.1. Betreiber und Projektwerber ...... 45 7.1.2. Politik und Verwaltung...... 49 7.1.3. Befürworter und Gegner ...... 50 7.2. WAHRNEHMUNG VON INFORMATION UND KOMMUNIKATION ...... 51 7.2.1. Sondierungsgespräche ...... 53 7.2.2. Besichtigung von Windparkanlagen ...... 58 7.2.3. Informationsveranstaltungen ...... 59 7.3. REAKTIONEN ...... 66 7.3.1. Pro und kontra Bevölkerung ...... 69 7.3.2. Jägerschaft und Wild ...... 73

VI

7.3.3. Widerstand: Bürgerinitiativen und Bürgerliste ...... 77 7.3.4. Betreiber- und Beteiligungsmodelle ...... 85 7.3.5. Betrieb und Rückbau nach Betriebsende ...... 86 7.3.6. Akzeptanz und Gewöhnung ...... 88 8. SCHLUSSKAPITEL ...... 91

8.1. DISKUSSION ...... 92 8.2. ZUSAMMENFASSUNG ...... 93 8.3. AUSBLICK ...... 95 9. ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...... 96 10. LITERATURVERZEICHNIS ...... 98 11. INTERNETQUELLEN ...... 100 12. ANHANG ...... I

12.1. RECHTLICHER HANDLUNGSRAHMEN ZUM WP AT ...... I 12.1.1. Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung 85/337/EWG ...... i 12.1.2. Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2001/77/EG ...... ii 12.1.3. Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 ...... ii 12.1.4. Luftfahrtgesetz ...... v 12.1.5. Niederösterreichisches Raumordnungsgesetz NÖ ROG 1976 ...... v 12.1.6. Niederösterreichisches Naturschutzgesetz NÖ NSchG 2000 ...... vii 12.1.7. Ökostromgesetz 2002 ...... viii 12.2. INTERVIEWLEITFADEN ...... VIII 12.3. ZEITTAFEL UND MEILENSTEINE ...... IX 12.4. TECHNISCHE FAKTEN ZUM WP AT ...... XIV 12.4.1. Flächenbedarf ...... xiv 12.4.2. Technische Kenndaten...... xv 12.4.3. Fundament ...... xvi 12.4.4. Turm ...... xvi

VII

Abkürzungsverzeichnis

Abs Absatz AWI-Bockfließ Bürgerinitiative Anti-Windkraftwerks-Initiative Bockfließ Art Artikel BGBl Bundesgesetzblatt BOKU Universität für Bodenkultur Wien B-VG Bundesverfassungsgesetz dh das heißt dzt derzeit Ebd Ebenda EG Europäische Gemeinschaft EU Europäische Union EVN Elektroversorgungsunternehmen Niederösterreich EVN Naturkraft Tochterunternehmen der EVN EVU Energieversorgungsunternehmen EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ha Hektar Hg Herausgeber idgF in der geltenden Fassung IG WINDKRAFT Interessengemeinschaft Windkraft Österreich iR in Ruhe, pensioniert km² Quadratkilometer km/h Kilometer je Stunde kV Kilovolt kW Kilowatt kWh Kilowattstunde LGBl Landesgesetzblatt lit Buchstabe lt laut m/s Meter je Sekunde MW Megawatt NÖ Niederösterreich NÖ ROG 1976 Niederösterreichisches Raumordnungsgesetz 1976 NÖ NSchG 2000 Niederösterreichisches Naturschutzgesetz 2000 Nr Nummer OMV OMV Aktiengesellschaft ÖKOENERGIE ÖKOENERGIE GmbH & Co KG ÖVP Österreichische Volkspartei PROB ProBockfließ RL Richtlinie RWTH Aachen Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen SPÖ Sozialdemokratische Partei Österreich TU Wien Technische Universität Wien ua unter anderem U/min Umdrehungen je Minute

VIII

US Umweltsenat UVE Umweltverträglichkeitserklärung UVP Umweltverträglichkeitsprüfung UVP-G 2000 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 UVP-RL Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung Vgl Vergleiche VwGH Verwaltungsgerichtshof VfSlg Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs Watt/m² Watt je Quadratmeter WEB WEB Windenergie AG WKA Windkraftanlage WP MFN Windpark Marchfeld Nord WP AT Windpark Auersthal WP BF Windpark Bockfließ WP KF Windpark Königsfeld WWS WWS ÖKOENERGIE GmbH & Co KG zB zum Beispiel Zl Zahl zT zum Teil

IX

1. Einleitung

Die Nutzung von knapper werdenden fossilen Energieträgern schadet dem Klima und der Umwelt und bewirkt Ressourcenverbrauch. Die nachhaltig und regional erzeugten Strommengen aus den heimischen Windkraftwerken sind eine mögliche Alternative und ein Beitrag zur Erfüllung der österreichischen Klima- und Energiestrategie. Windkraft- werke fördern die eigene Wertschöpfung und machen uns energiepolitisch vom Ausland unabhängiger.

Windkraftanlagen erregen Aufmerksamkeit. Sie wecken die Wahrnehmung und schaffen Emotionen und Konflikte. Windkraftwerke können innerhalb weniger Tage errichtet wer- den und verändern in kürzester Zeit das Erscheinungsbild einer identitätsstiftenden Kul- turlandschaft. Windkraftwerke bewirken Nutzungskonflikte, da bestimmte Vogel- und Fledermausarten ihre angestammten Jagd- und Fressflächen verlieren. Ausgleichsflächen müssen geschaffen und erhalten werden. Windkraftwerke erzeugen im Nahbereich Ge- räusch und Schattenwurf. In der kalten Jahreszeit ist Eisabfall möglich. Bei der Bau- landwidmung sind die Abstandsregeln des Niederösterreichischen Raumplanungsgesetzes zu berücksichtigen.

Es waren die Förderungsbestimmungen des Ökostromgesetzes 2002, die damals den Be- treibern den Impuls zur Planung neuer Windkraftanlagen gaben. Drei Betreiber begannen ohne gegenseitige Absprache mit den Planungen von acht Windparkanlagen mit insge- samt 49 Windkraftanlagen. Diese 49 Anlagen sollten zwischen Obersdorf und Auersthal im südöstlichen Weinviertel, auf den ebenen freien Flächen des Marchfeldes, errichtet werden.

Der Fokus dieser sozialempirischen Forschungsarbeit liegt beim WINDPARK AUERSTHAL (ab nun: WP AT), der östlichsten Sektion des WINDPARK MARCH- FELD NORD (ab nun: WP MFN). Auf Grund der gegenseitigen Beeinflussung muss der WP AT im Kontext des Gesamtprojektes, des WP MFN, erhoben und interpretiert wer- den. Für den Projektverlauf beim WP AT waren insbesondere die beiden benachbarten Wind- parksektionen, der WINDPARK BOCKFLIEß (ab nun: WP BF) und der WINDPARK KÖNIGSFELD (ab nun: WP KF), relevant.

1

In der Arbeit geht es um Wahrnehmung und Reaktionen sowie um die Beantwortung der Frage, wie die Akteure und Interessensgruppen die Planung, Genehmigung und Errich- tung des WP AT wahrgenommen und darauf reagiert haben.

Menschen nehmen unterschiedlich wahr. Ihre Wahrnehmung und Reaktionen beeinflus- sen über Art und Inhalt ihrer Interaktion sowie über die Wege der Kommunikation das soziale Leben. Im Zentrum dieser sozialempirischen Forschung stehen die Akteure und Interessensgruppen aus den beiden benachbarten Marktgemeinden Auersthal und Bock- fließ. Es waren letztlich die Bewohnerinnen und Bewohner von Auersthal und Bockfließ, die durch Protestmaßnahmen den Projektverlauf massiv beeinflusst haben.

Die Idee für einen WP AT entstand im Jahre 2002. Zwischen 2003 und 2004 begannen zwei vom Betreiber des WP AT beauftragte Personen unter Einbindung der politischen Entscheidungsträger und der Bevölkerung mit der Planung, Information, Diskussion und Kommunikation für den WP AT. Die eigentlichen Baumaßnahmen, die Errichtung und die Inbetriebnahme der zehn Anlagen des WP AT erfolgte zwischen Jänner und Juni 2006.

Zur Erforschung des Erkenntnisinteresses wurden mit einer Expertin und acht Experten qualitative Leitfadeninterviews geführt. Die zentrale Frage dabei war: Welche Wahrneh- mung und Reaktionen konnten die Expertin und die acht Experten bei der Planung, der Genehmigung und dem Betrieb des WP AT in der Marktgemeinde Auersthal und in der Marktgemeinde Bockfließ feststellen?

2

2. Wahrnehmung

Wahrnehmung setzt Aufmerksamkeit, Interesse oder ein Bedürfnis voraus. Erfahrungs- hintergrund und Befindlichkeit beeinflussen die subjektive Betroffenheit von Menschen. Menschen sind bedürfnisorientierte Wesen mit unterschiedlicher Sozialisation und unter- schiedlichem Charakter. Stark variierend ist dabei das Verhältnis zwischen Empathie und Rücksichtslosigkeit, zwischen der Betonung des Gemeinwohls und der Eigeninteressen. Verschieden sind auch die Bereitschaft und das Vermögen, auf andere Menschen zuzuge- hen und Kontakte herzustellen bzw zu erhalten. Nina Zschocke beschreibt Wahrnehmung, Erkennen und Verarbeiten von Informationen als komplexe Prozesse:

„Die wahrgenommene Form oder ‚Wahrnehmungsgestalt„ ist ein Produkt der gehirninternen Prozesse und als solches nicht mit der ‚physischen„ Gestalt eines externen Objektes gleichzusetzen. ‚Das Sehen kann nicht allein durch die Eigenschaften des wahrgenommenen Gegenstandes erklärt werden, sondern ist von Vorgängen im Gehirn abhängig.„2“3 Alexander Piecha verbindet die Wahrnehmung mit Emotion und Denken wenn er meint:

„Wahrnehmung, Emotion und Denken sind nicht voneinander unabhängig, sondern funktional wie anato- misch eng miteinander verknüpft; jede Trennung ist eine künstliche. Eine hierarchische Ordnung von Wahrnehmung, Emotion und Denken existiert nicht. Nicht nur das Denken ist für die kognitiven Leistungen des Menschen verantwortlich, sondern ebenso die Wahrnehmung und auch die Emotionen.“4 Ulrich Ansorge und Helmut Leder sprechen von multimodaler und von integrierter Wahrnehmung von Gegenständen: „Wir sehen und hören z.B. einen Menschen sprechen oder einen Vogel singen.“5 Die beiden Autoren verweisen auf Standortbedingungen, oder wie Ansorge und Leder es nennen, auf die „Positionsinformation“ einer Reizquelle, wel- che für die subjektive Wahrnehmung entscheidend ist.

„Übereinstimmende Positionsinformation eines auditiven Reizes und eines visuellen Reizes erlaubt es z.B. beide als vom selben Reiz stammend wahrzunehmen. So wie im Falle des gesehenen und gehörten Vogel- gesanges. Positionsinformation erlaubt außerdem eine Integration von Handlung und Wahrnehmung.“6

2 Vgl. ARNHEIM, Rudolf (1999): Gestaltpsychologie und künstlerische Form. In: HENRICH, Dieter (Hg): Theorien der Kunst. S. 134. 3 ZSCHOCKE, Nina (2006): Der irritierte Blick. S. 27-28. 4 PIECHA, Alexander (2001): Wahrnehmung, Emotion und Denken. In: Conceptus XXXIV, Nr. 84. S. 117. 5 ANSORGE, Ulrich und LEDER, Helmut (2011): Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. S. 135. 6 Ebd. S. 135.

3

Arthur Schopenhauer befasst sich im Jahre 1851 in seinem zweibändigen Werk „Parerga und Paralipomena“ in den Aphorismen zur Lebensweisheit mit diesem Thema. Er formu- liert darin über Wahrnehmung als ein höchst subjektives Erleben, indem er meint: „Bei gleicher Umgebung lebt doch jeder Mensch in einer anderen Welt.“7 Arthur Schopen- hauer definierte in knappen elf Worten die subjektive Wahrnehmung des Menschen.

2.1. Landschaftswahrnehmung

Auf die Erkenntnisse zur Wahrnehmung folgt die Überleitung zum theoretischen Kontext über Reizerkennung und Wahrnehmung. Reizerkennung und Wahrnehmung können be- wusst oder unbewusst, zeitgleich oder hintereinander, selektiv oder ganzheitlich erlebt werden. Sie heben oder senken den Grad der Aufmerksamkeit, die Reizaufnahme, Reiz- empfindung und Reizverarbeitung. Erfahrungen werden im Gedächtnis gespeichert und bei Wiedererkennung verglichen.8 Befindlichkeit, Einfühlungsvermögen und kulturelle Prägung beeinflussen die subjektive Wahrnehmung.

Wahrnehmung von Landschaft kann mit positiven oder negativen Gefühlen verbunden sein, kann als starkes oder schwaches Erlebnis empfunden werden und sich kurz- oder langfristig in das Gedächtnis einprägen. Lucius Burckhardt meint dazu in seinen Ausfüh- rungen zur Spaziergangwissenschaft: „Landschaft wahrzunehmen muß (sic) gelernt sein, das gilt sowohl historisch als auch individuell.“9 Burckhardt beschreibt, dass der geschau- ten Umwelt trotz der „individuellen Verschiedenheit eine kollektive Einheit übergeordnet sein muss, die wir als ‚Kultur„ bezeichnen“.10

2.2. Landschaft und Landschaftsbild

Landschaftswahrnehmung bedeutet Selektion und Reduktion. Dieter Klöppel und Chris- tian Krause schreiben zum Erscheinungs- und Vorstellungsbild von Landschaft folgend:

„Das Wort Landschaft fasst einzeln wahrgenommene Objekte und verschiedenartige Phänomene – zum Beispiel Bäume, Wiesen, Hügel, Wolken, Vogelgezwitscher – zu einer Ganzheit zusammen. Mit diesem

7 Vgl. SCHOPENHAUER, Arthur (1851): Aphorismen zur Lebensweisheit. Kapitel I. S. 302. 8 Vgl. ROCK, Irvin (1998): Wahrnehmung: Vom visuellen Reiz zum Sehen und Erkennen. S. 110. 9 BURCKHARDT, Lucius (1980): Warum ist Landschaft schön? S. 5. 10 Ebd. S. 35.

4 synthetisierenden Prozeß (sic) wird ein bestimmter Umweltausschnitt klassifiziert, der eine bestimmte Reiz- situation, bestimmte Merkmale und ästhetische Wertinhalte enthält.“11

Emotion, Sozialisation, Bedürfnisse sowie Interessen einer Beobachterin oder eines Be- obachters beeinflussen das Wahrnehmungsempfinden von Landschaft. Landschaften kön- nen bereits auf Grund ihrer spezifischen Merkmale erkannt werden, wie die Gischt am Meeresstrand oder das Rauschen des Windes im Hochwald. Meist verschmelzen die Sin- nes- und Wahrnehmungsempfindungen zu einer Einheit.

Wahrnehmung im Allgemeinen und Wahrnehmung von Landschaft im Besonderen sind dynamische Prozesse. Was wir als schön, lieblich, abstoßend, wohlschmeckend, duftend oder klangvoll bezeichnen, ist weitestgehend kulturell geprägt. Diese Wertung bezieht sich allgemein auf die jeweiligen Lebensverhältnisse der Menschen wie zB auf Essen, Bekleidung, Möbel [...] bis hin zur Landschaft. Gerhard Strohmeier formuliert dazu:

„Wahrnehmung von Landschaft scheint zunächst ein subjektives Verhältnis zwischen Menschen und ihrer räumlichen Umwelt. Schon bei oberflächlicher Reflexion wird deutlich, dass hier mehr im Spiel ist als subjektive, zufällige Positionen. Bestimmten Regionen, Städten und Dörfern kommt die Aufmerksamkeit von Bild- und Textproduzenten zu, sie werden als romantisch, schön, harmonisch etc dargestellt. Andere Regionen fallen unter die Aufmerksamkeitsschwelle oder werden als hässlich, zerstört, abstoßend etc dekla- riert. Regionen werden durch bestimmte Wahrnehmungsweisen von Landschaften auf- und abgewertet. Bedeutungen und Bewertungen einer Landschaft, ja selbst die Tatsache, ob ein Raum überhaupt als Land- schaft wahrgenommen wird, gehen über die je individuellen Beziehungen zu einer Landschaft hinaus, sie haben gesellschaftliche Wurzeln und kulturelle Formen. Wirtschaftliche, politische und kulturelle Struktu- ren schaffen in einer komplexen Dialektik die Voraussetzungen für bestimmte Moden der Landschafts- wahrnehmung und auch für deren Veränderung: Neue Interessen und Strategien beeinflussen die Bildpro- duktion, manchmal werden Landschaftsbilder nach wenigen Jahren wieder vergessen, manchmal bleiben sie als tief liegendes Sediment von Wahrnehmung über Jahrhunderte wirksam.“12 Strohmeier spricht in diesem Zusammenhang von „Moden der Wahrnehmung“. Diese „Moden“ beinhalten, wie Strohmeier erwähnt, „kulturelle Vorstellungen und Werthaltun- gen von Gesellschaften [...]. Ästhetische Einstellungen und Vorlieben [...] Bewertungen, [...] ökonomische Auf- und Abwertungsprozesse.“13

Landschaftsbilder und die Wertvorstellungen von Landschaft wandeln sich. Solche Ver- änderungen lassen sich künstlerisch durch die gewählte Formensprache einer bestimmten Zeit oder einer Epoche zuordnen. Landschaft findet sich in der Malkunst, Literatur und

11 KLÖPPEL, Dieter und KRAUSE, Christian (1996): Windparks in der Erholungslandschaft. S. 5. 12 STROHMEIER, Gerhard (2008): Wahrnehmung von Landschaften. Identitäten und Kulissen. In: KÜH- SCHELM, Oliver (Hg): Niederösterreich im 20. Jahrhundert. Band Kultur. S. 208. 13 STROHMEIER, Gerhard (2008): Wahrnehmung von Landschaften. Identitäten und Kulissen. In: KÜH- SCHELM, Oliver (Hg): Niederösterreich im 20. Jahrhundert. Band Kultur. S. 207.

5

Musik. Beispiele dazu sind: Die Landschaftbilder der beiden Unterkärntner Maler Werner Berg oder Giselbert Hoke, Wolfgang von Goethes „Osterspaziergang“ oder Rainer Maria Rilkes „Herbsttag“ sowie die sinfonischen Dichtungen „Die Moldau“ von Friedrich Sme- tana oder die „Römische Trilogie“ von Ottorino Respighi.

Die Umwelt verändert sich natürlich oder durch Eingriffe des Menschen. Eingriffe wer- den in der Landwirtschaft durch den Rückgang der kleinstrukturierten Flächenbewirt- schaftung sichtbar. Durch die Umstellung auf intensivlandwirtschaftliche Betriebsweise können bei geringerem Arbeitsaufwand höhere Erträge erwirtschaftet werden. Kulturver- ändernde Maßnahmen wie Flurbereinigungen, Geländekorrekturen, Entwässerungspro- jekte sowie Aufforstungen wurden in den letzten Jahrzehnten öffentlich gefördert. Als Folge dieser Maßnahmen kommt es jedoch zu einer Verarmung einer jahrhundertealten Kulturlandschaft.

Landschaftsbilder verändern sich auch durch Wirtschaftswachstum und neue Produkt- nachfragen. Produkte brauchen zur Herstellung Energie und ein steigender Energiever- brauch verlangt wiederum den weiteren Bau oder den Ausbau von Kraftwerken und leis- tungsstarken Übertragungsnetzen.

Durch die Errichtung von Windkraftwerken kommt es zu einer Veränderung des Land- schaftsbildes, zu einer Überformung von Landschaft. Die Wahrnehmung von Windkraft- anlagen weckt die Aufmerksamkeit, schafft Emotionen, schürt Ängste und führt zu Kon- flikten.14

Zur Sicherung der Umwelt verlangt das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) in der Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) die Beschreibung der zu erwartenden Auswirkungen auf die Umwelt.15 Gemeinsam mit der UVE müssen aus die- sem Grunde Landschaftsbildgutachten der Behörde beigebracht werden. Andrea Kinsper- ger beschreibt dazu die Situation an Hand der Landschaftsbildbewertungen für alle acht zur UVP beantragten Windparksektionen des WP MFN:

„Gerade im Rahmen umweltverträglichkeitsprüfungspflichtiger Vorhaben ist die Beurteilung von mehreren Projektalternativen in Bezug auf Platzierung der Anlagen, Anlagehöhe, Anordnung im Raum (Aufstel- lungsmuster) sowie Design der Anlagen Hauptaufgabe der Landschaftsbildbewertung und unterstützt Ent-

14 Vgl. STADLOBER, Michael (1997): Die Einführung der Windkraftnutzung in Österreich. S. 18-19. 15 URL: http://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/BE127.pdf. (15.06.2013).

6 scheidungsprozesse. Aus der Betrachtung der Theorie und der praktischen Beispiele ließ sich ein einzelfall- bezogenes Bewertungsverfahren für Windkraftprojekte in Niederösterreich ableiten. Die Darstellung der Methodik und der einzelnen Arbeitsschritte erfolgte eingebettet in das Gerüst eines iterativen Planungspro- zesses, in den auch die Betroffenen eingebunden werden sollen. Ein derartiger Verfahrensablauf ist anzu- streben, da er die Akzeptanz des Projektes in der lokalen Bevölkerung steigert.“16 Die soziale Akzeptanz der Bevölkerung zur Errichtung neuer Windkraftwerke ist eine wesentliche Projektvoraussetzung. Auf eine akzeptanzerhöhende Wirkung verweisen Ri- chard Bandler und John Grinder. Sie geben einem Geschehen, einem Bauwerk oder einer wahrgenommenen Situation bewusst eine andere Sinndeutung wenn sie meinen:

„Die Bedeutung, die ein Ereignis hat, hängt ab von dem ‚Rahmen„, in dem wir es wahrnehmen. Verändern wir den Rahmen, so verändern wir die Bedeutung. […] Das wird ‚Reframing„ genannt: man wechselt den Rahmen, in dem ein Mensch Ereignisse wahrnimmt, um die Bedeutung zu verändern. Wenn sich die Be- deutung verändert, verändern sich auch die Reaktionen und Verhaltensweisen des Menschen.“17 Am Beispiel der Kies- und Schottergruben im Nahbereich der Auersthaler Windkraftan- lagen wird dieser Zusammenhang verständlich. Meist werden großflächige Kies- und Schottergruben erst beim Überfliegen erkannt und stören daher nicht. Windräder sind hingegen aufgrund ihrer Mächtigkeit von den Anrainern und Bewohnern eher einsehbar, doch beim Überfliegen in großer Höhe wirken die Auersthaler Windkraftanlagen unspek- takulär.

2.3. Europäische Landschaftskonvention

Im Jahre 2000 wurde vom Europäischen Ministerrat die Europäische Landschaftskonven- tion beschlossen. Ziel der Europäischen Landschaftskonvention ist es, die Weiterentwick- lung zu fördern und die Landschaftszerstörung zu verhindern sowie die Ideale und Grundsätze, die das gemeinsame Erbe bilden, zu bewahren und zu fördern. Eine nachhal- tige Entwicklung sowie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den gesellschaftlichen Bedürfnissen, der wirtschaftlichen Tätigkeit und der Umwelt sollen erreicht werden.

Merkmale der Konvention sind Subsidiarität, Erstellung von Leitlinien für die Evaluie- rung, die Vergabe von Preisen und der Schutz von erhaltenswerten Landschaften in Euro- pa. Im Kapitel I, Artikel 1, wird unter Punkt a beschrieben: „Landschaft ist ein vom Men-

16 KINSPERGER, Andrea (2005): Windkraft im Landschaftsbild. Dipl.-Arb., BOKU Wien. S. 1. 17 BANDLER, Richard und GRINDER, John (2000): Reframing, ein ökologischer Ansatz in der Psychothe- rapie. S. 13.

7 schen als solches wahrgenommenes Gebiet, dessen Charakter das Ergebnis des Wirkens und Zusammenwirkens natürlicher und/oder anthropogener Faktoren ist.“18 Landschaft bietet demnach eine Grundlage für Lebensqualität und Identität. Österreich ist der Kon- vention bisher noch nicht beigetreten.

18 EUROPARAT (2000): Europäische Landschaftskonvention.

8

3. Projektbeschreibung

Winde entstehen durch unterschiedlich starke Sonneneinstrahlung und Temperaturver- hältnisse auf der Erde. Die auftretenden Luftdruckunterschiede bewirken eine Zirkulation der Luftmassen, welche die Luftdruckunterschiede ausgleichen. Windkraftwerke nutzen das Potenzial von bewegten Luftmassen zum Antrieb der Rotoren.

Projekte zur Errichtung und zum Betrieb von Windkraftanlagen müssen ab einer be- stimmten Größe nach dem UVP-G 2000 behördlich genehmigt werden. Mit dem Antrag zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist die Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) einzureichen. In der UVE wird das Projekt umfassend beschrieben und dargestellt. Die möglichen Alternativen und die Umweltauswirkungen sind durch Gutachten zu bele- gen.

3.1. Windkraftnutzung früher

Die Windkraft wurde in der Antike bei der Schifffahrt genutzt. Später, ab dem 13. Jahr- hundert, zum Antrieb der Windmühlen für das Mahlen von Getreide, bei der Verwendung als Öl- oder Papiermühlen oder – wie in den Niederlanden – zum Wasserpumpen oder - schöpfen.

Aus Überlieferungen ist bekannt, dass es bei uns in den gewässerarmen Gegenden verein- zelt Windmühlen gab. In Retz im Weinviertel19 und in Podersdorf am See20 stehen noch heute zwei funktionsfähige Turmwindmühlen. Bis zum Jahre 1924 wurde die Retzer Windmühle zum Schroten und Mahlen von Getreide verwendet. Als Folge der Industriali- sierung und des Mobilitätsfortschrittes – durch den Bau und Ausbau der Eisenbahn und der Elektrizitätsversorgung – wurden die vereinzelt auf Anhöhen stehenden regionalen Windmühlen unrentabel. Die fließgewässerarmen und windreichen Gegenden des Wein- viertels und des Neusiedlersees verloren dadurch eines ihrer identitätsstiftenden Wahrzei- chen.

19 URL: http://www.windmuehle.at (15.06.2013). 20 Ebd.

9

Abbildung 1: VILANEK, Anton (2011): Turmwindmühle Retz, bearb. Aufnahme.

10

Abbildung 2: PECK, Paul (2004): Turmwindmühle in Podersdorf am See.

In Podersdorf am See und in Retz im Weinviertel werden in den Sommermonaten fach- kundige Führungen durch die beiden geöffneten Windmühlen angeboten. Diese Führun- gen sowie die Rast- und Einkehrmöglichkeit sichern den kulturhistorisch bedeutsamen Architekturdenkmälern den weiteren Bestand. Therese Bergmann beschreibt den Niedergang der Windmühlen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch den Einsatz der Dampfkraft und Elektrizität:

11

„Seither ist die Weinviertler Landschaft leer. Vergeblich sucht man nach den schmückenden Windmühlen zwischen Donau und Thaya, zwischen March und Manhartsberg. Keine einzige der Windmühlen konnte hier in ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung weitergeführt werden. Nur an wenigen Plätzen des früheren Viertels unter dem Manhartsberg haben sich Überreste gemauerter Windmühlen erhalten.“21 Auf alten Karten und Darstellungen finden sich solche vereinzelt stehende Windmühlen. Auf einem Kupferstich von Georg Matthäus Vischer aus dem Jahre 1672 ist oberhalb von Bockfließ, auf den Anhöhen der Bockfließer Weinberge, eine offene, drehbare, hölzerne Bockwindmühle verzeichnet.

Abbildung 3: VISCHER, Georg Matthäus (1670): Archiducatus Austriae Inferioris Accuratissima Geographica Descripti-o. Vergrößerter Blattausschnitt: K-III: OE/Inf 36 (7).

Die Abb 3 zeigt eine drehbare Bockwindmühle auf einem Hangrücken oberhalb des Schlosses von Bockfließ.

21 BERGMANN, Therese (2004): Windmühlen im Weinviertel. S. 6.

12

3.2. Windkraftnutzung heute Die Planung, Genehmigung und der Betrieb von neuen Windkraftanlagen sind aktuelle umwelt- und energiepolitische Themen. Windkraftwerke produzieren erneuerbaren Strom und sind ein Beitrag zum Klimaschutz und zur Ressourcenschonung.

Windkraftanlagen verändern das Landschaftsbild und führen zu Nutzungskonflikten. Die Stromproduktion ist stark schwankend. Sie hängt von den lokalen Windverhältnissen und vom Anlagentyp ab. Die sichere Stromversorgung muss durch sonstige Kraftwerke aus- geglichen werden. Windstromüberschuss kann von leistungsstarken Stromübertragungs- netzen zu den Verbrauchern bzw zu den Pumpspeicherkraftwerken transportiert werden. Pumpspeicherkraftwerke wirken wie „Grüne Batterien“ in den österreichischen Alpen. Sie sind hochflexibel und sichern die Stromversorgung durch die rasche Bereitstellung von Spitzenlaststrom. Im Moment konzentrieren sich die Forschungen auf die Entwick- lung neuer technisch und wirtschaftlich geeigneter Stromspeichermedien, die effizient und dezentral eingesetzt werden können.22

Die erneuerbare Stromproduktion wird politisch durch die Ökostromgesetze gefördert. Die Förderungsbestimmungen bilden den finanziellen Anreiz für die (noch) nicht markt- fähige Stromerzeugung. Das Ökostromgesetz 2002, verlautbart im Bundesgesetzblatt Nummer 149, fördert den erneuerbaren Windstrom durch den garantierten Übernahme- preis von 7,8 Cent je Kilowattstunde für einen Zeitraum von maximal 13 Jahren. Die ge- setzlich garantierte Stromübernahme und der Einspeisetarif sind der Anreiz zum Bau neuer Anlagen. Das Ökostromgesetz 2002 löste in Österreich zwischen 2002 und 2006 einen Bauboom von neuen Windkraftwerken aus.

Die folgende Grafik zeigt den rasanten Anstieg der Errichtung geförderter Windkraftan- lagen bis Mitte 2006 und den plötzlichen Stillstand bzw Rückgang durch das Auslaufen der Förderung an.

22 Vgl. DUMEIER, Frank et al (2012): V = Z + S Die letzte Gleichung der Energiewende. S. 61.

13

Abbildung 4: IG WINDKRAFT (2009): Österr. Windenergiesymposium 2009.

In der Übersicht sind die installierte Windkraftleistung sowie die Anzahl der neuen Anla- gen und die Anlagenverteilung auf die österreichischen Bundesländer dargestellt. Der WP AT zählte im Jahre 2006 mit seinen zehn Zwei-Megawatt-Windenergieanlagen der Type Vestas V90/2,0 MW zu den größeren Windparkanlagen Niederösterreichs.

Abbildung 5: IG WINDKRAFT (2009): Windkraft in Österreich.

14

3.3. Regionale Charakteristik: Weinviertel und Marchfeld

Das Weinviertel wird auch das Viertel unter dem Manhartsberg genannt und liegt im Nordosten des Bundeslandes Niederösterreich. Die Kulturlandschaft des vorwiegend hü- geligen Weinviertels birgt bei näherem Kennenlernen eine große Vielfalt an schönen Landschaftsbildern. Das Weinviertel kennt Anhöhen jedoch kaum Berge. Der Buschberg mit 491 Metern Höhe ist die höchste Erhebung im Weinviertel und befindet sich im Be- zirk Mistelbach.

Die weiten und offenen Ebenen des Marchfeldes liegen im Südosten des Weinviertels. Im Süden wird es von der Donau, im Osten von der March und im Nordwesten von den cha- rakteristischen Hügeln und Anhöhen des Weinviertels begrenzt. Das Weinviertel gehört geologisch zum Wiener Becken und entstand durch teilweises Absinken ehemals zusam- menhängender Gebirgskörper von Alpen und Karpaten. Im Untergrund herrschen Ton-, Sand- und Schotterablagerungen vor, über denen sich stellenweise Lößschichten abgela- gert haben. 23

23 Vgl. NESTROY, Othmar (1983): Zur Geologie und Morphologie des Marchfeldes. In: Mitteilungen der Österreichischen Bodenkundlichen Gesellschaft, Nr. 26. (Hg): Exkursionsführer Marchfeld. Thema: Boden und Standorte des Marchfeldes. S. 7-8.

15

Abbildung 6: SCHWARZECKER, Karl (1975): Erläuterungen zur Bodenkarte 1 : 25000 Kartie- rungsbereich Gänserndorf. S. 53-54.

3.4. Lokale Charakteristik: Auersthal und Bockfließ

In den Marktgemeinden Auersthal und Bockfließ verläuft eine im Gelände gut wahr- nehmbare Höhenstufe. Sie markiert den Übergang vom tiefer gelegenen Teil des Wein- viertels, des ebenen Marchfeldes zum höher gelegenen hügeligen Weinviertel.

Charakteristisches Merkmal des oberen Weinviertels sind die vorwiegend kleinstruktu- rierten Grundparzellen mit traditioneller Landnutzung. Die Hanglagen werden noch heute für den Weinbau genutzt. Die Marktgemeinde Auersthal und die Marktgemeinde Bock- fließ zählen zum Naherholungsraum von Wien. Sie nützen somit ihre Chance auf einen geregelten Zuzug und sichern sich dadurch die Erhaltung ihrer sozialen und technischen Infrastruktur in der Gemeinde.

Josef Fritz, ein Auersthaler Volksschullehrer, verfasste im Jahre 1937 eine Ortschronik und beschreibt darin seinen Heimatort Auersthal samt näherer und weiterer Umgebung:

„Die Marktgemeinde Auersthal mit ihren 1956 Einwohnern und 474 Häusern liegt im Viertel unter dem Manhartsberge (sic) unweit der Hauptstadt Wien, hart am Rande des Marchfeldes. Der Verwaltungsbezirk ist Gänserndorf.

16

Das Äußere des Dorfes ist unscheinbar. In einer langgestreckten Talmulde zwischen zwei Hügelrücken liegen unter einem dichten Wald von Obstbäumen die Häuser versteckt und nur hie und da blinkt ein rotes Dach aus dem dunklen Grün. Wie zwei Burgen liegen Kirche und Schule auf den beiden Hügelrücken einander gegenüber und ragen so aus dem Ortsbild heraus. Im Norden und Westen findet man die mit Reben bepflanzten Hügel, im Süden und Osten sieht man hinaus auf die schier endlose Ebene des Marchfeldes, welches von den blauen Umris- sen der Karpathen (sic) und des Wienerwaldes begrenzt erscheint. Nur an besonders schönen Tagen gestat- tet die Luft einen weiten Blick hinab gegen Süden, wo majestätisch der Schneeberg aufragt.“24 Josef Fritz verfasste für seine Ortschronik eine Übersichtskarte von Auersthal. In der Dar- stellung sind die Haupt- und Nebenstraßen, die Wohnbebauung, die landwirtschaftlichen Bringungswege und die Trassenführung der Weinviertler Landesbahn eingezeichnet. Flurnamen oder Flurbezeichnungen sind im bäuerlichen Bewusstsein über Generationen hinweg fest verankert. Sie ermöglichen den Ortsbewohnern die Zuordnung von Grund- stücksflächen in ihrer Gemeinde. Die Riednamen stammen meist aus mündlicher Überlie- ferung und geben dem Nutzer oder den Eingeweihten Auskunft über die Lage, Eigen- tumsverhältnisse, Bonitäten, Klima, Höhenlage und Erreichbarkeit.

24 FRITZ, Josef (1937): Auersthal im Wandel der Zeiten. Original-Manuskript aus Privatbesitz. S. 1.

17

Abbildung 7: FRITZ, Josef (1937): Auersthal im Wandel der Zeiten, Manuskript.

Die Darstellung belegt, dass es im Grenzbereich der „Unteren Zeil“ und des „Unteren Gstöss in Eichstauden“ bereits im Jahre 1937 eine Schottergrube gab. Die Auersthaler Wohnbebauung erstreckt sich entlang einer geologischen Trockentalmul- de und entlang einiger in das Gelände eingeschnittener Straßenzüge. Die Marktgemeinde Auersthal weist mit Stichtag 31.12.2012 eine Einwohnerzahl von 1856 Personen auf. Die Fläche beträgt 15,18 km² und die Einwohnerdichte ergibt 122 Einwohner/km². Auersthal liegt auf 178 Meter und Bockfließ auf 168 Meter über der Adria.

18

Abbildung 8: SCHUSTER, Walter (2004): Auersthal aus südöstlicher Richtung.

Bockfließ weist eine relativ geschlossene Wohnbebauung auf. Die Marktgemeinde Bock- fließ verzeichnet mit Stichtag 31.12.2012 eine Einwohnerzahl von 1323 Personen. Die Fläche beträgt 23,83 km², die Einwohnerdichte ergibt 56 Einwohner/km². Hermine Loderer, Volksschuldirektorin in Bockfließ, schreibt über den Rundblick von Bockfließ:

„Die Anhöhen nördlich des Ortes bis zum Waldrand [Hochleithenwald] bieten einen herrlichen Rundblick über das Marchfeld und bis zu den umgrenzenden Höhenzügen – im Osten die Kleinen Karpathen (sic) bis zum Thebener Kogel, nach der Ungarischen Pforte das Plateau des Braunsberges und der Hundsheimer Kogel; im Süden das Leithagebirge, im Südwesten der Wienerwald, wo an besonders klaren Tagen aus der Silhouette der Voralpen der Schneeberg darüber ragt (was aber Schlechtwetter ankündigt); im Westen der Bisamberg und die Hügelkette vor dem Kreuttal. Man kann auch einen großen Teil von Wien überblicken und die markantesten Bauwerke erkennen: Ste- phansdom, Riesenrad, Donauturm …“.25

25 LODERER, Hermine (1978): Bockfließ. Heimatkundliche Beiträge. S. 10.

19

Abbildung 9: SCHUSTER, Walter (2006): Bockfließ aus südöstlicher Richtung.

Abbildung 10: VILANEK, Anton (2008): Windpark Auersthal. Flugaufnahme.

Auf der Abb 10 befindet sich ganz links das ÖBB-Gelände Strasshof, rechts der Mitte die Orte Großengersdorf, Bockfließ und Auersthal und in der rechten oberen Ecke sind Teile des Hochleitenwalds zu sehen. Etwas unterhalb der Bildmitte erkennt man die zehn

20

Windkraftanlagen des WP AT. Weiters sind die Ölschlammdeponien der OMV AG sowie größere Kiesgrubenfelder und das Beton- und Kieswerk Lahofer feststellbar.

Die Entfernung des WP AT zum gewidmeten Wohnbauland und zum Bauland- Sondergebiet von Auersthal bzw Bockfließ ist größer als die gesetzlich geforderten 1200 Meter. Die Intensität von visueller Wahrnehmung ist vom Standort der Wahrnehmung und der Entfernung zum Objekt der Wahrnehmung abhängig. Es folgt daher, dass Emissionen, die von einer Reizquelle, wie sie von Windkraftanlagen ausgehen können, mit zunehmender Entfernung abnehmen.26

3.5. Windverhältnisse und Eignungszone

Österreich hat seit 2011 einen Windatlas und eine Windpotenzialstudie.27 Im Weinviertel und im nördlichen Burgenland befinden sich die windhöffigsten Gegenden Österreichs (siehe orange und orangerote Flächen auf nachfolgender Darstellung der Windkarte).

Abbildung 11: © AuWiPot (2009-2011): Windatlas und Windpotentialstudie Österreich. Verteilung der mittleren Jahreswindgeschwindigkeit in NÖ in 100 Meter Höhe über Grund.

26 Vgl. WÖBSE, Hans Hermann (2002): Landschaftsästhetik. S. 66. 27 Siehe: http://www.windatlas.at. (22.04.2013).

21

Abbildung 12: © AuWiPot (2009-2011): Windatlas und Windpotentialstudie Österreich. Verteilung der mittleren Jahreswindgeschwindigkeit in NÖ in 50 Meter Höhe über Grund.

3.6. Wind im Marchfeld

Das Marchfeld ist eine der windreichsten Gegenden in Österreich. Die mittlere Windge- schwindigkeit beträgt lt Messungen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik 2,6 bis 3,6 m/s, gemessen zehn Meter über Grund. Die Winde kommen zumeist von Nordwest, gefolgt von Südost. Im Sommer herrscht ein Windminimum und im Winter und Frühling ein Windmaximum.28 Bei genügend anströmender Windgeschwindigkeit setzen sich die Rotoren von Windkraftanlagen in Bewegung. Über Rotor, Getriebe und Generator wird die mechanische Energie in bewegte elektrische Ladung, in Strom umge- formt. Ab einer Windgeschwindigkeit von ca. 3 m/s, das ist etwas mehr als 10 km/h, be- ginnen sich die Rotorflügel zu drehen; erst ab ca. 5 m/s arbeiten Windkraftanlagen wirt- schaftlich.

28 ZAMG (2012): Klimadaten von Österreich 1971-2000.

22

Die folgende Grafik veranschaulicht die windklimatischen Verhältnisse im Bundesland Niederösterreich und zeigt das relativ hohe Windaufkommen im Marchfeld.29

Abbildung 13: Mittlere Jahreswindgeschwindigkeit in NÖ, 50 Meter Höhe über Grund.

Das Weinviertel und ganz besonders das Marchfeld eignen sich zur Nutzung der Wind- energie. Auf den weiten Ebenen des Marchfeldes gibt es hochmittelalterliche Ortswüs- tungen und sonstige freie Flächen, die ein ungestörtes Anströmen des Windes ermögli- chen. 30 Die Windverhältnisse im Marchfeld sind seit langer Zeit bekannt. Erste Aufforstungen als Schutzmaßnahme gegen die Flugsanderosion wurden bereits im Jahre 1770 begonnen.

29 Vgl. NEUBARTH, Jürgen und KALTSCHMITT, Martin (2000): Erneuerbare Energien in Österreich. S. 158. 30 Vgl. KRENN, Martin et al (2006): Auersthal. Fundberichte aus Österreich S. 45.

23

Die „Weikendorfer Remise“ wurde im Jahre 1927 in Österreich zum ersten Naturschutz- gebiet erklärt und ist heute Teil des Europaschutzgebietes.31/32 Im Jahre 1974 wurden in Auersthal mehrere Windschutzstreifen nach Abschluss des Grundstückszusammenlegungsverfahrens angelegt.

Eine Grundlage für den Projektwerber des WP AT war das Wissen über die Windverhält- nisse, das vorhandene Wege- und Hochspannungsnetz und die zu Planungsbeginn vor- herrschende Akzeptanz der Bevölkerung für den WP AT. Die Umwidmung von landwirt- schaftlichen Teilflächen in „Grünland-Windkraftanlage“ war letztlich der Anlass für den weiteren Projektfortschritt. Stärken-Schwächen-Analysen sind für die Betreiber wesentli- che Instrumente zur technischen und wirtschaftlichen Beurteilung eines Projektes. Die Ergebnisse bestimmen über eine Projektfortführung oder Projekteinstellung. Private Be- treiber möchten Fehlplanungen vermeiden und streben daher größtmögliche Planungssi- cherheit an. Wichtig sind ihnen dabei die genaue Kenntnis über: 33

. Energieerträge. . Flächenwidmung. . Lage außerhalb von Schutzgebieten. . Entfernung zu Besiedelungen und Wohnobjekten. . Wege- und Hochspannungsnetz. . Ausreichende Abstände zu Freileitungen, Gas- und Ölleitungen.

Das nähere Umfeld des WP AT ist durch drei Hochspannungsleitungen, mehrere Kies- gruben, Ölabsetzbecken und einem Betonwerk sowie im Untergrund durch Einbauten und Verrohrungen der Erdöl- und Erdgasindustrie vorbelastet. Diese Vorbelastungen wurden von Sachverständigen erhoben und sind durch Gutachten in der Umweltverträglichkeits- erklärung belegt. Seit dem Jahre 1949 wird im Weinviertel sowie in Auersthal und Bock- fließ Erdöl gefördert. Das Erdöl wird aus Tiefen zwischen 900 und 3000 Metern, das

31 URL: http://marktcheck.greenpeace.at/uploads/media/Sandtrail.pdf (23.06.2013). 32 AMT D. NÖ. LANDESREGIERUNG (1928): Landesgesetzblatt für das Land Niederösterreich. Jg. 1927. 33 UVE-WP MFN (2004): zu 2. Alternative Lösungsmöglichkeiten. S. 84.

24

Erdgas aus Tiefen von 500 bis 6000 Metern gepumpt. Zahlreiche alte und neuere Pum- penböcke stehen in Auersthal, Bockfließ und Umgebung in der freien Landschaft, verein- zelt auch nahe der Wohnbebauung. Die Pumpen und die Anlagen der OMV Gas- und Erdölwirtschaft bewirken Geräusche. Zeitweise werden Geruchsbelästigungen wahrge- nommen. Die Bewohnerinnen und Bewohner von Auersthal kennen diese Emissionen und haben sie akzeptiert. Sie profitieren direkt oder indirekt von der OMV AG durch Nutzungsentgelte und der Sicherung von wohnungsnahen Arbeitsplätzen. Es fließen Steuereinnahmen, Abgaben, Förderungen und sonstige Zuwendungen an die Gemeinde. In den Ausführungen der Umweltverträglichkeitserklärung zum WP AT wurden unter Punkt 2 alternative Lösungsmöglichkeiten, Seite 89, angeführt:

„Vorbelastungen bestehen durch Hochspannungsfreileitungen auf Gittermasten. Im Nahbereich wird Schotter abgebaut und zahlreiche Bohrsonden der Erdöl- und Erdgasförderanlagen befinden sich in der freien Landschaft.“34 Dem Betreiber waren am Beginn der Planungen für einen WP AT die ungefähren Wind- verhältnisse bekannt. Für die Projektwerber ist diese Kenntnis die wesentlichste Voraus- setzung für die Planung von neuen Windkraftanlagen.

3.7. Projekt: WINDPARK MARCHFELD NORD

Zwischen Obersdorf und Auersthal sollten acht Windparksektionen mit insgesamt 49 Windkraftanlagen errichtet werden. Der WP AT wurde im Jahre 2004, wenige Monate vor Einreichung des UVP-Antrages, durch Vereinbarung der drei Windkraftbetreiber zur östlichsten Sektion des Gesamtvorhabens WP MFN erklärt. Gleichzeitig wurden die be- troffenen Bewohnerinnen und Bewohner durch eine Postwurfsendung über den UVP- Antrag verständigt. Dabei erlangte die Öffentlichkeit erstmals genaue Kenntnis über An- zahl, Größe und Situierung der einzelnen Anlagen.

3.8. Übersichtsfolder: WINDPARK MARCHFELD NORD Der Folder (Abb 14 u. 15) mit Darstellung und Beschreibung des WP MFN wurde von den drei Betreibern auf dem Postwege an alle Haushalte in den betroffenen Gemeinden zugestellt.

34 UVE-WP MFN (2004): zu 2. Alternative Lösungsmöglichkeiten. S. 89.

25

Abbildung 14: Folder samt Projektbeschreibung des WP MFN.

26

Abbildung 15: Folder mit Lageübersicht des WP MFN.

27

Abbildung 16: Lage der Nachbargemeinden mit WP AT.

28

Abbildung 17: Übersicht und Blickachsen auf den WP AT.

29

Die folgende Abb 18 zeigt einen vergrößerten Ausschnitt aus dem Folder des ursprüng- lich geplanten und zur Genehmigung beantragten Gesamtprojekts WP MFN. Dargestellt sind die ursprünglich geplanten und beantragten 35 Anlagen des WP AT, des WP BF und des WP KF.

Abbildung 18: Projektplanung WP KF, WP BF und WP AT. Quelle: Folder WP MFN.

Auf der Austrian Map Fly 5.0 (AMap Fly 5.0) des Bundesamts für Eich- und Vermes- sungswesen (BEV) sind die Geländeverhältnisse und der im Jahre 2006 errichtete WP AT mit den zehn Windkraftanlagen dargestellt.

30

Abbildung 19: © BEV (2013): Austrian Map Fly 5.0. Überhöhung 7 fach. Beobachter: Elevation 70°, Azimut 0° (Blickachse SN), Sonnenstand: Nord-West, 55° Elevation.

3.9. Projekt: WINDPARK AUERSTHAL

Im Jahre 2002 wurden die Sondierungsgespräche für den WP AT aufgenommen. Die Verhandlungen mit den Grundeigentümerinnen und -eigentümern sowie mit der Markt- gemeinde Auersthal führten zwei durchaus mutige, kompetente und hoch motivierte Ex- perten im Auftrag der WEB Windenergie AG. Die Errichtung und Inbetriebnahme des WP AT mit zehn Windkraftanlagen erfolgte im Juni 2006. Die Windenergieanlagen wur- den von der Firma Vestas mit der Type V90/2,0 MW ausgestattet. Der Rotordurchmesser beträgt 90 Meter und die Nabenhöhe 105 Meter. Der erzeugte Strom wird über ein 20 kV Erdkabel zur Übergabestation der EVN AG geleitet, in der die Stromübernahme gemes- sen wird.

31

4. Akteure und Interessensgruppen

Die Planung, Genehmigung und der Betrieb von Windkraftanlagen provoziert und fordert die unterschiedlichsten Bedürfnisse bei den beteiligten Akteuren und Interessensgruppen heraus.

Die Betreiber erwarten sich bestmögliche Standortbedingungen und streben eine mög- lichst hohe Rechtssicherheit bei ihrer Projektplanung an. Die Eigentümerinnen und Ei- gentümer von landwirtschaftlichen Grundflächen erhoffen sich eine attraktive Abgeltung für die Verpachtung oder den Verkauf von kleinen Grundstücksflächen. Die Politikerin- nen und Politiker einer Standortgemeinde bemühen sich um eine zukunftsorientierte Flä- chenwidmung.

4.1. Betreiber und Projektwerber

Betreiber wollen aus wirtschaftlichen Motiven neue Windkraftanlagen errichten. Die Pla- nung von neuen Windparkanlagen ist technisch aufwändig und verlangt Zeit für Informa- tion und Kommunikation. Bürgerbeteiligung und Dialogbereitschaft fördern wiederum die soziale Akzeptanz. Die zahlreichen Verhandlungen, die Erstellung von Plandokumenten und der Projektbe- schreibung sowie die Fremdgutachten sind aufwändig. Die projektbeauftragten Planer brauchen daher – neben profunden rechtlichen und technischen Kenntnissen – ein hohes Maß an Managementerfahrung. Mögliche Anlagenstandorte lassen sich die Betreiber von den Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern sowie von den Standortgemeinden vertraglich zusichern. Beispiele dazu sind: Vereinbarungen, Optionsverträge, Pacht- und Servitutsverträge, Gestattungs- verträge, Dienstbarkeits- oder Bestandsverträge.

Die drei Antragsteller und Betreiber beim WP MFN sind: . EVN Naturkraft GmbH & Co KG . WEB Windenergie AG . WWS Ökoenergie GmbH & Co KG

32

4.2. Politik und Verwaltung

Die Gemeinderäte sind die gewählten Vertreter einer politischen Partei oder Interessens- gruppe in einer Gemeinde und sind als solche Entscheidungsträger im selbstständigen Wirkungsbereich einer Gemeinde. Die Wählerinnen und Wähler erwarten sich von den gewählten Mandatarinnen und Mandataren die Unterstützung ihrer Anliegen und Bedürf- nisse im Gemeinderat. Die Politikerinnen und Politiker erwarten sich im Gegenzug die Zustimmung zur Wiederwahl. Gemeinderäte einer österreichischen Gemeinde können, unter Einhaltung verfahrens- rechtlicher Bestimmungen, eine Aufwertung von Standorten durch Flächenwidmung be- schließen. Der Gemeinderat kann Grundflächen von „Grünland“ in „Grünland- Windkraftanlage“ umwidmen. Die UVP-Genehmigung ergeht in Niederösterreich durch die Niederösterreichische Lan- desregierung als zuständige UVP-Behörde erster Instanz.

4.3. Befürworter und Gegner

Befürworter für einen WP AT waren jene Eigentümerinnen und Eigentümer von land- wirtschaftlichen Grundflächen, die sich eine lukrative Verpachtung von kleinen Grund- stücksflächen erhofften.

Die Gegnerschaft gegen den WP AT, den WP BF und den WP KF formierte sich inner- halb der Auersthaler und Bockfließer Jägerschaft sowie um jene Bewohnerinnen und Be- wohner, die von ihrem Wohnstandort aus den Blick auf die Windkraftanlagen befürchte- ten.

33

5. Forschungsfragen

Im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses stehen Menschen, deren Wohnumgebung durch Windkraftanlagen verändert werden sollte/wurde. Im Spannungsfeld zwischen den Be- treibern der drei Windparksektionen WP AT, WP BF und WP KF und der betroffenen Bevölkerung sowie der Marktgemeinde Auersthal und der Marktgemeinde Bockfließ werden deren Wahrnehmung und Interessen zur Situation und der sich dadurch ergeben- den Reaktionen erforscht. Die grundsätzliche Fragestellung ist demnach:

. Welche Wahrnehmung und Reaktionen lösen Planung, Genehmigung und der Be- trieb von Windkraftanlagen bei den betroffenen Akteuren und Interessensgruppen aus?

Davon ausgehend wird auf folgende Fragestellungen näher eingegangen: . Welche ökonomischen Aspekte werden im Zusammenhang mit der Errichtung von Windkraftanlagen von den betroffenen Akteuren und Interessensgruppen be- nannt? . Über welche Wege werden Planung, Genehmigung und Errichtung von Wind- kraftanlagen von den betroffenen Akteuren und Interessensgruppen kommuni- ziert? . Inwieweit wird Wahrnehmung von Landschaft zu einem Argument in der Ausei- nandersetzung von Planung, Genehmigung und Errichtung von Windkraftanla- gen?

Ziel dieser Arbeit ist es, aus der Befragung und der teilnehmenden Beobachtung Erkennt- nisse über die Wahrnehmungen und Reaktionen sowie der Interaktion der beteiligten Ak- teurin bzw der Akteure und der Interessensgruppen beim Projekt WP AT zu erlangen. Die Wahrnehmung und Reaktionen der Akteurin und der Akteure werden anhand von 13 In- terviewleitfragen erhoben. Bei der Interviewanalyse und Interpretation könnten mögli- cherweise unerwartet verborgene Emotionen und Reaktionen aufgedeckt werden. Diese machen das komplexe Zusammenspiel von ökonomischen, ökologischen, technischen und sozialen Hintergründen, wie sie beim WP AT von den Akteuren und Interessensgruppen erlebt wurden, erst verständlich.

34

6. Methodik

In dieser sozialempirischen Forschungsarbeit geht es um einen Erkenntnisgewinn über die Wahrnehmung und die Reaktionen bei der Planung, Genehmigung, Errichtung und dem Betrieb des WP AT. Im Rückblick wird der Planungs- und Errichtungsprozess, wie er von neun Personen, einer Expertin und den acht Experten aus dem Umfeld der Akteure und der Interessensgruppen wie den Betreibern, der Politik, Verwaltung und Behörde sowie der betroffenen Bevölkerung wahrgenommen wurde, erhoben, analysiert und interpretiert. Die Arbeit bezieht sich nicht nur auf den WP AT alleine, sondern muss auf Grund der Wechselwirkung – im Kontext aller acht Windparksektionen des WP MFN – betrachtet, analysiert und interpretiert werden.

Das Herangehen an den Forschungsgegenstand erfolgte durch das Aufsuchen von Fachli- teratur in den Wiener Bibliothekskatalogen. Eine erste Vorstellung zum Thema bekam der Verfasser durch ein Werk von Dieter Klöppel und Christian L. Krause von der RWTH Aachen zum Thema „Windkraftparks in der Erholungslandschaft“. Weiter durch die Diplomarbeit von Andrea Kinsperger an der BOKU Wien zum Thema: „Windkraft im Landschaftsbild“.

Da die Forschungsmethode empirisch ausgerichtet ist, wird als Zugang die Methode des problemzentrierten und leitfadengestützten Interviews gewählt. Es sollen Antworten auf die Fragen zur Wahrnehmung und zu den Reaktionen der betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner von Auersthal und Bockfließ bzw den Akteuren und Interessensgruppen erlangt werden. Leitfadeninterviews wurden mit neun Personen, einer Expertin und acht Experten, geführt. Die Auswertung der neun Interviews erfolgte in Anlehnung an die qua- litative Inhaltsanalyse nach Mayring.35 Darüber hinaus richtet sich der Schwerpunkt auf das soziale Geschehen zwischen Perso- nen, die auf Grund ihrer unterschiedlichen Interessen auch unterschiedlich aufeinander reagieren und/oder sich gegenseitig beeinflussen. Die gegenseitige Beeinflussung ist von der praktizierten Informationsform und Kommunikationsart abhängig. Diese bedingen

35 Vgl. MAYRING, Philipp (2002): Einführung in die qualitative Sozialforschung. S. 71.

35 eine soziale Wirkung, die ihrerseits wiederum die Wahrnehmung und Reaktionen beein- flussen. Das Aufzeigen von sozialen Wirkungen ist das Thema der Situations- und Inter- viewanalyse.

Der Schwerpunkt der Forschung erstreckt sich von den ersten Sondierungsgesprächen im Jahre 2002 bis zur Inbetriebnahme des WP AT am 30. Juni 2006. Verständnisfragen oder vertiefte Nachfragen bei den Interviewpartnern waren jederzeit möglich. Weitere Infor- mationen zur Wahrnehmung des seit Juni 2006 in Betrieb stehenden WP AT konnten noch bis knapp vor Drucklegung, also im Juni 2013, berücksichtigt werden. Die erzielten Ergebnisse wurden durch Auswertung der einzelnen Interviews in Anlehnung an Philipp Mayring inhaltsanalytisch generiert. Die teilnehmende Beobachtung wird geringer ge- wichtet, da sie unstrukturiert und nur zufällig erfolgte.

6.1. Datenbasis

Die Planung, Genehmigung und Errichtung von Windkraftanlagen sind aktuelle energie- und gesellschaftspolitische Themen. Die Energiewende, der Umbau des Energiesystems – weg vom atomar-fossilen Ressourcenverbrauch und hin zur alternativen und erneuerbaren Energieproduktion – wird seit Jahren von der Wissenschaft auf Grund des drohenden Klimawandels gefordert. Zum Thema Windenergie, Windkraftwerke und Landschafts- wandel gibt es laufend neue wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Veröffentli- chungen.

Für die erste Annäherung an den Themenkomplex wurden vom Autor folgende Werke und Beiträge, in alphabetischer Reihenfolge, gelesen:

KINSPERGER (2005) zu: Windkraft im Landschaftsbild. Ableitung eines Verfahrens zur Beurteilung von Windkraftanlagen auf Landschaftsbildern am Beispiel Niederösterreich, anhand eines Vergleiches von Fallbeispielen aus Dänemark, Deutschland, den Niederlan- den, Österreich und Schottland. KLÖPPEL und KRAUSE (1996) zu: Windparks in der Erholungslandschaft. Standort- probleme unter dem Aspekt von Landschaftsbild und Erholungsqualität. STADLOBER und HAHN (1998) zu: Soziale Akzeptanz von Windkraftanlagen in Öster- reich. STROHMEIER (2008): Wahrnehmung von Landschaften. Identitäten und Kulissen. In: KÜHSCHELM, Oliver (Hg): Niederösterreich im 20. Jahrhundert. Band Kultur. S. 208.

36

Für die Datenerhebung waren die guten Kontakte des Autors zur Marktgemeinde Auersthal hilfreich. Der Verfasser ist seit über zwanzig Jahren mit etlichen Auersthalerinnen und Auersthalern gut bekannt. Bei einem Gespräch mit dem Amtsleiter der Marktgemeinde Auersthal konnte das Forschungsvorhaben besprochen und die For- schungsstrategie entwickelt werden. Dabei vermochte sich der Autor einen ersten Über- blick über den komplexen Projektablauf zum WP AT sowie zum WP MFN zu verschaf- fen.

Die Marktgemeinde Auersthal stellte die Akte der Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) und der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) sowie den gesamten, in der Markt- gemeinde Auersthal zum Projekt WP MFN bzw WP AT aufliegenden Schriftverkehr zur Verfügung. Diese Datenquellen unterstützten die Arbeit bei der Analyse und bei der In- terpretation der Aussagen der Expertin und der acht Experten und ermöglichten eine spontane Nachschau.

Die neun für ein Interview ausgewählten Personen berichteten als Expertin und Experten stellvertretend für die Akteure und Interessensgruppen aus der Marktgemeinde Auersthal und der Marktgemeinde Bockfließ. Sie waren während der Planungs- und Errichtungs- phase laufend oder nur zeitweise die handelnden Personen aus dem Kreise der Akteure und Interessensgruppen beim WP AT, WP BF und WP KF. Die Idee für den WP AT hatte Martin Fürhacker. Markus Weiss war der projektverantwortliche Vertreter des Betreibers, der WEB Windenergie AG. Beide waren mit der Planung, Information und der Verhand- lungsführung für den WP AT beauftragt.

Die weiteren Experten waren die Vertreter der Politik und Verwaltung. Für die Marktge- meinde Auersthal waren der Bürgermeister Ferdinand Fürhacker und der Amtsleiter Hel- mut Hofer die Experten. Für die Marktgemeinde Bockfließ waren es der Bürgermeister Josef Summer und der Altbürgermeister Ferdinand Zartl.

Zur Sichtweise der Gegnerschaft wurden zwei Personen befragt. Eine Person kam aus Auersthal, die Gemeinderätin Heidemarie Hellmer und eine Person aus Bockfließ, der Gastronom und Wirt des Bockfließer Schloßkellers, Alfred Müllner. Beide Personen brachten sich während des Genehmigungsverfahrens sowie beim Informations- und Kommunikationsprozess mit viel Leidenschaft in das Projektgeschehen in Bockfließ und/oder Auersthal ein.

37

Weitere Primärquellen lieferte der Betreiber des WP AT, der WEB Windenergie AG. Es wurden Pläne und Schriftstücke und auf Nachfragen weitere Unterlagen, wie eine DVD der ENERGIEWERKSTATT GmbH mit der Bezeichnung „WINDPARK AUERSTHAL 20. Februar bis 30. Juni 2006“, zur Verfügung gestellt. Der Obmann der Bürgerinitiative AWI-Bockfließ, Alfred Müllner, übergab dem Autor mehrere Flugblätter und eine CD mit der Bezeichnung „Bürgerinitiative AWI-Bockfließ Presseinformation vom 30. Juni 2004“.

Um die individuelle Wahrnehmung und die Reaktionen der Akteurin und der Akteure als Expertin und Experten sowie den sozialen Sachverhalt beim Projektablauf des Windpark- projektes WP MFN oder WP AT zu ergründen, wurde als Erhebungsmethode das prob- lemzentrierte und leitfadengestützte Interview gewählt. Anhand eines Leitfadens sollte, durch eine möglichst offene Fragestellung, die subjektive Wahrnehmung und die Reakti- onen der Akteurin und der acht Akteure während des Planungs- und Projektverlaufs des WP AT erhoben werden.

Des Weiteren konnte der Verfasser bei seinen Treffen im Auersthaler Freundeskreis als teilnehmender Beobachter die soziale Wirklichkeit zum Thema Windkraftwerke, wenn auch nur partiell, in Erfahrung bringen. Die im Zeitraum von 2002 bis 2006 und darüber hinaus gewonnenen Erkenntnisse durch seine teilnehmende Beobachtung fanden jeweils in Auersthal zu unterschiedlichen Anlässen und im Beisein einzelner oder mehrerer Ak- teure statt. Die teilnehmende Beobachtung war entsprechend der jeweils aktuellen Situa- tion unstrukturiert und passiv bis aktiv teilnehmend. Es wurde versucht, die unterschiedli- chen Standpunkte der vor Ort agierenden Personen zu verstehen, um die Innenperspektive des Geschehens zu erfassen. Da der Verfasser mit nur wenig Vorwissen an der Beobach- tung teilnahm, wird ihm so manches auf Grund seiner selektiven Wahrnehmung entgan- gen sein. Demzufolge liegt der forschungsmethodische Schwerpunkt bei den neun leitfa- dengestützten Interviews und deren Auswertung.

6.2. Qualitative Datenerhebung

Als Erhebungsmethode zur Erforschung der Wahrnehmung und Reaktionen bzw des so- zialen Sachverhaltes zwischen den Akteuren und Interessensgruppen wird das problem- zentrierte und leitfadengestützte Interview gewählt. Der Schwerpunkt der Erhebung liegt 38 im Organisieren, Aufnehmen, Transkribieren und Interpretieren der einzelnen Interviews. Für die Befragung wurden nur Personen als Experten ausgesucht, die bei der Planung und Errichtung des WP AT maßgeblich beteiligt und/oder betroffen waren. Planung und Ab- lauf der qualitativen Interviews erfolgten in Anlehnung an das Ablaufmodell nach Philipp Mayring: 36

. Problemanalyse. . Leitfadenkonstruktion. . Pilotphase: Leitfadenerprobung und Interviewschulung. . Interviewführung: Sondierungsfragen, Leitfadenfragen, Ad-hoc-Fragen. . Aufzeichnung.

Die Grundgedanken problemzentrierter Interviews sind:37 . Die subjektive Wahrnehmung konkreter gesellschaftlicher Probleme soll über den sprachlichen Zugang durch einzelne Befragungen erfahren werden; zwischen dem Interviewer und der Expertin oder dem Experten soll eine Vertrauensbeziehung hergestellt werden. . Die objektive Seite wurde im Vorhinein analysiert. . Die Befragung erfolgt anhand vorbereiteter Leitfragen und soll offen sein.

Nach Helfferich38 erfordert das Leitfadeninterview eine Gesprächsführung, die Stichworte oder vorformulierte Fragen bereithält, deren Reihenfolge flexibel eingesetzt werden kann. Das Fragen und Nachfragen richtet sich nach dem Kenntnisstand und den vorgängigen Aussagen und kann spontan sein, der Leitfaden dient der Hintergrundkontrolle.

Nach der Problemanalyse erfolgt die Erstellung eines auf die Forschungsfragen abge- stimmten Interviewleitfadens sowie die Auswahl und Kontaktaufnahme zu den zu Befra- genden.

36 Vgl. MAYRING, Philipp (2002): Einführung in die qualitative Sozialforschung. S. 71. 37 Vgl. Ebd. S. 69. 38 Vgl. HELFFERICH, Cornelia (2005): Die Qualität qualitativer Daten. S. 24.

39

6.2.1. Feldzugang Da der Verfasser seit mittlerweile über zwanzig Jahren mit etlichen Auersthaler Bewoh- nerinnen und Bewohnern freundschaftlich verbunden ist, erfolgte die Überlegung und Organisation des Feldzuganges gemeinsam mit dem Amtsleiter der Marktgemeinde Auersthal, der Empfehlungen zu möglichen Expertinnen und Experten gab. Ausgewählt wurden eine bekannte Gegnerin des WP AT und ein bekannter Gegner der Windparkpro- jekte WP BF und WP KF. Weiters die beiden Vertreter des Betreibers beim Projekt WP AT. Von politischer Seite wurden der Bürgermeister der Marktgemeinde Auersthal und der Marktgemeinde Bockfließ befragt. In Bockfließ wurde auch der Altbürgermeister interviewt, da die Genehmigungsverfahren noch in seine Amtszeit fielen. Die Interview- anfragen wurden durch den Autor auf telefonischem Wege vorgenommen. Nach der grundsätzlichen Interviewzusage wurden die Interviewtermine und die Orte der Befra- gung vereinbart.

6.2.2. Interviewpartnerin und Interviewpartner Ein wesentliches Kriterium für die Auswahl der Interviewpartnerin und der acht Inter- viewpartner als Expertin und Experten war deren spezielles Wissen als Bewohnerin oder Bewohner von Auersthal oder Bockfließ oder deren Mitwirkung und Engagement bei der Planung, Genehmigung, Errichtung und dem Betrieb der drei Windparksektionen, des WP AT, WP BF und WP KF.

Neun Personen wurden befragt. Die Interviews wurden einzeln aufgenommen und tran- skribiert. Die Befragung von Alfred Müllner und Josef Summer erfolgte auf Vorschlag des Herrn Alfred Müllner gemeinsam oder in wechselnder Reihenfolge in den Räumlich- keiten des Restaurants Schloßkeller in Bockfließ. Fünf Personen stammten aus Auersthal, drei Personen aus Bockfließ und eine Person aus . Mit einer Frau und acht Män- nern wurde die Befragung durchgeführt.

Der Verfasser nahm mit der Akteurin und den Akteuren schrittweise telefonischen Kon- takt auf. Er erläuterte im Gespräch das Forschungsvorhaben und vereinbarte einen Inter- viewtermin. Auf Vorschlag der Expertin und der Experten wurden die Befragungen in einer für sie vertrauten und ungestörten Umgebung, in einer offenen und entspannten At- mosphäre aufgenommen und digital gesichert.

40

Die Befragungen erfolgten im Zeitraum zwischen dem 13. April und dem 12. Juli 2009 bzw am 1. April 2013. Der Autor wollte zum Thema Jägerschaft und Wild noch eine weitere und gesicherte Ex- pertenmeinung einholen. Bei einem Interview konnten diese ganz speziellen Fragen über die Wahrnehmung zu Jagd und Wild noch aus der Sicht eines Auersthaler Jägers erhoben werden. Das Interview mit Karl Hager wurde am 1. April 2013 auf seinem Anwesen in Auersthal aufgenommen und digital gesichert.

Die Interviews wurden mit folgenden Personen in chronologischer Reihenfolge auf Grund ihrer zeitlichen Vorgaben geführt:

. Helmut Hofer, Amtsleiter der Marktgemeinde Auersthal, 48 Jahre alt, verheiratet. . Martin Fürhacker, Projektinitiator des WP AT, Dipl. Ing. für Elektrotechnik, An- gestellter beim VERBUND Österreich, 40 Jahre alt, verheiratet, 2 Söh- ne/1Tochter. . Alfred Müllner, Initiator der Bürgerinitiative AWI-Bockfließ und Gastronom, 55 Jahre alt, verheiratet, 1 Sohn/2 Töchter. . Josef Summer, Bürgermeister der Marktgemeinde Bockfließ, Lehrer für den Fachunterricht an land- und forstwirtschaftlichen Berufsschulen sowie mittleren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten, 41 Jahre alt, verheiratet, 2 Töchter. . Ferdinand Fürhacker, Bürgermeister der Marktgemeinde Auersthal, Hauptschul- oberlehrer iR, 61 Jahre alt, verheiratet, 2 Söhne. (Nicht verwandt mit Martin Für- hacker) . Ferdinand Zartl, Altbürgermeister der Marktgemeinde Bockfließ, Oberlehrer für Polytechnische Schulen, 58 Jahre alt, verheiratet, 1 Sohn/2 Töchter. . Heidemarie Hellmer, Gemeinderätin in der Marktgemeinde Auersthal, Dipl. Ing. für Lebensmittel- und Biotechnologie, Regionalmanagerin für das Marchfeld, 41 Jahre alt, ledig, 1 Tochter. . Markus Weiss, Projektleiter des WP AT, Gewerbetreibender, 39 Jahre alt, verhei- ratet, 1 Sohn/2 Töchter. . Karl Hager, einer der drei Jagdpächter der Genossenschaftsjagd Auersthal, Mit- glied der Auersthaler Jagdgesellschaft und Hegeringleiter des Hegeringes Auersthal mit dem Zuständigkeitsbereich Auersthal, Raggendorf, Reyersdorf und Schönkirchen, Landwirt und Weinbauer iR, 63 Jahre alt, verheiratet, 2 Töchter/1 Sohn.

41

6.2.3. Interviewdurchführung und Transkription Am Beginn einer jeden Befragung wurde für das Entgegenkommen und die Bereitschaft für ein Interview und für die Zustimmung zur digitalen Gesprächsaufzeichnung gedankt. Anhand des vorbereiteten Leitfadens schilderten die neun Personen ihre Wahrnehmung und Reaktionen zu den drei Projektvorhaben WP AT, WP BF und WP KF bzw zum WP MFN. Die neun Interviews wurden mit einem digitalen Sprachrekorder aufgenommen. Die Transkription erfolgte mit der Audiotranskribier-Software f4 in ein Deutsch, das den Lesegewohnheiten weitgehend gerecht wird. Am Ende der Befragung wurde vereinbart, dass Nachfragen möglich seien. Nach der Verschriftlichung der einzelnen Interviews wurden diese an die Expertin sowie die acht Experten mit dem Ersuchen um Prüfung und Freigabe zugesendet.

Während der Analyse und Interpretation stellte sich heraus, dass die Ergebnisse des be- forschten Gegenstandes durch die Anonymisierung für den Leser nur erschwert nachvoll- ziehbar wären. Bei einer eingehenderen Beschäftigung mit der Arbeit ließen sich die Ex- pertin und die acht Experten, zumindest für die Bevölkerung von Auersthal und Bock- fließ, ohnehin erahnen. Auch bei einer Anonymisierung müssten die Funktion und die wesentlichsten Fakten zur Expertin und zu den Experten angegeben werden. Auf Empfeh- lung des Betreuers und nach Rückfrage bei der Expertin und den Experten konnte auf die ursprünglich vereinbarte Anonymisierung der Interviews verzichtet werden. Durch die Namensnennung und funktionale Zuordnung werden die zahlreichen Projektänderungen leichter lesbar.

In dieser Masterarbeit wird beim Zitieren der Interviewpassagen auf die Nennung von Zeilen und ähnlichen Angaben verzichtet. Die Transkriptionen sind elektronisch oder als Print beim Verfasser jederzeit einsehbar. Auch die Originalaufnahmen der Interviews sind als digitale Audiodateien beim Verfasser archiviert.

6.3. Datenauswertung

Die Auswertung der Interviews basiert auf der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring. Als bestimmende Grundsätze gelten die Sicht auf den Kommuni- kationsprozess (Sender – Gegenstand/Nachricht – Empfänger) und den soziokulturellen Hintergrund der Akteure und der Bevölkerung. Der transkribierte Text wird dazu mit ei- nem regelgeleiteten schrittweisen Vorgehen, in dem die Aussagen der Akteure in einzelne

42 zu analysierende Einheiten geteilt werden, aufgearbeitet. Um Kategorien herausarbeiten zu können, ist ein mehrmaliges Lesen und Vergleichen der einzelnen Aussagen der Inter- viewpartnerin und der Interviewpartner notwendig. Es ergeben sich Hauptkategorien und Unterkategorien. Die Aussagen, in den als sinnvoll erachteten Kategorien, werden im Anschluss ergebnisorientiert interpretiert und anhand der Forschungsfragen besprochen.

Generell werden die Gütekriterien der qualitativen Forschung beachtet. Mayring be- schreibt sechs Gütekriterien zur qualitativen Forschung: 39

1. Verfahrensdokumentation: Beschreibung des genauen Forschungsablaufs, sodass For- schung und Ergebnis intersubjektiv nachvollziehbar werden. 2. Argumentative Interpretationsabsicherung: durch schlüssige Argumentation wird die Interpretation des Ergebnisses abgesichert. 3. Regelgeleitet meint, dass das Material systematisch bearbeitet wird. 4. Nähe zum Gegenstand: dem wird in der Forschungsarbeit dadurch entsprochen, dass sich der Verfasser in der sozialen Welt der zu Beforschenden bewegt hat und bewegt. Die Forschung bearbeitet konkrete Phänomene, wie die Wahrnehmung und Reaktionen sowie Information, Kommunikation und Interaktion der Akteure und Interessensgruppen. 5. Kommunikative Validierung: die Forschungsergebnisse werden diskutiert; einerseits mit den beforschten Personen als Experten durch Rücksprache, andererseits mit anderen Forschern. 6. Triangulation: zum Gewinnen verschiedener Perspektiven wird die Erhebungsmethode Interview durch teilnehmende Beobachtung weiter ergänzt.

39 Vgl. MAYRING, Philipp (2002): Einführung in die qualitative Sozialforschung. S. 144-148.

43

7. Ergebnisse

Aus den neun Interviews wurden jene Informationen und Daten extrahiert, die für die Beantwortung der Forschungsfragen bedeutsam waren. Zur Strukturierung diente ein Suchraster, ausgehend von den theoretischen Vorüberlegungen in Anlehnung an die Fra- gestellung. Die Kategorien wurden im Verlauf der Textauswertung den enthaltenen Be- sonderheiten angepasst.40 Aus den Interviews wurden Themenbereiche zusammengestellt, welche die Interessen und Bedürfnisse von Menschen in ihrer jeweiligen Situation und Betroffenheit berücksichtigen. Folgende Kategorien werden bearbeitet:

1) Wahrnehmung der Akteure und Interessensgruppen samt Unterkategorien: a) Betreiber und Projektwerber. b) Gemeindevertretung und Verwaltung. c) Befürworter und Gegner. d) Betreiber- und Beteiligungsmodelle.

2) Wahrnehmung von Information und Kommunikation samt Unterkategorien: a) Sondierungsgespräche. b) Besichtigung von Windkraftanlagen. c) Informationsveranstaltungen.

3) Reaktionen samt Unterkategorien: a) Pro und kontra: Bevölkerung. b) Widerstand: Jägerschaft. c) Widerstand: Bürgerinitiativen und Bürgerliste ProBockfließ (PROB). d) Gesellschaftliche Akzeptanz und Gewöhnung. e) Betrieb und Rückbau nach Betriebsende.

40 Vgl. GLÄSER, Jochen und LAUDEL, Grit (2009): Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse. S. 199.

44

7.1. Wahrnehmung der Akteure und Interessensgruppen

Die Expertin und die acht Experten wurden stellvertretend für die Akteure und Interes- sensgruppen zur Wahrnehmung und zu den Reaktionen befragt. Sechs Experten sprachen sich für die Errichtung von Windkraftwerken aus, teilweise mit der Einschränkung, dass die Standortfrage und die Anzahl der Anlagen entscheidend seien. Ein Experte gab an, dass er nach wie vor gegen die Errichtung von Windkraftwerken sei und sein werde. Er ist der Überzeugung, dass es andere und bessere Lösungsmöglichkeiten gäbe und erwähnt dabei die Installierung von Photovoltaikmodulen auf dazu geeigneten Dachflächen. Ein anderer Experte wiederum gab an, dass er als Bürgermeister die Interessen seiner Wähler zu vertreten habe, insbesondere dann, wenn sich diese – bei einer Volksbefragung – überwiegend gegen die Errichtung von Windkraftanlagen ausgesprochen haben.

7.1.1. Betreiber und Projektwerber Wirtschaftliche Interessen sind für einen Betreiber der Anstoß für das Projektieren und das Betreiben neuer Windkraftanlagen. Die Planung bis zur Baureife erfordert beträchtli- che finanzielle Mittel, entsprechende bau- und elektrotechnische Kenntnisse sowie die soziale Akzeptanz der Bevölkerung einer Standortgemeinde. Die Planungsbeauftragten müssen die Emotionen und Bedürfnisse der Bevölkerung ernst nehmen. Sie müssen er- gebnisoffene Diskussionen zulassen und der Bevölkerung auf Augenhöhe entgegengehen. Auf Fragen und Widerspruch soll sachlich eingegangen werden.

Projektwerber kennen die Herausforderungen und das finanzielle Risiko, welches sie bei ihrer Projektplanung eingehen. Betreiber sondieren daher schon im Voraus die gesell- schaftliche Akzeptanz für neue Anlagen und entscheiden erst nach eingehender Stärken- Schwächen-Analyse über ihr weiteres Vorgehen. Markus Weiss erwähnt die anfänglichen Zweifel der Elektroversorgungsunternehmen (EVU) sowie der Zentralanstalt für Meteo- rologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien zu den Windverhältnissen und meint:

„Alle wirtschaftlichen Größen wie die EVU oder alle Forscher und die ZAMG haben alles lächerlich ge- macht. Die haben alle zusammengehalten. Die Hohe Warte sagte, wir haben Messwerte von zehn Meter Höhe und was wollen Sie damit und das geht sich nie aus. Beim Wind spielt Geschwindigkeit eine große Rolle. Etwas mehr Geschwindigkeit bedeutet gleich ein wesentliches Mehr an Energieausbeute. Die Ener- gie des Windes steigt zur dritten Potenz. Doppelt so viel Geschwindigkeit ist acht Mal so viel Energieaus- beute. […] Nur die Planung für den WP AT hat bereits Euro 500.000 gekostet und wenn‟s nicht durchgeht, dann hast Pech gehabt. Daher haben wir im Vergleich zur Firmengröße am wenigsten geplant. Schon auf Grund des Risikos. […] Leicht war es hier in Auersthal ja nicht, da durch die bestehenden Infrastrukturen, wie den drei Hochspannungs-Freileitungen, den Kiesgruben und das engmaschige OMV-Leitungsnetz, die vorgeschriebenen Abstände eingehalten werden mussten.“

45

Martin Fürhacker, ein junger Auersthaler, war der Projektinitiator für den WP AT. Ge- meinsam mit Markus Weiss, dem Projektbeauftragten, haben die beiden die Sondierungs- gespräche mit der Marktgemeinde Auersthal und den potenziellen Grundeigentümerinnen und -eigentümern sowie mit der Bevölkerung aufgenommen. Erst im Anschluss daran wurde mit den Planungsarbeiten für den WP AT begonnen. Martin Fürhacker berichtet über die zahlreichen Hindernisse, die sich bei der Standortsuche zu den einzelnen Anla- gen des WP AT ergaben:

„Das Umfeld ist doch industriell genützt. Gasleitungen verlaufen im Gebiet und es war schwer genug freie Plätze zu finden, wo noch WKA aufgestellt werden könnten. [...] es muss ein Mindestabstand zu den ver- schiedenen Leitungen eingehalten werden [...] die OMV hat hier kreuz und quer die Leitungen verlegt. Es musste garantiert werden, dass die Mindestabstände zu den OMV-Gasleitungen von 105 Metern eingehal- ten werden; auch zu den bestehenden Freileitungen.“

Abbildung 20: VILANEK, Anton (2009): Infrastrukturbauten.

Die Abb 20 zeigt die in der Nähe der Anlagen des WP AT situierten Infrastrukturbauten. Wesentliche im Untergrund vorhandene Leitungsnetze bleiben für den Leser verborgen.

Werden geeignete Bau- und Zufahrtsflächen für die einzelnen Anlagen ermittelt, so wer- den diese vertraglich abgesichert. Erst danach wird um die Flächenwidmung bei der Standortgemeinde angesucht.

46

Markus Weiss erwähnt die ursprünglich mangelnde Kenntnis über die Windverhältnisse in 100 oder mehr Metern Höhe. Messungen auf landwirtschaftlichen Lagerhaussilos er- geben durch die Objektbeeinflussung nur ungenaue Werte. Markus Weiss dazu:

„Es gab zwar Windmessungen zu unseren ersten Projekten, doch die Windmessungen fanden in 10-20 Me- tern Höhe statt. Welche Windbedingungen weiter oben herrschen würden, hat niemand gewusst. Je höher die Windräder – je besser sind die Windbedingungen und der mögliche Stromertrag. Die Energie des Win- des steigt zur dritten Potenz. Doppelt so viel Geschwindigkeit ergibt achtmal so viel Energieausbeute. [...] Dann kam man drauf, es gibt genügend Wind und die Banken geben bessere Konditionen, wenn man mehr Geld möchte. Auch von den Komponenten-Herstellern bekomme ich bessere Konditionen, wenn ich mehr Anlagen kaufe und Landschaft ist auch genügend da. Das dachte sich jeder Betreiber und plante darauf los und das Ergebnis war dann das Projekt WP MFN.“ Höhere Anlagen sind zwar wesentlich wirtschaftlicher, sie werden jedoch, abhängig von den topographischen Standortgegebenheiten, aus noch größerer Entfernung eingesehen.

Das Ökostromgesetz 2002 definiert zwei letzte Termine. Sollte nur einer dieser zwei Terminvorgaben nicht eingehalten werden, geht der Förderanspruch zur Gänze verloren. Markus Weiss meint zum Zeitdruck, dem die Planungsbeauftragten ausgesetzt waren:

„Die Planung erfolgte von 2003 bis 2004 und da ging es los. Der Planungsdruck erfolgte auf Grund der Ökostromnovelle 2002. Nur all jene Projekte bekommen den begünstigten Tarif, wenn die Anlagen bis zum 31.12.2004 erstinstanzlich genehmigt worden sind.“ Ein weiteres zu bewältigendes Risiko lag bei einem eventuell verzögerten Baufortschritt. Die Stromerzeugung und -übergabe musste lt Ökostromgesetz 2002 bis spätestens 30. Juni 2006 erfolgen. Ferdinand Fürhacker berichtet über die schwierigen Arbeitsverhält- nisse, wie sie im Winter 2006 während der Frost-Tauperiode herrschten. Er erwähnt dabei die faire Flurschadensregulierung durch den Betreiber des WP AT:

[…] „da die Bauarbeiten in einer witterungsbedingt ganz schlechten Zeit erfolgten, erfolgen mussten. Es hat sehr viel geregnet, es war aufgeweicht – sie hatten dementsprechende Probleme, haben dementsprechenden Flurschaden gemacht – es wurde alles abgegolten – sie haben wieder alles hergerichtet, waren wirklich kompetent und entgegenkommend und haben versucht, den Schaden möglichst gering zu halten und alles was passiert ist, ist wirklich großzügig abgegolten worden. Die WEB war wirklich sehr bemüht. Vor allem die Leitungslegung – bei diesem ‚Gatsch„ – gefroren und wieder aufgetaut – es war sehr mühsam. Sie haben sich wirklich sehr bemüht, das muss man sagen.“ Die Bewältigung von unvorhersehbaren Erschwernissen gehört zu den laufenden Mana- gementaufgaben von Bauleuten. Markus Weiss geht emotionsgeladen auf diese Proble- matik ein. Er erwähnt den festgelegten Termin für die Stromproduktion und -übergabe und bemerkt zu den schwierigen Arbeitsbedingungen während der Wintermonate 2006:

„Die Bauphase hätte ich gerne anders gehabt, das ging aber auf Grund der Förderrichtlinien nicht. Die An- lagen mussten am 30. Juni 2006 in das Netz einspeisen, ansonsten hätte es den begünstigten Einspeise-Tarif nicht gegeben. Unsere Förder-Vorgaben waren: UVP- Genehmigung bis Ende 2004 und Errichtung bis zum 30. Juni 2006. Daher mussten wir in der unseligen Zeit zum Arbeiten beginnen, wo der Boden bis in 70- 80cm Tiefe gefroren war. Teilweise haben wir den Bauern ihren Acker so ruiniert, dass ich mich selbst geschämt habe. Grauslich – ‚schiach„ – aber wir mussten weiterkommen, die Zeit drängte und wir mussten

47 spätestens im März 2006 mit dem Kabelgraben beginnen. Wir haben sogar ein Asphaltschremmgerät einge- setzt, das die oberste gefrorene Erdschichte abschremmte, sodass wir dann erst einmal Baggern konnten.“ Markus Weiss meint, dass die Vorstellungen des Landes Niederösterreich, Windkraft- werke nur mehr konzentriert errichten zu lassen, die Preis- und Ablöseverhandlungen zwischen den Betreibern und den potenziellen Standorteigentümerinnen und - eigentümern erschweren sowie durch überzogene Erwartungen der Eigentümerinnen und Eigentümer verteuern könnten: [...] „und zwar, wenn das Land sagt, da wollen wir ‚Windradln„ haben. Dann kumuliert sich alles auf diesen Fleck und die Entschädigungs- preise steigen ganz enorm.“

Markus Weiss geht auf die Ökostrompreisförderung und auf die Vorgaben der Europäi- schen Union zur Reduktion des Treibhausgasausstoßes näher ein. Der heimische Treib- hausgasausstoß soll bis zum Jahre 2020 um 16 % gegenüber 2005 abgesenkt werden.41 Die erneuerbare Stromproduktion durch die Nutzung der Windenergie ist ein möglicher und erwünschter Beitrag zur Reduktion von CO2-Emissionen:

„Wir bekommen 7,80 Cent garantiert, wenn wir den Strom komplett einer Körperschaft – einer Tochter der EVN geben, die den Strom weiter vermarktet. Der Bund darf sich die CO2-Emissionsrechte anrechnen las- sen. Diese Rechte dürfen wir am CO2-Spot-Markt nicht verkaufen. Wir bekommen eine Förderung für die WKA, aber zT bewirkt diese WKA- Förderung – um sich Kyoto-Strafzahlungen zu ersparen.“ Die Gestehungskosten für die Errichtung von Windkraftwerken sind derzeit auf Grund der geltenden Strompreise (noch) nicht gedeckt. Erst die Förderung durch das Ökostrom- gesetz macht Windkraftwerke rentabel. Helmut Hofer meint zum Strompreis und zur Ökostromförderung sowie zum Mehrwert und den Nutznießern des WP AT:

„Ich würde mir wünschen: Eine Wirtschaftlichkeit ohne Förderungen. Eine WKA sollte sich ohne Förder- mitteleinsatz rechnen können. Die WKA sollten sich zB mit den kalorischen Kraftwerken wirtschaftlich vergleichen können. […] Die Nutznießer sind die Gemeinde und die Eigentümer jener Flächen, auf denen die WKA errichtet wurden. Auch all jene Landwirte in etwa, die die Güterwege benützen, da das Wegenetz im Zuge der WKA-Errichtung saniert wurde. Weiter, die Aktionäre der WEB, die Jägerschaft bekommt Geldmittel, den Betrag an die Jägerschaft kenne ich nicht, das weiß der Hager Herbert. Die Natur und somit wir Menschen sind vielleicht ein Nutznießer, wir haben grünen Strom, wir haben weniger kalorische Kraft- werke. Ich bin dankbar, wenn wir weniger Gas/Kohle verbrauchen oder weniger Atomstrom importieren müssen, wenn wir es vor der Haustüre auf diese Art erzeugen können.“ In der Begründung werden die wirtschaftlichen Aspekte noch durch ökologische Fakten unterstützt. Die Aussagen des Helmut Hofer sind daher informativ und multiparteilich. Letztlich sind die Nutznießer von Windkraftanlagen lt Aussagen der Interviewpartner

41 Vgl. UMWELTBUNDESAMT (2013): Szenarien für ambitioniertere Klimaziele bis 2020. http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/luft/emissionsszenarien/szenarien2020 (26.02.2013).

48 nicht nur die Betreiber, die Gemeinden, die Standorteigentümer und die Jägerschaft, son- dern ganz besonders der Mensch und seine Umwelt.

Kraftwerksbetreiber planen, errichten und betreiben aus wirtschaftlichem Interesse Wind- kraftanlagen. Die Betreiber gehen bei ihren Planungen Unsicherheiten und ein hohes Kos- tenrisiko ein. Die Betreiber und Projektverantwortlichen brauchen daher Kapitalkraft, spezielle bau- und elektrotechnische Kenntnisse sowie soziale Intelligenz und Entschei- dungsfreudigkeit.

7.1.2. Politik und Verwaltung Die politischen Vertreterinnen und Vertreter einer Standortgemeinde sind auf Grund ihrer Funktion die handelnden Akteurinnen und Akteure im Verfahren bei der Umwidmung von Flächen von „Grünland“ in „Grünland-Windkraftanlage“. Die Verwaltung unterstützt sie dabei im Rahmen der Gesetze. Die Gemeinden bemühen sich um den Erhalt des sozia- len Friedens und nehmen entsprechend ihres Aufgabenbereiches im UVP-Verfahren und bei allen relevanten Besprechungen und Verhandlungen in der Gemeinde oder auf Lan- desebene teil.

Windkraftplanungen führen bei einer Standortgemeinde zu einem Kostenaufwand. Im Gegenzug erhält eine Gemeinde Einnahmen durch Gestattungsverträge oder sonstige Vereinbarungen von einem Betreiber. Die Aufwendungen und Kosten resultieren aus dem Mehraufwand durch die Organisation und Teilnahme an diversen Besprechungen und Verhandlungen. Beim Umwidmungsverfahren und bei der Begleitung von diversen In- formationsveranstaltungen fallen Kosten an.

a) Marktgemeinde Auersthal

Die Idee für einen WP AT hatte Martin Fürhacker aus Auersthal. Martin Fürhacker und Markus Weiss sondierten die soziale Akzeptanz für einen WP AT bei der Auersthaler Bevölkerung. Der Auersthaler Gemeinderat wurde von Markus Weiss, dem Projektleiter des WP AT, zur Besichtigung von Windparkanlagen eingeladen. Die Führung durch die Anlagen sowie die überwiegend positiven Rückmeldungen von der Auersthaler Bevölke- rung waren für den Auersthaler Gemeinderat ein wesentliches Argument zur Unterzeich- nung des Bestands- und des Gestattungsvertrages mit dem Betreiber, der WEB Wind- energie AG. 49

Am 27. November 2003 fasste der Auersthaler Gemeinderat den einstimmigen Beschluss zur Umwidmung von Grundstücksteilen von „Grünland“ in „Grünland-Windkraftanlage“ für zehn Standorte beim Projektvorhaben WP AT.

b) Marktgemeinde Bockfließ

Gänzlich anders gestalteten sich die Verhandlungen und der Informationsfluss seitens der Verantwortlichen der beiden weiteren Betreiber, die mit der Planung für den WP BF und den WP KF mit insgesamt 25 Windkraftanlagen betraut waren. Die beauftragten Projekt- planer waren für die Ortsbevölkerung Fremde, denn sie kamen von auswärts. Sie bespra- chen ihre Projekte mit dem Bürgermeister Ferdinand Zartl und all jenen Grundstücksei- gentümerinnen und -eigentümern, die ihnen für einen Anlagenstandort von Interesse wa- ren.

Die drei Experten von Bockfließ berichteten in ihrem Interview, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der Marktgemeinde Bockfließ ursprünglich nur wenig Interesse für die Anlagenplanung zeigten. Die Bevölkerung hatte kaum Informationen und daher nur we- nig Vorstellung vom Planungsgeschehen. Der Beschluss zur Umwidmung von Teilflä- chen von „Grünland“ in „Grünland-Windkraftanlage“ erfolgte im Gemeinderat der Marktgemeinde Bockfließ, gleich wie in der Marktgemeinde Auersthal, einstimmig.

7.1.3. Befürworter und Gegner Werden Windkraftanlagen in einer Gemeinde geplant, so gibt es Personen, die erfreut den Planungen zustimmen oder solche, die diese vehement ablehnen. Zustimmung kommt von all jenen Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern, die sich durch die Errich- tung einer oder mehrerer Windkraftanlagen auf ihrem landwirtschaftlichen Eigengrund einen finanziellen Vorteil erwarten. Die erforderlichen Bau- und Zufahrtsflächen werden von den Kraftwerksbetreibern gepachtet oder in seltenen Fällen käuflich erworben. Die Verpachtung einer relativ kleinen Grundfläche für einen Anlagenstandort und die Zufahrt bringt ihnen eine finanziell lukrative Einnahme für einen voraussichtlichen Zeitraum von etwa 15 bis 20 Jahren.

In Auersthal und in Bockfließ gruppierte sich die Gegnerschaft im Umfeld der örtlichen Jägerschaft und um jene Bewohnerinnen und Bewohner, die von ihrem Wohnstandort aus einen direkten Blick auf die Windkraftanlagen befürchteten.

50

7.2. Wahrnehmung von Information und Kommunikation

Die Genehmigung zur Errichtung von neuen Windkraftanlagen setzt soziale Akzeptanz voraus. Gegen den Willen einer Bevölkerungsmehrheit haben Windkraftprojekte, auch bei Einhaltung aller technischen und rechtlichen Vorschriften, kaum Aussicht auf Ge- nehmigung. Die Bevölkerung hat Einspruchsrechte und kann diese (auch mehrmals) wahrnehmen. Bereits bei der Flächenwidmung sind Einsprüche möglich. Einsprüche müssen im Ermittlungsverfahren behandelt werden. Sie verursachen in den Gremien des Gemeinderates einen zeitlichen Mehraufwand. Markus Weiss stellt dazu fest:

„Die Betreiber vertreten verschiedene Philosophien zur Implementierung der Windkraftanlagen. Unser Ziel, der WEB war es, von allem Anfang an, gemeinsam mit der Gemeinde und den Grundbesitzern zu planen. Alle sind nie dafür, das weiß man, ein paar Jäger gibt es immer die motschgern (Anm. unzufrieden sind) – aus verständlichen Gründen aus ihrer Sicht. Wenn man aber unternehmerisch erfolgreich sein will und einem die erneuerbare Energie sehr wichtig ist, dann wird man sehr viel Zeit und Energie aufwenden um die Projektumsetzung zu erreichen. Mit Geld alleine erreichst gar nichts, das kannst vergessen. Gespräche und Überzeugungsarbeit sind das Wichtigste.“ Der Experte kommt in seinen Ausführungen zum Schluss, dass sich ein Projektwerber bereits am Beginn seiner Planungen mit den Verantwortlichen einer Standortgemeinde und den Bewohnerinnen und Bewohnern verständigen sollte. Das Vorhaben und der be- absichtigte Projektverlauf sollen dabei ergebnisoffen besprochen werden. Gemeinsam mit dem Projektverantwortlichen Markus Weiss war Martin Fürhacker bereits am Beginn der Planungsarbeiten mit der Sondierung für den WP AT durch die WEB Windenergie AG beauftragt. Martin Fürhacker, der Projektinitiator des WP AT meint dazu:

„Markus Weiss und ich haben diese Idee eines Windparks in Auersthal gesponnen. Wir haben gemeinsam die Windkraftanlagen für den WP AT im Plan aufgeteilt. In der Hauptwindrichtung waren 800 m Abstand, in der Nebenwindrichtung 400 m Abstand notwendig. Anschließend haben wir mit den Grundeigentümern und mit dem Bürgermeister Herrn Ferdinand Fürhacker die Ideen zum Windpark Auersthal besprochen und die grundlegende Planungszusage eingeholt. In zahlreichen Einzelgesprächen haben wir mit den Grundei- gentümern verhandelt. Nicht alle haben unseren Plänen und Erwartungen entsprochen. Manche fragten, wie es mit den Fundamenten sei, wenn die Firma in Konkurs gehen würde, da habe ich ein riesiges Windrad auf meinem Acker stehen und das müsste dann entsorgt werden, wenn die Firma in Konkurs geht.“ Die Sorge einzelner Grundeigentümerinnen und -eigentümer über die vollständige Besei- tigung der Stahlbetonfundamente nach Betriebsende müssen von den Betreibern ernst genommen, besprochen und vertraglich abgesichert werden. Die Projektverantwortlichen sollen für offene Fragen zugänglich sein und die kritischen Stimmen aus den Reihen der Bevölkerung ernst nehmen.

Johannes Steyrer, Leiter des Interdisziplinären Universitätslehrganges für Sozialwirt- schaft, Management und Organisation Sozialer Dienste an der Wirtschaftsuniversität in

51

Wien, beschreibt den Einfluss von sozialer Kompetenz für den Gewinn von Vertrauen in zwischenmenschlichen Kooperationsbeziehungen:

„[...] dass dem sozial- und persönlichkeitskompetenten Akteur mehr Vertrauen als dem fach- und metho- denkompetenten Akteur entgegengebracht wird. [...] Das Ergebnis hat aber auch eine hohe praktische Rele- vanz, das sich verkürzt dahingehend auf den Punkt bringen lässt: ‚Sozialkompetenz„ schlägt ‚Fachkompe- tenz„!“42 Der Wunsch und die berechtigten Forderungen der Bevölkerung nach einer intakten Um- welt sowie das Verlangen nach einer aktiven Mitbestimmung bei der Nutzung des öffent- lichen Raumes sind zur gesellschaftlichen Realität geworden. Bürger wollen beteiligt und in den Planungsprozess eingebunden werden. Erst recht, wenn umweltrelevante Bauvor- haben wie die Errichtung von Windkraftanlagen in ihrem Wohnumfeld anstehen. Die Öffentlichkeit hat lt Umweltinformationsgesetz (UIG) ein Anrecht auf Mitteilung und Information sowie im UVP-Verfahren das Recht auf Stellungnahme und Widerspruch.

Helmut Hofer erinnert sich an so manche Besprechungen mit dem Auersthaler Martin Fürhacker. Er kam mit seiner Idee zur Gemeinde und begann anschließend gemeinsam mit Markus Weiss mit der Planung für den WP AT. Helmut Hofer führt dazu aus:

„In Auersthal wohnt Herr Martin Fürhacker, der uns in der Gemeinde Auersthal die Planung näher gebracht hat. Zu Beginn waren es 5-6, dann 12-13 und schlussendlich wurden es 10 WKA. Meine erste Reaktion war positiv, jedoch sollte alles in geordnete Bahnen gelenkt werden, sodass es zu keinem Wildwuchs kommt. Das Projekt ist kleinweise in die Bevölkerung ‚hinein gesickert„. […] In der Gemeinde gab es negative Stimmen, doch grundsätzlich war die überwältigende Mehrheit positiv und für den WP AT eingestellt. Meine berufsbedingte Einstellung war ebenso positiv.“ Wichtig sind für Helmut Hofer die persönlichen Kontakte sowie der direkte Zugang zur Ortsbevölkerung. Bei Informationsveranstaltungen kann die Öffentlichkeit direkt ange- sprochen werden. Dabei können die Bedürfnisse und die Anliegen der Bevölkerung erho- ben werden. Informationsabende bieten allen Akteuren und Interessensgruppen den idea- len Rahmen, sich miteinander auszutauschen. Informationsveranstaltungen verschaffen einem Betreiber ein Podium, ein Projektvorhaben einer größeren Zuhörerschaft vorzustel- len. Der Betreiber kann sofort in sachlicher und respektvoller Weise auf möglichen Wi- derspruch eingehen. Dabei wäre es denkbar, dass Standpunkte aufgebrochen oder entkräf- tet werden können.

42 STEYRER, Johannes (2011): In HATAK, Isabella R. (Hg): Kompetenz, Vertrauen und Kooperation. S. 11.

52

Zustimmung oder Widerspruch wird sichtbar. Letztlich haben die Betreiber sowie die Politik und Verwaltung ein Interesse, dass es am Ende ein möglichst klares Ergebnis gibt, eine überwiegende Zustimmung oder Ablehnung.

Ein Resultat über Zustimmung oder Ablehnung ist für den Betreiber und für die politisch handelnden Akteure von Bedeutung, nämlich bei der Frage, ob sich eine Gemeinde im ersten Schritt entschließen sollte, Flächen von „Grünland“ in „Grünland- Windkraftanlage“ umzuwidmen. Politiker wollen wissen, wie die Bevölkerung ein Vor- haben wahrnimmt und wie sie darauf reagiert. Politiker denken dabei an die nächste Wahl, denn sie wollen sicher gehen, dass ihre Wiederwahl nicht durch eigene Fehlein- schätzung gefährdet wird. Nach der Theorie des österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter entscheiden Politiker nach dem Prinzip der Machterhaltung und Stimmen- maximierung durch Wählergunst, dh mit Blick auf den nächsten Wahlgang. 43

Wie erwähnt, definiert das Ökostromgesetz 2002 zwei feststehende und strikt einzuhal- tende Termine und zwar den spätesten Tag der UVP-Genehmigung sowie den spätesten Tag der Inbetriebnahme der Windkraftanlagen. Ein Betreiber wird daher versuchen, den Zeitraum für die Information und Kommunikation mit den Vertretern von Politik und Verwaltung sowie der Bevölkerung weitestgehend zu kürzen oder in anderen Worten ausgedrückt, zu straffen und zu optimieren.

7.2.1. Sondierungsgespräche Die drei Betreiber haben ihre Verhandlungen für den WP AT, WP BF und WP KF in den drei Marktgemeinden Auersthal, Bockfließ und Großengersdorf als durchaus ermutigend und zustimmend wahrgenommen. Eine Bestätigung dafür sind die jeweils einstimmigen Gemeinderatsbeschlüsse zur Umwidmung von Teilflächen von „Grünland“ in „Grünland- Windkraftanlage“. Markus Weiss berichtet über den Projektstart beim WP AT. Er befrag- te seine Auersthaler Freunde, die ihm Zustimmung signalisierten und bei der Standortsu- che durch ihre klaren Aussagen eine Hilfe waren. Markus Weiss dazu:

„Ich fragte meine Auersthaler Freunde um ihre Meinung. Das wäre eh kein Problem. Unten in der Sutten machen wir was – und da heroben, bei den Weinbergen lass uns in der Ruh, da wollen wir das nicht. Daran habe ich mich gehalten und daraufhin sind mein Freund, der Martin Fürhacker und ich zum Bürgermeister

43 Vgl. MÜNKLER, Herfried (Hg): Lust an der Erkenntnis: Politisches Denken im 20. Jahrhundert. Ein Lesebuch. S. 202.

53

Ferdinand Fürhacker gegangen und haben bei ihm angefragt.“ Auf die Rückfrage, wer die Auersthaler Freunde seien, führt Markus Weiss weiter aus: „Hauptsächlich waren dies: Rudi Lutz, Wolfgang Lutz, Martin Fürhacker und seine Frau, die Martina. Die- se sind in der Gemeinde integriert und kennen die Leute. Man will sich ja auch nicht eine Freundschaft verderben. Wenn die Freunde gesagt hätten, dass dies ein ‚totaler Sch..„ wäre, dann hätte ich nicht gewusst, was ich tun sollte. Aber sie sagten, dass das eh ok wäre und das hat mich beflügelt. Dann habe ich mit Mar- tin Fürhacker den Deal vereinbart, dass wir gemeinsam den Plan entwerfen, wo die WKA stehen sollten oder nicht und der Martin Fürhacker bei den Grundeigentümern vorspricht. Erstens kennt er die Grundei- gentümer, das kann ein Vor- oder ein Nachteil sein. Ein Vorteil ist es dann, wenn man eine soziale Kompe- tenz hat, ein Nachteil ist es, wenn man die nicht hat, dann ist es besser, es kommt ein Fremder. Der Martin Fürhacker hat eine soziale Kompetenz und ich hatte zu dieser Zeit keine Zeit, da ich die Windkraft ja nur nebenberuflich mache und ich zwei andere Windkraftprojekte gerade im Anfangsstadium, in Maustrenk und Dürnkrut, betreut habe.“ Martin Fürhacker kommt aus Auersthal. Seine Eltern führten in Auersthal eine Landwirt- schaft, die mittlerweile von seinem Bruder Christian Fürhacker übernommen wurde. Mar- tin Fürhacker war wie schon erwähnt der Projektinitiator des WP AT. Er gab den eigent- lichen Anstoß für den WP AT. So freute er sich anfangs über die überaus positive Stim- mung und die vielen ermunternden Rückmeldungen von den Bewohnerinnen und Be- wohnern seiner Heimatgemeinde. Das Interview wurde auf seinen Vorschlag in seiner Dienststelle in Wien, Am Johannesberg 5, aufgenommen. Mit großer Freude und mit ei- nem strahlenden Lächeln erzählt Martin Fürhacker über seine erfolgversprechenden Son- dierungsgespräche in seiner Heimatgemeinde Auersthal für den WP AT:

„Wenn ich ins Kaffeehaus gekommen bin, wurde ich mit Begeisterung auf die Windkraft angesprochen –ja ich habe gehört, du machst das mit den Windrädern. Kannst Du mir nicht auch eine Anlage aufstellen oder am besten gleich zwei? Da musste ich die Euphorie der Freunde natürlich sofort wieder bremsen und erklären, dass gewisse Min- destabstände zu den bestehenden Infrastruktureinrichtungen einzuhalten sind, wie zB zu den vielen Bohr- und Erdgassonden der OMV und zur Landesstraße und den Freileitungen der APG und EVN und den Gas- leitungen der OMV und EVN. Wir haben die Bevölkerung sofort informiert; das war auch der ausdrückliche Wunsch des Herrn Bürger- meister Ferdinand Fürhacker. Die Projektvorstellung war im Juli 2002 im Gasthof Sommer. Es kamen nur positive Rückmeldungen, wir waren erfreut, es funktioniert. Nur Auersthaler waren anwesend und die Bockfließer hat das zu diesem Zeitpunkt noch nicht interessiert. Die haben sich mit diesem Thema noch nicht auseinandergesetzt. Wir haben gleich zu Beginn des Projekts die Bevölkerung informiert, bevor noch die Anlagenstandorte fixiert waren. Danach folgten die Befragungen der Grundeigentümer und der Gemeinde. Wir informierten bereits im Jahre 2002 die Gemeindepolitiker und die Bevölkerung. Dann hat es länger gedauert bis alle Verträge abgeschlossen waren [...] zu diesem Zeitpunkt waren nicht mehr alle für einen Windpark und einige Landwirte hatten Bedenken bezüglich dem Fundament und dem Windrad selbst und den notwendi- gen Einbauten und Kabelverbindungen bis zum Umspannwerk in Bockfließ. Diese Einbauten müssten viel- leicht in einigen Jahren vom Eigentümer entsorgt und abgebaut werden und die Entsorgung kostet dann so viel Geld. Die Euphorie hat ca ein Jahr lang angedauert. Dann kam die große Wende. In Bockfließ wurde ein Wind- park geplant, in Großengersdorf und in Pillichsdorf, und auf einmal ist eine Schlagzeile in der Zeitung ge- standen, dass ein riesiger Windpark mit mehr als 50 WK-Anlagen zwischen Gänserndorf und Eibesbrunn entstehen wird und dieser Mega-Windpark soll in einer UVP abgehandelt und genehmigt werden. Das ha- 54 ben viele Leute, besonders in Bockfließ nicht mehr verstanden und haben eine Anti-Windkraftbewegung gegründet und einen positiven Gemeinderatsbeschluss für die Errichtung eines Windparks in Bockfließ wieder gekippt und bis heute gibt es nur drei Windräder auf dem Gemeindegrund von Bockfließ, von den ca 20 geplanten WKA.“ Als Helmut Hofer von der Idee für einen WP AT hörte, reagierte er nach seinen Worten durchaus positiv. Die große Anzahl oder die Menge von Windkraftanlagen, wie sie in und um Parndorf im Burgenland errichtet wurden, möchte er hier in Auersthal nicht haben. Als Amtsleiter der Marktgemeinde Auersthal kennt Helmut Hofer die Auersthaler Be- wohnerinnen und Bewohner und meint, dass es in der Gemeinde nicht viele gegnerische Stimmen gab. Manchmal waren es Einzelmeinungen, die jedoch stark kommuniziert wur- den. Die Windkraftgegner waren nach seinen Worten „[…] jedenfalls nicht die Mehr- heit“. Hofer betont den Einfluss von Nähe und Begegnung sowie den Wert direkter Ge- spräche mit den Auersthaler Bewohnerinnen und Bewohnern und sagt dazu:

„Wenn sich jemand findet, der das vorgesehene Projekt gut präsentiert und die Projektgröße stimmig ist […] dass es in irgendeiner Gemeinde unbedingt negativ ausgehen müsste. Ich glaube es nicht. […] Martin Fürhacker hat vorerst einmal ‚ausgelotet„ ob die Grundeigentümer für eine Zustimmung zur Errichtung von WKA zu gewinnen wären. Martin Fürhacker war der Meinung, dass die Gemeinde schon für eine Umwid- mung sein würde, wenn die Grundeigentümer einverstanden wären. Der Gemeinderat will ja wieder ge- wählt werden. Damals stand man vor einer Gemeinderatswahl.“ Völlig anders verliefen die Verhandlungen für die beiden Windparkanlagen in und um Bockfließ. Vor Bockfließ wollten zwei andere Betreiber den WP BF und den WP KF errichten. Die Projektplaner für den WP BF und den WP KF verfolgten im Vergleich zu den Auersthaler Planungsbeauftragten eine gänzlich andere Informations- und Kommuni- kationsstrategie.

Die Planer waren auswärtige, ortsfremde Personen von der EVN Naturkraft GmbH & Co KG und von der WWS Ökoenergie GmbH & Co KG. Sie waren für die Standortsuche und die Verhandlungen mit der Marktgemeinde Bockfließ und der Marktgemeinde Groß- engersdorf zuständig. Die Besprechungen mit der Marktgemeinde Bockfließ erfolgten damals mit dem Bürgermeister der Marktgemeinde Bockfließ, Ferdinand Zartl, sowie den potenziellen Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümern.

Markus Weiss geht auf die Planungen für den WP BF und WP KF, wie er sie als Außen- stehender wahrnehmen konnte, näher ein und führt dazu eingehend aus:

[…] „hat sich die Gegnerschaft formiert und die haben dann so richtig Gas gegeben. Haben den Bürger- meister Zartl unter Druck gesetzt, der total wehrlos war – der von der EVN-NATURKRAFT im Regen stehen gelassen wurde und total überfordert war. Die SPÖ war in Bockfließ zuerst dafür, die ÖVP war teil- weise dafür – aber nicht so wirklich – da sie sich vom Bürgermeister Zartl als Gemeindechef veräppelt gefühlt haben – der ihnen viel zu wenig erzählt hat. Zuerst war die SPÖ dafür, war für fünf WKA, wie die Stimmung gekippt ist, war auch die SPÖ Fraktion in Bockfließ dagegen. 55

Ein sehr probates Mittel ist es, Unterschriften zu sammeln – damit kann man einen Bürgermeister sehr narrisch machen. Wenn man als Autorität in einer Ortschaft – und das ist der Herr Müllner und der Tono Goess und wer sonst noch gegangen ist – ich weiß ja nicht wer gegangen ist – aber es sind maßgebliche Persönlichkeiten von Haus zu Haus gegangen und mit denen will man es auch nicht verscherzen – die Fra- ge kann zB lauten: Findest du Windkraft gut oder findest du Windkraft in Bockfließ mit roten Lichtern drauf gut? Da kann man es schon steuern wie viel ja/nein herauskommen. Da unterschreiben immer sehr viele Leute. Manche die wirklich dagegen sind, unterschreiben sowieso, denen es wurscht ist, die unter- schreiben auch, sodass sie eine Ruhe haben und selbst die unterschreiben, die eigentlich dafür waren, sich aber mit dem Goess oder sonst jemandem sich nicht verscherzen wollen. Nur die wirklich dafür sind und genügend Rückgrat haben unterschreiben auch für die WKA.“ Vielleicht war es von den Betreibern und/oder von der Gemeinde eine Taktik oder nur ein Versehen, dass man die Bevölkerung von Bockfließ kaum oder unzureichend über die beabsichtigten Projekte, den WP BF und den WP KF, informierte. Sein eigenes Informa- tionsdefizit, über die eigene Gemeindegrenze hinaus, spricht Ferdinand Zartl, der Altbür- germeister von Bockfließ in seinem Interview an, wenn er dazu antwortet:

„Meine Informationen bekam ich von der EVN um das Jahr 2002. Ich wusste lange nicht, dass auch in Auersthal ein Projekt vorgesehen war. Die EVN war Werber in Bockfließ und die WEB in Auersthal. Die EVN war mein Ansprechpartner. Es waren dies die Herren Mag. Stefan Zach, der Pressesprecher der EVN und Ing. Ernst Zöchbauer und Ing. Franz Zischkin.“ Ferdinand Zartl war bis zur Gemeinderatswahl im März 2005 Bürgermeister in der Marktgemeinde Bockfließ. Er befürwortet die Errichtung von Windkraftanlagen, auch in der Marktgemeinde Bockfließ, jedoch nicht auf jedem vom Betreiber erwünschten Stand- ort. Ferdinand Zartl erwähnt seinen Widerspruch zum Ansinnen der EVN Naturkraft GmbH & Co KG, im Norden von Bockfließ, auf den Anhöhen des Bockberg, Windkraft- anlagen errichten zu wollen und sagt dazu:

„Der erste von den Betreibern erwünschte Standort war der Bockberg. Da sagte ich gleich, das geht nicht. Wenn ich von Süden nach Bockfließ komme, möchte ich nicht als allererstes die WKA sehen. Ansonsten stehe ich positiv zu den WKA.“ Ferdinand Zartl war zwei Gemeinderatsperioden oder etwas mehr als zehn Jahre lang Bürgermeister in der Marktgemeinde Bockfließ. Er denkt und handelt im Sinne gelebter Nachhaltigkeit. Er erwähnt, dass die Marktgemeinde Bockfließ schon früh fortschrittlich dachte und Projekte umsetzte. Er spricht den Bau der öffentlichen Abwasserbeseitigung an, die örtliche Fernwärmeversorgung und verweist auf die Einrichtung eines Biotops nach der Einstellung einer Kiesgrubenbaggerung in der Marktgemeinde Bockfließ:

„Wir können nicht nur von Umweltschutz reden, wir müssen dafür etwas tun. Wir haben mit den Betreibern der WKA eine Wege-Benützungsgebühr ausverhandelt. Ich wollte dieses Geld zweckgebunden dem Gü- terwegeausbau zuführen, parallel mit dem Land den Ausbau der Radwege vorantreiben, kombiniert hätten wir Einiges erreicht.“ Am 10. Februar 2004 beschloss der Gemeinderat von Bockfließ mit Einstimmigkeit die Umwidmung von Teilflächen für 13 Anlagen des Projektvorhabens WP BF. Bei der da-

56 rauffolgenden Gemeinderatssitzung vom 17. Februar 2004 gab es im Gemeinderat von Bockfließ einen weiteren einstimmigen Beschluss zur Umwidmung eines Anlagenstand- ortes für den WP KF. Dieser Anlagenstandort war im Gemeindegebiet von Bockfließ geplant. Josef Summer war zu dieser Zeit bereits Mitglied des Gemeinderates der Markt- gemeinde Bockfließ. Er meint zur damaligen politischen Stimmung in Bockfließ:

„Die Umwidmung im Gemeinderat Bockfließ erfolgte einstimmig. Die SPÖ sagte später, sie sei nicht rich- tig informiert worden. Jeder, der mit der Schnellbahn von Wien Richtung Wolkersdorf unterwegs ist, kann sich die Windräder vorstellen. Es gab eher ein politisches Taktieren.“ Alfred Müllner ist weiterhin ein deklarierter Gegner neuer Windkraftwerke. Er berichtet, wie er und die Bevölkerung von Bockfließ über die Planungen für die Windkraftanlagen gedacht haben und welche Informationen die Bevölkerung von Bockfließ hatte:

„Grundsätzlich haben wir die WKA nicht so aufregend empfunden, da wir von der Größe nichts wussten. Der Informationsstand war gleich Null. Seitens der Betreiber gab es damals eine Info-Veranstaltung in Hagenbrunn und die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden wurden hierzu eingeladen. Mit dabei war der Vorgänger des heutigen Bürgermeisters der Marktgemeinde Bockfließ, Ferdinand Zartl und da wurde das Projekt vorgestellt. Damals wurde das Projekt in Bockfließ von niemandem ernst genommen, es gab fast keine Aufklärung. Man hat den Gemeinderäten eigentlich nicht gesagt, um was es geht. Wir haben es beim Start eines Infoabends erfahren. Da hat es die Bevölkerung erfahren.“ Nach Aussagen der beiden politischen Experten in der Marktgemeinde Bockfließ, dem Bürgermeister Josef Summer und dem Altbürgermeister Ferdinand Zartl, gab es zwischen den Planern des WP BF und des WP KF und der Marktgemeinde Bockfließ keine Prob- leme. Negativ war nur das Ansinnen eines Betreibers, am Bockberg, in den Weingärten oberhalb von Bockfließ, Windkraftwerke aufstellen zu wollen. Diese Absicht der Planer der EVN Naturkraft hat Ferdinand Zartl sofort und eindeutig zurückgewiesen.

Für einige Experten aus Auersthal und Bockfließ war es unverständlich, dass die Planer des WP BF und des WP KF der Bevölkerung von Bockfließ lange Zeit kaum oder keine Informationen geboten haben. Dazu führte Markus Weiss näher aus:

„[…] die Gemeinde Großengersdorf auch nicht geärgert – dass ihre 12 Windkraftanlagen des WP KF nicht vor ihrer Nase stehen, sondern vor dem Ort Bockfließ. Das ist ein besonderes Beispiel von Präpotenz von den Gemeinden untereinander sowie der Planer, die dachten, das sei kein Problem. Das hat mich auch geär- gert und ich sagte ihnen auch, dass könnt ihr nicht machen. So war das. Die haben dort geplant und die WEB hat hier in Auersthal geplant. Die ÖKOENERGIE aus Wolkersdorf, Geschäftsführer ist Herr Richard Kalcik, ist recht erfolgsorientiert und dachte sich, wir planen, hurra was kostet die Welt. Die hatten einen guten Finanzierer, die Raiffeisen-Liesing. Als wir mit Auersthal begonnen haben, war es mein Wissens- stand, dass sie nach Osten weiterplanen und bei der Landesstraße „Deutsch-Wagram nach Bockfließ" auf- hören. Dann kam das Problem mit dem Kaiseradler und die Lust des Bürgermeisters von Großengersdorf den Bockfließern ihre 12 Windkraftanlagen, den WP KF vor die Nase zu setzen. Großengersdorf und Bock- fließ sind beide ÖVP regierte Gemeinden, wobei Bockfließ politisch bereits am Kippen war. […] Bürger- meister Zartl machte den Fehler, dass er sich in der eigenen und der SPÖ Fraktion nicht abgesprochen hat. Problematisch wird es jedoch bei Gemeinden, wo das Mandatsverhältnis an der Kippe steht. Die SPÖ in Bockfließ hatte damals nur 1-2 Mandate weniger. Die WEB in Auersthal und die ÖKOENERGIE in Bock- fließ haben versucht ihr Projekt gut aufzustellen – abgesehen vom Fehler der ÖKOENERGIE die Wind-

57 kraftanlagen den Bockfließern vor die Nase zu stellen. […] Das war ein Fehler, da das Ganze bereits zu groß geworden ist – wir hatten in Auersthal noch kein Problem, wir dachten auch nicht, dass die uns stören könnten. Die Vorgangsweise der EVN- NATURKRAFT sich einfach hereinzusetzen ohne uns zu fragen – wir dachten wir planen einmal den WP AT und falls das was wird, können wir uns noch immer nach Bockfließ erweitern. […] Dann wurde herumgestritten, wie viel an die Gemeinden bezahlt werden sollte. Wir, die WEB zahlen der Gemeinde Auersthal einen jährlichen Wegebenutzungsbetrag von € 2000 je WKA, nun haben wir es freiwillig auf € 2700 gesteigert – und damals sagte Zöchbauer, 700 od 800 Euro, mehr können wir den Gemeinden pro Windkraftanlage nicht geben, mehr dürfen wir nicht – das gab meine Mutter, die EVN vor. Die EVN war total schnorret unterwegs, wollte mit wenig Aufwand etwas bewegen und hat das Ganze, die Stimmung, den Volkszorn total unterschätzt.“ Die Bewohnerinnen und Bewohner der Marktgemeinde Bockfließ fühlten sich durch die von Markus Weiss geschilderten Verhandlungen sowie der mangelnden Information und Kommunikation übergangen und reagierten dementsprechend erbost. Warum und wes- halb in der Marktgemeinde Bockfließ die Bevölkerung lange kaum oder keine Informati- on über die Anlagenplanung bekam, konnte aus den Interviews der Experten nicht eruiert werden.

7.2.2. Besichtigung von Windparkanlagen Für einen Betreiber sind die „Tage der offenen Windmühlentür“ eine Gelegenheit, um auch mit kritischen Personen ins Gespräch zu kommen. Eine Führung kann nach Helmut Hofer über Zustimmung oder Ablehnung entscheiden. Der Betreiber des WP AT lud den gesamten Gemeinderat und die Gemeindebediensteten von Auersthal zu einer Besichti- gung der Windparkanlagen nach Bruck an der Leitha und Mönchhof ein. Ein örtlicher Gemeinderat führte die Besucher aus Auersthal durch die offenen Anlagen und gab Aus- kunft zu allen Fragen. Helmut Hofer fasst die Kontaktaufnahme der beiden Projektbeauf- tragten für den WP AT mit den Verantwortlichen der Marktgemeinde Auersthal wie folgt zusammen:

„Zuerst wurde unser Herr Bürgermeister und dann der Gemeinderat mit dem geplanten Vorhaben befasst, um die Stimmung auszuloten. Wir sind von Markus Weiss zu einer Exkursion zum Windpark Bruck an der Leitha eingeladen worden. Die Besichtigung des begehbaren Windrades war bei dem herrschenden Sturm – oben war die Hölle los, ein eindrucksvolles Erlebnis. Die Führung vor Ort erfolgte durch einen örtlichen Gemeinderat, der sich engagiert und kompetent für den Umweltschutz und die erneuerbare Energie ausge- sprochen hat. Diese Führung hat die Stimmung im Gemeinderat positiv beeinflusst. […] Mit dem Ausflug zur WKA in Bruck an der Leitha und dem Infonachmittag drehte sich die Stimmung für die WKA ins Posi- tive. Im ÖAAB waren auch die meisten dafür. Die Gegner kamen aus der bäuerlichen Ecke.“ Und weiter meint Helmut Hofer, dass nach den örtlichen Besichtigungen der Gemeinderat der Marktgemeinde Auersthal der WEB Windenergie AG für den WP AT die grundsätz- liche Projektzustimmung signalisierte. Dazu Helmut Hofer in seinem Interview:

58

„Die Exkursion war eine überzeugende Information für den Gemeinderat zur Umwidmung der beantragten Flächen. Der Gemeinderatsbeschluss war nach meiner Erinnerung sogar einstimmig, jedenfalls zustimmend und anschließend wurde versucht, das Projekt in die Bevölkerung zu tragen.“ Mehrere Interviewpartner erwähnten in ihren Stellungnahmen, dass sich Besichtigungen und kompetente Führungen von und durch Windkraftanlagen auf die soziale Akzeptanz von neuen Windkraftplanungen positiv ausgewirkt hatten. Im Vergleich zur Marktgemeinde Auersthal wurde den Vertretern der Marktgemeinde Bockfließ von den Betreibern des WP BF und des WP KF keine Windkraftanlagenfüh- rung angeboten. Möglicherweise dachten die Projektverantwortlichen der EVN Natur- kraft GmbH & Co KG und der WWS Ökoenergie GmbH & Co KG, dass die Windkraft- anlagen ohnehin bekannt wären. Zu dieser Zeit drehten sich bereits etwas weiter westlich, in der Gegend von Seyring, Obersdorf und Eibesbrunn die Rotoren einiger Windkraftan- lagen. Der Windpark Seyring wurde 1997 eröffnet und im Jahre 2000 erweitert. Der Windpark Obersdorf war 2003 bereits mit drei Anlagen im Betrieb und weitere zwei An- lagen wurden 2004 in Betrieb genommen.

7.2.3. Informationsveranstaltungen Das UVP-Gesetz 2000 schreibt die Beteiligung der Öffentlichkeit im UVP-Verfahren vor. Informationsveranstaltungen bieten interessierten Personen sowie der Öffentlichkeit ein Podium zur Information, Fragestellung und Diskussion. Befürworter und Gegner können sich öffentlich äußern, Fragen stellen, Kritik anbringen und Aufklärung verlangen. Infor- mationsveranstaltungen sind für die Betreiber, den politisch Verantwortlichen und für die Bevölkerung eine Gelegenheit, sich gegenseitig auszutauschen.

In Auersthal werden Freundschaften, Gemeinschaft und Zusammenhalt aktiv gelebt. Vie- le Bewohnerinnen und Bewohner begegnen sich beim sonntäglichen Kirchgang, bei Sit- zungen, Proben, Aufführungen oder sonstigen Veranstaltungen der zahlreichen Vereine. Sie treffen sich in den Gaststätten oder in der Auersthaler Kellergasse am Wunderberg und tauschen sich dabei zu den gerade aktuellen Themen aus. In den Interviews wurde wiederholt erwähnt, dass es entscheidend sei, wie oder von wem ein Projekt der Bevölke- rung vorgestellt wird. Markus Weiss sagt dazu: „Es ist sinnvoll, dass jemand dort die Windkraftanlagen plant, wenn er dort viele Leute kennt und nicht ein Fremder. Der wird weniger Erfolg haben.“

Der Auersthaler Bevölkerung kam zu Gute, dass der Projektinitiator Martin Fürhacker aus ihrer Mitte kam. Der Projektverantwortliche für den WP AT war Markus Weiss, der be- 59 reits vor Beginn der Projektplanung mit einigen Auersthalerinnen und Auersthalern be- freundet war.

Nun stellt sich vielleicht die Frage, warum sich Markus Weiss und Martin Fürhacker mit erheblichem Engagement für die Errichtung des WP AT eingesetzt haben. War es der gemeinsame Wunsch, etwas für die nachhaltige Energieproduktion zu tun oder waren andere Gründe dafür ausschlaggebend? Welche Interessen standen im Vordergrund?

Markus Weiss wollte im Jahre 1995/96 mehr über die Nutzung der Windkraft erfahren. So nahm er beim Bau des ersten „Bürgerwindrades" in Michelbach bei Altlengbach mit der Firma ENERGIEWERKSTATT Kontakt auf und lernte dabei auch Andreas Dangl, den damaligen Obmann der Interessengemeinschaft Windkraft – IG WINDKRAFT und nunmehrigen Vorstandsvorsitzenden der WEB Windenergie AG, kennen. Später, zwi- schen 1996 und 1999, erwarb sich Markus Weiss weiteres Wissen bei der Planung, Er- richtung und dem Betrieb der drei Windkraftanlagen in bei Deutsch - Wag- ram.44 Markus Weiss geht auf die Geschichte und die ehemaligen Windmühlen ein:

„Ich bin Deutsch-Wagramer und bei uns geht von alledem nichts. Nein, bei uns müsste es auch irgendetwas von der erneuerbaren Energie geben. In unserer Region gab es vor Jahrhunderten bereits Windräder. Das haben wir in der Volksschule zwar nicht gehört, heute wissen wir aber, dass es fast in jedem Ort im March- feld eine Windmühle gab. Es gab keine Wasserkraft zum Mehlmahlen und die Transportwege zum Wasser wären damals viel zu lange gewesen.“ Die ersten freundschaftlichen Kontakte von Markus Weiss nach Auersthal stammen noch aus seiner frühen Jugendzeit, wo es im Rahmen der Katholischen Jugend überörtliche Treffen und Veranstaltungen von der Diözese gab. Diese freundschaftlichen Kontakte ebneten Markus Weiss seinen persönlichen Zugang zur Auersthaler Bevölkerung und waren hilfreich bei der Planung und Projektumsetzung des WP AT.

Die Idee für den WP AT hatte wie erwähnt Martin Fürhacker. Zum Zeitpunkt der Sondierungsgespräche und der ersten Planungsarbeiten war Martin Fürhacker noch Stu- dierender der Elektrotechnik an der TU Wien. Markus Weiss und Martin Fürhacker wur- den von der WEB Windenergie AG mit der Projektplanung und den Verhandlungen für den WP AT beauftragt. Gemeinsam waren sie auf Standortsuche und bemühten sich um eine optimale Aufteilung der Anlagen. Gleichzeitig führten sie die Gespräche mit der

44 Vgl. IG WINDKRAFT (8/1998): Zeitung Windenergie. S. 2. http://www.igwindkraft.at/redsystem/mmedia/2004.12.23/1103820650.pdf. (24.02.2013).

60

Marktgemeinde Auersthal und den potenziellen Standorteigentümerinnen und - eigentümern. Martin Fürhacker wohnt in Auersthal und war daher ein idealer Ansprech- partner für die Bevölkerung. Sein Bruder Christian Fürhacker führt in Auersthal die elter- liche Landwirtschaft und so lag es nahe, dass eine Windkraftanlage, die Anlage AT3 des WP AT, auf einer landwirtschaftlichen Grundfläche seines Bruders Christian Fürhacker geplant wurde. Helmut Hofer erzählt über seine Kontakte zu den Planern:

„Martin Fürhacker ist ein ‚grüner„ Naturschützer und Freund von Markus Weiss. Ich habe mit den beiden Volleyball gespielt. Die beiden kennen sich schon aus ihrer Jugendzeit. Markus Weiss kennt viele junge Auersthaler durch den Sport.“ In Auersthal wurde auch auf informellem Wege für den WP AT geworben. In Auersthal finden jährliche Beachvolleyballturniere statt. Dabei bot sich eine weitere Gelegenheit, für den WP AT eine positive Stimmung in die Ortsbevölkerung zu transportieren. Zwei Symbole sollten an die Zuseher appellieren: „Mit den Windrädern, dem WP AT, sind wir gemeinsam am Ball.“

Abbildung 21: SCHUSTER, Walter (2004): Beachvolleyballturnier in Auersthal.

61

Martin Fürhacker übermittelte Abb 21 und verfasste die folgende Erklärung dazu: „Wir haben vier Leiberl und Kapperl von der Firma WEB organisiert und der Rudi Lutz hat noch die Wind- räder gebastelt. Die Idee war, gute Stimmung für den geplanten Windpark in der Bevölkerung und bei den Jugendlichen zu verbreiten. Erneuerbare Energie aus Windkraft. Die Personen auf dem Bild sind von links nach rechts: Martin Fürhacker, Walter Schuster, Wolfgang Lutz und Rudolf Lutz. Der Beachvolleyballplatz befand sich auf dem ehemaligen Europa-Badgelände. Heute stehen dort neuerrichtete Reihenhäuser und Wohnungen für Jungfamilien. So verändert sich immer wieder die Kulturlandschaft. Den Beachvolleyballplatz gibt es noch immer, nur einige hundert Meter verschoben, neben dem Auersthaler Biotop.“

In der Marktgemeinde Bockfließ hatte die Öffentlichkeit sehr lange wenig Ahnung von den Planungen der beiden Windparkanlagen, des WP BF und des WP KF in und um Bockfließ. Im Sommer 2004 wurde ein Folder über das Gesamtprojekt, den WP MFN, als Postwurfsendung an alle Bewohnerinnen und Bewohner der betroffenen Standortgemein- den ausgesendet.45 Dieser Folder informierte die Bevölkerung über die genaue Anzahl und Situierung der zur Genehmigung beantragten acht Windparksektionen mit den 49 zur UVP-Genehmigung beantragten Windkraftanlagen. Die Bewohner von Bockfließ fühlten sich dabei völlig überrumpelt. Die Postwurfsendung löste in Bockfließ zT Entsetzen und Widerstand aus. Ferdinand Zartl erinnert sich an diese Zeit:

„Wie und woher die Anti-Stimmung ausgegangen ist, ich kann„s gar nicht genau sagen. Der seinerzeitige und verstorbene Vizebürgermeister von Auersthal, Herbert Hager hat mich kontaktiert, ich muss dagegen sein, und ich sagte, ich bilde mir meine Meinung selbst. Dann gab es ein Gespräch mit dem ÖVP- Klubobmann von Niederösterreich, Klaus Schneeberger in St. Pölten. Von Seiten Müllner und Goess hat sich die Sache aufgeschaukelt. Aber, das hat darin gegipfelt, dass ich 2004 eine Bürgerbefragung durchfüh- ren ließ. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur einstimmige Beschlüsse und auf einmal haben die Gegner gerochen, da könnte es Stimmen geben und auf einmal waren sie dagegen.“ Josef Summer erwähnt eine Informationsveranstaltung in Bockfließ und meint dazu: 46

„Es gab im Turnsaal der Volksschule Bockfließ eine Informationsveranstaltung und Alfred Müllner hat es im Interview bereits richtig gesagt, bei solchen Info-Veranstaltungen kommt es meist vor, dass sich die Bevölkerung über das umzusetzende Projekt zu wenig vorstellen kann.“ Josef Summer wurde nach der Gemeinderatswahl im Jahre 2005 zum Bürgermeister der Marktgemeinde Bockfließ gewählt. Josef Summer war bereits vorher ein Mitglied des Gemeinderates in der Marktgemeinde Bockfließ. Er berichtet über seine Wahrnehmungen und meint, dass die geplanten Windkraftanlagen in Bockfließ lange Zeit kein besonderes Thema gewesen wären.

45 Siehe Abb 14 u. 15. 46 Vgl. UVP-G (2000): Beteiligung der Öffentlichkeit lt §§ 9,13 und 19 UVP-G.

62

Markus Weiss berichtet weiter über eine am 7. Juli 2004 groß angelegte Bürgerinformati- onsveranstaltung im Gasthof Sommer in Auersthal. Er berichtet über den Aktionismus einiger bekannter Windkraftgegnerinnen und -gegner aus Bockfließ und Auersthal:

„Dann gab es im Gasthof Sommer in Auersthal eine Infoveranstaltung und der Bürgermeister Ferdinand Fürhacker sagte, er macht es von dieser Veranstaltung abhängig, wie man weiter vorgehen wird oder nicht. Das war im Jahre 2004. Ganz Auersthal war dazu im Gasthof Sommer eingeladen und der Tono Goess von der AWI-Bockfließ hat die Veranstaltung im Gasthof Sommer gleich missbraucht und hat im Eingangsbe- reich ein Notebook hingestellt und ließ eine Visualisierung über die geplanten Windkraftanlagen laufen. Der Kontakt zur Gemeinde hat jedenfalls sehr gut geklappt. Es gab ein gegenseitiges Vertrauen. Bürger- meister Ferdinand Fürhacker ist extrem fair, ausgleichend, der die Interessen der Gemeinde Auersthal ver- tritt. Das hat gut geklappt. Ich finde, es hat alles gut geklappt, da trotz der Gegnerschaft der WP AT reali- siert werden konnte.“

Die Informationsveranstaltung im Gasthof Sommer wurde in einem offenen Brief: „Stel- lungnahme des Bürgermeisters Ferdinand Fürhacker“ angekündigt. Ferdinand Fürhacker macht darin das weitere Vorgehen in der Marktgemeinde Auersthal vom Verlauf der In- formationsveranstaltung abhängig, indem er ankündigt: „Die Gemeinderäte und ich werden genau verfolgen, wie die Bevölkerung von Auersthal auf die neue Situ- ation reagiert. Danach wird sich der Gemeinderat sicher orientieren, denn schließlich sind wir als Gemein- deräte in erster Linie der Bevölkerung von Auersthal verpflichtet.“

63

Markus Weiss fasst die Stimmung in der Marktgemeinde Auersthal folgend zusammen: „In der Gemeindeverwaltung waren sie auch nicht einer Meinung. Der Bürgermeister war dafür, er hat mich verstanden, der Gemeindesekretär Helmut Hofer war nicht so dafür, er hat das reservierter gesehen. Das

64 ja/nein im Ort ist quer durchgegangen, echt grausam. Wie im Wahlkampf sind die Argumente hin und her gegangen. Es war kompliziert, die öffentliche Meinung ist an der Kippe gestanden und wie der Vortrag schon ziemlich vorbei war und wir schon ziemlich entnervt waren, hat der Bürgermeister gesagt, so schlimm war es gar nicht, er hat es sich ärger vorgestellt und das war es. Ohne das parteiinterne Standing von Bürgermeister Fürhacker wäre das Projekt WP AT gescheitert. Ganz sicher.“

Die Öffentlichkeit bekam im Zuge des UVP-Genehmigungsantrages Informationen und Antworten auf unterschiedlichem Wege. Es gab öffentliche und informelle Information und Kommunikation. Die Bevölkerung hatte lt öffentlichem Anschlag die Möglichkeit, in den Marktgemeinden Auersthal, Bockfließ und Pillichsdorf sowie in der Stadtgemeinde Wolkersdorf im Zeit- raum vom 9. September 2004 bis einschließlich 22. Oktober 2004 in die Projektunterla- gen Einsicht zu nehmen. In der Marktgemeinde Auersthal nahmen sieben Personen das Recht auf Akteneinsicht wahr. Markus Weiss berichtet über den Unmut der Bevölkerung in der Marktgemeinde Bock- fließ. Er meint zum Widerstand und zur Gründung der Bürgerinitiative AWI-Bockfließ:

„Dann gab es vor der UVP-Verhandlung in jedem Ort eine Infoveranstaltung. Das war auch wichtig. Wir haben im Osten begonnen und beim Vortrag in Bockfließ ist dann wirklich die Bombe geplatzt. Alfred Müllner und andere Bockfließer sagten, dass stinkt uns, dass uns die Großengersdorfer ihre zwölf WKA vom WP KF vor die Nase stellen und wenn wir das schon nicht wollen, dann wollen wir das andere gleich auch nicht und dann ging es los.“ Ferdinand Fürhacker meint in Bezug auf Information und Kommunikation der Bevölke- rung:

„Vielleicht hätte man noch mehr informieren sollen, das ist schwer zu sagen. Jede Information hat auch negative Seiten, da man damit auch Gegner auf den Plan ruft, obwohl es doch gescheiter ist, man informiert vorher. Im Wesentlichen hat sich die WEB bemüht. Es gibt viele Leute, die erst nachher munter geworden sind, als die WKA bereits standen bzw als die Bauarbeiten vor sich gingen. Sie sind halt vorher nicht zu den Veranstaltungen gekommen. Das Angebot war da, es gab auch Postwurfsendungen.“ Die Meinung von Markus Weiss für eine optimale Informationsvermittlung wäre:

„Wenn ich haben möchte, dass sich alle auskennen, muss ich auch alle persönlich informieren. Mit einem Gespräch von einer halben oder einer Stunde, dann kennt sich jeder aus. Aber das ist nicht machbar!“ Die Aussage von Markus Weiss, dass Einzelgespräche von einer halben oder einer Stunde dazu führen könnten, dass sich jede oder jeder auskennt, erregt kaum Aufmerksamkeit, bedarf aber eines weiteren Gedankenschrittes. Das Wort „Einzelgespräche“ würde bei der Annahme, dass nur die Hälfte der Auersthaler Bevölkerung ein Einzelgespräch von einer Stunde in Anspruch nehmen würde, einen Beratungsaufwand von sechs Monaten verlan- gen.

Soziale Akzeptanz für neue Windkraftanlagen gewinnt man durch möglichst frühe Ein- bindung und Mitbestimmung der Bevölkerung. Eine intensive Kommunikation mit den 65 politisch handelnden Personen und den betroffenen Bewohnerinnen und Bewohnern ist Voraussetzung. Die Beantwortung der Fragen soll ergebnisoffen und respektvoll sein. Die Bevölkerung will mitbestimmen, wenn es, wie bei der Errichtung von Windkraftwerken, zu einer massiven Überformung ihrer identitätsstiftenden Landschaft kommt.

Ein aktives Zugehen, Zuhören und das Eingehen auf die Sorgen und Bedürfnisse der Be- völkerung sollen selbstverständlich sein. Frühe Information und Kommunikation – im großen oder kleinen Rahmen – sowie die Kompromissbereitschaft des Betreibers und der politischen Entscheidungsträger gaben in der Marktgemeinde Auersthal den Ausschlag, dass der WP AT errichtet und in Betrieb genommen werden konnte.

7.3. Reaktionen

Die Planung, Genehmigung und Errichtung neuer Windkraftanlagen schafft Betroffen- heit. Menschen unterscheiden zwischen „objektivierbaren Repräsentationen und nicht- objektivierbaren Empfindungen als zwei unterschiedliche Ergebnisse der Wahrnehmung“. Die nachfolgende Reaktion wird durch den gefühlten Wert für das Individuum be- stimmt.47 Die Bevölkerung fühlt sich verunsichert, stellt Fragen und sucht nach verlässlichen Ant- worten. Wo und wie viele Anlagen werden geplant und wem gehören die Grundflächen? Welche Veränderungen und Beschränkungen sind zu erwarten und wie werden sich diese auf die vertraute Umgebung auswirken? Wie wirkt sich der Anblick auf die sich drehen- den und blinkenden Rotoren aus? Gibt es Einspruchsrechte? Können die Fragen von den Betreibern sowie den Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung überhaupt oder zu- friedenstellend beantwortet werden? Wer sind die Nutznießer dieser Anlagen? Gibt es einen Katastrophenplan? Für welchen Zeitraum werden die Windkraftanlagen bewilligt und wer ist nach der Betriebsstilllegung für den Rückbau zuständig? Ist auf die Aussagen und Zusicherungen der Betreiber, Ämter und Behörden Verlass oder werden wichtige Dinge verschleiert, geschönt oder noch verschwiegen?

Die Fragen der betroffenen Bürger zielen darauf ab, ein Gefühl von persönlicher Sicher- heit zu bekommen. Können die gestellten Fragen überhaupt und glaubhaft beantwortet

47 Vgl. ANSORGE, Ulrich und LEDER, Helmut (2011): Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. S. 9.

66 werden? Verbindlichkeit und Aussagewert entscheiden über Vertrauen und letztlich über Erfolg oder Misserfolg. Isabella Hatak schreibt über das Thema Vertrauen:

„[…] dass die modelltheoretische Erfassung und Erklärung der Vertrauensentscheidung als Reaktion auf die subjektive Unsicherheit über das Verhalten des Vertrauensnehmers eine Differenzierung zwischen sub- jektivem Entscheidungskalkül und objektiv beobachtbarem Verhalten des Vertrauensgebers erfordert: Eine Vertrauensentscheidung im Sinne eines Schenkens von Vertrauen liegt nur dann vor, wenn eine Vertrau- enshandlung vorgenommen wurde, die durch eine Vertrauenserwartung motiviert wurde. Während die Vertrauenserwartung der subjektiven Einschätzung des Vertrauensgebers entspricht, dass der Vertrauens- nehmer freiwillig auf opportunistisches Verhalten verzichtet, zeigt sich die Vertrauenshandlung in der frei- willigen Einbringung einer riskanten Vorleistung (zB offene und ehrliche Informationsabgabe an den Ver- trauensnehmer) und in einem Verzicht auf explizite vertragliche Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen (zB Reduktion der Kontrollintensität) zur Begrenzung von Opportunismusspielräumen.“48

Wie erwähnt, bekam die Bevölkerung von Bockfließ sehr wenig über den Stand der Windkraftplanungen in und um Bockfließ mit. Der Enttäuschung folgte zivilgesellschaft- licher Widerstand. In Bockfließ nutzten die Windkraftgegner die im März 2005 bevorste- henden niederösterreichischen Gemeinderatswahlen, um auf politischem Weg Druck auf die Entscheidungsträger auszuüben. Der Protest der AWI-Bockfließ und die Gründung einer eigenen Wahlbewegung, der Bürgerliste ProBockfließ (PROB), bewog die politi- schen Kräfte im Land Niederösterreich zum Eingreifen. In einem zähen Aushandlungs- verfahren zwischen den Windkraftgegnern sowie den politisch handelnden Personen auf Landes- und Gemeindeebene und den Betreibern wurde das Gesamtprojekt um insgesamt 32 Anlagen verringert. Von den ursprünglich 49 zur Genehmigung beantragten Wind- kraftanlagen wurden nur 18 Anlagen errichtet, die im Juni 2006 in Betrieb genommen wurden. Enttäuscht zeigte sich Alfred Müllner über seine subjektiv wahrgenommene Vor- rangstellung „Vogelschutz vor Mensch“ und sagt dazu:

„Man hat sich um den Vogel gekümmert, aber es wurde kein einziges Mal ein Mensch gefragt, ob es ihm recht sei, dass man ihm hier seine Umgebung, seinen Naherholungsraum, durch die Errichtung von WKA zerstört.“ Die Aussage des Alfred Müllner offenbart, wie Menschen ein Verhandlungsergebnis aus dem Jahre 2004 selbst nach fünf Jahren noch für sich noch deuten. Der Hinweis des Herrn Müllner, dass dem Vogelschutz ein höherer Stellenwert eingeräumt wurde als den Be- dürfnissen und berechtigten Schutzinteressen der Menschen, sollte wohl nicht stimmen. In der Umweltverträglichkeitserklärung und beim Ermittlungsverfahren werden doch alle

47 HATAK, Isabella R. (2011): Kompetenz, Vertrauen und Kooperation. S. 277.

67 zu erwartenden, mittelbaren und unmittelbaren Auswirkungen erhoben, beschrieben, be- wertet und berücksichtigt. Die UVP-Behörde hat nach Abschluss des Ermittlungsverfah- rens gemäß der Bestimmung des UVP-G 2000 und gemäß § 17 Abs 1 bis 3 UVP-G 2000 entschieden. Die UVP-Behörde begründet in ihrem Bescheid mit der Zl RU4-U-147/113 vom 21.12.2004, dass im Ermittlungsverfahren und insbesondere durch Sachverständi- gengutachten belegt ist, dass das Vorhaben WP MFN umweltverträglich und genehmi- gungsfähig ist und führt dazu weiter aus: „Dies unter der Voraussetzung der Vorschrei- bung der vorgeschlagenen Auflagen und Bedingungen. Wesentlich dabei war auch, dass sich aus den vorliegenden Sachverständigengutachten eindeutig ergibt, dass weder die Nachbarn der Anlagen noch sonstige zu schützende Güter von den Anlagen in unzumut- barer Weise beeinträchtigt werden.“49

Markus Weiss erinnert sich an die zT heftig geführten Diskussionen mit so man- cher/manchem Windkraftgegnerin oder -gegner in der Marktgemeinde Auersthal. Er er- wähnt den Eingriff in das vertraute Landschaftsbild, verweist jedoch gleichzeitig auf den Mehrwert, den wir Österreicher uns aneignen, wenn wir Strom durch die Nutzung der Windenergie im eigenen Land erzeugen: „Wir tun etwas für den Klimaschutz und sparen uns finanzielle Mittel, die ansonsten durch Zahlungen in das Ausland gingen.“

Markus Weiss erwähnt die Rücknahme von drei Auersthaler Anlagen in zwei Etappen. Noch vor dem UVP-Antrag wurde die ortsnächste Anlage des Ursprungsprojektes für den WP AT zurückgenommen. Durch die Rücknahme von zwei weiteren, bereits UVP- rechtlich genehmigten Anlagen konnte ein tragbarer Konsens in der Marktgemeinde Auersthal erreicht werden. Beim Interview konnte der Autor förmlich die Heftigkeit des Auersthaler Widerstandes miterleben, wenn Markus Weiss über die emotional aufge- brachte Stimmung in Auersthal berichtet:

„Wir haben ganz Auersthal polarisiert und einige wenige Leute auch zur Weißglut gebracht. Da waren sie selbst schuld. Das sind oft so verbohrte Menschen, wo man mit Argumenten nicht mehr weiter kommt. In diesem Falle ist mir das dann emotional auch egal.“ Ferdinand Fürhacker, der Bürgermeister von Auersthal, schildert wie folgt aus seinen zahlreichen Verhandlungen mit den Vertretern des Betreibers des WP AT sowie mit den

49 UVP-Bescheid WP MFN (2004): RU4-U-147/113. S. 28.

68 besonders kritischen Personen aus der Auersthaler Jägerschaft und mit jenen Bewohne- rinnen und Bewohnern, die den freien Blick auf den WP AT befürchtet haben:

„Ganz emotionslos kann man die WKA nicht sehen, aber wir haben doch versucht die Emotionen abzu- schwächen und möglichst sachlich zu handeln. Es gab auch Informationsveranstaltungen der Windkraftbe- treiber, die gut besucht waren, bei denen sich die Vertreter der WEB ganz gut behauptet und argumentiert haben. Bei einigen fanatischen Teilnehmern dieser Informationsabende war es schwierig Überzeugungsar- beit zu leisten. Wenn jemand eine vorgefasste Meinung hat und davon nicht abrückt, und das ist so, da fährt die Eisenbahn drüber, da kann man halt schwer argumentieren, wenn es nicht sachlich bleibt.“ Im Gegensatz zu Bockfließ wurden die Bewohnerinnen und Bewohner von Auersthal schon ab Anbeginn über die Planungen für einen WP AT informiert. Die Bevölkerung wurde persönlich auf die Anlagenplanung angesprochen oder wie es Helmut Hofer aus- drückt: „Das Projekt ist kleinweise in die Bevölkerung hineingesickert.“ Und Martin Für- hacker sagt dazu: „Tatsache ist, dass es zuerst keine Probleme gegeben hat. Alle waren dafür. Wenn ich in ein Wirtshaus gekommen bin, wurde ich mit Begeisterung auf die Windkraft angesprochen.“

7.3.1. Pro und kontra Bevölkerung In Auersthal und in Bockfließ gab es Befürworterinnen und Befürworter sowie zwei geg- nerische Interessensgruppen, die sich mit Vehemenz gegen die Windkraftanlagen stellten. Die Befürworter waren jene Bewohnerinnen und Bewohner, denen die Nutzung der er- neuerbaren Energie ein persönliches Anliegen war oder es waren Personen, welche sich durch die Errichtung einer Windkraftanlage auf ihren landwirtschaftlichen Grundflächen eine lukrative Verpachtung von geringen landwirtschaftlichen Grundflächen erhofften.

Markus Weiss berichtet über einen ursprünglichen aktiven Windkraftbefürworter aus Bockfließ. Dieser wandelte sich später zu einem aktiven Windkraftgegner, nachdem seine Pläne für einen Windpark nicht umgesetzt werden konnten. Die neuen Abstandsregelun- gen des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes verhinderten die Genehmigung. Markus Weiss geht auf diese Problematik und auf die Folgen näher ein:

„Dann gab es verschiedene Interessenslagen. Der Tono Goess hat viel Fläche, die er verwerten möchte. Der Tono Goess wollte einmal selbst, gemeinsam mit dem Betreiber, der ÖKOENERGIE, auf seinen Flächen ein paar WKA aufstellen. Die Entfernung zu Deutsch-Wagram war zu knapp, sodass die schallmäßig erfor- derlichen Abstände nicht einzuhalten waren. Da hätte der Tono Goess 3-5 Windradln haben wollen – da war er noch dafür, das hätte ihm schon gepasst. Dann rutschten die ganzen Windradln nach Bockfließ und Tono Goess hat meines Wissens südlich der Bahnlinie ‚Obersdorf-Auersthal„ Grundstücke, die er gerne zu Bauland Wohngebiet gewidmet hätte bzw er hat Grundstücke, die er verkaufen möchte – also bereits beste- hendes Bauland – oben am Hügel nördlich des Ortes Bockfließ, wo man schön auf das Marchfeld hinunter- schauen kann. Er hatte daher Angst, dass die Attraktivität seiner Grundstücke durch die WKA leidet und der Kaufpreis nicht zu erzielen wäre. Tono Goess hatte ein vitales geschäftliches Interesse. Entweder mit den WKA bei Deutsch-Wagram oder ohne WKA bei Bockfließ. Der Herr Müllner ist Pächter des Schloss- 69 kellers in Bockfließ, der dem Herrn Goess gehört. Dadurch kennen sie sich … mehr sage ich nicht … er ist einer, der gern einmal dagegen ist. Solche Leute können in einer Demokratie existieren und das ist auch gut so, die sind das Salz in der Suppe; die halten nicht ihren Mund sondern geben Gas, wenn ihnen etwas nicht passt.“ Eine Interessensgruppe von Windkraftgegnern bildete sich um jene Bewohnerinnen und Bewohner von Auersthal oder Bockfließ, die eine Beeinträchtigung ihres persönlichen Wohnstandortes durch den künftigen Blick auf die Windkraftwerke befürchteten. Andrea Reithofer monierte bereits früh den Anblick auf die Anlagen des WP AT, denn das Wohnhaus der Familie Reithofer befindet sich am Südrand der Auersthaler Wohnbebau- ung, von wo aus der freie Blick auf den WP AT gegeben ist. Andrea Reithofer und ihre Familie waren daher gegen einen WP AT. Markus Weiss kennt die Familie Reithofer persönlich und geht darauf näher ein, wenn er berichtet:

„Die Frau Andrea Reithofer ist bei der Gemeinde Auersthal beschäftigt und sieht von ihrer Terrasse aus auf die WKA. Ich kenn die Andrea aus der Zeit bei der Katholischen Jugend. Sie sprach mich an, warum ich ihr den Blick auf die Windradl antun möchte? Die Andrea Reithofer hatte offenbar meine Grundidee nicht erkannt. Wir müssen als Staat versuchen, energieautark zu werden. Jedes knappe Gut, das importiert wird, produziert am Standort des Vorkommens Unfrieden und zT auch Krieg. Andrea Reithofer meinte aber, warum stellst du mir die WKA vor das Fenster? Ich sagte ihr, dass ich das ja nicht zum Ärgern mache, sondern zur Nutzung der erneuerbaren Energie. Die Familie Reithofer ärgert sich heute noch über den WP AT.“ Der Autor wollte noch mit Frau Andrea Reithofer ein Interview aufnehmen, um auch ihre Sichtweise als Betroffene kennen zu lernen. Sie teilte kurz mit, dass sie keine Befragung möchte. Eine Anonymisierung ihres Namens ist nicht erforderlich – sie steht zur Aussage des Markus Weiss.

Nun, der freie Blick auf die drehenden Rotoren von Windkraftanlagen kann Unruhe und Stress erzeugen.50 Denn Rotorumdrehungen bewirken Immissionen. Es ist erwiesen, dass Rotoren im niedrigen Frequenzbereich Infraschall erzeugen. Die Hörschallgrenze des Menschen liegt bei etwa 20 Hertz. Im Unterschied zum Menschen wird der Infraschall von Tieren wahrgenommen. Schallmessungen an einer zwei MW-Anlage, wie sie bei den Anlagen des WP AT gegeben sind, erzeugen einen Schalldruckpegel von 69 bis 84 Dezi- bel. Die Schallausbreitung kann durch Luftabsorption, Schutzwälle und Bauwerke nicht wesentlich verringert werden. Der Bundesverband Windenergie in Deutschland bezeich- net diesen Wert jedoch als harmlos.51

50 Vgl. BRAUN, Sabrina und ZIEGLER, Simone (2006): Windlandschaft. S. 36. 51 Ebd. S. 35.

70

Alfred Müllner, der Wirt des Schloßkellers Bockfließ, berichtet, dass es die insgesamt 35 geplanten Anlagen vor und um Bockfließ sowie Auersthal waren, die mächtigen Wind- maste und die drehenden und blinkenden Rotoren, die zukünftig die Gegend in und um Bockfließ verändern sollten. Er meint, dass die Anlagen bei Mensch und Tier Unruhe und Stress erzeugen. Alfred Müllner wird hoch emotional, wenn er über seine Sorgen und Befürchtungen wie folgt berichtet:

„Wenn ich oben in den Weinbergen mit meinem Hund spazieren gehe oder dort oben sitze und in das Land hinunterschaue, dann ist es ein besonderes Erlebnis. Wenn ich im Frühling die wogenden Getreidefelder sehe und dann und wann einmal eine Ölpumpe. An die hat man sich aber gewöhnt, weil diese nicht so do- minant sind.“ Auch für den Bürgermeister der Marktgemeinde Auersthal stellen die Anlagen des WP AT einen Eingriff in die Kulturlandschaft dar. Ferdinand Fürhacker spricht von einem Riesen-Projekt, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass man von der Gemeinde her be- strebt war, die Anlagenzahl möglichst gering zu halten. Er spricht über den ökologischen Mehrwert und die mögliche Energieversorgung in der Gemeinde, wenn er meint:

„Die 10 Windkraftwerke des WP AT sind schon ein Riesen-Projekt und ein Eingriff in die Natur und Um- welt – das ist keine Frage – aber es ist doch eine der schonendsten Energiequellen, die eigentlich keine offensichtlichen Nachteile hat, außer, dass ich da ein großes Windrad vor mir habe. Wir haben versucht, die Anlage begrenzt zu halten. Das abschreckende Beispiel war für uns die Parndorfer Platte – so etwas haben wir bei uns nicht – und wir haben eine Größenordnung, die doch von den Leuten hier akzeptiert werden kann – wir haben auch einen ökologischen Beitrag geleistet, denn mit dieser Anlage, könnten wir die Auersthaler Bevölkerung energiemäßig locker versorgen.“ Heidemarie Hellmer berichtet über den Nutzen einer regionalen, nachhaltigen Energieer- zeugung. Sie spricht über den lockeren Umgang der Menschen mit der knappen Ressour- ce Energie. Sie war zuerst gegen die Errichtung des WP AT und erzählt, wie sie im Jahre 2003 von ihren Auersthaler Freunden und Windkraftgegnern auf das Projekt WP AT aufmerksam gemacht wurde.

Die Auersthaler Windkraftgegner wurden von der Marktgemeinde Auersthal bzw vom Betreiber zu runden Tischgesprächen in den Gasthof Sommer eingeladen. Dort konnten sie offen und sachlich über ihre Forderungen vorbringen. Die Windkraftgegner und die sonst an der Sache interessierten Personen konnten mit den Vertretern des Betreibers und der Gemeinde Auersthal in einen intensiven Austausch treten. Heidemarie Hellmer wurde auf Grund dieses runden Tischgespräches von Bürgermeister Fürhacker zur Kandidatur in den Auersthaler Gemeinderat eingeladen. Das Interview mit Heidemarie Hellmer wurde in ihrem Wohnhaus am Auersthaler Anger aufgenommen. Aus ihrem im ersten Stock

71 gelegenen Wohnbereich sieht man auf Teile des WP AT. Heidemarie Hellmer berichtet über die Bedenken in der Auersthaler Bevölkerung:

„Es gab Bedenken seitens der Bevölkerung. Deshalb wurde auch ich angesprochen um beim Runden Tisch dabei zu sein. Aus meiner Wohnumgebung sehen wir die Windkraftanlagen des WP AT. Auch ich sehe von meiner Wohnung aus dem Erd- und Obergeschoß auf den WP AT. Es gab die Befürchtung, dass die sehr mächtigen Anlagen zu nahe an das verbaute Wohngebiet herangerückt worden wären. Es gab Fragen zum Lärm und dgl. Wir alle wussten ja im Vorhinein nicht, was auf uns zukommen wird. Die Höhe und die Anzahl waren bekannt. Unbekannt waren die Auswirkungen, wie die errichteten Windkraftanlagen des WP AT aussehen werden. In Auersthal gab es dazu Bedenken. Noch stärkere Bedenken gab es in Bockfließ, wegen der Situierung der geplanten Windkraftanlagen, südlich des Ortsbereiches von Bockfließ im Königs- feld.“ Auf den ebenen und intensivlandwirtschaftlich genutzten Flächen des Marchfeldes wur- den die zehn Anlagen des WP AT errichtet. Die Umgebung wird von der örtlichen Be- völkerung zum Spaziergang oder zur Radausfahrt genutzt. Im Nahbereich werden die Anlagen als mächtige Bauwerke wahrgenommen. Bei aufkommendem Wind wird das Rauschen der Rotoren als besonders laut empfunden. Heidemarie Hellmer berichtet dazu aus eigener Wahrnehmung:

„Ich fahre viel mit dem Fahrrad in diesem Gebiet. Man hört die Windkraftanlagen. Sie sind schon laut und massiv und insbesondere in unmittelbarer Nähe der Windräder. Die Windkraftanlagen sind riesig, gigan- tisch groß.“ Die Auersthaler und Bockfließer Windkraftgegner haben sich intern gut vernetzt. Doch in Auersthal gab es vergleichsweise weniger kritische Stimmen als in Bockfließ. Der Bevöl- kerung von Bockfließ waren die 25 Windkraftanlagen des WP BF und des WP KF vor ihrer Ortschaft einfach zuviel. Auf Grund der Topographie der Wohnbebauung von Bockfließ, auf den ebenen Flächen des Marchfeldes sowie – ansteigend, bis hinauf in die Bockfließer Weingärten –, wäre die Bevölkerung von Bockfließ auch mehr betroffen als die Auersthaler Bevölkerung, deren Wohnbebauung sich innerhalb und entlang einer brei- ten geologischen Talmulde erstreckt.

Heidemarie Hellmer spricht die Argumente der Windkraftgegnerinnen und -gegner aus Auersthal und Bockfließ an. Sie erwähnt die heftig geführten Diskussionen, die sich bis in den Niederösterreichischen Gemeinderatswahlkampf im Jahre 2005 hineinzogen:

„Ja, der Widerstand in Bockfließ war sicher gegeben und teilweise auch berechtigt, da Königsfeld ein schö- nes ‚Fleckerl„ vor Bockfließ ist. Außer der optischen Beeinträchtigung erkenne ich hier in Auersthal keine Nachteile. Ob es draußen im Gelände etwaige Probleme gibt, müssten die Landwirte gefragt werden.“ Die Auersthaler und Bockfließer Bevölkerung wäre schon auf Grund der topographisch unterschiedlichen Lageeigenschaften ihrer Wohnbebauung und der geplanten Windpark- anlagen völlig unterschiedlich betroffen. Die Auersthaler Bevölkerung siedelt wie er- wähnt in einer langgezogenen breiten Talmulde. Die Bevölkerung von Bockfließ hinge-

72 gen siedelt auf dem ebenen Marchfeld. Bei einer Zufahrt oder beim Nachhause- kommen nach Bockfließ oder beim Spaziergehen in den Bockfließer Weinbergen müssten die Menschen, bei projektgemäßer Ausführung, auf 35 Windkraftanlagen – den WP AT, den WP BF und den WP KF – blicken.

7.3.2. Jägerschaft und Wild Die Jägerschaft hat den gesetzlichen Auftrag, einen artenreichen und gesunden Wildbe- stand zu sichern. Um den Wildbestand in einem Revier annähernd zu kennen, braucht es Zeit und Ruhe. Wild kann nur bei einer störungsfreien Umgebung beobachtet werden. Wild fühlt sich erst sicher und vertraut, wenn es keine ungewohnten Geräusche oder Be- wegungen mehr wahrnimmt. Wird Wild beunruhigt, so flüchtet es in den sicheren Ein- stand. Personen in der Auersthaler und die Bockfließer Jägerschaft waren die ersten und ernsthaften Windkraftgegner. Alfred Müllner berichtet über die Bockfließer Jägerschaft:

„Das erste Veto kam ja von den Jägern. Da kam der Jagdleiter von Bockfließ zu mir, zum sonntäglichen Stammtisch [...] und er hat geschrien: „Seid‟s wahnsinnig, diese Trotteln do, die Windräder hauen alles zusammen." Die Jägerschaft war besorgt, dass es während der Baumaßnahmen, bei der Errichtung und später bei den Wartungsarbeiten zu Störungen kommen könnte. Allerdings gewöhnt sich Wild an wiederkehrende Geräusche. Helmut Hofer erwähnt die am 13. März 2003 stattgefundene Besichtigung der beiden Windparkanlagen in Bruck an der Leitha und Mönchhof durch den Auersthaler Gemeinderat und meint:

„Als wir in Bruck an der Leitha ankamen, standen fünf Meter neben dem Windrad die Rehe. Wir haben diese erst verscheucht, als wir bei unserer Besichtigungstour mit dem Autobus näher gekommen sind. Ich dachte bei mir, – ihr lieben Jäger –, den Rehen sind die Windräder egal und das ist auch unseren Rehen beim WP AT egal. Bei uns wurden die Hasen und die Großtrappen ins Spiel gebracht. Ich habe jedoch bei uns noch nie eine Großtrappe gesehen. Es wurde noch nie eine gefangen, geschossen oder irgendwie gefun- den. Vor fünf Jahren gab es 60 oder 70 Rehe, wobei durch die Bejagung in die Population eingegriffen wurde. Die Rehe werden jedenfalls in keiner Weise behindert und die stehen wirklich bei den Windrädern. Da irgendetwas aufzuhängen, dass die Windräder schuld wären, dass das Wild weniger werden würde ist meines Erachtens aus der Luft gegriffen. Das stimmt nicht, sicher nicht.“ Und Ferdinand Fürhacker, meint zu den Bedenken und Sorgen der Jägerschaft:

„Weitere Gegner haben sich dann in der Jägerschaft gefunden, die Angst um das Wild hatten, dass dieses aufgeschreckt/aufgescheucht werden würde und ihr Gemeindejagdgebiet dadurch in Mitleidenschaft gezo- gen werden könnte. Das hat sich angeblich nicht bestätigt, das weiß man dann immer erst im Nachhinein.“ In Auersthal und Bockfließ gab es einige wenige Personen in der Jagdgesellschaft, die sich mit vollem Einsatz gegen die Errichtung von Windkraftanlagen stellten. Diese Per- sonen waren zudem politisch und gesellschaftlich gut vernetzt.

Heidemarie Hellmer berichtet von zwei gegnerischen Interessensgruppen, die sich in der Marktgemeinde Auersthal gebildet haben. Sie erwähnt die Jägerschaft und jene Bewohne-

73 rinnen und Bewohner, die von ihren Wohnungen aus einen direkten Blick auf den WP AT befürchtet haben und meint:

„Herbert Hager jun. hatte Sorge um eine negative Beeinflussung der geplanten Auersthaler Windkraftanla- gen auf das Niederwild. Der Wohnstandort in Bezug zu den Windkraftanlagen war sicherlich zweitrangig. Das waren andere Leute.“ Allerdings, Windräder können sich auch positiv auf das Niederwild auswirken. Die dre- henden Rotoren bewirken in der kalten Jahreszeit eine raschere Luftdurchmischung und verhindern dabei die Bildung von Kälteseen. Ferdinand Fürhacker meint dazu:

„Die Jägerschaft machte die Erfahrung, dass es auch gewisse Vorteile durch die Windkraftanlagen gibt. In der Umgebung der Windkraftanlagen sei es wärmer und die Angst, die sie hatten, dass das Flugwild ver- letzt, getötet oder angezogen wird, diese Befürchtungen sind Gott sei Dank nicht eingetreten.“ Ein Erfahrungsbericht aus Oberösterreich wurde über Wald und Wild publiziert. Andreas Reichl berichtet als Geschäftsführer des größten österreichischen Waldwindparks, der Sternwind GmbH & Co KG, über seine Erfahrung:

„Unsere Windräder stehen auf über 1000 Meter Seehöhe im Wald. Naturschutzexperten sehen das so, dass nur der Turmfuß im Wald steht, denn für sie reicht das ökologische System Wald nur bis zu den Wipfeln. Der Rotor bewegt sich daher außerhalb dieses Systems. Seit Inbetriebnahme der ersten Anlage vor sieben Jahren habe ich noch keinen einzigen Vogel gefunden, der mit einem Rotorflügel kollidiert wäre. Und das Wild fühlt sich im Windpark augenscheinlich wohl. Die Jäger waren anfangs eher skeptisch, sehen aber nun keine negativen Auswirkungen auf das Wild.“52 Wie bereits erwähnt, gehören die Sicherung des Lebensraumes und die Förderung von seltenen und gefährdeten Wildarten zu den Aufgaben der Jägerschaft. Greifvögel, wie der Kaiseradler und der Sakerfalke sind geschützte Vogelarten und dürfen nicht bejagt wer- den. Nach den Untersuchungen von Rössler, Denner und Zuna-Kratky aus dem Jahre 2003 stellen Windkraftanlagen für Greifvögel ein besonderes Konfliktpotenzial dar. Grei- fe jagen Feldhasen, Tauben, Fasane und Nager.53 Zum Schutz des Kaiseradlers und ande- rer Greifvögel konnte durch die Rücknahme des WP BF und WP KF ein noch breiterer windparkfreier Korridor freigehalten werden.

52 REICHL, Andreas (2011): Portrait Wind-Menschen. In: IG WINDKRAFT (Hg): Windenergie, Nr. 59. S. 20. 53 Vgl. UVE (August 2004): WINDPARK MARCHFELD NORD, 3. Beschreibung der Umwelt. S. 129.

74

Alfred Müllner berichtet von Forschungen und seiner eigenen Wahrnehmung über den Kaiseradler sowie über dessen Verhalten bei der Beizjagd anlässlich des Österreichischen Falknertages in Bockfließ im Oktober 2008:54

„Der Ornithologe hat sich um den Schutz des Kaiseradlers in unserer Region bemüht. Er hat zwei Jahre den Kaiseradler genau beforscht, dass er ja nicht beleidigt wird. Er hat ihn genau beobachtet, wie er hier lebt, jagt, seine Nester baut, wie er frisst und wie er ‚sch …„. Er hat sich akribisch und genau über den Kaiserad- ler informiert, dass man seinen Lebensraum ja nicht beeinträchtigt und nicht zerstört oder dass er vertrieben wird. Dr. Harald Barsch war ein Freund von Landeshauptmann Jörg Haider und war hier in Bockfließ bei der Falknertagung 2008. Und es waren die Kuweitis – und ganz Europa war hier vertreten – und unter anderem auch der Falknermeister von der Rosenburg, der Forstmeister Josef Hiebeler. Er sagte, so etwas habe er noch nie gesehen, eine solche Landschaftszerstörung. Als er mit seinen Adlern zur Beizjagd ins Revier hinaus kam, wusste er zuerst nicht was los sei. Als sein Adler den Schatten und das Drehen gesehen hat, legte er sich auf den Boden und hatte sich nicht mehr gerührt.“ Markus Weiss bestätigt die Konfliktbereiche. Zum Schutz des Kaiseradlers wurde zwi- schen Pillichsdorf und Auersthal ein windparkfreier Raum von der UVP-Behörde festge- legt. Entsprechende Ausgleichsmaßnahmen wurden in den UVP-Bescheid aufgenommen und müssen eingehalten werden:55/56

„Der Kaiseradler spielt auch hier eine Rolle, da es für ihn eine Fressgegend gibt. Der ornithologische Sachverständige beeinspruchte daher die beiden Windparks Bockfließ und Königsfeld, da er für den Kai- seradler einen breiteren Korridor sicherstellen wollte. Der Kaiseradler bevorzugt Junghasen, die freies Ge-

54 Vgl. ÖFB (2008): ÖFB Falknertagung 2008 in Bockfließ. http://www.falknerbund.com/gallery2/main.php?g2_itemId=1730&g2_page=2 (04.03.2013). 55 Vgl. UVP-Bescheid Zl RU4-U-147/113 (2004): zu Auflagen 6.) Wildökologie, S.12. „Die Gesamtfläche der außerhalb von Wald situierten Fundamente beläuft sich somit auf rund 6.343 m², die aus der land- wirtschaftlichen Intensivnutzung genommen werden und in der Folge wildökologisch wertvolle Aus- gleichsflächen darstellen.“ 56 Vgl. Ebd: zu Auflagen E) Ornithologie, S. 24. 1. „Brachflächen im Ausmaß von jeweils 0,5 ha pro Anlage, das sind bei 29 Anlagen insgesamt 14,5 ha, sind im Südteil des Betrachtungsraumes, in Abstimmung mit dem unterzeichneten Sachver- ständigen, als Nahrungsflächen für Vögel, besonders Greifvögel, anzulegen. 2. Die Flächen sollen in mindestens 1 km vom Windpark (Außenrand) liegen und möglichst groß sein, Einzelflächen jedenfalls nicht kleiner als 2 ha. 3. Das Entwicklungsziel der Brache ist Ackerbrache. 4. Lage und Größe der Brachflächen sind mit der Naturschutzbehörde abzustimmen, die Abstimmung mit Ausgleichsflächen im Zuge der Planung der Wiener Nordostumfahrung (S1 Ost) ist herzustel- len. 5. Es ist sicherzustellen, dass die Brachen als zusätzliche Brachen angelegt werden und nicht der üb- rige Brachenanteil verringert wird. 6. Die Pflege der Brachen unter Gesichtspunkten des Naturschutzes ist auf Bestandsdauer des Vorha- bens sicherzustellen. 7. Umsetzung und Erfolgskontrolle der Maßnahme ist durch eine ökologische Bauaufsicht und ent- sprechende fachliche Betreuung zu begleiten und der Erfolg gegenüber der Behörde jährlich zu dokumentieren. 8. Die Kosten für die Maßnahme sind von der Projektwerberin/dem Projektwerber zu tragen.“

75 lände bevorzugen und im freien Gelände wollen wir unsere Windkraftanlagen errichten. Sohin gibt es Kon- kurrenz mit der Vogelwelt, den Zugvögeln, den Wildwechseln, den Jägern und mit den Radlern. Es muss ein greifvogelarmes Gebiet sein, es darf dort kein Kaiseradler oder Roter Milan vorkommen, es darf kein Natura 2000 Gebiet in der Nähe sein, vorzugsweise soll eine Windkraftanlage nicht in einem Waldgebiet errichtet werden, da Wald im Bezirk Gänserndorf auf Grund der geringen Waldausstattung ein besonderes Schutzgut ist. Weiter gibt es Vorgaben zum Flugverkehr – Militär- und Zivil-Radaranlagen und natürlich müssen die Raumordnungsbestimmungen eingehalten werden.“ Markus Weiss bringt die wahren Sorgen der Jägerschaft auf den Punkt, wenn er meint:

„Die ehrliche Angst des Jägers ist, ob das Wild wirklich verschwindet, … […] Weiter will der Jäger drau- ßen seine Freizeit verbringen, er will sich erholen, will Tiere sehen oder zu seinem Abschuss kommen. Die Jäger wollen aber in einer schönen Landschaft sitzen und sie wollen eine Ruhe haben. Wir verschandeln ihre Landschaft und nehmen ihnen die Ruhe.“

Der Autor hat zum Thema Jagd und Wild noch eine weitere Expertenmeinung eingeholt. Karl Hager ist ein langjähriger aktiver Jäger sowie Funktionär in der Jagdgesellschaft Auersthal. Mit Karl Hager konnte der Autor am 1. April 2013 ein Interview in Auersthal aufnehmen, das digital gesichert wurde. Karl Hager wurde speziell zu den seit dem Jahre 2006 in Betrieb stehenden Windkraftanlagen in Auersthal sowie zu den anderen im Be- zirk Gänserndorf errichteten Windkraftanlagen befragt: Frage 1: Haben Sie irgendwelche Veränderungen seit der Inbetriebnahme des WP AT zu den Rehen, Hasen oder Fasanen wahrgenommen?

„Könnt ich nicht sagen. Es gibt zurzeit ganz allgemein einen schlechten Wildstand. Ich könnt nicht sagen, dass das von den Windradln kommt. Die Windradln sind keine Beeinträchtigung.“ Frage 2: Haben Sie irgendwelche Veränderungen seit der Inbetriebnahme des WP AT zu den Vögeln oder etwas zum Thema Vogelschlag wahrgenommen?

„Nein, nichts, gehört hab ich auch nichts, dass irgendwo ein Vogel herunten gelegen wäre; es hat mir noch nie jemand etwas dazu gesagt. Ich habe noch nie etwas gehört, auch von Anderen nicht. Die sagen zwar wohl, dass etwas passieren könnte, ich habe noch nie etwas gehört, dass jemand einen toten Vogel gesehen hätte.“ Frage 3: Welche negativen oder positiven Erfahrungen konnten die Auersthaler Jäger nach der Inbetriebnahme des WP AT feststellen bzw was haben Sie davon gehört?

„Es ist so und aus. Positiv ist, dass wir den nachhaltigen Strom bekommen. Ich finde aus jagdlicher Sicht nichts Negatives an den Windradln. Ich sage nicht, dass es aus jagdlicher Sicht positiv ist. Man lebt damit.“ Aus den einzelnen Interviewaussagen der Experten kann entnommen werden, dass die Windkraftanlagen auf den Wildbestand in Bezug auf das Rehwild, den Hasen oder den Fasan keine negative Auswirkung haben.

Bei der Falknerei kam es zu einer gegensätzlichen Wahrnehmung und zwar insbesondere dann, wenn ein Falkner mit seinem Greif ein Gebiet mit Windkraftanlagen betritt oder wie Alfred Müllner es berichtet:

76

„Es ist unglaublich. Auch auf die Tiere wirkt das ebenso. Wir hatten letztes Jahr eine Falknertagung mit sehr vielen Kärntner Falknern bei uns, auch Herr Dr. Harald Barsch vom Österreichischen Falknerbund war hier.“57 Der Betrieb, die Geräusche von Windkraftanlagen beeinflussen die Wildbeobachtung. Wild bewegt sich bei Tageslicht normalerweise äußerst vorsichtig. Geräusche des Wildes oder solche der Jägerschaft werden durch die Geräusche von drehenden Rotoren übertönt. Zu Störungen des Jagdbetriebes kann es durchaus kommen, denn in der kalten Jahreszeit besteht die Gefahr des Eisabfalls und dabei werden die Anlagen automatisch abgeschaltet. Die Anlagen müssen vom beauftragten Mühlenwart vor Ort überprüft und dürfen erst danach wiederum in Betrieb gesetzt werden. Durch sonstige Wartungsarbeiten müssen die Zufahrtswege zu den Anlagen unregelmäßig befahren werden.

Windkraftwerke erzeugen im Betrieb im Nahbereich Lärm, an den sich das Wild jedoch gewöhnt. Für die aktiven Jägerinnen und Jäger bedeutet ein Reviergang eine Abwechs- lung vom Alltag, Erholung und eine intensive Wahrnehmung von Natur, Wild und Stille.

7.3.3. Widerstand: Bürgerinitiativen und Bürgerliste In Auersthal und in Bockfließ gründeten sich jeweils Bürgerinitiativen, deren Ziel es war, die Errichtung von Windkraftanlagen zu verhindern. Anlass war die große Anzahl geplan- ter Windkraftwerke sowie die konzentrierte Errichtung dieser Anlagen in und um Bock- fließ und Auersthal.

Wie beschrieben, haben die drei Projektwerber, die EVN Naturkraft GmbH & Co KG, die WEB Windenergie AG und die WWS Ökoenergie GmbH & Co KG am 30. Juni 2004 einen gemeinsamen Antrag zur Genehmigung von 49 Windkraftanlagen bei der Niederös- terreichischen Landesregierung für das Gesamtprojekt, den WP MFN, eingereicht. Zeit- gleich erging an die Bevölkerung aller vom WP MFN betroffenen Standortgemeinden eine Postwurfsendung, die über Anzahl und Anlagenstandorte informierte.

Die völlig überraschten Bewohnerinnen und Bewohner von Bockfließ waren bestürzt und wehrten sich – gegen einen, wie sie meinten, „Windpark Parndorf“ vor ihrer Haustüre. Sie gründeten die Bürgerinitiative AWI-Bockfließ (Anti Windkraft Bockfließ) mit dem

57 Vgl. ÖFB (2008): ÖFB Falknertagung 2008 in Bockfließ. URL: http://www.falknerbund.com/gallery2/main.php?g2_itemId=1730&g2_page=2 (04.03.2013).

77

Ziel, Druck auf die politischen Entscheidungsträger, in den Standortgemeinden und im Land Niederösterreich, auszuüben. Die Niederösterreichischen Gemeinderatswahlen standen bevor. Die Protestaktion der AWI-Bockfließ wurde in die Marktgemeinde Auersthal hineingetragen.

Helmut Hofer schildert die Stimmung in Bockfließ und wie diese dann nach Auersthal übergegriffen hat:

„In Bockfließ bildete sich relativ bald eine Bürgerinitiative. Die genauen Daten kann ich jetzt nicht sagen. Im Zuge der UVP-Verhandlungen wurde insbesondere die Bürgerinitiative AWI-Bockfließ ein aktiver Windkraftgegner. Die anfängliche Euphorie in Auersthal hat dann ins Gegenteil umgeschlagen.“ Der eigentliche Auslöser für den massiven Widerstand in Bockfließ war die Ansammlung von 25 Windkraftanlagen, die auf den Rieden „Königsfeld“ und „Althoferfeld“ südlich vor Bockfließ geplant und zur Genehmigung beantragt wurden. Das war der Bevölkerung von Bockfließ einfach Zuviel. Alle nach Bockfließ Ankommenden hätten eine Kulisse von 25 sich drehenden und blinkenden Windkraftanlagen vor sich gehabt. Als Zeichen des zivilgesellschaftlichen Widerstandes wurde die Bürgerinitiative AWI-Bockfließ ge- gründet. Alfred Müllner war der Obmann dieser Bürgerinitiative. Er spricht sich gegen die Windkraftanlagen aus, da diese das Landschaftsbild nachhaltig verändern und in der näheren Umgebung einer Anlage keine Baulandwidmungen mehr möglich sind. Im Inter- view geht Alfred Müllner auf den eigentlichen Kern der allgemeinen Empörung ein und sagt, dass es vor allem die zwölf Großengersdorfer Windkraftanlagen, der WP KF, gewe- sen sei, der vor Bockfließ geplant wurde:

„13 Anlagen waren es in Bockfließ und dann kamen noch die zwölf Großengersdorfer Anlagen hinzu. Das wäre das Problem gewesen. Der Großengersdorfer Burgfried zieht sich ja vor das Gemeinde- und Ortsge- biet von Bockfließ – und die Großengersdorfer hätten ihre Windkraftanlagen vor Bockfließ hingestellt. […] Da waren ein paar Querdenker, die sich über das Projekt aufgeregt haben [...] erst ab dann habe ich mich über das Projekt, den Windpark informiert. Ich habe Informationen über Parndorf und andere Windparkan- lagen eingeholt, wo es ähnlich begonnen hat. Maximal zehn Windräder und dann ist Schluss [...] und dann wurde immer weiter, weiter, weiter [...] und es ist ein Trick der Betreiber, immer im Dorfverbund WKA zu errichten, dh immer drei bis vier Ortschaften zusammenzunehmen – Großengersdorf, Bockfließ, Pil- lichsdorf und Auersthal – und in jeder Ortschaft machen wir vier bis sechs Windräder. In der Summe haben wir fünf Ortschaften und haben 36-40-50-60 Windräder, so läuft das, aus vielen kleinen Puzzles von Ge- nehmigungen wird ein großer Windpark geplant [...] und das war die eigentliche Lawine. Sie haben uns überrollt und wir hätten vor Bockfließ eine Armada von Windrädern bekommen. Ich war schon immer ein Visionär, wir haben in Bockfließ einen Bevölkerungszuzug. Wir haben nicht nur Ebene, sondern haben im Hintergrund die Weinberge –, die einen Charme verbreiten. Sie stellen für uns ein kurz-, mittel- und langfristiges Potenzial dar. Wir brauchen den Zuzug um die Infrastruktur zu erhalten wie die Greißlerei, Post, Lokale, Firmen, Kindergarten, Schule etc.“ Alfred Müllner spricht sich ganz generell gegen die Errichtung von Windkraftanlagen aus. Er meint, dass Solarmodule auf Dachflächen die bessere Alternative für eine erneu-

78 erbare Stromproduktion wären. Diese würden sich kaum oder weniger stark auf das Landschaftsbild auswirken. Windkraftwerke wirken dagegen bedrohlich: „Für mich zählt nach wie vor eine andere Energiequelle und das wären Solarzellen auf den Millionen von Quadratkilometer Dachflächen. Wir hätten die Möglichkeit, in die Photovoltaik zu investieren und diese zu fördern – das wird nicht gemacht, da die EVN nicht interessiert ist Strom von den ‚Häuselbesitzern„ zu kaufen, sondern sie will Strom an diese verkaufen und das ist der springende Punkt. […] Das Landschafts- bild würde sich durch die Photovoltaik nicht verändern. Die drehenden, drohenden und blinkenden ... in der Nacht ... das ist doch wie in einer Diskothek ... zuzuzuzuzu ... das ist ein Irrsinn, ein Irrsinn, der hier mit der Landschaft gemacht wurde.“ Markus Weiss kennt das Gesamtprojekt, die acht Windparksektionen des WP MFN und weiß auch über das Geschehen in Bockfließ Bescheid. Er versteht daher den Unmut, der sich gerade in Bockfließ entwickelt hat, und meint:

„Das Kippen begann mit einer Postwurfsendung, dem Infofolder über den WINDPARK MARCHFELD NORD. Herausgeber waren die drei Betreiber, die ÖKOENERGIE, die EVN Naturkraft und WEB Wind- energie. Uns, der WEB war es ja bis zum Zeitpunkt der Herausgabe dieses Infofolders ja selbst nicht klar, was da insgesamt geplant wurde. Wir dachten, wir planen in Auersthal, dann kommt ja eh lange nichts bis hin zu den anderen, und dann. Die ÖKOENERGIE hat im Ried Königsfeld geplant und wir hier in Auersthal. Wir hatten immerhin noch ein paar Kilometer Abstand voneinander und überraschend kam die EVN Naturkraft, und die ist auch noch mit dem Projekt Bockfließ dazugekommen und hat sich dazwischen hineingesetzt. Das war ein Fehler, da das Ganze bereits zu groß geworden ist. Wir hatten in Auersthal noch kein Problem, wir dachten auch nicht, dass die uns stören könnten. Die Situation ist vergleichbar mit einer Aufzugkabine, die bereits voll ist und es drängt sich noch jemand hinein, bevor die Türe zugeht, und das ist passiert. Das muss Ende 2003 gewe- sen sein. Das ist einfach hirnrissig, das haben die Bockfließer schon nicht wollen, das haben die Bockfließer aller- dings lange nicht erfahren, und dann kam noch die EVN, die sich mit 13 WKA in Bockfließ noch zwischen dem WP Königsfeld und WP Auersthal hineinzwängten. Dann sagten wir, wir müssen eine gemeinsame UVP machen, ob wir wollen oder nicht und dann ist genau der Folder WP MFN an jeden Haushalt gegan- gen und spätestens dann haben es alle Leute gewusst. Das war Mitte 2004 und es gab genügend Zeit um die Bürgerinitiative AWI-Bockfließ zu gründen.“ Und Martin Fürhacker berichtet dazu: „Es hieß, es kann doch nicht sein, dass unsere Landschaft mit Windrädern verschandelt wird. In Bockfließ hat sich eine Bürgerinitiative gegen die Windkraft gebildet, die in der Folge von Bockfließ nach Auersthal überschwappte.“ Und dazu die Aussagen des Alfred Müllner, dem Wirt des Schloßkellers aus Bockfließ:

„Wenn man in einem Weingarten steht oder auf einem Feld und wenn ein fliegender Schatten einer Wind- kraftanlage über einem hinwegfegt – das ist unglaublich – nach einer viertel Stunde wird einem schlecht, das müsste man einmal ausprobieren.“ Die Bürgerinitiative AWI-Bockfließ ließ zur Unterstützung ihrer Argumente ein Video erstellen. Dieses Video zeigt in einem Tag-Nacht-Zyklus die zur Genehmigung beantrag- ten Windkraftanlagen. Es zeigt die Landschaft ohne oder mit den beantragten Windkraft- anlagen. Als Standort für die Visualisierung wurden die Weinberge oberhalb von Bock- fließ gewählt. Die Proponenten der Bürgerinitiative AWI-Bockfließ spielten dieses Video

79 auch bei einer öffentlichen Informationsveranstaltung des Betreibers, der WEB Wind- energie AG in Auersthal den Besuchern im Eingangsbereich vor.

Die folgenden beiden Abbildungen sind nur zwei Ausschnitte aus dem Video. Darin wird die Landschaftsveränderung, die Überformung der Landschaft offensichtlich.

Abbildung 22: AWI-Bockfließ (2004): Standbild aus Video: Landschaft um Bockfließ ohne Wind- kraftanlagen.

Abbildung 23: AWI-Bockfließ (2004): Standbild aus Video: Landschaft um Bockfließ mit Wind- kraftanlagen.

Dieses Video heizte die Debatte in Bockfließ und Auersthal weiter an. Bei einer Pressein- formation appellierte die AWI-Bockfließ an die Bevölkerung wie folgt: […] „Ist eine ge- schichtsträchtige Kulturlandschaft mit etwa 25.000 Einwohnern, Naherholungs- und Ausflugsgebiet der Millionenstadt Wien in seinem Charakter erhaltens – und schützenswert? Oder kann so eine Region

80 einfach bedenkenlos und gedankenlos einem Megaprojekt mit unkalkulierbaren Langzeitfolgen geop- fert werden?“58

Die Auersthaler Windkraftgegner schlossen sich mit einer eigenen Unterschriftenliste der Bürgerinitiative AWI-Bockfließ an. Mit dem Appell „Letzter Aufruf!“ sollten die Auersthaler „[...] sich gegen die Errichtung der geplanten Windkraftwerksgroßanlage wegen nachhaltiger Zerstörung des Landschaftsbildes, möglichen gesundheitlichen Risiken, wirtschaftlicher Bedenklichkeit, Beeinträchtigung des Fremdenverkehrs und Entwertung von Grundeigentum“59 mit ihrer Unterschrift aussprechen.

Die Bürgerinitiative AWI-Bockfließ verstand sich als zivilgesellschaftliche Bewegung, die sich für den Erhalt ihrer identitätsstiftenden Landschaft einsetzte. Sie mobilisierte die Bevölkerung und rief zum Widerstand auf. Ganz massiv setzte sie sich gegen die Errich- tung der beantragten Windkraftwerke ein. Sie verteilte Flugblätter, sammelte Unterschrif- ten und forderte die Marktgemeinde Bockfließ und das Land Niederösterreich zum Han- deln auf. Bürgerinitiativen gewinnen, sofern sie geschlossen auftreten, an Einfluss und Macht. Hannah Arendt schreibt zu Machtgewinn:

„Macht entsteht, wann immer Menschen sich zusammentun und gemeinsam handeln, ihre Legitimität be- ruht nicht auf den Zielen und Zwecken, die eine Gruppe sich jeweils setzt; sie stammt aus dem Machtur- sprung, der mit der Gründung der Gruppe zusammenfällt. Ein Machtanspruch legitimiert sich durch Beru- fung auf die Vergangenheit, während die Rechtfertigung eines Mittels durch einen Zweck erfolgt, der in der Zukunft liegt.“60 Alfred Müllner gründete die Bürgerinitiative AWI-Bockfließ und war auch deren Ob- mann. Aus taktischen Überlegungen gründete er zusätzlich die Bürgerliste ProBockfließ (PROB), um bei der im März 2005 stattfindenden Gemeinderatswahl mit einer eigenen Liste der Bürgerinitiative AWI-Bockfließ noch zusätzliches politisches Gewicht zu ge- ben. In seinem Interview erzählt er von seinen Überlegungen: „Daher haben wir die AWI- Bockfließ gegründet, aus der sich in der Folge eine Bürgerliste für die damals bevorste- hende Gemeinderatswahl entwickelt hat.“

Nicht zuletzt durch die im März 2005 bevorstehende Niederösterreichische Gemeinde- ratswahl wurden die Bedenken und der Widerstand der Bevölkerung von der Landespoli-

58 AWI-Bockfließ (2004): Flugblatt „Aktuelle Information“. 59 Bürgerinitiative Auersthal (2004): Flugblatt der Bürgerinitiative Auersthal. 60 ARENDT, Hannah (2002): In MÜNKLER, Herfried (Hg): Lust auf Erkenntnis: Politisches Denken im 20. Jahrhundert. Ein Lesebuch. S. 281.

81 tik ernst genommen und führten zur Intervention des Landes Niederösterreich. Die beiden Betreiber, die EVN Naturkraft GmbH & Co KG und die WWS Ökoenergie GmbH & Co KG, zogen daraufhin ihren UVP-Antrag für den WP KF mit seinen zwölf Anlagen zu- rück. Der Gemeinderat von Bockfließ beschloss weiters noch im Dezember 2004 in Bockfließ eine Volksbefragung abzuhalten. Ergebnis der Volksbefragung war, dass mehrheitlich auch der WP BF von der Bevölkerung abgelehnt wurde. Josef Summer sah sich damals als Gemeinderat von Bockfließ den Wählerinnen und Wählern verpflichtet. Er stellte daher im Gemeinderat den Antrag zu Abhaltung einer Volksbefragung. Josef Summer meint zu seiner damaligen Sichtweise:

„Privat hat es mich überhaupt nicht betroffen. Betroffen war ich als gewählter Mandatar. Ich bin verpflich- tet, die Wünsche der Bevölkerung umzusetzen. Wir machten auf meine Anregung eine Volksbefragung, bei der, mit großer Mehrheit, mit ca. 60 % die komplette Windkraft in Bockfließ abgelehnt wurde. Die gestellte Alternative war, einige oder keine WKA und 60 % waren für keine WKA in Bockfließ.“ Anstatt der ursprünglich 49 beantragten Windkraftanlagen wurden durch massiven Wi- derspruch der Bevölkerung und über Vermittlung der politischen Entscheidungsträger des Landes Niederösterreich und der betroffenen Gemeinden nur 18 Anlagen errichtet.61

Alfred Müllner meint zu den langfristigen Nutzungsbeschränkungen von Grundflächen:

„Im Umkreis einer WKA ist in einer gewissen Entfernung von Hunderten von Metern nichts Weiteres mehr möglich. Das war für mich schon ein Anliegen, dass wir unsere Landschaft nicht für unsere nachkommen- den Generationen so nachhaltig schädigen. […] Bei der Präsentation im Rahmen der Gemeindeveranstal- tung in Bockfließ haben wir die Größe des Projektes erkannt und haben darauf reagiert. Wir haben kurzfris- tig die AWI-Bockfließ gegründet und wollten/mussten den Menschen vermitteln, wie unser Ortsbild in der Zukunft aussehen wird.“ In Auersthal und Bockfließ setzten sich die Windkraftgegner heterogen zusammen. Es waren Personen, denen die große Anzahl von Windrädern einfach Zuviel waren. Manche Personen fühlten sich durch die mangelnde Information einfach hintergangen. Die Jäger- schaft wollte keine Störung, sondern Ruhe haben. Es gab Personen, die sich mit der Sinn- haftigkeit solcher Anlagen erst sehr spät auseinandergesetzt haben, denn die Anlagenpla- nung hatte sie zuvor nicht interessiert. Es gab auch Personen, die erst nach der Errichtung des WP AT auf diesen aufmerksam wurden.

Heidemarie Hellmer erzählt, wie sie von Windkraftgegnern auf den WP AT angesprochen wurde und welche Überlegungen sie damals persönlich anstellte:

61 Vgl. UVE-WINDPARK MARCHFELD NORD zu 2. Entscheidungskriterien. S. 84.

82

„Ich habe beim Plaudern über die geplanten Windkraftanlagen Auersthal erfahren. Ich wurde von den Geg- nern der Windkraftanlagen Auersthal zur Diskussion mit den Gemeindevertretern ermuntert. Ich brachte meine Einwände und Befürchtungen dabei zur Sprache. Mir waren die Beeinflussung des Ortsbildes und die Lärm-Beeinträchtigungen wichtig. Ein wesentlicher Punkt war für mich auch die Frage: Was bringt der WP AT der Gemeinde Auersthal? Ich hatte keine fixe Meinung. Ich dachte nach, was kommt da nun und welche Vor- und Nachteile würden sich dadurch ergeben. Ich bin immer jemand, der sich die Dinge genau ansieht und das Für und Wider abwägt. Ich war sicherlich und vergleichsweise zu der von der WEB einge- ladenen Gegnerschaft kein wirklicher Gegner.“ Ferdinand Fürhacker kennt die einzelnen Befürworterinnen und Befürworter sowie die Gegnerinnen und Gegner in der Marktgemeinde Auersthal und meint:

„Natürlich, auch innerhalb der Bevölkerung gab es Befürworter und Gegner. Vor allem die Leute, die am südlichen Rand von Auersthal wohnen und sich doch durch die Höhe und Größe der geplanten WKA beein- trächtigt fühlten. Die Höhe war ein Kritikpunkt, die Nabenhöhe von 104 Meter. Das Argument war die Verschandelung der Landschaft, es ist das einzige Gebiet, wo die Leute sehr viel spazieren gehen, Rad fahren, wandern und daher sollte man die Gegend nicht verschandeln. Das waren die ersten Reaktionen.“ Alfred Müllner wählte für seinen Widerstand zur Verhinderung der Windkraftanlagen eine durchaus raffinierte Strategie:

„Ich habe auch mit der Zeit gespielt. Ich habe das Projekt soweit nach hinten gedrängt und soweit hinaus- gezögert, dass die Gemeinderatswahlen vor der Tür standen. Das war mein Gedanke. Ich bin ein Taktiker und sagte zu meinen Freunden: ich helfe euch, aber – und meine Stimme war die entscheidende – ob es ein schwarzer oder roter Bürgermeister wird. Danach gab es einen Wechsel in der Gemeinde, der Bürgermeis- ter musste gehen.“ Alfred Müllner geht auf die Sichtbarkeit der Anlagen ein. Er erwähnt die Beeinflussung des Landschaftsbildes durch die drei Windparkprojekte, den WP KF, WP BF und WP AT und spricht die unterschiedliche Topographie und die Situierung der Auersthaler und Bockfließer Wohnbebauung an, indem er meint:

„In Auersthal ist die Situation eine völlig andere als in Bockfließ. Auersthal liegt in einer Senke, da sieht man die Windkraftanlagen nicht, bei uns sieht man sie. Den Großengersdorfern wäre es auch egal gewesen, da die Windkraftanlagen vor Bockfließ errichtet worden wären.“ Josef Summer, der im Jahre 2005 zum Bürgermeister der Marktgemeinde Bockfließ ge- wählt wurde, beantragte noch in seiner Zeit als Gemeinderat in der Marktgemeinde Bock- fließ die Abhaltung einer Volksbefragung:

„Für mich war die Volksbefragung der Meilenstein, wo sich eindeutig die Meinung der Bevölkerung her- ausstellte. Somit wusste ich als Politiker die Meinung der Bevölkerung. Die Fragestellung war eine verrin- gerte oder Null-Lösung und die Mehrheit war für die Null-Lösung. Die Befürworter waren nur jene, die sich einen finanziellen Vorteil erhofft haben. Ich als Landwirt denke eher nachhaltig und denke in Genera- tionen. Wenn jemand meint, mir ist der Acker egal und ich kassiere jetzt die Kohle und die hinter mir […] und was die Kinder damit machen ist mir egal und wenn er wertlos ist, dann kann ich ihn auch gleich ver- kaufen.“

Eine Folge des Widerstandes gegen die Errichtung von Windkraftanlagen in und um Bockfließ zeigte sich im Ergebnis bei der Niederösterreichischen Gemeinderatswahl im März 2005 in der Gemeinde Bockfließ. Die SPÖ erhielt neun Mandate, die ÖVP acht

83

Mandate und die Bürgerliste ProBockfließ (PROB) bekam zwei Mandate. Die Gemeinde- ratswahl musste auf Grund einer Wahlanfechtung in der Marktgemeinde Bockfließ wie- derholt werden. Bei der Wahlwiederholung erhielt die ÖVP neun Mandate, die SPÖ neun Mandate und die Liste „ProBockfließ“ ein Mandat. Die Bürgerliste ProBockfließ (PROB), die vom Obmann der AWI-Bockfließ gegründet und angeführt wurde, bildete nach den beiden Wahlen das sprichwörtliche „Zünglein auf der Waage“. Ferdinand Zartl meint dazu: „Da sagte ich zu meinen Freunden, die ‚Tetschen„ gehört mir und ich muss gehen. Ich bin nicht leicht gegangen, die Demokratie ist eben so.“

Wie bereits mehrmals erwähnt, gab es gravierende Unterschiede bei der Information und Kommunikation mit der örtlichen Bevölkerung in Auersthal und Bockfließ. Die politi- schen Akteure in der Marktgemeinde Auersthal standen mit den Projektverantwortlichen und der Bevölkerung in einem steten, konstruktiven Dialog. Im März 2004 erfolgte eine Novellierung des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes. Der Mindestabstand von Windkraftprojekten zum gewidmeten Wohnbauland wurde mit 1200 Metern neu ge- regelt. Auf Initiative der Marktgemeinde Auersthal erklärte die WEB Windenergie AG mit Schreiben vom 29. Juli 2004 den Verzicht auf die Anlage AT1 beim WP AT.

Später ging die Marktgemeinde Auersthal auf Drängen der Bevölkerung noch in die Be- rufung. Die Berufung der Marktgemeinde Auersthal gegen den UVP-Bescheid mit der Zl RU4-U-147/113 vom 21. Dezember 2004 bewirkte, dass der Betreiber des WP AT mit Schreiben vom 20. Jänner 2005 den Verzicht auf zwei weitere UVP-rechtlich bereits ge- nehmigte Windkraftanlagen, die Anlagen AT2 und AT3, erklärte. Durch diesen Verzicht auf die drei ortsnächsten Windkraftanlagen konnte in Auersthal ein Einvernehmen und die überwiegende Zustimmung für den WP AT erzielt werden. In Auersthal war man stets um eine möglichst sachliche Information und Kommunikation bemüht. Mehrere öffentliche Informationsveranstaltungen wurden neben vielen informel- len Gesprächen abgehalten. Durch die aktive Einbindung der Bevölkerung bei runden Tischgesprächen konnte letztlich ein tragbarer Kompromiss für den WP AT erreicht wer- den. Die Interviewpartnerin und die Interviewpartner gaben jeweils sehr aufschlussreiche Antworten. Martin Fürhacker fasst die Fakten zusammen:

„In Auersthal hat man mit zwölf WKA begonnen, dann hat man für Bockfließ geplant, dann sind es zehn WKA geworden, auf zwei Anlagen mussten wir verzichten. Das neue Raumordnungsgesetz vom Land Niederösterreich und der Druck von den Windkraftgegnern sind stärker geworden. Auf Initiative unseres Bürgermeisters Ferdinand Fürhacker hat der Gemeinderat von Auersthal beschlossen, auf die drei, dem

84

Orts- und Wohngebiet nächstgelegenen Windkraftanlagen des WP AT zu verzichten. Dieser Beschluss wurde an die WEB herangetragen, die ihrerseits mit dieser Lösung einverstanden war. Sieben Windräder sind besser als gar keines, obwohl natürlich die Planungskosten für die Einzelanlage stiegen. Das war ein guter Kompromiss mit dem alle leben und die Gegnerschaft befriedigt werden konnte.“

Bei der Zusammenschau und Interpretation der Interviews konnte festgestellt werden, dass es letztlich der WP KF war, der in Bockfließ den Widerstand hervorrief und weiter zur Gründung der Bürgerinitiative AWI-Bockfließ führte. Die Bürgerinitiative AWI- Bockfließ und die Bürgerinitiative in Auersthal mobilisierten die Bevölkerung und riefen zum Widerstand gegen die Anlagen auf. Sie organisierten Presseaussendungen, gaben Flugblätter und Unterschriftenlisten aus. Sie wollten gemeinsam mit der Bevölkerung die beantragten Windparkanlagen, den WP KF, WP BF und den WP AT, verhindern.

7.3.4. Betreiber- und Beteiligungsmodelle Gemeinden dürfen im Rahmen der Gesetze eigenständig Windkraftwerke errichten und betreiben. Die Bevölkerung einer Standortgemeinde oder eines Gemeindeverbandes wäre demnach am finanziellen Risiko und/oder am Gewinn beteiligt.62 Ein von einer Gemein- de- oder Verbandsanlage produzierter Strom darf jedoch lt Ökostromgesetz 2002 nicht direkt in das örtliche Stromnetz eingespeist werden. Die Stromübergabe muss an das Netz jenes Energieversorgungsunternehmens übergeben werden, innerhalb dessen Konzessi- onsgebiet sich die Anlagen befinden. Dazu Markus Weiss konkret:

„Sicher, das könnte eine Gemeinde auch machen. Die Gemeinden stehen unter der Landesaufsicht und dürfen kein finanzielles Risiko eingehen. Eine Region kann als Shareholder auftreten. […] Allerdings muss lt Ökostromgesetz 2002 die gesamte erzeugte Windenergie an ein Energieversorgungsunternehmen abgege- ben werden und es dürfen keine privaten Geschäfte gemacht werden. Sobald der Strom zB an die OMV verkauft worden wäre, hätten wir unseren begünstigten Stromabgabetarif verloren. Daher ging das nicht. Von unserer Intention her wäre es ja so, wir bauen die Windkraftanlagen und die Auersthaler sollen einen billigen Strom haben. Das dürfen wir aber nicht. Den Zwischenhandel auszuschalten ist gesetzlich verboten. Das ist das Kerngeschäft der EVN, der Energie Versorgung Niederösterreich.“ Die Kraftwerksbetreiber sind an einer Beteiligung der Bevölkerung interessiert und bieten dazu unterschiedliche Beteiligungsmodelle an. Die WEB Windenergie AG wollte die Bevölkerung für die Idee zur Nutzung der erneuerbaren Windenergie gewinnen. Die WEB Windenergie AG propagierte die Unternehmensbeteiligung auf ihren Flugblätter- aussendungen. Markus Weiss sagt dazu:

62 Vgl. FRANKEN, Michael und GROSS, Karl-Heinz (1998): Rauher Wind. S. 211.

85

„Die WEB ist bestrebt viele Miteigentümer/Aktionäre zu haben. Insbesondere an Orten, wo die WEB Windkraftanlagen betreibt. Wir wollen nicht wenige große, sondern viele kleine Aktionäre haben. Wir wollen, dass recht viele Personen von der Windkraft profitieren.“ Heidemarie Hellmer berichtet über den Forschungs- und Entwicklungsstand von regiona- len Energiekonzepten. Sie kritisiert den lockeren Umgang mit der derzeit noch preisgüns- tigen Energieform Strom. Sie denkt weiter und spricht dabei die Energieeffizienz und die örtlich vorhandenen Potenziale an und führt dazu aus:

„Man könnte doch regionale Energiekonzepte machen. Eine Gemeinde könnte sich überlegen, wie sie selbst Energie bereitstellen kann, dabei nicht unbedingt verdient, jedoch weniger zahlen muss. Grundsätzlich sind wir Menschen umweltbewusst, doch im täglichen Leben wollen wir wissen, wie viel Geld wir zur Verfügung haben und wie viel davon überlebensnotwendige Kosten sind. Wir verbrauchen Strom durch Standby, wollen 22 Grad Celsius Raumtemperatur haben und im Winter nicht frieren. Da gibt es doch die Möglichkeit, dass sich die Gemeinde einmal überlegt, wie sie selbst Energie erzeugen kann und damit verhindern kann, dass Geld aus der Gemeinde/Region abfließt. Das ist doch ein spannender Gedanke, der bei den Windkraftanlagen in Auersthal nicht gegeben ist. Da hat ein Betreiber Windräder aufgestellt, speist ins EVN-Netz ein und eine Gemeinde hat halt ein paar Grundstücke zur Verfügung gestellt. Der Gesamtkontext sollte beachtet werden. Einfach ist das Thema nicht, da die fossilen Energieträger immer knapper werden. Die Zukunft wird uns zeigen, wie und wohin sich die Energiebereitstellung entwickelt hat.“ Die Aussagen belegen den Stand der Dinge, dass die (noch) nicht marktfähige Wind- stromproduktion durch die gesetzlich geregelte Ökostromförderung angestoßen wird. Auf Grund von dzt unterschiedlichen erneuerbaren Energieträgern sowie Förderungen für die erneuerbare Stromerzeugung wird es für die Stromproduzenten, Netzbetreiber und Stromversorger immer schwieriger, den Strommarkt vorausschauend zu beurteilen, einzu- schätzen und zu regeln. Die Stromproduktion, die Stromspeicherung und die gesicherte Stromversorgung durch erneuerbare Energieträger sind ein komplexes, gesellschafts- und energiepolitisches Thema in Österreich und Europa.

7.3.5. Betrieb und Rückbau nach Betriebsende Die Errichtung sowie der Rückbau von Windkraftanlagen können innerhalb weniger Tage erfolgen. Die zehn Anlagen des WP AT wurden im Zeitraum vom 31. Mai 2006 bis 30. Juni 2006 errichtet und in Betrieb genommen. Die Windkraftanlagen wurden mit Wind- energieanlagen der Type Vestas V90/2,0 MW ausgestattet.

Die Inbetriebnahme der Anlagen darf lt UVP-Bescheid nur von Personen aus den Fach- gebieten Elektrotechnik und Maschinenbau vorgenommen werden. Sie müssen bestäti-

86 gen, dass die Anlagen überprüft und für den sicheren Betrieb befunden wurden. Ein Pflichtenwartungsbuch ist zu führen.63

Die Amortisation von Windkraftanlagen hängt von den Gestehungs- und Betriebskosten, vor allem aber von den durchschnittlichen Windenergieerträgen ab. Windkraftanlagen haben eine vorhersehbare Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren. Nach Betriebsende sind die Anlagen entsprechend dem UVP-Bescheid abzubauen.64

Josef Summer hatte Bedenken, dass nach Betriebseinstellung die Stahlbetonfundamente am Grundstück verbleiben könnten. Er erinnert sich an eine Besprechung der EVN Na- turkraft GmbH & Co KG mit seinen Eltern, wobei es um die Verpachtung einer Grund- stücksfläche für einen Anlagenstandort des WP BF ging und führt dazu aus:

„Das Fundament beginnt ca ein Meter unter Terrain/Erde und angeblich könnte man später darüber wieder landwirtschaftlich anbauen. Man kann sich aber vorstellen, was später darüber noch wächst, nämlich origi- nal nichts mehr. Die Herren der WKA waren auch bei meinen Eltern. Ich habe meinen Eltern nahegelegt, dass sie sich nur dann zur Unterschrift entschließen sollten, wenn grundbücherlich abgesichert sei, dass nach Beendigung der Windkraftnutzung auch das Fundament entfernt werden würde, worauf diese Herren ihre Aktenkoffer genommen haben und gegangen sind. Die Betreiber wollten ein Servitut für die WKA und meine Eltern sollten eine grundbücherliche Sicherstellung bei der EVN verlangen. Diese Herren waren ja von der EVN. Irgendeine Gesellschaft geht heute ein, dann ist nichts mehr zu holen und der Betonbrocken bleibt am Acker. Für mich war diese Reaktion daher verdächtig.“ Die Bedenken der Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer sind verständlich, da die Lebensdauer von Windkraftwerken auf Grund der Materialermüdung mit etwa 20 Jahren angenommen wird. Im UVP-Genehmigungsbescheid für den WP MFN wurde die Be- triebsbewilligung auf 20 Jahre beschränkt.65 Markus Weiss führt dazu aus:

„Laut UVP-Bescheid muss nach 20 Jahren die gesamte Anlage auf ihre Betriebsfähigkeit abgenommen werden. Das beginnt beim Statiker und bei den Fundamenten. Alle Sachverständigen-Gutachten sind neuer- lich zu überprüfen. Dann kann man die zehn Anlagen des WP AT voraussichtlich auf die Dauer eines durch Bescheid abgesprochenen Zeitraums weiterbetreiben, falls dann noch die ökonomischen Voraussetzungen gegeben sind. Laut UVP-Bescheid sind die WKA bei Betriebsende komplett zu entfernen so auch das Fun- dament.“ Die gänzliche Beseitigung der Windkraftanlagen samt der quadratischen Plattenfunda- mente mit den Abmessungen 15,6 Meter x 15,6 Meter x 2,125 Meter Höhe wurde für die Standorteigentümerinnen und -eigentümer zur zentralen Frage. Diese wollten sicherge- hen, dass nach Betriebsende sämtliche Anlagenteile auf Kosten und Rechnung der Betrei-

63 Vgl. NÖ LRG (2004): UVP-Bescheid RU4-U-147/113 vom 21.12.2004. S. 13-17. 64 Vgl. Ebd. S. 8. 65 Vgl. Ebd. S. 19-20.

87 ber zurückgebaut und vom Grundstück entfernt werden. Sie forderten von den Betreibern Rechtssicherheit, dass die verpachteten Grundflächen nach Betriebsende in den ursprüng- lichen Zustand zurückversetzt werden.

7.3.6. Akzeptanz und Gewöhnung Kulturlandschaften verändern sich dynamisch oder sukzessive durch den Eingriff der Menschen. Die Veränderungen werden im Wohn- und Siedlungsbau sowie an den Infra- strukturbauten sichtbar. Drei Hochspannungsleitungen wurden vor Jahrzehnten in einem zeitlichen Abstand nach den jeweils anstehenden Erfordernissen errichtet. Sie waren da- mals ein Eingriff in die Kulturlandschaft. Diese Veränderungen erfolgten allerdings schrittweise und im Laufe vieler Jahre. Heute prägen die Tanklager der OMV AG die südwestliche Zufahrt nach Auersthal. Manchmal kommt es bei den OMV-Anlagen zu kurzfristigen Lärm- und Geruchsbelästigungen. An diese hat sich die Auersthaler Bevöl- kerung lt Helmut Hofer längst gewöhnt. Die OMV-Betriebsstätten sichern der Bevölke- rung einen nahen, sicheren Arbeitsplatz und ein gutes Einkommen:

„Wir, die Auersthaler Bevölkerung, sind einiges gewohnt, durch die in der Landschaft herumstehenden Pumpenböcke der OMV, die immer weniger werden. Mit diesen sind wir aufgewachsen, die kenne ich seit Geburt, so wie unsere Jugend mit den Windrädern aufwächst. Ich sehe nichts Negatives am WP AT. Ich glaube nicht, dass sich in der Bevölkerung noch irgendjemand über die Windräder aufregen würde. Mit den zehn WKA wurde ein vernünftiger Weg gewählt, der auch von der Bevölkerung akzeptiert wird. Die Be- völkerung erkennt den Sinn der Windräder und die negativen Stimmen werden leiser. Die Gegner kamen aus der bäuerlichen Ecke. Heute sind 60 % dafür, 35 % sind die WKA egal und vielleicht sind 5 % heute dagegen.“

Die Betreiber wissen um die Auswirkung ihrer Anlagen, meinen jedoch, dass sich die Bevölkerung auch an Hochspannungsleitungen und -masten gewöhnt hätte.66 Alfred Müllner antwortet auf die Frage, ob sich die Bevölkerung von Bockfließ mittlerweile an den WP AT gewöhnt hätte oder es in Bockfließ zu einem Umdenken gekommen sei, spontan und kämpferisch: „Sollte es wiederum zu einem Projektantrag kommen, dann ist mir völlig klar, dass es seitens der Bevölkerung von Bockfließ wiederum ein klares Nein geben würde.“ Bürgermeister Ferdinand Fürhacker hat dazu eine andere Meinung:

„Früher waren bei uns die Bohrtürme, an die haben sich die Leute gewöhnt, die sind nun Vergangenheit, es gibt nur mehr die Pumpenböcke. Nun haben wir die Windräder und an die wird man sich auch gewöhnen. Man kann auch Windräder als schön empfinden, wenn ich mich damit befasse, was eigentlich dahintersteht.

66 Vgl. ENERGIEWERKSTATT GmbH (2004): Übersicht WINDPARK MARCHFELD NORD.

88

Die kritischen Stimmen aus der Bevölkerung haben sich mittlerweile beruhigt. Die Landwirte haben die Anlage akzeptiert, da ihnen die WEB sehr entgegen gekommen ist. Sie haben die Wege hergerichtet, aus- gebessert, erneuert – es hat wirklich alles gepasst. Die Flurschäden wurden abgegolten. Die Angst der Jäger, dass das Flugwild verletzt, getötet oder angezogen wird, diese Befürchtungen sind Gott sei Dank nicht eingetreten. Es gab keine Diskussionen mehr, die WKA sind hier, und wir haben ver- sucht, die Bevölkerung insofern zu beruhigen, dass wir uns seitens der Gemeinde bemüht haben die ortsna- hen, die wohngebietsnahen WKA nicht zu errichten. Die Nutznießer der Anlage sind zuerst einmal die Gemeinde bzw alle Ortsbewohner. Direktnutzen haben die Grundbesitzer, die Gemeinde, auch die Bauernschaft hat den Vorteil gehabt, da gewisse Wege errichtet, verbessert und saniert wurden – teilweise auch erhalten werden – und der jährliche Pacht ist auch nicht uninteressant. Schaden finde ich keinen, da sich die Befürchtungen der Jäger- und der Bauernschaft nicht bewahrheitet haben. Ich glaube, dass die Akzeptanz der Bevölkerung gegeben ist. Zumindest so weit, dass die WKA zur Kennt- nis genommen werden und gesagt wird, wir haben sie halt und so schlecht sind sie nicht. Ich glaube, so ist etwa die Einstellung der Bevölkerung. Auch die Jägerschaft hat es akzeptiert und hat eine finanzielle Ent- schädigung bekommen – aber nicht als Abtausch. In der Bau- und Errichtungsphase bekam die Jägerschaft eine Abgeltung für die jagdlichen Ausfälle. Einmalig gab es eine Abgeltung, ob die weiter geschieht, kann ich nicht sagen.“ Sören Schöbel, Landschaftsarchitekt an der Technischen Universität München, schreibt über Ängste, Landschaftsbild, Ökonomie und Akzeptanz von Windkraftplanungen:

„Ängste werden besonders dort artikuliert, wo Windenergieanlagen noch nicht zum Landschaftsbild gehö- ren, aber mehr oder weniger konkret geplant werden. Dabei führen die ‚Betroffenen„ in der Regel weniger die eigenen ästhetischen Abneigungen ins Feld, sondern äußern Befürchtungen, dass sie aufgrund ästheti- scher Urteile Dritter ökonomische Nachteile erleiden würden, weil Immobilienwerte sinken oder Feriengäs- te in Urlaubsregionen ausbleiben könnten. Ablehnung entsteht aber auch dort, wo auswärtige Investoren das Feld besetzen und Anwohner und Gemeinden nicht angemessen von den Anlagen profitieren. Dagegen finden sich immer wieder Aussagen von Nachbarn existierender Anlagen, die diese als nicht störend, sogar als schön bezeichnen – ihnen muss es umso unverständlicher erscheinen, wenn eine andere Region sich frei von Anlagen halten will – und die Bereitschaft, weitere aufzunehmen , muss, trotz guter Erfahrungen, zwangsläufig zurückgehen.“ 67 Markus Weiss, der Projektleiter des WP AT, geht auf die unterschiedlichen sozialen und umweltrelevanten Aspekte ein und führt zusammenfassend dazu aus:

„Ja, wenn man es auf eigenem Grund stehen hat, dann lebt man damit, weil man davon profitiert – aber wenn es nur jemandem anderen gehört, gefällt es mir wirklich nicht. Ich sage auch, das Weinviertel ist ohne Windradl schön, ich brauch es nicht zur Behübschung der Landschaft, sondern ich brauch es leider, weil ich in Österreich energieautark sein möchte. Ich finde, es hat alles gut geklappt, da trotz der Gegnerschaft der WP AT realisiert werden konnte.“ Markus Weiss und Martin Fürhacker zeigten bei ihren Interviews ihre aufrichtige Freude über das Gelingen, sowohl über die Errichtung als auch über den Betriebserfolg beim WP AT. Ihr persönlicher Einsatz, ihre Ideen und Strategie, ihr starker Wille und der Mut für Neues waren erfolgreich. Leicht war es für die beiden zu keiner Zeit. Auf drei ursprüng- lich geplante Anlagen beim Projekt WP AT wurde aus Akzeptanzgründen verzichtet.

67 SCHÖBEL, Sören (2012): Windenergie und Landschaftästhetik. S. 15-16.

89

Markus Weiss verweist noch auf ein (abgewandeltes) Zitat von Victor Hugo:68 „Nichts ist so stark wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist" und stellt weiter fest: „Die Idee zu gebä- ren und voll hinter dem Projekt zu stehen, mit totaler Überzeugung. Ich war selten von etwas so überzeugt wie vom Projekt WP AT.“

68 Vgl. HUGO, Victor (1877): Histoire d'un crime – Déposition d'un Témoin. „On résiste à l'invasion des armées; on ne résiste pas à l'invasion des idées.” (Man kann der Invasion von Armeen Widerstand leisten, aber keiner Invasion von Ideen.)

90

8. Schlusskapitel

In dieser Forschungsarbeit ging es um den Erkenntnisgewinn über den sozialen Zusam- menhang von Wahrnehmungen und Reaktionen der Akteure und Interessensgruppen zum Thema: Planung, Genehmigung und Betrieb des WP AT.

Als Forschungsmethode wurde das problemzentrierte und leitfadengestützte Einzelinter- view gewählt. Bei dieser Methode konnten die Befragten offen über ihre Wahrnehmun- gen berichten. Mit neun Personen, einer Expertin und acht Experten, wurden qualitative Interviews geführt. Im Anschluss wurden die Ergebnisse analysiert und interpretiert.

Bereits beim ersten Interview wurde dem Autor bewusst, dass auch die beiden benachbar- ten Windparkanlagen, der WINDPARK BOCKFLIEß (WP BF) und der WINDPARK KÖNIGSFELD (WP KF) sowie das Gesamtprojekt WINDPARK MARCHFELD NORD (WP MFN) in den Forschungsprozess einzubeziehen sind. Erst im Kontext des Gesamt- projektes WP MFN mit seinen ursprünglich acht Windparksektionen und 49 Windkraft- anlagen wird das soziale Geschehen erkennbar.

Die Interviewpartnerin und die acht Interviewpartner berichteten engagiert und offen über den Projektablauf, über ihre Wahrnehmungen und den Reaktionen. Das Wissen durch die teilnehmende Beobachtung des Autors war bei der Interpretation der Expertenaussagen hilfreich. Die Forschungsarbeit wurde durch den persönlichen Zugang des Verfassers nach Auersthal wesentlich erleichtert. Die von der Marktgemeinde Auersthal leihweise Überlassung der Akten, – der Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) und der Umwelt- verträglichkeitsprüfung (UVP) – war bei der Interpretation der Aussagen eine wesentliche Stütze. Die Zusage der Interviewpartnerin und der Interviewpartner für vertiefte Nachfra- gen, ob per Mail, bei einem Telefonat oder bei einem persönlichen Gespräch hat der Au- tor wiederholt genutzt.

91

8.1. Diskussion

Beim wiederholten Vergleichen und Interpretieren aller Interviewaussagen konnte festge- stellt werden, dass die Anzahl der geplanten und zur UVP-Genehmigung beantragten Standorte und deren Lage in Bezug zur Wohnbebauung für die soziale Akzeptanz oder für den Widerstand die prioritären Kriterien waren. Die frühe Einbindung und Mitbe- stimmung der Bevölkerung sowie der politischen Entscheidungsträger sicherten dem Be- treiber in Auersthal letztlich den Projekterfolg.

Die Strategie der frühen Einbindung der Öffentlichkeit in das Projekt ging daher auf. Sie trugen zunächst ihre Idee in den Freundeskreis und in die Gemeinde und sondierten dabei die soziale Akzeptanz. Die breite Zustimmung und die Empfehlung für sozialverträgliche Standorte beflügelten ihre weitere Planungsarbeit.

Die Besichtigung und kompetente Führung durch zwei offene Windparkanlagen war für die Gemeindevertretung von Auersthal ein weiterer Anlass für die Zustimmung zur bean- tragten Flächenwidmung.

Die beiden Projektbeauftragten suchten von sich aus die Kommunikation und Diskussion mit der Auersthaler Bevölkerung. Sie begegneten den hochgehenden Emotionen mit Of- fenheit und wertschätzender Argumentation. Durch das Eingehen auf die Forderungen der politischen Entscheidungsträger, auf die drei ortsnächsten Anlagen zu verzichten, konnte ein Konsens zwischen dem Betreiber des WP AT und der Gemeinde sowie der Bevölke- rung von Auersthal erreicht werden.

Vor Bockfließ wurden von zwei anderen Betreibern der Windpark WP BF und der WP KF geplant und zur UVP-Genehmigung beantragt. Eine Beteiligung oder nähere Informa- tion für die Bockfließer Bevölkerung fand vor der Einbringung des UVP-Antrages nicht statt. Diese Vorgangsweise führte in Bockfließ zu massiven Widerstand und Fehlplanung. Dieser Widerstand in der Marktgemeinde Bockfließ führte schließlich zu einem sukzessi- ven Rückzug der Betreiber von ihren beiden Projektanträgen, dem WP KF und dem WP BF.

Die gewählte Forschungsmethode und der Zugang zum Forschungsfeld über Empfehlun- gen des Amtsleiters der Marktgemeinde Auersthal haben sich als ideal und effizient er- wiesen. Der Autor wollte ursprünglich zwei weitere Experten befragen. Mit Tono Goess, einem deklarierten Gegner der Windparkanlagen in und um Bockfließ wurden bereits

92 mehrere Interviewtermine geplant und gemeinsam festgelegt. Durch wiederholte und kurzfristige Absagen des Herrn Tono Goess wurde in der Folge auf eine Befragung ver- zichtet. Auch Herr Mag. Stefan Zach von der EVN hat einer Befragung bereits zuge- stimmt. Hier wäre die Stellungnahme der EVN zur gewählten Strategie der beauftragten Projektverantwortlichen bei den Planungen des WP BF und WP KF interessant gewesen. Hier lag es jedoch am Zeitmanagement des Autors, dass es zu keiner weiteren Befragung kam.

Viel zu spät fiel dem Autor beim Schreiben der Zusammenfassung auf, dass die Aussagen eines wesentlichen Experten in der Arbeit fehlen. Es wären dies die Ausführungen zu den Wahrnehmungen und Reaktionen des Klubobmannes der ÖVP Niederösterreich, Klaus Schneeberger.

8.2. Zusammenfassung

Das Ökostromgesetz 2002 war für die Windkraftbetreiber der Impulsgeber zur Planung neuer Windparkanlagen. Ohne vorherige Abstimmung planten drei Betreiber insgesamt 49 Windkraftanlagen im Nordosten Niederösterreichs. Im Frühjahr 2004 verständigten sich die drei Betreiber und brachten einen gemeinsamen Antrag zur Umweltverträglich- keitsprüfung (UVP) ein. In der Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) wurde der WP AT zur östlichsten Sektion des Gesamtprojektes WP MFN. Der UVP-Bescheid erging am 21. Dezember 2004. Der Bau und die Inbetriebnahme des WP AT erfolgte in den Mona- ten Jänner und Juni 2006.

Der Fokus dieser Arbeit liegt beim WP AT. Durch die gegenseitige Wechselwirkung des WP AT, vor allem mit den beiden benachbarten Windparkanlagen, rückten jedoch auch diese Anlagen mit ins Zentrum von Wahrnehmung und Reaktion. Die drei Betreiber woll- ten ursprünglich in Auersthal sowie bei Bockfließ insgesamt 35 Windkraftanlagen errich- ten.

. WP AT mit 10 Anlagen, Betreiber: WEB Windenergie AG. . WP BF mit 13 Anlagen, Betreiber: EVN Naturkraft GmbH & Co KG. . WP KF mit 12 Anlagen, Betreiber: WWS Ökoenergie GmbH & Co KG.

93

Die Projektplaner der drei Betreiber nutzten zur Projektumsetzung unterschiedliche Wege der Information und Kommunikation. In Auersthal gingen die beiden Planungsbeauftragten des WP AT bereits mit ihrer Idee zur Gemeinde und warben im Bekanntenkreis um Unterstützung. Vorstellungen von Freunden und der Bevölkerung konnten in die Planung einfließen und beugten möglichen Fehlplanungen vor. In Auersthal kam es in der Jägerschaft und bei Personen, die einen direkten Blick auf die Anlagen befürchtet haben, zum Widerstand. Durch die Rücknahme der drei ortsnächsten Anlagen konnte ein Konsens mit der Bevölkerung erreicht werden. In Bockfließ wurde die Bevölkerung erst sehr spät über die beiden Projektvorhaben, die beantragte Genehmigung von 25 Windkraftanlagen, des WP BF und des WP KF südlich vor Bockfließ in Kenntnis gesetzt. Massiver Protest setzte ein und führte zur Gründung der Bürgerinitiative Bockfließ und zur Bürgerliste Pro Bockfließ (PROB), die bei der Gemeinderatswahl in Bockfließ kandidierte. Darauf reagierte die Politik. Durch Intervention der Landes- und Gemeindepolitik zogen die Antragsteller die 25 in und vor Bockfließ beantragten Anlagen schrittweise zurück. Drei Anlagen des Projektvorhabens WP BF wurden durch privatrechtliche Verträge dem WP AT zugeschlagen. Der Betreiber des WP AT, die WEB Windenergie AG konnte, trotz der Rücknahme von drei ursprünglich geplanter Anlagen, im Juni 2006 den WP AT mit zehn Anlagen in Be- trieb nehmen. Die Betrachtung des Gesamtprojektes, des WP MFN, ergab folgenden Projektablauf: Der WP MFN wurde mit 49 Anlagen zur UVP-Genehmigung beantragt. Durch Wider- spruch bzw mangelnde soziale Akzeptanz zogen die drei Antragsteller im ersten Schritt 20 beantragte Anlagen zurück, sodass 29 Anlagen durch die UVP-Behörde genehmigt werden konnten. Durch einige Einsprüche gegen den UVP-Bescheid wurden von den drei Betreibern weitere elf Anlagen zurückgenommen, sodass im Jahre 2006 nur 18 von ur- sprünglich 49 Anlagen errichtet und in Betrieb genommen werden konnten. In den Interviews wurde die Höhe der Förderungen kritisiert. Die finanzielle Abgeltung für die Verpachtung von geringen landwirtschaftlichen Grundstücksflächen ist überaus großzügig. Durch Anhebung der Gestattungszahlungen an die Standortgemeinde könnte der finanzielle Nutzen breiter sozialisiert werden.

94

8.3. Ausblick

Wie rasch der Umbau von der atomar-fossilen auf die erneuerbare Energieversorgung erfolgt und welche Formen der Stromerzeugung, Speicherung und intelligenten Vertei- lung es geben wird, hängt von den weiteren Forschungs- und Entwicklungsergebnissen sowie den politischen Rahmenbedingungen ab.

Windkraftanlagen haben im Vergleich zu anderen Kraftwerksbauten einen wesentlichen Vorteil. Windkraftanlagen können auf tragfähige Stahlbetonfundamente in nur wenigen Tagen aufgesetzt, errichtet und in Betrieb genommen werden. Windkraftwerke können nach Betriebsende ebenso rasch zurückgebaut und die einzelnen Bauteile und Reststoffe der Wiederverwertung zugeführt werden.

Die Landschaftsveränderung, die Überformung der Landschaft durch Windkraftwerke und die einhergehenden Konflikte sind daher nur ein zeitlich begrenztes Problem.

95

9. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: VILANEK, Anton (2011): Turmwindmühle Retz, bearb. Aufnahme. 10 Abbildung 2: PECK, Paul (2004): Turmwindmühle in Podersdorf am See. 11 Abbildung 3: VISCHER, Georg Matthäus (1670): Archiducatus Austriae Inferioris Accuratissima Geographica Descripti-o. Vergrößerter Blattausschnitt: K-III: OE/Inf 36 (7). 12 Abbildung 4: IG WINDKRAFT (2009): Österr. Windenergiesymposium 2009. 14 Abbildung 5: IG WINDKRAFT (2009): Windkraft in Österreich. 14 Abbildung 6: SCHWARZECKER, Karl (1975): Erläuterungen zur Bodenkarte 1 : 25000 Kartierungsbereich Gänserndorf. S. 53-54. 16 Abbildung 7: FRITZ, Josef (1937): Auersthal im Wandel der Zeiten, Manuskript. 18 Abbildung 8: SCHUSTER, Walter (2004): Auersthal aus südöstlicher Richtung. 19 Abbildung 9: SCHUSTER, Walter (2006): Bockfließ aus südöstlicher Richtung. 20 Abbildung 10: VILANEK, Anton (2008): Windpark Auersthal. Flugaufnahme. 20 Abbildung 11: © AuWiPot (2009-2011): Windatlas und Windpotentialstudie Österreich. Verteilung der mittleren Jahreswindgeschwindigkeit in NÖ in 100 Meter Höhe über Grund. 21 Abbildung 12: © AuWiPot (2009-2011): Windatlas und Windpotentialstudie Österreich. Verteilung der mittleren Jahreswindgeschwindigkeit in NÖ in 50 Meter Höhe über Grund. 22 Abbildung 13: Mittlere Jahreswindgeschwindigkeit in NÖ, 50 Meter Höhe über Grund. 23 Abbildung 14: Folder samt Projektbeschreibung des WP MFN. 26 Abbildung 15: Folder mit Lageübersicht des WP MFN. 27 Abbildung 16: Lage der Nachbargemeinden mit WP AT. 28 Abbildung 17: Übersicht und Blickachsen auf den WP AT. 29 Abbildung 18: Projektplanung WP KF, WP BF und WP AT. Quelle: Folder WP MFN. 30 Abbildung 19: © BEV (2013): Austrian Map Fly 5.0. Überhöhung 7 fach. Beobachter: Elevation 70°, Azimut 0° (Blickachse SN), Sonnenstand: Nord-West, 55° Elevation. 31 Abbildung 20: VILANEK, Anton (2009): Infrastrukturbauten. 46 Abbildung 21: SCHUSTER, Walter (2004): Beachvolleyballturnier in Auersthal. 61 Abbildung 22: AWI-Bockfließ (2004): Standbild aus Video: Landschaft um Bockfließ ohne Windkraftanlagen. 80

96

Abbildung 23: AWI-Bockfließ (2004): Standbild aus Video: Landschaft um Bockfließ mit Windkraftanlagen. 80

97

10. Literaturverzeichnis

ANSORGE, U.; LEDER, H. (2011): Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. Wiesbaden: VS Verlag. ARNHEIM, R. (1999): Gestaltpsychologie und künstlerische Form. IN: HENRICH, D. (Hg): Theorien der Kunst. Berlin: Suhrkamp Verlag. AWI-Bockfließ (2004): Flugblatt „Aktuelle Information“. BANDLER, R.; GRINDER, J. (2000): Reframing: Ein ökologischer Ansatz in der Psy- chotherapie. Paderborn: Junfermann Verlag. BERGMANN, T. (2004): Windmühlen im Weinviertel. Retz: Verlag Günther Hofer. BGBl Nr 253/1957 vom 17. Juni 2013. BRAUN, S.; ZIEGLER, S. (2006): Windlandschaft: Neue Landschaften mit Windener- gieanlagen. Berlin: Wissenschaftlicher Verlag Berlin. BURCKHARDT, L. (2007): Warum ist Landschaft schön? Die Spaziergangswissenschaft. Kassel: Schmitz Verlag. BÜRGERINITIATIVE AUERSTHAL (2004): Flugblatt der Bürgerinitiative Auersthal. DAX, P.; HOPF, G.; MAIER, E. (2012): Abkürzungs- und Zitierregeln der österreichi- schen Rechtssprache und europarechtlicher Rechtsquellen (AZR). Wien: Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung. DUMEIER, F.; DANGL, A.; TRCKA, M. (2012): V = Z + S. Die letzte Gleichung der Energiewende. Klosterneuburg: Edition Bambus Verlag. ENERGIEWERKSTATT GmbH (2004): Übersicht WINDPARK MARCHFELD NORD. EUROPARAT (2000): Europäische Landschaftskonvention. Rat der Europäischen Union. FRANKEN, M.; GROSS, K.H. (1998): Rauher Wind. Aachen: Alano Herodot Verlag. FRITZ, J. (1937): Auersthal im Wandel der Zeiten. Auersthal: Selbstverlag. GLÄSER, J.; LAUDEL, G. (2009): Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse. Wiesbaden: VS - Verlag für Sozialwissenschaften. HATAK, I.R. (2011): Kompetenz, Vertrauen und Kooperation: eine experimentelle Stu- die. Wien: Lang Verlag. HELFFERICH, C. (2005): Die Qualität qualitativer Daten. Wiesbaden: VS - Verlag für Sozialwissenschaften. HUGO, V. (1877): Histoire d'un crime. Paris: Calmann Levy Verlag. KINSPERGER, A. (2005): Windkraft im Landschaftsbild: Ableitung eines Verfahrens zur Beurteilung der Auswirkungen von Windkraftanlagen auf Landschaftsbilder am Beispiel Niederösterreich anhand eines Vergleiches von Fallbeispielen aus Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Österreich und Schottland. Wien, Dipl.-Arb., Universität für Bodenkultur Wien. KLÖPPEL, D.; KRAUSE, C. L. (1996): Windkraftparks in der Erholungslandschaft. St. 98

Augustin: Academia Verlag. KRENN, M. et al. (2006): Auersthal. Funberichte aus Österreich 45. LODERER, H. (1978): Bockfließ, Heimatliche Beiträge. Gänserndorf: Marktgemeinde Bockfließ. MAYRING, P. (2002): Einführung in die qualitative Sozialforschung. Weinheim: Beltz Verlag. MÜNKLER, Herfried (Hg): Lust an der Erkenntnis: Politisches Denken im 20. Jahrhun- dert. Ein Lesebuch. München: Piper Verlag. NESTROY, O. (1983): Zur Geologie und Morphologie des Marchfeldes. IN: ÖSTERR. BODENKUNDLICHE GESELLSCHAFT (Hg): Exkursionsführer Marchfeld, 26: S. 7-8. NEUBARTH, J.; KALTSCHMITT, M. (2000): Erneuerbare Energien in Österreich. Wien: Springer Verlag. NÖ. LANDESREGIERUNG (Hg) (2004): UVP-Bescheid RU4-U-147/113 vom 21.12.2004. REICHL, A. (2011): Porträt Wind-Menschen. Windenergie 59: S. 20. ROCK, I. (1998): Wahrnehmung: Vom visuellen Reiz zum Sehen und Erkennen. Heidel- berg: Spektrum Verlag. SCHOPENHAUER, A. (2007): Aphorismen zur Lebensweisheit. Stuttgart: Kröner Ver- lag. SCHÖBEL, S. (2012): Windenergie und Landschaftsästhetik: Zur landschaftsgerechten Anordnung von Windfarmen. Berlin: Jovis Verlag. STADLOBER, M. (1997): Die Einführung der Windkraftnutzung in Österreich: Von den Konfliktpotentialen der Risikogesellschaft zu sozialverträglichen Strategien. Wien, Dipl.-Arb., Universität Wien. STADLOBER, M.; HAHN, B. (1998): Soziale Akzeptanz von Windkraftanlagen in Ös- terreich. St. Pölten: Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr. STEYRER, J. (2011): Geleitwort. IN: HATAK, I. R. (Hg): Kompetenz, Vertrauen und Kooperation. Franfurt am Main: Peter Lang Verlag. STROHMEIER, G. (2008): Wahrnehmung von Landschaften. Identitäten und Kulissen. IN: KÜHSCHELM, O. (Hg): Niederösterreich im 20. Jahrhundert. Wien, Böhlau Verlag. UVE (2004): WINDPARK MARCHFELD NORD, 3. Beschreibung der Umwelt. UVP-G (2000): Beteiligung der Öffentlichkeit lt §§ 9,13 und 19 UVP-G. UVP-Bescheid WP MFN (2004): RU4-U-147/113. UVP-Bescheid Zl RU4-U-147/113 (2004). VwGH (2009): Erkenntnis des VwGH vom 26. Juni 2009, Zl 2006/04/0005. ZAMG (o.J.): Klimadaten von Österreich (1971 – 2000). ZSCHOCKE, N. (2006): Der irritierte Blick: Kunstrezeption und Aufmerksamkeit. Mün- chen: Wilhelm Fink Verlag. 99

11. Internetquellen

. http://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/BE127.pdf. (15.06.2013). . http://www.windmuehle.at (15.06.2013). . http://www.windatlas.at (22.04.2013).

. http://marktcheck.greenpeace.at/uploads/media/Sandtrail.pdf (23.06.2013).

. DIE PRESSE vom 03.05.2013, S.18. Sowie: IG WINDKRAFT: http://www.igwindkraft.at/?mdoc_id=1017571 (20.05.2013). . UMWELTBUNDESAMT (2013): Szenarien für ambitioniertere Klimaziele bis 2020. http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/luft/emissionsszenarien/szenarie n2020 (26.02.2013). . IG WINDKRAFT (8/1998): Zeitung Windenergie. http://www.igwindkraft.at/redsystem/mmedia/2004.12.23/1103820650.pdf. (24.02.2013). . ÖFB (2008): ÖFB Falknertagung 2008 in Bockfließ. http://www.falknerbund.com/gallery2/main.php?g2_itemId=1730&g2_page=2 (04.03.2013). . PIECHA, A. (2001) Wahrnehmung, Emotion und Denken. Conceptus XXXIV, Nr. 84: http://www.apiecha.de/philosophy/wed.pdf (27.6.2013). . UMWELTBUNDESAMT (2004): UVP-Dokumentation. http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/uvpsup/uvpoesterreich1 (24.02.2013). . WEB Windenergie AG: http://www.windenergie.at/at/wp-auersthal (19.03.2013).

100

12. Anhang

Bauvorhaben dürfen nur nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen und Verordnun- gen erfolgen. Der rechtlich relevante Handlungsrahmen steht daher im Anhang an vor- derster Stelle. Der angeschlossene Interviewleitfaden stellte sich als praktikables For- schungsinstrument dar. Die Zeittafel und Meilensteine dienen zur raschen oder chronolo- gischen Nachschau und die technischen Daten sollen dem technisch interessierten Leser einen raschen Überblick verschaffen.

12.1. Rechtlicher Handlungsrahmen zum WP AT

Windkraftanlagen mit einer elektrischen Gesamtleistung von mindestens 20 Megawatt oder 20 Konvertern müssen nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G 2000) bei der UVP-Behörde beantragt werden. Erst ein positiver UVP-Bescheid begrün- det das Recht zur Errichtung und zum Betrieb von Windkraftanlagen.

Der rechtliche Handlungsrahmen bezieht sich auf die Projektgenehmigung für den WP AT, den WP BF und den WP KF bzw des Gesamtprojektes, des WP MFN. Das Öko- stromgesetz, BGBl I Nr 146/2002 bzw die darin enthaltenen Förderbestimmungen sahen vor, dass der UVP-Bescheid bis spätestens Jahresende 2004 ergehen musste.

12.1.1. Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung 85/337/EWG Seit dem Jahre 1985, novelliert in den Jahren 1997 und 2003, gilt in der Europäischen Union die Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-Richtlinie) für be- stimmte öffentliche und private Projekte. Diese UVP-Richtlinie, Stammfassung 85/337/EWG ist europäisches Gemeinschaftsrecht und wurde am 28.01.2012 in einer kodifizierten Fassung neu veröffentlicht. Sie gibt den EU-Mitgliedstaaten die einzelnen UVP-Verfahrensschritte und Projekttypen, für die eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt werden muss, vor. In Österreich erfolgte die Umsetzung dieser Richtlinie im Jahre 1993 durch das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz Stammfassung BGBl Nr 697/1993 idgF BGBl I Nr 51/2001 (UVP-G 2000).

i

12.1.2. Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2001/77/EG Die EU-Richtlinie 2001/77/EG dient der Förderung zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern. Das Europäische Parlament und der Rat formulierten im Jahre 2001 die Erhöhung des Anteils an erneuerbaren Energieträgern von 6 % auf 12 % im Jahre 2010. Die Richtlinie wurde im Jahre 2009 aufgehoben und durch die Richtlinie 2009/28/EG ersetzt. Es ist ein verbindliches Ziel, einen 20 % Energieanteil aus erneuerbaren Quellen am Gesamtenergieverbrauch der Gemeinschaft bis zum Jahre 2020 zu erreichen. Durch den weiteren Ausbau von Windkraftanlagen können wesentliche CO2-Emissionen einge- spart werden. Durch die CO2-Emissionseinsparung wird der Klimaveränderung durch Temperaturanstieg und Niederschlagsverteilung infolge des Treibhauseffektes entgegen- gewirkt.

12.1.3. Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 Bestimmend für die Genehmigung von Windkraftanlagen ist das Umweltverträglichkeits- prüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000). Im Verfahren nach dem UVP-G 2000 sind, unter Beteiligung der Öffentlichkeit, mögliche Auswirkungen bestimmter Vorhaben auf die Umwelt eingehend zu prüfen und zu bewerten. Dementsprechend ergeben sich eine Reihe von Diskussionspunkten zwischen der Bevölkerung und den Projektverantwortlichen.

Einzelstehende Sonderbauwerke beeinflussen das Landschaftsbild und die Umwelt. Aus- wirkungen auf Schutzgüter sind daher Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung. Im Verfahren gilt der Grundsatz der Verfahrenskonzentration, dh alle erforderlichen Ge- nehmigungen der anzuwendenden Rechtsvorschriften, wie zB nach dem Wasserrecht, Naturschutzrecht, Luftfahrtrecht, der Gewerbeordnung oder dem Forstrecht, werden un- abhängig der herkömmlichen Vollzugskompetenz von der Landesregierung als UVP- Behörde gemeinsam verhandelt.

In der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (NÖ Bauordnung 1996) sind Stromer- zeugungsanlagen, die eine elektrizitätsrechtliche Genehmigung erfordern, von einem ge- sonderten Bauverfahren ausgenommen. Im Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren können Nachbarn ihre subjektiv-öffentlichen Rechte geltend machen. Parteien- oder Be- teiligtenstellung haben ua Nachbarn sowie der Umweltanwalt, Umweltschutzorganisatio- nen und Bürgerinitiativen.

ii

Der Antrag zur Genehmigung des Gesamtprojektes WP MFN wurde samt Anlage der Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) durch die drei Betreiber am 28.06.2004 beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung eingebracht.69 In der Anlage der UVE wird das Projekt samt den umweltrelevanten Alternativen beschrieben. Auf Grundlage von Befunden wird in Gutachten der jeweils festgestellte Ist-Zustand ausgewiesen. Mög- liche Auswirkungen, welche durch die Errichtung und den Betrieb neuer Windkraftanla- gen zu erwarten sind, werden in der UVE dargestellt. Ferner wird auf die zu treffenden Maßnahmen zur Vermeidung und Verminderung von Auswirkungen auf die einzelnen Schutzgüter hingewiesen.70

Mit dem Genehmigungsansuchen für den WP MFN bzw für die Sektion WP AT wurden bei der Behörde ua folgende Gutachten von den Betreibern eingebracht:71

. KINSPERGER, Andrea et al (2004): WP MFN-Landschaftsbildbewertung, Erho- lungswert, Kultur- und Sachgüter, Büro für Raum- und Stadtplanung Barbara Fleischmann, Stillfried. . DONEUS, Michael (2004): Luftbildarchäologische Untersuchungen des geplanten Areals des WP MFN. Befliegung und Luftbildauswertung. Bericht Juni 2004. In: Institut für Ur- und Frühgeschichte, Luftbildarchiv, Wien. . KURY, Georg (2004 a und b): Meteorologisches und schalltechnisches Gutachten WP MFN. Enairgy Windenergie GmbH, Wien. . KURY, Georg und GRUND, Christian (2004): Gutachten über den Schattenwurf WP MFN. Enairgy Windenergie GmbH, Wien. . RÖSSLER, Martin et al (2003): Grundlagen zur vogelkundlichen Beurteilung des projektierten Windkraftanlagenstandortes Auersthal. Endbericht, Wien. . TRAXLER, Andreas (2004): Ornithologische Erhebungen und naturschutzfachli- che Stellungnahme zum WP MFN. BIOME-Büro für Biologie, Ökologie und Na- turschutzforschung, Gerasdorf. Die Niederösterreichische Landesregierung war die zuständige UVP-Behörde. Sie bestell- te die Sachverständigen, führte die Verhandlungen durch und entschied im konzentrierten Verfahren entsprechend der geltenden Materiengesetze und des UVP-Gesetzes mittels

69 Vgl. UMWELTBUNDESAMT (2004): UVP-Dokumentation. http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/uvpsup/uvpoesterreich1 (24.02.2013). 70 Vgl. UVE-WP MFN (2004): erstellt von ENERGIEWERKSTATT GmbH. Vorbemerkungen. S. 6.

iii

Bescheid. Die mündliche UVP-Verhandlung zur Genehmigung des Gesamtprojektes WP MFN fand am 12.11.2004 im Auersthaler Gemeindesaal statt.

Das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung wendete als örtlich und sachlich zuständige UVP-Behörde im Verfahren ua folgende Rechtsgrundlagen an:

. Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000. . NÖ Elektrizitätsgesetz 2001. . Forstgesetz 1975. . Luftfahrtgesetz. . NÖ Naturschutzgesetz 2000.

Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 21.12.2004, Zl RU4-U- 147/113 wurde die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des WP MFN, beste- hend aus 29 Windenergieanlagen zu je zwei Megawatt Leistung, erteilt. Die Bürgerinitia- tive AWI-Bockfließ erhob Berufung. Aufgrund dieser Berufung zogen die Betreiber, die WEB Windenergie AG und die EVN Naturkraft GmbH & Co KG elf bereits erstinstanz- lich genehmigte Anlagen zurück. Im Spruch des Berufungsverfahrens, mit der Zl US 4B/2005/1-49 vom 08.09.2005, reduzierte der Umweltsenat als Berufungsbehörde die erstinstanzliche Entscheidung von 29 auf 18 Windkraftanlagen und belegte diese mit wei- teren Auflagen.72 Die Niederösterreichische Landesregierung konnte daher lt § 12a UVP- G 2000 im vereinfachten Verfahren die zusammenfassende Bewertung der Umweltaus- wirkungen vornehmen. Die Berufungsbehörde stellte dabei fest, dass die Windkraftanla- gen des WP MFN nach §§ 8 und 9 des NÖ NSchG 2000 weder im Landschafts- noch in einem Europaschutzgebiet errichtet werden. Eine Genehmigung sei nur bei einer nachhal- tigen Beeinträchtigung des Landschaftsbilds zu versagen. Die Behörde führte dazu aus, dass im Ermittlungsverfahren durch Sachverständigengutachten bereits eingehend festge- stellt wurde, dass im fraglichen Bereich durch das Wirken der Menschen ein weitgehend verändertes Landschaftsbild geschaffen worden war. Auf die vorhandenen Hochspan- nungsleitungen, Erdölförderanlagen und Kiesgruben wurde verwiesen.

71 Vgl. UVE-WP MFN (2004): erstellt von ENERGIEWERKSTATT GmbH. Beschreibungen lt. Punkt 2- 6. S. 81-128 und Ergänzungen.

iv

Der eigentliche Baubeginn für den WP AT erfolgte im Jänner 2006. Die zehn Windkraft- anlagen, sieben Anlagen auf Auersthaler und drei Anlagen auf Bockfließer Gemeindege- biet, wurden am 30.06.2006 in Betrieb genommen.

Auf Grund der Novellierung des UVP-G 2000, BGBl. I Nr. 95/2013 kann ab 1. Jänner 2014 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht bzw als letzte Einwendungsmöglich- keit Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.73

12.1.4. Luftfahrtgesetz Das Bundesgesetz über die Luftfahrt (Luftfahrtgesetz) BGBl Nr 253/1957 schreibt für physische Hindernisse und Anlagen mit elektronischer oder optischer Störwirkung eine luftfahrtrechtliche Bewilligung vor. Eine luftfahrtrechtliche Bewilligung ist erforderlich, wenn eine Windkraftanlage eine Höhe von hundert Metern über der Erdoberfläche des Standortes erreicht.

12.1.5. Niederösterreichisches Raumordnungsgesetz NÖ ROG 1976 Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 23. Juni 1954, VfSlg 2674/1954 besagt, dass die Raumplanung in Österreich prinzipiell sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Vollziehung Sache der Bundesländer sei. Ausgenommen sind die Fachplanungen des Bundes. In diesen Fällen liegt die Gesetzgebung beim Bund, wie beispielsweise für die Bereiche Denkmalschutz, Gewerbe-, Forst- und Wasserrecht, Industrie-, Verkehrs-, Ei- senbahn- und Luftfahrtwesen, Telekommunikation, Militärangelegenheiten usw. Den rechtsverbindlichen überörtlichen Raumplanungsvorgaben des Landes dürfen die jeweili- gen Planungen der Landesverwaltung und die örtliche Raumplanung der Gemeinden nicht widersprechen.

Das Niederösterreichische Raumordnungsgesetz 1976 (NÖ ROG 1976) bildet die gesetz- liche Grundlage für den Flächenwidmungsplan einer Gemeinde in Niederösterreich. Da- rin wird auf die Erhaltung und Entwicklung der besonderen Eigenart und kulturellen

72 Vgl. VwGH (2009): Erkenntnis des VwGH vom 26. Juni 2009, Zl 2006/04/0005. 73 Siehe: BGBl Nr 253/1957 vom 17. Juni 2013.

v

Ausprägung der Dörfer und Städte sowie auf die Verbesserung des Orts- und Land- schaftsbildes Bezug genommen.

In Österreich sind die Gemeinden für die Flächenwidmung zuständig. Sie vollziehen im Rahmen der Selbstverwaltung auf ihrem Gemeindegebiet die Agenden der örtlichen Raumplanung. Der Gemeinderat hat durch Verordnung einen Flächenwidmungsplan zu erlassen. Im Flächenwidmungsplan werden die Nutzungen rechtsverbindlich und parzel- lenscharf im Maßstab 1:5000 festgelegt. Der Flächenwidmungsplan darf nicht den Zielen des örtlichen Entwicklungskonzeptes einer Gemeinde oder den übergeordneten Rau- mordnungsprogrammen des Landes widersprechen. Der Flächenwidmungsplan hat flä- chendeckend über das gesamte Gemeindegebiet zu erfolgen und gliedert sich in Wid- mungen, Kenntlichmachung und Widmungsverbote.

Zur Bewilligung einer Sonderwidmung für „Grünland-Windkraftanlage“ schreibt die No- velle des NÖ ROG 1976 aus dem Jahre 2004 vor:

1. Eine Mindestleistungsdichte des Windes von 220 Watt/m² in 70 Meter Höhe über Grund. In der geltenden Fassung des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl 8000 – 24 (18. Novelle) muss diese in einer Höhe von 130 m gegeben sein. 2. Folgende Mindestabstände müssen eingehalten werden:

. 1200 m zu gewidmetem Wohnbauland und Bauland-Sondergebiet mit erhöhtem Schutzanspruch.

. 750 m zu landwirtschaftlichen Wohngebäuden und erhaltenswerten Gebäuden im „Grünland“, „Grünland-Kleingärten“ und „Grünland-Campingplätzen“.

. 2000 m zu gewidmetem Wohnbauland, welches nicht in der Standortgemeinde liegt.

. Wenn sich dieses Wohnbauland in einer Entfernung von weniger als 800 m zur Gemeindegrenze befindet, dann beträgt der Mindestabstand zur Gemeindegrenze 1200 m. Mit Zustimmung der betroffenen Nachbargemeinde(n) kann der Mindest- abstand von 2000 m auf bis zu 1200 m reduziert werden.

Die Novelle zum Niederösterreichischen Raumordnungsgesetz 1976 (NÖ ROG 1976) vom 25.03.2004 hat für die Betreiber, Politik und Verwaltung mehr Planungssicherheit gebracht. Sie listet darin jene Kriterien auf, die beim UVP-Verfahren nachzuweisen sind.

vi

Neuesten Meldungen vom Mai 2013 zufolge sollen in Niederösterreich zukünftig nur mehr in ausgewiesenen Standortzonen Windkraftwerke errichtet werden.74

12.1.6. Niederösterreichisches Naturschutzgesetz NÖ NSchG 2000 Natur- und Landschaftsschutzgesetze sichern die nachhaltige Nutzung von Natur und Landschaft. Daher werden bereits am Beginn eines Windparkprojektes die Ausschlie- ßungsgründe berücksichtigt. Bei der Projektierung des WP AT bzw des WP MFN wurde auf folgende Standorthindernisse und Beschränkungen geachtet:

. Keine Rodung von Waldflächen. . Kurze Aufschließungswege. . Kein „Important Bird Area“. . Minimierung von Beleuchtung und Reflektoren.

Das Niederösterreichische Naturschutzgesetz NÖ NSchG 2000 bildet die Grundlage für die Beurteilung von Windkraftanlagen im naturschutzrechtlichen Genehmigungsverfah- ren. In § 7 Abs 1 NÖ NSchG 2000 werden die Versagungsgründe angeführt.

Nach Art 15 Abs 1 des B-VG gilt Naturschutz als „starke“ Kompetenz der Länder, die nicht von den Kompetenzen des Bundes (etwa Eisenbahnen, Bergwesen) verdrängt wird. Der mit Bewilligungspflicht überschriebene § 7 NÖ NSchG 2000 lautet auszugsweise:

„(1) Außerhalb vom Ortsbereich, das ist ein baulich und funktional zusammenhängender Teil eines Sied- lungsgebietes (zB Wohnsiedlungen, Industrie- oder Gewerbeparks), bedürfen der Bewilligung durch die Behörde: 1. Die Errichtung und wesentliche Abänderung von allen Bauwerken, die nicht Gebäude sind und die auch nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit Gebäuden stehen und von sachlich untergeordneter Bedeutung sind.

(2) Die Bewilligung nach Abs. 1 ist zu versagen, wenn: 1. das Landschaftsbild, 2. der Erholungswert der Landschaft oder 3. die ökologische Funktionstüchtigkeit im betroffenen Lebensraum nachhaltig beeinträchtigt wird und diese Beeinträchtigung nicht durch Vorschreibung von Vorkehrungen weitgehend ausgeschlos- sen werden kann. Bei der Vorschreibung von Vorkehrungen ist auf die Erfordernisse einer zeitge-

74 Vgl. Die Presse vom 03.05.2013, S.18. Sowie: IG WINDKRAFT: http://www.igwindkraft.at/?mdoc_id=1017571 (20.05.2013).

vii

mäßen Land- und Forstwirtschaft sowie einer leistungsfähigen Wirtschaft soweit wie möglich Be- dacht zu nehmen.

(3) Eine nachhaltige Beeinträchtigung der ökologischen Funktionstüchtigkeit des betroffenen Lebensrau- mes liegt insbesondere vor, wenn:

1. eine maßgebliche Störung des Kleinklimas, der Bodenbildung, der Oberflächenformen oder des Was- serhaushaltes erfolgt, 2. der Bestand und die Entwicklungsfähigkeit an für den betroffenen Lebensraum charakteristischen Tier- und Pflanzenarten, insbesondere an seltenen, gefährdeten oder geschützten Tier- oder Pflanzenarten, maß- geblich beeinträchtigt oder vernichtet wird, 3. der Lebensraum heimischer Tier- oder Pflanzenarten in seinem Bestand oder seiner Entwicklungsfä- higkeit maßgeblich beeinträchtigt oder vernichtet wird oder eine maßgebliche Störung für das Beziehungs- und Wirkungsgefüge der heimischen Tier- oder Pflanzenwelt untereinander oder zu ihrer Umwelt zu erwar- ten ist.

(4) Mögliche Vorkehrungen im Sinne des Abs. 2 sind: die Bedingung oder Befristung der Bewilligung, der Erlag einer Sicherheitsleistung sowie die Erfüllung von Auflagen, wie beispielsweise die Anpassung von Böschungsneigungen, die Bepflanzung mit bestimmten standortgerechten Bäumen oder Sträuchern, die Schaffung von Fisch-Aufstiegen, Grünbrücken oder Tier- durchlässen.“

12.1.7. Ökostromgesetz 2002 Die Arbeit bezieht sich auf die rechtliche Situation, wie sie für den WP AT bzw den WP MFN in Kraft war. Das Bundesgesetz über die Förderung der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern (Ökostromgesetz – ÖSG), BGBl I Nr 146/2002 fördert die erneuerbare Stromerzeugung durch Abnahmeverpflichtung, festen Preis und einen maxi- malen Zeitraum. Der vom WP AT erzeugte Strom wird seit der Inbetriebnahme im Juni 2006 über ein 20 kV Erdkabel zum neu errichteten Umspannwerk Bockfließ transportiert und dem Elektroversorgungsunternehmen EVN übergeben.

12.2. Interviewleitfaden

Anhand vorbereiteter Leitfragen wurden die Akteurin und die Akteure als Expertin und Experten zur Wahrnehmung und zu den Reaktionen befragt. . Wie war Ihre Reaktion, als Sie zum ersten Mal von der geplanten Errichtung der Windkraft-Anlagen erfahren haben? . Wie haben Sie von der geplanten Errichtung erfahren? . Gab es Informationen für die Bevölkerung und was sollte verbessert werden?

viii

. Wer war für Sie zu welcher Zeit Ihr kompetenter Ansprechpartner? . Gab es irgendwelche Probleme zB Verkehrshindernisse beim Antransport der Windkraft-Anlagenteile? . Welche Erfahrungen haben Sie seit der Inbetriebnahme des WP AT gemacht? . Hatten Sie bereits zu Beginn eine fixe Meinung zur Windkraftanlage und hat sich diese im Laufe der Zeit verändert? Warum hatten Sie eine fixe Meinung? . Was finden Sie heute am WP AT positiv und/oder negativ? . Wer sind Ihrer Meinung nach die Nutznießer der Windkraftanlagen? . Haben Sie durch die Errichtung einen Nutzen/Schaden? . Kennen Sie heute Befürworter/Gegner der Windkraft-Anlagen? . Was würden Sie sich für Nachfolgeprojekte als Verbesserung wünschen? . Gab es für Sie Meilensteine und die waren?

12.3. Zeittafel und Meilensteine

Die Planung, Antragstellung und UVP-Genehmigung für den WP AT erfolgte in den Jah- ren 2002 und 2004. Im Winter 2006 begannen die eigentlichen Bauarbeiten und am 30. Juni 2006 wurde der Vollbetrieb des WP AT mit zehn Windenergieanlagen zu je zwei MW Nennleistung aufgenommen.

Ursprünglich wollten die Betreiber in der Marchfeldregion, und zwar zwischen Obersdorf im Westen bis Auersthal im Osten, 50 Windkraftanlagen errichten. Zur Genehmigung wurden schließlich 49 Anlagen beantragt. Durch massiven Widerspruch und einer ge- schickten Verhandlungstaktik gelang es den Windkraftgegnern, dass die drei Betreiber – unter Mitwirkung der Gemeinde- und Landespolitik – im ersten Schritt 20 zur Genehmi- gung beantragte Anlagen zurückzogen. Die Niederösterreichische Landesregierung ge- nehmigte am 21.12.2004 unter Zl RU4-U-147/113 das Gesamtprojekt für den WP MFN für 29 Windkraftanlagenstandorte.

Der Widerstand gegen die beiden Windparkanlagen, den WP AT und den WP BF (der WP KF wurde bereits von den Antragstellern während des laufenden Ermittlungsverfah- rens zurückgezogen), war noch nicht zu Ende. Anhaltende Proteste aus den Reihen der Bürgerinitiativen aus Bockfließ und Auersthal bewogen die politischen Kräfte in den bei- den Marktgemeinden Auersthal und Bockfließ – unter Mitwirkung des Landes Niederös- terreich – zum Einlenken. Die EVN Naturkraft GmbH & Co KG verzichtete auf neun von zwölf UVP-rechtlich bereits genehmigte Anlagen beim WP BF. Die drei verbliebe-

ix nen Anlagen des WP BF wurden von der EVN Naturkraft GmbH & Co KG privatrecht- lich an die WEB Windenergie AG abgetreten und dem WP AT zugeschlagen.

Beim Projektvorhaben WP AT waren ursprünglich von der WEB Windenergie AG elf Anlagen geplant. Auf Grund des Widerstandes aus dem Umfeld der Auersthaler Jäger- schaft und einiger Bewohnerinnen und Bewohner aus Auersthal bemühten sich die politi- schen Akteure um eine möglichst akzeptable Lösung. Mit dem Betreiber, der WEB Windenergie AG, konnte insofern eine Einigung erzielt werden, dass zuerst auf eine und später noch auf zwei weitere und bereits UVP-rechtlich genehmigte Anlagen verzichtet wurde. Dieser Verzicht betrifft die drei zur Auersthaler Wohnbebauung nächstgelegenen Anlagen AT1, AT2 und AT3.

Die folgende chronologische Auflistung ermöglicht dem Leser den Projektablauf beim WP MFN, im speziellen jedoch des WP AT, WP BF und WP KF leichter nachvollziehen zu können.

. 11.02.2002 der Betreiber, die EVN Naturkraft GmbH & Co KG, führt Sondie- rungsgespräche mit einigen Bürgermeistern des Marchfeldes zur Errichtung von Windkraftanlagen. Es gab keine negativen Stellungnahmen. . 21.02.2002 finden Erstgespräche für einen WP BF durch die Planungsfirma ENAIRGY im Marktgemeindeamt Bockfließ statt. . 14.05.2002 wird eine Informationsveranstaltung zum Projekt WP MFN für die Bürgermeister aller betroffenen Gemeinden abgehalten. . 29.05.2002 der Gemeinderat von Auersthal fasst, zwecks Planungssicherheit, den Grundsatzbeschluss zur Umwidmung von Teilflächen von „Grünland“ in „Grün- land-Windkraftanlage“ für einen WP BF. . 05.06.2002 der Gemeinderat Bockfließ fasst, zwecks Planungssicherheit, den Grundsatzbeschluss zur Umwidmung von Teilflächen von „Grünland“ in „Grün- land-Windkraftanlage“ für einen WP BF.

. 04.12.2002 beschließt der Gemeinderat von Auersthal einstimmig, einer Geneh- migung zur Errichtung und zum Betrieb eines WP AT zuzustimmen. . 13.03.2003 auf Einladung der WEB Windenergie AG erfolgt für den Auersthaler Gemeinderat und die Gemeindebediensteten eine Besichtigung der Windkraftan- lagen in Bruck an der Leitha und Mönchhof.

x

. 18.06.2003 der Gemeinderat von Auersthal beschließt einstimmig den Bestands- und Gestattungsvertrag mit der WEB Windenergie AG für einen WP AT zu unter- fertigen. . 07.07.2003 findet in St. Pölten, im Niederösterreichischen Landhaus, eine Infor- mationsveranstaltung zum Thema Windkraftnutzung im Weinviertel für die politi- schen Vertreter aller betroffenen Gemeinden statt. . 01.09.2003 findet ein Informationsabend für die Bürgermeister der Region Wein- viertel-Marchfeld Nord zum Thema Windkraftanlagen statt. Zu diesem Zeitpunkt haben die drei Betreiber, die EVN Naturkraft GmbH & Co KG, ÖKOENERGIE GmbH & Co KG und WEB Windenergie AG bereits angedacht, einen gemeinsa- men Projektantrag für sämtliche 49 Anlagen unter der Bezeichnung WP MFN einbringen zu wollen. . 09.10.2003 wird im Marktgemeindeamt Bockfließ das Projekt WP BF vorgestellt. . 18.12.2003 die ÖKOENERGIE GmbH & Co KG ersucht die Marktgemeinde Bockfließ um Umwidmung eines Standorts für den WP KF in der Katastralge- meinde „Wendlingerhof“. Dem Antrag ist ein Übersichtsplan für zwölf Standorte für den WP KF angeschlossen. . 10.02.2004 beschließt der Gemeinderat von Bockfließ einstimmig die Widmung „Grünland-Windkraftanlage“ für 13 Anlagen des WP BF. . 17.02.2004 beschließt der Gemeinderat Bockfließ einstimmig die Widmung für eine Windkraftanlage des WP KF auf seinem Gemeindegebiet. . 27.02.2004 beschließt der Gemeinderat von Auersthal einstimmig die Umwid- mung von zehn Standorten für den WP AT. . 25.03.2004 die Mindestabstände von Windkraftanlagen zum Bauland bzw zu ge- widmeten Bauland werden durch die Novellierung des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1976 vergrößert. . 04.05.2004 findet in der Volksschule Bockfließ eine öffentliche Informationsver- anstaltung der EVN Naturkraft GmbH & Co KG zum WP MFN bzw zum WP BF statt. . 05.05.2004 findet im Auersthaler Gemeindesaal eine öffentliche Informationsver- anstaltung der WEB Windenergie AG zum WP MFN bzw zum WP AT statt. . 30.06.2004 durch die Antragsteller WEB Windenergie AG, EVN Naturkraft GmbH & Co KG und ÖKOENERGIE GmbH & Co KG wird beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung der Genehmigungsantrag zur Errichtung

xi

und zum Betrieb des WP MFN mit 49 Windenergieanlagen zu je zwei Megawatt (gesamt 98 MW) nach den Bestimmungen des UVP-G 2000 eingebracht. . 30.06.2004 die Bürgerinitiative AWI-Bockfließ erläutert in einer Presseinformati- onsveranstaltung ihren Widerstand gegen den beantragten WP MFN. . 07.07.2004 findet eine Informationsveranstaltung der WEB Windenergie AG über das Gesamtvorhaben WP MFN in Auersthal statt. . 29.07.2004 die WEB Windenergie AG erklärt schriftlich den Verzicht der Anlage AT 1. Die Akzeptanz bei der Auersthaler Bevölkerung für den WP AT sollte da- durch erhöht werden. . 20.08.2004 und 30.08.2004 finden Informationsveranstaltungen der WEB Wind- energie AG in der Buschenschenke Walter und Hedi Hager in Auersthal statt. . 01.09.2004 Einladung des ÖVP Gemeindeparteiobmannes Karl Stach zur Infor- mationskonferenz an die ÖVP Gemeinderäte in Auersthal sowie an ÖR Herbert Hager, Dipl. Ing. Martin Fürhacker, Dipl. Ing. Heidi Hellmer und Markus Weiss im Gasthof Sommer zum Thema Windräder im Gemeindegebiet. . 09.09.2004 bis einschließlich 22.10.2004 erfolgt der öffentliche Anschlag für die UVP-Verhandlung für den WP MFN. . 12.11.2004 findet die öffentliche mündliche Verhandlung zur Genehmigung des WP MFN durch die Niederösterreichische Landesregierung als UVP-Behörde ers- ter Instanz, gemäß § 16 UVP-G 2000 im Auersthaler Gemeindesaal statt. . 21.12.2004 ergeht durch die Niederösterreichische Landesregierung der positive UVP-Bescheid an die drei Betreiber, der EVN Naturkraft GmbH & Co KG, der WEB Windenergie AG und der ÖKOENERGIE GmbH & Co KG über die Ge- nehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des WP MFN mit insgesamt 29 Windkraftanlagen. . 19.05.2005 Benachrichtigung des Umweltsenats durch die Projektwerber über die Rücknahme der erstinstanzlich bereits bewilligten 29 Windkraftanlagen um elf weitere Anlagen auf nunmehr 18 Windkraftanlagen beim Vorhaben WP MFN.

. 30.01.2006 Beginn der Vermessungs- und Absteckungsarbeiten für den Baube- ginn des WP AT. . 02.02.2006 eine Bürgerinformationsveranstaltung zum bevorstehenden Baubeginn findet im Auersthaler Gemeindesaal statt. . 30.06.2006 geht der WP AT in Vollbetrieb.

xii

Meilensteine markieren bedeutende Sachverhalte während eines Projektablaufes. Beim Vorhaben zum WP MFN bzw WP AT waren sie die entscheidenden Angelpunkte für einen Projektabbruch, eine Abänderung oder Anstoß für den weiteren Projektschritt. Während der Planungs- und der Genehmigungsphase kam es zu wiederholter Projektab- änderung. . Im Dezember 2003 erfolgt die Einigung zwischen den drei Betreibern, der EVN Naturkraft GmbH & Co KG, der WEB Windenergie AG sowie der ÖKOENER- GIE GmbH & Co KG für einen gemeinsamen Projektantrag samt Anlage der UVE für das Gesamtvorhaben WP MFN. Die Firma ENERGIEWERKSTATT GmbH wird mit der Erstellung der Einreichunterlagen beauftragt.

. 30.06.2004 die Antragsteller WEB Windenergie AG, EVN Naturkraft GmbH & Co KG und ÖKOENERGIE GmbH & Co KG bringen beim Amt der Niederöster- reichischen Landesregierung, den Antrag zur Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des WP MFN mit 49 Windenergieanlagen zu je zwei Megawatt (ge- samt 98 MW) nach den Bestimmungen des UVP-G 2000 ein. . 07.07.2004 findet eine Informationsveranstaltung der WEB Windenergie AG im Gasthof Sommer in Auersthal statt. . 11.11.2004 erfolgt die Beschlussfassung des Gemeinderates von Bockfließ zur Abhaltung einer Volksbefragung zu den beantragten Windkraftwerken. . 21.12.2004 mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung, Zl RU4-U- 147/113 wird der EVN Naturkraft GmbH & Co KG, der WEB Windenergie AG sowie der ÖKOENERGIE GmbH & Co KG die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von 29 Windenkraftanlagen zum Ansuchen WP MFN erteilt. . 31.12.2004 die Ökostromverordnung BGB1 II Nr 508/2002 schreibt vor, dass die Betreiber zur Förderung eingereichter Windkraftprojekte bis Ende 2004 einen po- sitiven Genehmigungsbescheid nachweisen müssen. . 08.09.2005 Zurückweisung der erhobenen Berufungen durch die Berufungsent- scheidung des Umweltsenates zu Zl US 4B/2005/1-49.

. 30.06.2006 der WP AT geht in Vollbetrieb. . 26.06.2009 Erkenntnis und Abweisung einer Beschwerde durch den VwGH, Zl 2006/04/0005-16.

xiii

12.4. Technische Fakten zum WP AT

Menschen konnten sich bisher an langsam emporwachsende Bauwerke „gewöhnen“. Die Errichtung von Windkraftwerken hingegen erfolgt in kürzester Zeit und vorwiegend in ländlicher Umgebung mit niedriger Bebauung. Gutes Management bei der Planung und Montage macht es möglich, dass gleich mehrere Windkraftanlagen innerhalb weniger Tage errichtet werden. Das Aufsetzen eines Stahlrohrturmes auf ein ausgehärtetes Stahl- betonfundament sowie die Montage des Rotors und des Maschinenhauses sind an einem Tage möglich.

Im Jänner 2006 erfolgte der Baubeginn für den WP AT. Am 30. Juni 2006 nahm der WP AT den Vollbetrieb mit zehn Windenergieanlagen auf. Jede der zehn Windkraftanlagen ist für eine Leistung von 2000 kW Energie ausgelegt. Eine Windkraftanlage produziert etwa 4,8 Millionen kW/h pro Jahr. Bei der Annahme, dass ein durchschnittlicher Haushalt ca 4000 kW/h Energie in einem Jahr verbraucht, können ca 1200 Haushalte von einer Anlage des WP AT mit erneuerbarem Strom versorgt werden.75

12.4.1. Flächenbedarf Für die Errichtung, den Betrieb und für die spätere Beseitigung einer Windkraftanlage nach Stilllegung sind befestigte Verkehrswege erforderlich. Die quadratischen Stahlbe- tonfundamente für die Windkraftanlagen sind nach Stilllegung vom Betreiber zur Gänze zu beseitigen.

75 Vgl. WEB Windenergie AG: http://www.windenergie.at/at/wp-auersthal (19.03.2013).

xiv

Abb.: xx Windkraftanlage Auersthal; Quelle: www.windkraft.at; Abfrage 1.7.2009

12.4.2. Technische Kenndaten

Typ VESTAS V90 – 2,0 MW Rotordurchmesser 90 m Nabenhöhe 105 m Gesamthöhe 150 m Überstrichene Fläche 6362 m² Drehzahl Rotor 8,2 – 14,9 U/min Drehrichtung Rotor Uhrzeigersinn (Blickrichtung windabwärts) Einschaltgeschwindigkeit 4 m/s Nenngeschwindigkeit 11 m/s Abschaltgeschwindigkeit 23 m/s Blattzahl 3 Windnachführung 4 Elektro-Getriebemotoren Notbeleuchtung nach EN 50308 (netzversorgte Akkuleuchten)

xv

12.4.3. Fundament Bauart Quadratisches Plattenfundament Abmessungen 15,6 x 15,6 x 2,125 m Material C 30/37 x C1, Betonstahl BST 550 Turmverankerung angeschweißte Ringflanschen Material Mantelrohr Stahlgüte S 355 NL

12.4.4. Turm Bauart konischer Stahlrohrturm, lackiert (RAL: 7035 lichtgrau) Turmlänge 102,45 m in 5 Sektionen (Fußflansch-Kopfflansch) Fußdurchmesser 4,2 m außen Zopfdurchmesser 2,3 m außen Material Stahlgüte S 355 J2G3 Aufstieg Innenliegende Leiter mit mechanischer Aufstiegshilfe Eingangstür versperrbar, doch von innen jederzeit zu öffnen

xvi