Blätter Zum Land Extra "Die Gedenkstätte KZ Osthofen"

Blätter Zum Land Extra "Die Gedenkstätte KZ Osthofen"

Z B L Ä T T E R L BB LL ÄÄTT TT EE RR EXTRA A ZUM LAND F Die Gedenkstätte KZ Osthofen P Die offizielle Errichtung eines der ersten zum 1. Mai 1933. In dem kleinen ländli- - nationalsozialistischen Konzentrationsla- chen Ort Osthofen, in der Nähe von ger im Deutschen Reich erfolgte durch Worms gelegen, wurde ein Konzentra- den seit dem 13. März 1933 als „Staats- tionslager für den Volksstaat Hessen kommissar für das Polizeiwesen in Hes- (Rheinhessen, Starkenburg, Oberhessen) D sen“ zuständigen Dr. Werner Best auf errichtet. Alle aus politischen Gründen in dem Wege einer Durchführungsbestim- Polizeihaft genommenen Personen, deren mung der „Reichtagsbrandverordnung“ Haftzeit eine Woche oder länger dauern N sollte, waren dorthin zu verbringen. A L N I E H R Außenansicht der Gedenkstätte KZ Osthofen Vorgeschichte von Best verfasste Dokument der hessi- Der promovierte Jurist Best, nach der schen Polizei. Es handelte sich dabei um „Machtergreifung“ in Hessen am 6. März einen Racheakt. Best hatte Schäfer wegen zunächst zum Sonderkommissar für das verschwiegener Vorstrafen und dem Vor- hessische Polizeiwesen ernannt und ab legen eines gefälschten Doktordiploms Juli 1933 als Landespolizeipräsident für zum Rücktritt aus dem hessischen Land- das Polizeiwesen zuständig, galt innerhalb tag gedrängt. Wilhelm Schäfer wurde im seiner Partei als Fachmann für die Bekämp- Frühjahr 1933 auf Veranlassung Bests in fung politischer Gegner und für Sicherheits- Schutzhaft genommen. Zeitweise befand fragen. Bereits am 5. August 1931 hatte sich Schäfer auch im KZ Osthofen. Als im der damalige Gerichtsassessor Best auf Juli 1933 die Leiche Schäfers in der Nähe einem Treffen führender hessischer Natio- von Neu-Isenburg aufgefunden wurde, nalsozialisten, darunter der stellvertretende wurde Best mit dem Mord in Verbindung Gauleiter Wassung und der Offenbacher gebracht. Seine „Ungeschicklichkeit“ in Kreisleiter und Wirtschaftsreferent Wilhelm dieser Affäre diente im Herbst 1933 sei- Schäfer, seine Pläne kundgetan, welche nem Widersacher, dem Gauleiter Jakob Maßnahmen nach einer Machtübernahme Sprenger, als Vorwand, Best aus dem hes- durch die NSDAP zu ergreifen seien. Best sischen Polizeidienst zu entlassen. ging in einem schriftlich niederge- Die Veröffentlichung des nach dem Ent- legten Szenario stehungsort „Boxheimer Dokument“ be- von einem abge- nannten Textes schlug in Hessen und im wehrten kommu- ganzen Deutschen Reich für kurze Zeit nistischen Umsturz- hohe Wellen. Best wurde vom Staats- versuch aus. „Zur Rettung des Vol- Im Datterich, einer Wochenschrift für Hessen, kes“ müssten be- erschien am 4. Dezember 1931 eine Karikatur, waffnete national- die sich kritisch mit dem „Boxheimer Dokument“ sozialistische Grup- auseinandersetzte. pen die Macht Quelle: Hessisches Landesarchiv Darmstadt ergreifen und den Ausnahmezustand Werner Best, Mitte der erklären. „SA, Land- 30er Jahre wehren o.ä.“ sollten Quelle: Hessisches die unumschränkte Landesarchiv Darmstadt Vollzugsgewalt er- halten. „Widerstand wird grundsätzlich mit dem Tode bestraft“. Ebenfalls erschossen werden sollten alle, die ihre Waffen nicht binnen 24 Stunden ablieferten und alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die sich an Streiks oder Sabotagemaßnah- men beteiligen würden. Zu diesem Zwecke sollten Feldgerichte eingerichtet werden. Auf dem Boxheimer Hof bei Bürstadt/ Lampertheim in der Nähe von Worms fan- den unter Beteiligung des Pächters Richard Wagner mehrere Besprechungen zu dieser Frage statt. Wilhelm Schäfer übergab das 2 dienst suspendiert und ein Verfahren ge- Das Reichstagswahlergebnis und die gen ihn wegen Hochverrats eingeleitet. „Reichstagsbrandverordnung“, die im § 2 Mangels Beweisen wurde dieses im Okto- auch Eingriffe in die Länderrechte erlaub- ber 1932 jedoch außer Kraft gesetzt. Letzt- te, schufen auch die Grundlagen für die lich hatte eben jene Affäre Hitler auf den „Machtergreifung“ in Hessen und die Über- jungen Juristen aufmerksam gemacht und nahme der für die „Gegnerbekämpfung“ dessen weitere Karriere in der SS nach- und für Sicherheitsfragen zentralen Posi- haltig befördert. tionen im Polizeibereich durch Best. Unmittelbar nach seiner Ernennung zum Die Errichtung des Polizeichef in Hessen konnte Best seine Konzentrationslagers Osthofen Vorstellungen der „Gegnerbekämpfung“ Wieso Osthofen? Warum entschied sich Realität werden lassen. Stützen konnte er Best für die damals knapp 5000 Einwoh- sich dabei auf die eilig am Tag nach dem ner umfassende Gemeinde als Standort Brand des Reichtags von Reichspräsident des einzigen staatlichen Konzentrations- von Hindenburg am 28. Februar 1933 er- lagers für den gesamten Volksstaat Hes- lassene Notverordnung, die wesentliche sen mit Regierungssitz in Darmstadt? Grundrechte außer Kraft setzte. Mit den darin legalisierten Einschränkungen der Sicher war die Verkehrslage der Gemein- persönlichen Freiheit konnten umfangrei- de an der Bahnstrecke mit unmittelbarem che Verhaftungen zum angeblichen „Schutz Anschluss an die Hauptverkehrsstraße von Volk und Staat“ durchgeführt werden. zwischen Mainz und Worms zumindest akzeptabel. Auch die Nähe zu der Indus- Die daraufhin im ganzen Reich einsetzen- triestadt Worms mit ihrem hohen Arbeiter- de Verhaftungswelle brachte bereits vor anteil mag eine Rolle gespielt haben, galt den am 5. März anstehenden Wahlen zum doch die Stadt vor 1933 als „rote Hoch- neuen Reichstag Hunderte der bekannte- burg“. Entscheidender dürfte hingegen sten kommunistischen Funktionäre hinter gewesen sein, dass die Osthofener Schloss und Riegel. Ebenfalls verhaftet NSDAP bereits Anfang März dort Fakten wurden aber auch etliche Funktionäre der geschaffen hatte. Linksparteien und der Gewerkschaften. Schließlich wurde die so genannte „Reichs- Am 6. März, gerade einen Tag nach der tagsbrandverordnung“ auch zum Anlass Reichstagswahl, die der NSDAP in Ost- genommen, nach den Wahlen die Reichs- hofen mit 52,8 % ein im Vergleich zum tagsmandate der KPD zu konfiszieren. Reichsdurchschnitt deutlich besseres Er- Die Wahlen, die den Beginn einer zwölf gebnis beschert hatte, hatten die örtlichen Jahre andauernden Diktatur und Protagonisten dieser Partei fast die gesam- Gewaltherrschaft mit bis dahin unvorstell- te SPD-Gemeinderatsfraktion ohne jegli- barem Ausmaß von Gewaltverbrechen che rechtliche Grundlage in die zu die- begründeten, sind daher mit Nichten als sem Zeitpunkt leer stehende „frei“ zu bezeichnen. ehemalige Papierfabrik im Diese Außenaufnahme des Konzentrationslagers konnte als Ansichtskarte im Lager erworben und versandt werden. 3 Ziegelhüttenweg eingesperrt. Die Fabrik Funktionäre und auch keine „Wiederho- gehörte einem jüdischen Osthofener Fabri- lungsfälle“. Denn schließlich waren diese kanten. Zum Zeitpunkt der offiziellen Er- Männer dafür vorgesehen, nur ein paar richtung am 1. Mai 1933 bestand das La- Tage später, nämlich am 1. Mai, dem von ger schon fast zwei Monate. Mindestens den Nationalsozialisten reichsweit propa- 250 Personen, die meisten davon aus Ost- gandistisch inszenierten „Tag der nationa- hofen, Worms, Alzey und Umgebung, wa- len Arbeit und Versöhnung“ wieder frei- ren bereits im März und April in Fußmär- gelassen zu werden. So feierte dann auch schen oder größeren Sammeltransporten die bereits gleichgeschaltete regionale mit LKWs in dieses Konzentrationslager hessische Presse am 1. Mai die Freilassung verbracht worden. von 115 Häftlingen aus dem Konzentra- tionslager Osthofen als „besondere Über- Noch Anfang April 1933 ließ Best sein raschung“. Viele von ihnen wurden am Büro auf eine Anfrage der sozialdemokra- 2. Mai im Zuge der Zerschlagung der Ge- tischen „Mainzer Volkszeitung“ öffentlich werkschaften erneut verhaftet und nach dementieren, von der Existenz eines Kon- Osthofen transportiert. zentrationslagers in Osthofen Kenntnis zu haben. Am 20. April jedoch wies er die Die Berichterstattung der von ihm neugeschaffene „Zentralpolizei- Presse stelle“, die aus der allgemeinen Polizei Bereits in ihrer Wochenendausgabe am herausgelöste, personell und hinsichtlich 22./23. April 1933 hatte die „Niersteiner ihrer Befugnisse ausgeweitete und ver- Warte“ in einem ganzseitigen gut bebilder- selbstständigte politische Polizei Hessens, ten Artikel unter der Überschrift „Erzie- sowie alle Kreisämter an, nach einem fest- hungs- und Besserungsanstalt in Osthofen“ gelegten Schlüssel insgesamt 100 Häftlinge ausführlich, wenn auch stark beschöni- nach Osthofen einzuliefern. Ausdrücklich gend, über das Konzentrationslager berich- sollten bei dieser Verhaftungsaktion vor tet. Anfang Mai besichtigten Pressevertre- allem Arbeiter eingeliefert werden, keine ter auf Einladung der hessischen Staats- Alzey, Frühjahr 1933: Nazigegner werden auf LKWs, begleitet von Hilfspolizei und regulärer Polizei, in das nahe gelegene KZ Osthofen trans- portiert. Quelle: privat 4 pressestelle das Konzentrationslager Ost- Erwähnung. Ebenso erwähnt wurde Ost- hofen. In den kommenden Tagen konnte hofen im „Braunbuch über Reichstags- die Bevölkerung in allen Teilen Hessens brand und Hitler-Terror“, das im August und darüber hinaus die offizielle Version 1933 in Basel erschien. Weder die Miss- über Sinn und Zweck dieses Lagers und handlung Carlo Mierendorffs in Osthofen, über die darin herrschenden Zustände noch die Folterungen Siegfried Reschs bei lesen. Tagtäglich folgten Pressemeldungen seiner Verhaftung durch die Wormser SS über durchgeführte Razzien, Haussuchun- blieben im Ausland verborgen. Die über gen, Verhaftungen und Abtransporte nach die ausländischen Botschaften eingereich- Osthofen. Auch für alle Bahnreisenden ten Protestnoten

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