
63. Jahrgang Verlag der Evang. Gesellschaft Postfach 103852 70033 Stuttgart Nach den Ursachen fragen: Zum Rechtsextremismus Kommunikation mit dem Göttlichen? Zum Phänomen „Channeling" Informationstechnik als Herausforderung Universelles Leben (UL): Neue Aktivitäten aus dem Würzburger Raum Evangelische Zentralstelle ^ T für Weltanschauungsfragen INHALT ZEITGESCHEHEN Nach den Ursachen fragen: Zum Rechtsextremismus 337 IM BLICKPUNKT Matthias Pöhlmann Kommunikation mit dem Göttlichen? Zum Phänomen „Channeling" 339 BERICHTE Axel Seegers Informationstechnik als Herausforderung 355 Michael Fragner Universelles Leben (UL) Neue Aktivitäten aus dem Würzburger Raum 359 Ernst Ludwig Ehrlich Juden in Deutschland heute 364 INFORMATIONEN Psychologie / Psychotherapie Transpersonale Psychologie auf dem Vormarsch 367 Hellinger im Aufwind 368 Transzendentale Meditation (TM) Neue Entwicklungen 368 Scientology Wirtschaftliche Verflechtungen mit Scientology 370 Anthroposophie Wieder leichte Zunahme der Waldorfschüler 371 BÜCHER Irmgard Oepen, Krista Federspiel, Amardeo Sarma, Jürgen Windeler (Hrsg.) Lexikon der Parawissenschaften 373 Karl-Josef Kuschel Vom Streit zum Wettstreit der Religionen 374 Karlheinz A. Geißler Vom Tempo der Welt 375 Reinhard Kirste, Michael Klöcker, Paul Schwarzenau, Udo Tworuschka (Hrsg.) Vision 2001 - Die größere Ökumene 375 dem Rechtsextremismus zugrunde liegen- ZEITGESCHEHEN den ideologischen Annahme der Un- gleichheit der Menschen? Wie kommt es Nach den Ursachen fragen: Zum Rechts- dazu, dass sich die eigene Gruppe als Ge- extremismus. In den letzten Monaten genwelt einer offenen und durch Plurali- wurden zeitweilig fast täglich rechte Ge- sierungsprozesse geprägten Gesellschaft walttaten in den Medien gemeldet, insbe- etabliert, ausbricht aus dem demokrati- sondere in Ostdeutschland, wo der Aus- schen Konsens und mit nationalistischen, länderanteil bekanntlich vergleichsweise rassistischen und antisemitischen Grün- gering ist. Zeitungen dokumentierten den die Abwertung und Verneinung des Chroniken und Tatorte fremdenfeindlicher Anderen und Fremden betreibt und im Gewalt, die darauf hindeuten, dass die äußersten Fall vor seiner Vernichtung Hemmschwellen für solche Übergriffe in nicht zurückschreckt? bestimmten Milieus immer niedriger wer- Natürlich gibt es keine monokausalen Er- den und die Gewaltbereitschaft zunimmt. klärungen für solche Fragen. Zu berück- Die intensive öffentliche Diskussion über sichtigen ist auch, dass das, was als Rechtsextremismus in den letzten Mona- Rechtsextremismus begegnet und be- ten und die harte und schnelle Bestrafung zeichnet wird, sehr unterschiedliche Ge- einzelner Gewalttäter hat die Szene offen- sichter hat. Unverkennbar ist freilich, dass sichtlich nicht sonderlich beeindruckt. Es es in unserer in vieler Hinsicht offenen, ist zu befürchten, dass es keine schnellen fremdenfreundlichen und toleranten Ge- Lösungen für die Probleme geben wird, sellschaft gegenläufige Entwicklungen die hinter diesen gravierenden Verstößen gibt, die nicht verharmlost werden dürfen gegen die Grundregeln des Zusammenle- und alle gesellschaftlichen Gruppen her- bens in unserer Gesellschaft stehen. Er- ausfordern. Dabei reicht es schlechter- freulich viele Politikerinnen und Politiker dings nicht aus, wenn wortstarke Verurtei- haben deutliche Worte in der Auseinan- lungen von Gewalt hauptsächlich auf dem dersetzung mit rechter Gewalt gefunden Hintergrund erfolgen, der Wirtschafts- und zur Mobilisierung zivilgesellschaftli- standort Deutschland dürfe nicht gefähr- cher Kräfte aufgerufen. Ein SchuVer- det werden. Gewalt gegen Fremde ist eine schluss zwischen Politik, Wirtschaft, Me- Verletzung ihrer Würde und ein Angriff auf dienöffentlichkeit und Kirchen bzw. Reli- das Ebenbild Gottes. gionen soll als wirksames Instrument zur Man wird nicht so tun können, als habe Bekämpfung rechtsextremer Tendenzen das rechte Gewaltpotential, insbesondere dienen. Stiftungen wurden gegründet zur unter Jugendlichen, nichts mit unserer ge- Förderung lokaler Initiativen gegen rechts sellschaftlichen Gesamtsituation zu tun: und zur Hilfe von Gewaltopfern, gegen mit der Zunahme medialer Gewaltverherr- Extremismus und Gewalt und für Demo- lichung, mit der oft fehlenden Aufmerk- kratie und Toleranz. Auf der rechtlichen samkeit der Eltern für ihre Kinder, mit Kon- Ebene wird ein Verbot der NPD als Beitrag flikterfahrungen und Gewaltanwendung zur „politischen Hygiene" geprüft. Dies in unseren Schulen, mit der gesellschaftli- alles sind wichtige, notwendige und un- chen und politischen Vernachlässigung bedingt unterstützenswerte Aktionen. Zu- der Jugend. Gewaltprobleme sind Aus- gleich wird man sich mit der Frage nach druck von Desintegrationsprozessen der den Ursachen rechter Gewalt auseinan- Gesellschaft. Viele junge Menschen, die der setzen müssen. Wie kommt es zu der Gewalt ausüben, haben Gewalt erfahren. MATERIALDIENST DER EZW 10/2000 337 Wer keine Anerkennung erfährt, kommt Würde nicht respektieren. Der Einsatz für schnell dahin, die Schuld für die eigene diese Würde des Menschen ist ein zentra- Situation bei den anderen, den Fremden, les Anliegen christlichen Handelns. Die zu suchen. Mit dem Konfliktforscher Wil- Konkretisierung dieses Anliegens bedeutet helm Heitmeyer wird man deshalb sagen Widerspruch gegen einen Politikstil, der können, dass der „Anerkennungsverfall" sich einer rechtspopulistischen Sprache und die damit verbundene „Ethnisierung bedient. Sie bedeutet zugleich die Suche sozialer Probleme" ein wesentlicher Hin- nach Wegen, ethnisch kulturelle Fremdheit tergrund rechtsextremer Gewalt sind. nicht als Bedrohung, sondern als Bereiche- Vor jeder Gewaltaktion steht ein Denken in rung wahrzunehmen. Die Kirchen, die von Feindbildern. Vor der Anwendung von Ge- ihrem Selbstverständnis her international walt liegen Ablehnung und Hass. Gewalt- orientiert sind, können dazu einen wichti- taten setzen eine den Anderen abwertende gen Beitrag leisten. Phantasie und Sprache voraus, die seine Reinhard Hempelmann 338 MATERIALDIENST DER EZW 10/2000 IM BLICKPUNKT Matthias Pöhlmann Kommunikation mit dem Göttlichen? Zum Phänomen „Channeling" 1. Channeling - ein neuer Trend? In unserer Zeit finden Botschaften, deren Übermittlersich auf eine außermensch- liche bzw. göttliche Quelle berufen, bei Orientierung suchenden Menschen nach wie vor großes Interesse. Im Internet stößt man auf rund 40 000 Treffer welt- weit, im deutschsprachigen Raum auf knapp 1000, wenn man den Begriff „Chan- neling" in eine entsprechende Suchmaschine eingibt.1 Wenngleich man diese Zahlen nicht überbewerten darf, so zeigt sich darin der derzeit relativ hohe Be- kanntheits- und Verbreitungsgrad von Channeling. Auf dem esoterischen Buchmarkt gibt es jedenfalls eine Reihe von Titeln, die angeblich Gespräche mit Gott, aufgestiegenen Meistern2, höheren Wesenheiten, Engeln, Außerirdischen3 oder sogar mit der „Königin der Herzen", der verstorbenen englischen Prinzessin Lady Diana4, dokumentieren wollen. Bereits in den 50er Jahren setzte in den USA eine erste Welle von angeblichen Kontakten mit Ufos ein und es kam zur Bildung sog. Ufo-Kontakt-Gruppen. Die Personen, die behaupteten, in Verbindung mit Ufo-Besatzungen zu stehen und von Angesicht zu Angesicht mit ihnen gesprochen zu haben, wurden dann zu Kontaktpersonen, zu „Kanälen" (Channels) für angeblich außerirdische Botschaf- ten.5 Zeitlich wird der eigentliche Beginn der „Channeling-Bewegung" in den USA und Europa auf die Jahre zwischen 1960 und 1970 datiert6, also in eine Zeit, in der die ersten Ansätze für die New-Age-Bewegung greifbar sind. Maßgebli- chen Anteil an der Popularisierung des Channeling hatten insbesondere Frauen, so etwa die amerikanische Schauspielerin Shirley MacLaine, die sich in einer Fernsehreihe öffentlich dazu bekannte. Chris Griscom und Rhea Powers7 avan- cierten zu den bekanntesten „Medien". Durch einschlägige Bücher wurde Chan- neling auch in Deutschland bekannt. Vom 16. bis 19. Juni 1988 fand im ober- bayerischen Murnau die „Erste internationale Konferenz weltbekannter Channe- ling-Medien" statt. Sie stand unter dem Thema „Kanal zum Kosmos". Die deut- sche Zeitschrift „Esotera" berichtete darüber ausführlich und machte das Phäno- men innerhalb der esoterischen Szene bekannt.8 Spielten im Spiritismus des 19. Jahrhunderts Versuche eine Rolle, die jenseitige geistige Welt wissenschaftlich beweisen zu wollen - darin zeigt sich auch die be- MATERIALDIENST DER EZW 10/2000 339 wusst antimaterialistische Zielsetzung dieser Bewegung -, so geht es bei gegen- wärtigen Kundgaben, die über Channeling gewonnen werden, nicht um Mittei- lungen von Verstorbenen, sondern um Personifikationen umfassender Bewusst- heiten, an denen die Übermittler, die sog. „Kanäle" (und grundsätzlich alle Men- schen), teilhaben sollen. Beim Channeling geht es außerdem um die Themen Le- benshilfe und Lebensbewältigung, aber auch um Impulse für eine spirituelle Evo- lution der Menschheit. Damit sind bereits Aspekte angesprochen, die in der zeit- genössischen Esoterik eine wichtige Rolle spielen. Neue Mitteilungen sollen der Menschheit Fortschritt^ in der Erkenntnis des Lebens und der Welt, aber auch Hinweise auf eine außerhalb menschlichen Bewusstseins liegende Realität lie- fern. Gerade anhand des „Channeling" lässt sich verdeutlichen, wie sich in den USA und in Europa schon jetzt ein Etiketten W e c h s e l und Strukturtransformationen in der esoterischen Szene abzeichnen. Nach wie vor prägend scheint insbesondere die spiritualistische Grundströmung mit okkultistischen Anteilen zu sein. Und doch muss hervorgehoben werden,
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