Otto von Simson 1912–1993 Otto von Simson (1912–1993) war langjähriger Ordinarius für Kunstge- schichte an der Freien Universität Berlin. Berühmt für seine Beiträge zur politischen Ikonographie, zum Wechselspiel von Kunst und Liturgie, zur Symbolik des gotischen Kirchenbaus, zu Rubens und zur deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts, zählt der weltanschaulich konservative Wissenschaftler zu den innovativsten Kunsthistorikern des 20. Jahrhun- derts. Aus dem jüdisch-preußischen Großbürgertum, das sich schon früh OTTO VON SIMSON zum Protestantismus bekehrt hatte, gebürtig, trat der schwärmerische junge George-Verehrer während der NS-Diktatur zum katholischen Glau- 1912 – 19 9 3 ben über. Im amerikanischen Exil entwickelte er sich seit 1939 zu einem aufmerksamen Beobachter der Zeitgeschichte, der, 1957 nach Europa zurückgekehrt, kulturpolitische Verantwortung für Deutschland und Berlin Zwischen Kunstwissenschaft übernahm. Der vorliegende Band zeichnet auf der Grundlage zahlreicher und Kulturpolitik unpublizierter Dokumente von Simsons Lebensweg ebenso eindringlich nach wie seine Positionierung innerhalb der Kunstwissenschaft. / I. Herklotz (Hg.) I. Becker Ingeborg Becker / Ingo Herklotz (Hg.) 978-3-412-51597-3_becker_End.indd Alle Seiten 29.08.19 11:01 Ingeborg Becker/Ingo Herklotz (Hg.): Otto von Simson 1912 – 1993 © 2019 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln ISBN Print: 9783412515973 — ISBN E-Book: 9783412515980 Ingeborg Becker/Ingo Herklotz (Hg.): Otto von Simson 1912 – 1993 Studien zur Kunst 43 © 2019 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln ISBN Print: 9783412515973 — ISBN E-Book: 9783412515980 Ingeborg Becker/Ingo Herklotz (Hg.): Otto von Simson 1912 – 1993 Ingeborg Becker/Ingo Herklotz (Hg.) Otto von Simson 1912 – 1993 Zwischen Kunstwissenschaft und Kulturpolitik BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR © 2019 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln ISBN Print: 9783412515973 — ISBN E-Book: 9783412515980 Ingeborg Becker/Ingo Herklotz (Hg.): Otto von Simson 1912 – 1993 Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2019 by Böhlau Verlag GmbH & Cie., Lindenstraße 14, D-50674 Köln Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Berlin, Staatsbibliothek – Preußischer Kulturbesitz, Nachlass 290 Satz: büro mn, Bielefeld Druck und Bindung: Hubert & Co. BuchPartner, Göttingen Printed in the EU Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-51598-0 © 2019 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln ISBN Print: 9783412515973 — ISBN E-Book: 9783412515980 Ingeborg Becker/Ingo Herklotz (Hg.): Otto von Simson 1912 – 1993 Inhalt Vorwort . 7 Hans Gerhard Hannesen Otto von Simson, Repräsentant einer jüdisch-protestantisch-preußischen Gesellschaft, beheimatet in der katholischen Kirche . 11 Anna Maria Voci Inhalt „Et in Arcadia ego!“ . 33 Inhalt Otto von Simsons Tagebuch seiner italienischen Reise im Frühjahr 1932 Ingo Herklotz Peter Paul Rubens zwischen Geistesgeschichte und politischer Ikonographie . 79 Die Münchner Dissertation von 1936 Karen Michels „Eine Empfehlung vom lieben Gott persönlich“ . 113 Wie man als jüdisch- katholischer Kunsthistoriker einen Weg in die USA fand Carola Jäggi Kunst zwischen Propaganda und Liturgie: Otto von Simsons Sacred Fortress . 125 Bruno Klein Eckstein oder Schlussstein . 143 Otto von Simsons The Gothic Cathedral/Die gotische Kathedrale Ingo Herklotz Chicago und das Abendland . 175 Schritte zur Remigration Ingeborg Becker Der Blick nach Innen . 241 Otto von Simson und die Malerei des 19. Jahrhunderts Thomas Gaehtgens Erinnerungen an Otto von Simson in Berlin . 263 Bildnachweise . 275 Personenregister . 277 © 2019 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln ISBN Print: 9783412515973 — ISBN E-Book: 9783412515980 Ingeborg Becker/Ingo Herklotz (Hg.): Otto von Simson 1912 – 1993 © 2019 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln ISBN Print: 9783412515973 — ISBN E-Book: 9783412515980 Ingeborg Becker/Ingo Herklotz (Hg.): Otto von Simson 1912 – 1993 Vorwort Vorwort Vorwort Im Dezember 1937 richtete Walter Friedlaender, seit kurzem Professor am Institute of Fine Arts in New York, ein Empfehlungsschreiben für einen seiner ehemaligen Freiburger Studen- ten an das amerikanische Committee for Catholic Refugees from Germany. Darin heißt es: Ich kenne Otto von Simson seit einigen Jahren. Ich habe sein freundliches und bescheidenes Benehmen stets als besonders angenehm empfunden und mich stets für ihn interessiert. Er sieht gut aus, spricht recht gut englisch, und ich habe das Gefühl, dass die meisten Leute – auch hier – ihn ausgesprochen gern haben. Doch ist er recht nervös, leicht erschrocken und vielleicht etwas unselbstständig, wenigstens oft sehr hilfsbedürftig, auch etwas überzart (auch physisch leicht anfällig), schwärmerisch- romantisch. Eigentlich sehr deutsch (älteren Styls) – woran sein (mehr als 50 %) sogenanntes „nicht arisches“ Blut der Simsons… und der Mendelsohns wohl nicht hindert. […] Er ist ein Mann von wirklicher wissenschaftlicher Leidenschaftlichkeit. Es würde mir leid tun, wenn ein solch feiner – aber nicht sehr wider- standsfähiger – Geist sich vorzeitig zersplitterte und sich in mediokren Tätigkeiten totliefe.1 Friedländers damals fünfundzwanzigjähriger Otto von Simson (1912 – 1993) scheint mit jenem Hochschullehrer, den einige der Autoren dieses Bandes erlebt haben, keine nennens- werten Gemeinsamkeiten aufzuweisen.2 „Ihr“ Otto von Simson war ein Mann klarer Prinzipien, der wusste, was er wollte, und für seine Überzeugungen kämpferisch eintreten konnte – dabei nicht unbedingt freundlich, sondern gewiss auch Stimmungen ausgesetzt und in der Begegnung mit dem jüngeren Gegenüber bisweilen durchaus ironisch und sogar ein wenig von oben herab. Eine gewisse Weltfremdheit, wie Friedländer sie anspricht, hatte er sich bewahrt, doch fragte man sich stets, was daran echt, was hingegen Attitüde sei. Die skizzierte Polarisierung mag jene Wegstrecke andeuten, die abzuschreiten dieser Band sich vorgenommen hat. Es geht nicht darum, dass eine Gruppe von Wissenschaftlern, die gleichsam noch als Zeitzeugen gelten können, sich auf ihre akademischen Wurzeln rückbesinnt; die Zielsetzung besteht vielmehr darin, ein Lebenswerk historisch- kritisch zu würdigen. Weit gefächerte Forschungen zur neueren Fachgeschichte, die in den letz- ten Jahrzehnten erschienen sind, bieten entsprechende Anknüpfungspunkte. Nach den Klassi kern der Disziplin, nach Warburg, Panofsky, Riegl, Wölfflin und Dehio, rückten jüngst auch Wind, Goldschmidt, Pevsner, Saxl, Kitzinger, Sedlmayr und andere in den Mittelpunkt vergleichbarer Betrachtungen. Nicht zufällig sind es immer wieder die Ver- treter der Emigrantengeneration, die das besondere Interesse der Jüngeren auf sich ziehen, 1 Berlin, Staatsbibliothek – Preußischer Kulturbesitz, Nachlass 290 (Otto von Simson), Kasten 41, Mappe 2. 2 Der vollständige Name ist Otto Georg August Eduard von Simson. Seine frühen Publikationen sind Otto Georg von Simson, die späteren nur noch Otto von Simson signiert. © 2019 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln ISBN Print: 9783412515973 — ISBN E-Book: 9783412515980 Ingeborg Becker/Ingo Herklotz (Hg.): Otto von Simson 1912 – 1993 8 | Vorwort denn ihre methodischen Impulse haben das Fach nachhaltig verändert und ihre Lebens- läufe faszinieren sowohl aufgrund der Brüche wie auch angesichts der ihnen eigenen Kontinuitäten. Dieser bereits stattlichen Phalanx nun auch Otto von Simson einreihen zu wollen, hätte fraglos eine wissenschaftsgeschichtliche Berechtigung. Auf ihn gehen wesentliche Impulse zur Etablierung dessen zurück, was man heute als „politische Iko- nographie“ bezeichnet. Mit dem Zusammenspiel von Kunst und Liturgie setzte er sich Jahrzehnte, bevor ein solcher Ansatz dauerhaft Fuß fasste, auseinander. Von ihm stammt schließlich der wohl bedeutendste und folgerichtig am breitesten rezipierte Versuch einer Architekturikonographie der gotischen Kathedrale. Zugleich weist aber auch von Simsons Vita eine Reihe an Besonderheiten auf, die ihn von den „typischen“ Vertretern der kunsthistorischen Emigration nachdrücklich unter- scheiden. Dass er innerhalb der Kunstwissenschaft zu einer verschwindend geringen Zahl von Remigranten gehörte, ist vielfach betont worden. Doch geben schon die früheren Abschnitte seines Curriculums Ungewöhnliches zu erkennen. Obwohl aus rassischen Gründen diskriminiert, emigrierte er 1939 nicht als Jude, sondern als Katholik, mehr noch als konvertierter Katholik, der sich erst kurz zuvor von seiner durch und durch protestantischen Erziehung losgesagt hatte. Die Wirkung des Katholizismus auf seinen Lebensweg und das wissenschaftliche Werk stellt somit eine der Leitfragen des vorlie- genden Buches dar. Spätestens bei Ende des Krieges gehörte dann aber auch Friedlän- ders „schwärmerisch- romantischer“ von Simson der Vergangenheit an. Wie kein anderer emigrierter Kunsthisto riker hat sich Otto von Simson nach 1945 dafür eingesetzt, den erneuten Brückenschlag zwischen den USA und Europa, insbesondere Deutschland, zu ermöglichen. Getragen wurde dieses Bemühen von dem Bewusstsein eines gemeinsamen kulturellen Erbes, einer abendländischen Tradition, für welches gerade die
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