Volkswagen Am Kap

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Volkswagen am Kap. Internationalisierung und Netzwerk in Südafrika 1950 bis 1966 Claudia Nieke FORSCHUNGEN POSITIONEN DOKUMENTE Schriften zur Unternehmensgeschichte von Volkswagen Band 4 Volkswagen am Kap. Internationalisierung und Netzwerk in Südafrika 1950 bis 1966 Claudia Nieke impressum Die Autorin Claudia Nieke Jg. 1975, Dr. phil., studierte Archivwissenschaft in Potsdam und ist seit 2000 Mitarbeiterin der Konzernkommunikation der Volkswagen Aktiengesellschaft. Herausgeber für die Historische Kommunikation der Volkswagen Aktiengesellschaft Manfred Grieger, Ulrike Gutzmann, Dirk Schlinkert Gestaltung design agenten, Hannover Druck Hahn-Druckerei, Hannover ISSN 1613-5776 ISBN 978-3-935112-37-6 © Volkswagen Aktiengesellschaft Wolfsburg 2010 inhalt 1 Einleitung 4 2 Die Genese des Netzwerks (1948 – 1950) 10 2.1 Heinrich Nordhoff: der Unternehmer von Welt 11 2.2 Klaus von Oertzen: der Unternehmer von Stand 25 2.3 Exportstrategien für Südafrika 41 3 Der Internationalisierungspfad in Südafrika (1950 – 1956) 57 3.1 „No Wine, no Volkswagens“: bilaterale Handelsprobleme 57 3.2 Freundschaft mit Strategie 69 3.3 Business as usual? Die Übernahme des Generalimporteurs 95 4 Von der Montage- zur Produktionsgesellschaft (1956 – 1966) 113 4.1 Die Steuerung der neuen Tochter 113 4.2 Die umstrittene Investitionsentscheidung 140 4.3 Das Ende des Freundschaftsnetzwerks 166 4.4 Die Integration in den Konzern 187 5 Vom Netzwerk zur Unternehmensorganisation 218 Anhang 227 Danksagung 227 Abkürzungsverzeichnis 228 Abbildungen und Tabellen 229 Literatur und Quellen 235 Register 242 1. Einleitung Globalisierung ist ein Schlagwort mit enormer Wirkungsmacht. Es beschreibt die internationale Zirkulation von Gütern, Dienstleistungen und Kapital, aber auch von Informationen, Ideen und Menschen.1 1 Reduziert auf einen ökonomischen Kern, geht die globale Verflechtung nationa- World Bank Report: Poverty in an Age of Globalization 2000, S. 3, http://www1.worldbank.org/economicpolicy/ ler Ökonomien während der letzten 60 Jahre vor allem auf die Intensivierung globalization/documents/povertyglobalization.pdf vom 22.1.2008; vgl. zum Gebrauch des Begriffs Globalisierung des Welthandels, die Zunahme der Auslandsinvestitionen und die Herausbil- u.a. Alexander Nützenadel: Globalisierung und transna- 2 tionale Geschichte, in: H-Soz-u-Kult 23.2.2005, http:// dung internationaler Kapitalmärkte zurück. Die Globalisierung beschleunigen hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/forum/2005-02-04 vom 3.05.2008; Peter Fässler: Globalisierung. Ein historisches unter anderem multinationale Konzerne, also Unternehmen mit mehreren Kompendium, Weimar 2007. ausländischen Betriebsstätten und einer grenzüberschreitenden Vertriebsor- 2 Schlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen ganisation. Bezogen auf die getätigten Direktinvestitionen und den Umfang der Bundestages: Globalisierung der Weltwirtschaft – Heraus- forderungen und Antworten, Berlin 2002, S. 50. Auslandsproduktion, weist die deutsche Wirtschaft einen hohen Globalisie- 3 rungsgrad auf. 2006 übertrafen lediglich die USA und Großbritannien den deut- Outward and Inward FDI Stocks 1990-2006, in: OECD Fact- 3 book 2009. Economic, Environmental and Social Statistics, schen Bestand an Direktinvestitionen im Ausland. Unter den global agierenden http://statlinks.oecdcode.org/302009011P1T041.XLS vom 17.8.2009. deutschen Unternehmen ist Volkswagen im Hinblick auf Auslandsvermögen, 4 4 -umsatz und -beschäftigte das größte. Die 368.500 Beschäftigten des Wolfsbur- United Nations Conference on Trade and Development (Ed.): World Investment Report 2009. Transnational ger Konzerns fertigten 2009 insgesamt 6,05 Millionen Fahrzeuge, davon 1,9 Corporations, Agricultural Production and Development, 5 New York; Geneva 2009, S. 225, http://www.unctad.org/en/ Millionen an 12 deutschen und 4,1 Millionen an 48 ausländischen Standorten. docs/wir2009_en.pdf vom 26.1.2010. 5 Geschäftsbericht 2009 der Volkswagen Aktiengesellschaft, Eine wesentliche Voraussetzung für das internationale Wachstum deutscher Wolfsburg 2010, S. 153. 6 Unternehmen war die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die neu Werner Abelshauser: Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, München 2004, S. 219. geordnete Weltwirtschaft. Unter den institutionellen Rahmenbedingungen der 7 „pax americana“ schritt die Internationalisierung bundesdeutscher Unter- Harm Schröter: Außenwirtschaft im Boom. Direktinvesti- tionen bundesdeutscher Unternehmen im Ausland nehmen rasch voran: Die Exportquote stieg zwischen 1950 und 1975 von 0,9 1950-1975, in: Hartmut Kaelble (Hg.): Der Boom 1948- 6 1973. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen in der auf 24,7 Prozent des Bruttosozialprodukts. Der Bestand bundesdeutscher Bundesrepublik und in Europa, Opladen 1992, S. 82-106, hier S. 90. Auslandsdirektinvestitionen, der 1956 nur 36,7 Milliarden DM betragen hatte, 8 7 wuchs bis 1974 auf 421,1 Milliarden DM. Vgl. zu den internationalen institutionellen Rahmenbe- dingungen, der Wirtschaftspolitik der Alliierten und deren Rückwirkung auf die deutsche Außenwirtschaftspolitik u.a. Richard Neebe: Weichenstellung für die Globalisie- Der Frage, wie deutsche Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem rung. Deutsche Weltmarktpolitik, Europa und Amerika in der Ära Ludwig Erhard, Köln 2004; Linda von Delhaes- Weltmarkt erfolgreich Fuß fassen konnten, widmete sich die wirtschaftshistori- Guenther: Erfolgsfaktoren des westdeutschen Exports in den 1950er und 1960er Jahren, Dortmund 2003; Christoph sche und unternehmensgeschichtliche Forschung bislang kaum. Zwar benen- Buchheim: Die Wiedereingliederung Westdeutschlands in die Weltwirtschaft 1945-1958, München 1990; Elfriede nen einige Untersuchungen volkswirtschaftliche Erfolgsfaktoren und beschrei- Grunow-Osswald: Die Internationalisierung eines Konzerns - Daimler-Benz 1890 - 1997, Königswinter 2006. ben den Internationalisierungsprozess von Unternehmen.8 Jedoch liegen nur wenige Erkenntnisse vor, wie Unternehmen der Eintritt in die Exportmärkte gelang. Welche Strategien lagen der geographischen Expansion zugrunde, und wer entwarf sie? Wie verliefen die Entscheidungsprozesse, die zu Direktinvesti- tionen im Ausland führten? 4 einleitung 9 Christoph Kleßmann: Zwei Staaten, eine Nation. Deutsche Für die Internationalisierung nach dem Zweiten Weltkrieg gilt Volkswagen Geschichte 1955 - 1970, Bonn 1997, S. 27 ebenso als Symbolunternehmen wie für das bundesdeutsche Wirtschaftswun- 10 9 Jahresbericht der Volkswagenwerk GmbH 1948, S. 9 (Unter- der. Der Ausgangspunkt dieser Entwicklung lag im Jahr 1947: Zwei Jahre nach nehmensarchiv der Volkswagen Aktiengesellschaft (UVW), Zugang (Z) 174, Nr. 456). Beginn der Serienproduktion des Typ 1 – so die interne Bezeichnung der später 11 als Käfer bezeichneten Limousine – schloss das Volkswagenwerk den ersten Jahresbericht der Volkswagenwerk GmbH 1952, S. 21 (UVW, 10 Z 174, Nr. 461). Exportvertrag ab. 1952 gründete Volkswagen in Kanada seine erste Auslands- 12 tochtergesellschaft und setzte mit 41.484 Fahrzeugen bereits 34 Prozent der Bericht der Volkswagenwerk AG über das Geschäftsjahr 11 1968, S. 10, 13 und 19ff. Gesamtproduktion auf den Weltmärkten ab. 15 Jahre später gehörten 16 Toch- 13 tergesellschaften zum Konzern. Bei den vier produzierenden Auslandstöchtern Vgl. Begriffsdefinitionen bei Grunow-Osswald, Konzern, S. 14; Ludger Pries: Auf dem Weg zum global operierenden liefen 1967 mit insgesamt 185.335 Fahrzeugen fast 14 Prozent der Jahrespro- Konzern? BMW, Daimler-Benz und Volkswagen. Die Drei Großen der deutschen Automobilindustrie, München duktion des Unternehmens vom Band. Die Exportquote betrug im selben Jahr 1999, S. 8. 12 61 Prozent. 14 Alfred D. Chandler: Scale and Scope. The Dynamics of Industrial Capitalism, Cambridge, Mass. 1990, S. 17ff.; ders.: Strategy and Structure. Chapters in the History of the Die Arbeit schreibt ein Kapitel aus der Internationalisierungsgeschichte des Industrial Enterprise, Cambridge, Mass. 1962, S. 383ff. größten deutschen Automobilherstellers. Am Beispiel des Volkswagen Enga- gements in Südafrika werden Erfolgsfaktoren für die frühzeitige Erschließung von Auslandsmärkten und Gründe für die Entstehung einer produzierenden Tochtergesellschaft in einem begrenzten Markt aufgezeigt. Der Untersuchungs- zeitraum spannt sich von 1950 bis 1966 und deckt den Exportbeginn, die Über- nahme der zunächst im Fremdbesitz befindlichen Vertriebs- und Montagege- sellschaft in Südafrika sowie den Ausbau des Werks Uitenhage zum Produkti- onsstandort ab. Internationalisierung wird in dieser Fallstudie als ein Prozess verstanden, in dessen Folge Unternehmen Funktionsbereiche wie etwa Produk- tion und Vertrieb durch die Gründung von Tochtergesellschaften ins Ausland verlagern.13 Als methodischer Bezugsrahmen dient das Evolutionsmodell von Alfred D. Chandler, der vier Entwicklungsphasen zum multinationalen Großunterneh- men benennt: Die erste ist durch das Wachstum des Unternehmens auf dem Binnenmarkt gekennzeichnet. Die Ausweitung des Absatzes senkt Kosten und induziert den Übergang zur Massenproduktion. Durch die Modernisierung der Kernfabrik und die Entstehung neuer Standorte werden Skalenerträge – die „economies of scale“ – erwirtschaftet.14 Die Anpassung der Governance-Struktur 5 einleitung 15 des Unternehmens prägt die zweite Phase. Aufgrund der Überforderung der Chandler, Scale, S. 31ff. bisherigen Organisation bilden sich funktional differenzierte U-förmige Lei- 16 Fritz Redlich: Unternehmer- und Unternehmensgeschich- tungsstrukturen heraus, an deren Spitze ein zentrales Entscheidungsgremium

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