SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Wissen – Manuskriptdienst Ein Klassiker der Tierliteratur: Alfred Brehms „Illustrirtes Thierleben“ Autor: Konrad Lindner Redaktion: Detlef Clas Regie: Carola Preuß Sendung: Montag, 26. Oktober 2009, 8.30 Uhr, SWR 2 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Wissen/Aula (Montag bis Sonntag 8.30 bis 9.00 Uhr) sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für 12,50 € erhältlich. Bestellmöglichkeiten: 07221/929-6030 SWR 2 Wissen können Sie auch als Live-Stream hören im SWR 2 Webradio unter www.swr2.de Dieses Manuskript enthält Textpassagen in [Klammern], die in der ausgestrahlten Sendung aus Zeitgründen gekürzt wurden. MANUSKRIPT 1. Atmo: Vogelgezwitscher Cut 1: Hans-Dietrich Haemmerlein Für Alfred Brehm war der Vater der maßgebende Mentor und Lehrer in ornithologischer Hinsicht. Der Vater sammelte ja bekanntlich Vögel für seine wissenschaftlichen Subtilforschungen. Und Alfred Brehm hat spätestens vom achten Lebensjahr an mit eigenem Gewehr an der Bereicherung der Sammlung mitgearbeitet. Cut 2: Andreas Schulze Das Erfolgsgeheimnis von „Brehms Thierleben“ ist darin zu suchen, dass es einen unwahrscheinlich suggestiven Stil hat. Hier ist also auf spannende und gut verständliche Art und Weise das Leben der Tiere beschrieben worden. Und „Brehms Thierleben“ hat viele Elemente der Trivialliteratur, des Reiseberichts, der Fabel usw. miteinander verbunden und ist deshalb sehr unterhaltsam zu lesen. Ansage: Ein Klassiker der Tierliteratur: Alfred Brehms „Illustrirtes Thierleben“. Eine Sendung von Konrad Lindner. Sprecher: Alfred Edmund Brehm wurde am 02. Februar 1829 im östlichen Thüringen im Pfarrhaus von Renthendorf geboren. Alfreds Vater war dort Dorfgeistlicher und eine führende Kapazität der Vogelkunde in Europa. Auch wenn Alfred Brehm an der Seite des Vaters viel über die Fauna lernen konnte – die Idee zu Brehms „Thierleben“ kommt nicht aus seinem Elternhaus. Der Junge absolvierte zunächst in Altenburg eine Maurerlehre und begann in Dresden ein Studium der Architektur. Baron Johann Wilhelm von Müller aus Kochersteinsfeld im nördlichen Württemberg suchte 1847 für seine Afrikareise einen Begleiter und vor allem einen guten Vogelfänger. Der junge Brehm ergriff die Chance seines Lebens, obwohl sich die Mutter dagegenstemmte; der Vater bestärkte ihn. Nicht ganz uneigennützig, denn Christian Ludwig Brehm erhoffte sich eine Vervollständigung seiner eigenen umfangreichen Vogelsammlung. Der Brehm-Forscher Hans-Dietrich Haemmerlein entdeckte in Alfreds Briefen an die Eltern, dass dieser über seinen adeligen Finanzier bald heftig klagte und meinte, dass der Baron ein „Spitzbube“ sei. Über die Bedeutung des Barons für die Entwicklung des jungen Brehm sagt Haemmerlein: Cut 3: Hans-Dietrich Haemmerlein Die Biographie Alfred Brehms wäre ohne den Baron sicher anders verlaufen. Er wurde ja weggeholt vom Architekturstudium in Dresden und wäre vielleicht allenfalls Zooarchitekt geworden und die Reise nach Afrika hat ihn also geprägt als Reisenden, als Tierforscher, als Ornithologen, als Sammler in erster Linie. Ursprünglich war ja das Konzept der Afrikareise nur, Vögel zu sammeln für den Herrn Baron. Für den Vater Brehm. Und zum Verkaufen an Museen und an Herrscherhäuser. – Übrigens hat Alfred Brehm dann auch ganz schön versucht, Geschäfte zu machen mit der afrikanischen Ausbeute und ist darüber mit dem Reiseunternehmer Herrn Baron von Müller in Streit geraten: Wem gehören denn die Vögel, die Alfred Brehm geschossen hat? Aber seine Reise ist vom Baron finanziert worden. Da gab es auch rechtliche Streitigkeiten, die man in Briefen verfolgen kann. 2 Sprecher: Alfred Brehm konnte schon ein Ekel sein. Als Direktor von Tiergärten wurde er in seinem Leben gleich zweimal gefeuert. Erst in Hamburg und später in Berlin. Dennoch ging Brehm durch sein zehnbändiges „Thierleben“ unauslöschlich in die Geschichte der Tierliteratur ein. Das hatte auch damit zu tun, dass Brehm aus familiären Gründen in Leipzig Wurzeln schlug. Schon am 11. Mai 1858 wurde der Afrikareisende in die Naturforschende Gesellschaft der Stadt aufgenommen. In ihr waren Lehrer, Verleger und namhafte Wissenschaftler vereint. Brehm freundete sich mit dem Pädagogen und streitbaren Demokraten Emil Adolf Roßmäßler an. Der Biologe hatte wegen seiner Beteiligung an der Revolution von 1848/49 sein akademisches Lehramt verloren. Von Leipzig aus engagierte er sich in der naturwissenschaftlichen Volksbildung. Er unternahm auch zahlreiche Vortragsreisen. Das Credo von Roßmäßler lautete: „Durch Bildung zur Freiheit“. Eine Devise, die auch Alfred Brehm während der Jahre in Leipzig verinnerlichte. Nachdem er in Jena mit zwei Kapiteln seines schriftstellerischen Erstlingswerkes „Reiseskizzen aus Nord-Ost-Afrika“ zum Doktor der Naturwissenschaften wurde, begann er Anfang 1858 in [der sächsischen Buch- und Messestadt] Leipzig als Lehrer für Naturgeschichte und Geographie zu arbeiten. Während dieser Zeit gelang Brehm auch der Durchbruch zum Reise- und Tierschriftsteller, der lebendig, spannend und unterhaltsam berichtet. Von Leipzig aus brach Brehm zu wichtigen Reisen auf: erst nach Norwegen und Lappland, dann unmittelbar nach der Hochzeit mit seiner Cousine Mathilde 1861 zu seiner zweiten Afrikareise. Bereits am 4. September 1855 hatte Alfred in Mathildes Poesiealbum geschrieben: Zitator: „Von des Löwen Gebrüll in der dunklen Nacht Da könnt ich dir manches erzählen, Von köstlichen Nächten, die ich durchwacht Im Sattel auf flücht'gen Kamelen Oder von des südlichen Himmels Glanz, Von der Palmenkronen Geflüster, Von dunkler Völker Waffentanz Und des Urwalds erhabenem Düster.“ Sprecher: Der Poet Alfred Brehm kam in Leipzig mehr und mehr zum Vorschein. Vom Milieu der Bürgerstadt angesteckt, ließ er seiner Schreiblust freien Lauf. Er gewöhnte sich an, in den frühen Morgenstunden vor dem Schuldienst eifrig zu arbeiten. Brehm hatte nicht so sehr ein Fachpublikum, sondern mehr neugierige, bildungshungrige Menschen aller Schichten der Bevölkerung vor Augen – vom Tagelöhner bis zum Adligen, vom Gymnasiasten bis zum Professor. Auch das „Illustrirte Thierleben“ beruht nicht allein auf der Kunst der Beobachtung der Tiere, sondern ebenfalls auf der Kraft seiner anschaulichen, verständlichen und phantasiereichen Sprache. Die geistigen Wurzeln führen zurück ins Pfarrhaus nach Renthendorf. Als ein Jahrhundert später der Theologe und Ornithologe Hans-Dietrich Haemmerlein die lange unbesetzte Pfarrstelle Diehsa im Görlitzer Kirchengebiet übernahm, fand er die Anfrage eines Ahnenforschers zur Mutter von Alfred Brehm vor. Bertha Reiz, in Diehsa geboren, hatte 1827 den verwitweten Christian Ludwig Brehm geheiratet. – Durch diese Anfrage kam Hans-Dietrich Haemmerlein auf die Spur seines berühmten Vorgängers, der auch schon Theologie mit Vogelkunde zu verbinden wusste. Zunächst faszinierte ihn Vater Brehm mehr als der 3 Sohn. Dann veröffentlichte er im Jahr 1985 in der Evangelischen Verlagsanstalt sein Buch „Der Sohn des Vogelpastors“. Das bis heute wohl beste Buch über den berühmten Zoologen, auch weil es kritisch aus den Quellen und aus den unveröffentlichten Briefen schöpft. Der Brehm-Forscher zum geistigen Milieu [im Pfarrhaus Renthendorf], das Alfred Brehm prägte. Cut 4: Hans-Dietrich Haemmerlein Ich weise immer gerne darauf hin, dass er in bewährter schöner Sprache geschult worden ist von seiner Mutter. Und das betone ich natürlich so gerne, weil die Mutter wie gesagt aus meinem Pfarrhaus stammt. Es gibt ein Selbstzeugnis Alfred Brehms in einer unveröffentlichten und unvollendeten Familienchronik, wo er dem Sinne nach sagt: Abends stopfte Vater Brehm seine Vögel aus. Die Kinder saßen dabei und schauten zu und die Kinder hörten zu, wie die Mutter aus den Klassikern vorlas. Und es wird allgemein angenommen, nicht nur von mir, dass Alfred Brehm also in Kinderzeiten schon mit Goethe, Schiller und andern Klassikern für gutes Sprachempfinden geschult worden ist. Sprecher: Die zoologische und sprachliche Bildung im Elternhaus war ein wichtiges Erbteil, aber der Durchbruch zum Volksschriftsteller erforderte mehr. Zunächst stieg Alfred Brehm zum Starautor der Zeitschrift „Die Gartenlaube“ auf. Mit einer Auflage von fast 100.000 Exemplaren wurde das Journal in der breiten Bevölkerung gelesen. Der Untertitel „Illustriertes Familienblatt“ drückte das Erfolgsrezept des Verlegers Ernst Keil aus: Anschaulichkeit plus Unterhaltsamkeit! Die Seiten des Journals waren reich mit Holzstichen gespickt. [Auch Ernst Keil hatte wegen der Teilnahme an der Revolution sechs Monate Haft hinter sich. Die Idee zur Gründung der „Gartenlaube“ war ihm im Gefängnis gekommen. Brehm schrieb wie besessen für das Journal. Einmal über Vogelschutz, ein andermal über Nilpferde. Auch seinen Vater holte er mit Beiträgen über Hauskatze und Wasserspitzmaus in „Die Gartenlaube“ hinein. Etwa 60 umfangreiche Veröffentlichungen hat Brehm Junior für das Journal verfasst. Aus vielen Einzelbeiträgen wuchs Größeres. Im Jahr 1861 erschien Brehms Buch „Das Leben der Vögel. Dargestellt für Haus und Familie“. Alfred betrachtete es zeitlebens als sein Lieblingsbuch, weil es gelungen und wirklich populär war. Bereits im April 1857, vor Beginn seiner Jahre in Leipzig, hatte Alfred Brehm dem Vater in einem Brief aus Madrid anvertraut, dass er sein Vogelbuch nicht als biederes Sachbuch zu verfassen gedenke: Zitator: „Ein Buch fürs Volk, d. h.
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