Geschichtswerkstatt Geschwister Scholl Fritz Bockius Zentrumsabgeordneter und NS-Opfer Autorinnen und Autoren AUGUSTIN, Anna–Lena HÄFNER, Denis HAJJI, Sara HALLENBERGER, Ludwig HARTWICH, Gregor KNAPP, Christoph PFEIFER, Thomas RUSS, Oliver SCHULZ, Marie-Louise TURINSKI, Nina LERCHL, Yves Leitung: Franz Josef SCHÄFER und Peter LOTZ © 2010 by Geschichtswerkstatt Geschwister Scholl, Bensheim ISBN 978-3-00-028434-2 Reisig Druck & Service, Sulzbach-Rosenberg 1 Inhaltsverzeichnis Vorwort der Hessischen Kultusministerin Dorothea Henzler S. 3 Einleitung S. 4 1. Familiäres, regionales und berufliches Umfeld Fritz Bockius’ S. 11 1.1 Herkunft 1.2 Die Region Rheinhessen 1.3 Schule, Studium und Beruf 1.4 Fritz Bockius als Familienvater 2. Fritz Bockius als Politiker S. 23 2.1 Die Deutsche Zentrumspartei – Bockius‟ politische Heimat 2.2 Der Kommunalpolitiker Fritz Bockius 2.3 Der Reichstagsabgeordnete Fritz Bockius 2.3.1 Bockius‟ Funktion und Position innerhalb der Zentrumsfraktion bis 1930 2.3.2 Die Bewertung der Brüning‟schen Politik durch Bockius 2.3.3 Die NSDAP auf dem Weg zur Regierungsverantwortung: Koalitionsverhandlungen Zentrum – NSDAP in Hessen 3. Die Rolle des Zentrums nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten und der Niedergang des Politischen Katholizismus’ S. 56 3.1 Innenpolitische Situation Anfang 1933 3.2 Zentrum und Ermächtigungsgesetz: 4. Fritz Bockius’ Werdegang nach dem Rückzug aus der Parteipolitik S. 69 4.1 Anwaltskanzlei in Mainz 4.2 Kanzleivertretung in Bensheim 5. Fritz Bockius in Haft S. 83 5.1 Verhaftung in Bensheim auf dem Hintergrund der Aktion „Gewitter“ 5.2 Haftzeit in Darmstadt 5.3 Haftzeit in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Mauthausen 5.4 Fritz Bockius‟ Tod 5.5 Veröffentlichungen zu angeblichen Haftzeiten im KZ Osthofen, seiner Ermordung im KZ Dachau bzw. seiner Hinrichtung in Plötzensee 6. Fritz Bockius – Gedenken und Würdigung S. 106 Exkurs: Fritz Bockius – Eugen Bolz. Ein Vergleich 7. Anhang: Ausgewählte Dokumente S. 115 8. Literaturverzeichnis S. 142 9. Archivalienverzeichnis S. 158 2 HESSISCHES KULTUSMINISTERIUM Vorwort der Hessischen Kultusministerin Dorothea Henzler zu „Fritz Bockius. Zentrumsabgeordneter und NS-Opfer“ Wir können die Zukunft nicht gestalten, wenn wir die Vergangenheit nicht kennen. Das gilt insbesondere für das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte – die Zeit des Nationalsozialismus. Es ist für unser demokratisches Selbstverständnis von enormer Wichtigkeit, uns mit dem verbrecherischen System des „Dritten Reiches“ auseinanderzusetzen und aufzuzeigen, wie viel Leid den Menschen in dieser Zeit widerfahren ist. Die Geschichtswerkstatt der Geschwister-Scholl-Schule hat dieses Thema mit der vorliegenden Publikation über Fritz Bockius aufgegriffen. Für die Darstellung der Diktatur eignen sich in besonderer Weise Einzelschicksale wie das des Zentrumspolitikers, der vor seiner Verhaftung durch die Gestapo zuletzt in Bensheim wohnte. Die NS-Herrschaft kostete Millionen von Menschen das Leben, Fritz Bockius ist eines der Opfer. Bei den Autorinnen und Autoren handelt es sich um Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses Geschichte an der Geschwister-Scholl-Schule Bensheim. Sie unternehmen in der vorliegenden Forschungsarbeit den Versuch, auf der Basis umfassender Archivrecherchen und Interviews die Person und das politische Wirken von Fritz Bockius in den Rahmen der historisch-politischen Gesamtsituation zu stellen. Die Darstellung beweist: Nirgends kann Geschichte lebendiger, greifbarer und spannender sein als vor der eigenen Tür. Das Buch stellt insgesamt eine beachtenswerte und profunde Studie über eine Persönlichkeit der Bensheimer Geschichte dar, deren Wirken weit über den regionalen Kontext Bedeutung besitzt. In diesem Sinne wünsche ich diesem Buch viele Leserinnen und Leser. Einmal mehr ist der Geschichtswerkstatt der Geschwister-Scholl-Schule für ihre engagierte Arbeit zu danken und Respekt auszusprechen. Herzliche Grüße Ihre Dorothea Henzler Hessische Kultusministerin 3 Einleitung „Einen Ehrennamen unter den vielen, die das Bensheimer Gymnasium absolvierten, hat sich der ehemalige Zentrumsabgeordnete im Reichstag, der Rechtsanwalt Dr. Fritz Bockius, in Deutschlands Geschichte erworben. Er machte das Maturum 1899, und Studienrat Gustav Zwissler1, der damals Quintaner war, erinnert sich, wie er mir schrieb, gut an diesen aufrechten Politiker, den die Diktatur kurz vor Kriegsende in Mauthausen zermalmte. Als Hitler im Frühjahr 1933 vom Reichstag das schicksalhafte ,Ermächtigungsgesetz' forderte und erhielt, da gehörte Dr. Bockius in einer vorausgehenden geheimen Fraktionssitzung zu den Nein-Sagern, und das wurde ihm nie vergessen. 1942, nachdem sein Mainzer Haus einem Fliegerangriff zum Opfer fiel, ließ sich Dr. Bockius in Bensheim nieder, wo er eine Notariatsvertretung übernahm. Aber nicht viel später wurde er von der Gestapo verhaftet, und sein Todesgang begann.“2 „Kein Grab kündet jetzt von ihm […].“3 Ganz in der Nähe unserer Schule mündet die Fritz-Bockius-Straße in die Europaallee.4 Am anderen Ende dieser Straße wird sie fortgeführt als „Jakob-Kindinger-Straße“. Ihm, einem kommunistischen Widerstandskämpfer und Buchenwaldhäftling, hatten wir eine unserer letzten Veröffentlichungen gewidmet: „Jakob Kindinger – ein 1 Gustav Zwissler (1888-1973), Lehrer am Gymnasium Bensheim. 2 Sternheim, Hans: Erinnerungen. In: Geschichtswerkstatt Geschwister Scholl: Geschichte der Bensheimer Juden im 20. Jahrhundert. Mit Erinnerungen und Betrachtungen von Hans Sternheim. Weinheim 2004, S. 269. 3 Privatarchiv Gottfried Braun, Schwabenheim: Fritz Bockius jun. an die Schriftleitung des Mainzer Bistumsblattes vom 9. Juni 1947. 4 Auch in Mainz (Fritz-Bockius-Straße) und in Bubenheim (Dr.-Fritz-Bockius-Straße) wurden Straßen nach Fritz Bockius benannt. 4 politisches Leben“.5 Kindinger überlebte seine KZ-Zeit und ist vielen älteren Bensheimer Bürgerinnern und Bürgern noch als engagierter Kommunalpolitiker und Gewerkschafter aus den Nachkriegsjahrzehnten in Erinnerung. Anders Fritz Bockius, Reichstagsabgeordneter und langjähriger hessischer Vorsitzender der Deutschen Zentrumspartei: „[Ob] Verbrennungsofen oder Massengrab seine sterblichen Reste aufnahmen, ist ungewiß.“6 Zum ersten Mal erfuhr die Öffentlichkeit am 13. Oktober 1945 in einem teilweise unzutreffenden Presseartikel vom Tode Fritz Bockius‟. Dr. Bockius im KZ ermordet Über das Schicksal des früheren Führers der hessischen Zentrumspartei, des Reichstagsabgeordneten Dr. Fritz Bockius, waren wir seither noch im Ungewissen. Jetzt steht fest, daß auch er zu den zahllosen Opfern der KZ-Lager gehört. Dr. Bockius hatte sich nach der Zerstörung seines Mainzer Wohnhauses in Bensheim an der Bergstraße als Rechtsanwalt niedergelassen. Dort wurde er im Sommer 1944, als die Aktion gegen frühere Reichstagsmitglieder im Anschluß an die Vorgänge des 20. Juli im Gange war, verhaftet und in das Gestapo-Gefängnis Darmstadt überführt. Nach Berichten seiner Zellenkameraden war er stets sehr niedergeschlagen und beteiligte sich selten an Unterhaltungen. Dr. Bockius war, so erzählten seine Zellengenossen, überzeugt, daß ihn die Gestapo im entscheidenden Augenblick umbringen würde und äußerte diese Befürchtung mehrfach. Seine Gattin durfte ihn nur zweimal während der ganzen Zeit auf zehn Minuten besuchen. Er ist niemals vernommen worden, konnte also nie erfahren, welchen Vorwand man genommen hatte, um ihn zu inhaftieren. Im Januar 1945 kam er in ein unbekanntes KZ-Lager. Von diesem Zeitpunkt an wurde sein Aufenthalt geheimgehalten. Nach Einzug der amerikanischen Truppen nahmen sich diese des Falles an. Ende August 1945 kam aus dem KZ Mauthausen die Nachricht, daß Dr. Bockius sich dort unter den Todesopfern befinde. Wir gedenken dieses hervorragenden Mannes, der seinem Volke als Parlamentarier und seiner Kirche als treuer Katholik hervorragende Dienste geleistet hat, in tiefer Trauer und in innigstem Mitgefühl mit seiner Gattin und seinen Kindern. Sein Tod soll uns Ansporn sein. W.K.G.7 5 Geschichtswerkstatt Geschwister Scholl: Jakob Kindinger. Ein politisches Leben. Weinheim 2006. 6 Privatarchiv Gottfried Braun, Schwabenheim: Fritz Bockius jun. an die Schriftleitung des Bistumsblattes vom 9. Juni 1947. 7 Frankfurter Rundschau Nr. 22 vom 13. Oktober 1945. 5 „[…] Es hat mich schon sehr geschmerzt, wie wenig sein Tod gewürdigt wurde. Zur antinazistischen Propaganda wurde der Fall bis nach Amerika mal irgendwann überall mehr oder weniger genau berichtet, in der engeren Heimat ging man darüber zu mehr oder weniger erquicklicher Tagesordnung―, betont Bockius‟ Sohn Fritz im Jahre 1947.8 In späteren Veröffentlichungen wurde Bockius bislang vor allem durch Beiträge von Gottfried Braun9 und Thomas Graubner10 gewürdigt. In der vorliegenden Forschungsarbeit wird erstmals auf der Basis umfassender Archivrecherchen und Interviews der Versuch unternommen, Person und politisches Wirken Bockius‟ in den Rahmen der historisch-politischen Gesamtsituation vor allem Ende der zwanziger Jahre und zu Beginn der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts zu stellen. Dabei wird besonders die Rolle Bockius‟ bei der Anbahnung von regierungsbildenden Gesprächen mit der (hessischen) NSDAP ebenso detailliert zu beleuchten sein, wie beim Zustandekommen des Ermächtigungsgesetzes, dem die Zentrums-Fraktion mit Bockius letztlich geschlossen zustimmte. Außerdem sollen unzutreffende Angaben in der vorhandenen Literatur korrigiert werden – gerade hinsichtlich seiner angeblichen KZ-Inhaftierung in Osthofen, den Ursachen seines Todes und der in einer Veröffentlichung noch 2008 erwähnten
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