Arbeiterstimme Nr. 179 Frühjahr 2013

Arbeiterstimme Nr. 179 Frühjahr 2013

Kommt Kolumbien dem Frieden näher? – Neoliberalismus in Großbritannien – Kurze Vollzeit für Alle! Postvertriebsstück 12538, Entgelt bezahlt Sommer 2013 Nr. 179, 42. Jahrgang Nürnberg Arbeiterstimme 3,– E Zeitschrift für marxistische Theorie und Praxis Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein! 80 Jahre Zerschlagung der Gewerkschaften „Angriff soll nun die Losung sein für das neue Jahr 1933“ Die Arbeiterbewegung zwischen Selbstpreisgabe, Zerschlagung und antifaschistischem Widerstand 1933 bis 1945. Das Beispiel Bremen1 it folgendem Aufruf der Bremer Volkszeitung (BVZ) endete Machtübertragung an Hitler weiter läutete der Vorstand kämpferisch: „Auf zu neuen Kämpfen auf die Selbstzerstörung der Nazis. Mder SPD Bremen das und Siegen im neuen Jahr! Es lebe die Noch am Abend der Machtübernah- „Schicksalsjahr“ 1933 ein: „Abwehr Eiserne Front! Es lebe die Sozialdemokra- me durch die Nationalsozialisten war die große Aufgabe der Partei im Jahre tie! Hoch das Banner des Sozialismus!“ hatte der ADGB-Bundesausschuss 1932. Dieses Ziel wurde voll und ganz Diese Losung zum entschiedenen in Berlin allen Forderungen nach erreicht. Weder das ‚Dritte Reich‘ Hitlers, Kampf gegen den Faschismus stieß Kampfmaßnahmen oder gar eines noch Thälmanns ‚Sowjetdeutschland‘ nicht nur in Bremen auf Zustimmung Generalstreiks eine Absage erteilt. wurde Wirklichkeit, und auch Papens bei den Mitgliedern. Und dennoch Vergeblich warteten die Funktionäre Junkerherrschaft nahm noch in diesem setzten die Vorstände der SPD und vor Ort auf Anweisungen von oben.2 Jahr ein Ende. Alle Anstürme der Re- des Allgemeinen Deutschen Ge- „Kühles Blut und Besonnenheit“ seien aktion und der Kommunisten sind von werkschaftsbundes (ADGB) nach der Fortsetzung auf Seite 3 der Sozialdemokratie im Bunde mit den Gewerkschaften und den der Eisernen Front angeschlossenen Verbänden sieg- Inhalt reich zurückgeschlagen. Allen Kämp- 80 Jahre Zerschlagung der Gewerkschaften – Das Beispiel Bremen S. 1 fern deshalb unseren wärmsten Dank. Angriff soll nun die Losung sein für das „Buchstäblich stehen wir vor dem Nichts…“ Biographie Fritz Schreiters S. 15 neue Jahr 1933. Einig und geschlossen, Kommt Kolumbien dem Frieden näher? S. 24 kampferprobt und opferwillig, stehen wir gerüstet, um den Vorstoß zu führen Breaking the Silence – das Schweigen brechen S. 28 gegen das System der kapitalistischen Gegen die Gewerkschaften – 30 Jahre Neoliberalismus in Großbritannien S. 29 Misswirtschaft“. Der optimistische, die Realität verkennende Aufruf des Neuer Normalarbeitstag: Kurze Vollzeit für Alle! S. 33 Vorstands vom 31. Dezember 1932 in 2 Arbeiterstimme Nr. 179 Frühjahr 2013 In eigener Sache 2013 sind es nun 80 Jahre seit der Machtübertragung der deut- schen Bourgeoisie an Hitler und Zu allererst müssen wir einen Regierung mit den Guerilleros der die Nazipartei. 1933 wurden die Fehler berichtigen: Das letzte Heft FARC Auswirkungen hat. In einem Gewerkschaften zerschlagen und der Arbeiterstimme wurde als „Nr. ausführlichen Artikel gehen wir die linken Parteien vernichtet. De- 177 – Herbst 2012“ gekennzeich- näher auf die politische Lage in Ko- ren damalige Absage an eine Ein- net. Das ist falsch, denn diese Num- lumbien und auf die Verhandlungs- heitsfront von oben führte mit zur mer erschien bereits Ende Septem- punkte ein. kampflosen Niederlage. Neben dem ber 2012. Bei dem Dezember-Heft Es gibt auch in Israel der offi- Versagen der Parteiführungen und handelt es richtigerweise um die Nr. ziellen Politik gegenüber kritische dem Verrat sozialdemokratischer 178 – Winter 2012/2013 mit dem Kräfte, die sich aber kaum Gehör Gewerkschaftsführer (1. Mai 33) gab Kopfartikel „Der Finanzkrise nächs- verschaffen können, auch bei uns es örtlich und vereinzelt auch Wi- ter Akt“. nicht. Um dem ein wenig entgegen- derstand. Über das Geschehene auf Bei der Landtagswahl in Nieder- zutreten, berichten wir kurz über lokaler Ebene wollen wir berichten; sachsen brachte ein ganz knappes (ehemalige) israelische Soldaten, ebenso den tapferen Widerstand Ergebnis einen Regierungswechsel die „das Schweigen brechen“ wol- hervorheben, der so oft schrecklich in Hannover, wobei sich 40 Prozent len. endete. der Wahlberechtigten nicht mal an Wir hatten das Referat unseres Wir drucken dazu zwei Artikel der Abstimmung beteiligen moch- britischen Genossen auf unserer ab, die sich in unterschiedlicher ten. Mit nur 3,1 % erlitt die Links- letzten Jahreskonferenz zu den poli- Weise mit diesem Themenbereich partei eine schwere Niederlage. Sie tischen Zuständen in Großbritannien befassen, einmal mit dem Gesche- verlor 131.000 Wähler, das sind noch nicht veröffentlicht. Dies holen hen in Bremen, zum anderen eine 54 % von denen, die 2008 noch für wir hiermit auf Seite 29 nach. Biographie eines Genossen der KPO sie gestimmt hatten. Bis zum Re- Die letzten Tarifabschlüsse zei- aus Dresden. daktionsschluß erhielten wir leider gen wieder die Schwäche der Arbei- den dafür zugesagten Artikel nicht terbewegung und der Gewerkschaf- Am 1. und 2. Juni kommen mehr. ten auf. Trotz gegenteiliger Beteue- wir in München zu einem Der Tod von Hugo Chavez ist rungen der Gewerkschaftsführungen Wochenend-Seminar zusammen. für die Linke in Lateinamerika und konnte nicht einmal der Inflations- Voraussichtliche Themen sind: darüber hinaus ein schwerer Schlag. ausgleich erreicht werden; es sei Lateinamerika / Griechenland / Seine Person und seine Politik ha- denn, man nimmt die Mär von den DDR. ben Millionenmassen geholfen, ein 2 Prozent Teuerung für bare Münze. neues politisches Selbstbewußtsein Wir veröffentlichen einen Artikel zu zu entwickeln und es in der Praxis dem, was grundsätzlich ein histori- zu nutzen. Der sogenannte boliva- scher Fortschritt wäre: ein erfolgrei- rianische Prozeß in Lateinamerika cher Kampf um den 6-Stunden-Tag wird jedoch weitergehen, wenn auch und Vollzeit für alle! Auch wenn die unter erschwerten Bedingungen. Es Aussichten dafür gegenwärtig kräf- bleibt abzuwarten, inwieweit der temäßig nicht günstig stehen, gilt Tod von Chavez auf die Friedensver- es, sich an der Debatte darüber zu handlungen der kolumbianischen beteiligen. Wir bedanken uns bei den Abozahlern und besonders bei den Spendern! Für alle, die für 2013 noch nicht überwiesen haben, legen wir einen Zahlschein bei. Die Post hat die Portopreise für Büchersendungen wieder erhöht, von –,85 auf 1.- Euro! Impressum: Die Arbeiterstimme erscheint Tausch-Abos mit anderen Zeitschriften Verantwortlich im Sinne des Presse- viermal im Jahr. Abonnement und sind wir interessiert, bitte schickt uns ein rechts: Thomas Gradl, Bucherstr. 20, Geschenkabonnement kosten 13.- € Probeexemplar. Die inhaltliche Mitarbeit 90408 Nürnberg, Druck: Eigendruck (einschließlich Versandkosten). Über bei der Arbeiterstimme ist erwünscht: im Selbstverlag. Verleger, Zuschriften: Förderabonnements (ab 20.- €. aufwärts) Die Redaktion behält sich aber das Recht Thomas Gradl, Postfach 910307 sind wir sehr erfreut. Den Betrag bitten vor, Artikel abzulehnen, zu ändern oder 90261 Nürnberg wir, jeweils am Jahresanfang zu über- zu kürzen. Helft mit, die Arbeiterstimme e-Mail: [email protected] weisen. Rechnungserstellung erfolgt aus zu verbreiten! Schickt uns Adressen von www.arbeiterstimme.org Kostengründen in der Regel nicht, son- politisch interessierten Menschen, denen dern nur auf Wunsch. Die Abonnements wir die Arbeiterstimme probeweise zu- Bankverbindung: Hans Steiger, Postbank können zum Jahresende gekündigt schicken können. München, BLZ 700 100 80, Konto: 665924- werden. Falls die Bezahlung des Abon- Nachdruck nur mit Einverständnis 808. 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Auf der letz- (BVZ, 7.11. 1932, ten Versammlung Nr. 262, S.1). der Vertrauensleu- Deshalb setzte te des Deutschen er mit der Füh- Metallarbeiterver- rung seiner Par- bandes (DMV) vor tei auf Wahlen, dem Verbot erklär- nicht auf offenen te der Bremer Mul- Kampf. „Laßt tifunktionär Oskar Euch nicht provo- Schulze, Vorsitzen- zieren!“, mahnte der des dortigen die BVZ noch am ADGB, des DMV, 25. Februar 1933: Syndikus der Ar- „Die Hakenkreuz- b e i t e r k a m m e r Kapitalsknechte und Abgeordne- müssen in Grö- ter der SPD-Bür- pelingen auf ei- gerschaftsfraktion: sige Ablehnung „Die werden schon stoßen!“ Deshalb abwirtschaften“.4 wurden die Ge- Nach der Ernen- nossen und Ge- nung Hitlers zum we r k s c h a f t e r Reichskanzler er- aufgefordert, schien die Bremer Das Bremer Volkshaus sich nicht an Volkszeitung (BVZ), das von Alfred den Demonst- Faust und Hans Hackmack redaktio- gleichen Tag auf der ersten Seite den rationen der KPD gegen den Nazi- nell geleitete Organ der SPD und der ADGB, SPD und Reichsbanner zum Aufmarsch zu beteiligen: „Straft sie Freien Gewerkschaften, am Dienstag, gemeinsamen „Generalstreik gegen durch eisige Verachtung! Die Gesellschaft 31. Januar 1933

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