Bukarest, Hauptstadt Der Vielfalt
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Nina May George Dumitriu Bukarest Hauptstadt der Vielfalt Inhalt Vorwort S. 4 Auf der Suche nach dem deutschen Bukarest Wie Zuwanderer aus dem deutschen Sprachraum die rumänische Hauptstadt prägten S. 6 Spaziergang durch das jüdische Bukarest Vom prächtigen Choral-Tempel bis zum schlichten Holocaust-Mahnmal S. 14 Mit Manuc Bei durch die Hauptstadt Auf den Spuren der Armenier în Bukarest S. 20 Rund um den Universitätsplatz Im Karussell von Geschichte und Geschichten S. 26 Heimliche Hauptstadt der Kirchen Über die faszinierende Vielfalt der christlichen Gotteshäuser S. 32 Die verlorene, wiedergefundene Stadt Architektonischer Streifzug durch Bukarest zwischen alt und modern, Geschichte und Gegenwart S.40 Bukarest - mal von oben! Mit dem City Tour Doppeldecker durch die Hauptstadt S. 48 Vorwort Bukarest ist eine Hauptstadt, die „entdeckt“ werden will – und zwar in des Wortes ursprünglicher Bedeutung. Eine Stadt, deren Schönheit sich dem Betrachter beson- ders dann erschließt, wenn der Blick hinter die Fassaden dringt. Dies ist zunächst ganz praktisch zu verstehen: Man muss von den großen Achsen abbiegen und in die ver- winkelten Ecken der Stadtviertel und Hinterhöfe vor- dringen, um den wahren Zauber der Stadt zu erfahren. Aber es gilt auch im übertragenden Sinne: Man sollte sich dafür die historischen Hintergründe der plurikultu- rellen, religiösen und architektonischen Vielfalt dieser Stadt erschließen. Für manche dieser Entdeckungen braucht es den Blick des „alten Bukaresters“. Für andere dagegen gerade den frischen, unbeschwerten Blick des neu Hinzugezoge- nen, der die Faszination von Dingen erkennt, die erste- rem womöglich gar nicht mehr auffallen oder dem sie zumindest als nichts Besonderes erscheinen. Durch ihre Vita verfügen Nina May und George Du- mitriu über beide Blickwinkel zugleich – sozusagen in Personalunion. Und sie haben uns daran über mehrere Jahre teilhaben lassen in einer bunten Artikelserie der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien. Mit an- regenden Titeln wie: „Architektonischer Streifzug durch Bukarest“, „Spaziergang durch das jüdische Bukarest“, „Heimliche Hauptstadt der Kirchen“ und „Auf der Su- che nach dem deutschen Bukarest“. 4 Daraus haben wir nun gemeinsam mit den Autoren ein kleines Büchlein „Bukarest – Hauptstadt der Vielfalt“ gemacht, das wir allen deutschsprachigen Bukarest- Liebhabern im Rahmen unserer diesjährigen EU-Rats- präsidentschaft 2020 präsentieren möchten. Eine Entdeckungsreise durch die Jahrhunderte auf den Spuren unterschiedlicher kultureller Wurzeln, darunter auch der deutschen – mit anderen Worten, eines kleinen Europas vor seiner Zeit! Wir wünschen viel Vergnügen auf Ihren Streifzügen mit diesem Büchlein im Gepäck. Cord Meier-Klodt Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Rumänien Foto: Julia Saßmannshausen 5 Auf der Suche nach dem deutschen Bukarest Wie Zuwanderer aus dem deutschen Sprachraum die rumänische Hauptstadt prägten Von wegen Klein-Paris: Bukarest ver- rathon architektonischer Prachtbau- dankt einen großen Teil seiner Anlagen ten - sondern vielmehr als Suche nach deutschen Architekten. Für die ersten Geschichten, die sich um historische Parks – den Cișmigiu, den König Mi- Stätten und Figuren ranken, als Appe- chael I. Park und den Botanischen Gar- tithäppchen für Kenner und Genießer… ten, der ursprünglich im Zentrum lag – rief König Karl I. deutsche Gartenge- Die Zeit geht anders stalter ins Land. Der erste Professor für in Bukarest Bildhauerei, Karl Storck, war ein Ein- wanderer aus Hanau. Auch seine Söhne Kaum ein anderer Stadtteil hat in den Frederic und Carol haben prägende letzten Jahren sein Gesicht so gewan- Spuren hinterlassen. Der Bukarester delt wie das Altstadtzentrum. Um 2000 Markt im Zentrum war vom 16. bis zum war es noch von verstaubten Antiquitä- 19. Jh. stark vom Handel mit Leipzig tenläden, Buchantiquariaten, Brautmo- geprägt. Der erste Bierfabrikant, Wil- degeschäften, einer Glasbläserei zum helm Höflich, kam aus dem schlesischen Zuschauen und Läden mit zauberhafter Oppeln und ließ sich unter seinem handgefertigter Glasware geprägt - die Spitznamen „Oppler“ hier einbürgern. jedoch abends ihre Rolläden herunter- Sein schärfster Konkurrent, der bay- ließen und die Straßen einsam und leer rische Brauer Erhard Luther, wurde der Dunkelheit überließen. Heute bro- später Hoflieferant des Königshauses. delt dort das touristische Leben. Bars, Ja, selbst die rumänische Königsdynas- tie hat deutsche Wurzeln: Karl I. und Strada Smârdan, früher deutsches Gässchen Ferdinand I. stammten aus dem Hause Hohenzollern-Sigmaringen. Heute allerdings muss man den deut- schen Einfluss auf das Stadtbild fast mit der Lupe suchen. Schuld sind Erdbeben, Umplanung, Modernisie- rungen oder der Zahn der Zeit. So ge- staltet sich die Tour auf den Spuren des deutschen Bukarest nicht als Ma- 6 Clubs, Restaurants, internationale Ho- Lipscani-Straße im tels, exquisite Tee-Läden und Mode- Altstadtzentrum schmuckgeschäfte bevölkern die Stra- des Walachen war der Markt in Leipzig. ßen. Die bekanntesten sind Lipscani und Der Sachse aus Leipzig, ein Uhrmacher, Smârdan. Letztere hieß bis 1878 „Ulița reiste in umgekehrter Richtung. In Buka- Nemțească“ - deutsches Gässchen. Ers- rest wollte er seine Ware feilbieten und tere hingegen bezieht ihren Namen von sich mit seinem Handwerk am Handels- der sogenannten „lipscanie“, dem Groß- knotenpunkt zwischen Orient und Okzi- handel mit Waren aus Leipzig. Lipscani- dent dauerhaft niederlassen. Dort ange- Straßen gibt es daher nicht nur in Buka- kommen, musste er jedoch entdeckten, rest, sondern z. B. auch in Craiova, Slati- dass die Uhren auf dem Balkan anders na, Caracal und Râmnicu Vâlcea. gingen... Zeit hatte man in der Walachei Wie die intensive kommerzielle Bezie- massenhaft - niemand hatte Interesse an hung zwischen Leipzig und Bukarest be- den seltsamen feinmechanischen Mecha- gann? In der Zeitschrift des Bukarester nismen. Kurz vor der Verzweiflung be- Stadtmuseums, „București in 5 Minute“ gegnete er der Karawane des Walachen, (April 2018), erzählt Museumsdirektor der gerade aus Leipzig zurückgekehrt Adrian Majuru die Geschichte der bei- war. Dieser klagte ihm das umgekehrte den Händler, die gleichzeitig aus ihrer Problem: Weil die Händler aus der Wa- jeweiligen Heimatstadt fortzogen. Ziel lachei keine Uhren hatten, hatten sie den 7 8 Strada Smârdan, früher deutsches Gässchen 9 Rumänische Kreditbank rer waren Händler, Glaser, Schmiede, von Oskar Maugsch Drucker, Metzger, Schlosser, Schreiner, Leipziger Markt verpasst. So wurden sie Bildhauer, Maler, sogar einen Homöopa- die ersten Kunden des Deutschen – und then gab es in Bukarest. Die Wirtschafts- dieser der erste Uhrmacher Bukarests. zeitung „România Economică“ erschien Der Kommerz zwischen den beiden zweisprachig, deutsch-rumänisch. Aus- Städten entwickelte sich zu einer neuen grabungen in der Lipscani Straße förder- Form des Handels, der „lipscanie“. Im ten die Ruinen einer „Berliner Bankge-Bankge-ge- 18. Jh. führten mehrere Routen nach sellschaft“ (1910-1930) zutage. Leipzig: eine von Bukarest entlang der Donau über Wien; eine nördlich durch Deutsche Architektur Prag und Sachsen; eine von Kronstadt/ Brașov über Siebenbürgen und Ungarn, Der Spitzname „Klein-Paris“ sei un- eine über die Karpaten über Krakau und gerechtfertig, meint Architekt Adrian Breslau durch Schlesien und eine aus Crăciunescu. Vielmehr sei Bukarest dem Norden der Moldau über Ruthenien. von deutschen Baumeistern geprägt, Im 19. Jahrhundert war das gesam- wie eine Flut an Dokumenten be- te wirtschaftliche Leben in Bukarest weist. Die französische Hauptstadt deutsch geprägt. Deutsche Zuwande- sei nur Verwaltungsvorbild gewesen. 10 Auf der Suche nach deutscher Architek- insgesamt 50 Jahre wirkte und die ers- tur stoßen wir in der Strada Stavropoleos te Architektenvereinigung Rumäniens 6-8 auf das imposante Gebäude der Ru- gründete. Für die Vollendung des von mänischen Kreditbank, erbaut von Oskar Friedrich Schmidt begonnenen, durch Maugsch. Der 1857 in Jassy/Iași gebore- den Unabhängkeitskrieg unterbrochenen ne Architekt, der in Dresden studiert hat- Baus der katholischen Kathedrale zum te und 1894 die rumänische Staatsbürger- Hl. Josef (Strada Gen. H. M. Berthelot schaft erhielt, erbaute ferner die Banca de 19) wurde Benisch vom Vatikan mit dem Scont (1903) an der Kreuzung zwischen Beinamen „Carol Vallaquiensi“ - „Karl Lipscani und E. Carada, den BCR-Palast von der Walachei“ - ausgezeichnet. (1911-1913) und den Versicherungspa- last (1907-1914) am Universitätsplatz, Die Künstlerfamilie Storck die Villen von Elena G. Cantacuzino (1899) und der Direktorin der Zentra- Karl Storck aus Hanau kam 1849 als len Mädchenschule (1894), beide in der Graveur und Silberschmied nach Bu- Strada Polonă (arhivadearhitectura.ro). karest, wo er für den Juwelier Josef Der Suțu-Palast (1833-1835), Sitz des Resch arbeitete. Bald begann er, sich Bukarester Stadtmuseums, geht auf Storck-Museum Pläne der Wiener Baumeister Conrad Schwink und Johann Veit zurück. Das Museum „Theodor Aman“ (1868) in der Strada Rosetti 6 stammt vom deutschen Architekten Franz Schiller, das Außen- dekor schuf Karl Storck. „Karl von der Walachei“ Ein weiterer Name, untrennbar mit Bu- karest verbunden, ist Carol Benisch, 1822 als Karl Franz Böhnisch im heu- tigen Tschechien geboren. 1840 war der knapp 25-Jährige von Prinz Nicolae Bi- bescu-Brâncoveanu in die Walachei ge- rufen worden. Er sollte dem Schweizer Johann Schlatter bei der Restaurierung der oltenischen Klöster Arnota, Tismana, Horezu und Bistrița helfen. 1865 wurde er Chefarchitekt von Bukarest,