
Kunst auf dem Uni-Campus1 (1954 – 1989) “In ihrer humanistischen Funktion, Freude und Genuss zu schenken, Erkenntnisse über das eigene Sein zu vermitteln, fügt sie [die sozialistische Kunst] sich organisch in die gestaltete Umwelt der sozialistischen Gesellschaft ein, bereichert sie, macht sie anziehend, interessant und liebenswert.”2 Ich möchte – weit entfernt davon, mich über die etwas pathetische Form zu mokieren – diesen Text zweier ostdeutscher Autoren zitieren, denn das Zitat dokumentiert den Geist der damaligen Zeit. Heute, mehr als 30 Jahre nach dem Fall der Mauer, sehen wir diese Zeugnisse des das Gesicht der ganzen DDR prägenden Programmes von Kunst im öffentlichen Raum, oder wie es zu DDR-Zeiten hieß: architekturbezogener Kunst, immer mehr verschwinden. Vor 60 Jahren war der heutige Campus der Universität der des 1952 gegründeten Pädagogischen Instituts, das sich 1969 in „Pädagogische Hochschule Dr. Theodor Neubauer umbenannt hatte. 1994 wurde die Neugründung der 1816 – 424 Jahre nach ihrer Gründung geschlossenen – Universität betrieben. 1999 nahm sie auf dem Gelände der Pädagogischen Hochschule ihre Arbeit auf3. Auf dem Campus der Universität Erfurt sind bis heute zahlreiche Skulpturen, Wandmalereien und Bauschmuck aus der Zeit ihrer Vorgängerinstitution zu finden. Sie sind – pars pro toto – interessante Dokumente der Kunstförderung in der DDR4, die es in das 1 Dies ist die überarbeitete Version des an dieser Stelle erstmals publizierten Versuchs, die DDR-Kunst auf dem Campus der Universität zu erfassen und zu beschreiben. Anlässlich einer Publikation für die Deutsch- Französische Online-Zeitschrift Abibac (https://cdn.website- editor.net/f0f8038564254a3b9e18e528a79be801/files/uploaded/RevueAbiBac_n4_mai%25202019_le%2520p ouvoir%2520de%2520l%2527image.pdf) und einer neueren Publikation, die Fehler aus meinem Text wörtlich abgeschrieben hat (Maleschka, Berlin 2019), hat sich die Notwendigkeit einer Neuüberarbeitung als dringlich herausgestellt. Dank für tatkräftige Unterstützung, Bereitstellung von Material und wertvolle Hinweise schulde ich den Damen der Abteilung „Heimatkunde“ der Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt, Frau Scholz vom Uni- Archiv Erfurt, Frau Pappe und Herrn Escherich von der Unteren Denkmalschutzbehörde Erfurt sowie Herrn Misch vom TLDA Erfurt. 2 Kuhirt, Ullrich ; Neumann, Erika : Kunst und Architektur. Baubezogene Kunst der DDR. Leipzig 1974. 3 Vgl hierzu: Raßloff, Steffen: ErfurtDie älteste und jüngste Universität Deutschlands, Erfurt 20172. https://www.uni-erfurt.de/fileadmin/public- docs/Hochschulkommunikation/Programme_Flyer/Universitaet/Infomaterial/Broschuere_Die_aelteste_und_ju engste_Universitaet_Deutschlands_2017.pdf. 4 Auf die Architekturgeschichte der Erfurter Universität soll hier nicht weiter eingegangen werden. Vgl. hierzu u.a. Dallmann, Wilfried/ Hüter, Karl-Heinz/Schulrabe, Siegward/Zießler, Rudolf (Hgg.): Architekturführer DDR, Bezirk Erfurt. Berlin 1978. Burucker, St.: Projekt 31: Pädagogische Hochschule Erfurt, in: Behrens, J. / Mann, M / Zimmermann, B. (Hgg.), Architektur in Erfurt von den 20ern bis zur Gegenwart. Erfurt 1999, 76-81. Wieler, Bewusstsein zu rücken lohnt. Sie sind Teil eines Programms zur Verschönerung von Neubaugebieten in der DDR5. Diese meist figurativen Kunstwerke folgten wohl der Doktrin den sozialistischen Realismus, sie als Propagandawerke zu bezeichnen, wäre jedoch zu einfach. Meist figürlich gestaltet, stellen sie sozialistische Persönlichkeiten wie Marx, Engels oder Lenin dar. Nicht wenige stellen einfach nur Tiere, Kinder beim Spielen oder die „werktätige Bevölkerung“ dar. Die Dargestellten, und das kann man gut auf dem Campus der Universität Erfurt nachvollziehen, sind oft Personen, die einen Vorbildcharakter haben, wie fleißige, dem Lehrer stets aufmerksam zuhörende, lernende, Sport treibende, am Ernteeinsatz beteiligte oder kulturbeflissene Studenten6. Abweichend von der ersten Version dieses Textes sollen die Kunstwerke thematisch systematisiert werden. Ulrich/ Weckherlin, Gernot/ Escherich Mark/ Fehr, Carla (Hgg.): Architekturführer Thüringen. Vom Bauhaus bis zum Jahr 2000, Weimar 22001, S. 144/145. 5 Allgemeine Publikationen zur Kunst im öffentlichen Raum in der DDR: Topfstedt Thomas, Baubezogene Kunst in der DDR, in ders.: Baubezogene Kunst in der DDR, dans : 60 x Kunst am Bau aus 60 Jahren, Berlin 2010 ; http://www.bbr.bund.de/BBR/DE/Bauprojekte/KunstAmBau/sechzigJahre/jubilaeumsedition.pdf?__blob=publi cationFile&v=3 ; zuletzt abgerufen am 7.2.2019. Grundlegend auch: Guth 1995, der auf S. 11 anmerkt: „Architekturbezogene Kunst in der DDR war eine merkwürdige Melange aus Apologetik und Trotzdem, aus Hoffnung und Enttäuschung (…)“. 6 Mit „Studenten“ sind Männer und Frauen gemeint. Im Interesse einer leichteren Lesbarkeit verzichte ich in diesem Beitrag auf Konstrukte wie „Studierende“, zumal es sich um in der Vergangenheit studierende Personen handelt. 2 Herausragende Persönlichkeiten Bronzebüste Theodor Neubauer (1965) Abb. 1; Walter Arnold: Portraitbüste Dr. Theodor Neubauer, Bronze, 1965 Vor dem Wirtschafts- und Verwaltungsgebäude (ehemaliges Gebäude für Mensa und Verwaltung) findet sich auf einer Stele die Bronzebüste Theodor Neubauers7 nebst einer Inschrift. Die Umbenennung des Pädagogischen Instituts in „Pädagogische Hochschule Theodor Neubauer“ erfolgte 1965, und aus diesem Jahr stammt auch die Bronzebüste. Geschaffen wurde sie von Walter Arnold (1909 – 1979), der in dieser Zeit Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden war. Von allen auf dem Uni-Campus vertretenen Künstlern war Arnold derjenige mit der größten überregionalen Bedeutung. Überall in der DDR fanden sich Plastiken des überzeugten SED-Mitglieds. Als Arnold 1979 starb, erschien in der „Bildenden Kunst“ auf Seite 2 an prominentester Stelle ein im Namen des ZK der SED abgefasster Nekrolog, in welchem seine Verdienste in der DDR gewürdigt wurden: „Sein 7 Dr. Theodor Neubauer (1890 – 1945) war Lehrer in Erfurt und Weimar. 1920 trat er der KPD bei. Er war Mitglied des Reichstages, ging 1933 in den Untergrund, wurde später verhaftet und in verschiedenen Konzentrationslagern interniert. Er war an der Organisation eines kommunistischen Widerstandsnetzes beteiligt. 1944 im Juli verhaftet, wurde er im Januar 1945 vom Volksgerichtshof verurteilt und im Februar hingerichtet. In der DDR und besonders in Thüringen galt Neubauer als eine zentrale Figur des antifaschistischen Widerstandes. Viele Straßen, aber besonders auch pädagogische Einrichtungen wie Schulen und eben die PH in Erfurt wurden nach ihm benannt. 3 vielseitiges schöpferisches Wirken wurde durch unseren sozialistischen Staat mit hohen Andenken gewürdigt.“8 Von 1924 – 1928 absolvierte er eine Ausbildung als Holz- und Steinbildhauer. Danach studierte er unter Alfred Thiele an der Leipziger Kunstgewerbeschule und wurde anschließend dort Assistent. 1946, nach Krieg und Gefangenschaft trat er der neu gegründeten SED bei und wurde Professor für figürliches Zeichnen an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Von 1949 – 1970 hatte er die o.a. Professur in Dresden inne, ging kurzfristig noch einmal nach Leipzig, um dann in Dresden eine Meisterklasse zu übernehmen. Von 1959 – 1964 war Arnold Präsident des Verbandes Bildender Künstler der DDR. Abb. 2 Walter Arnold: Kunstwerke von ihm im öffentlichen Raum finden bzw. fanden sich Ernst Thälmann, 1958. unter anderem in Potsdam (Freundschaftsgarten, Inge, 1949), Weimar, Platz der Berlin (Köllnischer Garten, Traktoristin, 1952), Merseburg 56000, heute: (Lunapark, Carl Maria von Weber, 1957), (Weimar (Ernst Buchenwaldplatz Thälmann, damals Platz der 56000, heute: Buchenwaldplatz, 1958) Erfurt (Internationale Gartenbauausstellung, Freiplastik/ Frauenakt, 1961) und Leipzig (Clara Zetkin, 1967). 8 Bildende Kunst, Heft 9, 1979. Im Unterschied zu den bislang genannten Künstlern fehlt Arnolds Name in keiner (zeitgenössischen) Monographie über DDR-Kunst, DDR-Bildhauerei und „architekturbezogene Kunst“. So unter anderem bei: Kunst in der Deutschen demokratischen Republik. 1949 – 1959. Plastik, Malerei, Grafik. Dresden 1959; Feist, Peter H.: Plastik in der Deutschen Demokratischen Republik, Dresden o.J. (60er Jahre). Bildende Kunst und Architektur. Katalog. Teil 3. Berlin 1972, Bildende Kunst und Architektur. Katalog. Teil 6: Ergänzung. Berlin 1974. In der „Bildenden Kunst“ wurde Arnold in folgenden Ausgaben erwähnt und Werke von ihm abgebildet: 4/1956, 7/1957, 5/1958 (mit längerem Beitrag), 8/1958, 4/ 1963, 6/ 1963, 5/1964, 10/1964, 3/1970, 9/1979. Bei Feist: Inge, 1949, Karl Liebknecht, 1953, Karl Liebknecht, 1959 , Befreite Arbeit, Schönes Leben, 1961, Studentin, 1962. 4 Studenten Lehrgebäude I (1952/54) Seit Beginn der Bauarbeiten zum Pädagogischen Institut war der Bauschmuck ein wichtiger Bestandteil der Planungen. Das älteste Gebäude, das Lehrgebäude I, 1952 – 54 neoklassizistisch im Stil der „nationalen Traditionen“9 erbaut, erhielt im Westen einen Hörsaalanbau, der an allen drei Seiten mit figürlichen Hochrelieffriesen ausgestattet wurde, welche die starke vertikale Gliederung horizontal durchbrechen. Geschaffen Abb. 3: Helmut Braun und Hans Walther, Figurenfries wurden sie von den in Erfurt tätigen am Hörsaalanbau des Lehrgebäude 1, Nordseite Bildhauern Hans Walther (1888 – 1961) und Helmut Braun (*1925)10. Das Bildprogramm zeigt zweimal elf (West- und Südseite) und einmal zehn (Nordseite) Brustbilder von Männern und Frauen, die es nachfolgend näher zu beleuchten gilt. Der Fries auf der Nordseite führt sechs Männer und vier Frauen vor Augen, von denen einige
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