Sabine Boltzendahl und Ilse Fischer Gender- und Frauengeschichte im Historischen Forschungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung Bestände im Archiv der sozialen Demokratie und in der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung Herausgegeben vom Historischen Forschungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung Herausgeber: Historisches Forschungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung © Friedrich-Ebert-Stiftung EDV: Walter Wimmer Fotos: Bernd Raschke Herstellung: Gerd Ernst und Hilke Käding Layout und Umschlaggestaltung: Pellens Kommunikationsdesign Druck: Printed in Germany 2002 ISBN 3-89892- Inhaltsverzeichnis Ilse Fischer Archivalien zu Gender- und Frauengeschichte im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung............................................................5 Nachlässe und Deposita von Frauen im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung ........................................................................17 Sabine Boltzendahl Organisation von Frauen in der deutschen Arbeiterbewegung .......................................63 Bestandsverzeichnis ........................................................................................................71 3 4 Ilse Fischer Archivalien zu Gender- und Frauengeschichte im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung Zur Problematik der Erfassung von Aktengut zu Gender- und Frauengeschichte im Archiv der sozialen Demokratie Das Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung (AdsD) verfügt über zahlreiche Bestände, die relevantes Material zur Frauengeschichte und zur Biographie einzelner Frauen enthalten. Nicht immer sind zu einzelnen Zeitabschnitten oder Themen Archivalien in einer Qualität und Dichte vorhanden, wie man sich dies vielleicht wünschen würde. Dennoch sind die Quellen von einer beachtlichen zeitlichen und inhaltlichen Bandbreite. So mag es für die Geschichte des Archivs der sozialen Demokratie und seiner „Vorläufer-Archive“1, die ja eng mit der Entwicklung der deutschen Sozialdemokratie verknüpft ist, durchaus einen Symbolwert haben, wenn in einem der ältesten Bestände, dem Bestand „Frühzeit der Arbeiterbewegung“, ein Schreiben aus dem Jahr 1865 von Louise Otto- Peters an den Arbeiterbildungs-Verein Leipzig über die Einrichtung einer Sonntagsschule für Mädchen enthalten ist, und sich in Akten aus dem Jahr 1993 ein Antrag der SPD-Mitglieder der Gemeinsamen Verfassungskommission zur „geschlechtergerechten Sprache des Grundgesetzes“ (Depositum Hans-Jochen Vogel) findet. Versucht man allerdings, den „Gender-Begriff“ systematisch auf Archivbestände anzuwenden, dann ergeben sich für unser Archiv schon wegen des Umfangs und der Vielfalt des Schriftguts (40 000 laufende Meter) sowie der audiovisuellen Sammlungen Dimensionen, die bei dem derzeitigen (und wohl auch zukünftigen) Erschließungsstand nur schwer zu erfassen sind.2 Dies würde zugleich erfordern, einen „wertenden“ Filter über die Verzeichnung zu legen, der in seiner Subjektivität und in seinen inflatorischen Ergebnissen Probleme sowohl für die Erschließung als auch für die Nutzung aufwerfen würde. Ein Beispiel: Im Nachlass Gustav Heinemann stößt man auf die Verfassungsbeschwerde gegen das Wehrpflichtgesetz (1956), die von Frauen in Vertretung ihrer minderjährigen Söhne geführt wurde. Ob Materialien dieser Art unter den „Gender-Aspekt“ einzuordnen sind, dürfte eher eine Frage der Forschung als der archivischen Aufbereitung sein. In der im AdsD üblichen Verzeichnung selbst taucht der Begriff „Gender“ nur dann auf (meist bei Schriftgut jüngeren Datums), wenn auf Inhalte hingewiesen wird, die bereits in den Akten selbst diesem Begriff zugeordnet sind. Dagegen sind in der freien wie in der indizierten Verzeichnung und Verschlagwortung (z.B. bei Sammlungen) Begriffe wie Gleichstellung, Frauenbewegung, Frauengeschichte etc. anzutreffen. Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher in erster Linie darauf, den leichter zu erfassenden Aspekt der Frauengeschichte, Frauenbewegung und Frauenpolitik anzuwenden, wobei dennoch versucht wird, nach Möglichkeit Ansatzpunkte für eine Gender-bezogene Forschung aufzuzeigen. 1 Vgl. dazu Mario Bungert: „Zu retten, was sonst unwiederbringlich verloren geht“. Die Archive der deutschen Sozialdemokratie und ihre Geschichte. Hrsg. Historisches Forschungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung (Beiträge aus dem Archiv der sozialen Demokratie ; 4), Bonn 2002. 2 Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung: Bestandsübersicht , 2.veränderte Auflage, Bonn 1998. Vgl. Paul, Hans-Holger: Vom Parteiarchiv zur zentralen Forschungsstaette der Arbeiterbewegung und Sozialgeschichte. Zum 30. Jahrestag der Gründung des Archivs der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert- Stiftung. In: Der Archivar, Jg.52, Heft 4, 1999. Available at: http://www.archive.nrw.de/archivar/1999- 04/inhalt.htm. 5 Bei den Beständen, Akten oder Dokumenten, die im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung dafür in Frage kommen, handelt es sich im Schriftgutbereich vorrangig um personenbezogene Bestände oder um Altregistraturen von Organisationen und Institutionen, die aus dem Bereich der Arbeiterbewegung, speziell der deutschen Sozialdemokratie, der Gewerkschaften sowie anderen demokratischen und sozialen Nach der Einführung des Frauenwahlrechts: Stimmabgabe bei Bewegungen stammen. Für die den Wahlen zur Verfassungsgebenden Deutschen Materialien zur Frauengeschichte Nationalversammlung, 19.01.1919 bedeutet dies zunächst, dass das entsprechende Schriftgut gleichfalls im wesentlichen in diesem politischen und organisatorischen Zusammenhang entstanden ist. Tatsächlich ist der Rahmen jedoch sehr viel weiter gesteckt. So leuchtet es unmittelbar ein, dass sich in Beständen wie z.B. den Akten der SPD-Bundestagsfraktion zugleich wesentliche Aspekte der allgemeinen gesellschaftspolitischen Diskussion in der Bundesrepublik spiegeln oder in einzelnen Sammlungen, die Unterlagen verschiedener politischer Richtungen enthalten, wie dies bei der Flugblattsammlung der Fall ist, auch Dokumente zur Einstellung bürgerlicher Parteien zu Frauen als Wählerinnen oder zur politischen Betätigung von Frauen zu finden sind. Da der Auftrag des AdsD sich inzwischen nicht mehr nur auf die Sicherung und Archivierung von Partei- und Gewerkschaftsakten selbst beschränkt, sondern auch andere Gruppen (z.B. die Friedensbewegung) oder Personen (z.B. Publizisten/-innen) mit einbezogen sind, können in den Akten oft Materialien und Aspekte auftreten, die nicht von vornherein in den Beständen unseres Archivs zu vermuten sind. Die besondere Problematik bei der Erfassung des für Frauen- und Gendergeschichte relevanten Archivguts besteht nicht zuletzt in der Spannung zwischen großen Mengen Aktengut einschlägiger Provenienz (z.B. Akten der verschiedenen Frauenbüros oder – abteilungen einzelner Organisationen), deren inhaltliche Ergiebigkeit oft sehr unterschiedlich zu bewerten ist, und eher vereinzelt vorkommenden Dokumenten (z.B. Korrespondenz), die für ein bestimmtes Forschungsprojekt durchaus von großem Wert sein können. Dies lässt auch die Erstellung eines inhaltlich orientierten Spezialinventars kaum praktikabel erscheinen. Allein innerhalb der EDV-erfassten Verzeichnung von Personenbeständen, die lediglich einen Teil der hier archivierten Nachlässe und Deposita umfasst, gibt es z.B. mehr als 1200 Einträge unter dem Stichwort „Frau- ...“. Eine detaillierte Auflistung von Materialien erscheint daher sinnvoll nur in Bezug auf ein bestimmtes Projekt – und viele Unterlagen werden sicher erst zu den „gender“-relevanten Dokumenten zählen, wenn eine entsprechende Fragestellung auf sie gerichtet wird. Die angedeutete Problematik kann letzten Endes nur durch eine beratungsintensive Benutzerbetreuung aufgefangen werden. Im Folgenden soll es daher zunächst darum gehen, Hinweise auf größere Bestände zu geben, die für die Frauen- und Gendergeschichte von Interesse sein könnten, sowie durch Verweis auf einzelne Materialien den Charakter der möglicherweise zu findenden Unterlagen zu verdeutlichen. 6 Dabei ist generell zu berücksichtigen, dass nicht alle Akten bereits archivisch erschlossen sind. Gerade bei Schriftgut aus dem Bereich von Partei- oder Gewerkschaftsorganisationen, deren einzelne Aktenabgaben nicht selten aus mehreren hundert oder tausend Meter Akten bestehen, liegt häufig keine oder in der Regel keine vergleichbar detaillierte Ordnung und Verzeichnung vor, wie sie inzwischen für zahlreiche Personenbestände existiert. Zudem ist zwar ein Teil der verzeichneten Archivbestände bereits durch die Archivdatenbank „Faust“ erschlossen, doch müssen auch konventionelle Findmittel (zum Teil in Form von Abgabelisten oder Karteien) mit herangezogen werden. Personenbestände Bei Nachlässen oder Deposita von Frauen ist der Bezug zur Frauen- bzw. Gender- Geschichte in einem sehr allgemeinen Sinn Aufruf des Bundesvorstandes der Arbeits- über die registraturbildenden Personen selbst gemeinschaft sozialdemokratischer Frauen am einfachsten herzustellen. Dabei wird nicht (AsF) zur Beteiligung an Aktionen der vorausgesetzt, dass die Bestände deshalb Friedensbewegung tatsächlich Materialien speziell zu Frauenfragen oder Frauenpolitik enthalten müssen. Im Anhang ist eine Übersicht über die hier archivierten Bestände von Frauen beigefügt, die unabhängig vom Inhalt der einzelnen Bestände erstellt wurde. Bezogen auf die Gesamtzahl der Personenbestände von Männern und Frauen im AdsD ist die Quellenlage bei Deposita und Nachlässen von Frauen immer noch vergleichsweise schlecht. Von den hier vorhandenen 920 Personenbeständen
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