Fotos und Dokumente im Österreichischen Staatsarchiv Katalog zur Ausstellung Österreichisches Staatsarchiv - Generaldirektion Text: Robert Stach Layout & Grafi k: Sabine Gfrorner Wien 2010 Zum Geleit Wenige Politiker im Laufe der Geschichte haben das Bild Österreichs im In- und Ausland so geprägt wie Bruno Kreisky (1911-1990). Seine Karriere führte diesen Mann, in verschiedensten Positionen seinem Land dienend, fast bis in das höchste Amt des Staates, eine Funktion für die zu kandidieren er jedoch ablehnte. Verfolgt von der Politik der Dreißigerjahre, als Sozialist, als Jude, kehrte er aus dem schwedi- schen Exil ohne Ressentiments zurück und half von Anfang an die Verwaltung der Zweiten Republik aufzubauen. Schon dabei nützte er die im Ausland geknüpften Kontakte für seine Arbeit und diese Verbindungen trugen in der Folge nicht nur zur Hebung seines Ansehens bei, sondern auch Österreich partizipierte davon. Wie einer seiner Biographen mit Recht meinte, strahlte Bruno Kreisky Charisma und Spontane- ität aus, war abwägend und impulsiv. Wer jemals diesem Mann persönlich begegnete und es leben heute noch viele Menschen, denen er persönlich gegenübertrat, mit ihnen diskutierte oder sie auch nur ansprach, der wird noch heute von dieser Persönlichkeit beeindruckt sein. Natürlich war auch er geprägt von Herkunft, Erziehung und allen Eigenschaften, die einen Menschen im Laufe seines Lebens prägen, aber doch war er für Generationen „der Kreisky“, der an den Staatsvertragsverhandlungen ebenso formend mitwirkte, wie dann als Außenminister in der Südtirolfrage um letzten Endes 13 Jahre als Bundeskanzler zu wirken. Das Österreichische Staatsarchiv nimmt den 100. Geburtstag dieses Staatsmannes zum Anlass in einer umfassenden Foto- und Aktenausstellung nicht nur nostalgische Erinnerungen zu wecken, sondern vor allem der heutigen Jugend mit dem von Kreisky überlieferten Bonmot „Lernen Sie Geschichte...“ mehr als ein Zeitalter nahezubringen. Es ist mir ein wirkliches Bedürfnis Frau Sabine Gfrorner und Herrn Regierungsrat Robert Stach, von dem die Idee dieser Ausstellung stammt, namens des Österreichischen Staatsarchivs für viel investierte Mühen, allerherzlichst zu danken. Man darf hoff en, dass viele Personen diese Exposition besichtigen. Hon.-Prof. Dr. Lorenz Mikoletzky Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs Konzeption der Ausstellung Die Ausstellung beinhaltet überwiegend bisher nicht gezeigte Fotos und Dokumente aus den Beständen des Österreichisch Staatsarchivs. Es werden Fotos aus der Abteilung Allgemeines Verwaltungsarchiv - Finanz- und Hofkammerarchiv (AVAFHKA) - „Audiovisuellen Samm- lung“/Bundespresse dienst, sowie Dokumente und Urkunden aus der Abteilung Archiv der Republik (AdR) präsentiert. Mit den gezeigten Exponaten wird der politische Werdegang Bruno Kreiskys nachgezeichnet. Besonders berücksichtigt wird die Tätigkeit als Staatssekretär und Bundesminister für Auswär- tige Angelegenheiten. Im Zentrum steht jedoch die Zeit Bruno Kreiskys als Bundeskanzler der Republik Österreich. Von der 1. Republik bis zur Berufung in die Bundesregierung In den politisch turbulenten Zeiten der 1. Republik Österreich heranwachsend, fand Bruno Kreisky, obwohl aus „bürgerlichem“ Haus stammend, sehr bald seine politische Heimat in der Sozialdemokratie. Vom austrofaschistischen Ständestaat verhaftet und verurteilt, musste er als Jude nach dem sogenannten Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland ins Exil nach Schweden fl üchten. Nach seiner Rückkehr trat Bruno Kreisky als Beamter in den diplomatischen Dienst Österreichs ein und wurde politischer Berater und Kabinettsvizedirektor des Bundespräsidenten Theodor Körner, bevor er 1953 als Staatssekretär in die Bundesregierung berufen wurde. Der Außenpolitiker und Oppositionsführer Ob als Mitverhandler für den Österreichischen Staatsvertrag, für die Einigung mit Italien über den Autonomiestatut Südtirols oder die Errichtung der EFTA als Freihandelszone in Europa - Diplomatie und Verhandlungsgeschick zeichneten Bruno Kreiskys Zeit als Staatssekretär im Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten ebenso aus wie als Außenminister. Er absolvierte eine Vielzahl von Auslandsreisen und seine Idee für einen Marshallplan für die Dritte Welt fand großes internationales Echo. Als neuer Vorsitzender der SPÖ und Oppositionsführer ab 1967 bereiste Bruno Kreisky das ganze Land von einem Wahlsprengel zum nächsten, um für sein Programm zu werben. Er versammelte 1000 Experten zur Erarbeitung von Vorschlägen für ein modernes Österreich. Unter anderem trat die SPÖ für eine Verkürzung des Präsenzdienstes beim Österreichischen Bundesheer (Slogan: 6 Monate sind genug!) ein. Das alles, sowie die langsame und überlegte Ausdrucksweise („Ich bin der Meinung…“) Kreis- kys überzeugte viele Wähler und erstmals in der Geschichte der 2. Republik errang die SPÖ bei den Wahlen am 1. März 1970 die relative Mandatsmehrheit. Bruno Kreisky wurde der erste sozialistische Bundeskanzler der Republik. 13 Jahre Bundeskanzler Der Auff orderung Bruno Kreiskys an die Österreicher doch „ein Stück des Weges gemeinsam mit ihm zu gehen“, folgten bei drei Nationalratswahlen hintereinan- der (1971, 1975 und 1979) mehr als jeder zweite Wähler und ermöglichten ihm so eine Vielzahl von nachhaltigen Reformen umzusetzen. Mutter-Kind-Pass, 40-Stundenwoche, Atomsperrgesetz, Arbeiterabfertigung, Konsumen- tenschutzgesetz, Volksanwaltschaft, Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Ehe, die UNO-City, aber auch Zinsertragssteuer und Budgetdefi zit sind nur einige selbstverständliche Begriff e, die aus der Regierungszeit des Bundeskanzlers Dr. Bruno Kreisky bis heute Bestand haben. Es gelang ihm gemeinsam mit Kardinal Dr. Franz König das historisch belastete Verhältnis der SPÖ zur römisch-katholischen Kirche zu normalisieren. Und auch der alte Konfl ikt der Partei mit Otto Habsburg wurde durch Bruno Kreisky mit einem Handschlag beendet. Auch als Kanzler verfolgte Bruno Kreisky eine aktive Außenpolitik, die er als friedenssichernd in der Zeit des Kalten Krieges verstand. Neben vielen bilateralen Verträgen unterzeichnete er für Österreich die Schlussakte der Konferenz für die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Helsinki, an deren Zustandekommen er maßgeblich beteiligt war. Die 13 Jahre Kreiskys als Regierungschef waren auch geprägt von Ereignissen wie dem Ölpreisschock und den nachfolgenden wirtschaftlichen Problemen, denen mit steigenden Staatsausgaben Herr zu werden versucht wurde. Es gelang damit - auf Kosten höherer Staats- schulden - die Vollbeschäftigung und den sozialen Frieden weitgehend zu erhalten. Nahost-Initiativen (Sozialistische Internationale) Die Sozialistische Internationale (SI), ein weltweiter Zusammenschluss sozia- listischer, sozialdemokratischer und Arbeiter-Parteien, setzte in den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts viele Initiativen zur friedlichen Lösung von Konfl ikten. Insbesondere unter der Präsidentschaft von Willy Brandt, Kreis- kys Freund seit der Zeit des Exils, war die SI für Bruno Kreisky eine Plattform für die Bemühungen, eine friedliche Lösung für das Nahostproblem zu fi nden. In mehreren Erkundungsmissionen suchte Bruno Kreisky das Gespräch zu allen Konfl iktparteien des Nahen Ostens. Auf Initiative Kreiskys kam es zu spektakulären Aktionen, wie zum Beispiel zu direkten Gesprä- chen mit Jassir Arafat, der damals noch als Terrorist galt. Auch das berühmte Zusammentreff en der damaligen Feinde, dem israelischen Führer der Arbeiterpartei, Shimon Peres, mit dem ägyptischen Präsidenten Anwar al Sadat in Wien, ist auf die Initiative von Kreisky und Brandt zustande gekommen. Die Einladung Muammar al Gadaffi s nach Österreich fand allerdings nicht überall in der Welt ungeteilte Zustimmung. Gesellschaft, die Zeit nach der Kanzlerschaft, privat Ob beim Pressefoyer nach dem Ministerrat, bei einer der unzähligen Presse- konferenzen, oder beim Heurigen - Bruno Kreisky pfl egte besten Umgang mit den Reportern und Journalisten aller Lager und nutzte die Macht der Medien wie kein anderer Politiker vor ihm. Das bescherte ihm den Beinamen „Medienkanzler“. Jedoch gab es auch hin und wieder Rüff el für Journalisten, wie „lernen Sie ein biss’l Geschichte, Herr Redakteur!“ Der Titel, der Bruno Kreisky von Medienvertretern verliehen wurde, war „Sonnenkönig“. In den letzten Jahren der Kanzlerschaft und danach wurde er aber nur noch „der Alte“ genannt. Ein ganz besonderes Verhältnis hatte Bruno Kreisky zu vielen Künstlern und Kulturschaff enden. Moderner Kunst positiv gegenüberstehend, hing ein Gemälde von Friedensreich Hundertwas- ser in seinem Arbeitszimmer im Bundeskanzleramt. Seit 1942 war er mit seiner Frau Vera verheiratet. Das Paar hatte zwei Kinder, Peter und Susan- ne. Sein umfangreiches Arbeitsprogramm ließ wenig Zeit für ein Privatleben. Die Zeit, die er in seinem „Schrebergarten in Mallorca“, wie er sein dortiges Haus nannte, verbringen konnte, war daher sehr beschränkt. Nach dem Verlust der absoluten Mehrheit bei den Nationalratswahlen 1983 zog sich Bruno Kreisky, unzufrieden mit seinen Nachfolgern, aus der Politik weitgehend zurück. Er ließ sich einen Vollbart wachsen und schrieb seine Biografi e. Im Dezember 1988 starb seine Frau Vera und am Sonntag, den 29. Juli 1990 schloss Bruno Kreisky für immer die Augen. Lebenslauf 1911 - 1938 Bruno Kreisky wurde am 22. Jänner 1911 als Sohn bürgerlicher Eltern im 5. Wiener Gemeinde- bezirk, Schönbrunner Straße 122, geboren. Sein Vater Max Kreisky war Generaldirektor der Österreichischen Wollindustrie AG und Textil AG, die Mutter Irene, geborene Felix
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