Iranica Antiqua, vol. XLV, 2010 doi: 10.2143/IA.45.0.2047126 WAHRAM III., KÖNIG DER KÖNIGE VON ERAN UND ANERAN BY Ursula WEBER (Paderborn) Abstract: >Wahram III, King of kings of Eran and Aneran<. After Wahram II (276-293) had been in power for 17 years, a period of office which had been shaped by problems both in domestic and foreign affairs and in which the Sasa- nian Empire had gone through a heavy crisis, Wahram III entered the throne in 293 AD as Iran’s sixth sahan sah. He was the successor of his father and grand- father of the same name and, like them, a member of the Sasanian clan. However, his grandfather had originally not been considered a possible heir to the throne by Sabuhr I for reasons we do not know. Wahram III was only able to maintain his position as King of kings for about four months. In reaction to his succession to the throne a civil war broke out which caused the aristocracy to fall out and weakened the Empire even more. In the course of this war, Narseh, Wahram III’s great-uncle and Sabuhr I’s youngest son, was able to persuade parts of his opponent’s army to break away from its leader. Thus, he succeeded in overcoming Wahram. With this victory Narseh was able to regain the rule for the actual family of Sasan after twenty years of quarrel for the throne. Our main source for those events are Narseh’s own res gestae from Paikuli in ¨Iraqi Kurdistan. Keywords: Iran, Sasanians, Wahram III, King Narseh of Armenia, Paikuli inscrip- tion. Nach siebzehnjähriger Regierungszeit Wahrams II. (276-293 n. Chr.), die geprägt war von außen- und innenpolitischen Schwierigkeiten und das Sasanidenreich an den Rand einer schweren Krise führte, gelangte Wahram III. im Jahre 293 n. Chr. als sechster sahan sah an die Macht. Er entstammte in direkter Nachfolge seines Vaters und Großvaters gleichen Namens der sasanidischen Königsfamilie; allerdings war sein Großvater aus unbekann- ten Gründen nicht für die Thronfolge vorgesehen. Wahram III. konnte sich nur etwa 4 Monate1 als König der Könige des Sasanidenreiches behaupten. 1 Zu dem Text der Paikuli-Inschrift und zu den Texten der hier zitierten Autoren s. U. Weber, Prosopographie des Sasanidenreiches im 3. Jahrhundert n. Chr. (2002ff.), s. v. 22497-09_Iran_Antiq_45_11.indd497-09_Iran_Antiq_45_11.indd 335353 115-04-20105-04-2010 110:00:420:00:42 354 U.WEBER Als Reaktion auf seine Thronbesteigung kam es zu einem Bürgerkrieg, der die Adelspartei entzweite und das Reich noch mehr schwächte. Narseh [SKZ I 4], ein Großonkel Wahrams III. und jüngster Sohn Sabuhrs I., gelang es im Laufe dieses Krieges, Teile der gegnerischen Truppen zum Abfall zu bringen und Wahram III. zu besiegen. Auf diesem Wege erreichte es Nar- seh, die Herrschaft des Sasanidenreiches nach einem etwa 20-jährigen Thronfolgestreit2 für den ursprünglichen Zweig der Familie des Sasan zurückzugewinnen. Name Wahram ist der dritte sahan sah des Sasanidenreiches, der ebenso wie sein Großvater und Vater nach einem der höchsten Götter des Zarathu- strismus benannt ist. Hinter der Wahl dieses Thronnamens für Sohn und Enkel Wahrams I. dürfte eine Absicht oder sogar ein politisches Programm stehen. Das Programm gründete sich auf dem Bestreben, nach außen erkennbar zu machen, daß mit der Familie Wahrams I. ein anderer Zweig der sasanidischen Königsfamilie3 den Thron bestiegen hatte4. Bekräftigt Wahram III. (B: Quellen, S. 1-10) unter der Internetadresse: http://www.uni-kiel.de/klas- salt/projekte/sasaniden/index.html Zunächst ist festzuhalten, daß die Paikuli-Inschrift, einzige Primärquelle für die Regie- rungszeit Wahrams III., keine Angaben zur Länge seiner Regierungszeit überliefert. Nach den Quellen der sekundären und tertiären Tradition dauerte Wahrams Herrschaft mit abweichenden Zeitangaben entweder vier Monate oder vier Jahre: Agathias, Historiarum Libri Quinque (1967) IV,24,6-8 (4 Monate). – Elias von Nisibis, Opus Chronologicum I (1910) 96,17-20 (4 Monate). – Ibn Qutayba, Kitâb al-ma¨ârif (1960) 655,8-10 (4 Monate). – al-Ja¨qubi, Historiae 1 (1883) 182,12-14 (4 Jahre). – Euty- chius von Alexandria, Annales (1906) 113,20 (4 Monate). – el-Maqdisî, Le Livre de la création et de l’histoire III (1903) 159 (4 Monate). – at-Tabari, Annales I (1881) 835,4-9 (4 Jahre). – Th. Nöldeke, Tabari (1879) 49-50. – Repr. 1973. – C.E. Bosworth, al-™abari (1999) 47. – Mas¨udi, Les Prairies d’or 1 (1966) 295,1-2 = § 600 (4 Jahre und 4 Monate). – al-Masûdî, Kitâb at-tanbîh wa ˆl-ischrâf (21967) 100,17-18 (4 Jahre und 4 Monate). – Ibn al-Athir, al-Kamil fi ˆl-Taˆrikh 1 (1965) 391,1-3 (4 Jahre). – al-Tha¨âlibî, Histoire des Rois des Perses (1900) 507-508 (4 Monate). – Histoire Nestorienne inédite (Chronique de Séert) I (1908) 254 (4 Monate). – Repr. 1971. – Firdousi, Le Livre des Rois V (1866) 415: XXVI (4 Monate). — Bel¨ami, Chronique de … Tabari 2 (1958) 90,10-15. 2 s. U. Weber, Wahram II., König der Könige von Eran und Aneran, in: IrAnt 44 (2009) 559-643; hier 561-569. – U. Weber/J. Wiesehöfer, Der Aufstand des Ormies und die Thronfolge im frühen Sasanidenreich (2008) 217-225. 3 P. O. Harper/P. Meyers, Silver Vessels of the Sasanian period 1 (1981) 17. 4 Der nächste Herrscher, der denselben Thronnamen führte, war Wahram IV. (388-399 n. Chr.) am Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr. — vgl. auch die Namensgebung bei Narsehs 22497-09_Iran_Antiq_45_11.indd497-09_Iran_Antiq_45_11.indd 335454 115-04-20105-04-2010 110:00:430:00:43 WAHRAM III. 355 wird dieser Eindruck durch einen Münztyp Wahrams II., der auf der Vor- derseite den Großkönig zusammen mit der Königin der Königinnen und dem Kronprinzen zeigt. Mit diesem Münzbild wird der neue Herrschafts- anspruch der Wahram-Familie dokumentiert5 (Fig. 1). Die Religionspolitik Wahrams I. und auch die seines Sohnes zeigen, welche Bedeutung sie diesem Gott beimaßen. Wie stark die Verbindung Wahrams II. zu diesem Gott war, bezeugt ferner das kennzeichnende Em blem seiner Krone: die Flügel des varagna- Vogels, Symbol des Gottes Fig. 1. Münze Wahrams II. aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien6 Thronfolger Hormezd II. (302-309 n. Chr.): Daß Narseh bewußt diesen Namen für seinen Nachfolger ausgesucht hatte, darf als sicher gelten. Er sollte an den letzten rechtmäßigen Herrscher des Sasanidenreiches Hormezd I. vor der Regierungszeit Wahrams I. und seiner beiden gleichnamigen Nachfolger erinnern. Bestätigt wird diese Annahme durch Narsehs „damnatio memoriae“ am Relief Wahrams I., den er als Usurpator ansah. Dabei ersetzte Narseh den Namen Wahrams I. durch seinen eigenen, beanspruchte dadurch das Investi- turrelief für sich und brachte damit zum Ausdruck, rechtmäßiger Thronfolger zu sein. – s. dazu M. Sprengling, Shahpuhr I, the Great on the Kaabah of Zoroaster (KZ) (1940) 384. 5 R. Göbl, Sasanidische Münzstudien. II. Römische und sasanidische Büstengruppen, in: Mitteilungen der Österreichischen Numismatischen Gesellschaft VII (XXIII a. F.) (1952) Nr. 10, 133ff. – id., Sasanidische Numismatik (1968) Taf. 4: 58-59; 64; 66-70; Taf. 5: 71. — 44: „Es ist der dynastische Gedanke, der hier in breiter Form vorgetragen wird“. – s. auch M. Morony, Sasanids, in: EI2 IX (1997) 72f.: „The legitimacy of this branch of the royal family was emphasised by showing Bahram II with his wife and son, Bahram, on the coins, some of which showed the king and queen attending the fire altar on the reverse”. 6 Die Abbildung dieser Münze wird R. Gyselen verdankt. 22497-09_Iran_Antiq_45_11.indd497-09_Iran_Antiq_45_11.indd 335555 115-04-20105-04-2010 110:00:430:00:43 356 U.WEBER Wahram. Unterstützung in der Verehrung dieses Gottes erfuhren Wahram I. und auch sein Sohn durch den tatkräftigen mowbed Kerdir, der sich in seinen Inschriften der Förderung des Wahram-Kultes, vor allem aber der Verbreitung der Wahram-Feuer rühmte. Der Wahram-Kult war in Iran und den angrenzenden, iranisch beeinflussten Ländern weit verbreitet. Verehrt als Kriegsgott und Gott des Sieges war Wahram Schutzherr seines kriegs- führenden Volkes und hoch geachtet von der kriegsbereiten Aristokratie des Reiches. Sein Name läßt sich von altiran. *v®‡ragna- ableiten, ent- wickelte sich weiter zu mp. wlhlˆn7 und später zu np. Bahram. In den zahl- reichen Quellen ist der Name des Großkönigs entsprechend der jeweiligen Sprache auf unterschiedliche Weise überliefert8. Genealogie (Pl. 1) Die mittelpersisch-parthische Bilingue des König Narseh von Armenien am Monument von Paikuli9 in ¨Iraqi-Kurdistan (Fig. 2) ist die einzige Primärquelle für die viermonatige Regierungszeit Wahrams III. Während die Paikuli-Inschrift genaue Angaben zum Verlauf des Bürgerkrieges, zu 7 Zum Namen Wahrams: u. a. M. Back, SSI (1978) 270, Nr. 359a. – Ph. Gignoux, Noms propres sassanides en moyen-perse épigraphique (1986) 171, Nr. 926. — G. Gnoli, Bahram. I. In Old and Middle Iranian Texts, in: EncIr III (1989) 510-513; hier 512f. — Ph. Huyse, SKZ 2 (1999) 103 mit ausführlicher Diskussion und zahlreichen Literaturan- gaben. – R. Schmitt, Byzantinoiranica: Zum Beispiel Prokop (2004) 673. 8 Belegstellen für die Überlieferung des Namens Wahram: KSM § 7, KNRm § 7, KKZ 5-7, KNRb 27-31. – gr.: Während Agathias (Historiarum Quinque Libri IV 24,5-6) eine einzige gräzisierte Namensform Oûararánjv für Wahram I-III angibt, finden sich bei Synkellos (Ecloga Chronographica 678,13-15 = 441,7-9) zwei unterschiedliche Namens- formen: Oûraránjv, Oûrarákjv, Oûraránjv. — Zonaras (Annales XII 31,9-10) nennt sie dagegen Oûararánjv, Oûararákjv, Oûararánjv. — Theophanes (Chronogra- phia II 6,6) zitiert Wahram II. dagegen als Oûarráxjv. – syr. WRHRN: Elias von Nisi- bis I (1910) 95,13-15. – WRTRN: S. Brock, A Martyr at the Sasanid court under Vahran II: Candida, in: AnalBolland 96 (1978) 173-177 [syr. Text passim]. — kopt. Ouarharan: G. Wurst, Die Bema-Psalmen (1996) 106f. = p. 43,5-9. — Barharan: S. Giversen, The Manichaean Papyri in the Chester Beatty Library. Vol. 1: Kephalaia (1986) 312,3; 309,24 = W.-P.
Details
-
File Typepdf
-
Upload Time-
-
Content LanguagesEnglish
-
Upload UserAnonymous/Not logged-in
-
File Pages42 Page
-
File Size-