Shiva Ist Anfang Und Ende Der Dhrupadstil in Der Indischen Klassik

Shiva Ist Anfang Und Ende Der Dhrupadstil in Der Indischen Klassik

1 SWR2 MusikGlobal Shiva ist Anfang und Ende Der Dhrupadstil in der indischen Klassik Von Clair Lüdenbach Sendung: Dienstag, 09.04.2019 Redaktion: Anette Sidhu-Ingenhoff Produktion: SWR 2019 SWR2 MusikGlobal können Sie auch im SWR2 Webradio unter www.SWR2.de und auf Mobilgeräten in der SWR2 App hören Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. 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Durch dieses Erlebnis begann ich, den indischen Dhrupad-Gesang zu verstehen und zu schätzen. Fortsetzung Musik: Mod.: Über mehrere Generationen traten die Sänger der Dagar Dynastie als Brüderpaare auf. Heute folgen die Gundecha-Brüder dieser Tradition ihrer Lehrer Ustad Zia Fariduddin Dagar, Gesang und Ustad Zia Mohiuddin Dagar, Vina. Die gleichen Lehrer hatte auch Uday Bhawalkar, der heute zu den angesehensten Dhrupadsängern gehört. Nachdem viele Jahre der Dhrupad gerne als ein Relikt der Vergangenheit angesehen wurde, scheint er nun eine neue Hochzeit zu erleben, wie Uday Bhawalkar in einem Gespräch erklärt. O-Ton Uday: „Die Situation ist ziemlich gut im Vergleich zu vor etwa 25 oder 30 Jahren. Wir werden nun ständig von Organisationen im In- und Ausland eingeladen. Man kann sagen, die Zeiten haben sich geändert, es geht weiter. ..... Wenn die Dinge ins Extreme gehen, dann wollen die Leute etwas anderes hören. .. Besonders in den letzten 5-10 Jahren, wo sich die Sozialstrukturen so verändert haben, und mit den elektronischen Medien ist die Welt näher gerückt. Die Haltung der Menschen ändert sich langsam, sie werden offener für andere Formen im allgemeinen. Also, ich würde sagen, die Zukunft des Dhrupad sieht sehr gut aus.“ Mod: Uday Bhawalkar wirft einen optimistischen Blick in die Zukunft des Dhrupadgesangs. In der folgenden Aufnahme singt er eine Komposition in Raga Jog, eine Melodie zur späten Nacht. 3 Musik 2 : Komp: Trad. 4.12 Titel: Raga Jog, Interpret: Uday Bhawalkar, Anuraag, © U.Bhawalkar Tr. 4 Pan Red. 4001/02 KCD Mod. Die Anfänge des Dhrupad gehen weit zurück, denn Dhrupad ist die älteste klassische Gesangstradition und tief im hinduistischen Glauben verwurzelt. Ursprünglich sang man Dhrupad in den Tempeln zu Ehren der Götter. Es war ein Hymnengesang wie der Name, der so viel wie „unveränderbarer Hymnus“ heißt, erkennen läßt. Im 15. Jahrhundert wandelte sich der Dhrupad zur höfischen Kunstmusik. Interessanterweise fand der strenge Gesang aus den hinduistischen Tempeln besonders viel Bewunderung und Förderung durch die muslimischen Mogul-Herrscher. Viele Musiker wechselten zum Islam, so auch die Familie Dagar vor einigen Jahrhunderten. Mit der Verwandlung zur höfischen Kunstmusik erhielt dieser Stil auch einen komplexeren Ausdruck und ein strenges Regelwerk. Geblieben ist bis heute die zentrale Rolle der Kompositionen. Eigentlich spielte der Alap, die Exposition der modalen Skala, eine untergeordnete Rolle, erst die Dagar-Dynastie stellte den Alap in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen. Hören sie die Gundecha-Brüder mit dem Schluß eines Alaps in Raga Yaman. Das begleitende Saiteninstrument ist eine Surbahar oder Baß-Sitar, die heute nicht zwingend den Dhrupad begleitet. Musik 3: Komp: Trad. / title: Raga Yaman 3.36 Int: Gundecha Brother, CD: Temple Voices, sense world music 103 Mod: Die Gundecha Brüder aus Bhopal hörten Sie mit dem Schluß eines Alap in Raga Yaman. - Vor Jahren besuchte ich einen Musiker vom Tempel in Tanjavur in Südindien. Seine Aufgabe war es, am Abend den Gott Shiva in den Schlaf zu spielen und ihn am frühen Morgen wieder musikalisch zu 4 wecken. Sein Gesang für die Götter erklang auf der Vina, dem uralten Instrument der Tempelmusiker. Musik einblenden! Mod.: Ich konnte den Musiker nur in seiner Wohnung im Tempelbezirk aufnehmen, denn zum Heiligtum hatten nur er und die Priester Zutritt. So begleiten die zarte Melodie der Ventilator und die Geräusche aus der Umgebung. Musik 4: Trad.: Wiegenlied für die Götter, Interpret: unbekannt eigene Aufnahme Clair Lüdenbach 2`10 Mod.: Ob vor über tausend Jahren der Dhrupad einmal so schlicht und anrührend geklungen hat wie in dieser Aufnahme eines alten Tempelmusikers, ist nicht überliefert. Sein Instrument, die Vina, hat bis heute ebenso ihren Platz in der Kunstmusik Dhrupad. So wie im Gesang steht auch in der instrumentalen Interpretation eigentlich die Komposition im Zentrum. Die Dagarfamilie und ihre Schüler zelebrieren aber besonders den Alap, die meditative Einführung. Der verstorbene Dhrupadmeister Asad Ali Khan hingegen folgte einer anderen Linie. Sein Instrument war die klassische Stabzither, ein stockartiger Körper, auf dem die Saiten über mit Wachs befestigten unbeweglichen Bünden gespannt waren. Stolz berichtete er damals, daß er deutsche Klaviersaiten verwende, weil sie haltbarer seien. Am oberen und unteren Teil war ein Resonanzkörper aus einem ausgehöhlten Kürbis angebracht. Das Instrument wurde quer vor den Körper gehalten, wobei der obere Resonanzkörper über der Schulter hing. Der Musiker saß zwischen den beiden Klangverstärkern. Asad Ali Khan erzählte mir vor vielen Jahren: Zitat: Wenn man Vina spielen will, dann muß man zuerst seine Körpermaße dem Instrumentenbauer geben. Die Rudra-Vina liegt auf der Schulter und wird dadurch von der Atmung beeinflußt. Atmet man nicht richtig, dann verändert sich die Stimmung des Instruments. In der folgenden Aufnahme spielt Asad Ali Khan eine Komposition in Raga Joyiga. Musik 5 : Komp: Trad., Titel: Raga Joyiga, 5 Interpret: Asad Ali Khan Nimbus Rec. NI 5633, LC 5871, Tr. 6 4’00 Mod: Asad Ali Khans deutscher Schüler Karsten Wicke hat die alte Spielweise seines Lehrers aufgegeben und sich eine Vina nach Dagar-Vorbild bauen lassen, wie er erzählt: Zitat: Zu Anfang habe ich noch mit der Vina auf der Schulter gespielt, aber als Khan Sahib dann gestorben war, mußte ich ihm nicht mehr Folge leisten. Dann habe ich irgendwann für mich entschieden, ich will den vollen Klang, mußte dann aber auch die Haltung ändern. Mod: Das Instrument von Carsten Wicke hat viel größere Resonanzkörper und wird vor dem Körper liegend gespielt. Der obere Resonanzkörper ruht auf dem Oberschenkel des mit gekreuzten Beinen sitzenden Musikers. Während der untere Resonanzkörper auf dem Boden aufliegt. Wie bei den Dagars hat sein Instrument auch bewegliche Bünde, die also nicht mehr mit Bienenwachs befestigt werden. Carsten Wicke erklärt, weshalb er von der Tradition seines Lehrer abwich ist, so: Zitat Wicke: Irgendwann brauchte ich ein Instrument, das mehr Bässe hat, etwas, was der Zuhörer heute als angenehmeren Klang empfindet. Niemand konnte die mehr bauen, so wie ich sie wollte. Ich spiele mittlerweile so große Instrumente, daß man sie nicht mehr auf der Schulter spielen kann. Musik 6: Komp: Karsten Wicke 5:20 Titel: „about Kalyan“. Interpret: Karsten Wicke, eigene Prod. / Privataufnahme Wicke Mod.: In dieser Aufnahme spielte Carsten Wicke eine Meditation im Raga Kalyan. Was treibt ihn bei seiner Interpretation an?: Zitat Wicke: Ich versuche eigentlich, die beiden Stärken zusammen zu bringen. Sowohl den elaborierten Alap, was das Instrument mit seinem tiefen Klang ja auch kann. Ich will aber auch diese andere Seite, diesen ekstatischen Klang 6 haben - soweit das geht auf diesem riesigen Instrument, auf einem kleineren geht das besser. Diese zwei Welten zusammen zu bringen, das ist das, was ich eigentlich musikalisch mache. Musik 7 : Fortsetzung von „about Kalyan“. Von Musik 6 Mod.: Die Dhrupadmusiker legen großen Wert auf eine genaue Wiedergabe der alten Texte. Dem Dhrupad liegen Worte zum Lobe der Götter zugrunde, auch wenn er auf der Vina ohne Gesang gespielt wird. Jede Silbe findet ihre Bedeutung in der musikalischen Interpretation. Und jeder Raga mit seiner eigenen emotionalen Stimmung findet seine Entsprechung im Text. Ein Morgenraga hat die Leichtigkeit und Strahlkraft des frühen Morgens, und zugleich ist er ein Gebet, das mit der Strenge einer religiösen Formel vorgetragen wird. Der Raga Miyan ki Todi ist eine Erfindung von Miyan Tansen, des wohl berühmtesten indischen Musikers aus dem 16. Jahrhundert. Auf ihn beruft sich jeder indische Künstler, ganz gleich, ob Sänger oder Instrumentalist, ob Dhrupad- oder Kayal-Interpret. Die Brüder Nasir Zahiruddin und Nasir

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