Arthur Lawton Johann Henrich (Henry) Antes (1701-1755) – ein pfälzischer Pionier in Pennsylvania1 Ob beabsichtigt oder nicht: die Deutschen, die über den Hafen von Philadelphia in die britischen Kolonien in Nordamerika einwanderten, wurden bald zu Motoren des sozialen und kulturellen Wandels. Die Familie von Philipp Friedrich Antes aus Freinsheim in der Pfalz, die sich 1720 in der multikulturellen Gegend von Pennsylvania niederließ, war mitbeteiligt an der Schaffung einer deutsch-amerikanischen Kultur, die zur Bildung einer neuen Nation beitrug, welche wenige Jahrzehnte später aus der amerikanischen Revolution hervorgehen sollte. Philipp Friedrich Antes hatte den Mut, die Mittel und den Traum, die gefährliche Atlantiküberquerung zu wagen, um ein besseres Leben in der Neuen Welt aufzubauen. In Pennsylvania wurde sein Sohn John Henry, 1701 in Freinsheim als Johann Henrich Antes geboren, zum religiösen und politischen Führer wie auch zu einem anerkannten Wagen- und Mühlenbauer. Philipp Friedrich Antes‘ in Pennsylvania geborene Enkelsöhne trugen persönlich und mit Sachverstand zum Erfolg der amerikanischen Revolution bei. Zwischen 1750 und 1850 breiteten sie und ihre Nachkommen sich mit den sich ausweitenden Grenzen nach Mittelpennsylvania, südlich von Salem, nach North Carolina und nördlich von Canandaigua im oberen New York aus. John Henry Antes leistete wichtige Beiträge zu Architektur, Religion und Erziehung. Über sein eigenes Wohnhaus und seine Mühlen hinaus war er an Entwurf und/oder Bau von über 30 Wohnhäusern und gewerblichen Gebäuden in der neu errichteten Gemeinschaft der Mährischen Brüder in Bethlehem und deren verstreuten Außensiedlungen beteiligt. Zusammen mit dem Mährischen Bischof Augustus Spangenberg erkundete er weite unbesiedelte Gebiete im mittleren North Carolina in einer sechsmonatigen Expedition, bei der er über 100 000 Morgen Wildnis aufnahm und begutachtete. Hieraus wurde später das Wachovia-Gebiet mit seinen Siedlungen um Salem, North Carolina, dem Zentrum der Mährischen Brüder für ihre Diaspora-Arbeit im mittleren Süden. Weil Henry Antes‘ Sichtweise über die konfessionellen Beschränkungen seiner Zeit hinausging, lebte und praktizierte er ein mehr integratives als sich abschottendes Gemeinschaftsverständnis. Als Friedensrichter war es sein Bestreben, die konfessionellen und kulturellen Gräben zwischen seinen benachbarten Anglikanern, Quäkern, Katholiken, Lutheranern, Reformierten, Neuen Täufern, Mährischen Brüdern, Mennoniten, 1 Aus dem Amerikanischen übersetzt von Dr. Hans-Helmut Görtz, Freinsheim Schwenkfeldianern und Sektierern zu überbrücken, indem er ihre religiösen und rechtlichen Streitigkeiten löste in einer kulturellen Landschaft, die sich aus englischen, afroamerikanischen, indianischen, schwedischen, holländischen, walisischen, französischen, schottisch-irischen und deutschen Siedlern zusammensetzte. Zusammen mit seinem Vater Philipp Friedrich und William Dewees, der bald sein Schwiegervater werden sollte, war Henry Antes dabei behilflich, Johann Philipp Boehm, der als Gründer der Reformierten Kirche in Amerika gilt, dazu zu bringen, dass er 1725 das reformierte Predigeramt übernahm. Mit der Zeit trat Henry in enge Verbindung zu Graf Ludwig Zinzendorf beim Gründungswerk der Mährischen Bewegung zu Bethlehem, ganz in der Nähe von Friedrichstown, wo sein Vater und er sich niedergelassen hatten. In enger Zusammenarbeit mit Zinzendorf und anderen Führern der Mährischen Brüder trat er für einen ökumenischen und interkonfessionellen Blickwinkel ein, von dem aus es Lösungen der interkulturellen und religiösen Fragen zu finden galt. Hierfür initiierten er und Zinzendorf eine Reihe pennsylvanischer Synoden. Am Ende zwar als Chance für die zwischenkonfessionelle Verständigung nicht erfolgreich, fanden diese ihre Fortsetzung in den Synoden der Mährischen Brüder. Seine Verpflichtungen gegenüber Zinzendorf und der Mährischen Bewegung bewogen Henry Antes, von 1745 bis 1750 mit seiner Familie von Friedrichstown nach Bethlehem umzuziehen, wo er Gottesdienste auf deutsch hielt, als Kantor Singstunden abhielt und 1748 der weltliche Verwalter wurde, verantwortlich für alle baulichen und landwirtschaftlichen Maßnahmen der Gemeine. Während dieser Zeit stellte er sein Haus, Mühle und Plantage zur Verfügung, um die Kinder-Anstalt zu Friedrichstown zu beherbergen und zu unterstützen, die Teil des Internat-Schulsystems der Mährischen Bewegung war, welches kleinen Kindern Erziehung angedeihen ließ in einem Umfeld, das die Augen vor sozialen, rassischen und konfessionellen Schranken verschloss.2 2 Für eine umfassende Darstellung von Henry Antes‘ Rolle in der Mährischen Bewegung siehe Joseph Mortimer LEVERING, History of Bethlehem, Pennsylvania, 1741-1892, Bethlehem 1903. Zu seinem Verhältnis zu Reverend Johann Philipp Böhm und der Deutschen Reformierten Kirche siehe Reverend William J. HINKE, Life and Letters of Reverend John Philip Boehm, founder of the Reformed Church in Pennsylvania, 1683 – 1749, The Publication and Sunday School Board of the Reformed Church in the United States, Philadelphia 1916 (Nachdruck New York 1972). Die Anfänge in Freinsheim Die Familie Antes, fest verankert im reformierten Glauben, stammte aus dem pfälzischen Städtchen Freinsheim, zwischen Bad Dürkheim und Frankenthal gelegen. Günther F. Anthes aus Ludwigshafen, der seine genealogischen Forschungen zur Familie Antes 1976 veröffentlichte3, hatte bereits 1968 in einem Brief an einen amerikanischen Familienforscher4 mitgeteilt, ihm liege ein Taufeintrag vor, nach dem ein Philipp Friedrich Antes 1675 in Meisenheim getauft worden sei. Nach einer anderen Mitteilung von G. F. Anthes und H. Schüler in der gleichen Dokumentensammlung wurde Philipp Friedrich Antes am 1. Sept. 1675 als Sohn des Küfers Johann Georg Antes vermutlich in Callbach im der Gegend von Meisenheim am Glan geboren. Nach G. F. Anthes heiratete Philipp Friedrich im Jahr 1700 Anna Katharina (möglicherweise eine geborene Linter) und lebte von eben diesem Jahr bis 1720 in Freinsheim. Johann Henrichs Taufeintrag im reformierten Kirchenbuch Freinsheim zeigt, dass die Familie 1701 dort wohnte5. Die späteren Angaben in den Freinsheimer Briefprotokollen6 belegen, dass Friedrich Antes ein Bürger mit womöglich respektablem Grundbesitz, darunter Haus und Weinberge, war. So setzte er am 31. Dez.1714 den Neckerauischen Schwiegersöhnen für geliehene 50 Gulden 3½ Viertel Acker an der Großkarlbacher Hohl,1½ Viertel am Eisentor, ½ Morgen bei der Talweide, 3 Viertel auf der Leimenkaut und 2 Viertel im Hahnen zum Unterpfand ein. Desgleichen verpfändete er am 12. Febr. 1718 an den Grünstadter Häfner Heinrich Dautermann für erhaltene 23 Gulden einen halben Morgen Wiesen im Tümpel. Das Freinsheimer Kontraktprotokoll7 vermerkt, daß der Johann Niclauß Retzer von Friderich Antes den 5ten April 1720 gesteigt hette ½ Morgen Wingert ahm Gottesackher, soll aber nur 1½ Virt[el] sein . Bereits am 24. Dez. 1716 hatte sich hiesiger Bürger Friederich Antes von dem Heppenheimer Gerichtsmann Lorenz Fauth 200 Gulden geliehen und dafür dafür Hauß- und 3 Günther F. ANTHES. “450 Jahre Familie Anthes.” Die Familie Anthes: Nachrichten aus unserer Familie, Ludwigshafen/Rhein, 1976, 16-55. 4 Brief von Günter F. Anthes an Vashti Seaman, eine Antes-Nachkommen und Erforscher der Antes-Familie, datiert vom 24. November 1968, Collected Papers of the Antes Family Association, 3. 36. 5 Reformiertes Kirchenbuch Freinsheim, Archiv der Verbandsgemeinde Freinsheim: Den 1. Julij tauffte man Philipps Friderichs Antes vnd s[einer] ehl[ichen] Haußf[rawen] Anna Cathrinen ihr Söhnlein, welches den 11. Dießes des Abends vmb 6 Uhrauff dieße Welt gebohren; Gevattern waren Johan Henrich Linter v[nd] seine ehl[iche] Haußfraw Ursula, von Laumersheim bürtig, und wurde genant Johann Henrich. 6 Landesarchiv Speyer, F5, 104. Für die Angaben danke ich Herrn Dr. Hans-Helmut Görtz. 7 Freinßheimer Contracts Prothocoll angefangen den 6.ten Julij 1720, Archiv der Verbandsgemeinde Freinsheim, o. S. Hoffraidt verpfändet, gelegen beÿ der Kirch, beforcht oben die Gemeine Gaß, unten uf den Kirchhoff, stöst oben uff Gabriel Erhardt, unden Albert Ehrwein. It[em] ein Morgen Wingert uffm Nagel, beforcht oben H. Christian Hertzog, unten Herr Joh. Melcher Pirman. It[em] ein Morgen Wiß in der Ungsteiner Gemarck[ung] gelegen in zweÿhalben Morgen, beforcht der eine oben Matheus Grauß von Ungstein, unten Hans Jacob Schöeffer der alt von Freinßheim, der andere halbe Morgen beforcht oben Simmon Grauß von Ungstein, unden das Schelmische Hofguth zu Dürckh[eim]. Die Angaben zur Nachbarschaft mit gemeiner Gasse, Kirchhof, Gabriel Ehrhardt und Albert Ehrenwein machen es vergleichsweise einfach, das Haus im Freinsheimer Lagerbuch von 17218 zu identifizieren: es ist dasjenige von Johann Jacob Werner, das in seinen Beforchungen wie folgt beschrieben wird: Johann Jacob Werner,Hofgeräng, hat 1 Schlüssel, bef[o]r[ch]t gegen Mittag Albertus Ehrenwein und Johann Philipp Horneff, gegen Eiß Gabriel Erhard, gegen Rhein die Kirch-Mauer und zum Theil Albertus Ehrenwein, anderseits die Gaß. An Johann Jacob Werner also hatte Antes sein Haus verkauft. Zwar konnte von diesem Antes’schen Hausanwesen in Freinsheim, das an der Stelle des heutigen Neubaus hinter dem Café Rathaus stand und um 1980 abgerissen wurde, bisher keine wirkliche Photographie ermittelt werden, allerdings lassen eine Aufnahme der Giebelwand des Nachbarhauses unmittelbar nach dem Abriss wie auch eine historische Postkarte um 1900 mit Blick von der Kirche aus den Rückschluss zu, dass es sich um ein stattliches zweigeschoßiges
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