Forschungsverbund Provenienzforschung Bayern Tätigkeitsbericht 2018 Forschungsverbund Provenienzforschung Bayern Tätigkeitsbericht 2018 F ORS C HUNGSVERBUN D PROVENIENZFORSCHUNG F P B B AYERN Forschungsverbund Provenienzforschung Bayern Tätigkeitsbericht 2018 Impressum Herausgegeben im Auftrag des Forschungsverbundes Provenienzforschung Bayern von Alfred Grimm Bayerisches Nationalmuseum Prinzregentenstraße 3 D-80538 München Redaktion Alfred Grimm Redaktionsschluss 03.02.2019 Prepress Dionys Asenkerschbaumer FPB-Logo Sybille Greisinger Gestaltung und Realisierung Dietmar Klinger Verlag, Passau ISBN: 978-3-86328-168-7 Printed in Germany Inhalt 5 Inhalt Grußwort . 6 Vorwort . 8 I. Institutionen und Personalia . 10 II. Projekte . 15 III. Restitutionen . 63 IV. Provenienzprüfverfahren (Restitutionsanträge) . 77 V. Proaktive Provenienzrecherche zu unter Raubkunstverdacht stehendem Kulturgut . 93 VI. Meldungen wegen Raubkunstverdacht in der ›Lost Art‹-Datenbank des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste (DZK), Magdeburg (www.lostart.de) . 108 VII. Organisationstätigkeit . 143 VIII. Aktive Teilnahme an Veranstaltungen . 148 IX. Berichterstattung/Medienresonanz . 163 X. Veröffentlichungen/Herausgebertätigkeit . 166 Addendum . 174 Corrigenda . 175 Kontakt . 176 Bildnachweis . 181 Nachtrag . 182 6 Grußwort Grußwort des Bayerischen Staatsministers für Wissenschaft und Kunst Bernd Sibler Das 20-jährige Jubiläum der »Washing- den Tätigkeit öffentlicher Institutionen im toner Konferenz« 2018 hat die öffentliche Bereich der Provenienzforschung. Die sich Wahrnehmung der Provenienzforschung ergebenden Synergieeffekte führen nicht deutlich gesteigert. Doch noch sind die nur zu einem qualitativen, sondern ebenso vielfältige Aufarbeitung des NS-Kunst- zu einem quantitativen Zugewinn bei der raubs und die Aufklärung des Schicksals Lösung der überaus komplexen Aufgaben- der überwiegend jüdischen Opfer der NS- stellung. Herrschaft noch lange nicht abgeschlos- Wie in den vergangenen Jahren konn- sen. Zur Lösung der damit einhergehen- te auch 2018 eine Reihe von Restitu tionen den Problemstellungen hat der Freistaat vorgenommen werden: Das Bayerische Bayern im Jahr 2015 den Forschungsver- Nationalmuseum und das Deut sche Thea- bund Provenienzforschung Bayern (FPB) termuseum gaben an die Nacherben des ins Leben gerufen, dem inzwischen 18 Münchner Kunsthändlers Siegfried Lämmle Institutionen mit unterschiedlicher Spe- eine Tonstatuette des Bolog neser Bild- zialisierung in den Bereichen Kunst-, hauers Petronio Tadolini und sieben Kultur- und Zeitgeschichte angehören. Zeichnungen zurück, wobei diese Objekte Im Jahr 2018 sind dem Forschungsver- anschließend erwor ben werden konnten; bund als Mitglieder mit der Bayerischen die Bayerischen Staats gemälde samm lun- Schlösserverwaltung und der Julius-Ma- gen re stituierten Ernst Immanuel Müllers ximilians-Universität Würzburg nicht Stu die Bauernstube an die Nacherben des nur zwei weitere staatliche Einrichtun- Augs burger Kaufmanns Ludwig Fried- gen beigetreten, sondern als Kooperati- mann; und die Bayerische Staatsbiblio- onspartner mit der Städtischen Galerie thek führte zwei Restitutionen mit insge- im Lenbachhaus und Kunstbau Mün- samt 62 Bänden durch. In all diesen Fäl- chen sowie dem Münchner Stadtmuseum len konnten somit »faire und gerechte auch zwei städtische Museen, und mit Lösungen« im Geiste der Washingtoner dem Buchheim Museum zudem eine öf- Prinzipien gefunden werden. Seit 1998 fentliche Stiftung. hat der Freistaat Bayern damit insgesamt Diese sukzessive Erweiterung des For - 737 Kulturobjekte (Gemälde, Skulpturen, schungsverbundes ist Ergebnis großen En- Por zellane, Textilien, Zeichnungen und gagements und einer beständig zunehmen- Bücher) an ihre rechtmäßigen Eigentü- Grußwort 7 merinnen und Eigentümer zurückgege- Zwar ist derzeit ein Ende des Engage- ben. ments zur Aufklärung des NS-Kunstraubs Die Landesstelle für die nichtstaat- noch nicht in Sicht, doch eröffnen unsere lichen Museen in Bayern hat zusammen Anstrengungen der vergangenen Zeit ei- mit dem Museum für Franken ‒ Staatli- ne äußerst dynamische Perspektive für die ches Museum für Kunst- und Kulturge- Zukunft. Der Forschungsverbund Pro- schichte in Würzburg zudem intensive venienzforschung Bayern unter seinem Recherchen zu Judaica aus überwiegend Gründungsvorsitzenden Dr. Alfred Grimm unterfränkischen Synagogen unternom- hat dafür in den letzten drei Jahren erfolg- men. Deren Ergebnisse wurden der Öf- reich die Weichen gestellt und damit eine fentlichkeit im Jüdischen Museum Mün- tragfähige Basis für die Bewältigung dieser chen in der Sonderausstellung »Sieben generationenübergreifenden Aufgabe ge- Kisten mit jüdischem Material«. Von Raub schaffen. Der Freistaat Bayern wird seiner und Wiederentdeckung 1938 bis heute prä- Verpflichtung für eine Wiederherstellung sentiert, die ab Juni auch im Museum für der Rechte der ehemaligen Eigentümerin- Franken zu sehen sein wird. nen und Eigentümer auch künftig mit al- Neben der gesamtgesellschaftlich rele- len ihm zur Verfügung stehenden Mitteln vanten Vermittlung ihrer Tätigkeit gehört nachkommen. es vor allem auch zum Aufgabenbereich der Provenienzforschung, eindeutig oder München, im April 2019 möglicherweise NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturobjekte online zugäng- lich zu machen, um die weitere Aufklä- rung zu ermöglichen. Durch akribische Arbeit sind inzwischen über 2.400 Ob- Bernd Sibler jekte im Besitz des Freistaats für Recher- Bayerischer Staatsminister chezwecke im Internet verfügbar. für Wissenschaft und Kunst 8 Vorwort Vorwort Dr. Alfred Grimm Bayerisches Nationalmuseum Beauftragter für Provenienzforschung Vorsitzender des Forschungsverbundes Provenienzforschung Bayern Wozu und zu welchem Ende betreiben wir und Peripherie (Zivilgesellschaft). Im Ho- Provenienzforschung?: die den Titel von rizont des liberalen Verfassungsstaates ist Friedrich Schillers Antrittsrede in Jena vom Provenienzforschung somit ‒ so der So- 26. Mai 1789 paraphrasierende Frage zur ziologe und Politikwissenschaftler Nicolas Relevanz NS-fokussierter Provenienzfor- Lippert ‒ eine politische Aufgabe. Sie dient schung resultiert aus deren gesamtgesell- der Wiederherstellung der im NS-Staat schaftlichem Auftrag. Provenienzforschung zerstörten privaten und öffentlichen Au- im NS-Kontext bezieht ihre Legitimation tonomie: Wiederherstellung privater Au- aus einer historisch bedingten, ethisch und tonomie bedeutet, dass die rechtmäßigen politisch motivierten sowie gesellschaftlich Eigentümer durch die Wiedererlangung relevanten Aufgabenstellung. Objektbe- ihrer unrechtmäßig entzogenen Kulturgü- zogene Provenienzforschung sowie deren ter auch ihren unrechtmäßig entzogenen historische und kulturgeschichtliche Kon- Rechtsstatus zurückerhalten; Wiederher- textualisierung im hier intendierten Sinn stellung öffentlicher Autonomie bedeu- ist keineswegs Selbstzweck, sondern dient tet, dass öffentliche Sammlungen durch der Ermittlung kausaler zeit- und situati- die Restitution unrechtmäßig in ihrem onsbedingter Zusammenhänge von Eigen- Bestand befindlicher Kulturgüter ihre In- tums- und Besitzwechsel sowie dessen Be- tegrität zurückgewinnen. Provenienzfor- urteilung nach geltendem Recht als legalem schung dient also der Wiederherstellung oder illegalem Akt. Erklärtes Ziel dieser einer gemeinsamen Rechtsgenossen- und von verpflichtender Verantwortung gegen- Rechtsgemeinschaft, und sie leistet damit über dem Unrecht des NS-Terrorregimes einen »freiheitlich-demokratischen Beitrag geprägten Bemühungen ist es, durch die zur sozialen und politischen Ordnung« Ermöglichung von Restitutionen gesche- (Nicolas Lippert). henes Unrecht nicht ungeschehen, doch Der zunehmenden Dynamik der Pro- zumindest rückgängig zu machen. venienzforschung im Spannungsfeld einer Provenienzforschung sui generis steht objektorientierten Recherche zu NS-ver- somit in unmittelbarer Verbindung mit folgungsbedingt entzogenem Kulturgut einer demokratisch-zivilgesellschaftlichen und entsprechender Grundlagenforschung Öffentlichkeit, genauer: sie stellt eine Ver- zu Transfer und Translokation von Kul- bindung her zwischen Zentrum (Politik) turgütern sollte im Idealfall eine diesem Vorwort 9 Umstand Rechnung tragende Positionie- rung seitens der Politik entsprechen. Der politische Wille darf sich jedoch nicht allein auf unverbindliche Absichtsbekun- dungen beschränken, sondern die Politik ist nicht nur gefordert, sondern vielmehr in der Pflicht, diese durch die Bereitstel- lung dafür erforderlicher Ressourcen auch einzulösen, entsprechend ihrem Bekennt- nis zur Provenienzforschung als originärer Aufgabe der res publica. Von der Hilfsdisziplin der Kunstge- schichte zur »Hilfswissenschaft der Politik« (Ingo Zechner): gerade weil Provenienz- forschung auch eine politisch konnotierte Funktion erfüllt, bedarf sie der vorbehalt- losen Unterstützung durch die Politik. Ihre exponierte Stellung nimmt aber auch die Provenienzforschung selbst in die Pflicht. Um den wiederholt gegen die Museen erho- benen Vorwurf, pro domo zu agieren, zu ent- kräften bzw. zu widerlegen, ist sie dringlich angehalten, ihre vielfältigen Aktivitäten und Ergebnisse mit größtmöglicher Transparenz offenzulegen ‒ und zwar unabhängig von in Glasgemälde: Heiliger Georg mit dem Drachen (Detail); einer jeweils zeitgeschichtlichen Bedingt- aus der ›Sammlung Göring‹; Bayerisches Nationalmuseum heit politisch bzw. im öffentlichen Diskurs (Inv.-Nr. 2004/137) S. 20:3, 138:7.7 an sie gestellten Anforderungen. Darauf hat die Öffentlichkeit nicht nur ein Anrecht, sondern vor allem haben darauf die Op- des
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