An Den Aareübergängen Bei Der Nydegg in Bern

An Den Aareübergängen Bei Der Nydegg in Bern

An den Aareübergängen bei der Nydegg in Bern Autor(en): Haas, Hugo Objekttyp: Article Zeitschrift: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde Band (Jahr): 7 (1945) PDF erstellt am: 10.10.2021 Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-240902 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. 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Mittelalterliches Gepräge und architektonischer Schmuck sind ihm zwar heute, verglichen mit gleichbedeutenden Anlagen in Aare- und Rheinstädten, nur in geringstem Maße eigen. Dennoch lohnt es sich, hier zu verweilen. Häuser und Plätze reden von vielhundertjährigem Werden und Wandel. Es ist ein Brückenkopf, aus dem, unzeitgemäß schier, weder Tod noch Verderben dringen, noch von der Kriegsfurie gehetzte Menschen flüchten. Hier waltet stiller, freundlicher Kunst- und Gewerbefleiß. Aus Scheunen und Pferdestallungen steigen ländliche Gerüche auf, die sich friedlich und unangefochten mit den weniger beliebten Holzgasen der Fuhrhaltereicamions und den Schmieröldünsten des nun zum Autofriedhof gewordenen Klösterli- areals mischen. Und, um das Bukett zu vervollständigen, gesellt sich bei driik- kendem Wetter noch feuchter Fischgeruch hinzu. Dann stehen an der hohen, sandsteinernen Brüstung Männer, Jünglinge und Knaben und zeigen mit langen Ruten auf die Aare hinaus. Damit soll aber nicht gesagt werden, es sei hier zu allen Zeiten so harmlos friedlich zugegangen. Ein Brückenkopf, er mag noch so verschandelt und vernachlässigt aussehen, ist je und je bedeutungsvoll gewesen, als Verkehrs-, Markt- und Werkplatz, als stark befestigtes Vorwerk am Eingang zur Stadt. Und dieser Platz hat wahrhaftig etwas erlebt: Belagerungen, Gefechte, Mordio und Fürio! Um letzteres gleich vorweg zu berichten: In den vergangenen 140 Jahren sind bezeugt —¦ den Kanonenschuß, dessen Einschlag man am alten Burgerhaus, d. i. das Rathaus am Stalden, noch sehen kann, nicht mitgezählt — zwei Schüsse gefallen und ist der rote Hahn auf hiesige Dächer geflogen. Von dem ersten Schuß gibt eine marmorene Gedenktafel Kunde. Sie steht an der Stützmauer der neuen Klösterlistraße und dürfte wieder beachtet werden. Die Inschrift lautet: «Die Stadt Bern ihrem edlen Burger Sigmund Rudolf von Werdt, der hier für die Befreiung streitend den Tod fand. Der XVIII. September MDCCCII. Er lebte XXI Jahr.» 94 Wer den Ursprüngen nachforscht, die zum sogenannten Stecklikrieg führten, dessen Opfer der junge Leutnant v. Werdt vor der Unterbrücke zu Bern wurde, wird viele Parallelen zum heutigen Geschehen in den besetzten Gebieten Europas erkennen. Vom andern Schuß zu reden, scheue ich ich mich schier. Doch treffen Tragik sich und Komik oft im selben Raum, und niemand zürnte deswegen. Also vom zweiten Schuß — wohl einem Flo- bert- oder einem Einsatzgewehrlauf mutwillig entsprungen — zeugt ein kreisrundes Loch im P von Telephon der gläsernen Fernsprechkabine. Interessant für Historiker und wegleitend für angehende Detektive mag sein, daß beide Schüsse von derselben Stelle, der Ostseite des Turmes, abgegeben wurden: 1802 aus einem dort befindlichen Erker des Wachtturmes und durch einen Unitarier abgefeuert, d. i. ein Anhänger der von Frankreich sanktionierten Regierung einer «Einigen und unteilbaren helvetischen Republik»; 194? vom schmalen Treppenpodest am Eingang zur Felsenburg alias Wachtturm und von einem schießbegeisterten und unbewußt heimatschützlerisch empfindenden Burginsassen losgelassen. Diesem Wachtturm gebührt die Ehre, der Älteste am Platze zu sein, obschon er im Laufe der Zeit Name, Gestalt und Bestimmung wechselte. Er hieß bis ins 17. Jahrhundert Blutturm und war das Vorwerk sowohl der älteren, um 1250 gebauten hölzernen, als auch der späteren steinernen Brücke, die nach dem Hochwasser von 1460 begonnen und 1487/89 vollendet wurde. Er mag also schon den Fährenverkehr über die Aare zum Ramseierloch genannten ersten Stadttor geschützt haben. Die steinerne Brücke, in drei mächtigen Schritten über die engste Stelle der östlichen Aareschlinge setzend, war mit steinernen Pfeilern überwölbt und mit Tor und Türmen stark befestigt. Der äußere, rechts der Aaremitte, im Konstanzer Bistum gelegene Pfeiler trug bis zur Reformationszeit eine Kapelle U. L. Frau, eine Marienkapelle. Der Brückenausgang führte bis 1625 in starkem Winkel durch den Turm, dann mauerte man diesen Durchgang zu, und ein seitlicher Torausgang mit Graben und Fallbrücke leitete hinüber zu den Landstraßen ins Emmental, Oberland und in den Aargau. Die Stadt- und flußaufwärts gelegenen, ungemein reizvollen Turmanbauten sind schon im Plan der Stadt Bern von 1583 und in einer Ansicht vom Jahre 1603 sichtbar. Das steile, um die südwestliche Ecke kühn geschwungene Dach reichte bis über die halbe Höhe des Bollwerks. Auf der Ostseite, über dem Graben, hing ein mit Schießscharten versehener Erker, von welchem aus man den Platz gut überblicken konnte. Groß war und ist ja dieser Brückenvorplatz nicht: Kaum fünfzig Schritte jenseits des Platzes macht ein steiler Hang weitausholend den Bogen der Aare mit. In einem natürlichen Haldeneinschnitt, der sich bis zur Schoßhaldenhöhe zieht, lief die ursprünglich Hohlgasse, dann 95 Haspelgäßli genannte, wohl älteste Zufahrtsstraße zur Stadt. Erst 1677, als der Kleine Aargauerstalden angelegt wurde, ging sie als Fahrstraße ein, laut folgender Verordnung: «Karl Manuel möge die Hohlgasse, so vom Stalden vor dem unteren Tor nach dem Ostermundigenfeld führe, die aber ganz unbrauchbar geworden, zu seiner anstoßenden Matte schlagen und ausfüllen, doch soll dies dem daneben laufenden Fußweg, ,Haspelgäßli' genannt, zu keinem Abgang gereichen.» Rechts vom Haspelweg, dem Torgraben nach, ging es zur heutigen «Klösterlibesitzung», wo sich 1749 eine Stallung, eine Wirtschaft und ein Friedhof befanden, dann weiter oben zum schon 1483 bestehenden Kleinen Muristalden. Links des Haspelgäßleins wichen im mittleren Hangteil die Matten und Baumgärten den gelbbraunen Blößen der Sandsteinfluh, die sich bis an die Oranienburghalde erstreckte, schlechten Bausandstein lieferte und zersägt aussah, wie heute die Ostermundigensteinbrüche. Am Fuße der Sandfluh und der Oranienburghalde standen ein größeres Bauernhaus mit Scheuern, das Haus eines Gärtners, eines Wachtmeisters, zusammengebaut die Häuser eines Bäckers und eines Chirurgen. Zwischen der Aare und der Altenbergstraße waren, wie heute, nur wenige Gebäulichkeiten; zunächst das Blatternhaus, wo Aussätzige und an der vielverbreiteten Lustseuche Erkrankte abgesondert gehalten wurden, dann die beiden Faßhäuser, ein westliches für deutsche (wohl meist See-) Weine und ein östliches für die beliebten welschen (milden Ryf- und La Côte-) Weine. Die Planskizze, welcher wir diese Einzelheiten entnehmen, entstand 1749 bei der Projektierung des ein Jahr später in Angriff genommenen Baues des Großen Aargauerstaldens. Nach dessen Vollendung 1758 gestaltete man zur Erleichterung des Verkehrs die alte Brücke und den Nydeggstalden etwas um: Die beiden Tore und das Dach wurden entfernt, 1760 die schmucken Bogen errichtet und der etwas erhöhten Brücke eine steinerne Brüstung gegeben. Sechzig Jahre später wünschte man mehr Weite. Und, wiewohl man sich damals schon mit dem Gedanken herumtrug, eine neue, höher gelegene Brücke zu bauen, opferte man behelfsmäßig und später auch unnötigerweise schmucke und ehrwürdige Bauwerke. Das innere Tor wurde abgetragen sowie auch die große, zum Salpeterturm (heute Laufenegg) hinüberreichende, mit Schießscharten versehene Schutzmauer. Der Verkehr forderte weitere Erleichterungen: die Zugbrücke verschwand, der Graben am Tor wurde ausgefüllt, die steinerne Brustwehr wich einem leichten eisernen Geländer. Unterdessen, 1780—1784, war der Große Muristalden angelegt worden. Prächtige Baumreihen von Linden, Ulmen und Platanen warfen bald geschlossenen Schatten auf die beiden Stalden. Da setzte im Jahre 1844 die neue Nydeggbrücke in einem kühnen Sprang über die Häuser an der Matte und über die Aare. Wir wollen später noch davon berichten. Die Untertorbrücke und ihr treuer Wächter vereinsamten.

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