Zum Stand Der Speläologischen Erforschung Der Blautopfhöhle Im Blauhöhlensystem (7524/30)

Zum Stand Der Speläologischen Erforschung Der Blautopfhöhle Im Blauhöhlensystem (7524/30)

Laichinger Höhlenfreund, 44. Jahrgang, S. 9 – 22, 9 Abb.; Laichingen 2009 ____________________________________________________________________________________________________________________ Zum Stand der speläologischen Erforschung der Blautopfhöhle im Blauhöhlensystem (7524/30) Von Andreas Kücha und Herbert Jantschke Zusammenfassung Mit einem derzeitigen Vermessungsstand von 7065 m (davon Blautopfhöhle 4,9 km) zählt das momentan aus Blautopfhöhle und Vetterhöhle zusammengesetzte Blauhöhlensystem zu den größten Höhlen Deutschlands und bildet mit Abstand die längste Höhle der Schwäbi- schen Alb. Im Folgenden soll ein Überblick zum derzeitigen Forschungsstand in der Blau- topfhöhle gegeben werden. 1 Forschungsgeschichte Einen Beleg dafür gibt der Fund eines kelti- schen Eisenschwertes. Aus den Zeiten Der kreisrunde, blaugrüne Quelltrichter des schriftlicher Überlieferung kennen wir eine Blautopfs, dem trotz ruhiger Wasseroberflä- Fülle von Daten über den Blautopf, aus de- che ständig ein ganzer Fluss entspringt, hat nen im Folgenden nur die wichtigsten her- sicher schon immer die Phantasie der Men- ausgegriffen werden: schen angeregt und auch in vorgeschichtli- cher Zeit einen Anziehungspunkt gebildet. 1525 König Ferdinand lässt die Tiefe des Blautopfes loten. 1680 Bei Wennenden oberhalb des Blautopfes ereignet sich ein Erdfall, der bei kalter Wit- terung dampft. 1852 Eduard Mörike erzählt das Märchen von der schönen Lau. 1880 Erste Tauchversuche, vermutlich mit einer Helmtauchausrüstung. 1929 Profilaufnahme und Untersuchung des Topfes durch Hans Sihler. 1957 Taucher erreichen den Grund des Blautopfes. 1960 Die Höhlenforschungsgruppe Eschenbach-Göppingen beginnt mit Tauchforschungen und erreicht in der Folgezeit den „Bunker“ bei 42 m Wassertiefe und 140 m Distanz. 1978 JOCHEN HASENMAYER erreicht 550 m Distanz. 1985 Am 4. November taucht JOCHEN HASENMAYER als erster Mensch im Mörikedom auf. 1997 Die Arbeitsgemeinschaft Blautopf, eine Abteilung der Höhlenforschungsgruppe Os- talb-Kirchheim (HFGOK), startet mit der Vermessung der Unterwassergänge vom Rand des Blautopfes. 2000 Entdeckung des „Wolkenschlosses“ durch die Arge Blautopf. 2002 Die Arbeitsgemeinschaft Höhle & Karst Grabenstetten beginnt mit der Freilegung der Vetterhöhle. 2004 Entdeckung des „Landweges“ durch die Arge Blautopf. ________________________________ Anschriften der Verfasser: ANDREAS KÜCHA, Wächterstr. 6, 89522 Heidenheim. HERBERT JANTSCHKE, Aichhalde 8/1, 72116 Mössingen-Talheim. 9 2006 Durchbruch in der Vetterhöhle in große Räumlichkeiten. Die Verbindung zum Wol- kenschloss wird gefunden und das „Blauhöhlensystem“ entsteht. 2008 Die Arbeitsgemeinschaft Blaukarst entdeckt die „Seligengrundhöhle“. Die Arge Blautopf findet den Gang „Stairway to Heaven“, der oberflächennah endet. Außer der Vetterhöhle ist jedoch derzeit Eingang entfernt und in einer Wassertiefe keines der in Bearbeitung befindlichen Ob- von 31 m eine Messsonde mit Datenspei- jekte an das Blauhöhlensystem angekop- cher ("Logger"). Erstmals gelang es in einer pelt. Da die Vetterhöhle mit dem Wolken- großen deutschen Karstquelle über einen schloss im Unterwasserbereich des Sys- längeren Zeitraum hinweg kontinuierliche tems verbunden ist, besteht derzeit auch Daten zu Druck/Tiefe, Temperatur, Trübe kein trockener Zugang in die sehr großräu- und Leitfähigkeit zu gewinnen und auszu- migen und weitläufigen hinteren Teile des werten. Mit den Daten konnte ein größeres Blauhöhlensystems. Verständnis für die komplizierten Wasser- verhältnisse im Einzugsgebiet gewonnen Ausgehend von dieser Situation wurde im werden (SELG et al. 2006). März 2008 zusammen mit Mitgliedern des heutigen Höhlenvereins Blaubeuren eine Geologie. Das geologische Forschungspro- Funkpeilung am Ende des Ganges gramm wird von unserem Mitglied WOLF- „Stairway to Heaven“ unternommen. Der GANG UFRECHT geleitet, der erste Ergebnis- Peilpunkt liegt neben der Bundesstrasse 28 se in diesem Heft mitteilt. Darüber hinaus im Galgentäle auf einem kleinen Felskopf. wurden Direktmessungen der Lösungsraten In seiner unmittelbaren Nähe wurde im Auf- durch Ausbringung von Rocktablets ver- trag der Stadt Blaubeuren eine Sondie- sucht (KEMPE et al. 2002) sowie Wand- und rungs-Kernbohrung im Durchmesser von Sedimentproben aus der Siphonzone bis 118 mm neben dem Felskopf niederge- 1000 m zur Analyse an Prof. Stephan KEM- bracht, die am 03.09.2009 die Decke des PE von der Universität Darmstadt überge- Ganges in 17 m Tiefe erreichte. ben. Die braunroten Wandüberzüge konn- ten als dünne Eisen-Mangan-Krusten identi- fiziert werden, die wahrscheinlich unter mik- 2 Überblick zu den For- robiologischer Beteilung entstehen. Beson- schungen der ARGE Blautopf ders interessant war die detaillierte Unter- suchung und Altersdatierung eines Stalag- Die wichtigste Aufgabe der Arge Blautopf miten aus dem Unterwasserabschnitt des war und ist die Aufnahme eines detaillierten Mörikedoms durch Prof. AUGUSTO MANGINI Höhlenplanes, aus dem Interpretationen für von der Universität Heidelberg (in diesem verschiedenste Forschungsrichtungen mög- Heft). lich sind. Besonderes Augenmerk wurde auf die Film- und Fotodokumentation gelegt, die Biologie. Die Blautopfhöhle ist wegen ihrer mittlerweile in einen Höhlenfilm („Mythos Größe, der Verschiedenheit ihrer Habitate Blautopf“) und ein Buch („Faszination und vor allem wegen der bislang nur indi- Blautopf“) gemündet hat. Darüber hinaus rekten Beeinflussung durch den Menschen wurde ein breit angelegtes Programm ver- ein Glücksfall für Biologen. Das For- schiedener wissenschaftlicher Disziplinen schungsprogramm in dieser Disziplin wird abgewickelt, an dem die Arge Blautopf ent- von unseren Mitgliedern Dr. ANKE OERTEL weder unmittelbar durch beteiligte Fachwis- und RAINER STRAUB geleitet (OERTEL & senschaftler oder mittelbar als Lieferant für STRAUB 2009). Vor Ort erfolgt dazu eine Daten und Proben teilgenommen hat. Im Entnahme von lehmigen Sedimentproben Einzelnen wurden folgende Fachgebiete mit Plastikröhrchen, die in den Boden ge- tangiert: rammt werden. Lockere Sedimentproben werden in größeren Dosen abgeschöpft. Hydrogeologie. In den Jahren 2004 - 2006 Proben von Oberflächen können genau wie installierte die Arge Blautopf etwa 70 m vom frei sitzende Tiere mit einer speziellen 10 Kunststoffflasche eingesaugt werden. Die Tauchgängen der Gruppe Eschenbach- Verteilung und die Häufigkeit der Tiere wer- Göppingen im Quelltopf fand. den abgeschätzt oder stichprobenartig aus- gezählt, dabei werden kleine Zählrahmen 3 Raumbeschreibung Blau- von 10 cm² verwendet. Anschließend an den Tauchgang werden die Proben im La- topfhöhle bor mit Hilfe von Binokularen und Mikrosko- pen nach Lebewesen durchsucht. Ein For- 3.1 Quelltopf bis Mörikedom schungsschwerpunkt sind die Brunnen- Die 1,2 km lange Siphonzone der Höhle ist schnecken der Gattung Bythiospeum wegen ihrer großen Distanz, den häufigen (BRÜMMER et al. 2005). Auch in mikrobiolo- Tiefenwechseln und vor allem wegen ihrer gischer Hinsicht lieferte die Blautopfhöhle starken Verlehmung auch für geübte neue Erkenntnisse (BOHNERT 2002). Höhletaucher sehr anspruchsvoll. Archäologie. Während der langen Dekomp- Im Quelltrichter am Stadtrand von ressionsphasen bei der Rückkehr der Tau- Blaubeuren öffnet sich am tiefsten Punkt cher wurden im Quelltopf mittelalterliche auf 21 m die Quellhöhle mit der Engstelle Keramikreste gefunden, die von Prof. Bar- der „Düse“. Dahinter beginnt ein westlich bara SCHOLKMANN von der Universität gerichteter hoher Canyongang, der durch Tübingen interpretiert wurden (STRAUB eine Verengung in zwei überlagernde Ab- 2002). Sie sind mittlerweile im Museum schnitte unterteilt wird („Zwillingsgänge“). Blaubeuren verwahrt. Ebenfalls der Stadt Schon hier sind die zerzackten Wände von Blaubeuren übergeben wurde ein keltisches braunroten Ablagerungen (Eisen-Mangan- Eisenschwert aus dem Nachlass von Krusten) überzogen, die der gesamten Si- MANFRED KELLER, das dieser bei den phonzone ein düsteres Aussehen verleihen . Abb.1: Am Grund des Blautopfs gelangt man durch die „Düse“ in die Blautopfhöhle. Aufn.: Arge Blautopf, HENNING MEZGER. 11 Der Gang fällt weiter ab bis auf 32 m Tiefe, charakter wechselt abermals zu mehr felsi- wo am Boden ausgeprägte Kolke („Kolk- gen, kleineren Gängen. 50 m hinter der schwelle“) und auf einer Kluft ein langgezo- Kartoffeldüse bricht der Gang im Schacht genes „Bachbett“ zu sehen sind. Diese Stel- der „Fallgrube“ auf 31 m ab, zieht gleich le ist wegen der Möglichkeit eines offenen danach auf 22 m („Pass“) empor und führt Fließens momentan im Fokus der For- ebenso steil („Felsgraben“) wieder auf 31 m schung. Auf 45 m Wassertiefe, dem so ge- hinab. Bei 700 m bildet der Hauptgang hier nannten „Bunker“, liegt die tiefste Stelle der eine sehr hohe, schmale Spalte, den „Riß“. Siphonzone. Der Taucher verlässt diesen Die früher verwendete „Schnecke“ wird Tiefenrauschbereich bergwärts über den durch eine Abkürzung links umgangen. Der „Lift“, einen steilen Schlot, der in die „Do- Einstieg in die nun folgende „Hohle Gasse“ nauhalle“ einmündet. liegt auf 20 m Wassertiefe. Am Ende der Hohlen Gasse zieht der Gang über Lehm zu Hinter dem Lift weichen die bisher blank einem felsigen Schachtabbruch, der in die gefegten Felsböden einem weichen tief- „U-Bahn“ bei 900 m hinunterleitet. gründigen gelben Höhlenlehm, der teils zu imposanten Unterwasserdünen aufgetürmt Der Boden in der U-Bahn wird von harten ist und bei der geringsten Berührung die Lehmen gebildet, die gegen Ende wieder Sicht auf Null eintrüben kann. Der nun deut- von weicheren Schichten überlagert wer- lich

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