Mark kostet, müssen sie billigen. Da schließt der Hardthöhen-Chef gern freund- liche Kompromisse mit den beiden Nord- lichtern. Den Steuerzahler kostet der Deal aller- dings fast 400 Millionen Mark. Chancenlos stemmte sich der Haus- haltsexperte der Grünen, Oswald Metzger, gegen die „Erpressung der Lobbyisten“. Das Ergebnis war schon vor der Abstim- mung im Ausschuß klar. Metzger: „Sieg auf der ganzen Linie für die Küsten-Gang.“ Wieder einmal. Die „Küsten-Gang“, im Bonner Jargon auch als „Küsten-Mafia“ bekannt, das sind – im harten Kern – etwa 20 Parlamenta- rier aus Deutschlands hohem Norden: Ab- geordnete aus Schleswig-Holstein und Bremen vor allem. Dazu einige Freunde aus dem nördlichen Niedersachsen und aus Hamburg. Sie sitzen im Haushalts- und im Finanz- ausschuß, führen stille Gespräche mit dem Verteidigungs- oder dem Verkehrsminister und haben dabei, jenseits der politischen Farbenlehre, meist ein gemeinsames Ziel: FOTOS: F. BEHLING F. FOTOS: den steten Fluß von Steuergeldern in die Fregatte in der Kieler HDW-Werft (1996): Steter Fluß von Steuergeldern Küstenregion zu erhalten. Das funktioniert seit vielen Jahren prächtig. Gerühmt unter den Nordlichtern wird LOBBY etwa noch heute der standhafte Bremer Bürgermeister Hans Koschnick. Er stimm- te 1985 der Frühpensionierung von 1200 Gang von der Küste Bundeswehr-Offizieren als einziger Sozial- demokrat im Bundesrat zu und half so Hel- Eine große Koalition von Bundestagsabgeordneten mut Kohl gegen eine Attacke des bayeri- schen CSU-Chefs Franz Josef Strauß. Der aus dem Norden verschafft der wollte dem Bonner Regenten mit einem Industrie an der Küste immer neue Subventionen. Nein seine Macht vor Augen führen. Einen Tag nachdem der Bremer Senat er Verteidigungsminister wollte es Bundestags-Haushaltsausschuß – und das die Kohl-Koalition vor der Abstimmungs- mal billig machen. Zwei gebrauch- Schiff dazu. Die Bundestagsabgeordneten niederlage bewahrt hatte, bestellte Verteidi- Dte Airbus-Modelle, für 134,8 Mil- Dietrich Austermann (CDU) und Jürgen gungsminister Manfred Wörner (CDU) bei lionen Mark günstig bei der Lufthansa zu Koppelin (FDP) können stolz darauf sein, der Bremer MBB-Werft zehn Minenkampf- haben, wünschte sich Volker Rühe (CDU) wieder einen lukrativen Auftrag für die boote, Auftragswert: 1,2 Milliarden Mark. für die Flugbereitschaft. Werften in ihrer schleswig-holsteinischen Die Bremer Vulkan-Werft, das hatte das Doch der Haushaltsausschuß ging auf Heimat herausgeschlagen zu haben. Bonner Kabinett schon vorab zugesagt, das Sonderangebot nicht ein. Der Bundes- Die zwei kontrollieren den Bewilli- durfte als Generalunternehmer zwei wei- rechnungshof habe jüngst nachgewiesen, gungsausschuß des Parlaments für den tere Fregatten für die Marine bauen – für daß die Maschinen eh nur auf dem Rollfeld Rühe-Etat.Alles, was mehr als 50 Millionen 1,07 Milliarden Mark. stünden oder mal Blaskapellen, Solche Drogen machen süch- mal tonnenweise Bier zur tig. Deswegen hängt die Nord- „Truppenbetreuung“ über den region bis heute am Bonner Atlantik transportierten. Tropf, muß alljährlich neu um Statt dessen empfahlen die Staatsaufträge, Zuschüsse und Parlamentarier dem Minister Steuergelder kämpfen. wärmstens, ein Schiff zu bestel- Allerdings: Im Wettlauf um len, einen 255 Millionen Mark Subventionen bringen es auch teuren „Einsatzgruppenversor- andere Regionen und Branchen ger“. Doch das Schiff brauchte zur Meisterschaft. der Bundeswehrchef nicht – je- Mit großem Getöse fordern denfalls nicht zur Zeit. Eines von beispielsweise Bergleute und der Sorte habe er ja schon. We- Bauern ihre Alimente ein. Sie be- gen seiner knappen Finanzlage drängen Bonn mit Motorrad- wolle er das zweite lieber erst aufmärschen oder Traktorblok- „nach 2002“ ordern. In diesem Sommer kurz vor * Am 1. Juli mit Dirk Rathjens (2. v.r.),Vor- der Wahl bekam Rühe beides: standsmitglied der Howaldtswerke-Deut- die Airbusse – so beschlossen im Minister Rühe (M.), Abgeordneter Koppelin (r.)*: Stille Gespräche sche Werft AG, in der HDW-Werft in Kiel. 42 der spiegel 32/1998 Deutschland kaden. Und deren Fürsprecher im Parlament die alle prima zusammen“. Die Küsten- werfen sich mit markigen Worten und phan- freunde schaffen es sogar locker, so Weng, tasievollen Argumenten immer wieder in nicht verbrauchte Zuschüsse „in den näch- die Verteilungsschlacht um die Steuergelder. sten Etat rüberzuretten“. Die Lobbyisten der Schiffbauer und Zu früh jubelten Waigels Haushaltsex- Schiffseigner machen es leiser, aber nicht perten im vorigen Sommer über ihre Er- weniger effizient. Mitunter gelingen ihnen folge beim Subventionsabbau im Etat 1998: so die seltsamsten Coups. „Besonders deutlich ist der Rückgang bei In diesem Sommer etwa beschloß der den Hilfen für die Luftfahrt und den Schiff- Bundestag ein Gesetz, das Finanzminister bau.“ Damit die Koalitionsabgeordneten Theo Waigel zunächst – vorsichtshalber nur auch tapfer dabeiblieben, ließ Waigel ih- intern – als „pervers“ beschimpfte und von nen ausdrücklich das marktwirtschaftliche dem die Sozialdemokraten fürchteten, es Glaubensbekenntnis aufschreiben: „Dau- werde die Hälfte der heute noch unter der erhafte Erhaltungshilfen verzögern den schwarzrotgoldenen Flagge fahrenden deut- Strukturwandel“, so seine Botschaft, „und schen Seeleute zum Arbeitsamt treiben. Zu- beeinträchtigen so die Wettbewerbsfähig- gestimmt hat die SPD den zwei phantasti- keit des Standorts Deutschland.“ schen Geschenken für die deutschen Reeder Drei Monate später sah alles etwas an- trotzdem. ders aus. „Ein Kraftakt der Unionsabge- Die dürfen nun Steuern nach der Ton- ordneten war notwendig“, triumphierten nage, also der Ladekapazität ihrer Han- nun die CDU-Lobbyisten Austermann und delsschiffe, zahlen, egal welchen Gewinn Wolfgang Börnsen, Vorsitzender des Ge- sie damit machen. Und von den Lohnsteu- sprächskreises Küste der CDU/CSU-Frak- ern, die sie ihren Seeleuten von der Heu- tion, im Parteiblättchen „Deutschland Uni- er abziehen, müssen die Reeder künftig on Dienst“, „um die Wettbewerbshilfe für nur noch 60 Prozent ans Finanzamt ab- den deutschen Schiffbau zu sichern.“ führen. 40 Prozent dürfen sie selbst ein- Ob es um den Erhalt des zollfreien Ein- stecken. Ungefährer Wert der Schenkung: kaufs auf den Fähren – ein Anachronismus 250 bis 280 Millionen Mark pro Jahr. im EU-Binnenmarkt – oder um die finan- Tonnagesteuer und Lohnsteuereinbe- zielle Förderung der Windkraft-Rotoren an halt, warnten die Experten im zuständigen der Küste geht, die Lobby mischt kräftig Bundesrats-Unterausschuß, „widerspre- mit. Das meiste fällt – anders als bei der chen dem System des deutschen Kohle oder den Agrarhilfen – Steuerrechts“, gäben „zu neuen nur selten öffentlich auf. Steuersparmodellen Anlaß“ und Hinter den 28 Millionen Mark habe die würden „zu massiven Gestal- aktiven Küstengang gerade wieder für tungsmißbräuchen“ motivieren. Küstenfreun- die Projektierung neuer Korvet- „Das Ritual ist immer dassel- den stehen ten den Werften zugespielt, be“, spottet der CDU-Bundes- Unions-Granden erzählt zum Beispiel staunend tagsabgeordnete Thomas Kos- der SPD-Wehrexperte Manfred sendey aus Niedersachsen („Ich für die Opel. Eine fragwürdige Sache, bin bloß 30 Kilometer von der Nordhilfen ein denn damit würden nun Details Küste entfernt“) über die Akti- für Schiffe geplant, die erst nach vitäten seiner Nord-Kollegen: Erst töne 2004 gebaut werden sollen. Bis dahin habe FDP-Wirtschaftsminister Günter Rexrodt, der technische Fortschritt in der Rüstungs- für die Werften- oder Reeder-Subventio- branche alles überholt. „Was die machen“, nen gebe es kein Geld mehr. Heldenhaft so Opel, selbst aus Husum, aber kein Gang- streicht er die Mittel aus seinem Etat. Mitglied, „grenzt an Erpressung.“ „Dann kommen seine FDP-Freunde“ und Das geben die Küstenhelfer sogar zu, „arbeiten es im Ausschuß wieder in den bringt es doch Ruhm und Stimmen im Wahl- Haushalt rein“. kreis. Sein Votum für den „Eurofighter“ im Hinter den aktiven Küstenfreunden ste- vorigen November, brüstete sich Freidemo- hen mächtige Unions-Granden für die krat Koppelin vor Freunden aus der Heimat, Nordhilfen ein. Der frühere Finanzmini- habe er sich von der Hardthöhe entlohnen ster Gerhard Stoltenberg zum Beispiel lassen: Rühe mußte den ersten Einsatz- oder die einflußreichen Kohl-Spezis Ru- gruppenversorger ordern. dolf Seiters und Manfred Carstens. So ver- Das zweite Schiff war im Deal gegen die gißt auch CDU-Verkehrsminister Matthias Bewilligung der Airbusse fällig. Die Gefäl- Wissmann schnell sein Credo, Subventio- ligkeit des Verteidigungsministers gegen- nen „wo immer möglich“ abzubauen, über maritimen Aktivisten ist schriftlich wenn der kalte Wind von der Küste droht. festgehalten. Bei der Opposition sorgen etwa der Nie- „Entgegen der ursprünglichen Aussage dersachse Ernst Kastning oder die Osthol- des Bundesministeriums der Verteidi- steinerin Antje-Marie Steen für die Küste, gung“, daß es das teure Boot jetzt nicht und dahinter steht der Block der SPD- wolle, schrieb die parlamentarische Staats- regierten Nordländer. sekretärin im Finanzressort, Irmgard Kar- Wenn es um Geld für die Küste geht, watzki, dem Vorsitzenden des Haushalts- hat der langjährige FDP-Haushälter Wolf- ausschusses, sei „nunmehr das baugleiche gang Weng immer wieder erlebt, „spielen zweite Schiff hoch priorisiert worden“. ™ der spiegel 32/1998 43.
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