ZOBODAT - www.zobodat.at Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database Digitale Literatur/Digital Literature Zeitschrift/Journal: Ornithologische Jahreshefte für Baden-Württemberg Jahr/Year: 2003 Band/Volume: 19 Autor(en)/Author(s): Schuster Siegfried, Thielcke Gerhard Artikel/Article: Vernetzung von drei Seen für 11 Vogelarten. 487-541 © Ornithologische Gesellschaft Baden-Württemberg, download unter www.biologiezentrum.at Ornithologische Jahreshefte für Baden-Württemberg Band 19, Heft 2 • Dezember 2003 O rn.Jh.Bad.- Württ. 19, 2003: 487-541 Vernetzung von drei Seen für 11 Vogelarten Siegfried Schuster und Gerhard Thielcke 1. Einleitung Die drei Seen Gnadensee (Westteil), Mindelsee und Bündtlisried liegen dicht beieinander (Abb. 1). Zwischen ihnen findet ein erheblicher „Austausch“ von Wasservögeln statt. Das kann man zum Beispiel beobachten, wenn der zugefrorene Mindelsee auftaut. Sobald das erste größere Loch im See entstanden ist, landen dort noch am selben Tag die ersten Wasservögel. Auch zu anderen Jahreszeiten wechseln Wasservögel von einem See zum anderen, weil Bedürfnisse der Vögel an den drei Seen verschieden gut „bedient“ werden, z.B. Sicherheit der Nester vor Feinden, Ruhe vor Menschen - vor allem während der Mauser Ruhe vor Prädatoren oder günstiges Nahrungsangebot. Anhand einer großen Menge von Daten, die an den drei Seen und z.T. am ganzen Bodensee vorliegen, werden in dieser Arbeit 11 Vogelarten an den drei Seen untersucht. Von diesen drei Seen sind Mindelsee und Bündtlisried Naturschutzgebiete. Vom Gnadensee waren nur Uferzonen geschützt. Alle drei Seen sind Natura 2000-Gebiete. Gnadensee und Mindelsee sind außerdem als Ramsar-Gebiete gemeldet. Das dokumentiert die internationale Bedeutung der drei Seen für den Naturschutz. Die Ergebnisse sollen der Beurteilung dienen, ob und wie bisherige Entwicklungsziele gewirkt haben und ob sie weiterentwickelt bzw. neu aufgestellt werden müssen. Schließlich wird dargelegt, was die Gründe für die Spitzenstellung der drei Seen sind und ob die Ursachen dafür als Modell für andere Seen dienen können. Schließlich werden die Gründe für die Spitzenstellung der drei Gebiete mitgeteilt. Anschriften der Verfasser: Siegfried Schuster, A m risw iler Straße 11, D -78315 R adolfzell Professor Dr. Gerhard Thielcke, Storchenw eg 1, D -7 8 3 15 Radolfzell 488 Orn.Jh.Bad.-Württ.Bd. 19, Heft 2, 2003 © Ornithologische Gesellschaft Baden-Württemberg, download unter www.biologiezentrum.at • ........... Grenzen Naturschutzgebiete (NSG) ------------Überschwemmungsflächen und Teiche Waldflächen i-----------1-----------1 0 0,5 1 km Abb. 1: Gnadensee West, Mindelsee und Bündtlisried, Litzelsee, Mettnauteiche, an den Mühlebach anschließende Überschwemmungsflächen und Teiche 2. Material und Methoden Schuster hat von 1992 bis 2002 im Schnitt an 28 Tagen/Jahr im Bündtlisried und Thielcke von 1979 bis 2002 im Schnitt an 27 Tagen/Jahr am Mindelsee beobachtet. Außerdem kontrollierte Schuster an über 200 Tagen pro Jahr Teilflächen des Gnadensees. Er hat Schuster, S. & G. T h i e l c k e : Vernetzung von drei Seen 489 auch die Vogelbestände auf den Mettnau-Teichen regelmäßig erfaßt. Vom Mindelsee wurden neben den Daten der beiden Autoren von 1977 - 1991 die von 24 Beobachtern © Ornithologische Gesellschaft Baden-Württemberg, download unter www.biologiezentrum.at verwertet und von 1991 -2002 von 35. Außerdem wurden die Daten der Internationalen Wasservogelzählungen ausgewertet, die pro Winterhalbjahr achtmal stattfinden, und zwar von den Zählstrecken 99 (Mindelsee), 91 und 92 (Gnadensee West). Zum Vergleich wurden die Beobachtungen vom ganzen Untersee herangezogen. Insgesamt sind das von 1992 bis 2001 320 Zählungen. Für den Mindelsee reicht die Auswertung zurück bis in die 1950er, 1960er und 1970er Jahre. Um die Bedeutung der recherchierten Befunde einordnen zu können, wird die Situation der Bestände aufgrund von Angaben in der Literatur dargestellt: teilweise weltweit, in Deutschland, Baden-Württemberg, der Schweiz und am ganzen Bodensee. Tab. 1: Situation der untersuchten 11 Vogelarten. Anhang I1’ G efährdete Brutpaare Brutpaare Als B ru t­ Z ugvögel2’ Bodensee3’ Bodensee3’ vögel Zunahm e Abnahme Neubürger Flußseeschwalbe + 115-125 G raugans seit 1985 K olbenente + 235-367 M oorente + seit 1995 R eiherente 103-243 seit 1967 R ohrdom m el + Tafelente + 36-56 seit 1964 Teichhuhn 492-196 Wasserralle 318-172 Zw ergsäger + Zwergtaucher + 304-382 0 EU-weit gefährdete Arten (Rat der EU 1979). 2) Gefährdete Zugvogel arten, für die NATURA 2000-Gebiete herausgesucht worden sind(S c h a l l & H e in z m a n n 2000). 3) Brutpaare am Bodensee, die von 1980/81 (erste Zahl) bis 1990/92 (zweite Zahl) im Bestand zu- oder abgenommen haben (H e in e et al. 1999). 490 Orn.Jh.Bad.-Württ.Bd. 19, Heft 2, 2003 © Ornithologische Gesellschaft Baden-Württemberg, download unter www.biologiezentrum.at 3. D ank Wir bedanken uns bei allen, die überwiegend ehrenamtlich für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), für den Naturschutzbund Deutschland (NABU) und für die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft (OAG) Bodensee Daten gesammelt bzw. aufbereitet haben. Unser Dank gilt auch der Stiftung Naturschutzfonds beim Ministerium für Ernährung und Ländlicher Raum Baden-Württemberg für Zuwendungen aus zweckgebundenen Erträgen der Glücksspirale und dem Global Nature Fund für finanzielle und personelle Hilfe bei der Auswertung. 4. Situation der untersuchten 11 Vogelarten Von den 11 untersuchten Vogelarten sind vier Arten europaweit im Bestand bedroht, drei Arten gehören zu gefährdeten Zugvögeln, vier Brutvogelarten haben am Bodensee im Bestand zugenommen und vier Arten sind am Bodensee darüber hinaus Neubürger (Tab. 1). 5. Beschreibung des Projektgebietes 5.1. Gnadensee (Westteil) Quellen für diesen Abschnitt: K iefer (1972) und NABU-Daten. Lage: Der Gnadensee ist der nordöstliche Teil des Untersees zwischen dem Bodanrück, der Insel Reichenau und der Halbinsel Mettnau. In diesem Projekt wird vom 14 qkm großen Gnadensee nur der Markeifinger Winkel, also der westliche Teil, bis zu einer Linie von der Mettnauspitze zum Campingplatz Willam bearbeitet (Abb. 1). Er erreicht bei Mittelwasser 395 m ü.M. Größe und Tiefe: Der oben beschriebene Westteil des Gnadensees („Markeifinger Winkel“ im weiteren Sinne) ist 250 ha groß - also 2,5mal größer als der Mindelsee. Bei Hochwasser wie zuletzt 1999 (PegelK on stan z 565 cm statt durchschnittlich 430) kann sich diese Fläche — je nach Einbeziehen der Halbinsel Mettnau — um 50 bis 150 ha vergrößern. An den tiefsten Stellen in Seemitte erreicht der westliche Gnadensee 19 m Tiefe. Flachwasser: Die Flachwasserzone bis etwa 5 m Tiefe, in der noch Wasserpflanzen wurzeln können, erstreckt sich im westlichen Gnadensee an vielen Stellen 200 m und mehr in den See hinaus. Fast 30% der Wasserfläche können deshalb von Tauchenten © Ornithologische Gesellschaft Baden-Württemberg, download unter www.biologiezentrum.at Schuster, S. & G. T h i e l c k e : Vernetzung von drei Seen 491 und dem Bläßhuhn zur Nahrungssuche genutzt werden. Bei Hochwasser - wie zuletzt 1999 - werden alle Riedflächen und die anschließenden Wiesen zwischen Radolfzell und Markeifingen nördlich der Bahnlinie überschwemmt. Von den ursprünglich viel größeren Überschwemmungsflächen stehen weit über 30 ha nicht mehr zur Verfügung, weil sie bis 1965 von der Stadt Radolfzell aufgefüllt und zum größten Teil bebaut wurden. Im neuen Flächennnutzungsplan sind sogar weitere Auffüllungen zur Bebauung vorgesehen. Zuflüsse: Der einzige nennenswerte Zufluß in den westlichen Gnadensee ist der Mühlebach, der den Mindelsee entwässert und nach seinem Lauf durch drei (ehemalige) Mühlen in Markeifingen am Ortsrand in den Gnadensee mündet. Von den fünf zufließenden Gräben ist der Schlattgraben aus dem östlichen Reute-Ried fast der einzige mit konstanter, wenn auch geringer Wasserführung. Er mündet - nach einem 600 m langen unterirdischen Lauf - bei der Radolfzeller Kläranlage in den G nadensee. Wasserstandsschwankungen: Der Wasserstand im Gnadensee schwankt (wie am ganzen Bodensee) jährlich um durchschnittlich 170 cm vom Niedrigwasser im Januar/ Februar zum Höchstwasserstand im Juli (nach der Schneeschmelze in den Alpen und nach den niederschlagsreichen Monaten Juni/Juli). Trophiegrad: Obwohl sich durch den Bau von Kläranlagen in den 70er Jahren die Phosphatfracht im See wieder auf Werte der frühen 60er Jahre eingependelt hat und die Sichttiefe dadurch wieder 5 - 10 m beträgt, muß der Markeifinger Winkel immer noch als eutroph eingestuft werden. Hauptnährstofflieferanten sind der Mühlebach und der Schlattgraben aus dem intensiv landwirtschaftlich genutzten (Mais!) Reute-Ried. Die Radolfzeller Kläranlage, an die alle zum Einzugsgebiet gehörenden Gemeinden angeschlossen sind, entwässert über ein 2 km langes Rohr in den Zeller See, um den strömungsarmen Markeifinger Winkel nicht zu belasten. Das konnten die inzwischen aufgelösten Wasserwirtschaftsämter in den 60er Jahren durchsetzen. Schutzstatus: Die gesamte Uferzone rings um den Markeifinger Winkel - mit Ausnahme des Privathafens Martin - ist geschützt, der bei weitem größte Teil als Naturschutzgebiet (Halbinsel Mettnau und Bodenseeufer Markeifingen), die aufgefüllten Flächen bei der Kläranlage und neben dem Hafen Martin (bis 1964 städtischer Müllplatz!) als Geschützter Grünbestand, die Strandbäder Markelfmgen und Naturfreundehaus als Landschaftsschutzgebiet. Die beiden Naturschutzgebiete werden seit 1979 bzw. 1985 vom NABU betreut. 492 Orn.Jh.Bad.-Württ.Bd. 19. Heft 2. 2003 © Ornithologische
Details
-
File Typepdf
-
Upload Time-
-
Content LanguagesEnglish
-
Upload UserAnonymous/Not logged-in
-
File Pages56 Page
-
File Size-