Karrierewege Und Rekrutierungsmuster Bei

Karrierewege Und Rekrutierungsmuster Bei

Thema der Dissertation: Karrierewege und Rekrutierungsmuster bei Regierungsmitgliedern auf Bundesebene von 1949-2002 Zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie (Dr. phil.) vorgelegt der Philosophischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Fachbereich „Geschichte, Philosophie und Sozialwissenschaften“ von Anwar Syed Ali geb. am 27.10. 1970 in Lich/Hessen 1. Gutachter: Prof. Dr. Suzanne S. Schüttemeyer 2. Gutachter: Prof. Dr. Jürgen Dittberner Tag der Disputation: 25.11.2003 urn:nbn:de:gbv:3-000006869 [http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=nbn%3Ade%3Agbv%3A3-000006869] Inhalt 1. Politische Führungsgruppen in der Forschung: Eine Bestandsaufnahme 1 1.1. Das Konzept der politischen Führungsgruppen 3 1.1.1. Der Führungsbegriff in der klassischen Elitentheorie 3 1.1.2. Der Begriff der politischen Elite 5 1.1.3. Der aktuelle Begriff der politischen Klasse 9 1.1.4. Politische Elite oder Politische Klasse ? – Welcher Begriff trägt 14 als Untersuchungsgrundlage für diese Arbeit ? 1.2. Das Konzept der politischen Professionalisierung 16 1.2.1 Die berufssoziologische Forschung und der Professionalisierungsbegriff 17 1.2.2.Die historische Dimension von politischer Professionalisierung 23 1.2.3.Die individuelle Dimension von politischer Professionalisierung 28 1.3. Die Bundesregierung: Eine Untersuchung der Karrierewege 35 1.3.1. Vorgehensweise 35 1.3.2. Datenerhebung 39 2. Minister und Staatssekretäre 42 2.1. Zur Entwicklung des Kanzler- und Ministeramtes in Deutschland 42 2.2. Die Funktion und Struktur der Regierung in der Bundesrepublik 50 2.3. Die Entstehung des Staatssekretärsamtes 53 2.4. Der Beamtete Staatssekretär als höchster politischer Beamter 56 2.5. Der Parlamentarische Staatssekretär: Ein historisch sehr neues Amt 63 2.6. Das britische Vorbild 72 3. Institutionelle Rahmenbedingungen von politischen Karrieren 76 3.1. Das Parteiensystem 77 3.2. Die Rolle von formellen und informellen Hierarchien für die Regierungsämter 81 3.3. Die Formation von politischen Ämtern 90 3.4. Die Attraktivität von Regierungsämtern 99 4. Mitglieder der Bundesregierung und ihr Weg in die politische Verantwortung im 103 historischen Wandel 4.1. Zur Problematik der zeitlichen Abgrenzung und der Vorgehensweise 104 4.2. Altersschichtung, Geschlecht und Bildung: Zur Sozialstruktur der bundesdeutschen 107 Regierung 4.2.1 Altersgruppen 109 4.2.2. Frauenanteil 112 4.2.3. Bildung 116 4.3. Berufliche Laufbahn 119 4.3.1. Berufsgruppen und Ministerien 120 4.3.2. Dauer der Berufstätigkeit bis zum Wechsel in die Politik 124 4.3.3. Verbandskarrieren 127 4.4. Der schwierige Weg des innerparteilichen Aufstiegs 131 4.4.1. Der Zeitpunkt des Parteibeitritts 131 I 4.4.2 Die Jugendorganisationen 136 4.4.3. Funktionsträger in der Partei 140 4.5. Der politische Beruf 145 4.5.1. Die hauptberufliche Politik als Sprungbrett in die Bundesregierung 147 4.5.2 Die Vielschichtigkeit des politischen Berufs 154 4.5.3. Regierungsmitglieder und ihre Karriere im Amt 160 4.6. Zur Typologisierung von Politikerkarrieren 162 5. Der Beamtete Staatssekretär an der Spitze der Ministerialverwaltung 176 5.1. Altersschichtung, Geschlecht und Bildung 177 5.1.1. Altersgruppen 177 5.1.2. Die Geschlechterverteilung an der Spitze der Ministerialbürokratie 180 5.1.3. Bildungsabschlüsse 182 5.2. Die berufliche Laufbahn 185 5.2.1 Berufsfelder 185 5.2.2. Ministerien und berufliche Herkunft 190 5.2.3. Ministerialbürokratie und Interessengruppen 192 5.3. Parteikarrieren 196 5.3.1 Die Parteimitgliedschaft 196 5.3.2. Der Parteibeitritt 201 5.3.3. Innerparteiliche Laufbahnen 204 5.4. Erfahrungen im politischen Beruf 207 5.5. Zur Verknüpfung von politischer Karriere und Beamtenlaufbahn 210 6. Schlussbetrachtung 217 Abkürzungsverzeichnis 229 Verzeichnis der Schaubilder und Tabellen 230 Verwendete Literatur 234 II Kapitel 1 Politische Führungsgruppen in der Forschung: Eine Bestandsaufnahme Bei der Befassung mit dem Werdegang von Regierungspolitikern stößt man unweigerlich auf die Tatsache, dass Mitglieder der Regierung heutzutage regelmäßig Berufspolitiker sind (Hes- se/Ellwein 1997: 299f.). Damit wird auch schon die Kernfrage dieser Arbeit berührt: Grund- legend für das Forschungsdesign ist die Untersuchung des Prozesses der politischen Professi- onalisierung: Wie kommt eine bestimmte Person über welche Karriereleitern auf seine Positi- on ? Welche Karrieremuster sind herausgebildet worden ? Haben sich die Muster politischer Karrieren im historischen Zeitablauf verändert und worauf lässt sich dies womöglich zurück- führen ? Politische Professionalisierung kennzeichnet in diesem Zusammenhang den Prozess des Überwechselns von einem politikfernen Beruf in den politischen Beruf. Diese Periode beginnt mit der Übernahme einer hauptberuflichen politischen Position: Hier ist das Standardwerk von Dietrich Herzog zu nennen (1975). Untersucht wurden 1968 die Karrieremuster der poli- tischen Führungsschicht in Regierung, Parlament und Parteien der Bundesrepublik Deutsch- land. Dabei arbeitete Herzog drei Karrieremuster heraus, die sich durch das Verhältnis von beruflicher Laufbahn und politischer Karriere unterschieden: die Standardlaufbahn, in der ein Wechsel in die hauptamtliche Politik erst nach längerer Berufstätigkeit erfolgte; die Cross- over-Karriere aus einer beruflichen in eine politische Spitzenposition; sowie die reine politi- sche Karriere, in welcher der erlernte Beruf vor dem Wechsel in die professionelle Politik nur kurz oder gar nicht ausgeübt wird (Herzog 1993b: 118f.). Der Ansatz von Herzog wurde mehrfach aufgegriffen: etwa für den Landtag von Baden- Württemberg (Holl 1989), für Landesregierungen (Lange 1976), für Parlamentarier in den neuen Bundesländern (Derlien/Lock 1994; Lohse 1999) oder für Hinterbänkler im Deutschen Bundestag (Golsch 1998). Ein eng verwandter Forschungszweig der Elitenforschung befasst sich mit den Rekrutierungs- wegen der Legislative („Legislative recruitment“): In der amerikanischen Forschung domi- niert dabei ein akteurszentrierter Ansatz, was mit den Mechanismen des amerikanischen Wahlsystems zusammenhängt. Die meisten Politiker handeln als „politische Unternehmer“ und die Bindungen an die Partei bleiben im Vergleich zu Europa schwach. Grundlegend für die Analyse amerikanischer Berufspolitiker ist die sogenannte ambition theory (vgl. Schlesin- ger 1966, 1991): Sie besagt, dass die Karriereambitionen des einzelnen Politikers durch Kos- 1 ten-Nutzen-Abwägungen determiniert sind. Daran anschließend konzentrieren sich die Unter- suchungen auf die Rekrutierung und die Karrieren von Abgeordneten (vgl. Fowler 1993; Fowler/McClure 1989; Williams/Lascher 1993). Auch Fragestellungen zur Unterrepräsentati- on von ethnischen Minderheiten und Frauen gewinnen an Gewicht (vgl. Burell 1994; Caroll 1994; Darcy/Welsh/Clark 1994; Swain 1993). Im britischen, beziehungsweise europäischen Kontext spielen vor allem die Arbeiten von Norris und Lovenduski eine große Rolle (vgl. Githens/Norris/Lovenduski 1993; Loven- duski/Norris 1993; Norris/Lovenduski 1995; Norris 1997; Lovenduski 1998). Die beiden Au- torinnen versuchen, die individuelle Dimension der Entscheidung der einzelnen Person zur Kandidatur mit der institutionellen Ebene der Kandidatenauswahl zu verbinden. Für die Erforschung der Karrierewege von Ministern im europäischen Kontext sind die Arbei- ten von Blondel wichtig (Blondel 1985, 1990, 1991). In der deutschen Forschung haben dazu eine Reihe von Autoren einen Beitrag geleistet (Armingeon 1986; Derlien 1991; Kempf/Merz 2001; Schmidt 1992a). Einen historischen Abriss über die Entwicklung und Zusammenset- zung der Regierung im Kaiserreich und in der Weimarer Republik liefert ein amerikanischer Autor (Knight 1972). Seit einigen Jahren gibt es im Gesamtzusammenhang des Aufbaus von politischen Führungs- gruppen Bestrebungen, den Begriff der „politischen Klasse“ für den wissenschaftlichen Ge- brauch nutzbar zu machen. Im deutschen Forschungskontext sind dazu in den letzten Jahren eine Fülle von Publikationen veröffentlicht worden (vgl. Beyme 1993, 1996, 1997; Borchert 1999; Borchert/Golsch 1995; Golsch 1998; Herzog 1991, 1992, 1993a; Klinge- mann/Stöss/Wessels 1991a und b; Leif/Legrand/Klein 1992; Lohse 1999; Mayntz 1999; Wes- sels 1992, 1997). Die Literatur über Regierungsmitglieder im konzeptionellen Zusammenhang verbindet sich mit dem Namen Hans-Ulrich Derlien: Im Rahmen eines DFG-Projektes hat Derlien die Le- bensläufe sämtlicher 900 Personen, die zwischen 1949 und 1984 in der Regierung Ämter be- kleideten, untersucht (vgl. Derlien 1987, 1989, 1990). Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass sich sogenannte Mischkarrieren bei Spitzenbeamten – damit sind mehr als vier Jahre Tätigkei- ten außerhalb des Öffentlichen Dienstes gemeint – gehäuft beobachten lassen. Erklärungen für diesen Sachverhalt gibt es aber nicht; weitgehend bleibt es bei der bloßen Darlegung der empirischen Daten. Darstellungen über die Funktion und Entwicklung des Staatssekretärsamtes sind vorhanden, aber überwiegend älteren Datums (Echtler 1973; Fromme 1970; Gallois 1983; Kugele 1976; Laufer 1969): Weil Cross-overs aus Spitzenpositionen der Ministerialverwaltung in das Amt 2 des Ministers oder des Parlamentarischen Staatssekretärs vorkommen (vgl. Derlien 2001: 56), ist es sinnvoll, die Beamteten Staatssekretäre als Spitze der Ministerialverwaltung in die Un- tersuchung mit einzubeziehen. Für die Karrierewege der Beamteten Staatssekretäre auf Bun- desebene liegen die Arbeiten von Derlien (Derlien 1987, 1989, 1990a, 1990b, 1991, 2001) vor; die parteipolitische Durchdringung der Karrierewege der Spitzenbeamten

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