
Plenarprotokoll 12/68 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 68. Sitzung Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1991 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 13: des Rates über die Überwachung und Abgabe einer Erklärung der Bundesre- Kontrolle der Großkredite von Kreditin- gierung zu den Ergebnissen des Europäi- stituten (Drucksachen 12/849 Nr. 2.1, schen Rates in Maastricht 12/1809) 5833 C Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler 5797 B Nächste Sitzung 5833 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 5803 B Berichtigung 5833 Stefan Schwarz CDU/CSU 5804 B Dr. Otto Graf Lambsdorff FDP 5804 C Anlage 1 Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU 5806D Liste der entschuldigten Abgeordneten 5835* A Dr. Otto Graf Lambsdorff FDP 5810 D Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste 5813 A Anlage 2 Gerd Poppe Bündnis 90/GRÜNE 5815 B Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesord- Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 5817 B nungspunkt 12 und Zusatztagesordnungs- Dr. Norbert Wieczorek SPD 5819 D punkt 12 (Antrag betr. Sofortige Auflösung Hans-Dietrich Genscher, Bundesminister des „Koordinierungsausschusses Wehrmate- AA 5822 C rial fremder Staaten" des Bundesnachrich- tendienstes und der Bundeswehr und Antrag Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD 5826 A betr. Parlamentarische Kontrolle der Auflö- Peter Kittelmann CDU/CSU 5827 B sung der NVA) Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU 5828 D Thomas Kossendey CDU/CSU 5836* A Wolfgang Clement, Minister des Landes Gernot Erler SPD 5836* C Nordrhein-Westfalen 5830 C Jürgen Koppelin FDP 5837* C Dr. Cornelie von Teichman FDP 5832 B Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 5838* B Zusatztagesordnungspunkt 14: Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär BMVg 5838* D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu Anlage 3 der Unterrichtung durch die Bundesre- gierung: Vorschlag für eine Richtlinie Amtliche Mitteilungen 5839* D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1991 5797 68. Sitzung Bonn, den 13. Dezember 1991 Beginn: 9.00 Uhr Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Meine Damen und chen Interessen wahrt und zugleich die Gemeinschaft Herren, die Sitzung ist eröffnet. einen entscheidenden Schritt voranbringt. Ich wünsche uns einen guten Morgen. Meine Damen und Herren, dieses Ergebnis ist uns (Zurufe: Guten Morgen, Frau Präsidentin!) nicht in den Schoß gefallen. Wir haben ein Jahr inten- siver und schwieriger Verhandlungen hinter uns, in denen alle Seiten bewiesen haben, daß sie bereit sind, gemeinsam den Weg zu einem vereinten Europa zu Ich rufe den Zusatzpunkt 13 auf: gehen und dabei auch die notwendigen Kompromisse Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zu schließen. zu den Ergebnissen des Europäischen Rates in Ich nehme gerne die Gelegenheit wahr, all denen Maastricht zu danken, die in den letzten zwölf Monaten an die- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für sem Vertragswerk mit besonderem Engagement mit- die Aussprache im Anschluß an die Regierungserklä- gearbeitet haben. rung drei Stunden vorgesehen. — Dazu sehe und höre (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und bei ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlos- Abgeordneten der SPD) sen. Ich nenne aus dem Kreis der Bundesregierung ganz Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung besonders den Bundesaußenminister Hans-Dietrich hat der Herr Bundeskanzler. Genscher und den Finanzminister Theo Waigel. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Ich nenne ganz besonders — und das tue ich sehr Nacht vom 10. auf den 11. Dezember hat sich der gerne, weil ja über öffentliche Verwaltungen häufig Europäische Rat in Maast richt nach über 30stündigen mit einem beachtlichen Maß an Unkenntnis gespro- chen wird — die verantwortlichen die hier Beratungen auf den Vertrag über die Politische Beamten, weit über das Maß des Üblichen hinaus eine hervor- Union sowie über die Wirtschafts- und Währungs- ragende Arbeit geleistet haben. union geeinigt. Dieses Vertragswerk, das Anfang Fe- bruar 1992 unterzeichnet wird, bedeutet eine grund- (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der legende Weichenstellung für die Zukunft Europas: SPD) Erstens: Der Weg zur Europäischen Union ist un- Meine Damen und Herren, wir haben ein Gesamt- umkehrbar. Die Mitgliedstaaten der Europäischen ergebnis erreicht, das vielen innerhalb und außerhalb Gemeinschaft sind jetzt für die Zukunft in einer Weise Europas vor einem Jahr noch völlig unrealistisch, ja miteinander verbunden, die ein Ausbrechen oder ei- utopisch erschienen wäre. Heute kann man feststel- nen Rückfall in früheres nationalstaatliches Denken len, daß Maastricht in der historischen Perspektive mit all seinen schlimmen Konsequenzen unmöglich wohl das bedeutendste Gipfeltreffen der EG seit der macht. Unterzeichnung der Römischen Verträge war. Wir haben damit ein Kernziel deutscher Europa- Drittens: Daß es uns gelungen ist, der europäischen politik in die Tat umgesetzt. Maastricht ist der Beweis Einigung neuen Auftrieb zu geben, ist in besonderem dafür, daß das vereinte Deutschland seine Verantwor- Maße dem engen Schulterschluß mit Frankreich zu tung in und für Europa aktiv wahrnimmt und zu dem verdanken. Die deutsch-französische Partnerschaft steht, was wir immer gesagt haben, nämlich daß die und Freundschaft war, ist und bleibt entscheidend für deutsche Einheit und die europäische Einigung zwei Europa. Vor allem mit Frankreich sind wir uns in der Seiten ein und derselben Medaille sind. Vision eines Europa einig, das nicht nur wirtschaftlich, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sondern auch politisch zusammenwächst. Zweitens: Wir haben ein tragfähiges Ergebnis in Viertens: Die Europäische Gemeinschaft ist jetzt für beiden Konferenzen erreicht, das unsere wesentli- die schwierigen Herausforderungen der Zukunft bes- 5798 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1991 Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl ser gerüstet. Der Durchbruch in Maastricht hat nicht Diese Auflagen und Vorgaben sind in dem Vertrag nur für das Zusammenwachsen der Gemeinschaft bzw. in den Protokollen zum Vertrag so eindeutig fest- große Bedeutung, sondern ist auch ein deutliches Si- geschrieben, wie wir es im Hinblick auf die Stabilität gnal an unsere europäischen Nachbarn, ja, an unsere der D-Mark bei uns selbst für erforderlich und not- Partner in der Welt. wendig halten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Als Beispiel nenne ich die unbedingte Haushalts- disziplin, d. h. die Unterbindung übermäßiger Haus- Mit dem Ergebnis von Maastricht ist der Weg zur haltsdefizite. Hierzu wird u. a. festgelegt, daß die jähr- Vollendung der Europäischen Wirtschafts- und Wäh- liche öffentliche Neuverschuldung nicht mehr als 3 % rungsunion klar vorgezeichnet und unwiderruflich des Bruttosozialprodukts betragen darf. festgelegt. Diese Irreversibilität ist in einer gesonder- ten Protokollerklärung von allen Mitgliedstaaten noch Auch im Blick auf die Erfahrungen in der Bundes- einmal ausdrücklich unterstrichen worden. republik Deutschland kann diese Festlegung als an- gemessen angesehen werden, denn im Gefolge der Gelungen, meine Damen und Herren, ist es vor al- außergewöhnlichen Belastungen der Wiedervereini- lem, den Vorrang der Geldwertstabilität so eindeutig gung müssen auch wir uns anstrengen, meine Damen festzuschreiben, daß dies — das sage ich auch im Hin- und Herren, um diese Voraussetzung zu erfüllen. blick auf die öffentliche Diskussion in unserem Land — den Vergleich mit dem deutschen Bundesbankge- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie setz nicht zu scheuen braucht. bei Abgeordneten der SPD — Zuruf von der SPD: Wohl wahr!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) — Ich habe bei diesem Satz auf Ihre Zustimmung Mehr noch: Wichtige Einzelheiten sind in diesem Ver- gehofft; ich habe sie auch erhalten. trag klarer und eindeutiger geregelt, als es im Bundes- (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und bankgesetz der Fall ist. der FDP — Zuruf von der SPD: Wir haben Sie Wir konnten also diesem Vertrag zustimmen, weil nicht enttäuscht!) er in vollem Umfang den deutschen Erfahrungen ent- —Auf diesem Gebiet enttäuschen Sie mich nie, liebe spricht, die wir mit der D-Mark und der Gewährlei- Kolleginnen und Kollegen. stung ihrer Stabilität in den letzten 40 Jahren gemacht haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Manche von denen, die in diesem Zusammenhang Hinzu kommt — das ist ein bisher einmaliger Vor- öffentlich polemisieren, müssen sich fragen lassen, gang — , daß sich souveräne Staaten im Rahmen inter- wem eine solche Kampagne nützt. nationaler Verträge zu einer dauerhaften Begrenzung ihrer öffentlichen Verschuldung verpflichten und dar- (Zuruf von der CDU/CSU: Der Auflage!) über hinaus bereit sind, bei Verletzung der Haushalts- Denn heute können wir festhalten: Der nach langen disziplin abgestufte Sanktionen zu akzeptieren. Da- und intensiven Verhandlungen vereinbarte Vertrag mit sind völkerrechtlich bindende Regelungen verein- über die Wirtschafts- und Währungsunion trägt den bart, mit denen verhindert werden kann, daß die auf deutschen Forderungen in allen entscheidenden Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik durch eine Punkten Rechnung. falsche nationale Haushaltspolitik unterlaufen wer- den kann. Unsere bewährte Stabilitätspolitik ist zum Leitmotiv Was den Fahrplan zur Wirtschafts- und Währungs- für die zukünftige europäische Währungsordnung ge- union betrifft, so besteht Einvernehmen darüber, daß worden. Zu diesem Erfolg — auch das will ich hier die sogenannte zweite Stufe, d. h. der Vorbereitungs- dankbar erwähnen — hat die enge
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